27
PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie 1 ©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected] Einführung in Methoden der Medizinischen Soziologie PD Dr. Karin Tritt ©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected] Wie beurteilt man eine Be- handlungsmethode? I Im Mittelalter glaubte man (einige Jahrhunderte lang), dass Eiter ein Zeichen der Heilung sei. Gebärmutterkrebs und "sexueller Ausschweifung„: Im Kontext der mangeln- den Behandlungsmöglichkeiten in der ersten Hälfte des 19. Jhds etablierte sich ein medizinischer Diskurs, der sich vor allem auf die Prävention von Gebär- mutterkrebs bezog und hier Regeln für ein richtiges Sexualverhalten jenseits eines quantitativen und qualitativen "Zuviels" aufstellte. Hier konnten die Prozesse einer sexuellen Normierung der Frau aufgezeigt werden. Nicht nur der außereheliche Verkehr, sondern auch das Lesen von erregender Literatur, die die sexuelle Phantasie erhitzten, wurden als krankheitserregend identifi- ziert. Erst mit der Verbesserung der Behandlungsmöglichkeiten Ende des 19. Jahrhunderts verschwindet dieser Diskurs aus der offiziellen Literatur und findet sich nur noch in Ratgebern, Verweise auf den Zusammenhang von sexuellen Fehlverhalten und Krebserkrankungen finden sich jedoch auch noch bei zeitgenössischen Selbsthilfegruppen. Siehe: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=770

Einführung in Methoden der Medizinischen Soziologie · senschaftliche Artikel gelesen werden. PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie 5 ©2008 PD Dr. Karin Tritt,

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Einführung in Methoden der Medizinischen Soziologie · senschaftliche Artikel gelesen werden. PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie 5 ©2008 PD Dr. Karin Tritt,

PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie

1

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Einführung inMethoden

der Medizinischen Soziologie

PD Dr. Karin Tritt

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Wie beurteilt man eine Be-handlungsmethode? I

• Im Mittelalter glaubte man (einige Jahrhunderte lang), dass Eiter ein Zeichen der Heilung sei.

• Gebärmutterkrebs und "sexueller Ausschweifung„: Im Kontext der mangeln-den Behandlungsmöglichkeiten in der ersten Hälfte des 19. Jhds etablierte sich ein medizinischer Diskurs, der sich vor allem auf die Prävention von Gebär-mutterkrebs bezog und hier Regeln für ein richtiges Sexualverhalten jenseits eines quantitativen und qualitativen "Zuviels" aufstellte. Hier konnten die Prozesse einer sexuellen Normierung der Frau aufgezeigt werden. Nicht nur der außereheliche Verkehr, sondern auch das Lesen von erregender Literatur, die die sexuelle Phantasie erhitzten, wurden als krankheitserregend identifi-ziert. Erst mit der Verbesserung der Behandlungsmöglichkeiten Ende des 19. Jahrhunderts verschwindet dieser Diskurs aus der offiziellen Literatur und findet sich nur noch in Ratgebern, Verweise auf den Zusammenhang von sexuellen Fehlverhalten und Krebserkrankungen finden sich jedoch auch noch bei zeitgenössischen Selbsthilfegruppen.

Siehe: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=770

Page 2: Einführung in Methoden der Medizinischen Soziologie · senschaftliche Artikel gelesen werden. PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie 5 ©2008 PD Dr. Karin Tritt,

PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie

2

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Wie beurteilt man eine Be-handlungsmethode? II

• Den Buchdrucker Gabriel Kantz aus Zwickau zwischen Seuchenangst und Therapie um 1529: Die Debatte ging um die sog. englische Seuche, auch als "englischer Schweiß" bezeichnet, der sich durch ein "verworrenes Krankheits-bild" auszeichnete, ist Bestandteil religiöser, medizinischer und populärer Aus-einandersetzungen, Flugblättern und Handlungsanweisungen der Zeit. Ein bekanntes Pamphlet, von Kantz selber gedruckt, empfahl eine 24-stündige "Schwitzkur" mit zugenähten Bettlaken. Der schließlich selbst erkrankte Kantzhielt sich rigoros an diese Anweisung, verstarb jedoch am ersten Tag, und löste damit eine Debatte über die Sinnhaftigkeit der Therapie aus.

• Rudolf Virchows (1821-1902) Vorstellungen zu Neuroglia: Virchows Beschrei-bung der Neuroglia Zelle im Gehirn als Nervenkitt konstituierte lange die Lehr-meinung der Neurologie, obwohl sie bereits zeitgenössische Kritiker fand. Erst mühsam setzte sich in den 1920ern die Erkenntnis durch, das es sich bei der Neuroglia nicht um passives Nervenkitt, sondern um aktives Gewebe handelte, was wohl auch mit Virchows großer Reputation und Autorität zu Lebzeiten zu tun hatte. Stahnisch beschreibt dieses Ondulieren zwischen dem Glücksfall der Erstbeschreibung durch Virchow und dem Irrtum des Nervenkitts als Stützge-webe jedoch als produktiven Fehler, der zu weiterer Forschung anregte und erst ein Wissen über die Neurogliazelle hervorbrachte.

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Alltag vs. Wissenschaft(nach Schütz, 1971)

• Einstellung: pragmatisches Motiv

• Methode: Rückgriff auf bewährte Handlungsrezepte basierend auf vergangene Erfahrungen und Mehr-oder-Minder-Schlüsse

• Vagheit der Alltagssprache

• Ausklammerung der Zweifels

• Einstellung: desinteressierter Beobachter

• Formellere Methodik, die auf eine Objektivierung abzielt: Operationa-lisierung, Explizierung der Prämis-sen, Konstrukte, der Methodik und der Schlussziehung, logische Kon-sistenz, Adäquanz des Modells & Rückführbarkeit auf den subjektiven Sinn

• Grössere sprachliche Bestimmtheit (Konstrukte zweiter Ordnung)

• Systematische Pflege des Zweifels

Page 3: Einführung in Methoden der Medizinischen Soziologie · senschaftliche Artikel gelesen werden. PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie 5 ©2008 PD Dr. Karin Tritt,

PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie

3

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Die Helicobacter-Story IÄrzte Woche, 21. Jahrgang Nr. 26, 2007

„Keine Säure, kein Ulkus“. Wie das Dogma fiel.

Spannend wie ein Wissenschaftskrimi ist die Geschichte des Helicobacter pylori. Die Entdeckung des Keims in der Magenschleimhaut revolutionierte die Heilkunde. Die Aufklärung seiner Rolle als Verursacher des Ulkusleidens und der Gastritis war eine Sternstunde, nicht nur der Gastroenterologie. Für diese Pionierleistung erhielten die beiden australischen Ärzte Barry J. Marshall und J. Robin Warren 2005 den Nobelpreis für Medizin.

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Die Helicobacter-Story IIÄrzte Woche, 21. Jahrgang Nr. 26, 2007

Genau genommen ist der Keim, der seit Urzeiten im menschlichen Magen lebt, seit über hundert Jahren bekannt. Deutsche Anatomen entdeckten bereits 1875 im Schleim des Magens spiralige Bakterien. Da es ihnen aber nicht gelang, sie im Labor zu züchten, geriet ihre Arbeit in Vergessenheit. Ebenso wie die Publikation des deutschen Internisten Walter Krienitz(1876–1943), der 1906 „über das Auftreten von Spirochäten verschiedener Form im Mageninhalt bei Carcinoma ventriculi“ in der Deutschen medizinischen Wochenschrift berichtete. Diese alten Bekannten im Magen „wiederentdeckten“ also Anfang der 1980er Jahre der Pathologe J. R. Warren und der Internist und Mikrobiologe B. J. Marshall, die beide am Königlichen Krankenhaus von Perth, Universität Westaustralien, beschäftigt waren. Dem Pathologen Warren war – wie vielen Ärzten auf der ganzen Welt – aufgefallen, dass es bei zahlreichen Ulkus-Patienten trotz optimaler Behandlung und Unterdrückung der Säureproduktion im Magen – gemäßdem Dogma „keine Säure, kein Ulkus“ – immer wieder zu Rückfällen oder kompletten Therapieversagern kam.

Page 4: Einführung in Methoden der Medizinischen Soziologie · senschaftliche Artikel gelesen werden. PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie 5 ©2008 PD Dr. Karin Tritt,

PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie

4

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Die Helicobacter-Story IIIÄrzte Woche, 21. Jahrgang Nr. 26, 2007

Gekrümmt und stabförmig

In etwa der Hälfte der Biopsien aus der Magenschleimhaut, die er als Pathologe zu befunden hatte, entdeckte Warren kleine, gekrümmte stabförmige Bakterien, die bereits im Lichtmikroskop sichtbar waren. Bakterien, die hier im unwirtlichen „salzsäuresauren“ Milieu des Magens nach der herrschenden Lehrmeinung eigentlich gar nicht sein durften. Da Warren praktisch überall, wo er die Bakterien fand, auch die klassischen Entzündungszeichen beobachtet, wurde er stutzig. Er vermutete, dass diese Keime bei der Entstehung der Gastritis und beim Ulkus ventriculi und duodeni eine Rolle spielen könnten. Viele seiner Kollegen nahmen seine These nicht ernst und sahen Verunreinigungen des Materials als Ursache für die Keimbesiedelung der Biopsien. Gemeinsam mit seinem jüngeren Kollegen Marshall – einer der Wenigen, der nicht den Kopf über Warrens Ideen schüttelte – versuchte Warren die Keime zuisolieren und zu vermehren.

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Anforderungen der „Fortbildung“(Antes 2002)

• Praktisch tätige Mediziner weisen oft eine maximale Lesezeit von 30 Minuten in der Woche aus.

• Um die wichtigsten Entwicklungen alleine in der Inneren Medizin zu verfolgen, müss-ten täglich (= 7 Tage in der Woche) 19 wis-senschaftliche Artikel gelesen werden.

Page 5: Einführung in Methoden der Medizinischen Soziologie · senschaftliche Artikel gelesen werden. PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie 5 ©2008 PD Dr. Karin Tritt,

PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie

5

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Wissenschaftliche Publikationen I

Plazebokontrollierte Studie zur Wirkung einer standardisierten MORA-Bioreso-nanztherapie auf funktionelle Magen-Darm-Beschwerden (Nienhaus & Galle 2006)

Schlüsselwörter: Magen-Darm-Beschwerden – MORA – Bioresonanztherapie –Plazebo – Randomisierte kontrollierte Studie – PsychosomatikHintergrund & Fragestellung: Über die pos. Wirkung der MORA-Bioresonanzthe-rapie bei psychosomatischen Beschwerden wird von vielen naturheilkundlich orien-tierten Praktikern und in einer unkontrollierten Studie berichtet. Die vorliegende pla-zebokontrollierte Studie prüft die Auswirkungen der MORA-Bioresonanztherapie auf nichtorganische Magen-Darm-Beschwerden. Patienten & Methode: Es wurde eine randomisierte, plazebokontrollierte Studie mit 20 Versuchspersonen (10 in der Plaze-bo-, 10 in der Verumgruppe) in einer internistischen Arztpraxis durchgeführt. Primäre Zielkenngrössen waren die Patienteneinschätzung und die Therapeuteneinschätzung der Intensität und Häufigkeit der Magen-Darm-Beschwerden und die durch die Thera-peuten erfassten Untersuchungsbefunde: palpatorisch erfasster Bauchschmerz, perku-torisch erfasster Meteorismus und auskultatorisch erfasste Darmgeräusche vor und nach der Behandlungsserie.

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Wissenschaftliche Publikationen II

Sekundär wurde der Effekt der MORA-Bioresonanztherapie auch anhand von elektrischen Leitwertmessungen an Händen & Füssen, anhand von bestimmten Stuhl-, Urin- und Blutparameter und anhand des subjektiven, körperlich-seelisch-geistigen Allgemeinzustands überprüft.Ergebnisse: Nach Einschätzung der Patienten und des Therapeuten verbesserten sich die Magen-Darm-Beschwerden in der Verumgruppe deutlich und signifikant (p < 0,01). Dies galt auch für den palpatorisch erfassten Bauchschmerz (p < 0,01) und den perkutorisch erfassten Meteorismus (p <0,05) in der Verumgruppe, allerdings nicht für die Darmgeräusche (p > 0,05). In der Plazebogruppe zeigt sich in den Zielkenngrössennur ein kleine mittlere Verbesserung (p > 0,05).Schlussfolgerung: Die MORA-Bioresonanztherapie verbessert deutlich nichtorganische Magen-Darm-Beschwerden.

Page 6: Einführung in Methoden der Medizinischen Soziologie · senschaftliche Artikel gelesen werden. PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie 5 ©2008 PD Dr. Karin Tritt,

PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie

6

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Wissenschaftliche Publikationen III

• Studienart: Plazebokontrolliert• Methodik: Signifikanter Unterschied zwischen

Plazebo- und Verumgruppe• Stichprobecharakteristika: Alter, Geschlecht,

Bildung, Risiken…. auf welche Personen lassen sich die Ergebnisse

übertragen?• Outcomemasse: palpatorisch erfasster

Bauchschmerz, …• Schlussfolgerung: …

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Was ist evidenzbasierte Medizin? (Sackett et al., 2001)

EBM stellt die Integration der• besten Evidenz aus der Forschung mit

• klinischer Expertise sowie

• Präferenzen der Patienten dar.

Wenn diese drei Elemente integriert sind, bilden Patienten und Kliniker eine diagnostische und klinische Allianz, die den Outcome sowie Lebensqualität optimieren soll.

Page 7: Einführung in Methoden der Medizinischen Soziologie · senschaftliche Artikel gelesen werden. PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie 5 ©2008 PD Dr. Karin Tritt,

PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie

7

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Wie wird EBM praktiziert?(Sackett et al., 2001)

Die komplette Anwendung von EBM basiert auf 5 Schritte:• 1. Schritt: Umwandlung des Informationsbedarf (z.B. zur Prävention,

Diagnose, Prognose, Therapie, Genese, etc.) in eine beantwortbare Frage;• 2. Schritt: Aufspüren der besten Evidenz zur Beantwortung dieser Frage;• 3. Schritt: Kritische Beurteilung der Evidenz nach der Validität (Wahr-

heitsnähe), Relevanz (Effektgröße), und Anwendbarkeit (Nützlichkeit für die klinische Praxis);

• 4. Schritt: Integration der kritischen Bewertung mit unserer klinischen Expertise und mit der Einzigartigkeit der Biologie, Werte und Lebensumstände des Patienten;

• 5. Schritt: Bewertung unserer Effektivität und Effizienz in der Ausübung der Schritte 1-4 sowie die Suche nach Wege, um diese Schritte für den nächsten Patienten noch zu verbessern;

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Zusammenhang zwischen Leitlinien und EBM

1. Problem-formulieren

2. Evidenz-suche

3. Bewertung der Evidenz

4. Integration mit Einzigar-tigkeit und Präferenzen

5. Bewertung der Behand-lung

4. Bewertung der Behand-lung

3. Integration mit Einzigar-tigkeit und Präferenzen

1. Problem-formulieren

2. Suche nach Summaries = Leitlinien

Evidenzbasierte Medizin

Leitlinien

Page 8: Einführung in Methoden der Medizinischen Soziologie · senschaftliche Artikel gelesen werden. PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie 5 ©2008 PD Dr. Karin Tritt,

PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie

8

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Cochrane Kriterien(Cooke et al., 1995)

• I – „Wirksam“: Gute Evidenz aus mindestens einer systematischen Übersicht mehrerer gut geplanter, randomisiert-kontrollierter Studien;

• II – „Wirksam“: Gute Evidenz aufgrund mindestens einer gut geplanten, randomisiert-kontrollierten Studie mit angemessener Größe;

• III – „Wahrscheinlich wirksam“: Evidenz aus gut geplanten Studien mit Wartelistenkontrollgruppe, ohne Randomisierung, Kontrolle mittels einfachem Gruppenvergleich (vorher-nachher), Kohortenstudie, Zeitreihen- oder „matched case“-Studien;

• IV – „Möglicherweise wirksam“: Evidenz aufgrund gut geplanter nicht experimenteller Studien von mindestens zwei Zentren oder Forscher-gruppen;

• V – „Möglicherweise wirksam“: Meinungen anerkannter Experten, die auf klinischem Eindruck, deskriptiven Studien oder Stellungsnahmen von Expertenkomitees beruhen;

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Grenzen der EBM(Sackett et al., 2001)

Problem, die universell für die Wissenschaft sind:• Mangel an koherenter und konsistenter wissenschaftlicher Belege

(Brähler et al., 2002: für ca. 51 % der med. Dienstleistungen liegt keine Evidenz vor);

• Problem der Übertragung der Evidenz auf individuelle Patienten; • Barrieren für die Umsetzung von qualitativ hochwertiger Medizin;

Spezifische EBM-Probleme:• Notwendigkeit der Aneignung spezifischer Fähigkeiten, um EBM

durchzuführen;• Zeitlicher Aufwand, um diese Fähigkeiten zu erlangen;• Ressourcen für die erforderliche Technik sind häufig nicht vorhanden;

Page 9: Einführung in Methoden der Medizinischen Soziologie · senschaftliche Artikel gelesen werden. PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie 5 ©2008 PD Dr. Karin Tritt,

PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie

9

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

EBM und Leitlinien: Adressen

http://www.uni-duesseldorf.de/WWW/AWMF/www.cochrane.orgwww.cochrane.de

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Qualitative vs. Quantitative Analysen (nach Tritt, 1992)

• Aspekte der Quantifizierung treten vorerst in den Hintergrund zugunsten einer Fo-kussierung auf den subjektiven Sinn, d.h. das Wie und Warum – anstatt das Wieviel– soll erfasst werden Welche Handlungsrezepte wenden Ärzte und Schwestern im Umgang mit Sterbenden an? / Zwischengeschlechtliche Umgangsregeln bei arabische Menschen?

• Häufig erfolgt eine sukzessive Annäherung an den Untersuchungsgegenstand und Fragestellung, die zu einer vertieften Verständnis führen soll Elaborierung der Codes: Arabische Verbote mit religiösen vs. gesundheitsbezogenen Begründungen

• Häufig geringe Manipulation des Untersuchungsgegenstandes (Ausnahme Aktions-forschung: Teilnahme um subjektive Sinn der Ereignisse nachzuvollziehen).

• Design zielt darauf ab, die gewünschten Informationen zu kriegen, z.B. Teilneh-mende Beobachtung in der Forensik – sonst stimmen die Infos nicht.

• Fixierung der Daten: Sprache sowie Handlungen (außer Handlungsspuren) sind flüchtig

• Interpretation: theoriegeleitet vs. „Grounded Theory /auf dem Hintergrund des Alltagswissens“

Page 10: Einführung in Methoden der Medizinischen Soziologie · senschaftliche Artikel gelesen werden. PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie 5 ©2008 PD Dr. Karin Tritt,

PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie

10

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Brustkrebs-Screening:Aufgabe (Gigerenzer, 2002)

Um die Früherkennung von Brustkrebs ab einem bestimmten Alter zu för-dern, wird Frauen empfohlen, regelmäßig an Screenings teilzunehmen. Angenommen, Sie führen in einer bestimmten Gegend das Landes ein sol-ches Brustkrebs-Screening mit Hilfe von Mammographie durch. In der be-treffenden Gegend liegen folgende Angaben über Frauen zwischen 40 und 50 vor, bei denen sich keine Symptome zeigen und die am Mammogra-phie-Screening teilnehmen:-Die Wahrscheinlichkeit, dass eine dieser Frauen Brustkrebs hat, = 0,8 %.-Wenn eine Frau Brustkrebs hat, ist die Wahrscheinlichkeit 90 %, dass ihr Mammogramm positiv ausfällt.-Wenn eine Frau jedoch keinen Brustkrebs hat, beträgt die Wahrschein-lichkeit 7 %, dass ihr Mammogramm dennoch positiv ausfällt.

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine 40-50 jährige Frau – bei positiver Mammogramm - tatsächlich Brustkrebs hat?

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Brustkrebs-Screening:Natürliche Häufigkeiten(Gigerenzer, 2002)

Nun die gleiche Aufgabe – allerdings in „natürlichen Häufigkeiten“ausgedrückt:

-Von jeweils 1000 Frauen dieser Altergruppe haben 8 Brustkrebs.- Von diesen 8 Frauen mit Brustkrebs werden 7 ein positives Mammo-gramm haben.- Von den übrigen 992 Frauen, die keinen Brustkrebs haben, werden rund 70 dennoch ein positives Mammogramm haben.

Wie hoch ist die Anzahl von Frauen, deren Mammogramm beim Screening positiv ausfiel und die tatsächlich Brustkrebs haben?

Page 11: Einführung in Methoden der Medizinischen Soziologie · senschaftliche Artikel gelesen werden. PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie 5 ©2008 PD Dr. Karin Tritt,

PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie

11

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Was versteht man unter Wahrscheinlichkeiten?Wenn man kein zusätzliches Wissen über den Untersu-chungsgegenstand/eine Krankheit hat, dann geht man davon aus, dass alle OPTIONEN gleichermaßen vorkommen können

Bei einem intakten Würfel kann jeweils jede Zahl mit einer Wahrscheinlichkeit von 1/6 = 0.166 beim Würfeln vorkommen. Die Wahrscheinlichkeit des Vorkommens einer Kombination zweier Zahlen beträgt 1/6 x 1/6 = 1/36 Zufall.

Wenn man Kenntnisse über die empirische Verteilung von Be-funden hat, z.B. Prävalenz- oder Inzidenzraten, dann wird die Annahme einer Zufallsverteilung mit den empirischen Gewich-tungen ersetzt. Beispiel: Auf der Basis einer Repräsentativerhe-bung in der BRD beträgt - laut GBE – die 1-Jahres-Prävalenz-rate für eine psychische Erkrankung 32,1 %. Die entsprechende Wahrscheinlichkeit p = 0,321.

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Sicherheit beim Screening: Susans Albtraum (Gigerenzer, 2002)

Susan, einer 26-jährigen alleinerziehenden Mutter, wurde Mitte der 90-er im Rahmen einer Routineuntersuchung einen AIDS-Test unterzogen. Sie nahm zwar illegale Dro-gen, spritze sie jedoch nicht intravenös. Daher glaubte sie nicht, dass der Test bei ihr positiv ausfallen würde. Doch nach einigen Wochen wurde ihr genau dieses Ergebnis (HIV-Positiv) mitgeteilt, was damals fast einem Todesurteil gleichkam. Susan war schockiert und verzweifelt. Das Testergebnis sprach sich herum, und ihre KollegInnenvermieden es aus Angst vor Ansteckung sogar ihr Telefon anzufassen. Schließlich ver-lor sie ihre Arbeitsstelle. Bald darauf zog sie in ein Heim für HIV-Infizierte. Dort schlief Susan mit einem Mitbewohner – ohne Kondom – denn warum noch aufpassen, wenn man schon angesteckt ist... Zärtlichkeiten gegenüber ihrem Sohn wurden auch eingestellt, aus Angst ihn anzustecken.

Einige Monate später bekam Susan Bronchitis und der HIV-Test wurde – diesmal mit negativen Befund – wiederholt. Bei einer zweiten Überprüfung der ersten Blutprobe ergab sich diesmal ein negatives Ergebnis. Es stellte sich heraus, dass die Probe mit der einer anderen Person vertauscht wurde.

Page 12: Einführung in Methoden der Medizinischen Soziologie · senschaftliche Artikel gelesen werden. PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie 5 ©2008 PD Dr. Karin Tritt,

PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie

12

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Wie sicher sindTestbefunde?

Sensitivität - der Anteil der korrekt als tatsächlich krank/positiv identifizierten Patienten

falsch-positive Befunde – der Anteil gesunder Patienten, die fälschlicherweise ein positiven Befund erhalten.

Spezifität - der Anteil der korrekt als tatsächlich gesund/negativ identifizierten Patienten

falsch-negative Befunde – der Anteil kranker Patienten, die fälschlicherweise ein negativen Befund erhalten.

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Sicherheit von Testbefunden

Richtig negativ

Falschpostiv

Patient istgesund

Falschnegativ

Richtig positiv

Patient istkrank

Negativer Testergebnis

Positiver Testergebnis

Page 13: Einführung in Methoden der Medizinischen Soziologie · senschaftliche Artikel gelesen werden. PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie 5 ©2008 PD Dr. Karin Tritt,

PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie

13

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Die Wahrscheinlichkeit von Nebenwirkung: (Gigerenzer, 2002)

Ein Psychiater verschreibt depressiven Patienten regelmäßig Prozac. Dies hat, wie so viele Medikamente, gewisse Nebenwirkungen. Er informierte die Patienten darüber, dass mit einer Wahrscheinlichkeit von 30-50 % sexuelle Probleme, wie Impotenz und Libidostörungen, auftreten können. Als sie das hörten, waren viele Patienten doch leicht beunruhigt. Sie stellten jedoch keine weiteren Fragen, was den Psychiater wiederum wunderte.

Was bedeutet diese Aussage und was kam wohl bei den Patienten an?

Nach einer Auseinandersetzung mit natürlichen Wahrscheinlichkeiten, informierte er auf andere Weise über Risiken. Nun sagte er den Patienten, dass bei drei bis fünf von zehn Menschen, die Prozac einnehmen, sexuelle Probleme auftreten – was mathema-tisch gesehen – identisch die Aussagen der früheren Aufklärung entsprach. Seine Pa-tienten zeigten sich nun weniger beunruhigt und fragten, was sie tun sollten, wenn sol-che Problem auftreten würden. Der Psychiater stellte dann fest, dass viele der Patientengedacht hatten, in 30-50 % ihrer sexuellen Aktivitäten würden Störungen auftreten.

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Für den mündigen Bürger wird statisti-sches Denken eines Tages ebenso wichtig sein wie Lesen und Schreiben (H.G. Wells)

Page 14: Einführung in Methoden der Medizinischen Soziologie · senschaftliche Artikel gelesen werden. PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie 5 ©2008 PD Dr. Karin Tritt,

PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie

14

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Warum Statistik?

0 1 2 3 4 5 6höchster Schulabschluss

10

20

30

40

50

60

70

80

Alte

r

•Objektivierung von Entscheidungsgrundlagen

•Zusammenfassung von Einzelwerten

•Reduktion, um Übersicht zu erreichen

•Vergleichbarkeit verschiedener Stichproben

•.....

N = 151- Alter by Schulabschluss

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Das Problem der Reduktion I

Sie fahren mit Bill Gates im Auto. Bill hat ein Vermögen von $29,884,906,919.28 (Stand:Oktober’03). Berechnen Sie das durchschnittliche Vermögen aller Fahrzeuginsassen.

Page 15: Einführung in Methoden der Medizinischen Soziologie · senschaftliche Artikel gelesen werden. PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie 5 ©2008 PD Dr. Karin Tritt,

PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie

15

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Das Problem der Reduktion II$ 25.000

$ 7.600

$ 5.500

$ 3.459 = Mittelwert /Mean

$ 3.500

$ 2.500

$ 2.100 = Median (12 höhere & 12 tiefere Werte)

$ 1.400 = Modus /Mode (häufigster Wert)

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Das Problem der Reduktion III

Page 16: Einführung in Methoden der Medizinischen Soziologie · senschaftliche Artikel gelesen werden. PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie 5 ©2008 PD Dr. Karin Tritt,

PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie

16

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Das Problem der Reduktion IV

0123456789

10

180 160 140 120 100 80 60

Systole

Häufigkeiten – Mittelwert = 120

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Das Problem der Kriterien: Operationalisierung

Operationalisierung (Messbarmachung) beschreibt die Art und Weise, wie ein theoretisches Konstrukt (ein Phänomen, was nicht direkt beobachtbar ist, z.B. Angst) gemessen werden soll und zwar in der Form einer Mess-Anweisung. Dabei werden meist die Vorannahmen und die einzelnen Schritte (Erhebungsmethode, -instrument und Informationsverarbeitung) präzise dargestellt.

Beispiel: Angst vor Schlangen könnte durch die Anzahl Meter gemessen werden, die ein Versuchperson sich einer Schlange nähern kann. Weitere Möglichkeiten: Subjektive Angsteinschätzungen des Vpn oder physiologische Angstparameter.

Die Operationalisierung hat in der Wissenschaft eine große Bedeutung, da sie die Grundlage dafür ist, Experimente wiederholbar zu machen: Nur wenn ein Experiment wiederholt wird und dabei die gleichen Ergebnisse erzielt werden, kann eine Hypthesezuverlässig geprüft werden.Darüber hinaus ermöglicht die Operationalisierung, dass die Konstrukte nachvollziehbar (und damit kritisierbar) werden und erleichtert den Vergleich verwandter Studien.

Page 17: Einführung in Methoden der Medizinischen Soziologie · senschaftliche Artikel gelesen werden. PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie 5 ©2008 PD Dr. Karin Tritt,

PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie

17

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Tricksen mit Graphiken I

5132,02004

5131,01998

5126,31994

5220,51990

5215,41987

529,81983

528,51980

527,31976

525,81972

526,61969

526,91965

538,31961

539,21957

538,81953

546,81949

Anzahl Frauenin Deutschland

in %

Weibliche Abgeordnete im

Deutschen Bundestag

in %

Jahr

MännerFrauen

MännerFrauen

1949

2002

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Tricksen mit Graphiken II

0

20

40

60

80

100

1949 1957 1965 1972 1980 1987 1994 2002

Bundestag

0

5

10

15

20

25

30

1949 1957 1965 1972 1980 1987 1994 2002

Bundestag

Page 18: Einführung in Methoden der Medizinischen Soziologie · senschaftliche Artikel gelesen werden. PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie 5 ©2008 PD Dr. Karin Tritt,

PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie

18

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Tricksen mit Graphiken III

0

20

40

60

80

100

1949 1953 1957 1961 1965 1969 1972 1976 1980 1983 1987 1990 1994 1998 2002

Bundestag

0

5

10

15

20

25

30

1949

1957

1965

1972

1980

1987

1994

2002

Bundestag

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Tricksen mit Graphiken IV

Page 19: Einführung in Methoden der Medizinischen Soziologie · senschaftliche Artikel gelesen werden. PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie 5 ©2008 PD Dr. Karin Tritt,

PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie

19

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Tricksen mit Graphiken V

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Epidemiologie I• Prospektive vs. retrospektive Studien• Analytische vs. interventionelle Epidemiologie• Relativer Risiko: dabei wird berechnet, wie viel Mal häufiger die

Wahrscheinlichkeit ist, bei einer Risikoexposition zu erkranken:Risiko der Exponierten / Risiko der Nichtexponierten

• Odds-Ratio dient als Schätzwert für den relativen Risiko (wenn nicht erhebbar) und stellt ein Maß für den Zusammenhang zwischen einer Exposition und dem Auftreten einer bestimmten Erkrankung = relative Chance eine Erkrankung häufiger zu bekommen als der Durchschnitt: Erkrankte mit Risikofaktor / Erkrankte ohne RisikofaktorNicht-Erkrankte mit Risikofaktor / Nicht-Erkrankte ohne Risikofaktor

• Attributable Risiko: gibt an wie viele Erkrankungsfälle vermieden werden können, wenn der Risikofaktor vollständig aus der Population entfernt wird:Differenz zwischen Wahrscheinlichkeit zu erkranken bei Risikoexposition und bei Nicht-Risikoexposition.

Page 20: Einführung in Methoden der Medizinischen Soziologie · senschaftliche Artikel gelesen werden. PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie 5 ©2008 PD Dr. Karin Tritt,

PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie

20

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Epidemiologie II(Buser & Kaul- Hecker, 2003)

Die Tabakindustrie hinterfragte lange, ob Rauchen ernsthaft schädlich für die Gesundheit sei. Was meinen Sie – nach Sichtung der Zahlen - zu dieser Aussage?

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Korrelative vs. kausale Zusammenhänge

-Die Anzahl der Störche ist in den letzten Jahrzehnten drastisch gesunken.

-Ebenso ist die Geburtenrate in dieser Zeit erheblich gesunken.

-Welche Relation besteht zwischen den Rückgang der Anzahl von Störchen und Geburten?

Page 21: Einführung in Methoden der Medizinischen Soziologie · senschaftliche Artikel gelesen werden. PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie 5 ©2008 PD Dr. Karin Tritt,

PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie

21

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Korrelative Zusammenhänge

0,00 1,00 2,00 3,00

SCL-90R GSI - 2. Messung

0,00

0,50

1,00

1,50

2,00

2,50

3,00SC

L-90

R G

SI -

1. M

essu

ng

Pearson‘s r = 0,674; p ≤ 0,001

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Kausalnachweise: experimentelle Logik

Planung Messung Randomisierung Treatment

Messung AuswertungTreatment continued

Page 22: Einführung in Methoden der Medizinischen Soziologie · senschaftliche Artikel gelesen werden. PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie 5 ©2008 PD Dr. Karin Tritt,

PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie

22

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Gängige Designtypenz.B. (nach Amelang & Bartussek 2001, s. auch Cook &

Cambell 1979):• Randomisierte, kontrollierte, experimentelle Studie: die willkürliche

Herstellung & systematische Variation der experimentellen Bedingungen sowie der Kontrolle von Störvariablen...;

• Quasi-experimentelle, kontrollierte Studie: aus organisatorischen oder ethischen Gründen kann keine Randomisierung erfolgen – die Interpre-tation erfordert sorgfältige Abwägung aller alternativen Interpretationen;

• Ex-post-facto-Untersuchungen: wenn ein als unabhängiges Variable aufgefasstes Merkmal vom Versuchsleiter nicht manipuliert werden kann (Korrelationsstatistische Untersuchungen); Problem: statt Dependenz-sind nur Interdependenzinterpretationen zulässig;

• Katamnestische Studien: einmalige retrospektive Untersuchung;• Kosten-Nutzen-Studien: ökonomische Erwägungen werden

miteinbezogen;

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Pharmakologische Prüfstudien

• Phase I: Prüfung neuer Substanzen an gesundeFreiwillige unter extrem kontrollierte Bedingungen;

• Phase II: Dosisfindungsstudien – auch unter extrem kontrollierte Bedingungen;

• Phase III: Prüfung der Substanz an der kranken Zielpopulation – unter kontrollierten Bedingungen;

• Phase IV: Prüfung der Substanz an einer größeren Population mit der entsprechenden Erkrankung im freien Feld unter Beachtung z.B. der Nebenwirkungen, der Compliance-Probleme, etc.;

Page 23: Einführung in Methoden der Medizinischen Soziologie · senschaftliche Artikel gelesen werden. PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie 5 ©2008 PD Dr. Karin Tritt,

PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie

23

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Warum Epidemiologie & Kontrollgruppen?(Huff, 1954)

In den 50-er Jahren wurden Berichte von verschiedenen, unabhängigen Forschern über die Wirksamkeit von Antihistamine bei Erkältungen veröffentlicht: Alle wiesen einen beachtlichen Rückgang der Symptome nach einer Behandlung nach. Dies führte zu einem Medienrummel und einem Verkaufsboom dieser Produkte.

Der Komiker und keinesfalls medizinischer Spezialist Henry G. Felsen machte dann auf eine alte Fakte aufmerksam: Bei einer adäquaten Be-handlung wird eine Erkältung nach sieben Tagen geheilt; unbehandelt und sich selbst überlassen vergeht eine Erkältung erst nach einer ganzen Woche.

Siehe noch Beispiel: Brustkrebs

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Auf die Darstellung kommt‘s an!(Gigerenzer, 2002)

Multiplizieren Sie die Zahlen XIX und XXXIV miteinander

Wiederholen Sie die Aufgabe: 19 x 34

Kevin Miller et al. baten amerikanische und chinesische 4-jährige Kinder von 1 an hoch zu zählen. Die amerikanischen Kinder zählten im Schnitt bis 15 - die chinesischen Kinder erreichten die Zahl 40. Mögliche Erklärung: Im Chinesischen folgen die Zahlwörter konsequent dem 10er-System (11 = zehn-eins, 12 = zehn-zwei, 13 = zehn-drei, etc.), während die englische Sprache noch auf dem 12-er System basiert.

Der Physiker Richard Feynman hat aufgezeigt, dass unterschiedliche Darstellungen des gleichen physikalischen Gesetzes, auch wenn sie mathematisch gleichwertig sind, andere Vorstellungen hervorrufen können –und damit auch neue Entdeckungen ermöglichen.

Die Darstellung ist ein aktiver Teil der Problemlösung!

Page 24: Einführung in Methoden der Medizinischen Soziologie · senschaftliche Artikel gelesen werden. PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie 5 ©2008 PD Dr. Karin Tritt,

PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie

24

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Screening-Empfehlungenbei Brustkrebs (Gigerenzer, 2002)

• American Cancer Society und das National Cancer Institute empfehlen jährlich bzw. alle 1-2 Jahre Mammographie und die ärztliche Brust-untersuchung ab dem Alter von 40.

• Andere Institute (z.B. U.S. Preventive Services Task Force & die Cana-dian Task Force on the Period Health Exam) empfehlen die Mammo-graphie alle 1-2 Jahre ab dem Alter von 50.

• Nach der U.S. Preventive Services Task Force könne die Mammographie auch ohne ärztliche Untersuchung durchgeführt werden, weil es – so die Argumentation – keinen Beweis dafür gebe, dass dies den Nutzen der Mammographie steigere; die anderen Organisationen empfehlen hin-gegen auch die ärztliche Untersuchung.

• Die American Cancer Society empfiehlt noch, dass Frauen ab dem Alter von 20 Jahren ihre Brust monatlich selbst untersuchen, während keine andere Organisation Selbstuntersuchungen sonst empfiehlt – gleichgültig in welchem Alter.

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Nutzen des Mammographie-Screenings (Gigerenzer, 2002)

• Behandlung Todesfälle (bei jeweils 1.000 Frauen)kein Screening 4Mammographie-Screening 3

Präsentation des Nutzens• Relative Risikoreduktion: Mammographie-Screening verringert das Risiko, an

Brustkrebs zu sterben, um 25 %.• Absolute Risikoreduktion: Screening verringert die Anzahl der Frauen, die an Brust-

krebs sterben, von 4 auf drei pro 1.000 Frauen. Damit beträgt die absolute Risiko-reduktion 1 pro 1.000 = 0,1 %.

• Anzahl der notwendigen Behandlungen (NNT): Die Anzahl der Frauen, die 10 Jahre lang am Screening teilnehmen müssen, damit 1 Todesfall verhindert wird, = 1.000.

• Erhöhung der Lebenserwartung: Die mittlere Lebenserwartung ist bei Teilnahme am Mammographie-Screening (im Alter von 50-69 J.) um 12 Tage höher.

Verringerung der Sterblichkeit an Brustkrebs (Frauen: => 40 J) über den Zeitraum von 10 J. Die Rohdaten stammen aus 4 schwedischen randomisierten Studien mit 280.000 Frauen. Alle 4 aus den Rohdaten abgeleiteten Darstellungen sind korrekt, suggerieren aber unter-schiedlich hohen Nutzen und können bei unbefangenen Lesern verschiedene Emotionen auslösen.,

Page 25: Einführung in Methoden der Medizinischen Soziologie · senschaftliche Artikel gelesen werden. PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie 5 ©2008 PD Dr. Karin Tritt,

PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie

25

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Wem nützt das Screening I?40 – 50-jährige Frauen• In keiner der 10 randomisierten Studien wurde eine Reduktion der

Sterblichkeit durch Brustkrebs in den ersten 9 Jahren bei 40-49-Jäh-rigen belegt.

• Eine Mortalitätsverringerung wurde bei 9 dieser Studien auch nicht nach 10-14 Jahren Screening gefunden. Gründe für die Abweichung sind unklar, wobei diese Studie nicht speziell auf diese Altersgruppe ausgelegt wurde.

• Bei der Metaanalyse der 10 Studien wurden keine Unterschiede gefun-den.

• Mögliche Gründe: a) Prävalenz in dieser Altersgruppe ist geringer, ent-sprechend profitieren diese Patientinnen weniger vom Screening; b) bei jüngeren Frauen ist das Brustgewebe generell dichter, so dass ein Karzinom schwieriger früh zu entdecken ist; c) bei jüngeren Frauen sind die invasiven Karzinome häufiger aggressiv und wachsen schneller könnten häufiger zwischen den Screenings auftreten.

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Wem nützt das Screening II?Frauen ab 50 J.8 der 10 randomisierten Studien erfassten auch Frauen, die erst ab 50 J. mit dem Screening begannen:

• Bei 3 Studien signifikante Verringerungen der Brustkrebssterblichkeit, • bei 4 Studien Verringerungen zu gering, als dass sie eindeutig von null

zu unterscheiden war, und• 1 Studie keine Verringerung. • Die Reduktion der Sterblichkeit wurden jeweils für Zeitpunkte 7-9 Jahre

nach dem Beginn des Screenings errechnet und traten bereits 4 Jahre nach dem ersten Screening auf.

• Kombiniert man die Ergebnisse aller Studien, ergibt sich eine relative Risikoreduktion von 27 %.

• Bei Frauen, die erstmals mit 50 am Screening teilnahmen und für 20 Jahre alle 2 J. teilnahmen, wurden von 270 Frauen -1 vom Brustkrebstod bewahrt (absolute Risikoreduktion: 0,4)Für diese Altersgruppe konnte der Nachweis geführt werden.

Page 26: Einführung in Methoden der Medizinischen Soziologie · senschaftliche Artikel gelesen werden. PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie 5 ©2008 PD Dr. Karin Tritt,

PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie

26

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Wem nützt das Screening III?Ärztl. & Selbstuntersuchung

• Bei Frauen ab 50 trägt die ärztliche Brustuntersuchung – im Vergleich zur Mammographie allein – nicht zur Verringerung der Mortalitätsrate bei.

• Anderseits erhöht die Mammographie den Nutzen der Brustuntersuchung kaum, wenn diese von einem erfahrenen Arzt vorgenommen wird.

• Mehrere Studien zeigten, dass regelmäßige Selbstuntersuchungen bei Frau-en zwischen zwischen 35-65 keine Auswirkungen auf die Sterblichkeit durch Brustkrebs hat, obwohl dabei mehr Karzinome entdeckt werden.

• Weitere Befunde: In randomisierten Studien wurde gezeigt, dass es kein Unterschied ausmacht, ob das Screening ein oder zweijährlich durchgeführt wird – anscheinend wegen der Zeitspanne von rund 3,5 Jahren, die bei vie-len Karzinomen vergehen muss, bis sie im Mammogramm erkennbar sind.

• Die meisten Frauen folgen den Rat ihres Arztes: ca. 90 % nehmen am Screening teil, wenn ihr Arzt es empfiehlt, ansonsten sind es ca. 10 %.

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Nachteile des Mammo-graphie-Screenings I (Gigerenzer, 2002)

• Falsch-Negative Befunde: werden nicht behandelt....• Falsch-Positive Befunde: müssen weitere Untersuchungen über sich ergehen

lassen (weiteres Mammogramm, Ultraschall oder Biopsie). Bei manchen wird eine Tumorektomie oder eine Mastektomie durchgeführt.

• Beachtliche psychische Belastungen: Noch 3 Monate nach der Mitteilung, dass es sich um ein falsch-positiver Befund handelt, gibt jede 2. Frau an, Angst vor einer Mammographie & Brustkrebs zu haben. Jede 4. Frau erklärte, diese Angst wurde ihre tägliche Stimmungslage und Arbeitsfähigkeit negativ beeinflussen.

• 9 von 10 positive Befunde erweisen sich als falsch-positive Befunde (Studie an 23.000 Frauen beim ersten Screening). Bei jungen Frauen ist falsch-positiv-Rate noch höher. Nach 10 aufeinanderfolgende Mammogramme muss jede 2. Frau ohne Brustkrebs mit einem falsch-positiven Befund rechnen. In der BRD werden jährlich 3-4 Millionen Screening-Mammogramme aufgenommen schätzungsweise 100.000 Frauen mit falsch-positiv-Befunde jährlich

Aufklärung der Patientinnen über diese Rate.

Page 27: Einführung in Methoden der Medizinischen Soziologie · senschaftliche Artikel gelesen werden. PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie 5 ©2008 PD Dr. Karin Tritt,

PD Dr. Karin Tritt Methoden-Seminar der Med. Soziologie

27

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Nachteile des Mammo-graphie-Screenings II (Gigerenzer, 2002)

• Nicht fortschreitende Karzinome – ohne Mammogramm wären diese zu Lebzeiten gar nicht erst diagnostiziert worden: Hierfür gibt es 2 Ursachen:

• Duktale Karzinom in situ: ist auf die Milchgänge in der Brust beschränkt & kann beim Screening, aber nicht beim Tasten entdeckt werden. Die meisten Brustkrebsfälle bei Frauen in der 30-ern und bei 40 % der Frauen in der 40-ern sind duktale Karzinome in situ. Man weiss nicht genau, wie sie sich weiter-entwickeln, vermutet aber, dass nur 10-50 % der duktale Karzinome innerhalb von 20 oder 30 Jahre zu einem invasiven Karzinom werden. Bei nicht invasi-ven Karzinome werden weder Tumor noch die Lebenserwartung verändert. Da man nicht vorhersagen kann, welcher Tumor invasiv wird, wird die Brust meist teilweise oder ganz entfernt. 94 % der Frauen kannten diese Sorte nicht.

• Einige Tumorsorten wachsen – insbesondere wenn erst im höheren Alter diag-nostiziert – derart langsam, dass die Frau vorher an Altersschwäche oder einer anderen Krankheit gestorben wäre, bevor der Krebs lebensbedrohlich wird. In diesen Fällen gibt es traumatische Therapien statt Lebensverlängerung.

©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]

Nachteile des Mammo-graphie-Screenings III (Gigerenzer, 2002)

• Strahlungsinduzierte Karzinome: Die Frage, wie groß das Strahlenrisiko ist, kann nur indirekt (Häufigkeit von Brustkrebs bei Frauen mit Tuberkolosehäufiges Röntgen). Heute herrscht Konsens, dass Mammographie Brustkrebs hervorrufen kann, die Forscher kamen jedoch zu unterschiedlichen Ergebnis-sen, was die Häufigkeit betrifft. Das Risiko scheint linear mit der Strahlungs-dosis anzusteigen – unabhängig ob die Gesamtdosis einmalig oder mehrmalig erfolgt ist. Das Risiko ist 15-20 Jahre nach der Bestrahlung am größten. Es gibt kein Beweis dafür, dass sich strahlungs-induzierter Brustkrebs in den ers-ten 10 Jahre nach der Bestrahlung oder bei Frauen unter 25 Jahren entwickelt. Dieses Risiko ist am niedrigsten bei Frauen, deren Regel spät einsetzt, die in jungen Jahren ihr erstes Kind bekommen, die lange Zeit stillen & deren Wech-seljahre früh einsetzten – Es scheint als schützten hier die gleichen hormonel-len Einflüsse, die Frauen vor nicht-strahlungsindizierten Brustkrebs schützen. Das Risiko hier hängt stark vom Alter ab: In der Pubertät ist das Risiko am höchsten – je älter die Frau, desto niedriger das Risiko. Geschätzte Mortali-tätsraten ab 40 J.: 2-4 von 10.000.