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3 17 ISSN: 1611-2997 Prozesse & IKT Einstieg in das intelligente Messwesen Von Lars Austermann, Prokurist und Managing Director Energie, BTC Auszug aus Ausgabe 3 Juni 2017

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Prozesse & IKT

Einstieg in das intelligente MesswesenVon Lars Austermann, Prokurist und Managing Director Energie, BTC

Auszug aus Ausgabe 3Juni 2017

2 Auszug aus e|m|w Heft 03|2017

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Prozesse & IKT

Einstieg in das intelligenteMesswesenHandlungsoptionen für die Prozess- und IT-Unterstützung

Die Digitalisierung der Energiewende führt zu einer grundlegenden Neugestaltung der Zählerlandschaft. Stadtwerke und Netzbetreiber müssen mit Blick auf die eigene Ge-schäftsstrategie sowie auf die verfügbare IT-Landschaft abwägen, auf welchem Weg ein intelligenter Messstellenbetrieb – inklusive Gateway-Administration – sicher und kosten-günstig umzusetzen ist. Das schließt die Frage nach Eigen- oder Fremdleistung auf un-terschiedlichen Leistungsebenen ein, genauso wie die Frage nach alternativen Lizenzie-rungs- und Betriebsmodellen wie Cloud Computing in der IT.

Von Lars Austermann, Prokurist und Managing Director Energie, BTC

Mit dem Gesetz zur Digitalisie-rung der Energiewende, das im vergangenen Jahr beschlossen wurde, hat der Gesetzgeber

die Weichen endgültig gestellt: Seit dem Jahresauftakt nimmt der Rollout im intelligenten Messstellenbetrieb (iMSB) Fahrt auf. Im Rahmen von größeren Sanie-rungen oder Neubauten sind zumindest moderne Messeinrichtungen einzubauen. Mit der Marktverfügbarkeit von Smart-Me-ter-Gateways, deren Zertifizierung durch das BSI in diesem Jahr erwartet wird, schreibt das Gesetz den Einsatz intelligen-ter Messsysteme für bestimmte Kunden-gruppen vor. Damit müssen Netzbetreiber automatisch den intelligenten Messbetrieb vom traditionellen Verteilnetz- und Zäh-lermanagement buchhalterisch trennen. Kurzum: Für Energieversorger gilt es daher, schnellstmöglich die Prozess- und IT-Infrastruktur für den intelligenten Mess-betrieb vorzubereiten.

Das Gesetz zur Digitalisierung der Ener-giewende einschließlich des Messstellen-betriebsgesetzes (MsbG) hält in dieser Hinsicht für Stadtwerke und Netzbetreiber zwei „harte Nüsse“ parat. Erstens definiert es auf allen Ebenen neue Rahmenbedin-gungen für Marktrollen, Prozesse und IT-Unterstützung. Und zweitens − und das ist vermutlich eine der größten Herausfor-derungen in der Startphase – diktiert der Gesetzgeber sehr enge Preisobergrenzen.

Selbst wenn anfangs nur wenige Mess-punkte zu managen sind, stehen Stadt-werke und Netzbetreiber unter Zugzwang, neue beziehungsweise zusätzliche Infra-struktur, IT-Systeme und Applikationen zu realisieren. Die Wirtschaftlichkeit von IT-Investitionen insbesondere zum Rollout-Beginn ist jedoch fraglich. Eng damit verflochten ist die Frage nach der eigenen Leistungserbringung und -tiefe entlang der Wertschöpfungskette. Mit Blick auf die Kostenstrukturen werden neue Optionen für alternative Lizenzierungs- und Be-triebsmodelle interessant, wie sie Konzepte des Cloud Computing eröffnen.

Höhere KomplexitätDer Aufbau und der Betrieb der intelligen-ten Mess- und Steuerungsinfrastruktur ist sehr komplex. Das ist den zusätzlichen technischen Komponenten geschuldet, die einzuführen und zu betreuen sind. Gleich-zeitig schrauben neue Marktrollen und die informatorische Entflechtung energiewirt-schaftlicher Prozesse den Komplexitäts-grad zusätzlich hoch (siehe Kasten). Aus technischer Warte müssen die MSB die neuen intelligenten Zähler, die erwähnten Komponenten Smart-Meter-Gateway und die Gateway-Administration in die IT-Infrastruktur integrieren. Aus fachlicher Sicht ist die Anwendungsprozesslandkarte um die Marktrollen grundzuständiger Messestellenbetreiber (gMSB) sowie wettbewerblicher Messstellenbetreiber

(wMSB) zu ergänzen. Dies schließt die Funktion beziehungsweise Aufgabe der Gateway-Administration in den beiden Rol-len mit ein. Welche konkreten Anforderun-gen sich hieraus für die IT-Unterstützung ableiten, lässt sich im Vergleich zur aktuell genutzten Systemlandschaft ermessen.

In digitalen modernen Messeinrichtungen ist die folgende Arbeitsteilung typisch: Die abrechnungstechnischen betriebs-wirtschaftlichen Aufgaben als auch die Kunden- und Gerätestammdaten-Verwal-tung werden im Backend einer energiewirt-schaftlichen Branchenlösung bearbeitet. Messdatenmanagement (MDM)-Systeme setzen dabei die herstellerunabhängi-ge Ankopplung der Feldgeräte um. Die Systeme verantworten das Management der Messsysteme, nehmen die erfassten Messdaten in Empfang und bereiten diese für die Weiterverarbeitung auf. Die bidirek-tionale Kommunikation zwischen kauf-männischer Anwendung und MDM-System erfolgt über standardisierte Schnittstellen. Zu den wichtigsten Funktionen zählen hier vor allem die Synchronisation technischer Zähler-Stammdaten sowie der Austausch abrechnungsrelevanter Daten.

Diese IT-technische Arbeitsteilung greift mit der Einführung eines intelligenten Messstellenbetriebs jedoch zu kurz. So müssen die Netzbetreiber den Smart-Meter-Gateway als neue Netz-Kompo-

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nente und die Gateway-Administration als zusätzliche Anwendung integrieren. Obendrein schreibt der Gesetzgeber verbindlich vor, Administration und Messwerterfassung zu trennen und unabhängig voneinander zu behandeln. Die Inbetriebnahme und Konfiguration der Smart-Meter-Gateways erfolgt über spezialisierte Anwendungen während der Part der Messdatenerfassung, Aggregation und Bereitstellung bei einem MDM-Sys-tem verbleibt. Das betriebswirtschaftliche IT-System übermittelt als zentrales und stammdatenführendes System abrech-nungsrelevante Informationen in Form von Zähler- und Auswertungsprofilen an die Software für die Gateway-Administra-tion – und nicht mehr nur an das MDM-System. Das Stammdaten-Management muss deshalb erweitert werden, um die neuen Systemkomponenten und Abrech-nungsmodelle (Tarifanwendungsfälle) einzubinden.

Vereinfacht formuliert setzt das beschrie-bene Szenario eine automatisierte End-to-End-Lösung im Smart-Meter-Management um. Dabei gilt es zu beachten, dass der Gesetzgeber die Latte an den IT-Betrieb der Gateway-Administration – als die entscheidende Instanz für den sicheren, vertrauenswürdigen Informationsaus-tausch – entsprechend hochlegt. Bevor man überhaupt den erste Smart-Meter-Gateway anschließen darf, sind die Konformität zu den Technischen Richt-linien TR-03109-4 (sichere Smart-Meter-Gateway-Kommunikation) und TR-03109-6 (RZ- und Anwendungs-Betrieb) zu belegen. Letztere Regelung sieht insbe-sondere vor, ein Information-Security-Management-System (ISMS) einzuführen und gemäß ISO 27001 beziehungsweise ISO/IEC 27001 zu zertifizieren.

Leistungstiefe und WirtschaftlichkeitBevor ein Netzbetreiber ein Smart-Meter-Projekt startet, sollte er mit der gebotenen Sorgfalt für die eigene Organisation klären, welches unternehmerische Risiko er in der Leistungserbringung eingeht oder eingehen will. Diese selbstverständliche Manage-menttugend besitzt im Kontext des MsbG zusätzliche Brisanz. Der Gesetzgeber – wie eingangs erwähnt – schreibt vor, dass mit den ersten neuen Zählern das buchhal-terische Unbundling des intelligenten Mess-betriebs vom traditionellen Verteilnetz- und Zählermanagement zu erfolgen hat.

Die vorgeschriebenen Preisobergrenzen bieten jedoch einen äußerst begrenzten Investitionsspielraum. Von den jährlich erlaubten knapp 17 Euro pro moderner

Messeinrichtung und durchschnittlich 106 Euro pro intelligentem Messsystem stehen nach Abzug der fälligen Technik-, Logistik-, und Kommunikations- sowie Personalkosten gerade einmal rund fünf Euro beziehungs-weise 23 Euro für den anteiligen IT-Betrieb zur Verfügung. Im Bereich des Personalauf-wandes ist wiederum die mögliche Betreu-ungszeit zu betrachten. Die Inbetriebnahme eines Gateways bedeutet beispielsweise einen Prozess, der mindestens 78 Einzel-schritte umfasst, die in etwa zur Hälfte in den IT-Systemen des MSB und Gateway-Ad-ministrators anfallen. Kalkulatorisch stehen damit pro Gateway im jährlichen Normal-verlauf für Inbetriebnahme, Betrieb und Außerbetriebsetzung in den IT-Systemen eine maximale Aufmerksamkeitsdauer von rund fünf Minuten zur Verfügung.

Wo die Wirtschaftlichkeitsgrenze genau liegt, ist unklar. Fraglos gilt die simp-le Daumenregel „Je mehr intelligente Messsysteme, desto besser“. Selbst große Energieversorgungsunternehmen wer-den im ersten Schritt in der Regel aber nicht genügend intelligente Messpunkte mitbringen, um unter der Preisobergrenze wirtschaftlich erfolgreich arbeiten zu kön-nen. Hinzu kommt, dass die vorhandenen Anwendungen langfristig zu pflegen sind, da aufgrund des vom MSbG definierten Rollout-Zeitplans eine vollständige Smart-Metering-Infrastruktur frühestens in 15 Jahren zu erwarten ist.

Wollen Netzbetreiber oder Stadtwerke als Messstellenbetreiber – unabhängig davon ob grundzuständig oder wettbewerblich – agieren, sind sie gezwungen, in Infra-struktur und Applikationen zu investieren, selbst wenn anfangs nur wenige Mess-punkte zu managen sind. Gleichzeitig muss die IT-Landschaft im Messbetrieb aber mit der Zahl der Messpunkte skalie-ren können, um in der Endausbaustufe die Massendatenfähigkeit zu gewährleisten. Die Kosten lassen sich jedoch überschau-bar halten, wenn man im Zuge der IT- und Prozess-Implementierung erstens alterna-tive Lizenzierungs- und Betriebsmodelle beachtet sowie zweitens die Eigenleis-tungstiefe überdenkt.

Mit der Rolle des Gateway-Administrators sind beispielsweise viele informations- und kommunikationstechnische Leistungen verbunden, die nicht zwangsläufig zur Kernkompetenz von Netzbetreibern oder Stadtwerken zählen. Die Datenübertragung zwischen den Gateways und der Adminis-trationsapplikation stellt in der Regel eine typische „Buy“- Leistung dar. Auf Seiten des Kunden- und Abrechnungsmanagements sind in der Gesamtkostenbetrachtung die Anpassung der Bestandssysteme, Aus-weitung der Lizenzgebühren sowie der zeitliche Projektaufwand gegen eine neue Lösung abzuwägen. Ebenso ist aus der Perspektive der Kosten zu beachten, dass die vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Sicherheitsvorgaben für den IT-Betrieb tiefe Einschnitte im Budget hinterlassen können. Allein für die Zertifizierung fällt initial eine hohe sechsstellige Summe an.

Lösung aus der WolkeEine Lösungsalternative bilden daher IT-Lö-sungen für das Messwesen wie BTC iMSB, die als Software-as-a-Service aus der Cloud verfügbar sind. Der Vorteil eines Cloud-Dienstes ist, dass das Risiko einer hohen Anfangsinvestition und eines langwierigen Projektvorhabens entfällt. Man startet mit

▶ Aufgaben, Begriffe und Rollen

Moderne Messeinrichtungen (mMe), intelligente Messsysteme (iMsys) und Smart Meter-Gateway (SMGw) bilden künftig das Gerüst der Mess-Infrastruktur. Mit moder-nen Messeinrichtungen werden digitale Stromzähler bezeichnet. Sie verfügen im Unterschied zu den in-telligenten Messsystemen zunächst über keine Kommunikationseinheit (dem Smart-Meter-Gateway), lassen sich aber zu einem späteren Zeitpunkt über eine Schnittstelle in die intelligente Kommunikationsin-frastruktur einbinden. Das Smart-Meter-Gateway übernimmt die Rolle einer zentralen Informations-drehscheibe, über die exklusiv die Weitergabe der Daten intelligenter Messstellen auf der Verbrauchersei-te zu den autorisierten Marktteil-nehmern erfolgt. Der Gesetzgeber gibt die Trennung von Administrati-on und Messdatenerfassung in zwei unabhängige Aufgabenbereiche vor. Die Aufgabe der Smart-Meter-Gateway-Administration kann der Messstellenbetreiber an einen spe-zialisierten Dienstleister delegieren. Grundzuständiger Messestellen-betreiber (gMSB) für den Mess-stellenbetrieb ist in der Regel der Betreiber des Energieverteilnetzes. Daneben lässt der Gesetzgeber aber dem Anschlussnutzer (Verbraucher) die Freiheit, einen anderen Mess-stellenbetreiber, den wettbewerbli-chen Messstellenbetreiber (wMSB), zu wählen.

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einem Grundsystem, das mit überschauba-rem Aufwand für den Kunden eingerichtet wird. Gemäß den Gesetzmäßigkeiten des SaaS-Konzepts erfolgt die Abrechnung im Betrieb typischerweise transparent nach Verbrauch. Dazu orientiert sich das zählpunktbasierte Preismodell in der Entgeltkalkulation eng an den vorgegebe-nen Preisobergrenzen für den intelligen-ten Messstellenbetrieb. Das hilft einem grundzuständigen Messstellenbetreiber die Preisobergrenze einzuhalten. Und einem wettbewerblichen Messstellenbetreiber erlaubt es, sein Geschäftsmodell kosten-günstig zu starten, auszuprobieren und in der Fläche zu vermarkten. Ein weiterer Vorteil des Cloud-Konzeptes ist, dass der Betreiber die Anwendung von Hause aus auf dem neuesten Stand hält. Der fortlau-fende „Feinschliff“ oder die kurzfristigen Anforderungsänderungen – sei es durch den rechtlichen Rahmen oder Gremiums-diskussionen, die beim Messstellenbetrieb in Eigenregie oftmals zu einer gewissen Unsicherheit führen – kann man sehr viel entspannter verfolgen.

Das Konzept des Cloud-Betreibermodells erlaubt Netzbetreibern und Stadtwerken,

in das intelligente Messwesen einzustei-gen, ohne Fehlinvestitionen befürchten zu müssen. Der flexible Bezug von IT- und Anwendungsleistung fördert die notwen-dige Planungssicherheit und Variabilität. Zudem ist eine Entscheidung für un-terschiedliche Leistungselemente nicht in Stein gemeißelt, sondern lässt sich problemlos zu einem späteren Zeitpunkt an neue Bedingungen anpassen (wenn beispielsweise eine gewisse Anzahl von Zählpunkten erreicht ist). Die Unterneh-men profitieren von dem finanziell einfa-chen, transparenten Einstieg und können sich vollständig auf fachliche Aufgaben konzentrieren, ohne sich mit IT-spezifi-schen Fragestellungen wie der Skalierbar-keit, ISO-Zertifizierung des Betriebs oder Hochverfügbarkeit übermäßig befassen zu müssen. Ein Cloud-/SaaS-Angebot hilft ihnen damit schneller und zu niedrigeren Kosten am Markt zu sein, als dies mit ei-ner selbst erstellten Lösung der Fall wäre. Das hilft Messstellenbetreibern grundsätz-lich, Kundenbeziehungen etwa bei der Wohnungswirtschaft weiterzuentwickeln oder mit überschaubaren finanziellen Risi-ken beziehungsweise Vorleistungen neue Ideen am Markt auszuprobieren.

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LARS AUSTERMANN

Jahrgang 1962

Studium der Betriebswirtschaft (FH)

1986-1999 Abteilungsleiter Informati-onsverarbeitung, Überlandwerk Nord-Hannover AG

seit 2000 Prokurist und Managing Director Energie, Business Technology Consulting (BTC) AG

[email protected]

Prozesse & IKT

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energate gmbh

Norbertstraße 5 D-45131 Essen

Tel.: +49 (0) 201.1022.500 Fax: +49 (0) 201.1022.555

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