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Elektronenmikroskopie der Oberflache von Textilfasern (Erfahruugen nlit dem Polystyrolyuarz-Abdrurkverfahren) von R. Signer, H. Pfister und H. Studer Organisch-chemisches und elektronenmikroskopisches Laboratorium der Unibersitat Bern Eingegangen am 24. Oktober 1950 ZUSAMMEIVFASSUNG: Das Polystyrolquarz-Abdrudrverfahreu kann in einfacher Weise auf kleine Gewebs- stiidce angewendet werden. Oherfliichenstrukturen, die von.friiheren Autoren heschriehen wurden, konnten bestatigt und einige neue Strnkturen beobachtet werden. R fi S U $1 & : La m6thode d'empreintes au Polystyrkne-Quarz peut itre employie facilement sur de petites pii.ces de tissus. Les descriptions de structures de surfaces faites par de pr6c6dents auteurs sont confirmdes. En outre on dicrit quelques nouvelles structures. SUMMARY: The method of Polystyrenc-Quarz-Re1)lica can he used easily for small pieces of tissues. The description of structures of surfaces made by earlier authors is corroborated and some new structures are desrrihed. Um submikroskopische Oberflachenstrukturen von relativ groDen Ob- jekten mit dem Elektronenmikroskop erfassen zu konnen, wurden im letzten Jahrzehnt verschiedene Abdruckverfahren entwickelt. Fur medanisch und thermisch widerstandsfiihige Objekte eignet sich das Polystyrolquarz-Verfahren I. Polystyrol wird durch Erhitzen auf etwa 120" plastisch gemacht und auf das Objekt aufgedriickt. Das Objekt wird nach dem Erkalten vom Polystyrol entfernt und eine dunne Quarzhaut aufge- dampft. Nach dem Ablosen des Polystyrols kann die Quarzhaut im Elek- tronenmikoskop untersucht werden. 1 R. D. Heidenreich u. V. G. Peck, J. App. Phys. 14 (1943) 23. 15

Elektronenmikroskopie der Oberfläche von Textilfasern

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Elektronenmikroskopie der Oberflache von Textilfasern (Erfahruugen nlit dem Polystyrolyuarz-Abdrurkverfahren)

von R. Signer, H. Pfister und H. Studer

Organisch-chemisches und elektronenmikroskopisches Laboratorium der Unibersitat Bern

Eingegangen am 24. Oktober 1950

Z U S A M M E I V F A S S U N G :

Das Polystyrolquarz-Abdrudrverfahreu kann in einfacher Weise auf kleine Gewebs- stiidce angewendet werden. Oherfliichenstrukturen, die von.friiheren Autoren heschriehen wurden, konnten bestatigt und einige neue Strnkturen beobachtet werden.

R fi S U $1 & : La m6thode d'empreintes au Polystyrkne-Quarz peut i t r e employie facilement sur de

petites pii.ces de tissus. Les descriptions de structures de surfaces faites par de pr6c6dents auteurs sont confirmdes. En outre on dicrit quelques nouvelles structures.

S U M M A R Y :

The method of Polystyrenc-Quarz-Re1)lica can he used easily for small pieces of tissues. The description of structures of surfaces made by earlier authors is corroborated and some new structures are desrrihed.

Um submikroskopische Oberflachenstrukturen von relativ groDen Ob- jekten mit dem Elektronenmikroskop erfassen zu konnen, wurden im letzten Jahrzehnt verschiedene Abdruckverfahren entwickelt.

Fur medanisch und thermisch widerstandsfiihige Objekte eignet sich das Polystyrolquarz-Verfahren I. Polystyrol wird durch Erhitzen auf etwa 120" plastisch gemacht und auf das Objekt aufgedriickt. Das Objekt wird nach dem Erkalten vom Polystyrol entfernt und eine dunne Quarzhaut aufge- dampft. Nach dem Ablosen des Polystyrols kann die Quarzhaut im Elek- tronenmikoskop untersucht werden.

1 R. D. Heidenreich u. V. G. Peck, J. App. Phys. 14 (1943) 23.

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R. Signer, H. Pfister und H. Studer

In einer friiheren Publikation -2 wurde gezeigt, da0 das Polystyrolquarz- Abdruckverfahren die Oberflachengestalt der Objekte trotz der doppelten Umformung ziemlich genau wiedergibt. Als Testobjekt wurde eine Schicht von Vanadinpentoxydstabchen verwendet.

Das Polystyrolquara-Verfahren wurde von R. B. Barnes, C. J. Burton und R. G. Scotts und spater von S. F. Kern4 zur Untersuchung von Textilfaser- oberflachen benutzt. Im Laboratorium fur Elektronenmikroskopie der Uni- versitat Bern sind seit einigen Jahren ebenfalls systematische Untersuchun- gen an Textilfasern im Gang, wobei auch Oberflachen mit diesem Abdruck- verfahren beobachtet wurden. Da die Technik in einigen Einzelheiten etwas abgeandert wurde, da ferner die Literatur noch arm an solchen Bildern der

T

Fig. 1. Apparat fur Polystyrolabdrudre von Geweben

Oberflachenstruktur ist und wir auch einige neue Fasertypen untersuchten, konnten wir uns zu der folgenden kurzen Publikation entsAlie0en 5 .

Wir verwenden fur die Abdrudte nicht wie die fruheren Autoren Einzel- fasern, sondern Gewebe aus der zu untersuchenden Faserart und schneiden daraus ein rechteckiges Stuck von ca. 1,5 X 2,5cm. Um das Polystyrol ge- eignet tief in das Cewebe einzudrucken, mu13 dessen Dicke dl ungefiihr bekannt sein. Wir legen das Gewebe hierzu zwischen zwei Deckglaser inikroskopischer Praparate und bestimmen mit einem Schraubenmikrometer erst unter geringem Druck die Dicke der Lagerung Dekglas/Gewebe/Ded- glas und nachher die Dicke der beiden Deckglaser.

-2 R. Signer, H. Pfister u. H. Studer, Makromol. Chem. 4 (1949) 50. 3 J. App. Phys. 16 (1945) 730. 4 J. Polym. Sc. 1 (1946) 259. 5 Eine ausfulirliche Beschreibung der Methode und der Ergebnisse findet si& in der

Dissertation von H. Pfieter, Bern 1949.

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Elektronenrnikroskopie der Oberlliidie von Textilfasern

Der Polystyrolabdruck wird folgendermanen hergestellt: Auf einer elek- trischen Heizplatte (H der Fig. 1) mit Regulierwiderstand, deren Tempera- tur auf etwa * 2Grad genau eingestellt werden kann, befindet sich eine Kupferplatte B von ca. 1,5 cm Dicke mit Bohrung fur ein Thermometer T. Dariiber wird zwischen zwei Objekttragern 0 (Glasplatten von 76 X 26 mm und 1 mm Dicke) das Gewebestuck und eine rechteckige Polystyrdplatte von 18 rnm Lhge , 12 mni Breite und 0,5 mm Dicke (d, = 0,5 mm) aufge- legt. M sind planparallele Metallplatten der Dicke d,; d3 wird 0,02mm geringer gewahlt als d, + d?. Durch diese einfache Anordnung ergibt sich eine geeignete und in der ganzen Polystyrolplatte gleichmaoige Eindruck- tiefe. Die Belastung erfolgt durch einen Gewichtsstein von 1 kg. Man arbeitet also mit einer Belastung von ca 460g pro cm2 der Kunstharzplatte. Das Anwarmen des Kupferblodces auf ca. 145" erfolgt in 30 Minuten. Diese Temperatur wird etwa eine Stunde aufrechterhalten. An der Grenzflache Polystyrol-Gewebe ist die Temperatur wesentlich niedriger, etwa 115". Die Angaben uber Erhitzungsdauer und Temperatur wurden empirisch fur die kaufliche Polystyrolsorte Trolitul ermittelt. Bei Polystyrolen mit etwas ande- rer Temperaturfunktion der Flienbarkeit ermittelt man leicht die optimalen Ab druckbedingungen .

Nach dem Erltalten konnen die meisten Gewebearten von der Polystyrol- platte mechanisch abgezogen werden. Einzelne besonders tief eingedriidrte Faserchen werdea mit Losungsmitteln (Kupferoxydammoniak fur Cellulose, Natronlauge von 25O/o fur Wolle etc.) abgelost.

Fig. 2 zeigt das lichtmikroskopische Bild 18-facher Vergrooerung eines Baumwdlgewebeabdruckes in der Polystyrolplatte. Man erkennt, daB nur kurze Fadenstiidze an den dicksten Gewebestellen, dort wo sich die Faden hreuzen, Eindriidze verursachen. Jedes eingedruckte Fadenstuck setzt sich aus zahlreichen Abdrucken von Einzelfasern zusammen. Auf der ganzen Polystyrolplatte entstehen also gleichzeitig Tausende von Einzelfaser- abdrudten.

Fur die Erzeugung der Quarzhaut von etwa 100-.00 A& Dicke schneiden wir die Polystyrolplatte in drei Stucke \'on 12 mm L h g e und 6 mm Breite und dampfen senkrecht gleichzeitig auf alle drei Plattenstiicke ca. 3 mg Quarz aus 8-9 cm Distanz auf.

Zur Ubertragung der Quarzhaut auf die Objekttrager des Elektronen- mikroskopes (Bronzenetzchen von 3 mm Durchmesser mit 5 Maschen pro mm) werden gleichzeitig drei Abloseapparaturen verwendet. Sie bestehen aus kleinen, mit laufendem Wasser kiihlbaren Metalltischden von 12 X 6 mm Flache. Auf jedem Tischchen werden 6 Objekttragernetzchen angeordnet und die Polystyrolplatte mit der Quarzhaut nach unten aufgelegt. Das ge-

2 Staudinger, Chemie VI 17

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kiihlte Tischen kommt in der ublichen Weise in einen Raum mit Aethyl- bromiddampf (schwach erwarmter Rundkolben mit etwas flussigem Aethyl- hromid). Es ist zweckmafiig, die Polystyrolplatte auf den Tischchen vor dem Einbringen in den Kolben mit einigen Tropfen eines schwerer fliichtigen Losungsmittels zu befeuchten. Nach ca. 5 Stunden ist alles Polystyrol abge- lost, und es sind mindestens 90°/o aller Netzmaschen mit der Quarzhaut bededct.

Die Aufnahmen 3-5 zeigen Fasern eines gebleichten Baumwollgewebes, die folgenden Nr. 6 und 7 Wollfasern. Um die Lage der Oberflachenstruk- turen in Bezug auf die Faserlangsrichtung festzuhalten, trachten wir bei den Aufnahmen danach, auch den Faserrand im Gesichtsfeld zu haben. Beide Faserarten, Baumwolle und Wolle, zeichnen sich durch die Mannig- faltigkeit der Oberflachengestaltung aus. Die Bilder von ein und derselben Faserart haben zwar ganz typische gemeinsame Zuge, und trotzdem findet man kaum zwei Stellen, die identisch sind. Es handelt sich um ahnlich typische und gleichzeitig mannigfaltige Gestaltungen wie etwa bei den Rin- den verschiedener Baumarten.

Im Gegensatz zu der Vielgestaltigkeit der Woll- und Baumwollfaserober- %the ist die Oberflachenstruktur der Seide sehr monoton (Abbildung 8). Feine Furchen liegen in ziemlich gleichmafligen Abstiinden streng parallel zur Faserlangsrichtung, und im ubrigen gleicht eine Aufnahme der andern, soweit es sich um Seidenfasern gleicher Herkunft handelt. Wiihrend Baum- woll- und Wollfaser langsam wachsen und ihre Oberflachenstruktur vielleicht manche Episode aus der individuellen Wachtstumsgeschichte widerspiegelt, ist die Seidenfaser, wenn auch von einem Tier geformt, doch das Produkt eines mechanischen Trocken-Streck-Spinnprozesses.

Das schmelzgesponnene und verdehnte Nylon (Abbildung 9) zeigt eine Oberflachengestalt ahnlich der der Seidenfaser. Die Gleichmafiigkeit der Oberflachengestalt ist eine Eigentiimlichkeit aller Kunstfasern (Abbildung 10, Vinyon; Abbildungen 11-12 Pe-Ce-Fasern; Abbildung 13 Viskose- kunstseide). Wie man .aus diesen Abbildungen sieht, hat fast jede Faserart ihre charakteristischen Oberflachenmerkmale. Haufig kann die Oberflachen- struktur mit dem rontgenographisch ermittelten Feinbau in Beziehung ge- setzt werden. So stimmen bei Seideund Nylon die Parallellagerungen der lang- lichen Kristallite zur Faserachse iiberein mit der Furchung in der Oberflache. Bei der Baumwolle erkennt man in der Oberflache eine schiefe Lagerung der Fibrillen, entsprechend der schraubenartigen Anordnung der kristallinen Bezirke im inneren der Faser. Bei schwach verdehnten Viskosekunstfasern ergibt die Rontgenographie eine geringe Orientierung der Molekule, und entsprechend dazu sind in der Oberfiache keine feinen Furchungen parallel

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Elektronciimilcroskopic der Oberflache von Textilfasern

zur Faserachse zu erkennen; vielmehr zeigt die Oberflache eher eine schwammige porose Struktur. Deutlich zu erkennen sind natiirlich die parallel zur Faser liegenden groben Schrumpfungsfurchen.

Sehr leicht kann mit dem Polystyrolquarz-Abdruckverfahren eine Korrosion der Oberflache von Fasern dur& gewisse Reagentien beobachtet werden. Baumwollfasern, die 32 Sekunden in 66 O/oige Schwefelsaure getaucht, nach- her gewaschen und getrocknet werden, zeigen die Oberflachenstruktur der Abbildung 14 und 15. Die Fibrillen der geblejchten Baumwolle, Abbildung 3-5, sind vollstandig verschwunden. In der Schwefelsaure trat wohl eine Quellung bis Auflosung der obersten Molekiilschichten ein und beim Aus- waschen eine regellose U'iederausfallung. Terylenfasern, die mit Natron- lauge behandelt wurden und hierbei ihren Titer wesentlich erniedrigen. geben eine Oberflache gemalJ Abbildung 16. Vor der Laugenbehandlung ist die Oberflache iihnlich der%von Naturseide (vgl. Abbildung 8).

Es ist selbstverstandlich, dalJ das Polystyrolverfahren Objekte voraus- setzt, die mechanisch stabil sind und eine Erwarmung auf etwa 120" er- tragen. Wenn diese Anforderungen erfullt sind, scheint uns dieses Ab- bildungsverfahren dank seiner einfachen und sicheren Handhabung empfehlenswert.

Die elektronenmikroskopischen Aufnahmen wurden aus Mitteln aus den Arbeitsbeschafingskrediten der Schweiz. Eidgenossenschaft ermoglicht.

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R . S i p v r . H. Pfister and H. Studer

Fig. 2. Baumwollgewebeabdru& in Polystyrolplatte. Vergr. 18fach

Fig. 3. Raiimwolle gebleicht. Vergr. 7000fadi

Fig. 4. Fig. 5. Baumwolle gebleicht. Vergr. 7000fach Baumwolle gebleicht. Vergr. 7000fach

Elektronenniikroskopie der Oberflache yon Textilfasern

Fig. 6. Wolle. Vergr. 10 OOOfaclr

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R. Signer, H. Pfister und H..Studer

Fig. 7. Wolle. Vergr. 7000fach

Fig. 9. Nylon. Vergr. 7000fach

Fig. 8. Seide. Vergr. 7000fach

Fig. 10. Vinyon. Vergr. 7000fach

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Elektronenmikroskopie der Oherflache von Textilfasern

Fig. 11 und 12. Pe-Ce-Fasern. Vergr. 7000fach

Fig. 13. Viskosekunstseide. Vergr. 7000faQ

Fig. 14. Baumwolle mit 66O/oiger Schwefel- saure pergamentiert. Vergr. 7000fach

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R. Signer, H. Pfister ti. H . Studer, Elektroneiimikroskopie der Oberflache v. Textilfasern

Fig. 15. Bauniwolle mit 66O;oiger Schwefel- siure pergamentiert. Vergr. 7000fadi

Fig. 16. Terylen mit Natronlauge an der Oherflache angegriffen. Vergr. 7000fach

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