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(Aus der Deutschen Forschungsanstalt fiir Psyehiatrie, Kaiser Wilhelm-Institut in Miinchen.) Einige methodologische Bemerkungen im Anschlul~ an die Arbeit yon K. Gerum: ,,Beitrag zur Frage der Erbbiologie der genuinen Epilepsie usw." in Band 115 dieser ZeitschriR. Von Bruno Sehulz, Assistent der genealogischen Abteilung. (Eingegangen am 1. November 1929.) Gerums Untersuehungen verdienen vor allem unsere Aufmerksamkeit und Anerkennung, weil ihnen anscheinend ein recht sorgf~ltig durch- ~orschtes Material zugrunde liegt. Dazu finden sich in der Arbeit manche beachtenswerte Bemerkungen, so die, dab man guttue, bei der Prfifung der Frage der Heilbarkeit der Epilepsie yon der Betrachtung der Probanden selbst abzusehen, da diese als klinische oder Anstaltsf~lle eine Auslese nach der Schwere und so nach der Seite der Unheilbarkeit bin bilden diirften. Wenn ich pers6nlich manches, wie z. B. das Fehlen eines genaueren Altersaufbaues, gerade in einer so bedeutsamen Arbeit als Mangel empfinde (auch Gerum bedauert das Fehlen des Alteraufbaues, sah sich aber au~erstande, diesem Mangel abzuhelfen; s. S. 326 seiner Arbeit), so schKtze ich diesen Mangel doch gegenfiber den Vorziigen der Arbeit gering ein; das gleiche gilt auch yon an sich bedauerlichen Fehlschliissen, die dem Verfasser unterlaufen sind, so dem, dab er auf Seite 392 (wiederholt auf Seite 418) erkl~rt, ein einfach dominanter Erbgang des Schwachsinns sei ausgeschlossen, well ein schwachsinniger Vater, der in 1. Ehe einen schwachsinnigen Sohn zeugte, in 2. Ehe eine nichtschwachsinnige Tochter gezeugt hat. DaB Gerum bei seinen Ver- suchen, Mendel-Zahlen zu errechnen, sich bemiiht hat, nach der Wein- bergschen Probandenmethode vorzugehen, m6chte ich als ganz be- sonderen Vorzug der Arbeit hervorheben. Wir arbeiten ja mit dieser Methode seit einer Reihe yon Jahren und haben uns iiberzeugt, dab ihre Anwendung auf mancherlei praktische Schwierigkeiten st6Bt. Weinberg, der Begriinder dieser Methode, stimmt darin mit uns durchaus tiberein; dennoch sind wir der Ansicht, dab bei der Eigenart des Materials, mit

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Page 1: Einige methodologische Bemerkungen im Anschluß an die Arbeit von K. Gerum: „Beitrag zur Frage der Erbbiologie der genuinen Epilepsie usw.“ in Band 115 dieser Zeitschrift

(Aus der Deutschen Forschungsanstalt fiir Psyehiatrie, Kaiser Wilhelm-Institut in Miinchen.)

Einige methodologische Bemerkungen im Anschlul~ an die Arbeit yon K. Gerum: ,,Beitrag zur Frage der Erbbiologie der genuinen Epilepsie usw." in Band 115 dieser ZeitschriR.

V o n

Bruno Sehulz, Assistent der genealogischen Abteilung.

(Eingegangen am 1. November 1929.)

Gerums Untersuehungen verdienen vor allem unsere Aufmerksamkeit und Anerkennung, weil ihnen anscheinend ein recht sorgf~ltig durch- ~orschtes Material zugrunde liegt. Dazu finden sich in der Arbeit manche beachtenswerte Bemerkungen, so die, dab man guttue, bei der Prfifung der Frage der Heilbarkeit der Epilepsie yon der Betrachtung der Probanden selbst abzusehen, da diese als klinische oder Anstaltsf~lle eine Auslese nach der Schwere und so nach der Seite der Unheilbarkeit bin bilden diirften.

Wenn ich pers6nlich manches, wie z. B. das Fehlen eines genaueren Altersaufbaues, gerade in einer so bedeutsamen Arbeit als Mangel empfinde (auch Gerum bedauert das Fehlen des Alteraufbaues, sah sich aber au~erstande, diesem Mangel abzuhelfen; s. S. 326 seiner Arbeit), so schKtze ich diesen Mangel doch gegenfiber den Vorziigen der Arbeit gering ein; das gleiche gilt auch yon an sich bedauerlichen Fehlschliissen, die dem Verfasser unterlaufen sind, so dem, dab er auf Seite 392 (wiederholt auf Seite 418) erkl~rt, ein einfach dominanter Erbgang des Schwachsinns sei ausgeschlossen, well ein schwachsinniger Vater, der in 1. Ehe einen schwachsinnigen Sohn zeugte, in 2. Ehe eine nichtschwachsinnige Tochter gezeugt hat. DaB Gerum bei seinen Ver- suchen, Mendel-Zahlen zu errechnen, sich bemiiht hat, nach der Wein- bergschen Probandenmethode vorzugehen, m6chte ich als ganz be- sonderen Vorzug der Arbeit hervorheben. Wir arbeiten ja mit dieser Methode seit einer Reihe yon Jahren und haben uns iiberzeugt, dab ihre Anwendung auf mancherlei praktische Schwierigkeiten st6Bt. Weinberg, der Begriinder dieser Methode, stimmt darin mit uns durchaus tiberein; dennoch sind wir der Ansicht, dab bei der Eigenart des Materials, mit

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B. Schulz: Bemerkungen im Anschlu[~ an die Arbeit von K. Gerum. 795

dem psychiatr ische Erbbiologen zu arbeiten gezwungen sind, die Wein. bergsche Methode sich immerhin als b rauchbar erwiesen ha t 1.

Nun hat abet' Gerum ]eider die Probandenmethode Weinbergs aus bes t immten Erw~gungen heraus bewugt nicht so angewandt , wie es im Sinne dieser Methode liegt. Und gerade der Umstand , dab es sieh bei Gerums Arbeit um eine wertvolle VerSffentlichung handelt , l~$t es mir nStig erscheinen, darauf ausdrficklich hinzuweisen, und zwar um so mehr, als mir einige Kollegen bereits ihre Absicht mitgeteil t haben, nach dem Muster der Arbei t Gerums Untersuchungen fiber die Erb- ]ichkeit der Epilepsie anzustellen.

Gerum bildet eine besondere Gruppe aus allen Geschwisterschaften, bei denen er auBer dem Probanden keinen Epileptiker in der mSgliehst weit erforschten Blutsverwandtschaf t nachweisen konnte. Er setzt in diesen Geschwisterschaften die Probanden in Beziehung zu der Gesamtzahl der Geschwister und schheBt - - mit gewissen Einschr~nkungen - - aus der so erhal tenen Prozentzahl yon etwa 21% bzw. etwa 24% yon Epi- leptikern in diesen Geschwisterschaften, dab ein dimerer Erbmodus unwahrscheinlich sei (S. 373). Da ich glaube, dab hier nicht der Oft ist, auf die Begrfindung und die daraus sich ergebende Anwendungsar t der I ) robandenmethode n~her einzugehen ~, mSchte ich bier auch nicht dar tun, aus welchen Griinden das Vorgehen Gerums nicht der Probanden- methode entspricht . Ohne Kenntnis der Probandenmethode lieBe sich das wohl doch schwerlich einsehen. Auch dem aber, der fiber die Pro- bandenmethode nicht unterr ichte t ist, hoffe ich auf die folgende Weise wenigstens das darlegen zu k5nnen, dab dan Vorgehen Gerums keinen Schlu$ auf die Art des Erbgangs bzw. auf die Prozentzahl der Merkmals- tr~ger (hier Epileptiker) zul/~Bt, die in den yon gleichartigen Eltern- kreuzungen abs tammenden Geschwisterschaften zu erwarten w~ren.

1 Anmerkun(j bei der Korrektur: Bernstein nimmt, vor allem in letzter Zeit, eine ausgesprochen ablehnende Stellung gegeniiber der Probandenmethode ein und empfiehlt start ihrer eine Methode, die Weinberg die Apertsche, -Bernstein - - wohl passender - - die apriorische nennt [Arch. Rassenbiol. 2~, 241--244 (1929) und Handb. der Vererbungswissenschaft, herausgegeben yon Baur und Hartmann, I. C. 52--54 (Berlin 1929)]. Wenn ich mich auch noch nicht iiber- zeugen konnte, dab Bernsteins vOllige Ablehnung der Probandenmethode be- griindet ist, so vermag ich doch in dem Streite Weinberg--Bernstein das Fiir und Wider noch nicht hinreichend zu tibersehen, so dab ich mich zur Zeit einer endgiiltigen Stellungnahme enthalten mull. Dort, wo sich die apriorische Methode als brauchbar erweist, werden wir sie selbstverst/indlich aueh anwenden. Soweit ich jetzt sehe, erscheint sie mir als eine willkommene Erg/~nzung der Probandenmethode, da sie manche Ergebnisse dieser Methode genauer zu deuten gestattet. Voraussichtlich wird Luxenburger auf das ganze Problem in absehbarer Zeit an Hand eines gr6Beren Materials ausfiihrlich eingehen.

Literatur dariiber s. u. a. Weinberg, Arch. Rassenbiol. 10, 417--451, 557 his 581 (1913) - - Riidin, Monographien Neur. I~ (1916). Just, Arch. mikrosk. Anat. 94, 604 (1920). S. auch die kleine Arbeit Weinbergs in dieser Z. 1~3, 809.

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Wtirden derartige Untersuchungen n~mlich in einer Gegend vor- genommen werden, in der Geschwisterschaften in der Regel sehr viele K6pfe umfassen, wie etwa in Niederbayern, so wiirden wir bei dem Vor. gehen Gerums unbedingt eine ganz andere (viel geringere) Prozentziffer von Merkmalstr~gern erhalten als in Gegenden, in denen, wie etwa in Berlin, die Geschwisterschaft im allgemeinen nur sehr wenig KSpfe umfal~t. H~ngt doch die Prozentziffer, die bei einem solchen Vorgehen errechnet wird, ganz allein yon der GeschwisterschaftsgrS•e ab ; sie kann uns also keine Schliisse auf den Erbgang ziehen lassen.

Getrennt yon der Gruppe der singuli~ren F~lle betrachtet Gerum eine Gruppe yon Geschwisterschaften, die er die indirekt belastete nennt. Es sind das Probanden, deren beide Eltern epilepsiefrei sind, bei denen jedoch der Proband ein oder mehrere epileptisehe Geschwister oder sonstige epileptisehe Verwandte besitzt. Gerum finder hier unter den Probandengesehwistern, und zwar in diesem Falle durch regelrechte Anwendung der Probandenmethode (also nur unter den Geschwistern. ohne die Probanden selbst), 15,7% Epileptiker. Auch aus dieser Zahl schliel]t Gerum, dal~ sie einen dimeren Erbmodus unwahrscheinlich macht (S. 353). Er h~lt diese Ziffer sogar ftir eine Mindestzahl, wenn auch das Material ftir endgfiltige Schliisse zu klein sei.

Auch hier mSchte ich wieder in erster Linie dartun, da{~ man bei einem solehen Vorgehen keine brauchbaren Ziffern erhalten kann. H~tte Gerum seine Familien in weniger weitem Umfang erforsehen kSnnen, als er es getan hat, oder wird ein anderer Forseher in einer anderen Gegend seine Untersuchungen nicht in gleiehem Umfange auch auf die entfern- teren Verwandschaftsgrade ausdehnen kSnnen, so wiirde die Gruppe der indirekt belasteten F~lle, wie Gerum sie hier zusammengestellt hat, mSglicherweise, wenn w i r e s einmal iibertrieben ausdriicken dfirfen, nut aus Geschwisterschaften bestehen, die mehrere epileptische Ge- schwister enthalten. Auf den konkreten Fall Gerums angewendet, wiirde auf diese Weise (wenn man nur die Gesehwistersehaften mit mehreren epileptischen Gesehwistern beriieksichtigt) die von ihm gefundene Prozentziffer von 15,7% auf 31% hinaufsehnellen, wie sich an Hand der Tabelle auf S. 352 der Arbeit Gerums errechnen l~Bt.

Ich mSchte denken, dal~ die bisherigen Ausfiihrungen geniigen, um aueh den, der mit der Probandenmethode nicht vertraut ist, erkennen zu lassen, daft das Vorgehen Gerums uns keine Schliisse au/ die Erblichkeit ziehen lassen ]cann. Kurz sei diesen Ausfiihrungen angeffigt, daI~ die richtige Anwendung der Probantenmethode es verlangt, dal~ singul~re F~lle und die von Gerum indirekt belastet genannten F~lle gemeinsam betrachtet werden. Auf diese Weise ergibt sich dann ganz grob aus dem Gerumschen Material ftir alle F~lle, deren Eltern epilepsiefrei sind, start einer Epilepsiezi//er yon 15,7% bzw. 21 oder 24% eine solche von

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5,9% unter den Geschwistern, d. h. also eine Zi//er, die an und /i~r sich jeden/alls nicht gegen einen polymeren Erbgang spricht.

Damit soll nicht gesagt sein, dal3 dicse, nach der richtig angcwandten Probandenmethode gewonnene Ziffer 5,9% nun wirklich den tatshch- lichen Verh/~ltnissen n/~her kommt als Gerums Ziffer 15,7%. Sie 1/~13t sich nicht so gut wie diese in Einklang bringen mit der yon Gerum fiir die Geschwister der direkt belasteten Probanden gefundenen Ziffer yon 23,1%. (Der Gedanke, da{~ es mehrerc, bis jetzt fiir uns klinisch voneinander nieht unterscheidbare, Epilepsieformen gibt, die verschie- denem Erbgang folgen, kSnnte hier wieder auftauchen. Doch will ich gestehen, dab ich die Ziffer 23,1% in erster Linie ffir ,,zu hoch" halte; d. h. dal~ ieh annehmen mSehte, daf~ sic, die an l l Geschwisterschaften gewonncn ist, bei einwandfreier VergrSl3erung des Materials sinken wird.) Ziemlich gut dagegen wiirde die Ziffer 5,9% dazu passcn, dal.~ Kiienzi k{irzlich unter den Kindern yon Epileptikern nur 2 % Epileptiker gefunden hat1; auch dal3 Guschmer unter den Neffen und Nichten yon Epileptikenl nur 0,54% Epileptiker gefunden hat ~, l~f~t uns die Ziffer 5,9 % als wahrscheinlicher ansehen.

Herr Dr. Gerum hattc nun die Liebenswiirdigkeit, mir auf meine Anfrage mitzuteilen, dal~ ihn zu einer Trennung der Gruppe der singu- 1/~ren und der indirekt belasteten F~lle der Wunsch bewogcn habe, zu untersuchen, ob die singul/s F/~lle erbbiologisch den indirekt (und den direkt) belasteten F/~llen gleichzusetzen seien. Der Gedanke, eine solche Priifung vorzunehmen, liegt ja aueh nahe. Wenn man in einer Familie weir und breit nur einen Epileptiker findet (entsprechendcs gilt auch fiir Schizophrene usw.), so wird man weir eher ffir mSglich halten, dal3 die Krankhei t durch eine /~ul3ere Ursache, etwa durch einen Fall aus der Wiege oder durch einen I-Iufschlag beim Milit/~r, hervorgerufen ist, als wenn wir linden, dab z. B. von 6 Geschwistern 2 epileptiseh sind. Wir werden bei der Seltenheit der Epilepsie in der GesamtbevSlkerung dann kaum mit der M6glichkeit reehnen, dal3 ohne eine besondere erbliche Anlage nun gerade in dieser ~;amilie, in dem einen Fall einen Sturz aus der Wiege, in dem anderen Falle t in Hufschlag beim Milit/ir, bei 2 Gesehwistern zu einer Epilepsie fiihrte. (l~ber Frucht- bzw. Keim- sch/~digung s. unten, S. 805).

Aus diesem Grunde hat denn z. B. auch Fetscher (Arch. Rassenbiol. 14, 42) in seiner Klumpfui3untersuchung eine Gruppe von solchen Geschwi- sterserien gebildet, die zwar von klumpful3freien Eltern stammen, aber doch in der Aszendenz klumpftil3ige Verwandtc aufwiesen. Er glaubte auf (liesc Weise ziemlich sicher zu gehen, nur erblich bedingte Klumpfiil3e zu erfassen. Riidin hat einen ~hnlichen Vorschlag fiir die Untersuehung

1 Mschr. Psychiatr. ~(2, 245 (1929). 2 Diese Z. 106, 242 (1926).

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der Epilepsie gemacht (Z. Neur. 89 [1924]). Diese yon Fetscher und Riidin angewandte bzw. vorgesehlagene Methode unterscheidet sieh dadureh yon der Methode Gerums, dab hier, bei Fetscher und Riidin, die F~lle nicht danach ausgesucht werden bzw. nicht danaeh ausgesucht werden sollen, ob noch weitere Merkmalstr~tger unter den Geschwistern sich finden, sondern dab eben die Zahl der Merkmalstr~ger unter den Ge- schwistern erst nach Bildung der Gruppe errechnet wird. Dennoeh halter auch einem solchen Vorgehen etwas Mii31iches an, da bei gewissen Formen des Erbgangs (Polymerie) dort, wo sieh besonders viel merk- malsbehaftete entferntere Verwandte in den Familien befinden, infolge- dessen auch eine besondere H~ufigkeit der Merkmalstr~ger unter den Probandengeschwistern ohne weiteres wahrscheinlich ist.

Gerum meint nun, die erbbiologische Gleichartigkeit der singul~ren F~lle und der direkt und indirekt belasteten F~lle daraus erschliel~en zu k6nnen (S. 359, 376 und 416), dab er ftir alle 3 Gruppen eine iiber- einstimmende Belastung gefunden habe, wenn er die Belastung auf die Gesamtheit aller in der Familie eruierten Personen berechne: In der Verwandtschaft aller 3 Probandepogruppen habe er die gleiche Prozent- zahl gesunder Personen gefunden 1.

Eine fibereinstimmende Belastung spricht nun allerdings bis zu einem gewissen Grade fiir eine erbbiologische Gleichartigkeit der 3 Grup- pen. Doch mu[~ ein solcher Befund als durch einen - - an sich recht un- wahrscheinlichen - - Zufall bedingt angesehen werden, der nur bei einem kleinen Material eintreten kann. Nach der Wahrscheinlichkeit wird man n~mlich in den Gruppen der belasteten F~lle nicht nur mehr Epilepsie, sondern auch, falls ein anderes Merkmal eine positive tt~ufigkeitsbeziehung zur Epilepsie aufweist, dieses lY[erkmal oder diese Merkmale h~ufiger in einer Gruppe yon Familien auftreten sehen, in denen die Epilepsie selbst besonders h~ufig ist; das aber wird ja eben in den belasteten Gruppen der Fall sein. Wir wi~rden also ein selteneres Au/treten solcher Merlcmale in der Gruppe der singuldren FSlle keineswegs dahin deuten dis daft die Probanden dieser Gruppe datum erbbiologisch anders zu werten seien.

Gegeniiber von Gerum erw~hnten im Schrifttum ge~ul3erten Be- denken (die Gerum selbst iibrigens keineswegs teilt), ob man die sin- gulfiren F~tlle den belasteten als idiotypisch gleich erachten diirfe, mSehte ich aber doch allgemein darauf hinweisen, daft wit bei recessiven Merkmalen mit der M6glicMceit, unter Umstgnden mit der Wahrscheinlich- keit des Au/tretens singuldrer (dabei abet doch erblicher) Fdlle unbedingt

1 Anmerkung bei der Korrektur: Herr Dr. Gerum teilte mir inzwischen mit, dab ich ihn hier miBverstanden habe. Bei nochmaliger Durchsicht der betref- fenden Stellen seiner Arbeit land ich sie aber doeh so gefaBt, dab sie mir meine oben dargelegte Auffassung nahe zu legen scheinen. Ich halte daher meine Ausfiihrungen zu diesem Punkte nlcht fiir iiberfliissig.

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rechnen miissen. Ein recessives Merkmal kann ja nur in einer Ge- schwisterschaft auftreten, deren beide Eltern Anlagetr~ger sind. Oft genug wird also auch im weitesten Umkreise einer solchen Ge- schwisterschaft ein weiterer Merkmalstr~ger gar nicht auftreten k6nnen, weil die Elternkreuzung Anlagetr~ger • Anlagetr~ger nicht nochmals vorgekommen ist, wie das h~ufig genug der Fall sein wird, vor allem, wenn es sich um ein in der betreffenden Gegend wenig ver- breitetes Merkmal handelt und keine Inzucht vorliegt. Dal~ aber in einer Geschwisterschaft, die yon 2 Anlagetr~gern stammt, noch kein Merkmalstr~ger auftreten muff, vor allem nicht mehrere Merkmals- trhger auftreten mfissen, besonders bei der Kleinheit der menschlichen Geschwisterschaften, diirfte ohne weiteres einleuchten.

Doch scheint es zweckm~l~ig, n~her zu er6rtern, wieviel Geschwister- schaften mit einem Merkmalstr~ger wit unter gewissen Umst~nden zu erwarten haben. Werden wir dann im konkreten Falle nicht mehr finden, als der Erwartung entspricht, so werden wir keine Ursache haben, auch die v611ig singul~ren Merkmalstr~ger, die nicht nut in ihrer Ge- schwisterschaft, sondern auch in ihrer ganzen Familie als singular ge- funden werden, ffir anders bedingt zu halten als die Merkmalstr~ger, die geh~uft in den Familien sich finden. Auf diese Weise liel3e sich der gliickliche Gedanke Gerums, statistisch zu fiberprfifen, ob die singul~ren F~lle erbbiologisch anders zu werten sind als die belasteten F~lle, ver- wirklichen. Auch die Untersuchungen, die Lokay an der genealogischen Abteilung fiber die herdit~ren Beziehungen der Imbezillit~t vorgenommen hat, stellten uns vor dieses Problem 1. Wir wollen im folgenden etwas genauer darauf eingehen.

Haben wir 2 Arten yon Nachkommen, n~mlich Merkmalstr~ger (B) und Nichtmerkmalstr~ger (A), so werden diese in Geschwister- schaften yon je 2 K6pfen in folgenden Zusammenstellungen auf- treten : AA, AB, BA, BB (ira ganzen also 22 ---- 4 M6glichkeiten).

Tri t t B, also der Merkmalstrhger, ebensooft auf wie A, also der Nicht- merkmalstr~ger, so wird jede der 4 angeffihrten Zusammenstellungen mit der gleichen H~ufigkeit auftreten wie die anderen, oder man kann, wenn man die Reihenfolge innerhalb der einzelnen Geschwisterschaften nicht berficksichtigt, auch sagen: AB wird doppelt so oft auftreten wie AA und doppelt so oft wie BB.

Ist von allen Geschwistern nur 1/4 Merkmalstr/~ger, a/4 dagegen Nichtmerkmalstr/iger, so werden im mathematischen Idealfalle die ver- schiedenen mSglichen Zusammenstellungen (wieder bei zweikSpfigen Geschwisterschaften) in folgendem H/~ufigkeitsverh/~ltnis zueinander stehen: 9 AA, 6 AB, 1 BB.

1 Diese Z. 122, 90--146, besonders 119 (1929).

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Im ganzen 42 = 16 Mfglichkeiten miissen herangezogen werden, wenn wir das H~ufigkeitsverhiiltnis, in dem die einzelnen Zusammenstellungen zueinander- stehen, wiedergeben wollen. Das l~Bt sich leicht ersehen, wenn man aus 4 Elementen A B C D alle mSglichen Kombinationen ftir zweikSpfige Geschwisterschaften bildet. Sie lauten: AA, AB, AC, AD, BA, BB, BC, BD, CA, CB, CC, CD, DA, DB, DC, DD.

Setzen wir hier 1/4 (also etwa alle B) als krank, a/4 (also alle A, alle C und alle D) als gesund, so erhalten wir, wie oben, 9 Geschwisterschaften gesund + gesund, 6 gesund ~- krank, 1 krank + krank.

Nun erfassen wir yon allen Gesehwisterschaften nur solehe mit 1 oder mehreren (bier 2) B. Von den eben genannten 16 Geschwister- schaften erfassen wir also 6 Geschwisterschaften mit je 1 B und 1 Ge- schwisterschaft mit je 2 B (diese zuletzt genannte Geschwistersehaft mu$, da sie 2 Merkmalstr~ger enth~lt, und darum doppelt so groBe Aussicht hat, erfaSt zu werden, doppelt gerechnet werden).

Haben wir also umgekehr$ zweikSpfige Geschwistersehaften vor uns, die wir fiber den in diesen Gesehwistersehaften enthaltenen Probanden erfa$t haben, so werden wir auf 2 Geschwisterschaften mit je 2 Merkmals- tr~gern 6 Geschwisterschaften mit je 1 MerkmalstrKger zu erwarten haben, wenn wir annehmen k5nnen, dab das betreffende Merkmal bei 25% der Nachkommen der in Frage kommenden Elternkreuzung auftritt, d. h. also in unserem Falle, wenn wir annehmen kSnnen, dab die erfal3ten Ausgangspersonen und ihre Gesehwister bei einfach recessivem Erbgang der Elternkreuzung Anlagetr~ger • Anlagetr~ger entstammen.

Die Ziffern ~ndern sich, wenn wir nicht 25% Merkmalstr~ger anzu- nehmen haben, sondern eine andere Ziffer, etwa, wie bei Lokays Material, das wir wegen der dort herrsehenden einfachen Zahlenverhaltnisse zu- n~chst einmal als Beispiel heranziehen wollen, 16%, also etwa 1/6 statt 1/4. Wir hiitten dann auf 2 Geschwisterschaften mit mehreren (bier je 2) B 10 Geschwisterschaften mit je 1 B zu erwarten.

Um in diesem Falle auch wieder nicht nur die KombinationsmSglichkeiten der Nachkommen, sondern gleichzeitig auch die HKufigkeitsverh~ltnisse, in denen die mSglichen Kombinationen zueinander stehen, verhiiltnism~flig einfach zur Darstellung zu bringen, stellen wit die KombinationsmSglichkeiten in zweikSpfigen Geschwisterschaften fiir 6 Elemente A B C D E F dar. Es sind das 6 ~ = 36; sie lauten:

AA BA CA DA EA FA AB BB CB DB EB FB AC BC CC DC EC FC AD BD CD DD ED FD AE BE CE DE EE FE AF BF CF DF EF FF

In dieser Zusammenstellung sehen wir alle B als Merkmalstriiger, die A C D E F als NichtmerkmalstrKger an. Wit erfassen dann eine Geschwisterschaft mit 2 B (doppelt zu rechnen) und 10 Geschwisterschaften mit je 1 B.

Handelt es sich nicht um zweikSpfige, sondern um vierkSpfige Ge- schwistersehaften, so erhalten wir wieder andere Ziffern. Wir haben dann,

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bei e iner A n n a h m e von 1/6 Merkmals t r~gern , auf 1 Geschwis te r schaf t m i t je 4 B, 15 mi t je 3 B, 75 m i t je 2 B und 125 mi t je 1 B zu e rwar ten .

DaB dem so ist, l~[3t sich auf fotgende Weise zeigen: Hatten wir bei zweikSpfigen Geschwisterschaften fiir 6 Elemente (s. oben) 63 = 36 Kombinationsm6gliehkeiten anzunehmen, so haben wir unter sonst gleichen Umst~nden bei vierkSpfigen Geschwisterschaften 64 = 1296 MSglichkeiten anzunehmen.

Diese 1296 Kombinationen lassen sich eben noch einigermal3en iibersichtlich darstellen. Wenn man auf die Reihenfolge der Elemente innerhalb der einzelnen Geschwisterschaften keine Riicksicht nimmt (sondern z. B. nur schreibt: 24mal A B C D, anstatt die 24 M6glichkeiten, dab jedes Element nur einmal auftritt, also A B C D, A B D C, A C B 1) usw. einzeln aufzuftihren), so lassen sich die 1296 Kombinationen als 126 MSglichkeiten aufschreiben, die z. T. 4mal, z. T. 6real, z. T. 12mal und z. T. 24real auftreten. Z~hlen wir dann von den 1296 Kom- binationen jede Geschwisterschaft so oft, wie in ihr Merkmalstrhger auftreten, so erhalten wir 500 Geschwisterschaften mit je 1, 300 mit je 2, 60 mit je 3 und 4 mit je 4 Merkmalstr~gern, also ein Verh~ltnis yon 125:75:15:1.

Hie r abe r e rkennen wir gleichzeit ig, dab wir bei noch kompl iz ie r t e ren Zahlenverh~l tn issen n ich t mi t der bisherigen, e twas p r imi t i ven Methode des Aufschre ibens und Ausz~hlens der e inzelnen K o m b i n a t i o n e n aus- k o m m e n werden. Der m a t h e m a t i s c h Geschul te wird bere i ts e r k a n n t haben, dal3 die Er rechung der Zahl der Geschwis te r schaf ten m i t je 1 Merkmals t r i iger und ebenso die E r r echnung der Zah l der Geschwister- schaf ten mi t je 2, je 3 usw. Merkmals t r i igen l nach der aus der W a h r -

b e k a n n t e n F o r m e l W~--(:)wr.(1--'w)n-r sehe in l iehke i t s reehnung \ - - 1

erfolgen kann. Es is t dies die gleiche Formel , deren sich kfirzlich, von e inem anderen Ges i ch t spunk t aus, Luxenburger bedien te (Z. Neur . 117, 543); er wies mich auch auf ihre AnwendungsmSgl ichke i t fiir den vor- l iegenden Fa l l hin. Mit Ri icks ich t auf die Abne igung vieler Psyeh ia te r , und selbst erbbiologisch in te ress ie r te r Psych ia te r , gegen m a t h e m a t i s c h e F o r m e l n habe ich abe t b isher yon der Einf i ih rung dieser F o r m e l ab- gesehen.

Es bedeutet in der Formel: W die Wahrseheinliehkeit des Auftretens der Ge- schwisterschaften mit r Merkmalstr~gern, n die Kopfzahl der einzelnen Geschwister- schaften, in dem hier zuletzt dargestellten Falle also 4, w die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Merkmalstragern, in unserem Falle also 0,16 ( 16 % als Wahrscheinlich- keitsziffer geschrieben), r die Zahl der Merkmalstrgger (ftir die Geschwisterschaften mit je einem Merkmalstr~ger also 1). Fiir den mathematisch nicht Bewanderten sei

(n) n! hinzugefiigt, dab eine abgekfirzte Sehreibart ffir r ! (~--~)~ ist, also z. B. ftir den

1 . 2 - 3 - 4 . 5 . 6 . 7 7 . 6 . 5 Fall, dag ~ .... 7 u n d r - - , 3 ist, ( 1 . 2 . 3 ) . ( 1 . 2 . 3 . 4 ) oder gektirzt 1 . 2 . 3 be-

deutet.

Wie jeder ohne groge Mfihe naehpr i i fen kann , f i ihr t die A n w e n d u n g dieser Fo rme l zu den gleiehen Ergebnissen, wie die b isher a nge w a nd te Methode, d . h . die mi t te l s dieser Fo rme l gefundenen H/ iu f igke i t swe~e

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802 B. Schulz : Einige methodologische Bemerkungen im AnschluB an die Arbeit

fiir das Auftreten der Geschwisterschaften mit je 1, je 2 usw. Merkmals- tr/igern stehen in dem gleichen Verhi~ltnis zueinander wie die durch Ausziihlen gefundenen Ziffern. Die Formel bietet aul~erdem auch den Vorteil, dal3 sie ein Rechnen mit gebroehenen Zahlen gestattet . Wir kSnnen mit ihrer Hilfe z. B. mit n ---= 3,7 rechnen, wenn wir etwa eine durchschnittliche GesehwisterschaftsgrSBe von 3,7 einsetzen wollen.

Legt man Wert darauf, nicht nur die gleichen Verh/fltniszahlen, sondern die gleichen Zahlen iiberhaupt wie in unseren bisherigen Beispielen zu erhalten, so ist es nStig, die erhaltenen Ziffern mite n zu multiplizieren, also mit 6 ~, 64, 44 usw. (e ~ Zahl der Elemente, mit denen wir in unseren bisherigen einzelnen Beispielen rechneten). Man erh/ilt dann Z----Zahl der Geschwisterschaften m i t r Merk- maltstr/~gern. An sich empfiehlt es sich aber natiirlich, den Faktor e ~ fort- zulassen.

Wir wollten nun mit unseren Ausfiihrungen nicht nur dartun, dag unter best immten Umst/~nden Geschwisterschaften mit nur einem Merk- malstr/iger zu erwarten sind, und dal3 wir unter best immten Voraus- setzungen errechnen kSnnen, mit welcher H/~ufigkeit solche Geschwister- schaften zu erwarten sind, sondern, wie bereits ~ngedeutet, hoffen wir auch dureh Feststellung der zu erwartenden H~ufigkeit der Geschwister- schaften mit je 1, je 2 usw. Merkmalstr~gern das Material auf seine erbbiologische Einheitlichkeit hin statistisch iiberprfifen zu kSnnen.

Es ist bekannt, da$ man allein aus irgendwelehen fiir ein Merkmal gefundenen H/~ufigkeitsziffern, die ffir einen best immten Erbgang zu spreehen scheinen, noch nieht auf das Vorliegen eines solehen Erbgangs mit Sicherheit schliel~en kann. Wiirde man z. B. 25% Merkmalstri~ger naeh der Probandenmethode gefunden haben unter den Naehkommen (zum mindesten i~uBerlieh) gesunder Eltern, so ist damit ein einfach rezessiver Erbgang noeh nieht bewiesen. Er wiirde wahrscheinlicher werden, wenn wir - - fiir Geschwistersehaften yon 4 KSpfen - - eine H~ufigkeit der Geschwisterschaften mit je 4, je 3, je 2 und je 1 Merk- malstri~ger linden wtirden, die sieh zueinander wie 1 : 9 : 27 : 27 ver- h a r e m (Es sind das die Ziffern, die den obenerwi~hnten Ziffern 1 : 15 : 75 : 125 entsprechen, wenn 25% Merkmalstr/~ger s ta t t der 16% angenom- men werden miissen.)

Das Vorliegen des einfach reeessiven Erbgangs wtirde unwahrschein- lieher werden, wenn wir die 25% errechnet hi~tten an vierkSpfigen Geschwisterschaften, die entweder je 4 Merkmalstr/~ger oder je 1 Merk- malstr/~ger (aber nicht je 2 und nicht je 3 Merkmalstr/~ger) aufweisen. Auch an solehem Material erreehnet man nach der Probandenmethode 25% Merkmalstri~ger, wenn die Gesehwisterschaften mit einem Merk- malstri~ger 3mal so oft auftreten, wie die mit mehreren (hier 4) Merkmals- tri~gern. Wir wfirden in einem solchen Falle aber dann eher daran denken, dab dort, wo 4 Merkmalstr~ger auftreten, irgendeine Noxe die Eltern unf/~hig gemacht hat, andere Kinder als merkmalsbehaftete zu erzeugen,

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v o n K. Gerum : ,,Beitrag zur Frage der Erbbiologie der genuinen Epilepsie". 803

und wir wfirden dort, wo je 1 Merkmalstr/~ger auftritt, an eine ~qoxe denken, die das einzelne Individuum, sei es intrauterin, sei es im sp~teren Leben, betroffen hat. Weder bei den geh/~uft noch bei den einzeln in den Geschwisterschaften auftretenden F/illen wiirden wir auf Grund dieses Befundes Erblichkeit fiir besonders wahrscheinlich ansehen. Zum mindesten wiirden wir annehmen, dab das Material auBer erblichen Fallen auch nicht erbliche F/~lle enth/~lt, oder dab die/~ul3erlich nicht zu unterscheidenden Merkmalstr/~ger aus 2 verschiedenen Gruppen bestehen, die verschiedenen Formen des Erbgangs folgen.

Auch dann, wenn keine erblichen FMle (und andererseits auch keine durch Keim- oder Fruchtschiidigung entstandenen Fiille), also nur exogen bedingte FMle, in einem Material w~ren, wfirden wir eine Verteilung finden kfnnen, die fiir seine einheitliche Zusammensetzung spricht. Wir erw/~hnen jedoch hier diese M6g- lichkeit, die sich ja meistens leicht auf Grund der hohen Ziffern ftir die Merkmals- triiger in der Verwandtschaft der Probanden ausschliei~en l~Bt, mehr aus theore- tischen Grfinden. Nur wenn die MSglichkeit besteht, dal~ es sich um ein in der betreffenden Gegend endemisches unweltbedingtes Merkmal handelt, kann es unter Umst/~nden schwer zu entscheiden sein, ob das Material einheitlich exogen oder einheitlich endogen bedingt ist.

Nun wird unser Material leider in den wenigsten F/~llen geniigend gro$ sein, um eine Trennung in zweikSpfige, vierkSpfige usw. Geschwi- sterschaften zu gestatten. Man kSnnte daher daran denken, die durch- schnittliche GeschwisterschaftsgrS/~e des jeweils zur Verfiigung stehenden Materials zu errechnen und dann so zu verfahren, als ob alle Geschwister- schaften diese DurchschnittsgrSl~e bes/~Ben. Dagegen bestehen aber insofern Bedenken, als vielfach die Geschwisterschaften mit nur je einem Merkmalstr/~ger auch die mit durchschnittlich geringerer Kopfzahl sein werden, die mit mehreren Merkmalstr/~gern dagegen die mit durch- schnittlich hSherer Kopfzahl. So umfaBt z. B. im Material Lokays die Geschwisterschaftsgruppe mit einem Merkmalstr/s im Durchschnitt 2,4 KSpfe, die mit mehreren Merkmalstr/~gern im Durchschnitt 3,7 KSpfe (beide Male ohne die vor dem Gefi~hrdungsalter Verstorbenen, d. h. hier, bei dem auf Schwachsinn zu untersuchenden Material Lokays, ohne die Kleinverstorbenenl). (Wiirden wir unter sonst gleichen Umst/~nden mehrere Merkmalstr~ger gerade in den Geschwistersehaften mit durch- schnittlich kleinerer Kopfzahl finden, je einen Merkmalstr/~ger dagegen gerade in den Geschwisterschaften mit durchschnittlich grSl3erer Kopf- zahl, so wiirde das daran denken lassen, dab das Material nicht einheit- lich zusammengesetzt ist.)

1 Wo, wie bei der Dementia praecox, das Gefahrdungsalter sp~ter einsetzt und sich fiber eine l~ngere Zeitspanne erstreckt, gestaltet sich die Berechnung nicht so einfach. Wir wollen hier darauf nicht n/~her eingehen, sondern nur darauf hinweisen, dal3 (auch dort) berficksichtigt werden muI3, dal~, wenn nicht alle Geschwister das Gef/~hrdungsalter fiberschritten haben, die Geschwisterschaften mit je einem MerkmalstrKger relativ zu oft auftreten werden.

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804 B.Sehulz: EinigemethodologisehcBemerkungenimAnschlul~andieArbeit

Ist nun aber die durchschnittliche Kopfzahl der Geschwisterschaften mit mehreren MerkmalstrKgern und die mit je einem Merkmalstr~ger verschieden groB, so wird sich aus der durchschnittliehen Kopfzahl aller Gesehwistersehaften nieht ohne weiteres, so wie oben angedeutet, die zu erwartende Zahl der Gesehwisterschaften mit je einem Merkmals- tr~ger errechnen lassen. Um dureh den bisweilen betr~chtliehen Unter- sehied der durehsehnittlichen Kopfzahl beider Geschwisterschafts- gruppen nieht gestSrt zu werden, hielt ich es fiir zweckm~Big, die Ge- schwisterschaften mit nur einem Merkmalstr~ger ffir sich zu betrachten (in diesem Falle allerdings sowohl solche, die der Kreuzung merkmals- frei • merkmalsfrei [ A X A] entstammen, wie solche, die der Kreuzung merkmalsfrei • Merkmalstr~ger [A • B] entstammen). Und zwar wollen wir diese Geschwisterschaften daraufhin betrachten, ob die Zahl der unter ihren Eltern auftretenden Merkmalstr~ger der Erwartung entspricht. Aueh diese Berechnung der Erwartung griindet sich auf die Voraussetzung, dab die Verteilung, das tt~ufigkeitsverh~ltnis der Ge- schwisterschaften mit je 1, je 2 usw. MerkmalstrKgern den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit ffir groBe Zahlen folgt.

Nehmen wir an, daB die auf S. 799, Zeile 12 v. u. angeffihrten 4 Ge- sehwisterschaften, die insgesamt 4 A und 4 B enthalten, aus 4 Eltern- kreuzungen A x B entstammen, dab die 16 S. 799, letzte Zeile an- geffihrten Geschwisterschaften, die insgesamt 24 A und 8 B enthalten, aus 16 Elternkreuzungen A • A entstammen, so erfassen wir yon allen diesen Geschwisterschaften 2 Geschwisterschaften mit je 1 B, die der Kreuzung A • B entstammen, und 6 Geschwisterschaften mit je 1 B, die der Kreuzung A • A entstammen. Unter den 16 Eltern dieser 8 Geschwisterschaften sind also 2 = 12,5% Merkmalstri~ger.

Im ganzen haben wir nun hier (wenn wir die Geschwisterschaften mit 2 Merkmalstr~gern doppelt z~hlen) 8 Geschwisterschaften der Kreuzung A • A erfaBt und 4 der Kreuzung A • B (nur Geschwister- schaften mit Merkmalstr~gern werden ja von uns erfaBt) ; die der ersten Kreuzung also doppelt so oft wie die der zweiten. Nun ist aber z. B. bei dem Material Lokays, das wir auch hier wieder heranziehen wollen, die E|ternkreuzung A • A 43mal vertreten, die Kreuzung A • B 13mal ; die erste also 3,3real so oft wie die zweite. In diesem Falle w~ren dann also die obenerwKhnten 8 Geschwistersehaften der Kreuzung

A • A ~ m a l so oft in Rechnung zu setzen wie die der Kreuzung

A x B . Wir haben also nnter den ( 1 2 - ~ a ) ~ - 4 = 2 3 , 8 Eltern der

Geschwisterschaften mit je einem MerkmalstrKger 2 MerkmalstrKger (2000 : 238 ~-) 8,4%.

Unter den (4 �9 ~ ) -~ 4 = 10,6 Eltern der Gesehwisterschaften mit

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yon K. Gerum : ,,Beitrag zur Frage der Erbbiologie der genuinen Epilepsie". 805

mehreren Merkmalstr/~gern haben wir 2 Merkmalstr~ger ---- (2000:106 ~--) 18,86%.

Ist nicht, wie hier, yon den Nachkommen der Kreuzung A • A 1/4, von den Nachkommen der Kreuzung A • B die H/~lfte als merkmals- behaftet zu erwarten, sondern, wie bei Lokays Material, etwa 1/6 der Nach- kommen der Kreuzung A • A und etwa 1/3 der Kreuzung A • B, so haben wir 9,75% Merkmalstr/~ger unter den Eltern zweikSpfiger Ge- schwisterschaften mit je einem Merkmalstr/iger zu erwarten. Das 1/~Bt sieh errechnen an Hand unserer Darlegungen auf S. 804 und unter Be- rticksichtigung dessen, dab wieder die Nachkommen der Kreuzung A • A 3,3mal so oft in Rechnung zu setzen sind wie die der Kreuzung A •

Unter den Eltern der zweikSpfigen Gesehwisterschaften mit mehreren Merkmalstr~gern finden wir auf entsprechende Weise 18,9% Merkmals- tr~ger als Ziffer der Erwartung.

Unter sonst gleichen Verh~ltnissen lassen sich fiir vierkSpfige Ge- schwisterschaften 6,7% Merkmalstr~ger unter den Eltern der Ge- schwisterschaften mit je einem Merkmalstr/~ger als Erwartungsziffer errechnen, und 16,8 % Merkmalstr~ger unter den Eltern der Geschwister- schaften mit mehreren Merkmalstr/~gern.

Da sich null tats/~chlich in Lokays Material unter den Eltern der 2,4kSpfigen Geschwisterschaften mit je einem Merkmalstrhger 9,7% Merkmalstr/iger linden, so gibt uns dieser Befund keinen AnlaB anzu- nehmen, daB sich unter den Geschwistersehaften mit je einem Merkmals- tr/~ger eine Anzahlnicht erblicher F/~lle findet. (Bei2,4kSpfigen Geschwi- sterschaften ist eine geringere Ziffer zu erwarten als die fiir zweikSpfige Geschwisterschaften errechnete Erwartungsziffer von 9,75%).

Bei den Geschwisterschaften mit mehreren Merkmalstr~gern hat Lokay, bei einer durchschnittlichen Kopfzahl von 3,7, unter den Eltern 13,9% Merkmalstr~ger gefunden. Zu erwarten war eine Zahl, die etwas hSher als 16,8% ist. DaB sich eine kleinere Zahl findet, wiirde, wenn bei dem kleinen Material nicht iiberhaupt in jedem Falle vor allem an zu- f/~llige Befunde zu denken w~re, anzeigen, dab in einer Anzahl der unter: suchten Geschwisterschaften mit mehreren Merkmalstr/~gern der Schwaehsinn nicht erblieh ist, was ja gerade beim Schwachsinn recht gut sein kSnnte. So kSnnten ja gutbegabte luetische Eltern mehrere luetisch-schwachsinnige Kinder haben (Keim- oder Fruchtsch/~digung). (In Geschwisterschaften mit mehreren Kranken l/iBt sich die Erbliehkeit eines Merkmals unter gewissen Umst/~nden auf Grund der Stellung der Merkmalstr/~ger in der Geburtenreihe wahrscheinlieh oder unwahr- seheinlich maehen. Doeh das nur nebenbei.)

Dureh einen derartigen Befund ist natiirlieh nieht bewiesen, dab sick unter den Probanden Lokays, die als einzige Merkmalstr~,ger in ihren ~

Z. f. d. g. Neut. u. Psych. 123. 52

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806 B. Schulz : Einige methodologische Bemerkungen im Anschlull an die Arbeit

Geschwisterschaften auftreten, keine exogen bedingten F/~lle befinden. Auch dab sich verh/~ltnism~13ig nicht mehr exogene F/~lle unter ihnen befinden als unter den F/~llen der mehrfach betroffenen Geschwister- schaften, ist nieht bewiesen. Ganz abgesehen davon, dab das Material zu klein ist, liefert die hier dargelegte Art der ~berpriifung keine ein- deutigen Ergebnisse; auch ist die Berechnung, die ja mit durchschnitt- lichen GesehwisterschaftsgrSBen arbeitet, nicht genau genug. Ferner sei aueh hier wieder ausdriicklieh darauf hingewiesen, dab unsere Ziffern ja gewonnen sind unter der Voraussetzung, dal3 die Nachkommen der Kreuzung A X A zu l/e, die Nachkommen der Kreuzung A • B zu z/3 Merkmalstr/iger sind. Wir wissen aber nicht, ob nicht eben das Auf- treten auch exogener F/~lle, die unter dem untersuchten Material waren, uns die Ziffern 1/3 bzw. 1/e hat gewinnen lassen. Andererseits ist es gerade angesichts dieser Tatsache vielleicht zweckm/~13ig, auch umgekehrt darauf hinzuweisen, dab der dargelegten ~berpri ifungsmethode kein Zirkelschlul3 zugrunde liegt. Die Ziffern der Merkmalstr/~gerh/~ufigkeit (1/3 bzw. 1/6), auf die wir uns bei unseren Berechnungen beziehen, sagen ja noch niehts aus fiber das tt/~ufigkeitskeitsverh/~ltnis der Gesehwister- schaften mit je 1, je 2 usw. Merkmalstr/~gern zueinander. Die Methode hat also wohl einen gewissen Wert.

In unserem Beispiel (Lokay) wird man hinsichtlich der Nachkommen der Kreuzung A • B iibrigens ohnehin an Erblichkeit denken, und wenn wir nun unter den Nachkommen der Kreuzung A • A gerade eine halb so grol3e H/~ufigkeit der Merkmalstr/~ger linden, so macht dies auch wieder eine Erblichkeit bis zu einem gewissen Grade wahrscheinlich.

Auf eines sei noch hingewiesen: Wit haben die Ziffern 1/3 bzw. 1/6 gewonnen an einem Material yon einer durchschnittlich, en Geschwisterschaftsgr613e, die zwischen 2,4 und 3,7 liegt. Sp~ter dagegen, bei Berechnung der zu erwartenden tt~ufigkeit der Merkmalstr/~ger unter den Eltern, sind wir bei den Geschwisterschaften mit je einem Merkmalstr~ger so vorgegangen, als ob die Ziffern 1/3 und 1/s an 2,4k6pfigen Geschwisterschaften gewonnen wi~ren,und bei den Geschwisterschaften mit mehreren Merkmalstr~gern sind wit so vorgegangen, als ob die Ziffern 1/3 und 1/3 an 3,7 k6pfigen Geschwisterschaften gewonnen w~ren. Doch diirfte dieser Umstand bei der hier zuletzt angewandten Berechnungsart kaum stSrend ins Gewicht fallen, w~hrend sich, wie wir bereits Seite 804, Absatz 1 bemerkten, die verschiedene Geschwister- schaftsgr6Be recht stfrend bemerkbar machen wiirde bei einer Berechnung, wie wit sie auf den Seiten 799--802 dargelegt haben.

Kurz seien auch noch Hinweise ffir die Errechnung der Erwartungs- ziffer der Merkmalstri~ger unter den Eltern der Geschwisterschaften mit einem Merkmalstr/~ger bei Gerums Material gegeben. Dort bestehen folgende Verhiiltnisse :

Die Elternkreuzung A • A ist 61 mal vertreten (42 Fi~lle der singuli~ren Gruppe [Gerum S. 376] und 19 F~lle der indirekt belasteten Gruppe). (Von diesen 19 F/~llen sind 9 Gesehwisterschaften mit nur einem Epi- lel3tiker und 10 Geschwisterschaften mit mehreren Epileptikern.)

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yon K. Gerum : ,,Beitrag zur Frage der Erbbiologie der genuinen Epilepsie". 807

Die Elternkreuzung A x B ist l l m a l vertreten (Gerum S. 338); davon Geschwisterschaften mit nur einem Epileptiker 7 real, solche mit mehreren Epileptikern 4real.

Im ganzen ist also die Elternkreuzung A X A 5,5mal h/~ufiger ver- treten als die Kreuzung A X B.

Die Gesehwisterschaften mit nur je einem Merkmalstr/~ger umfassen bei qerum durchschnittlich 4,3 KSpfe (die 42 singul/iren F/~lle 181 KSpfe, die 9 indirekt belasteten 50 und die 7 direkt belasteten F/~lle 18 KSpfe). Die Geschwisterschaften mit mehreren Merkmalstri~gern umfassen bei Gerum durchschnittlich 5,1 KSpfe (die 10 indirekt belasteten 52, die 4 direkt belasteten 19 KSpfe). (Stets ohne die vor dem Gef/ihrdungs- alter 1 Verstorbenen.) Unter den Nachkommen der Kreuzung A • A finden sich etwa 5,9% Merkmalstr/~ger, unter denen der Kreuzung A • 23,1%.

Wir errechnen wieder zun/~chst, und zwar hier, bei den komplizierten Zahlenverh/iltnissen, natfirlich nach der erw/~hnten Formel, die zu er- wartende H/~ufigkeit der Geschwisterschaften mit je einem Merkmals- tr/~ger, und zwar sowohl fiir die der Elternkreuzung A x A wie ffir die der Kreuzung A x B; in beiden F/~llen ffir eine Geschwisterschafts- grSl~e yon 4,32. Daraus erreehnen wir die Erwartungsziffer ffir die Merk- malstr/~ger unter den Eltern und finden auf diese Weise etwa 5,6 %. I m konkreten Falle betr/~gt die Zahl der Merkmalstr/iger unter den Eltern der Geschwisterschaften mit je einem Merkmalstr~ger bei Gerum 6%. Auch hier haben wir also auf Grund dieses Befundes keine Veranlassung, Gerums singul~re F~lle fiir Epilepsief~lle besonderer erbbiologischer Art zu halten. Entspreehend k5nnen wir ffir die Gesehwisterschaften mit mehreren (je 2, je 3 usw.) Merkmalstr/~gern verfahren.

Ohne Frage kommt der hier yon uns dargelegten Methode ein prak- tischer Wert nut dann zu, wenn uns ein weir grSf~eres Material zur Ver- ffigung steht als in den bier herangezogenen Beispielen. Die Methode gestat tet natfirlich auch nur die Priifung einer Masse, ~hnlich wie man nur ganz allgemein sagen kann, dai3 unter einer unausgelesenen Menge yon Zwillingen eine best immte Anzahl yon eineiigen Zwillingen sein mug (W. Weinberg). l~ber die Zuordnung im Einzelfalle kann immer nur die

1 Wir kSnnen uns hier nut nach dem yon Gerum angenommenen Gef/~hrdungs- alter richten.

" Da nach der Erwartung die Kreuzungen A X B und A x A unter ihren Nachkommenschaften nicht die gleichen Prozents/~tze yon merkmalsfreien Nach- kommenschaften aufweisen werden, ist fiir die Nachkommenschaften beider Kreu- zungen auch ein verschiedenes VerhMtnis ihrer Erfassung anzunehmen. Dieser Umstand mull beriicksichtigt werden. Das kann dadurch geschehen, dall wieder der S. 802 erw~hnte Faktor e n in die Rechnung eingesetzt wird. Rechncrisch ein- father ist es, wenn man nach der Formel die Prozentzahl der erfallbaren Familien in beiden Gruppen errechnet.

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808 B. Schulz: Bemerkungen im AnscMul~ an die Arbeit von K. Gerum.

genaueste Untersuchung des Probanden selbst entscheiden. Solange man einen Merkmalstr~ger, z. B. den Epileptiker, noch nicht nach all- gemein anerkannten klinischen Gesiehtspunkten als erblichen Epilep- tiker abgrenzen kann, werden auch genealogisehe Forschungen der ver- schiedenen Untersucher wohl nicht so bald zu einheitlichen Ergebnissen fiihren.

Immerhin werden wit, je grSBere Schwierigkeiten unserem Ziele, Klarheit fiber den Erbgang eines Merkmals zu gewinnen, entgegenstehen, desto eher von jedem sich uns bietenden Hilfsmittel Gebrauch machen. Ein solches Hilfsmittel wird bisweilen auch die hier dargelegte statistische ~berprtifung der Zusammensetzung eines Materials sein. Sollte es fibrigens in der Tat klinisch ffir uns bis jetzt noch nicht unterseheidbare heredit~re Epilepsien geben, die verschiedenem Erbgang folgen, so wiirde das es uns noch besonders erschweren, hinsichtlich des Erbgangs dieser verschiedenen Epilepsieformen zur Klarheit zu gelangen. Da~, in jedem Falle, weitere Materialsammlungen, und zwar solche, deren Ausgangs- fiille peinlichst ohne jede Rticksicht auf fehlende oder vorliegende Belastung gesammelt wurden, die wiehtigste Vorbedingung fiir weitere Forschungen sind, darin dfirften wir uns alle einig sein.

Zusammen]assung: Der berechtigte Wunsch, genealogisch-statistisch iiberprtifen zu kSnnen, ob die singul~ren Epilepsief~lle seines Materials erbbiologisch den belasteten Epilepsief~llen gleichzusetzen seien, hat Gerum zu einer gesonderten Betrachtung seiner singul~ren F~lle ver- anlafJt. In der vorliegenden Arbeit wurde versucht zu zeigen: 1. daff es unzuli~88ig ist, aus einer derartigen gesonderten Betrachtung Schliisse au/ den Erbgang der Epilepsie zu ziehen, 2. dal~ mit der MSglichkeit bzw. Wahr- scheinlichkeit des Auftretens singul~rer (erblicher) F~lle gerechnet werden muff, und 3. dal~ und auf welche Weise sich die unter bestimmten Voraussetzungen zu erwartende Zahl der Geschwisterschaften mit je einem Merkmalstr~ger --insbesondere auch solcher ohne elterliche Belastung - - berechnen l~]t; ebenso wie sich fibrigens auch die zu er- wartende Zahl der Geschwisterschaften mit je 2, je 3 usw. Merkmals- tr~gern berechnen l~[tt. Dutch eine derartige Berechnung kann ein Material unter Umst~nden auf seine einheitliche Zusammensetzung statistisch iiberprfift werden.