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Einige Bemerkungen iiber die Losbarkeit fester Korper in Gasen. Von HENRYK ARCTOWSKI. Der Begriff, den man sich macht von den ,,Losungen", im all- gemeinen, ist ein sehr weiter. Es giebt j a feste Losungen, fliissige Losungen und gasformige Losungen; - also, Losungen von festen, Aiissigen und gasfarmigen Korpern, in festen Korpern, dann von Fliissigkeiten in Fliissig- keiten, von Gasen und von festen Korpern in Fliissigkeiten, und man spricht auch von Liisungen von Gasen oder Dampfen in Gasen, von Fliissigkeiten in Gasen, - so dals man den Begriff der Losungen wohl auch noch auf denjenigen ,,fester Korper in Gasen" ausdehnen kann. Eingehend sind nur die fliissigen Losungen untersucht worden, iiber die festen und gasformigen Losungen besitzt man erst spar- liche Angaben. Die Mannigfaltigkeit der Gemenge und rnechanischen oder chemischen Verbindungen, die man unter die allgemeine Rubrik der Losungen einreiht, ist also eine sehr grolse. Da man aber nocb keine guten Anhaltspunkte fiir eine rationelle Klassifikation der Losungen aufgefunden hat, so mufs man all diese, so ver- schiedenartigen Korper, mit demselben allgemeinen Namen benennen. Diese Verallgemeinerung hat jedoch einen sehr grofsen Nach- teil, namlich dafs man sich gewohnt hat, ganz verschiedenartige Dinge von demselben Standpunkte aus zu betrachten und deswegen gerade vieles gar nicht zu beachten, was jedoch beachtenswert ist. Als Postulatum wird angenommen, dafs ,,die Losungen Gemenge sind'(, - und diese Annahme (welche man ein Credo nennen darf) dient als Ausgangspunkt zur Betrachtung der Losungserscheinung und der Losungen in allen moglichen Fallen.

Einige Bemerkungen über die Lösbarkeit fester Körper in Gasen

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Page 1: Einige Bemerkungen über die Lösbarkeit fester Körper in Gasen

Einige Bemerkungen iiber die Losbarkeit fester Korper in Gasen.

Von

HENRYK ARCTOWSKI.

Der Begriff, den man sich macht von den ,,Losungen", im all- gemeinen, ist ein sehr weiter.

Es giebt j a feste Losungen, fliissige Losungen und gasformige Losungen; - also, Losungen von festen, Aiissigen und gasfarmigen Korpern, in festen Korpern, dann von Fliissigkeiten in Fliissig- keiten, von Gasen und von festen Korpern in Fliissigkeiten, und man spricht auch von Liisungen von Gasen oder Dampfen in Gasen, von Fliissigkeiten in Gasen, - so dals man den Begriff der Losungen wohl auch noch auf denjenigen ,,fester Korper in Gasen" ausdehnen kann.

Eingehend sind nur die fliissigen Losungen untersucht worden, iiber die festen und gasformigen Losungen besitzt man erst spar- liche Angaben.

Die Mannigfaltigkeit der Gemenge und rnechanischen oder chemischen Verbindungen, die man unter die allgemeine Rubrik der Losungen einreiht, ist also eine sehr grolse. Da man aber nocb keine guten Anhaltspunkte fiir eine rationelle Klassifikation der Losungen aufgefunden hat, so mufs man all diese, so ver- schiedenartigen Korper, mit demselben allgemeinen Namen benennen.

Diese Verallgemeinerung hat jedoch einen sehr grofsen Nach- teil, namlich dafs man sich gewohnt hat, ganz verschiedenartige Dinge von demselben Standpunkte aus zu betrachten und deswegen gerade vieles gar nicht zu beachten, was jedoch beachtenswert ist. Als Postulatum wird angenommen, dafs ,,die Losungen Gemenge sind'(, - und diese Annahme (welche man ein Credo nennen darf) dient als Ausgangspunkt zur Betrachtung der Losungserscheinung und der Losungen in allen moglichen Fallen.

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Jedoch , diese Verallgemeiiierung bietet auch groke Vorteile, delin sie bestimmt iins Analogien dort zu suclien, wo, dern An- scheine ~iach, nur Vorscliiedenlieiten vorhaiiden sind; so notigt sie UKIS z. B. zur Utitersuchung einer und derselben Eigeiihchalt (odor einer iuid derselben Polge von Erscheinungeii) in deli drei ZustiLn- den cier Materie , was uns notweniligerweise zu allgenieineren Ver- gleichen fiihren mul'b.

Seit den meisterliaften Unter- suchungcn von GAY-LUSSAC iiber die Losliclikeit, hat man nicht auf- gehbrt, die Liisungsfhhigkeit cler festen Kiirpor , irisbesoridere der Salse im Wasser, quaiititittiv zu studieren, - und neu1ic:h hat m:tn bcgoniicn dicsc! Untersuchungen gleichfalls auf andere Liisungsniittel xu erweiterri. Infiilge dieser Adxiten Iiaben verschiedene Verfasser (NORDENSKJ~LD, LE CHATELIER, Scm6um u. 3.) versncht , alle er- lialteneri Resultnte xu irgencl einem einfachen und dlgemeinen Gesetxe zus~mmenxustelleri, und, ich glaube iiicht zu irren, weun ich an- nelinie, d& hieraus die Art, die Xrscheitiungen cler Aufliisuiig uiid der SBttiguiig zu erliliiren, hcrvorgegiiiigeii ist , welclie eirien voll- Itonimencii Susdrncb iii dur ' p h r i e v o ~ i NEI:NW gefuriden hit. Und, wenii aucli t h e Theorie riiclit streng ilen Thictsacheii in rillen mijgliclien Fiillcii entspricht, weiiii im G egentclil die Kurven der Lijslicliltcit, (lie den berechneteii Zalileii ciitspreclien, iii einer Weise Auslii~liliie bildcn, so hut diem Theorie uiizwcifelliaft den ungclicrr ren Vortcil iiber die mdereu Aiiiialiiiieii, (Ids sie uiis x u ilenlreii riotigt uritl aurh den zu verfolgeiideii Weg beleuchtet.

I h es jeclocli Ausntilinieir giebt, da die Gesetze, die von S ~ l l l : 6 ~ E l t cinerseits und von LE CH.ITET,IEIG andererseits forrndiert worden sind, und die sich auf die L41111i~hrne griiiideu, d d s die i n Betrachtung gexogeiieii LOSLIII~~II re111 pliysikalisclicr Natur b i d ,

iiur in einer bediriinliteii Aiixahl voii Fallen rirhtig siiid, so iuul's n im notweiitligerweise a~iuehinoii , clah eiitwecler d;is (: esetz illuso- risch ist oder a h die Annahnie falsch ist.

Die nun bckarinteii Thatsachen ' niitigen uns aber zur Vor;~us- setzung , &ds die HJ pothese, iiach welclicr skmtlichc Ltjsungen rein physilidischer Natur siiid, irrig ist; - es stellt sicli i iu i i gaiiz yon selbst die Frage auf: oh, dnrch cliese Thatsaclie zcllein. das Gesetz in alleu miigliclieri Piillen richtig ist, nach J3eriicksiclitigung aller physikalischen Koust:tnlen , vori deneii (lie Werte cler Los- lichkeit abhingen , und uacli I4limiiiierung der Storungen chemi- scher Art?

Nehmen wir nun ein Beispiel:

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Diese Frage liarin nun ohne weiteres nicht beantwortet werden. Um jedoch einigermafsen diese Antwort vorzubereiten , miilste mibn sich vor allem Rechenschaft abgeben uber die Natur dieser Storungen. Zu diesem Elide miifste man sich, meiner Ansicht nach, in erster Reihe an einfache Losungen wenden, und erst nachher, irnmer von demselben Standpunkte ausgehend , nach und nach kompliziertere Faille untersuchen. Die Vergleichung der erhaltenen Resultate wird erlauben, uns Rechenschaft abzugeben iiber den Wert und die Natur der Storungen , urid dies wird uiis wissen lassen, ob die Gultigkeit der Theorie uber die Loslichkeit, sich auch jenseits der Losungen rein physikalischer Natur erstreckt.

Die ,,Losungstension" findet einen quantitativen Ausrlruck in den Werten der (molekularen) Loslichkeit ; - nichtsdestoweniger entsprechen die Kurven der Loslichkeit, im komplizierten Fall der wasserigen Losungen, gar nicht einfach der Temperatursteigerung (und der Losungswarme) , und im Falle organischer Losungsmittel scheinen diese Kurven auch nicht direkt denjenigen der Dampf- spannung vergleichbar.

Um nun den individuellen Einflufs der verschiedenen Losungs- mittel auf die Werte der Losbarkeit besser zu erkeiinen, scheint es mir unumganglich, diesen Bestimmungen auch diejenigen des einfachsten Falles (indem die Rolle des Losungsmittels absolut gar keine ist) beizubringen, und dazu sehe ich nur ein Mittel, nam- lich das Losurigsmittel vollstandig zu beseitigen. In diesem Falle aber sind die Losungstensionen offenbar durch die Dampfspan- nungen gegeben; - und es sind gerade die Werte der Dampfspan- nungen der festen Korper, deren Loslichkeit in ihren verschiedenen Losungsmitteln man vergleichen will, die uns noch vollstandig fehlen und deren Bestimmung, fur dieses vergleichende Studium, vom hochsten Nutzen ware.

Die Eigenschaft der festen Korper Dampfe abzugeben, ist ihrer Diffusionsfahigkeit in Fliissigkeiten , ihrer Losbarkeit also, analog; der einzige scheinbare Unterschied ist der, dafs in dem oben genannten Fall der physikalische Zustand der Materie, die als Losungsmittel dient, ein anderer ist, und, in allen moglichen Fallen ohne irgend welche Wirkung auf den gelosten Korper, da es ein Gas ist, und da, nach DALTON, die Molekule eines Gases weder eine Anziehung noch eine Abstofsung auf die Molekule eines anderen Gases ausiiben.

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Die Sublimation der festen Korper in Gasen kann also als eine Auflosuiig betrachtet werden und iiotwendigerweise ist es ein Fall rein physikalischer Losung.

Aber statt vollkommene Gase korinen wir nun als Losungs- mittel iiberhitzte DBmpfe annehmen , wir konnen auch den Fall stark komprimierter Gase voraussehen und denjenigen von Fliissig- Iteiten, die sich oberhnlb ihres Iwitischen Punktes befinden, - und wir konnen folglich dieses Studium bis in den fliissigen Zustaiid der Materie schrittweise verfolgen und so zu dem bedeutend kom- plizierteren Falle der gewohnlich studierten Losungen gelangen.

Lidt i&, Insfittit f . . ~ cillyetueine Chemic, den 22. lllrri 1896.

Bci dcr Redaktion eingegangeii ani 18 Jurii 1896.