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5 Elektrische Antriebe und Steuerungen Zusammenfassung Die elektrische Antriebstechnik ist heute in Haushalt, Gewerbe und vor allem in den vielen Bereichen industrieller Produktion präsent. Besonders hier steigt ihre Bedeu- tung mit dem fortschreitenden Grad der Automation einer Fertigung. Kernstück des elektrischen Industrieantriebs ist der Elektromotor als Energiewandler zwischen dem elektrischen Netz und der Arbeitsmaschine, die mechanische Energie benötigt. Da- neben gehören zur Funktion der Anlage Schaltgeräte, Schutzeinrichtungen und eine Steuerungstechnik. In diesem Abschnitt des Buches werden für die Projektierung eines Industriean- triebs wichtige Voraussetzungen behandelt. Es sind zunächst die Normvorschriften elektrischer Maschinen, dann Planungsunterlagen für die Bemessung des Antriebs und schließlich Grundlagen der Schalt- und Steuerungstechnik, Lit. [1]–[6]. 5.1 Standardisierung und Normvorschriften Die sehr vielseitige Anwendung elektrischer Maschinen verlangt eine möglichst weitge- hende Normung mechanischer Abmessungen und technischer Daten. Damit werden für die Konstruktion einer Anlage verlässliche Anbaumaße garantiert und die Austauschbar- keit gesichert. Auf dem Gebiet des Elektromaschinenbaus ist die Normung daher weit vorangeschritten. 5.1.1 Äußere Gestaltung 5.1.1.1 Baugrößen Von Sonderkonstruktionen für spezielle Anwendungen abgesehen, werden Elektromoto- ren nach einer Reihe genormter Baugrößen hergestellt. Sie werden durch die Achshöhe h 375 R. Fischer, H. Linse, Elektrotechnik für Maschinenbauer, DOI 10.1007/978-3-8348-8304-9_5, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013

Elektrotechnik für Maschinenbauer || Elektrische Antriebe und Steuerungen

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Page 1: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Elektrische Antriebe und Steuerungen

5Elektrische Antriebe und Steuerungen

ZusammenfassungDie elektrische Antriebstechnik ist heute in Haushalt, Gewerbe und vor allem in denvielen Bereichen industrieller Produktion präsent. Besonders hier steigt ihre Bedeu-tung mit dem fortschreitenden Grad der Automation einer Fertigung. Kernstück deselektrischen Industrieantriebs ist der Elektromotor als Energiewandler zwischen demelektrischen Netz und der Arbeitsmaschine, die mechanische Energie benötigt. Da-neben gehören zur Funktion der Anlage Schaltgeräte, Schutzeinrichtungen und eineSteuerungstechnik.

In diesem Abschnitt des Buches werden für die Projektierung eines Industriean-triebs wichtige Voraussetzungen behandelt. Es sind zunächst die Normvorschriftenelektrischer Maschinen, dann Planungsunterlagen für die Bemessung des Antriebs undschließlich Grundlagen der Schalt- und Steuerungstechnik, Lit. [1]–[6].

5.1 Standardisierung und Normvorschriften

Die sehr vielseitige Anwendung elektrischer Maschinen verlangt eine möglichst weitge-hende Normung mechanischer Abmessungen und technischer Daten. Damit werden fürdie Konstruktion einer Anlage verlässliche Anbaumaße garantiert und die Austauschbar-keit gesichert. Auf dem Gebiet des Elektromaschinenbaus ist die Normung daher weitvorangeschritten.

5.1.1 Äußere Gestaltung

5.1.1.1 BaugrößenVon Sonderkonstruktionen für spezielle Anwendungen abgesehen, werden Elektromoto-ren nach einer Reihe genormter Baugrößen hergestellt. Sie werden durch die Achshöhe h

375R. Fischer, H. Linse, Elektrotechnik für Maschinenbauer, DOI 10.1007/978-3-8348-8304-9_5,© Springer Fachmedien Wiesbaden 2013

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376 5 Elektrische Antriebe und Steuerungen

Abb. 5.1 Anbaumaße für IEC-Normmotoren in Bauform IM B3

(Abb. 5.1) gekennzeichnet, für die in DIN 747 eine Reihe von 56 mm bis 315 mm festge-legt ist.

Besonders weitgehend ist die Normung für Drehstrom-Asynchronmotoren als demwichtigsten Elektroantrieb durchgeführt. Hier wurde bereits 1971 eine Normmotorenreihe(IEC-Motor) entwickelt (DIN 42672 bis 42679), in der zu jeder Achshöhe die Anbaumaßeund je nach Drehzahl auch die Bemessungsleistung verbindlich zugeordnet sind. Um proAchshöhe nicht nur eine Leistung zu erhalten, führt man die Maschinen mit verschiedenerLänge aus und kennzeichnet dies durch die Zusätze S (short), M (medium) oder L (long)also z. B. Baugröße 112 M oder 132 S.

5.1.1.2 BauformenUm in einer Anlage für den Anbau definierte Möglichkeiten zu erhalten, werden Elektro-motoren in bestimmten Bauformen geliefert. Diese sind in der Europanorm EN 60034-7(VDE 0530 T7) nach IEC 34-7 (IEC-Internationale Elektrotechnische Kommission) zu-sammengestellt und durch einen Code gekennzeichnet. Tabelle 5.2 zeigt eine Auswahlbesonders häufig eingesetzter Bauformen, wobei wieder die Standardausführung IM B3am wichtigsten ist.

Folgende Beispiele sind dem Code I entnommen, der die Mehrzahl aller Maschinenerfasst. Nach den Buchstaben IM (International Mounting) kennzeichnet ein B die Aus-führung mit waagrechter, ein V die mit senkrechter Welle. Durch die Ziffern werdenVarianten wie Anzahl der Lagerschilde und Füße unterschieden.

5.1.1.3 SchutzartenDie Schutzart einer elektrischen Maschine bestimmt die Ausführung von Gehäuse undLagerschilden hinsichtlich eines Berührungsschutzes und des Eindringens von Fremdkör-pern. Nach EN 60034-5 bzw. VDE 0530, Teil 5 wird zur Kennzeichnung des Schutzgradesje eine Ziffer verwendet, der die Buchstaben IP (International Protection) vorangestelltsind.

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5.1 Standardisierung und Normvorschriften 377

Tab. 5.2 Bauformen elektrischer Maschinen nach EN 60034-7 (Auswahl)

Kurzzeichen Sinnbild Erläuterung (AS D Antriebsseite; NS DNichtantriebsseite)

IM B 3 mit Lagerschilden AS C NS; Gehäusemit Füßen; freies Wellenende; Befesti-gung auf Unterbau

IM B 5 mit Lagerschilden AS C NS; Gehäuseohne Füße; freies Wellenende; Befesti-gungsflansch auf AS

IM B 9 ohne Lagerschild AS; Gehäuse ohne Fü-ße; freies Wellenende; Befestigung anGehäusestirnfläche AS

IM B 10 mit Lagerschilden AS C NS; Gehäuse oh-ne Füße; freies Wellenende; Befestigungan Flanschfläche AS

IM V 2 mit Lagerschilden AS C NS; Gehäuseohne Füße; freies Wellenende oben; Be-festigungsflansch auf NS

Tab. 5.3 Schutzumfang bei Berührungs- und Fremdkörperschutz

ErsteKennziffer

Berührungsschutz Fremdkörperschutz

0 kein Schutz kein Schutz

1 großflächige Handberührung große feste Fremdkörper (¿ > 50 mm)

2 Berührung mit den Fingern mittelgroße Fremdkörper (¿ > 12 mm)

4 Berührung mit Werkzeugen o. ä. kleine Fremdkörper (¿ > 1 mm)

5 Berührung mit beliebigen Hilfsmitteln Staubablagerungen im Innern

Die erste Kennziffer (0, 1, 2, 4 und 5) gilt dem Schutz von Personen gegen Berührungunter Spannung stehender oder sich bewegender Teile sowie dem Schutz von Maschinengegen Eindringen von festen Fremdkörpern (s. Tab. 5.3).

Die zweite Kennziffer (0 bis 8) bezieht sich auf den Schutz von Maschinen gegen Ein-dringen von Wasser (Wasserschutz). Es gilt: kein Schutz (0), Schutz gegen Tropfwasser (1oder 2), Sprühwasser (3), Spritzwasser (4), Strahlwasser (5), Schutz bei Überflutung (6),beim Eintauchen (7), beim Untertauchen (8).

Vorzugsweise ausgeführte Schutzarten. Die häufig verwendeten Schutzarten für elek-trische Maschinen sind mit ihren Kurzzeichen in folgender Aufstellung angegeben; davon

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378 5 Elektrische Antriebe und Steuerungen

sind die im internationalen Bereich meistgebrauchten Schutzarten durch Fettdruck ge-kennzeichnet: IP 00, IP 11, IP 12, IP 21, IP22, IP 23, IP 44, IP 54, IP 55, IP 56.

Für schlagwettergeschützte und für explosionsgeschützte Maschinen, wie sie z. B. fürdie chemische Industrie und den Bergbau in Betracht kommen, sind die besonderen Vor-schriften des VDE (0170/0171), der zuständigen Betriebsgenossenschaften und der Ar-beitsschutzämter zu beachten. Die für diesen Sonderschutz festgelegten KennbuchstabenEEx sind mit weiteren Angaben ebenfalls auf dem Leistungsschild der Maschine anzuge-ben.

Isolierung. Auch die Isolation elektrischer Maschinen muss auf die BetriebsbedingungenRücksicht nehmen. Normalisolation kann nur verwendet werden, wenn die Atmosphärein den Betriebsräumen keine aggressiven Staubteile, Gase oder Dämpfe enthält. In al-len anderen Fällen ist eine Sonderisolation, bei extrem hoher Feuchtigkeit oder häufigemWechsel der Temperaturen und des Feuchtigkeitsgrades ist die höchstwertige Tropeniso-lation erforderlich.

5.1.2 Betriebsbedingungen

5.1.2.1 BetriebsartenDie Belastungsgrenze eines Elektromotors wird durch die zulässige Erwärmung seinerWicklungen bestimmt, deren Endtemperatur ab Leistungen von einigen kW erst nach ei-nigen Stunden Betriebszeit erreicht ist. Besteht die Belastung des Motors dagegen nurkurzzeitig oder wechselt sie periodisch, so können häufig mit der Wahl einer kleinerenBaugröße Kosten gespart werden.

In EN 60034-1 bzw. VDE 0530, Teil 1 werden nun mit den Betriebsarten S1 bis S10typische Betriebsweisen der Praxis definiert, denen die Motorenhersteller die jeweils zu-lässige Leistung zuordnen können. Auf diese Weise ist für jede Anwendung die richtigeMotorauswahl leicht möglich.

Dauerbetrieb S1 ist der Betrieb der Maschine mit konstanter Belastung, dessen Dauerausreicht, um den thermischen Beharrungszustand zu erreichen.

Kurzzeitbetrieb S2 liegt vor, wenn der Betrieb mit konstantem Belastungszustand sokurz ist (empfohlen werden die Werte 10, 30, 60 und 90 min), dass der thermische Be-harrungszustand nicht erreicht wird. In der sich anschließenden Pause, während der dieMaschine nicht unter Spannung steht, kühlt sie sich auf die Temperatur des Kühlmittelsab. Beispiel S2-60 min.

Aussetzbetrieb ist ein Betrieb, der sich aus einer dauernden Folge von gleichartigen Spie-len zusammensetzt. Jedes dieser Spiele umfasst:– bei S3 eine Zeit mit konstanter Belastung und eine Stillstandszeit (die Erwärmung

beim Anlauf kann unberücksichtigt bleiben)– bei S4 eine Anlaufzeit, eine Zeit mit konstanter Belastung und eine Stillstandszeit

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5.1 Standardisierung und Normvorschriften 379

– bei S5 eine Anlaufzeit, eine Zeit mit konstanter Belastung, eine Bremszeit (mit elek-trischem Bremsen) und eine Stillstandszeit.

Diese Zeiten genügen nicht, um den thermischen Beharrungszustand innerhalb einesSpiels zu erreichen.Allgemein gilt für die Spielzeit

Spielzeit tS D Anlaufzeit tA C Belastungszeit tB C Bremszeit tBr C Stillstandszeit tSt

und für die relative Einschaltdauer

100tA C tB C tBr

tS%

Bei S3 beträgt die Spieldauer, falls nicht anders vereinbart, 10 min; für die relativeEinschaltdauer werden die Werte 15, 25, 40 und 60 % empfohlen, also zum BeispielS3 D 45 min (25 %).

Durchlaufbetrieb mit Aussetzbelastung S6 liegt vor, wenn das Spiel eine Zeit mit kon-stanter Belastung und eine Leerlaufzeit umfasst.

Die übrigen Betriebsarten S7 bis S10 erfassen Belastungen mit teils nichtperiodischenLast- und Drehzahländerungen.

5.1.2.2 LeistungsschildJede elektrische Maschine muss an ihrem Gehäuse ein Leistungsschild tragen, das in biszu 23 Feldern Angaben über alle wichtigen Betriebsgrößen enthält. Besonders von Be-deutung ist neben der Betriebsspannung die Bemessungsleistung, welche die Maschinean der Welle abgeben kann, ohne die zulässige Erwärmung zu überschreiten. Für alle üb-rigen Betriebswerte wie Drehzahl, Leistungsfaktor oder Ströme gelten nach EN 60034-1,VDE 0530 Toleranzen. Der Wirkungsgrad wird grundsätzlich nicht auf dem Leistungs-schild angegebenen, er muss aus den dort eingetragen Werten berechnet werden.

Beispiel 5.1

Auf einem Elektromotor ist das Leistungsschild in Abb. 5.4 angebracht. Es sind dieAngaben zu erläutern und der Wirkungsgrad bei Volllast zu bestimmen.

Es handelt sich um einen Drehstrom-Asynchronmotor mit Schleifringläufer miteiner Achshöhe von 132 mm entsprechend Abb. 5.1. Bei Anschluss an das 400 V-Drehstromnetz ist für die Ständerwicklung eine Sternschaltung erforderlich. ImDauerbetrieb S1 kann der Motor ohne die zulässige Erwärmung der Wärmeklas-se B zu überschreiten, an der Welle die Bemessungsleistung von 4 kW abgeben. Dabeifließt in der Zuleitung der Strangstrorn von 8,7 A und es besteht Rechtslauf mit einerDrehzahl von 1425 min�1. Die Phasenverschiebung zwischen der Strangspannung von230 V und dem Strom ergibt einen Leistungsfaktor cos ' D 0,81.

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380 5 Elektrische Antriebe und Steuerungen

Abb. 5.4 Leistungsschildeines Drehstrommotors

Die Läuferwicklung ist im Stern geschaltet, sie führt bei 4 kW Abgabeleistung einenStrom von 14 A und besitzt zwischen den Schleifringen im Stillstand eine Spannungvon 165 V. Hinsichtlich Fremdkörper- und Wasserschutz gelten die Angaben zu IP44.

Bei größeren Maschinen wird noch das Gewicht in t angegeben und im untersten Feldevtl. das Trägheitsmoment und/oder die Luftmenge in m3=s bei Fremdkühlung.

Aus den Angaben des Leistungsschildes erhält man die

Aufnahmeleistung P1 D p3 UNIN cos ' D p

3 � 400 V � 8;7 A � 0;81 D 4882 W

Abgabeleistung P2 D 4000 W

Damit wird der Wirkungsgrad

� D P2=P1 D 4882 W=4000 W D 0;819 D 81;9 %

5.1.2.3 Prüfung elektrischer MaschinenWill sich der Anwender einer elektrischen Maschine davon überzeugen, dass die Leis-tungsschilddaten stimmen, so kann dies nur über einen mehrstündigen Belastungsversucherfolgen. In der Regel ist dabei das Hauptinteresse, ob die angegebene Bemessungsleis-tung ohne Überschreiten der zulässigen Erwärmung abgegeben werden kann. Gelegentlichwill man auch den Wirkungsgrad oder Leistungsfaktor überprüfen.

Für den Belastungsversuch muss der Elektromotor mit einer Bremseinheit wieWirbelstrom- oder hydraulische Bremse, Gleich- oder Drehstromgenerator gleicher Leis-tung gekuppelt werden. Die vom Prüfling abgegebene Energie wird entweder wie beiBremsen in Wärme umgesetzt (Wasserkühlung) oder kann im Generatorbetrieb an dasNetz zurückgegeben werden (Nutzbremsung). Die Motorleistung lässt sich aus Dreh-moment und Drehzahl, die beide nach den in Abschn. 3.4.1 beschriebenen Verfahrengemessen werden können, leicht berechnen.

Bei Maschinen großer Leistung stehen Belastungseinheiten für einen Prüfbetrieb nichtzur Verfügung, so dass z. B. auf die direkte Überprüfung des Wirkungsgrades verzichtet

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5.1 Standardisierung und Normvorschriften 381

werden muss. Man wählt hier auch aus Gründen der besseren Genauigkeit (� D 0,95 be-deutet, dass sich die max. 0,2 % genau bestimmten Leistungen P1 und P2, nur um ca. 5 %unterscheiden) das sogenannte Einzelverlustverfahren, in dem nach den Bestimmungenin EN 60034-2, VDE 0530 T2 alle Einzelverluste errechnet oder im Leerlauf gemessenwerden. Über die Addition zu den Gesamtverlusten Pv und P1 D P2 C Pv lässt sich dannder Wirkungsgrad ausrechnen.

Beispiel 5.2

An einem Drehstrom-Normmotor (Asynchronmotor mit Kurzschlussläufer) mit denLeistungsschildangaben 55 kW 980=min 400 V 50 Hz � 99,7 A cos ' D 0,86 wurden 6Belastungspunkte zwischen Leerlauf (M D 0) und 25 % Überlast (M D 1,25 MN/

eingestellt und die Größen n , I , P1 nach Tab. 5.5 gemessen.

Man ergänze rechnerisch die Tabelle um P2, � und cos ' und zeichne die Größen n, I ,�, cos ' D f .M / maßstäblich auf (Abb. 5.6).

Tab. 5.5 Messwerte und Auswertung zu Beispiel 5.2

M=N m 0 194 268 402 536 670

n=min�1 999 995 991 986 980 972

I=A 33,2 48,5 55,7 70,5 99,7 117,2

P1=kW 2,3 16,8 31,1 45,3 59,4 74,5

P2=kW 0 14,0 27,8 41,5 55,0 68,2

�=% 0 83 89,4 91,6 92,6 91,5

cos ' 0,10 0,50 0,72 0,85 0,86 0,84

Abb. 5.6 Betriebskennlini-en des Asynchronmotors inBeispiel 5.2

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382 5 Elektrische Antriebe und Steuerungen

Bei Volllast ist

MN D 55 000 � 60

2� � 980N m D 536 N mI P1N D p

3 � 400 V � 99;7 A � 0;86 D 59;4 kWI� D 55=59;4 D 92;6 %I SN D p

3 � 400 V � 99;7 A D 69;1 kVAIQN D

p69;12 � 59;42 kvar D 35;3 kvar:

5.2 Planung und Berechnung von Antrieben

5.2.1 Stationärer Betrieb

5.2.1.1 Momentengleichung des elektrischen AntriebsJeder aus Elektromotor EM und Arbeitsmaschine AM bestehende elektrische Antriebkann schematisch nach Abb. 5.7 dargestellt werden.

An der Motorwelle sind im Allgemeinen drei Drehmomente wirksam:

1. Motormoment M des Elektromotors, in der für den Antrieb gewünschten Drehrich-tung wirkend.

2. Lastmoment ML der Antriebsmaschine, umgerechnet auf die Motorwelle, das demMotormoment entgegenwirkt. Das Lastmoment schließt die zwischen Motorwelle undArbeitsmaschine in Getrieben, Kupplungen usw. auftretenden Verlustmomente mitein.

3. Beschleunigungsmoment MB, das die gesamte Schwungmasse J des Antriebs be-schleunigt oder verzögert. Der Wert J enthält die Schwungmasse des Motors und dieauf die Motorwelle umgerechneten Schwungmassen der übrigen drehend oder gerad-linig bewegten Teile des Antriebs.

Nach den Gesetzen der Mechanik gilt in jedem Augenblick für die Drehbewegung dieMomentengleichung

MB D M � ML D Jd!

dtD 2�J

dn

dt(5.1)

Abb. 5.7 Aufbau eineselektrischen Antriebs (sche-matisch)

Page 9: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Elektrische Antriebe und Steuerungen

5.2 Planung und Berechnung von Antrieben 383

Abb. 5.8 Lüfterantrieb (a)und zugehörige Betriebs-kennlinien (b) von Motor undLüfter

Darin sind J das auf die Motorwelle umgerechnete Trägheitsmoment aller bewegten Teile,! D 2�n die Winkelgeschwindigkeit und n die Drehzahl der Motorwelle.

Mit Gl. 5.1 lassen sich alle Bewegungsvorgänge elektrischer Antriebe erfassen. Ist z. B.die Motordrehzahl n konstant, dann ist dn=dt D 0 und somit im stationären Zustand

M D ML

An einer typischen Antriebsaufgabe soll der durch Gl. 5.1 beschriebene Zusammenhangzwischen den drei Drehmomenten erläutert werden.

Beispiel eines einfachen Antriebs. Ein Lüfter L wird von einem Asynchronmotor mitKurzschlussläufer direkt angetrieben (Abb. 5.8a). Der Motor M wird mit Hilfe eines Hand-schalters S über Sicherungen Si direkt an das Netz geschaltet. Das Motormoment M hat inAbhängigkeit von der Motordrehzahl n nach Abschn. 4.3.2.1 beim direkten Einschaltenden in Abb. 5.8b gezeigten Verlauf (normale Betriebskennlinie). Das Lastmoment ML desLüfters setzt sich aus einem kleinen, etwa drehzahlunabhängigen LagerreibungsmomentMa und dem etwa quadratisch mit der Lüfterdrehzahl anwachsenden Luftreibungsmomentzusammen. Das im Stillstand vorhandene Losreißmoment Mb (in Abb. 5.8b gestrichelt)kann u. U. erheblich größer als Ma sein.

Verhalten beim Anlaufvorgang. Damit der Antrieb hochläuft, muss das Motormo-ment M größer als das Lastmoment ML sein. Die Differenz beider Momente ist nachGl. 5.1 das Beschleunigungsmoment MB. Es beschleunigt beim Hochlaufen die Schwung-massen von Motor und Lüfter.

Der Anlaufvorgang n D f .t/ kann nach Gl. 5.1 berechnet werden, wenn die Gleichun-gen der Betriebskennlinien M D f .n/ und ML D f .n/ als mathematische Funktionenvorliegen. Da dies nur sehr selten der Fall ist, wird der Anlaufvorgang n D f .t/ und dieAnlaufzeit meist durch ein grafisches Verfahren ermittelt.

Verhalten im stationären Betrieb. Übersteigt die Motordrehzahl während des Anlaufsdie beim Kippmoment vorhandene Drehzahl, so sinkt das Beschleunigungsmoment bei

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384 5 Elektrische Antriebe und Steuerungen

weiterer Drehzahlerhöhung stark ab und wird schließlich beim Schnittpunkt der beidenKennlinien (Abb. 5.8b) Null, so dass gilt:

MB D 0 M D ML n D nb

Die sich im stationären Betrieb einstellende Betriebsdrehzahl nb liegt damit fest.Dieser Betriebspunkt ist hier stabil, da bei geringer Überschreitung der Betriebsdreh-

zahl nb, das Lastmoment überwiegt (ML > M /, bei geringer Unterschreitung dagegen dasMotormoment (M > ML/, so dass in beiden Fällen der Antrieb wieder der Betriebsdreh-zahl nb zustrebt. Bei einem labilen Gleichgewichtszustand wird die Drehzahlabweichungimmer größer, so dass der Antrieb entweder zum Stillstand kommt oder weiter hochläuft.

Verhalten beim Auslaufvorgang. Wird der Motor abgeschaltet, so wird M D 0; nachGl. 5.1 ergibt sich der Auslaufvorgang n D f .t/ aus

MB D �ML D 2�J dnldt

Das bremsende Lastmoment verzögert den Antrieb bis zum Stillstand. Auch dieser Aus-laufvorgang n D f .t/ und die sich ergebende Auslaufzeit können selten rechnerisch,immer aber grafisch ermittelt werden.

Für die Berechnung des stationären Zustandes wie auch der Anlauf- und Auslauf-vorgänge müssen die Betriebskennlinien der Elektromotoren und der Arbeitsmaschinenbekannt sein. Hierauf wird deshalb in weiteren Abschnitten näher eingegangen.

Motorgröße. Ist der Lüfter (Abb. 5.8) nach dem Hochlauf längere Zeit in Betrieb (Dauer-betrieb), dann darf mit Rücksicht auf die Erwärmung des Motors das bei der Betriebsdreh-zahl nb vorhandene Motormoment höchstens gleich dem Bemessungsmoment MN desMotors sein. Dies bedeutet, dass die Bemessungsleistung des Motors mindestens gleichder bei der Betriebsdrehzahl auftretenden Lüfterleistung sein muss.

Diese Forderungen sind erfüllt, wenn die Betriebsdrehzahl nb im Bereich zwischen derDrehzahl nN und der synchronen Drehzahl ns liegt. Ist die Bemessungsleistung des Mo-tors wesentlich größer als die Ventilatorleistung im stationären Betrieb, so ist der Motorzu groß gewählt und wird nicht ausgenutzt. Umgekehrt ist ein zu klein gewählter Motorunbrauchbar, da er im Dauerbetrieb thermisch überlastet wäre und frühzeitig selbsttätigabgeschaltet werden müsste.

5.2.1.2 Betriebskennlinien von ElektromotorenDie normalen Betriebskennlinien n D f .M / der wichtigsten Elektromotoren, die den Zu-sammenhang von Motordrehzahl und Motormoment in der normalen Betriebsschaltung,also ohne Hilfsmittel zur Drehzahlsteuerung, bei konstanter Netzspannung und Netzfre-quenz beschreiben, sind in Abschn. 4 behandelt. Dort sind auch die Möglichkeiten zurDrehzahlsteuerung dieser Motoren besprochen und die Hilfsmittel angegeben, mit denen

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5.2 Planung und Berechnung von Antrieben 385

Abb. 5.9 Normale Betriebs-kennlinien von Elektromotoren

durch Änderung der normalen Betriebsschaltung die Betriebskennlinien verändert werdenkönnen. Das aus den normalen Betriebskennlinien erkennbare Drehzahlverhalten und dieDrehzahlsteuerung der Elektromotoren sind für die Planung von elektrischen Antriebenvon grundlegender Bedeutung.

Drehzahlverhalten. Nach dem Drehzahlverhalten unterscheidet man die folgenden dreiwichtigen Kennlinienarten (Abb. 5.9):

1. Synchronkennlinie oder starre Kennlinie von Motoren mit belastungsunabhängigerDrehzahl. Die Motordrehzahl ist unabhängig von der Belastung konstant. Zu diesenMotoren sind die Drehstrom- und Wechselstrom-Synchronmotoren an einem Netz mitkonstanter Frequenz zu zählen.

2. Nebenschlusskennlinie oder harte Kennlinie von Motoren mit nahezu belastungs-unabhängiger Drehzahl. Die Drehzahl dieser Motoren ändert sich also nur wenigmit der Belastung. Sie sinkt zwischen Leerlauf und Volllast, je nach ihrer Größe,bei Drehstrom-Asynchronmotoren und Drehstrom-Nebenschlussmotoren um et-wa 2 bis 8 %, bei Gleichstrom-Nebenschlussmotoren um etwa 3 bis 15 % und beiGleichstrom-Doppelschlussmotoren, sowie Induktionsmotoren für Wechselstrom umetwa 10 bis 25 % ab.

3. Reihenschlusskennlinie oder weiche Kennlinie von Motoren mit stark belastungsab-hängiger Drehzahl. Die Drehzahl dieser Motoren fällt rasch mit wachsender Belas-tung, bei Entlastung steigt sie entsprechend an. Vollkommene Entlastung (Gefahr desDurchgehens) muss u. U. verhütet werden. Zu dieser Gruppe gehören Gleichstrom-,Wechselstrom-, Drehstrom-Reihenschlussmotoren, kurz alle Motoren, deren Drehzahlsich zwischen Volllast und Leerlauf um mehr als 25 % ändert.

Drehzahlsteuerung. Nach der Möglichkeit der Drehzahlsteuerung unterscheidet man diedrei folgenden Arten von Motoren:

1. Motoren ohne Drehzahlsteuerung. Die normale Betriebskennlinie der Motoren kannnicht verändert werden wie bei den Synchronmotoren und den normalen Dreh-

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386 5 Elektrische Antriebe und Steuerungen

strom-Asynchronmotoren mit Kurzschlussläufer bei Betrieb an einer festen Netz-spannung.

2. Motoren mit mehreren Drehzahlstufen können mit einigen bestimmten Drehzahlenlaufen, hauptsächlich die polumschaltbaren Drehstrom-Asynchronmotoren.

3. Motoren mit stufenloser Drehzahlsteuerung. Die Drehzahl dieser Motoren kann in-nerhalb eines gewissen Bereiches stufenlos gesteuert werden. Durch die Leistungs-elektronik trifft dies inzwischen für alle Maschinenarten zu. Bei Gleichstrommotorenwerden dazu meist Gleichrichter mit Anschnittsteuerung und für Drehstrommotorendie Frequenzumrichter eingesetzt.

5.2.1.3 Betriebskennlinien von ArbeitsmaschinenDie Betriebskennlinien der Vielzahl von Arbeitsmaschinen, die heute in Industrie, Ge-werbe und Haushalt von Elektromotoren angetrieben werden, lassen sich kaum systema-tisch darstellen. Erschwerend kommt hinzu, dass sich bei den meisten Arbeitsmaschinenu. U. mehrere Betriebsgrößen ändern können, so dass sich für ein- und dieselbe Arbeits-maschine mehrere Betriebskennlinien ergeben. An zwei Beispielen der Bearbeitung vonWerkstücken auf abspanenden Werkzeugmaschinen (Drehmaschinen, Fräs-, Bohr- undSchleifmaschinen) soll dies näher erläutert werden.

Drehmaschine. An der Schneide des Werkzeugs (Abb. 5.10a) einer abspanenden Werk-zeugmaschine, z. B. einer Drehmaschine, ist eine Schnittkraft F erforderlich, die vomWerkstoff des Werkstückes abhängt und dem Spanquerschnitt A aus Schnitttiefe � Vor-schub etwa proportional ist. Um bei einer minimalen Abnutzung des Werkzeugs eineoptimale Güte der Werkstückoberfläche zu erhalten, müssen Schneide und Werkstück miteiner bestimmten Schnittgeschwindigkeit v gegeneinander bewegt werden. Diese güns-tigste Schnittgeschwindigkeit hängt vom Werkstoff des Werkstücks und des Werkzeugsab. Die erforderliche mechanische Leistung der Spindel ist somit PL D F � v.

Greift die Schnittkraft F im Abstand r von der Drehachse an, so ist das erforderlicheDrehmoment an der Spindel ML D F r . Aus v D r! D 2�rnL ergibt sich die DrehzahlnL D v=.2�r/ der Spindel. Die für den Antrieb maßgebenden mechanischen GrößenPL, ML und nL werden also durch den Werkstoff von Werkstück und Werkzeug, durchSpanquerschnitt A und Drehradius r bestimmt.

Soll für eine Kombination von Werkstück- und Werkzeugmaterial bei fester Schnitt-geschwindigkeit v ein bestimmter Spanquerschnitt A mit veränderlichem Drehradius r

abgespant werden, so ist der Verlauf dieser Größen in Abhängigkeit von der Drehzahl nL

der Spindel gegeben (Abb. 5.10b). Da in diesem Fall F und v konstant sind, ist LeistungPL D F � v D konst., Drehmoment ML D PL=! � 1=nL � r und Drehzahl nL � 1=r .

Größter und kleinster Drehradius bestimmen untere und obere Drehzahl der Spindelund damit den für diesen Zweck erforderlichen Drehzahlsteuerbereich der Drehmaschi-ne. Entsprechend ergibt sich aus Abb. 5.10b der erforderliche Drehmomentbereich, dieerforderliche Leistung bleibt konstant. Infolge Reibung in den verschiedenen Stufen einesmeist zwischen Motor und Spindel vorhandenen Getriebes muss besonders bei kleinen

Page 13: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Elektrische Antriebe und Steuerungen

5.2 Planung und Berechnung von Antrieben 387

Abb. 5.10 a Abspanungs-vorgang beim Drehen,b Betriebskennlinien einerDrehmaschine

Abb. 5.11 Abspanungsvor-gang beim Hobeln

Drehmaschinen noch ein Reibungsmoment berücksichtigt werden, so dass sich der Leis-tungsbedarf mit steigender Drehzahl tatsächlich etwas erhöht.

Hobelmaschine. Andere Verhältnisse ergeben sich, wenn der Span bei geradliniger Be-wegung des Werkstückes oder des Werkzeugs (Abb. 5.11) abgenommen wird, wie es z. B.bei Hobel- und Stoßmaschinen der Fall ist. Es gilt zwar für Schnittkraft F und Schnitt-geschwindigkeit v während des Arbeitshubes dasselbe wie bei der Drehmaschine, so dassdie erforderliche mechanische Leistung PL D F � v wie beim Drehen vom Werkstoff desWerkstücks und des Werkzeugs sowie vom Spanquerschnitt abhängig ist. Da aber die ander Zahnstange wirkende Schnittkraft F stets an derselben Stelle im Abstand r (Radiusdes antreibenden Zahnrades) angreift, sind das Drehmoment ML D F r und die DrehzahlnL D v=.2�r/ nur noch von je zwei Größen abhängig. Zwei Fälle sind zu unterscheiden:

a) Soll wieder für eine bestimmte Kombination von Werkstück- und Werkzeugmateri-al, also bei fester Schnittgeschwindigkeit v ein bestimmter Querschnitt A abgespantwerden, so sind sowohl F als auch v konstant, damit ebenfalls PL, ML und nL.

b) Wird andererseits auf einer Hobelmaschine von einem Werkstück ein konstanter Quer-schnitt bei veränderlicher Schnittgeschwindigkeit v abgespant, so ist F D konst., undes werdenLeistung PL D F � v � nL, Drehmoment ML D Fr D konst., Drehzahl nL � v.

Nach Abb. 5.12 bestimmen minimale und maximale Schnittgeschwindigkeit den Dreh-zahlsteuerbereich und damit auch die Leistung, da das Lastmoment konstant ist.

Auch die Antriebe für den Vorschub von Werkzeugmaschinen bei drehender Schnitt-bewegung benötigen etwa konstantes Lastmoment und damit linear mit der Drehzahlansteigende Leistung. Das Lastmoment muss hier im Wesentlichen für die Reibung vonSpindel und Schlitten aufgewendet werden.

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388 5 Elektrische Antriebe und Steuerungen

Abb. 5.12 Betriebskennlinieneiner Hobelmaschine

Kennlinientypen von Arbeitsmaschinen. Nach den beiden Beispielen aus dem Werk-zeugmaschinenbau sollen nun noch weitere charakteristische Betriebskennlinien von Ar-beitsmaschinen besprochen werden. Da die Berechnung dieser Kennlinien meist unsicherist, stützt man sich in vielen Fällen auf Erfahrungskennlinien, die aus Messungen an ähn-lichen, bereits ausgeführten Antrieben stammen. Kennt man nämlich den grundsätzlichenVerlauf einer Betriebskennlinie und einige Betriebspunkte, so ist dies für die Berechnungund Planung oft ausreichend.

1. Drehzahlunabhängige BetriebskennlinienBei reiner Hub-, Reibungs- und Formänderungsarbeit ist das Lastmoment von derDrehzahl weitgehend unabhängig, die Leistung steigt proportional der Drehzahl an:Kennlinien 1 in Abb. 5.13

ML D konst. PL � nL

Beispiele: Fördermaschinen (Förderbänder und Fließbänder) bei geringer Förderge-schwindigkeit und konstanter Fördermenge; Hebezeuge (Aufzüge, Krane, Winden)bei konstanter Last; Kolbenpumpen und -verdichter bei Förderung gegen konstantenDruck (mittleres Moment); Lager, Getriebe und dgl.; abspanende Werkzeugmaschinenmit annähernd geradliniger Schnittbewegung (z. B. Hobelmaschinen bei konstantemSpanquerschnitt und beliebiger Schnittgeschwindigkeit oder – bei drehender Schnitt-bewegung – Langdrehmaschinen bei konstantem Spanquerschnitt und etwa gleichblei-bendem Drehdurchmesser); Vorschubantriebe bei drehender Schnittbewegung.

2. Drehzahlabhängige Betriebskennlinien

a) Bei Überwindung von Luft- oder Flüssigkeitswiderständen steigt das Lastmomentmit der 2. Potenz, die Leistung mit der 3. Potenz der Drehzahl bzw. Geschwindig-keit an: Kennlinien 2a1 in Abb. 5.13

ML � n2L; PL � n3

L

Beispiele: Lüfter, Gebläse, Rauchgasabsauger, Propeller; Zentrifugen, Rührwerke;Kreiselpumpen und -kompressoren, Schiffschrauben, Luftwiderstand von Fahrzeu-gen, Bahnen, Förderanlagen bei hohen Geschwindigkeiten. Meist kommt bei die-

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5.2 Planung und Berechnung von Antrieben 389

Abb. 5.13 a Drehmoment-kennlinien ML D f .nL/,b LeistungskennlinienPL D f .nL/ von Arbeits-maschinen

sen Arbeitsmaschinen noch ein drehzahlunabhängiges, durch Reibung verursachtesLastmoment ML0 hinzu, so dass sich die Betriebskennlinien 2a2 ergeben.

b) Das Lastmoment ist umgekehrt proportional der Drehzahl, die Leistung damit kon-stant: Kennlinien 2b in Abb. 5.13

ML � 1

nL; PL D konst.

Beispiele: Plandrehmaschinen bei konstantem Spanquerschnitt und sich ändern-dem Drehradius, Aufwickelmaschinen, Papierumrollmaschinen und dgl., bei denenMaterialgeschwindigkeit und Materialzug beim Auf- und Abwickeln konstant zuhalten sind.

3. Wegabhängige Betriebskennlinien

ML D f .s/

Beispiele: Bei Bahnen, Fahrzeugen, Schrägaufzügen und dgl. treten von der Fahrstre-cke s abhängige, durch das Streckenprofil bedingte Steigungs- und Krümmungswider-stände auf.

4. Winkelabhängige BetriebskennlinienDas Lastmoment ML von einigen Maschinen, z. B. von Kolbenarbeitsmaschinen, istvon der Stellung des Kolbens im Zylinder und damit vom Kurbelwinkel ˛ abhängig

ML D f .˛/

Das Lastmoment ändert sich periodisch um ein mittleres Moment. Der periodischsich ändernde Anteil verursacht periodische Änderungen der mechanischen und elek-trischen Größen des Antriebs.Beispiele: Winkelabhängige Betriebskennlinien treten z. B. bei Kolbenpumpen, Kur-belpressen, Metallscheren und Schmiedemaschinen auf.

5. Zeitabhängige Betriebskennlinien

ML D f .t/

Page 16: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Elektrische Antriebe und Steuerungen

390 5 Elektrische Antriebe und Steuerungen

Abb. 5.14 Zeitabhängige Be-lastungskennlinie ML D f .t/

Bei vielen Arbeitsprozessen liegt der zeitliche Ablauf und damit die zeitabhängige Be-lastung der Arbeitsmaschine fest. Dies gilt ebenso bei selbsttätigem (automatischem)Ablauf und angenähert auch, wenn ein bestimmter Arbeitsplan mit einer Arbeits-maschine, z. B. einer Drehmaschine oder einer Stanzmaschine (Abb. 5.14) manuelldurchgeführt wird.Beispiele: Bei vielen technologischen Arbeiten, z. B. beim Walzen eines Blockes aufeiner Walzenstraße, ist die zeitabhängige Belastung, die innerhalb der Spieldauer nacheinem Stichplan auftritt, bekannt. Es kommen aber auch Antriebe vor, z. B. für Stein-brecher, Kugelmühlen und dgl., bei denen sich die Belastung zufällig ändert, so dasskeine Gesetzmäßigkeit der Belastung von der Zeit, der Drehzahl usw. mehr gegebenist. In solchen Fällen können nur experimentelle Untersuchungen oder Erfahrungswer-te weiterhelfen.

5.2.1.4 Schwungmassen vonMotor und ArbeitsmaschineUmrechnung des Lastmoments auf die Motorwelle. Meist sind zwischen Motorund Arbeitsmaschine – vielfach auch innerhalb der Arbeitsmaschine selbst – Riemen-,Reibrad- oder Zahnradgetriebe und damit Übersetzungen vorhanden. Liegt das Lastmo-ment M

0

L bei der Drehzahl nL der Arbeitsmaschine vor, so ist das auf die Motordrehzahln umgerechnete, in Gl. 5.1 einzusetzende Lastmoment ML

ML D M0

LnL

n(5.2)

Umrechnung von Schwungmassen auf die Motorwelle. Um das dynamische Verhaltendes Antriebs beim Übergang von einem stationären Betriebszustand zum anderen be-rechnen zu können, z. B. beim Anlaufen, Stillsetzen, Bremsen, bei Drehrichtungs- undBelastungsänderungen, müssen die Schwungmassen aller bewegten Teile der Arbeitsma-schine auf die Motordrehzahl umgerechnet werden. Hierbei sind sowohl die rotierendenals auch die geradlinig bewegten Massen (z. B. in Förderanlagen, Hebezeugen, Hobelma-schinen) zu berücksichtigen.

1. Umrechnung rotierender SchwungmassenDas axiale Trägheitsmoment einer Schwungmasse ist

J D s r2 dm (5.3a)

Page 17: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Elektrische Antriebe und Steuerungen

5.2 Planung und Berechnung von Antrieben 391

wobei r der Abstand eines Massenteilchens dm von der Drehachse ist. Denkt mansich die gesamte Masse m des rotierenden Körpers in einem Punkt mit dem Abstandr0 (Trägheitsradius) von der Drehachse vereinigt, dann erhält man aus Gl. 5.3a

J D m r20 : (5.3b)

Mit dem Trägheitsdurchmesser D D 2r0 und m D G=g wird hieraus

J D GD2=4g : (5.3c)

Wenn in der Praxis noch das Schwungmoment GD2 einer Schwungmasse angegebenwird, rechnet man nach Gl. 5.3c sofort auf das Trägheitsmoment J um.Bewegen sich bei einer Motordrehzahl n in einer Arbeitsmaschine Schwungmassen,deren Trägheitsmomente J1; J2; J3 : : : bekannt sind, infolge vorhandener Übersetzun-gen mit den Drehzahlen n1; n2; n3 : : : , so ist das auf die Motordrehzahl n umgerech-nete Trägheitsmoment J , das man in Gl. 5.1 einzusetzen hat

J D J0 C J1

�n1

n

�2 C J2

�n2

n

�2 C J3

�n3

n

�2 C : : : (5.4)

Hierin ist J0 das Trägheitsmoment aller mit der Motordrehzahl n umlaufendenSchwungmassen einschließlich des Motorläufers (JMot/. Die einzelnen Trägheits-momente werden also mit dem Quadrat der für sie geltenden Übersetzungen auf dieMotorwelle umgerechnet.

2. Umrechnung geradliniger bewegter MassenDie Umrechnung geradlinig bewegter Massen auf gleichwertige Schwungmassen ander Motorwelle ergibt sich aus einer Energiebetrachtung. Die Bewegungsenergie desmit der Geschwindigkeit v längs einer Bahn geradlinig bewegten Körpers mit der Mas-se mg und die Drehenergie der mit der Winkelgeschwindigkeit ! D 2�n des Motorssich drehenden Ersatzschwungmasse mit dem Trägheitsmoment Je müssen gleich sein

Je!2

2D mg v2

2:

Hieraus folgt das Trägheitsmoment der Ersatzschwungmasse

Je D mg

� v

!

�2

(5.5)

Dieses Trägheitsmoment muss gegebenenfalls mit den weiteren vorhandenen Mas-senträgheitsmomenten nach Gl. 5.4 zum Gesamtträgheitsmoment J zusammengefasstwerden.

Page 18: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Elektrische Antriebe und Steuerungen

392 5 Elektrische Antriebe und Steuerungen

Abb. 5.15 Förderanlage

Beispiel 5.3

Das gesamte Trägheitsmoment für alle bewegten Teile einer Förderanlage nachAbb. 5.15a ist zu ermitteln.

Da v D r! ist, erhält man einfach mit Gl. 5.5 als Ersatzträgheitsmoment der geradlinigbewegten Teile

Je D mgr2 D G

gr2 :

Hierin ist mg die Masse sämtlicher geradlinig bewegter Teile (Fahrkorb FK, Gegenge-wicht GG, Seil S). Das gesamte Trägheitsmoment wird dann

J D J0 C mgr2

mit J0 als dem Trägheitsmoment aller mit der Motordrehzahl n umlaufenden Teile,s. Gl. 5.4.

Umrechnung einer Drehbewegung auf geradlinige Bewegung. Für die Berechnungdes Antriebes von Fahrzeugen, Bahnen, Förderanlagen und dgl. ist der Verlauf der Be-triebskennlinien n D f .t/ des Antriebsmotors zunächst weniger wichtig als das soge-nannte Fahrdiagramm s D f .t/ das beispielsweise unmittelbar den Bewegungsvorgangdes Fahrzeugs oder des Fahrkorbs darstellt.

An die Stelle der Momentengleichung 5.1 für die Drehbewegung tritt dann die entspre-chende Kräftegleichung für geradlinige Bewegung

FB D F � FL D mdv

dt(5.6)

Hierin bedeuten F die Zugkraft des Antriebsmotors, FL die Lastkraft und FB die Be-schleunigungskraft. Im stationären Betrieb sind dv=dt D 0, d. h. v D konst. und FB D 0,dann gilt

F D FL

Ist FB ¤ 0, so muss zur Erzielung der für den Betrieb zu fordernden Geschwindigkeits-änderungen der Antrieb mit der Gesamtmasse m beschleunigt oder verzögert werden. Zur

Page 19: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Elektrische Antriebe und Steuerungen

5.2 Planung und Berechnung von Antrieben 393

Gesamtmasse m gehört die Masse mg der geradlinig mit der Geschwindigkeit v bewegtenTeile und die Ersatzmasse me der mit der Winkelgeschwindigkeit ! rotierenden Körpermit dem Trägheitsmoment J0, die sich entsprechend Gl. 5.5 ergibt

me D J0

.v=!/2(5.7)

Die in Gl. 5.6 einzusetzende Gesamtmasse m wird dann

m D mg C me (5.8)

Beispiel 5.4

Man bestimme die Lastkraft FL und die Gesamtmasse m für die Berechnung der ge-radlinigen Bewegung des Fahrkorbes aus Beispiel 5.3.

Denkt man sich in Abb. 5.15b das Seil S an der bezeichneten Stelle durchschnitten,so wirkt an der Schnittstelle die Motorkraft F D M=r in der Fahrtrichtung nachoben. Die resultierende Lastkraft FL entgegen der Fahrtrichtung nach unten ergibt sichaus der Summe des Fahrkorbgewichtes einschließlich Nutzlast und der vorhandenenReibungskräfte, aber abzüglich dem Gegengewicht und der Differenz der beiden Seil-gewichte

FL D FFK C FRbg � FGG � �FS :

In Beispiel 5.3 ist mg die Masse der geradlinig bewegten Teile. Die Ersatzmasse me derrotierenden Teile ergibt sich aus ihrem Trägheitsmoment J0 nach Gl. 5.7, da v D r!,

me D J0

r2:

Die in Gl. 5.6 einzusetzende Gesamtmasse m ergibt sich damit nach Gl. 5.8

m D mg C J0

r2:

5.2.2 Dynamik des Antriebs

Mit Hilfe der Momenten- und Kräftegleichung für

Drehbewegung, s. Gl. 5.1 MB D M � ML D J d!=dt

geradlinige Bewegung, s. Gl. 5.6 FB D F � FL D m dv=dt

Page 20: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Elektrische Antriebe und Steuerungen

394 5 Elektrische Antriebe und Steuerungen

Abb. 5.16 Anlaufzeitkon-stante �a des Antriebs undNormal-Anlaufzeit taN desElektromotors

können die dynamischen Vorgänge beim Anlauf, Bremsen, Umsteuern usw. ermittelt wer-den. Die sich ergebenden Bewegungsvorgänge n D f .i/ bzw. v D f .t/ und s D f .t/

lassen sich aus den vorstehenden Gleichungen nur in einfachen Fällen geschlossen lösen.Inzwischen stehen dafür aber für den Einsatz am PC oder Taschenrechner Programme fürdie Bearbeitung derartiger dynamischer Vorgänge zur Verfügung.

5.2.2.1 AnlaufAnlaufzeit. Während des Anlaufs eines elektrischen Antriebs, bestehend aus Elektromo-tor und Arbeitsmaschine, sei ein konstantes Beschleunigungsmoment MB angenommen,das gleich dem Bemessungsmoment des Motors ist: MB D MN. Die Momentengleichunglautet dann

MN D J d!=dt hieraus d! D MN

Jdt oder

!Z

0

d! D MN

J

tZ

0

dt :

Durch Integrieren ergibt sich ! D MN=J t oder in normierter, auf die Bemessungsdreh-zahl nN bezogenen Darstellung mit !=!N D n=nN

n

nND MN

J!Nt :

Der entsprechende Bewegungsvorgang n D f .t/ ist in Abb. 5.16 eingezeichnet (Gera-de 1). Die Drehzahl nN wird nach der Anlaufzeitkonstanten �a des Antriebs erreicht. Manerhält sie aus obiger Gleichung für t D �a, n D nN

�a D J!N

MN: (5.9)

Läuft der Motor allein ohne Arbeitsmaschine unter denselben Bedingungen (MB DMN/ bis zur Bemessungsdrehzahl nN hoch, so ist in Gl. 5.9 JMot statt J einzusetzen. DerBewegungsvorgang verläuft dann nach Abb. 5.16 (Gerade 2). Die Anlaufzeit des Motorsbis zum Erreichen der Drehzahl nN nennt man die Normalanlaufzeit taN des Motors, fürdie sich entsprechend Gl. 5.9 ergibt

taN D JMot!N

MN: (5.10)

Page 21: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Elektrische Antriebe und Steuerungen

5.2 Planung und Berechnung von Antrieben 395

Drehbewegung. Es gilt die Momentengleichung 5.1 d!=dt D MB=J . Hieraus ergibtsich

d.!=!N/

dtD MB

J !ND MB=MN

J !N=MND MB=MN

�a

oder, da !=!N D n=nN ist, wird

d.n=nN/

d.t=�a/D MB

MN: (5.11)

Für den Drehwinkel ˛ der Motorwelle gilt d˛=dt D !. Bezeichnet man den Drehwinkel,der bei konstanter Winkelgeschwindigkeit !N in der Zeit �a zurückgelegt wird, mit ˛N, sofolgt ˛N D !N�a. Somit erhält man

d.˛=˛N/

d.t=�a/D !�a

˛Noder

d.˛=˛N/

d.t=�a/D !

!ND n

nN(5.12)

Geradlinige Bewegung. Es gilt die Kräftegleichung 5.6 dv=dt D FB=m. Bezeichnetman die bei der Drehzahl nN des Motors auftretende Geschwindigkeit mit vN und diebeim Drehmoment MN des Motors auf die geradlinige Bewegung umgerechnete Motor-antriebskraft mit FN, dann gilt

d.v=vN/

dtD FB

mvND FB=FN

mvN=FN:

Ist FB D FN, so wird dv=dt D FN=m. Hieraus folgt v D FN=mt . Bezeichnet man wiederdie Zeit, in der die Masse m mit der Beschleunigungskraft FN auf die Geschwindigkeit vN

beschleunigt wird, als Anlaufzeitkonstante �a des Antriebs, so sind

vN D FN

m�a oder �a D mvN

FN: (5.13)

Aus obigen Gleichungen erhält man weiter allgemein

d.v=vN/

dtD FB=FN

�aoder

d.v=vN/

d.t=�a/D FB

FN(5.14)

Für jede Bewegung ist ds=dt D v. Bezeichnet man die Wegstrecke, die bei geradlinigerBewegung in der Zeit �a mit der konstanten Geschwindigkeit vN zurückgelegt wird, mitsN, so ist

sN D vN�a (5.15)

Somit erhält mand.s=sN/

d.t=�a/D v �a

sNoder

d.s=sN/

d.t=�a/D v

vN(5.16)

Page 22: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Elektrische Antriebe und Steuerungen

396 5 Elektrische Antriebe und Steuerungen

Beispiel 5.5

Ein Käfigläufermotor für PN D 5;5 kW; nN D 1440 min�1; MN D 36 N m hat einTrägheitsmoment von J D 0,02 kg m2.

Es ist seine Normalanlaufzeit zu bestimmen.

Aus Gl. 5.10 erhält man taN D JMot � 2� � nN

MND 0;02 � kg m2 � 2� � 24 s�1

36 � N mD 0;084 s

5.2.2.2 BremsenBeim freien Auslauf erfolgt die Stillsetzung eines Antriebs durch Abschalten des Motors.Das antreibende Moment M wird null und der Antrieb kommt lediglich durch den Einflussdes Lastmoments ML zum Stillstand. Somit gilt nach Gl. 5.1

MB D �ML D Jd!

dt

Durch mechanisches oder elektrisches Bremsen können Bremszeit und Bremsweg ver-kürzt werden. Mechanisches Bremsen bedeutet eine Vergrößerung des Lastmomentes.Beim elektrischen Bremsen muss die Grundgleichung 5.1 herangezogen werden, da dieelektrischen Maschinen ein Bremsmoment erzeugen (M < 0).

Zur Ermittlung der Bremsvorgänge, Bremszeiten und Bremswege werden bei den ver-schiedenen Bremsmethoden – sowohl bei drehender als auch bei geradliniger Bewegung –die geeigneten Verfahren aus Abschn. 5.2.2.1 ausgesucht.

Zunächst werden die üblichen Bremsmethoden mit Gleichstrom- und Drehstrommoto-ren erläutert.

Nutzbremsung bei Gleichstrommaschinen. Da Gleichstrommaschinen praktisch stetsüber Stromrichterschaltungen versorgt und gesteuert werden, führt man diese so aus, dassein Bremsbetrieb durch Rückspeisung der Bewegungsenergie in das Netz möglich ist. InAbb. 5.17 ist dafür ein sogenannter Umkehrstromrichter (s. Abschn. 4.6.1) vorgesehen,bei dem Ankerspannung UAund Ankerstrom IA beide Richtungen annehmen können.

Mit den eingetragenen Zählpfeilen für den Motorbetrieb gilt bei konstanter ErregungUq � n und für den Ankerstrom

IA D UA � Uq

RA

Während also im Motorbetrieb für positiven Ankerstrom stets UA > Uq eingestellt wer-den muss, ist im Bremsbetrieb UA < Uq erforderlich, womit sich der Ankerstrom umkehrtund Energie ins Netz rückgespeist wird. Die Ankerspannung ist laufend dem mit sin-kender Drehzahl kleineren Uq nachzuführen, so dass z. B. der Bemessungsstrom und dasBemessungsmoment zur Bremsung erhalten bleiben (Abb. 5.17b). Die Gleichstromma-schine arbeitet bei dieser Nutzbremsung im zweiten Quadranten von Abb. 5.17 und kannbis zum Stillstand gebracht werden.

Page 23: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Elektrische Antriebe und Steuerungen

5.2 Planung und Berechnung von Antrieben 397

Abb. 5.17 Stromrichtergespeister Gleichstromantrieb. a Ersatzschaltung, b Drehzahlkennlinien beiNutzbremsung

Abb. 5.18 Widerstands-bremsen beim Gleichstrom-Nebenschlussmotor.a Schaltplan, b Bremskenn-linien

Widerstandsbremsen. Ist keine Rückspeisung vorgesehen, so kann zum schnellen Still-setzen des Gleichstrommotors der Ankerkreis von der Versorgungsspannung getrennt undauf einen veränderlichen Bremswiderstand Rb geschaltet werden (Abb. 5.18a); der Erre-gerkreis bleibt unverändert. Beim Widerstandsbremsen wird aus dem Antriebsmotor alsoein fremderregter Generator. Die Stromrichtung ist umgekehrt wie bei Motorbetrieb. IstML D 0, so wird die gesamte Bewegungsenergie des Antriebs in elektrische Energie um-gewandelt und im Ankerkreis in Wärme umgesetzt.

Vor dem Bremsen sei der Motor in normaler Betriebsschaltung durch ein LastmomentML, das auch während des Bremsens vorhanden sein soll, mit der Betriebsdrehzahl nb inBetrieb (Abb. 5.18b). Durch Abschalten des Ankers vom Netz (U D 0) und Anschließendes Bremswiderstandes Rb ändert sich die Motorkennlinie von der normalen Betriebs-kennlinie, Gl. 4.14, bei UA D UAN

n

n0ND 1 � cMM=MN

in Bremskennlinien, die man aus Gl. 4.16 mit UA D 0 und Rb D Rv erhält

n

n0ND �cM

�1 C Rb

RA

�M

MN

In Abb. 5.18b sind einige Bremskennlinien für verschiedene Werte des Bremswiderstan-des Rb gezeichnet. Beim Auslauf ist das (negative) Beschleunigungsmoment MB D M �ML wirksam (M wird negativ für positive Werte von n). Mit abnehmender Drehzahl kann

Page 24: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Elektrische Antriebe und Steuerungen

398 5 Elektrische Antriebe und Steuerungen

Abb. 5.19 Gleichstrom-bremsung von Drehstrom-Käfigläufermotoren: K1Schütz für Motorbetrieb, K2Gleichstromschütz

Rb zur Erzielung eines ausreichenden Bremsmomentes stufenweise verkleinert werden.Die Bremskennlinie für Rb D 0 zeigt, dass bei Annäherung an den Stillstand das elektri-sche Bremsen nahezu wirkungslos ist.

Gleichstrombremsen bei Drehstom-Asynchronmaschinen. Zum raschen Stillsetzendes Antriebs wird die Ständerwicklung vom Drehstromnetz getrennt und an die Spannungeines Gleichrichters angeschlossen (Abb. 5.19).

Durch das mit Gleichstrom erregte, ruhende Magnetfeld wird im Läufer ein Brems-moment hervorgerufen. Die Maschine arbeitet als Generator, die kinetische Energie derbewegten Massen wird im Läufer in Wärme umgesetzt. Beim Schleifringläufermotorlassen sich durch Verstellen der an die Schleifringe angeschlossenen Bremswiderständeverschiedene Bremskennlinien einstellen (Widerstandsbremsen).

Widerstandsbremsen wird zum besonders schnellen Stillsetzen von Antrieben ange-wandt. Da das elektrische Bremsmoment aber auch hier bei Annäherung an den Stillstandklein ist, wird häufig kurz vor dem Stillstand noch eine mechanische Bremse betätigt, diemeist elektrisch gesteuert wird.

Gegenstrombremsen. Vertauscht man zwei beliebige Anschlüsse des Drehstrommotorsam Netz (Abb. 5.20a), dann ändert sich bekanntlich die Drehrichtung des Drehfeldes inder Maschine; hierdurch kommt eine momentane Bremswirkung zustande.

In Abb. 5.20b sind die normalen Bremskennlinien a und b für beide Drehrichtungendes Drehfeldes zwischen Cns und �ns eingezeichnet. Beim Gegenstrombremsen aus derBetriebsdrehzahl nb ist das (negative) Beschleunigungsmoment MB D M � ML wirk-sam. Im Stillstandspunkt muss die Maschine vom Netz (selbsttätig durch Bremswächter)getrennt werden, da sonst der Antrieb in entgegengesetzter Drehrichtung hochläuft. Ge-genstrombremsen wird vorzugsweise zum Reversieren angewendet.

Senkbremsen. Beim Schleifringläufer lassen sich durch Einschalten von verstellbarenBremswiderständen im Läuferkreis verschiedene Bremskennlinien c1 bis c3 einstellen(Abb. 5.20b). Hierdurch kann auch Senkbremsen wie bei Gleichstrommaschinen durchge-führt werden. Gehört z. B. zu einem bestimmten Bremswiderstand die Bremskennlinie c3,

Page 25: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Elektrische Antriebe und Steuerungen

5.2 Planung und Berechnung von Antrieben 399

Abb. 5.20 a Schaltplan des Schleifringläufermotors für Gegenstrom- und Senkbremsen, b Brems-kennlinien von Drehstrommotoren

so läuft der Motor aus dem Stillstand rückwärts auf die Bremsdrehzahl n0br, da das Last-

moment M 0L größer als das Stillstandsmoment Mst des Motors ist. Auf dem abfallenden

Ast der Kennlinie c1 lässt sich dagegen keine Bremswirkung erzielen.

Nutzbremsen. Bei negativem Lastmoment M 00L stellt sich auf der über ns hinaus ver-

längerten Betriebskennlinie a nach Abb. 5.20b ein Gleichgewichtszustand (M D M 00L )

bei der Bremsdrehzahl n00br ein. Die Maschine liefert ohne Schaltungsänderung als Asyn-

chrongenerator elektrische Energie ins Drehstromnetz zurück. Die Bremsdrehzahl einesSchleifringläufers kann durch Widerstände im Läuferkreis beeinflusst werden. Bei pol-umschaltbaren Motoren erzielt man Nutzbremsen durch Umschalten auf eine niedrigereDrehzahl.

Mechanische Bremsen. Mechanische Bremsen werden bei elektrischen Antrieben meistdurch einen Bremslüftermagneten betätigt, dessen Anker die Bremse bei stromdurchflos-sener Magnetspule lüftet. Damit wird erreicht, dass bei Betriebsstörungen (Ausfallen derSpannung oder Unterbrechung des Stromkreises) auf jeden Fall die Bremse in Tätigkeittritt.

Page 26: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Elektrische Antriebe und Steuerungen

400 5 Elektrische Antriebe und Steuerungen

5.2.3 Bemessung desMotors

5.2.3.1 Zulässiges MotormomentDie dynamischen Vorgänge bei Anlauf, Bremsen, Umsteuern und dgl. laufen im Betriebin verschiedener Reihenfolge ab, je nach Art und Betriebsweise des Antriebs, und ergebenden zeitlichen Verlauf der Motordrehzahl und des Motormoments.

Beispiele: Beim einfachen Lüfterantrieb (s. Abschn. 5.2.1.1) kommen Anlauf, nor-maler Betrieb mit bestimmter Betriebsdauer und freier Auslauf vor. Bei Förderanlagen,Lastaufzügen und dgl. wird nach dem Anlauf eine bestimmte Fahrstrecke mit konstanterGeschwindigkeit zurückgelegt; hieran schließt sich Auslauf mit Bremsen bis zum Still-stand an. Bei einer Stanzmaschine wechseln Belastung und Leerlauf in fast regelmäßigerFolge. Bei Antrieben mit Drehzahlsteuerung kommen zusätzlich Bewegungsvorgänge mithöheren und niedrigeren Drehzahlen hinzu.

Es erhebt sich nun die Frage, ob der zunächst für die rechnerische oder grafische Unter-suchung der dynamischen Vorgänge zugrunde gelegte Motor hinsichtlich seiner Bemes-sungsleistung P2N auch richtig gewählt wurde. Ein zu großer Motor ist unwirtschaftlich,andererseits darf der Motor weder mechanisch noch thermisch überlastet werden. Es istdemnach zu prüfen, ob das nach dem Momentenverlauf M D f .t/ auftretende maxi-male Motormoment das zulässige Motormoment nicht übersteigt und ob der Motor imHinblick auf seine Lebensdauer, die eng mit der Wärmebeständigkeit der Isolation zu-sammenhängt, im Betrieb nicht zu heiß wird. Die auftretende maximale Motortemperaturdarf die zulässige Motortemperatur nicht überschreiten.

Bei allen Gleichstrommotoren wird die kurzzeitige Überlastungsfähigkeit durch dieKommutierung, d. h. durch das Auftreten von starkem Bürstenfeuer begrenzt. Bei nor-malen Ausführungen liegt diese Grenze auch bei Überlastungen von kurzer Dauer etwabeim doppelten Bemessungsmoment. Sonderausführungen (mit Kompensationswicklun-gen) sind bis zum 3- bis 5fachen Bemessungsmoment überlastbar.

Bei Drehstrommotoren ist das zulässige Motormoment äußerstenfalls durch das Kipp-moment gegeben. Es liegt bei Asynchronmotoren mit Kurzschlussläufer, je nach Aus-führung des Läufers, und bei Schleifringläufern beim 2- bis 3fachen Bemessungsmoment.Bei normalen Synchronmotoren erreicht das Kippmoment etwa die gleichen Beträge. Kol-lektormotoren für Drehstrom und Wechselstrom sind in der Regel mit dem 1,5fachen,höchstens mit dem 2fachen Bemessungsmoment überlastbar.

5.2.3.2 Berechnung der ErwärmungDie Bemessungsleistung P2N eines Elektromotors ist die Leistung, die er entsprechendder auf dem Leistungsschild angegebenen Betriebsart ohne die zulässige Erwärmung zuüberschreiten, abgeben kann. Größere Motoren erreichen dabei die Beharrungstemperaturmeist erst nach einer Betriebsdauer von mehreren Stunden.

Die Erwärmung des Motors gegenüber seiner Umgebung (bei Fremdkühlung gegen-über der Kühlluft) wird durch die im Motor auftretenden Verluste Pv verursacht, die sichaus Kupfer-, Eisen- und Reibungsverlusten zusammensetzen. Bei Motoren mit Synchron-

Page 27: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Elektrische Antriebe und Steuerungen

5.2 Planung und Berechnung von Antrieben 401

und Nebenschlusskennlinie (s. Abschn. 5.2.1.2) können die Eisen- und Reibungsverlustekonstant angenommen werden, während die Kupferverluste vom Strom und damit von derBelastung der Motoren abhängen. Zur Ermittlung der Motorerwärmung # D f .t/ solltedaher der zeitliche Verlauf aller im Motor auftretenden Verluste Pv D f .t/ bekannt sein.

Erwärmungskurve bei konstanten Verlusten. Der Motor wird hier vereinfachend alshomogener Körper betrachtet. Wird einem solchen Körper eine konstante HeizleistungPv und damit in der Zeit dt die Wärme Pv dt zugeführt, so wird hiervon ein gewisserAnteil in dem Körper gespeichert, so dass sich seine Temperatur # um d# erhöht. Ist C

die Wärmekapazität des Körpers, so ist die gespeicherte Wärme C d# . Der Rest der zu-geführten Wärme wird in der Zeit dt an die Umgebung mit der Umgebungstemperatur#u abgegeben. Ist A die Wärmeabgabefähigkeit des Körpers, die von seiner Oberflächeund den Kühlverhältnissen abhängt, dann ist die in der Zeit dt abgegebene WärmeenergieA.# � #u/dt . Nach dem Energieprinzip ist

zugeführte Wärme D gespeicherte Wärme C abgegebene Wärme

Pv dt D C d# C A.# � #u/ dt (5.17a)

Durch Umformen erhält man die Differentialgleichung

C

A

d#

dtC # � #u D Pv

A(5.17b)

mit der allgemeinen Lösung

# D #u C Pv

AC Ke�t=�# :

Hierbei ist die Erwärmungszeitkonstante

�# D C

A: (5.18)

Zur Zeit t D 0 ist somit die Anfangstemperatur #a des Körpers

#a D #u C Pv

AC K

und somit die Integrationskonstante

K D #a � #u � Pv=A :

Weiterhin folgt für t ! 1 die Endtemperatur im stationären Erwärmungszustand.Damit ergibt sich für den gesuchten zeitlichen Verlauf der Temperatur # D f .t/

# D #e � .#e � #a/e�t=�# : (5.19)

Page 28: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Elektrische Antriebe und Steuerungen

402 5 Elektrische Antriebe und Steuerungen

Abb. 5.21 Erwärmungskurveeiner elektrischen Maschinebei konstanter Verlustleis-tung Pv

Bei konstanten Verlusten (Pv D konst.) und konstanten Kühlungsverhältnissen (A Dkonst.) verläuft die Temperatur des Körpers nach einer Exponentialkurve. In Abb. 5.21ist Gl. 5.19 für einen Erwärmungsvorgang (#a < #e/ dargestellt.

Gleichung 5.19 gilt auch für einen Abkühlungsvorgang (#a > #e/. In diesem Fallverläuft die Temperatur exponentiell von einer Anfangstemperatur #a auf die niedrigereEndtemperatur #e. Nur bei Abkühlung stillstehender, eigenbelüfteter Maschinen ist infol-ge geringerer Wärmeabgabefähigkeit A nach Gl. 5.18 die Subtangente �# dieser Kurvegrößer als beim Erwärmungsvorgang.

Erwärmungskurven bei verschiedenen Belastungen. Nimmt man im Betrieb bei ver-schiedener Belastung für Erwärmung und Abkühlung dieselbe Wärmeabgabefähigkeit A

an, was für fremdbelüftete Motoren immer und bei dem viel häufigeren Fall eigenbelüf-teter Motoren mit etwa konstanter Drehzahl zutrifft, dann verhalten sich nach Gl. 5.20die Endübertemperaturen #e � #u wie die Motorverluste Pv. Bei Bemessungsbetrieb trittdurch die Bemessungsverluste PvN die Grenztemperatur #g, somit die Grenzübertempe-ratur #g � #u des Motors auf. Es gilt dann die Proportion

#e � #u

#g � #uD Pv

PvN(5.20)

In Abb. 5.22 sind (bei #a D #u/ die Erwärmungskurven für einen Motor bei Bemessungs-last (#1/, bei Teillast (#2/ und bei Überlast (#3/ gezeichnet. Nach einer Betriebszeit von(3 bis 4) ��# erreicht die Erwärmung bei Bemessungslast etwa die Grenztemperatur #g.Bei Teillast liegt die Endtemperatur nach Gl. 5.20 tiefer, bei Überlast erreicht der Motorbereits nach einer Betriebsdauer tb die Grenztemperatur #g.

Aus wärmetechnischen Gründen kann demnach ein Motor durchaus überlastet werden,er muss aber nach Erreichen der Grenztemperatur #g sofort mindestens auf Bemessungs-last entlastet werden, damit #g nicht überschritten wird. In Abb. 5.22 stellt #4 D f .t/ denAbkühlungsvorgang auf die Umgebungstemperatur #u dar, wenn der Motor bei Erreichender Grenztemperatur #g von Hand oder selbsttätig, z. B. durch einen Motorschutzschalter(s. Abschn. 5.3.1.1), abgeschaltet wird. Hierbei ist #e D #u und #a D #g in Gl. 5.19einzusetzen.

Page 29: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Elektrische Antriebe und Steuerungen

5.2 Planung und Berechnung von Antrieben 403

Abb. 5.22 Erwärmungskurven#1, #2, #3 bei verschiedenenBelastungen; Abkühlungskur-ve #4

Tab. 5.23 Grenzübertemperaturen von Wechselstromwicklungen luftgekühlter Maschinen

Wärmeklasse A E B F H

Übertemperatur in K 60 75 80 105 125

Die Erwärmungszeitkonstante �# beträgt für Kleinstmotoren etwa 5 bis 20 min, fürMotoren zwischen 1 kW und 100 kW etwa 0,75 bis 1,5 h. Bei eigenbelüfteten Maschinenist die Abkühlungszeitkonstante bei stillstehender Maschine etwa 2 bis 4mal größer.

Die VDE-Bestimmung 0530 verlangt, dass je nach Wärmeklasse des Motors bestimm-te Grenzübertemperaturen �# D #g � #u nicht überschritten werden. Dabei darf diemaximale Kühlmitteltemperatur (Raumlufttemperatur) #u � 40 ıC betragen, anderenfallsgelten Sonderbestimmungen. Tabelle 5.23 zeigt eine Zusammenstellung der zulässigenGrenzübertemperaturen von normalen luftgekühlten Maschinen, wenn �# aus der Wi-derstandserhöhung der Wicklung berechnet wird.

Maximale Motortemperatur. Bei abschnittsweise konstanten Verlusten und den ausGl. 5.20 entsprechenden Endtemperaturen (#e1 bis #e4/ setzt sich der Temperaturverlaufaus Teilstücken von Exponentialkurven zusammen, die sich rechnerisch aus Gl. 5.19 er-geben und in Abb. 5.24 dargestellt sind. Der Motor reicht aus, wenn #max

<.D/ #g ist.

Für den Fall, dass die Spieldauer ts sehr klein gegenüber der Erwärmungszeitkonstan-ten des Motors ist (ts � �#/, braucht man den Temperaturverlauf weder rechnerisch nochgrafisch zu ermitteln. Trägt man nach Abb. 5.25 die innerhalb der Spieldauer ts auftre-tenden Motorverluste Pv, bezogen auf die bei Bemessungsleistung auftretenden VerlustePvN, also Pv=PvN D f .t/ auf und stellt die mittleren Verluste Pvm während der Spielzeitfest, so kann hieraus nach Gl. 5.20 die Endtemperatur #e, die der Motor nach beliebiglanger Betriebszeit annimmt, sofort ungefähr ermittelt werden

.#e � #u/=.#g � #u/ D PvN=PvN :

Die gewählte Motorgröße reicht in thermischer Hinsicht aus, wenn Pvm � PvN ist.Die in Abb. 5.25 zu Beginn eines jeden Lastspiels stark erhöhten Verluste können z. B.

durch einen Schweranlauf entstehen. So steigen allein die Stromwärmeverluste in denWicklungen bei IA D 5IN kurzzeitig bis auf den Wert PCu D 25 PCuN.

Page 30: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Elektrische Antriebe und Steuerungen

404 5 Elektrische Antriebe und Steuerungen

Abb. 5.24 Erwärmungs-verlauf # D f .t/ beiabschnittsweise konstantenVerlusten

Abb. 5.25 Mittlere Verlusteinnerhalb der Spieldauer ts

Wärmequellennetz. Die bisherige Betrachtung des Motors als homogenen Körper miteiner inneren Verlustleistung Pv und der Wärmeabgabefähigkeit A ist natürlich eine star-ke Vereinfachung. Für genauere Berechnungen sind die einzelnen Verlustquellen in denWicklungen, also alle Stromwärmeverluste PCu und die Eisenverluste PFe im Elektro-blech gesondert zu betrachten. Ferner ist jeweils festzustellen, über welchen Weg dieWärmeströme die Maschine verlassen. Für derartige Verfahren wird mit Vorteil die schonzur Berechnung der Erwärmung von Halbleitern eingeführte Größe des Wärmewider-standes Rth verwendet. Vergleicht man die Angaben ab Gl. 5.17a mit dem Ergebnis inAbschn. 2.1.6.1, so ergibt sich für den Wärmewiderstand die Beziehung

Rth D 1

AD 1

O � ˛(5.21)

mit der

wärmeabgebenden Oberfläche O in m2

Wärmeabgabeziffer ˛ in W=(m2 K)

Damit wird nach Gl. 5.17b die Erderwärmung #e � #u

#e � #u D �# D Pv � Rth (5.22)

welche der Gl. 2.10 entspricht.Aus der Analogie zwischen obiger Beziehung und dem ohmschen Gesetz in der Form

�U D I � R lassen sich nun die Verlustquellen und Wärmewege als vermaschtes Wi-derstandsnetz darstellen. Die Fachliteratur kennt für alle Maschinenarten die passendenWärmequellennetze, deren Berechnung zu einer Reihe gekoppelter linearer Gleichungenführt. Will man nicht nur die stationäre Erwärmung, sondern auch Übergangsvorgänge

Page 31: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Elektrische Antriebe und Steuerungen

5.2 Planung und Berechnung von Antrieben 405

Abb. 5.26 Teil eines Motor-Wärmequellennetzes:1 Ständer-Blechpaketmit Eisenverlusten PFe,2 Drehstromwicklung mitStromwärmeverlusten PCu

erfassen, so muss man durch Erweiterung des Netzwerks mit Kondensatoren C auch dieWärmekapazität der einzelnen Bauteile berücksichtigen. Abbildung 5.26 zeigt einen Teileines derartigen Wärmequellennetzes für den Ständer eines Drehstrommotors. In den Bau-teilen Ständerwicklung und Blechpaket entstehen die Verlustleistungen PCu und PFe, dieals Quellen dargestellt sind. Die Eisenverluste werden über die Verbindung zum Gehäu-semantel durch die Motoroberfläche abgegeben, was der Wärmewiderstand RthG erfasst.Die Stromwärmeverluste gehen zum Teil durch die Nutisolation in das Blechpaket überoder werden über den Wickelkopf an die Innenluft abgegeben, was die Werte RthN undRthW erklärt. Von der Innenluft nimmt die Wärme mit RthS ihren Weg nach außen über dieLagerschilde.

Beispiel 5.6

Eine Zahnradbahn wird von einem Motorwagen (12 Tonnen) und einem Anhängerwa-gen (8 Tonnen) in Bergfahrt (Steigung 10ı) mit einer Geschwindigkeit v D 12 km=hbefahren. Der Antrieb erfolgt durch zwei gleiche Gleichstrom-Reihenschlussmotorenfür 600 V.

Jeder Motor arbeitet über ein Vorgelege auf einen Treibradsatz. Für die Kupferverlustesollen 10 % angenommen werden, alle übrigen Verluste sowie die Sättigung des Eisensbleiben unberücksichtigt. Die Trägheitsmomente betragen

je Motor 7,5 kg m2 je Vorgelege 250 kg m2 je Treibradsatz 500 kg m2

Die Drehzahlübersetzungen sind bei einem Treibraddurchmesser d D 1,2 m

Motorritzel

VorgelegeD 6

1

Vorgelege

TreibzahnradD 3

1

Die Reibungswiderstände betragen insgesamt 10 % des Zuggewichtes.

a) Bei Fahrt mit konstanter Geschwindigkeit 12 km=h arbeiten die Motoren mit Voll-last. Die Bemessungsleistung der Motoren, ihr Bemessungsstrom und der Strom imFahrdraht sind zu ermitteln.Die Antriebskraft F bei konstanter Geschwindigkeit ist gleich der Lastkraft FL, diesich aus der Kraft G sin ˛ zur Überwindung der Steigung und aus der gesamten

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406 5 Elektrische Antriebe und Steuerungen

Reibungskraft (0,1 � Gesamtgewicht) zusammensetzt

FL D Œ.12 C 8/103 kg sin 10ı C 0;1 � 20 � 103 kg� � 9;81 m=s2

D .3;47 C 2/103 � 9;81 kg m s�2 D 53;6 kN

da 1 N = 1 kg m s�2 ist. Die abgegebene Leistung beider Fahrmotoren ist

P2 D FLv D 53;6 kN12:000 m

3600 sD 179 kNm s�1 D 179 kW :

Somit entfällt auf jeden Fahrmotor die Leistung PN D 179 kW=2 D 89,5 kW. DerFahrdrahtstrom beträgt also

I D P2

U�D 179 kW

600 V � 0;9D 0;332 kA D 332 A

und somit der Bemessungsstrom je Motor IN D I=2 D 332 A=2 D 166 A.b) Wie groß ist die Ersatzmasse für die rotierenden Massenteile des Motorwagens?

Das Trägheitsmoment der rotierenden Massen eines Treibradsatzes ist, bezogen aufdie Drehzahl des Treibzahnrades, nach Gln. 5.3c und 5.4

Je

2D 500 kg m2 C 250 kg m2

�3

1

�2

C 7;5 kg m2

�3 � 6

1

�2

D 5180 kg m2 D 5;18 tm2

und für beide Treibradsätze somit Je D 10,36 tm2. Die Ersatzmasse für beide Treib-radsätze ist dann

me D Je

r2D 10;36 t m2

0;62 m2D 28;8 t mit r D d=2 D 0;6 m

c) Anfahrzeit und Anfahrstrecke sind zu errechnen unter der Annahme, dass jeder Mo-tor während des Anfahrens im Mittel das 1,44fache Bemessungsmoment entwickelt.Da nach Frage a) die Motoren bei Bemessungsbetrieb eine Antriebskraft F D FL D53,6 kN entwickeln, steht für den Anfahrvorgang als gleichmäßig beschleunigte Be-wegung eine mittlere Beschleunigungskraft

FB D F � FL D 1;44FL � FL D 0;44FL D 0;44 � 53;6 kN D 23;6 kN

zur Verfügung. Die zu beschleunigenden Massen des Zuges einschließlich der Er-satzmasse betragen m D .20 C 28;8/ t D 48,8 t. Somit wird die Beschleunigung

a D FB

mD 23;6 � 103 N

48;8 � 103 kgD 0;482 m=s2 :

Page 33: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Elektrische Antriebe und Steuerungen

5.2 Planung und Berechnung von Antrieben 407

Abb. 5.27 Förderanlage:F Fahrkorb, T Treibscheibe,U Umlenkscheibe

Aus v D at ergibt sich die Anfahrzeit

t D v

aD 12:000 m � s2

3600 s � 0;482 mD 6;9 s

aus s D 1

2at2 die Anfahrstrecke

s D 0;5 � 0;482m

s2.6;9 s/2 D 11;5 m :

Beispiel 5.7

Von einer Förderanlage in einem Erzbergwerk (Abb. 5.27) mit zwei gleichen Antriebs-motoren sind bekannt:

Tiefe 820 m; Nutzlast 6,5 Tonnen; Förderung 40 Förderzüge je Stunde bzw. 260Tonnen=Stunde; Durchmesser der Treibscheibe 6,5 m; gesamtes Trägheitsmomentaller bewegten Teile, umgerechnet auf die Motorwelle, J D 697 t m2.

Die gesamte Reibung bei Fahrt kann angenähert durch eine konstante Reibungskraftvon 15 % der Nutzlast berücksichtigt werden.

Es ist das erforderliche Drehmoment der beiden Fahrmotoren für

a) eine lineare Beschleunigung mit dn=dt D 0;08 s�2

b) eine konstante Fahrgeschwindigkeit mit n D 60 min�1

zu berechnen.

Page 34: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Elektrische Antriebe und Steuerungen

408 5 Elektrische Antriebe und Steuerungen

a) Mit Gl. 5.1 ergibt sich MB D 2�J dn=dt D 2� � 697 t m2 � 0;08 s�2 D 350 kN mFür das Lastmoment gilt ML D F � r D 1;15 � 6;5 t � 9;81 m s�2 � 3;25 m D 238 kN mSomit ist das gesamte Motormoment M D ML C MB D (238 C 350) kN m D588 kN mAm Ende des Beschleunigungsvorgangs bestehen die Werte M D 588 kN m undn D 60 min�1.Dies ergibt nach Gl. 1.18 die erforderliche Leistung

P2 D 588 kWs � 2� � 1 s�1 D 3695 kW :

b) Am Ende der Beschleunigung ist MB D 0 und somit M D ML, damit wird

P2 D 238 kWs � 2� � 1 s�1 D 1495 kW :

5.3 Steuerungstechnik

Mit Steuerungen werden technische Anlagen oder Prozesse so geführt, dass sie die ge-wünschte Aufgabe erfüllen. Dazu nutzt man Stellglieder, wie Schütze, Ventile oder Strom-richter, welche in Abhängigkeit von den Signalen der Steuerung die Energiezufuhr zu derAnlage, z. B. einem Motor übernehmen. Insgesamt entsteht eine Struktur nach Abb. 5.28.

Das Kennzeichen der Steuerung ist eigentlich der offene Wirkungsablauf mit Steuerbe-fehl ! Stellglied ! Anlage ohne Rückführung des erreichten Zustandes. Bei Steuerun-gen, in denen ein weiterer Schritt erst nach Erreichen eines zuvor definierten Ereignisseszulässig, also ein bestimmter Ablauf einzuhalten ist, wird dieses Prinzip durchbrochen.Aber erst wenn diese in Abb. 5.28 gestrichelte Rückführung fortlaufend auf das StellgliedEinfluss nimmt, spricht man von einer Regelung.

In der klassischen Steuerungstechnik mit festverdrahteten Komponenten werdendie Befehle der Taster, Endschalter oder sonstiger Signalgeber leitungsgebunden ent-sprechend der gewünschten Steuerlogik über Hilfskontakte oder z. B. Zeitrelais denStellgliedern zugeführt. Die Verdrahtung legt damit die Wirkung der Eingangsbefehle aufdie Anlage eindeutig fest.

Bei speicherprogrammierbaren Steuerungen, kurz SPS, sind Eingangsbefehle undStellglieder dagegen über Anweisungen verknüpft, die man im Programm eines Pro-zessors ablegt. Es ersetzt die Verdrahtung entsprechend der Aufgabe durch logischeVerknüpfungen der Schaltalgebra. Über ein Programmiergerät können die Anweisungenjederzeit neu formuliert und damit der Anlauf der Steuerung geändert werden.

Page 35: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Elektrische Antriebe und Steuerungen

5.3 Steuerungstechnik 409

Abb. 5.28 Struktur einerSteuerung: gestrichelte LinieRückführung bei Ablaufsteue-rung

5.3.1 Schaltgeräte und Kontaktsteuerungen

5.3.1.1 Schalter, Schütze und SicherungenSchalter. Sie haben die Aufgabe, Last- oder Steuerstromkreise zu öffnen oder zu schlie-ßen. Ihre Betätigung kann von Hand, durch Motorantrieb oder wie bei einem Schütz durchMagnetkräfte erfolgen. In den Bestimmungen nach VDE 0660 sind Festlegungen, Begrif-fe und Anforderungen an alle Niederspannungs-Schaltgeräte enthalten. Die zugehörigenSymbole und Schaltzeichen als Grundlagen für Schaltpläne sind in DIN EN 60617-7zusammengestellt. Die nachstehenden Bilder zeigen zwei Beispiele, wie sie in späterenSteuerungen verwendet werden.

Abbildung 5.29a kennzeichnet einen dreipoligen Leistungsschalter mit Motorantrieb.Für Aufgaben der Steuerung sind je ein Öffner und Schließer als Hilfskontakte vorhanden.Bei Abb. 5.29b handelt es sich um ein dreipoliges Schütz mit zusätzlich je einem Öffner,Schließer und einem Wechsler mit Unterbrechung.

In Abb. 5.30 ist ein Motorschalter für Handbetrieb angegeben. Zum Schutz des Mo-tors vor unzulässiger Erwärmung enthält der Schalter eine elektrothermisch wirkendeÜberstromauslösung auf der Basis von Bimetallstreifen. Er besteht aus zwei aufeinanderliegenden Metallen stark unterschiedlicher Wärmeausdehnung und wird vom Motorstromaufgeheizt. Nimmt dieser über längere Zeit zu hohe Werte an, so krümmt sich der Streifenso stark nach einer Seite, dass er dadurch die mechanische Sperre des Schalters aufhebtund so den Stromkreis öffnet.

Die Schnellabschaltung im Falle eines Kurzschlusses hinter dem Schalter erfolgt durcheinen magnetisch wirkenden Überstromauslöser. Der in einem bestimmten Bereich ein-stellbare Strom fließt durch eine Magnetspule. Ihr Anker betätigt bei Erreichen des Ein-

Abb. 5.29 Schaltzeichen für Leistungsschalter. a dreipoliger Schalter mit Motorantrieb und Hilfs-kontakten, b dreipoliges Schütz mit Hilfskontakten

Page 36: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Elektrische Antriebe und Steuerungen

410 5 Elektrische Antriebe und Steuerungen

Abb. 5.30 a Motor-schutzschalter 400 V AC,Einstellbereich 2,5 bis 4 A(ABB), b Schaltzeichen undSchaltkurzzeichen

stellwertes ebenfalls die Schaltersperre. Um zu vermeiden, dass bei einem Netzausfallnach Wiederkehr der Spannung der Motor unkontrolliert anläuft, kann ein Unterspan-nungsauslöser angebaut werden, der ebenfalls die Sperre löst und damit den Schalteröffnet.

Schütze. Im Rahmen von Steuerungen werden für die Verbindung zwischen Netz undMotor meist sogenannte Schütze verwendet. Diese sind elektromagnetisch wirkende Leis-tungsschalter, die durch Betätigung eines fernen Tasters aktiviert werden. Dieser versorgtdie Spule des Schützmagneten mit der Betriebsspannung, wonach der Magnetanker an-zieht und damit die Kontakte schließt. Die Spule bleibt durch die Steuerschaltung auchnach dem Tasten bestromt bis mit dem Taster AUS ein Abschalten erfolgt. Im Allgemeinenübernimmt das Schütz mit Hilfe des eingebauten Bimetallrelais auch den Überlastungs-schutz, während der Kurzschlussschutz mit vorgeschalteten Schmelzsicherungen realisiertwird.

Schütze haben im Vergleich zu handbetätigten Schaltern eine hohe Lebensdauer d , dieman mit ca. 10 Millionen Ein-Ausschaltungen annehmen kann. Die mögliche Schalthäu-figkeit liegt je nach Ausführung und Leistung bei einigen hundert bis tausend Schaltungenpro Stunde. Abbildung 5.31 zeigt die Montageanweisung für ein Drehstromschütz, dasdurch seitliche Blöcke mit Öffnern und Schließern als Hilfsschalter, durch eine Klem-menabdeckung und ein Löschglied gegen Überspannungen durch Abreißen des Spulen-stromes sowie weiteres Zubehör erweitert werden kann.

Page 37: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Elektrische Antriebe und Steuerungen

5.3 Steuerungstechnik 411

Abb. 5.31 Drehstromschütz400 V AC, 145 A (ABB)Montage für Zubehör, CALHilfsschalterblöcke, LT Klem-menabdeckung, RC Löschgliedfür Spulenstrom

Elektronische Schalter. Die in Abschn. 2.1 vorgestellten Halbleiter kann man ebenfallsals Schalter einsetzen. So wird nach den Abb. 2.70 und 2.71 ein Leistungstransistor durcheinen ausreichenden Basisstrom leitend und schließt damit den Stromkreis niederohmig.Ohne Basisstrom nimmt der Kollektor-Emitterwiderstand des Transistors dagegen Wertevon einigen Megohm an, was praktisch einer Öffnung des Stromkreises gleichkommt.Die EIN/AUS-Funktion des Transistors wird damit über die Steuerung des Basisstromeserreicht.

Ebenso kann das gegenparallele Thyristorpaar in Abb. 4.83 als Wechselstromschal-ter eingesetzt werden. Für den Zustand EIN erhalten die Thyristoren im Spannungs-Nulldurchgang ihre Zündimpulse, die danach bis zum AUS-Befehl beibehalten werden.Derartige Schalter sind als elektronische Relais auf dem Markt.

Schmelzsicherungen. Sie sind „Sollbruchstellen“ in einem Stromkreis mit der Aufgabe,diesen beim Auftreten unzulässig hoher Ströme zu unterbrechen. Die Technik dazu istsehr einfach und besteht aus einem entsprechend dünnen Schmelzleiter in einem Porzel-lanmantel mit Quarzsandfüllung. Letzterer übernimmt vor allem die Lichtbogenlöschungbeim Öffnen des Stromkreises.

Niederspannungssicherungen werden als Schraubsicherungen (D-System) mit dem be-kannten Aufbau nach Abb. 5.32 und im NH-System mit Messerkontakt gefertigt. Bei denSchraubsicherungen wird durch eine Passschraube mit abgestuftem Kontaktdurchmesserim Sockel erreicht, dass kein Sicherungseinsatz mit zu hoher Ansprechstromstärke ver-wendet wird.

Page 38: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Elektrische Antriebe und Steuerungen

412 5 Elektrische Antriebe und Steuerungen

Abb. 5.32 Aufbau einer Schraubsicherungseinheit (D-System): 1 Schraubkappe, 2 Sicherungsein-satz mit Schmelzstreifen, 3, 4 Passschraube, 5 Sockel mit Abdeckung

Abb. 5.33 Mittlere Schmelz-kennlinien für Sicherungen derBetriebsklasse gL

Die Ausschaltcharakteristik und der vorgesehene Einsatzbereich gehen aus der auf derSicherung notierten Betriebsklasse hervor, die durch zwei Buchstaben definiert wird. Sobedeuten z. B. die Angaben:

gL – Ganzbereichsschutz für Kabel und LeitungengR – Ganzbereichs-HalbleiterschutzaM – Motor und Geräteschutz.

Die Abhängigkeit der Schmelzzeit t vom durchflossenen Strom I wird nach VDE 0636in einem für die Betriebsklasse typischen Diagramm t D f .I / angegeben. Es definiertfür jede Bemessungsstromstärke wie IN D 6 A, 10 A, 16 A usw. eine untere und obereGrenzkurve und damit ein Toleranzband Tor genannt, innerhalb dessen der Hersteller sei-ne Schmelzzeitkurve legen muss. Abbildung 5.33 zeigt die mittleren Schmelzkennlinienfür Schmelzsicherungen der Betriebsklasse gL.

Schmelzsicherungen sind ein ausgezeichneter Kurzschlussschutz. Die hier vorhande-nen Abschaltzeiten können weniger als 5 ms betragen, so dass im 50-Hz-Netz der Kurz-schlussstrom garnicht erst seinen vollen Scheitelwert erreicht. Die Ansprechzeiten sinddamit geringer als bei Motorschutzschaltern möglich. Der Überlastungsschutz ist wegendes großen Streubereichs nicht gerade hochwertig, so dass man z. B. bei Motoren zusätz-lich einen Schutz durch eingebaute Thermokontakte oder Thermistoren vorsieht.

Page 39: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Elektrische Antriebe und Steuerungen

5.3 Steuerungstechnik 413

5.3.1.2 SchaltpläneArten von Schaltplänen. Unter einem Schaltplan versteht man nach DIN 40719 die Dar-stellung elektrischer Einrichtungen durch Schaltzeichen (oder Schaltkurzzeichen). So wiedie Konstruktionszeichnung im Maschinenbau die wichtigste technische Unterlage vonder Planung bis zum Bau einer Maschine oder eines Maschinenteils ist, sind die Schaltplä-ne für Entwicklung, Bau, Prüfung und Betrieb (Wartung, Fehlersuche und -beseitigung)einer elektrischen Anlage unentbehrlich. Alle Schaltpläne sollen im spannungs- bzw.stromlosen, ausgeschalteten Zustand der Anlage gezeichnet, die Geräte in ihrer Grund-stellung dargestellt werden. Die Übersichtlichkeit wird erhöht, wenn alle Schaltgliedervon links nach rechts schaltend dargestellt sind.

Der Schaltplan (engl. diagram) zeigt, wie die verschiedenen elektrischen Betriebsmit-tel miteinander in Beziehung stehen. Je nach dem Zweck und nach der Art der Darstellungkönnen nach DIN 40719 die Schaltpläne verschiedenartig gestaltet werden. Schaltplänezur Erläuterung der Arbeitsweise einer elektrischen Anlage, auch erläuternde Schaltplänegenannt, werden eingeteilt in:

• Übersichtsschaltplan (block diagram), meist einpolige Darstellung und• Stromlaufpläne (circuit diagrams) mit ausführlicher Darstellung der Schaltung in ihren

Einzelheiten.

Anhand eines Beispiels sollen diese beiden Arten von Schaltplänen erläutert werden. Inder Schaltung nach Abb. 5.8 wird ein Kurzschlussläufermotor zum Antrieb eines Lüftersvon Hand durch Stellschalter direkt ein- und ausgeschaltet. Für diesen Antrieb soll eineSchützensteuerung vorgesehen werden.

Übersichtsschaltplan. Dieser Schaltplan in Abb. 5.34 ist die vereinfachte, meist einpoli-ge Darstellung der Schaltung ohne Hilfsleitungen. Die Ein- und Ausschaltung des MotorsMl wird hier mit einem Schütz K1 durchgeführt, das mit Hilfe der Tastschalter S1 undS2 betätigt wird. Es wird mit elektrothermischem Überlastungsschutz (ÜberstromrelaisF2) ausgerüstet, die vorgeschalteten Sicherungen F1 übernehmen den Kurzschlussschutz.Angaben über Netz, Leitungen, Sicherungen, Motor, Arbeitsmaschine usw. können, wiehier geschehen, in den Übersichtsschaltplan eingetragen werden.

Abb. 5.34 Übersichtsschalt-plan für Lüfterantrieb

Page 40: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Elektrische Antriebe und Steuerungen

414 5 Elektrische Antriebe und Steuerungen

Abb. 5.35 Entwurf des Steu-erstromteils zu Abb. 5.34(Stromlaufschaltplan in auf-gelöster Darstellung)

Stromlaufplan in aufgelöster Darstellung. Er enthält die nach Stromwegen für dieHaupt-, Steuer- und Meldestromkreise aufgelöste Darstellung der Schaltung mit allenEinzelheiten und Leitungen, so dass jeder Stromweg leicht zu verfolgen ist. Alle Schalt-glieder eines elektrischen Betriebsmittels erhalten die gleiche Bezeichnung. Die räumlicheLage und der Zusammenhang der einzelnen Teile bleiben unberücksichtigt. Anhand derAbb. 5.35a bis e wird nun gezeigt, wie man den Steuerstromkreis des Stromlaufplans fürden Lüfterbetrieb in 6 Stufen entwirft.

1. Die Spule des Schützes Kl für 230 V � wird zwischen einen Außenleiter, hier L1 undden Neutralleiter N des Drehstromnetzes angeschlossen. Grundsätzlich legt man dabeieinen Anschluss der Schützspule direkt an N (Abb. 5.35a).

2. Das Einschalten erfolgt durch Drücken des Drucktasters S1. Hierdurch wird derStromkreis der Schützspule geschlossen (Abb. 5.35b).

3. Der Motor darf aber nicht eingeschaltet werden können, wenn das Überstromrelais F2angesprochen hat, d. h. wenn der Motor infolge Überlastung vorher selbsttätig abge-schaltet wurde. Deshalb wird der Hilfsschalter (Öffner) des Überstromrelais F2 in denStromkreis der Schützspule gelegt (Abb. 5.35c). Ist dieser Öffner geschlossen, so wirdbeim Drücken des Drucktasters S1 der Stromkreis der Schützspule K1 geschlossen,der Magnetanker wird angezogen und die drei Hauptkontakte des Schützes schließen(Abb. 5.34): der Motor läuft an.

4. Wird aber der Drucktaster S1 losgelassen, so geht er infolge der Rückzugskraft (Tast-schalter) wieder in seine Ruhelage zurück, das Schütz fällt ab und der Motor wirdwieder ausgeschaltet. Um dies zu verhindern, wird am Schütz K1 ein Hilfsschalter(Schließer K1) vorgesehen, der durch das Einschalten des Schützes geschlossen wird.Diesen Schließer K1 schaltet man parallel zum Drucktaster S1 (Abb. 5.35d). Lässtman nun den Drucktaster S1 los, so bleibt die Schützspule und damit auch der Motoreingeschaltet: das Schütz hält sich selbst (Selbsthaltung).

5. Beim Ausschalten wird durch Drücken des Drucktasters S2 (Abb. 5.35e) der Strom-kreis der Schützspule unterbrochen, das Schütz fällt ab und der SelbsthaltekontaktK1 des Schützes öffnet wieder. Nach Loslassen des Drucktasters S2 bleibt also derStromkreis der Schützspule geöffnet, der Motor läuft aus. Derselbe Vorgang spieltsich beim Ansprechen des Überlastungsschutzes mit dem Hilfsschalter F2 selbsttätig

Page 41: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Elektrische Antriebe und Steuerungen

5.3 Steuerungstechnik 415

Abb. 5.36 Stromlaufschalt-plan in zusammenhängenderDarstellung für Abb. 5.34

ab. Der Drucktaster S2 wird nicht in den Strompfad des Hilfsschalters K1 gelegt, dabei gleichzeitigem Drücken von Ein- und Aus-Drucktaster das Aus-Kommando ausSicherheitsgründen Vorrang haben muss.

6. Der Steuerteil wird durch eine Sicherung F3 geschützt (Abb. 5.35e). Bei Ausfall desNetzes fällt das Schütz ab, da die Schützspule von einem Außenleiter des Netzes ge-speist wird.

Man beachte, dass im Stromlaufplan die Spule und die Schaltglieder von Schützen oderRelais, obschon sie an verschiedenen Stellen in die Stromwege eingegliedert sind, die-selbe Bezeichnung haben; so ist z. B. K1 sowohl das Schütz in Abb. 5.34 als auch dieSchützspule und der Hilfsschalter (Schließer) in Abb. 5.35.

Stromlaufplan in zusammenhängender Darstellung. In diesem Schaltplan (Abb. 5.36)werden alle Schaltglieder eines elektrischen Betriebsmittels zusammenhängend und all-polig dargestellt. Da die Haupt- und Hilfsstromkreise in einem Plan erscheinen, ist dieWirkungsweise der Steuerung nur noch mit Mühe zu erkennen. Deshalb geht man beimEntwurf elektrischer Steuerungen den Weg vom Übersichtsschaltplan über den Stromlauf-plan in aufgelöster Darstellung.

Nach einiger Übung im Entwerfen von Steuerungen und im Lesen von Schaltplänenwird man für das Verständnis der Funktion einer Steuerung auf den Stromlaufplan inzusammenhängender Darstellung, der für die Ausführung der Anlage wichtiger ist, ver-zichten. Häufig trifft man in der Praxis aber nur diesen Schaltplan einer Steuerung an. Mansollte dann die Mühe nicht scheuen, hieraus den Stromlaufplan in aufgelöster Darstel-lung abzuleiten, um sich ein Bild vom Funktionsablauf der einzelnen Steuerungsvorgängemachen zu können. Nur so kann die weitverbreitete Scheu des Maschinenbauers vorden „komplizierten und undurchsichtigen Schaltplänen der Elektrotechniker“ überwun-den werden. Es sei auch dringend empfohlen, sich hier an Hand der Abb. 5.35e und 5.36erst völlige Klarheit über die Wirkungsweise der behandelten einfachen Lüftersteuerung

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416 5 Elektrische Antriebe und Steuerungen

Abb. 5.37 Selbsttätiges Stern-Dreieck-Anfahren des Kurzschlussläufermotors. a Leistungsteil desStromlaufplans, b Steuerteil des Stromlaufplans

zu verschaffen, bevor man sich mit den folgenden umfangreichen Kontaktsteuerungen be-fasst.

Die Kennzeichnung der einzelnen Betriebsmittel in den Schaltplänen erfolgt nach DIN40719 Teil 2 durch Großbuchstaben und eine fortlaufende Zahl. Als Beispiele seien ge-nannt:C – Kondensatoren M – MotorenF – Schutzeinrichtungen R – WiderständeG – Generatoren und Stromversorgungen S – SchalterK – Schütze und Relais T – Transformatoren

5.3.1.3 Festverdrahtete SteuerungenIn diesen auch Kontaktsteuerungen genannten Schaltungen werden die einzelnen Stell-glieder mit den Befehlsgebern drahtgebunden über Hilfskontakte und Zeitrelais verknüpft.Diese Technik war vor der Entwicklung der entsprechenden elektronischen Baugruppenüber lange Jahre die alleinige Ausführung zum Betrieb von Antrieben und Prozessen jederArt.

Nachstehend werden die festverdrahteten Schaltungen für einige typische Steueraufga-ben gezeigt. Ihr Aufbau bleibt im Leistungsteil auch bei den modernen speicherprogram-mierten Steuerungen unverändert.

Stern-Dreieck-Anlauf eines Käfigläufermotors. In Abb. 5.37 ist die Schaltung fürden Anlauf eines Drehstrommotors mit einem handbetätigten Walzenschalter angege-ben. Für den selbsttätigen Stern-Dreieck-Anlauf benötigt man drei Schütze, nämlich das

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5.3 Steuerungstechnik 417

Hauptschütz K1, das Dreieckschütz K2 und das Sternschütz K3, die im Stromlaufplanin Abb. 5.37a dargestellt sind. Zuerst wird das Sternschütz K3, dann das HauptschützK1 eingeschaltet; der Motor läuft in Sternschaltung hoch. Die selbsttätige Umschaltungauf Dreieck in der Nähe der Betriebsdrehzahl erfolgt heute fast nur noch zeitabhängig,kann aber auch strom- oder drehzahlabhängig geschehen. Im ersten Fall wird ein Zeitre-lais verwendet, das nach einer einstellbaren Zeit zunächst das Sternschütz K3 abschaltetund dann durch Einschalten des Dreieckschützes K2 die Betriebsschaltung des Motorsherstellt.

Nach dem Stromlaufplan (Abb. 5.37b) wird mit Hilfe des Drucktasters S1 (StromwegNr. 1) die Steuerung eingeleitet. Wenn das Dreieckschütz in AUS-Stellung ist (ÖffnerK2 in Nr. 1), erhält zuerst die Schützspule K3 des Sternschützes Strom. Dadurch wirdzuerst durch einen Öffner K3 (Nr. 4) der Stromkreis der Spule K2 des Dreieckschützesgeöffnet, bevor durch den Schließer K3 (Nr. 2) der Stromkreis der Spule K1 (Nr. 3) desHauptschützes geschlossen wird. Durch die Schließer K1 (Nr. 3) und K3 (Nr. 2) werdendie Schütze K1 und K3 auch nach Loslassen des Drucktasters S1 gehalten; ein weitererSchließer K1 (Nr. 2) schließt nach dem Zuschalten des Hauptschützes den Stromkreisdes Zeitrelais K4. Nach der am Zeitrelais eingestellten Zeit, die sich nach der Größe desLastmoments richtet, öffnet der Öffner K4 (Nr. 1) des Zeitrelais K4. Sternschütz K3 undZeitrelais K4 werden abgeschaltet, während der Öffner K3 (Nr. 4) den Stromkreis derSpule K2 des Dreieckschützes schließt. Haupt- und Dreieckschütz (K1 und K2) sind imBetrieb eingeschaltet und fallen ab, wenn mit Hilfe des Drucktasters S2 (Nr. 1) der Antriebstillgesetzt werden soll. An Geräten sind für die Steuerung erforderlich:

• Schütz K1 mit zwei Schließern; Schütz K2 mit einem Öffner;• Schütz K3 mit einem Öffner und einem Schließer; Zeitrelais K4 mit einem Öffner;• Drucktaster S1 für Einschalten; Drucktaster S2 für Ausschalten;• Bimetallrelais F2 mit einem Öffner; eine Sicherung F3; ein Satz Drehstromsicherungen

F1.

Man beachte, dass die Schütze K1 und K2 nur für den 1=p

3 D 0,58fachen Motorstromauszulegen sind; auch das Motorschutzrelais F2 ist auf diesen Wert einzustellen.

Polumschaltung eines Drehstrommotors. In Abb. 4.53 wird der Anschluss der Dreh-stromwicklung in Dahlander-Schaltung für zwei Drehzahlwerte an das Netz mit einemWalzenschalter realisiert. Eine Schützensteuerung erfordert nach Abb. 5.38a drei Schütze.Bei der niedrigen Drehzahl erfolgt der Netzanschluss mit Schütz K1; bei Umschaltungauf die hohe Drehzahl muss erst Schütz K1 abschalten, dann ist das Schütz K2 und zuletztdas Schütz K3 einzuschalten, das die Motorwicklung an das Netz anschließt.

Der Steuerteil (Abb. 5.38b) enthält die Doppeldrucktaster S2 und S3 für die beidenDrehzahlen, um eine gleichzeitige Betätigung der Taster unwirksam zu machen. Bei derniedrigen Drehzahl wird bei Betätigung des Drucktasters S2 Schütz Kl eingeschaltet,wenn die Schütze K2 und K3 ausgeschaltet sind (Öffner K2 und K3 im Stromkreis des

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418 5 Elektrische Antriebe und Steuerungen

Abb. 5.38 Stromlaufplan des polumschaltbaren Motors für zwei Drehzahlen (Dahlander-Schaltung). a Leistungsteil, b Steuerteil

Schützspule K1). Schütz K1 hält sich über Schließer K1 selbst. Bei direktem Übergangauf die hohe Drehzahl wird durch Betätigen des Drucktasters S3, erst nachdem SchützKl abgeschaltet ist (Öffner K1), das Sternschütz K2 und danach über den Schließer K2das Schütz K3 eingeschaltet. Entsprechendes gilt für den Übergang von der hohen zurniedrigen Drehzahl. Erst wenn durch Betätigen des Drucktasters S2 die Schütze K2 undK3 abgeschaltet sind, kann Schütz K1 einschalten. Das Stillsetzen des Antriebs erfolgt injedem Fall durch den Drucktaster S1.

5.3.2 Grundlagen elektronischer Steuerungen

In drahtgebundenen Steuerungen werden durch die Leitungen und Hilfskontakte die zweiZustände

1. Schalter auf, keine Spannung am Stellglied (Schütz)2. Schalter zu, Spannung vorhanden

realisiert. Es wird also nur eine binäre Information verarbeitet, die sich durch die Zeichen

0 oder H (High)

und

1 oder L (Low)

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5.3 Steuerungstechnik 419

Abb. 5.39 UND-Verknüpfung. a Aufbau mitSchaltern, b Symbol, c Funkti-onstabelle

darstellen lassen. Dieses System ist aber auch die Grundlage jeder Computertechnik, in diesich die elektronischen Steuerungen somit einordnen. In der meist eingesetzten positivenLogik bedeutet dies für das Signal:

0 – keine Spannung, bzw. unterhalb eines Grenzpegels1 – Spannung hat den Betriebswert von z. B. 5 V.

5.3.2.1 Logische GrundverknüpfungenLogische Verknüpfungen sind elektronische Schaltungen, welche die Binärinformatio-nen 0 und 1 nach den Regeln der Booleschen Algebra (George Boole, brit. Mathematiker,1815 – 1864), die in der Anwendung auf Digitalkreise auch als Schaltalgebra bezeichnetwird, verarbeiten. Die einzelnen Gesetze sollen hier nicht behandelt werden, sind jedoch inihren Grundlagen mit der Wirkung von Schalterkontakten erklärbar. Für den Aufbau vonSteuerungen werden nur wenige Grundschaltungen benötigt. Für diese Gatter bezeichne-ten Bausteine hat man eigene Bezeichnungen und Zeichen geschaffen.

Nachstehend werden die drei Grundverknüpfungen und die daraus abgeleiteten Be-ziehungen vorgestellt. Neben den Schaltzeichen und der darin elektronisch realisiertenKontaktschaltung sind auch die jeweiligen sogenannten Funktionstabellen angegeben. Siebeschreiben den Zusammenhang zwischen den Eingangsgrößen E, die nur die Werte 0 und1 annehmen können und dem entsprechend der inneren Logik möglichen AusgangssignalA D 0 oder A D 1.

UND-Verknüpfung. Dieses auch als Konjunktion bezeichnete Gatter realisiert die Rei-henschaltung von Schließkontakten – hier der zwei Schließer E1 und E2 – zur Versorgungeines Ausgangs A, z. B. einer Lampe. Ein betätigter Schalter E wird mit der Kennung 1,der offene Schalter mit 0 beschrieben. Liegt Spannung an der Lampe, so wird dies mitA D 1 gekennzeichnet. Insgesamt entsteht damit eine Schaltung nach Abb. 5.39.

Aus dem Kontaktplan in Abb. 5.39a geht leicht hervor, dass die Lampe nur dann Span-nung erhält und damit A D 1 wird, wenn mit E1 D 1 und E2 D 1 beide Schalter betätigtwerden. In den Fällen E1 D 1, E2 D 0 oder E1 D 0, E2 D 1 bleibt die Lampe jeweilsspannungslos und damit A D 0. In der Schreibweise der Booleschen Algebra ergibt diesdie Funktionsgleichung

A D E1 ^ E2 oder A D E1 � E2

Das Zeichen ^ (unten offen) kennzeichnet die UND-Verknüpfung der beiden Eingangs-größen und entspricht mathematisch dem Malzeichen.

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420 5 Elektrische Antriebe und Steuerungen

Abb. 5.40 ODER-Verknüpfung. a Aufbau mitSchaltern, b Symbol, c Funkti-onstabelle

Abb. 5.41 NICHT-Verknüpfung. a Aufbau mit Schalter, b Symbol, c Funktionstabelle

ODER-Verknüpfung. Dieses auch Disjunktion genannte Gatter erfasst die Parallelschal-tung von Schließkontakten zwischen Spannungsquelle und Lampe. Kontaktplan, Schalt-zeichen und Funktionstabelle sind in Abb. 5.40 angegeben.

Der Kontaktplan zeigt, dass bereits ein betätigter Schließer genügt, um Spannung andie Lampe zu legen und damit die Information A D 1 zu erzeugen. Die Funktionstabellehat damit nur im Falle E1 D E2 D 0 den Wert A D 0. In der Funktionsgleichung wird diesmit

A D E1 _ E2 oder A D E1 C E2

beschrieben. Das Zeichen _ (oben offen) kennzeichnet die ODER-Verknüpfung.

NICHT-Verknüpfung. Diese Negation kehrt das Eingangssignal E um und lässt sich imKontaktplan nach Abb. 5.41 durch einen Öffner zwischen Quelle und Lampe darstellen.

Wird der Schalter mit E D 1 betätigt, dann hat die Lampe keine Spannung und es giltA D 0. Am Eingang darf für A D 1 damit keine Handlung vorgenommen werden – es darfkein Signal anliegen – was man mit NE kennzeichnet. NE wird als komplementäre Größe zuE bezeichnet. Die Funktionsgleichung lautet

A D NE

5.3.2.2 Kombinationen der GrundverknüpfungenObwohl mit den Gattern UND, ODER und NICHT durch entsprechende Verknüpfungjede beliebige logische Zuordnung gebildet werden kann, hat man für einige besondershäufig vorkommende Kombinationen eigene Namen festgelegt.

NAND-Verknüpfung. Sie entsteht aus der Reihenschaltung der Gatter UND und NICHT(engl. NOT AND) mit Aufbau und Schaltzeichen nach Abb. 5.42. In der Funktionstabellekehren sich gegenüber dem UND-Glied lediglich alle Werte des Ausgangssignals um.

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5.3 Steuerungstechnik 421

Abb. 5.42 NAND-Verknüpfung. a Aufbau mitUND- und NICHT-Gatter,b Symbol, c Funktionstabelle

Abb. 5.43 NOR-Verknüpfung. a Aufbau mitODER- und NICHT-Gatter,b Symbol, c Funktionstabelle

Abb. 5.44 RS-Kippglied.a Aufbau mit NOR-Gattern,b Funktionstabelle

NOR-Verknüpfung. Sie realisiert die Reihenschaltung der Gatter ODER und NICHT(engl. NOT OR) nach Abb. 5.43. Auch hier kehren sich in der Tabelle die Werte für A um.

5.3.2.3 SpeicherschaltungenMit Hilfe der vorstehenden logischen Verknüpfungen lässt sich mit dem Speicher ein wei-teres wichtiges Element einer Steuerschaltung aufbauen. Der Speicher hat die Aufgabe,eine Eingangsgröße also ein 1-Signal aufzunehmen, es auch nach dessen Ende zu behaltenund es bei Anforderung wieder zur Verfugung zu stellen.

RS-Kippglied. Abbildung 5.44a zeigt zwei NOR-Gatter, deren Ausgänge auf denEingang des jeweils anderen Teils rückgekoppelt sind, wodurch ein sogenanntes RS-Kippglied oder RS-Flipflop gebildet wird. Eine Möglichkeit seiner schaltungstechnischenGestaltung wurde bereits in Abschn. 2.2.4.2 auf der Basis bipolarer Transistoren gezeigt.

Beim RS-Flipflop wird mittels eines Eingangssignals 1 am Setzeingang S der Aus-gang Q auf den Wert 1 gesetzt. Dieser Zustand bleibt erhalten, bis am Rücksetzeingang R(engl. reset) ein 1-Signal erscheint. Der komplementäre Ausgang NQ liefert jeweils dasinvertierte Signal von Q. Der Zustand, dass mit R D S D 1 beide Eingänge ein Signalerhalten, ist zu verhindern. Führen beide Eingänge ein 0-Signal, so bleibt mit Q�1 undQ�1 der früher gesetzte Zustand erhalten. Insgesamt gilt für das RS-Flipflop die Funkti-onstabelle in Abb. 5.44b.

Getaktetes Kippglied. In elektronischen Steuerungen erfolgt die Verarbeitung der Si-gnale nach einem durch einen Quarzzähler vorgegebenen Takt (engl. clock). Die am Ein-

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422 5 Elektrische Antriebe und Steuerungen

Abb. 5.45 GetaktetesKippglied. a Aufbau mit UND-Gattern, b Funktionstabelle

Abb. 5.46 Schaltplan undelektronische Steuerung zuBeispiel 5.8. a Schaltplan fürdrahtgebundene Steuerung,b elektronische Steuerung

gang ankommenden Signale werden erst dann verwertet, wenn das nächste Taktsignalerscheint. Abbildung 5.45 zeigt dazu den Aufbau eines statisch getakteten D-Flipflops,das eine Eingangsgröße D speichern kann. Bei diesem Gatter auch Data Latch genannt,bleibt der ursprüngliche Zustand Q�1 in der Zeit fehlenden Taktsignals C D 0 erhalten.Erst bei C D 1 wird das Eingangssignal D D 1 auf den Ausgang übertragen.

Für den Einsatz in modernen Rechenanlagen und Steuerungen muss man die hier an-gesprochene Technik der Speicher weiter verfeinern. So wird z. B. anstelle der Amplitudedie Flanke des Taktimpulses zur Steuerung verwendet. Ferner muss für die Fälle, bei de-nen gleichzeitig eine neue Information am Eingang aufgenommen und gesteuert durch denTakt die seither gespeicherte Größe weitergegeben werden muss, eine geeignete Technikeingesetzt werden. Sie liegt in der Zweispeichertechnik, in der ein erstes Flipflop Master(Herr) genannt, die Information aufnimmt und sie danach einem nachgeschalteten Slave-(Diener-)Flipflop übergibt. Auf Schaltung und Technik dieser Master-Slave-Flipflops seiauf die einschlägige Literatur verwiesen.

Beispiel 5.8

Eine Meldeleuchte H soll mit einem EIN-Taster S1 ein- und mit einem AUS-Taster S2ausgeschaltet werden. Es sind eine Schaltung mit einem Schütz K und eine Steuerungmit logischen Bausteinen zu entwickeln.

In Abb. 5.46a wird die Schützspule K direkt mit dem Taster S1 an Spannung gelegt,wonach der Hauptkontakt K1 den Hauptstromkreis mit der Lampe H schließt (Lampeleuchtet). Über den Hilfskontakt K2 und den AUS-Taster bleibt die Spule auch nach Los-lassen von S1 an Spannung. Öffnet man S2, so fällt das Schütz ab, K1 öffnet und dieLampe erlischt.

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5.3 Steuerungstechnik 423

Abb. 5.47 Struktur und Bau-gruppen einer elektronischenSteuerung

Abbildung 5.46b zeigt eine mögliche Steuerung mit logischen Bausteinen. Der Aus-gang A versorgt die Schützspule mit Spannung, womit wieder über K1 die Lampe zuge-schaltet wird. Die Eingänge E1 und E2 entsprechen den Tastern S1 und S2, die Rück-führung vom Ausgang zum ODER-Gatter dem Haltekontakt. Der negierte Eingang fürE2 gibt bei unbetätigtem AUS-Taster das Signal E2 D 1 an das UND-Gatter, so dass beiE1 D 1, also betätigtem Taster S1, das Signal A D 1 entsteht. Danach mit wieder E1 D 0also losgelassenem Taster S1 genügt für das ODER-Gatter das 1 -Signal der Rückfüh-rung. Wird mit betätigtem AUS-Taster E2 D 1, so wird wegen der Negierung ein Wert derUND-Verknüpfung null und damit A D 0.

5.3.2.4 SchaltungstechnikStruktur. Eine elektronische Steuerung kann grundsätzlich nach dem Schema in Abb. 5.47gegliedert werden.

1. Sensoren und Schalter liefern in Form von analogen Spannungen und Strömen oderals digitale Information Daten aus der zu steuernden Anlage.

2. Diese Eingangsgrößen werden in einer Eingangsbaugruppe zur Verwertung in der lo-gischen Schaltung aufbereitet, d. h. auf den richtigen Spannungspegel gebracht unddigitalisiert. Letzteres geschieht in einem Analog/Digital-Umsetzer z. B. in Form ei-nes Schmitt-Triggers.

3. In der Baugruppe mit den logischen Verknüpfungen erfolgt die Umsetzung des Steu-erprogramms mit der Ausgabe der digitalen Befehle.

4. Eine Ausgangsbaugruppe verstärkt die Ausgabewerte und bereitet sie zur Versorgungder Stellglieder auf.

5. Stellglieder werden nach den Anweisungen des Programms betätigt und steuern dieEnergiezufuhr für die Anlage.

Ein- und Ausgangsbaugruppen. Neben den erwähnten Aufgaben der Digitalisierungvon Eingangssignalen und der Pegelanpassung, muss die signalaufbereitende Baustufemögliche Prellvorgänge der mechanischen Schalter und vor allem die Entstörung vorneh-men.

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424 5 Elektrische Antriebe und Steuerungen

Abb. 5.48 Eingangsbau-gruppe

Abbildung 5.48 zeigt beispielhaft eine Schaltung für die Eingangsbaugruppe, die obigeAufgaben übernehmen kann. Die Signalspannung wird gleichgerichtet und versorgt überihren Strom die Leuchtdiode als Sender eines Optokopplers. Der galvanische getrennteFototransistor am Ausgang übernimmt das Signal und steuert damit den Schmitt-Triggeraus. Damit steht die Eingangsgröße der Steuerung digitalisiert, störungsfrei und in richti-ger Pegelhöhe zur Verfügung.

Die vorstehend vorgestellten Grundverknüpfungen können durch verschiedene Schal-tungstechniken realisiert werden, die sich hinsichtlich Leistungsaufnahme, Betriebsspan-nung, Belastbarkeit und anderer Kenngrößen unterscheiden. Für den Anwender ist dieserinnere Aufbau weitgehend ohne Bedeutung, es genügt die Kenntnis der zulässigen Be-triebsdaten.

Aus der Reihe der Logikfamilien soll daher nur folgende Techniken erwähnt werden:In der Transistor-Transistor-Logik (TTL) werden bipolare Transistoren teils mit meh-

reren Emittern eingesetzt. Als Kennwerte seien eine Leistungsaufnahme von 1 mW bis10 mW und Laufzeiten von 2 ns bis 10 ns genannt.

Besonders geringe Leistungsaufnahmen sind mit dem Einsatz von Feldeffekttran-sistoren (MOS-FET) zu erreichen. In der CMOS Technik werden komplementäre FET(C-komplementär) eingesetzt, wozu Abb. 5.49 ein Bespiel zeigt. Nach den Zeichen inAbb. 2.33 kommen hier Isolierschicht-FET als N- und P-Kanal-Anreicherungstyp zumEinsatz. Die Leistungsaufnahme liegt im Frequenzbereich unter 1 MHz deutlich unter dereiner TT-Logik.

Abb. 5.49 CMOS-Gatter.a NOR-Verknüpfung,b NAND-Verknüpfung

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5.3 Steuerungstechnik 425

Abb. 5.50 Aufbau einer SPS

5.3.3 Grundlagen speicherprogrammierbarer Steuerungen

Dieser Abschnitt kann nur einen ersten Einblick in Aufbau, Wirkungsweise und Einsatzeiner speicherprogrammierbaren Steuerung, abgekürzt SPS, geben. Für ein tieferes Ein-dringen in dieses für die Automatisierung sehr wichtige Fachgebiet muss auf die Vielzahlder einschlägigen Fachliteratur verwiesen werden (s. Lit. [4]–[6]).

5.3.3.1 Aufbau einer SPSStruktur. Eine SPS ersetzt durch die rechnergesteuerte Verknüpfung der im vorherigenAbschnitt besprochenen logischen Gatter die Leitungsverbindungen zwischen den Signal-gebern wie Sensoren und Schaltern auf der Befehlsseite einer Steuerung mit den Meldernund Stellgliedern der Ausgangsseite. Die dazu erforderliche Hardware wird als Automa-tisierungsgerät AG bezeichnet mit einem Aufbau nach Abb. 5.50.

Kernstück einer SPS ist die Zentraleinheit mit einem Mikroprozessor CPU (CentralProzessing Unit), dem Betriebssystem, dem Adressenzähler und einem Programmspei-cher. Letzterer enthält den gesamten von den Signalgebern gesteuerten Prozessablauf. DerMikroprozessor wiederum enthält vor allem das Rechenwerk und eine Steuereinheit miteinem quarzstabilisierten Taktgenerator. Der gewünschte Steuerungsablauf wird in einerspeziellen Programmiersprache z. B. STEP 7 in Form von Anweisungen erstellt, intern ineinen Maschinencode umgewandelt und schließlich in den Programmspeicher des Auto-matisierungsgeräts geladen.

Eine Stromversorgungseinheit erzeugt einmal aus dem 230 V-Netz eine entstörte undgalvanisch getrennte 5 V-Gleichspannung für den internen Betrieb aller Baugruppen. Da-neben ist meist eine 24 V-Gleichspannung extern zugänglich und kann im Rahmen derzulässigen Belastung zur Versorgung von z. B. Sensoren verwendet werden. Darüber hin-aus schließt man vor allem die Stellglieder an externe Spannungen an.

Die Eingabebaugruppe besteht aus einzelnen Modulen für den Anschluss von jeweils 8,16 oder auch 24 Gebern. Die Eingangssignale werden durch ein RC-Filter entstört undauf die Systemspannung der SPS gebracht. Zum sicheren Schutz der Innenschaltung vorStörsignalen erfolgt die Übertragung der Eingangswerte zusätzlich über Optokoppler.

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426 5 Elektrische Antriebe und Steuerungen

Abb. 5.51 Ablauf der Pro-grammbearbeitung

Im Ablauf des Steuerprogramms werden die Ausgänge der ebenfalls modularen Aus-gangsbaugruppe angewählt und damit die einzelnen Stellglieder und Meldegeräte geschal-tet. Die Ausgänge müssen daher für verschiedene Leistungen und Spannungen bis 230 VAC und DC ausgelegt sein. Der Austausch von Daten zwischen den Baugruppen des AGerfolgt über eine Reihe von Sammelleitungen, die aus so viel parallelen Adern bestehen,wie zur gleichzeitigen Übertragung einer Anweisung nötig sind. Man bezeichnet so eineLeitungsleiste als Bus und unterscheidet je nach Nutzung zwischen Adressbus, Steuerbusund Datenbus.

Programmbearbeitung. Zu Beginn jeder Programmausführung werden die Signalzu-stände der Ein- und Ausgänge in einem Zwischenspeicher abgelegt, der damit ein Ab-bild des momentanen Prozesszustandes darstellt. Danach werden dem Programmspeichernacheinander die eingegebenen Anweisungen entnommen und gemäß der Steueraufgabemiteinander verknüpft. Nach Bearbeitung aller Anweisungen mit Erreichen der AngabePE (Bausteinende) wird das Ergebnis über die Ausgänge auf die Stellglieder übertra-gen. Danach beginnt mit der Bearbeitung der ersten Anweisung ein neuer Zyklus. DieArbeitsweise einer SPS ist damit seriell, d. h. die im Programmspeicher nach Abb. 5.51enthaltenen Anweisungen werden nacheinander und in ständiger Wiederholung bearbei-tet.

Die für einen Durchlauf benötigte Dauer wird als Zykluszeit bezeichnet. Sie ergibtsich aus der Bearbeitungszeit für eine Anweisung multipliziert mit deren Anzahl. Nimmtman für die Bearbeitung einer Anweisung im Mittel 5 �s an und ein Programm mit 1000Plätzen, so wird es in 103 � 5�s D 5 ms durchlaufen. Addiert man dazu noch die Zeit-verzögerung durch die RC-Filter an Ein- und Ausgang, so ergibt sich die Reaktionszeit.Mit ihr kann eine SPS auf einen Signalwechsel an einem Eingang reagieren. Durch dieserielle Bearbeitung der einzelnen Anweisungen werden die Signale also maximal bis zurReaktionszeit verzögert beachtet, was einen grundsätzlichen Unterschied zur klassischenleitungsgebundenen Steuerung bedeutet. Diese erfasst alle Befehle und Informationenstets gleichzeitig und bearbeitet sie parallel.

Page 53: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Elektrische Antriebe und Steuerungen

5.3 Steuerungstechnik 427

Abb. 5.52 Aufbau einer Steu-eranweisung

Adresse Anweisung

008 U E 0.1

Operation (was?)

Operand (womit?)

Tab. 5.53 Kennzeichen für Operationen und Operanden (Auswahl nach DIN 19239)

Operation Zeichen | Operand Zeichen

UND U Eingang E

ODER O Ausgang A

UND NICHT UN Merker M

ODER NICHT ON

Ist gleich = Zähler Z

Setzen S Zeitglied T

Rücksetzen R

Laden einer Konstanten L

Nulloperation NOP

Programmende PE

5.3.3.2 Einführung in die ProgrammiertechnikStruktur der Steueranweisung. In DIN 19239 ist der Aufbau einer Steueranweisungmit den Zeichen für die Art der Verknüpfung der Signale festgelegt. So hat eine Steueran-weisung den prinzipiellen Aufbau nach Abb. 5.52.

Nach der Speicherplatzadresse 0008 (Abb. 5.52) ist im Operationsteil festgelegt, wasmit dem betreffenden Signal bei der Bearbeitung geschehen soll. In Abb. 5.52 ist es eineUND-Verknüpfung. Im Operandenteil der Anweisung wird das zu verarbeitende Signal,hier E 0.1, identifiziert. Zur Kennzeichnung der Operationen in Form logischer Verknüp-fungen und der Operanden verwendet man die Zeichen nach Tab. 5.53.

Programmiertechnik. Für die Eingabe eines Steuerprogramms über Tastatur und Bild-schirm eines Programmiergeräts gibt es drei Möglichkeiten:

1. Die Anweisungsliste AWL2. Den Kontaktplan KOP3. Den Funktionsplan FUP.

Für die Kennzeichnung der Befehle in der AWL verwendet man die Symbole nachTab. 5.53. Den Kontakt- und Funktionsplan erstellt man mit den in den Abb. 5.54 und5.55 angegebenen Zeichen.

Die Symbole im Kontaktplan stellen nicht die tatsächlich an die Eingänge angeschlos-senen Melder wie Schließer und Öffner dar. Sie zeigen nur an, ob das durch die Melder

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428 5 Elektrische Antriebe und Steuerungen

Abb. 5.54 Symbole für den Kontaktplan

gelieferte Signal direkt oder negiert abgefragt wird. So werden im nachstehenden Bei-

spiel 5.9 sowohl der Schließer S1 wie auch der Öffner S2 durch das Symboldargestellt.

Die obigen Programmiertechniken sollen nachstehend an einem einfachen Beispiel ge-zeigt werden.

Beispiel 5.9

Ein Schütz K1 mit Hilfskontakt K1 wird über einen EIN-Taster S1 eingeschaltet undsoll sich danach selbsthalten. Mit dem AUS-Taster S2 kann man wieder abschalten.Für diese Steueraufgabe gilt der Stromlaufplan in Abb. 5.56.

Abb. 5.55 Symbole für den Funktionsplan

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5.3 Steuerungstechnik 429

Abb. 5.56 Stromlaufplan zuBeispiel 5.9

Anweisungsliste AWL. Zunächst werden den Befehlsgebern und dem Schütz im Auto-matisierungsgerät SPS nach Abb. 5.57a Ein- und Ausgänge zugeordnet. In der AWL inAbb. 5.57b erfolgt dann der Reihe nach die Umsetzung des Stromlaufplans in logischeVerknüpfungen:

1. Im Stromlaufplan sind die Schalter S1 und K1 parallel geschaltet. Die zugehörigenOperanden E 0.1 und A 0.1 sind damit in einer ODER-Logik zu verbinden.

2. Das Ergebnis soll in einem Merker M 1.0, d. h. einem internen Speicher abgelegt wer-den.

3. Zur im Merker M 1.0 abgelegten Parallelschaltung ist der Öffner S2, jetzt der Ope-rand E 0.2 in Reihe geschaltet. Zwischen M 1.0 und E 0.2 besteht damit eine UND-Verknüpfung. Das Ergebnis steuert den Ausgang A 0.1.

4. Mit BE wird das Ende der Befehle angezeigt und damit verhindert, dass weitere unge-nutzte Speicherplätze unnötigerweise abgefragt werden.

Kontaktplan KOP. Er hat nach Abb. 5.58 viel Ähnlichkeit mit einem um 90ı gedrehtenStromlaufplan. Der linken Seite ist ständig 1-Signal zugeordnet und die einzelnen Kon-takte und Ausgänge erscheinen waagrecht mit ihren Symbolen.

Zwischen dem EIN-Taster (E 0.1) und dem Hilfskontakt K1 (A 0.1) besteht eineODER-Verknüpfung mit dem entsprechenden Symbol nach Abb. 5.54. Das Signal ist imMerker M 1.0 abgelegt. Dieser wird anschließend mit dem AUS-Taster (E 0.2) in UNDverknüpft. Das Ergebnis steuert den Ausgang A 1.0.

Abb. 5.57 Automatisie-rungsgerät AG und AWLzu Beispiel 5.9. a Beschal-tung des AG für Beispiel 5.9,b Anweisungsliste AWL fürBeispiel 5.9

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430 5 Elektrische Antriebe und Steuerungen

Abb. 5.58 Kontaktplan zuBeispiel 5.9

Die Geber S1 und S2 werden durch die SPS auf den Signalzustand 1 abgefragt. Damitgilt folgende Zuordnung:

nicht betätigt 0 Schließer Signal bei E

betätigt 1

nicht betätigt 0 Öffner Signal bei E

betätigt 1

Nach Betätigen der EIN-Taste liegt sowohl an E 0.1 wie an E 0.2 ein 1-Signal an. In

beiden Fällen muss daher das Zeichen verwendet werden.

Funktionsplan. Er verwendet die Symbole der logischen Verknüpfungen nach Abb. 5.55.Für die gestellte Aufgabe ergibt sich Abb. 5.59.

Zeitglieder. SPS bieten eine ganze Reihe von Zeitfunktionen mit denen programmtech-nisch zeitliche Abläufe realisiert werden können. Als Beispiel soll hier nur die Funktioneines Zeitrelais bei SIMATIC S7 betrachtet werden.

Der Timer in Abb. 5.60 startet die vor dem Eingang TW angegebene Zeit t , sobaldder Starteingang S eine steigende Flanke aufweist, d. h. der Signalzustand dort von 0auf 1 wechselt. Die Zeit läuft auch dann mit dem Wert t weiter, wenn der Signalzustandbei S noch vor Ablauf des Zeitwertes sich auf 0 ändert. Solange die Zeit läuft, ergibt eineZustandsabfrage nach 1 am Ausgang Q das Ergebnis 1. Dies gilt auch dann, wenn derSignalzustand am Eingang S noch vor Ablauf des Zeitwertes t auf 0 wechselt.

Abb. 5.59 Funktionsplan zuBeispiel 5.9

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5.3 Steuerungstechnik 431

Abb. 5.60 Baustein einesTimers (SIMATIC S7) zurFunktion eines Zeitrelais

Abb. 5.61 Impulsdiagrammeines Timers als Zeitrelais

Der aktuelle Zeitwert kann an den Ausgängen DUAL und DEZ abgefragt werden. DerZeitwert am Ausgang DUAL ist binär-codiert, der Zeitwert an Ausgang DEZ ist BCD-codiert.

Abbildung 5.61 zeigt das Impulsdiagramm des Timers für die Eingänge S und R undden Ausgang Q für unterschiedlich lange Eingangssignale an S. Erhält der Rücksetzein-gang R ein Signal (Wechsel von 0 auf 1), so erscheint am Ausgang Q der Wert 0.

5.3.3.3 Drehrichtungsumkehr eines Motors mit SPSIn Abb. 5.62 ist eine Wendeschützschaltung angegeben, mit der durch Vertauschen zweierZuleitungen über die Schütze K1 und K2 die Drehfeldrichtung und damit auch die Dreh-richtung geändert wird, Lit. [5].

Mit Betätigen der Taster S2 oder S3 ziehen die Schütze K1 oder K2 an, womit derMotor die Drehrichtungen Rechtslauf oder Linkslauf erhält. Eine Drehrichtungsumkehrist nur über den AUS-Taster S1 möglich, d. h. der Motor wird zunächst vom Netz getrennt.Gleichzeitig werden mit S1 das Hilfsschütz K3 und das Zeitrelais K4 eingeschaltet. DerÖffner von K3 verhindert das Anlaufen des Motors. Nach Ablauf der eingestellten Zeitwird K3 vom Öffner K4 abgeschaltet, wonach der Stromkreis zum Einschalten über S2oder S3 wieder geschlossen ist. Ein Wechsel der Drehrichtung ist damit nur zeitverzögertmöglich. Die Verriegelung der zwei Schütze durch die gegenseitigen Kontakte muss ausSicherheitsgründen auch hardwaremäßig realisiert werden.

Die Steuerung nach Abb. 5.62 soll durch eine SPS realisiert und dazu der Kontakt-plan aufgestellt werden. Die Belegung des Automatisierungsgeräts mit den Meldern undAusgängen erfolgt nach Abb. 5.63.

Von den drei Möglichkeiten zur Programmierung dieser Steueraufgabe ist in Abb. 5.64der Kontaktplan gezeigt. Die Wirkungen der einzelnen Kontakte sind in einer Reihe vonMerkern abgelegt, womit der Kontaktplan eine einfache, in Netzwerke strukturierte Glie-derung erhält.

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432 5 Elektrische Antriebe und Steuerungen

Abb. 5.62 Schaltplan zurDrehrichtungsumkehr einesMotors

Abb. 5.63 Belegung des Au-tomatisierungsgeräts

5.3.3.4 FeldbussystemeBei der Prozessführung einer umfangreichen Anlage arbeiten eine Vielzahl von räumlichweit getrennten Sensoren und Stellgliedern zusammen. Sie bilden als sogenannte Feld-ebene die unterste Stufe einer Hierarchiepyramide in Abb. 5.65.

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5.3 Steuerungstechnik 433

Abb. 5.64 Kontaktplan KOP zur Steuerung in Abb. 5.62 (nach Lit. [5])

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434 5 Elektrische Antriebe und Steuerungen

Abb. 5.65 Hierarchie einerProzesssteuerung

Würde man nun alle Geräte der Steuerung über eigene Steuerkabel an die verschie-denen wiederum zu verbindenden Automatisierungsgeräte anschließen, so ergeben sichfolgende Probleme:

• Hohe Kosten für die Installation und Wartung der komplexen Verkabelung• Evtl. unzulässige Spannungsverluste auf langen Leitungen• Vielfältige Störeinflüsse durch die Umgebung.

Diese Probleme lassen sich weitgehend mit der Technik der Feldbussysteme vermeiden.Diese bestehen nur aus zweiadrigen Verbindungen in der Ausgestaltung als

• Verdrillte Zweidrahtleitung• Koaxialkabel• Lichtwellenleiter.

Auf dem Feldbus werden alle Nachrichten als digitale Telegramme oder Protokolle auf-gegeben und den gewünschten Empfängern zugeleitet. Die Telegramme haben einen bus-typischen Aufbau (Format) mit Adresse und Steuerinformation, Datenkörper und Siche-rungsteil.

Damit die Nachricht auf dem Bus die richtige Adresse erreicht, muss für alle Teil-nehmer ein Zugriffsverfahren festgelegt werden. Von verschiedenen Techniken hierzu seinur das „Token passing“ erwähnt, bei dem die Berechtigung der Datenübertragung durchein spezifisches Telegramm (Token) von einem Teilnehmer zum nächsten weitergereichtwird. Sobald ein Teilnehmer das Token empfangen hat, kann er für eine festgelegte Zeitden Bus zur Nachrichtenübertragung nutzen. Danach gibt er dieses Recht an seinen Nach-folger weiter.

Für den Einsatz in der Automatisierungstechnik sind mehrere, teils konkurrierendeFeldbussysteme auf dem Markt.

BITBUS. Das System wurde im Wesentlichen von der Firma INTEL entwickelt und vonihr bereits 1984 zur Vernetzung von Mikroprozessoren vorgestellt. Mit der EmpfehlungIEEC 1118 hat es Eingang in die internationale Normung gefunden und ist inzwischen dasweltweit am weitesten verbreitete Feldbussystem.

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Literatur 435

PROFIBUS. Seine Technik entstand aus einem vom BMFT bis 1990 geforderten Projektzwischen Hochschulinstituten und verschiedenen Firmen der Automatisierungstechnik.Als Ergebnis liegt heute mit der Norm DIN 19245 eine Standardisierung hinsichtlich cha-rakteristischer Eigenschaften wie Adressumfang, Zugriff, Nachrichtenlänge usw. vor.

INTERBUS-S. Dieses Feldbussystem hat eine Ringstruktur mit einem zentralen Zu-griffsverfahren. In einem Zyklus werden gleichzeitig alle Ein- und Ausgänge gelesen,was eine Reihe von Vorteilen hat. Der Anwendungsschwerpunkt liegt in der Automatisie-rungstechnik.

CAN. Dieses von der Firma BOSCH für den Einsatz in Fahrzeugen entwickelte Control-ler-Area-Network CAN wird heute auch als schneller Feldbus in der Produktionsautoma-tisierung und der Gebäudeleittechnik eingesetzt.

Literatur

1. Riefenstahl, U.: Elektrische Antriebstechnik. B.G. Teubner, Wiesbaden (2006)

2. Schröder, D.: Elektrische Antriebe. 4 Bde. Bd. 1 Grundlagen. Springer, Berlin (2000)

3. Wellenreuther, G., Zastrow, D.: Steuerungstechnik mit SPS. 5. Aufl. Vieweg Verlag, Wiesbaden(1998)

4. Krätzig, J.: Speicherprogrammierbare Steuerungen. Carl Hanser Verlag, München, Wien (1998)

5. Kaftan, J.: SPS Grundkurs. Vogel-Verlag, Würzburg (2008)

6. Böhm, W.: Elektrische Steuerungen. Vogel-Verlag, Würzburg (2003)