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Elektrotechnik für Maschinenbauer || Elektrische Energieversorgung

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Page 1: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Elektrische Energieversorgung

6Elektrische Energieversorgung

ZusammenfassungIn Europa und in allen übrigen entwickelten Gebieten dieser Erde ist eine flächende-ckende Versorgung mit elektrischer Energie selbstverständlich. Der „Stromverbrauch“eine völlig falsche Bezeichnung für die Nutzung elektrischer Energie – wird geradezuals Gradmesser für den Wohlstand eines Landes angesehen. Nachstehender Abschnittsoll eine Einführung in die Technik der elektrischen Energieversorgung geben unddas in einem Umfang, der fast zur ingenieurwissenschaftlichen Allgemeinbildung ge-hört. Für ein tieferes Eindringen in dieses Fachgebiet muss wieder auf das Schrifttum(Lit. [1]–[8]) verwiesen werden.

Den Abschluss bilden mit den in VDE 0100, Teil 410 festgelegten „Schutzmaß-nahmen gegen gefährliche Körperströme“ für Hersteller und Errichter elektrischer Be-triebsmittel und Anlagen sehr wichtige Bestimmungen.

6.1 Erzeugung elektrischer Energie

6.1.1 Energiewirtschaft

6.1.1.1 EnergiewandlungBis auf die durch Kernspaltung auf der Grundlage des von Albert Einstein 1905 entdeck-ten, fundamentalen Gesetzes W D mc2 entstammt alle auf unserer Erde genutzte Energieaus der Sonneneinstrahlung. Diese wandelt auch nach dieser Gleichung durch Kernfusi-on Masse m in für uns lebenswichtige Strahlungsenergie um. Die Erzeugung elektrischerEnergie erfolgt dann lediglich durch Umwandlung der so vorzeitlich geschaffenen fossilenVorräte wie Öl, Gas und Kohle oder der im Augenblick verfügbaren Energie von Sonne,Wind oder Biomasse.

437R. Fischer, H. Linse, Elektrotechnik für Maschinenbauer, DOI 10.1007/978-3-8348-8304-9_6,© Springer Fachmedien Wiesbaden 2013

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438 6 Elektrische Energieversorgung

Umwandlungen. Als Beispiele für Umwandlungsprozesse bis zum Endprodukt elektri-sche Energie seien genannt:

Kohlekraftwerk: Chemische Energie (Kohle) ! thermische Energie (Dampf) ! mecha-nische Energie (Turbinenwelle) ! elektrische Energie (Generator)

Wasserkraftwerk: Lageenergie (Oberwasser) ! kinetische Energie (Wasserströmung) !mechanische Energie (Turbine) ! elektrische Energie (Generator)

Windkraftanlage: Kinetische Energie (Luftströmung) ! mechanische Energie (Windrad)! elektrische Energie (Generator).

Energieeinheiten. Die kohärente SI-Einheit für Energie unabhängig vom Träger ist

1 J (Joule) D 1 Ws (Wattsekunde) D 1 N m (Newtonmeter) D 1 kg m2=s2

In der Energiewirtschaft wird als Vielfaches häufig 1 PJ (Petajoule) D 1015 J verwen-det. Daneben ist es immer noch üblich, Energieträger in Steinkohleneinheiten (SKE) zubewerten, wobei die Zuordnung 1 t SKE D 29;308�109 Ws gilt. In der elektrischen Ener-gietechnik misst man nur in kWh (Kilowattstunden) oder in Potenzen davon.

6.1.1.2 Erzeugung und Verbrauch elektrischer EnergieElektrische Energie ist direkt nicht speicherbar, so dass in einem Netz Erzeugung undVerbrauch in jedem Augenblick übereinstimmen müssen. Diese Aufgabe ist wirtschaft-lich nur in einem Verbund vieler Kraftwerke zu lösen, der in Europa etwa das Gebiet derEU umfasst. Abbildung 6.1 zeigt prinzipiell die Struktur dieses Verbundes mit den ver-schiedenen Spannungsebenen und den jeweils typischen einspeisenden Erzeugeranlagenund den wichtigsten Verbrauchern.

Große Kohle- und die verbliebenen Kernkraftwerke (GKW) mit Nennspannungen bis27 kV arbeiten über Maschinentransformatoren direkt auf die Höchstspannungsebene von380 kV (220 kV), deren Leitungen einen europaweiten Verbund realisieren. Ferner kön-nen große Offshore-Windparks (OWP) über Seekabel mit ihren Trafostationen hier ange-schlossen sein.

Freilicht-Umspannstationen (U1) erzeugen die nächste schon regionale Spannungs-ebene von 110 kV, in die kleinere fossile Kraftwerke (KW) aber auch Inland-Windparks(IWP) einspeisen. Als Abnehmer treten hier bereits große Industrieanlagen (IA) auf.

Die 10 kV bis 20 kV Spannungsebene ist in Städten bereits verkabelt und die Umspann-stationen (U2) sind in Gebäuden untergebracht. Hier sind z. B. kleine Wasserkraftwerke,Biogas-, Windenergie- und Blockheizkraftwerke angeschlossen (WB). Auch größere So-larparks (SP) speisen auf diese Spannungsebene ein. Abnehmer ist wieder im Wesentli-chen die Industrie.

Verteilertransformatoren (V) in den entlang der Straßen aufgestellten Häuschen bil-den ein Kabelnetz von 0,4 kV mit der Verbraucher-Endspannung von 230 V/380 V für alleHaushalte, städtische Einrichtungen und Gewerbebetriebe (H, G). Auch auf dieser unters-ten Spannungsebene wird durch die mittlerweile vielen Solardächer eingespeist.

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6.1 Erzeugung elektrischer Energie 439

Abb. 6.1 Struktur des deutschen Stromnetzes: 380 kV Fernübertragung, 110 kV Regionalnetz,10 kV Stadtnetz, 0,4 kV Enderbraucher (230 V/380 V), Kopplung durch Drehstromtransfor-matoren, Energieflussrichtung

Das komplexe System nach Abb. 6.1 muss durch Netzleitstellen so betrieben werden,dass Erzeugung und Verbrauch elektrischer Energie in jedem Augenblick übereinstim-men. Diese Aufgabe ist durch den ständig steigenden Anteil von Wind- und Solarenergieam Gesamtaufkommen zunehmend schwieriger zu lösen, da beide Energieformen aus be-kannten Gründen nicht verlässlich sind. So können die vielen Fotovoltaikanlagen z. B.in Süddeutschland bei voller Sonneneinstrahlung einen Energiebeitrag leisten, der etwadem fünffachen ihres Jahresmittelwertes entspricht. Dieser Anteil fällt nachts sowieso aberauch bei dunklen Wolken völlig weg und muss durch Speicherkraft- oder Gaswerke aberauch fossil betriebene Anlagen sofort ersetzt werden.

Zur Bewertung der verschiedenen Erzeuger hinsichtlich ihrer Effizienz kann man dieStundenzahl bestimmen, mit welcher die Anlage bei Betrieb mit ständig ihrer vollen Leis-tung PN die über das Jahr bereitgestellte Energie erzeugen könnte. Tabelle 6.2 zeigt eineZusammenstellung dieser auf PN bezogenen Nutzungsdauer tN. Wegen Revisionen, Stör-fällen usw. wird auch bei Kernenergie- und Kohlekraftwerken der theoretische Höchstwertvon 8760 h=a nicht erreicht.

Energieträger und Verbraucher. In Deutschland werden pro Jahr etwa 620 MilliardenKilowattstunden an elektrischer Energie benötigt. Die in früheren Jahrzehnten üblichenjährlichen Steigerungen, die bei ca. 7 %=a lagen, werden infolge einer besseren Energie-effizienz und geringeren wirtschaftlichen Wachstums nicht mehr erreicht. Aufgeteilt nachEnergieträgern für die Stromerzeugung und andererseits hinsichtlich der Verbrauchergrup-pen erhält man aktuell etwa die Daten in Tab. 6.3.

Kraftwerkpark. Für die öffentliche Energieversorgung stehen derzeit in Deutschlandetwa 100 GW Erzeugungskapazität zur Verfügung, wobei der Großteil immer noch aus

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440 6 Elektrische Energieversorgung

Tab. 6.2 Durchschnittliche Nutzungsdauer tN in Stunden=Jahr (Quelle VDEW, 2001)

Kraftwerke auf der Basis von

Kernenergie 7250

Braunkohle 7240

Laufwasser 5620

Steinkohle 4500

Windkraft 1500 (3500 Offshore)

Fotovoltaik 1000*

Pumpspeicher 980

Heizöl 250

*Errechnet mit der Annahme 1 m2 Solarmodul mit 100 W Spitzenleistung liefert 100 kWh=a

Tab. 6.3 Erzeugung und Verbrauch elektrischer Energie in Deutschland (Werte in %, 2011)

Braunkohle 24,9 Industrie 48

Steinkohle 18,6 Haushalte 27

Kernenergie 17,6 Handel, Gewerbe 14

Erdgas, Öl 13,7 Öffentl. Einrichtungen 8

Windkraft 7,6 Verkehr 3

Biomasse 5,2 Regenerativer Anteil

Wasserkraft 3,2 derzeit ca. 20 %

Fotovoltaik 3,1

Hausmüll 0,8

Sonstige 5,3

Kernkraft-, Kohle- und Gas/Öl-Kraftwerken stammt. Während bei Laufwasserkraftwer-ken nur noch wenig Zuwachs durch Neuanlagen, sondern eher durch Aufrüstung be-stehender Anlagen (s. Rheinfelden) zu erwarten ist, steigt der Beitrag vor allem durchdie Windkraft und Biomasse aber auch Fotovoltaik stetig an. Derzeit sind etwa 28 GWWindkraftleistung und 20 GW Fotovoltaikanlagen im Netz, welche etwa die in Tab. 6.3genannten Energieanteile bereitstellen.

Aus den Angaben in den Tab. 6.2 und 6.3 kann man erkennen, dass die NutzungsdauertN bei der Windkraft fast doppelt so hoch wie bei der Fotovoltaik ist. Dieser Abstand wirdsich durch den geplanten Aufbau von Offshore-Windparks weiter vergrößern. Tabelle 6.2zeigt im Übrigen auch, dass es für die Bewertung eines Kraftwerkparks hinsichtlich desEnergiebeitrags in kWh pro Jahr nicht zulässig ist, lediglich die Nennleistung zu betrach-ten. 1 GW in einem Braunkohlekraftwerk ist nach dieser Tabelle etwa 7 GW Fotovoltaikgleichzusetzen, wobei tages- und jahreszeitliche Schwankungen von Letzterer hinzukom-men.

Aufgeschreckt durch den jüngsten Atomunfall in Japan in Folge des schweren Erd-bebens wird allgemein ein möglichst schneller Ausbau des regenerativen Anteils der Er-

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6.1 Erzeugung elektrischer Energie 441

Abb. 6.4 Vereinfachtes Schema eines Kohlekraftwerks: K Kesselhaus, D Dampferzeuger, T Tur-binensatz, G Drehstromgenerator, S Kesselspeisepumpe, KD Kondensator

zeugungskapazität gefordert. So gibt die Politik immer höhere Planzahlen für den Ausbauvor, wobei als Endzustand möglichst 100 % angestrebt wird. Auf die notwendigen Konse-quenzen derartiger Zielvorstellungen wird in Abschn. 6.1.2.4 besonders eingegangen.

6.1.2 Kraftwerke

6.1.2.1 Thermische KraftwerkeKohlekraftwerke. Die wichtigsten Komponenten eines Kohlekraftwerks sind in demSchema in Abb. 6.4 enthalten. Im Kesselhaus K, das ab Leistungen von einigen 100 MWein Gebäude von über 100 m Höhe ist, wird feingemahlener Kohlestaub den in mehrerenEbenen rings um den Kessel angeordneten Brennern zugeführt. Die heißen Rauchgasegeben ihre Wärme über ein dichtgepacktes Rohrnetz an den Wasser-Dampf-Kreislauf ab.Dabei entsteht als Endprodukt Heißdampf mit Temperaturen bis ca. 550 ıC.

In einer Turbine mit Hoch-, Mittel- und Niederdruckteil wird die Energie des Damp-fes über Leit- und Laufschaufeln letztlich in mechanische Energie am Wellenausgangüberführt. Der Drehstromgenerator mit Leistungen bis 1000 MW ist direkt an die Turbineangekuppelt.

Nach dem Verlassen der Turbine wird der Dampf zur weiteren Entspannung einemKondensator genannten Röhrensystem zugeführt und hier meist durch eine Luft/Wasser-kühlung auf die Umgebungstemperatur abgekühlt und damit kondensiert. Das Wasser wirdschließlich wieder über die Kesselspeisepumpe dem Kesselhaus rückgeführt.

Idealisiert kann die Nutzung der Dampfenergie mit dem Carnot-Wirkungsgrad

�C D 1 � T2

T1

beschrieben werden, wobei T1 und T2 die absoluten Temperaturen am Eingang und Aus-gang der Turbine sind. In der Technik des Kraftwerks wird dieser Wert allerdings nichterreicht. Für die einzelnen Stationen des Energietransports kann man etwa die folgendenMinderungen ansetzen:Abweichungen vom Carnot-Prozess 0,85 Wirkungsgrad des Generators 0,99Wirkungsgrad der Dampferzeugung 0,92 Eigenverbrauch 0,95Wirkungsgrad der Turbine 0,90

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442 6 Elektrische Energieversorgung

Abb. 6.5 Turbogenerator Fabrikat Siemens/KWU im Heizkraftwerk Altbach/Deizisau der EnBWTurbine: 3-gehäusige Entnahme-Konden- Generator: Wasserstoff-Direktkühlungsationsmaschine mit 3 barFrischdampf 535 ıC=186 bar Spannung 21.000 V ˙ 5 %Zwischendampf 535 ıC=40 bar Strom 15.973 AKondensatordruck 0,075 bar absolut Scheinleistung 581.000 kVALeistung 464 MW max. elektr. cos ' 0,8Wärmekopplung 280 MW max. therm. bürstenlose Eigenerregung mit 375 V=4420 ADrehzahl 3000 U=min

Mit diesen Werten erhält man bei T1 D 823 K (550 ıC) und T2 D 300 K (27 ıC) einenNettowirkungsgrad von der Kohle bis zu den Generatorleistungen von 42 %. Bei den größ-ten Einheitsleistungen werden durch aufwändige Maßnahmen im Wärmebereich – Zwi-schenüberhitzung des Dampfes durch Teilentnahme im Hochdruckteil und Rückleitungzum Dampferzeuger derzeit Wirkungsgrade bis 48 % erreicht.

Bis zu einem Drittel der Investitionen für ein Kohlekraftwerk gelten heute den Auf-wändungen für den Umweltschutz durch Reinigung der dem Schornstein entweichendenRauchgase. Hier erfolgt:

• Eine Entstaubung durch Elektrofilter• Entschwefelung durch Kalk mit dem Endprodukt Gips• Entstickung durch eine katalytische Reaktion des NOx mit Ammoniak zu N2 und H2O.

Beispiel 6.1

Für ein modernes Steinkohlekraftwerk sind unter den Annahmen:

Wirkungsgrad � D 44 %, Kohleheizwert hC D 7,8 kWh=kg (7500 kcal=kg), reinerKohlenstoffanteil 82 % zu bestimmen:

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6.1 Erzeugung elektrischer Energie 443

a) Die erforderliche Kohlenmenge pro kWhb) Der CO2-Ausstoß pro kWh

a) Für die Kohlenmasse mC pro ins Netz gelieferte kWh gilt die Gleichung

mC D W

� � hCD 1 kWh

0;44 � 8;7 � kWh=kgD 0;26 kg :

b) Die Verbrennungsgleichung für Kohlenstoff lautet

C.12/ C O22.2 � 16/ ! CO2.44/ :

Die eingeklammerten Atomgewichte legen fest, dass aus 12 kg reinem Kohlenstoff44 kg Kohlendioxid entstehen. Mit den obigen Vorgaben gilt dann

1 kWh ! 0;26 kg � 0;82 � 44=12 kg CO2 D 0;780 kg CO2 :

Kraft-Wärmekopplung. Vor allem in stark industrialisierten Gebieten mit hohem Be-darf an Prozess- und Heizwärme und öffentlichen Gebäuden wie Krankenhäusern, Schu-len usw. wird zunehmend die Technik der Fernwärmeversorgung genutzt. Abbildung 6.5zeigt ein hierfür eingerichtetes Heizkraftwerk, in dem ein Teil des Dampfes die Turbinen-stufen nicht bis zum Kondensator durchströmt, sondern dazwischen ausgekoppelt wird.Dem Heizdampf wird in einem Wärmetauscher die Nutzwärme entzogen und danach wirder wieder in den Dampf-Wasser-Kreislauf eingespeist. Im Wärmetauscher entsteht Heiß-wasser, das über gut isolierte Rohrleitungen den Verbrauchern zugeführt wird. Dort erfolgteine zweite Übertragung in den Warmwasserkreislauf der Gebäude.

Addiert man zur erzeugten elektrischen Energie die so genutzte Wärme, so erhält manfür das gesamte System einen Wirkungsgrad von bis zu 80 %.

Gasturbinenkraftwerke. Abbildung 6.6 zeigt im oberen Teil das Schema einer Gastur-binenanlage. In einem mehrstufigen Axialverdichter V wird Luft angesaugt, verdichtetund der Brennkammer B zugeführt. Dort erfolgt die Verbrennung von Erdgas, dessen hei-ße Rauchgase die Turbine T antreiben. Verdichter, Turbine und Generator befinden sichauf einer Welle.

Durch den Einsatz keramischer Werkstoffe mit höherer Temperaturbeständigkeit konn-ten die Leistung von Gasturbinen auf über 300 MW bei Wirkungsgraden bis ca. 40 %gesteigert werden. Sie sind vor allem in ölreichen Ländern Basis der Energieversorgungmit gegenüber dem Dampfkraftwerk folgenden Vorteilen:

• Kompakte Bauweise, kurze Bauzeit• Niedrigere Anlagekosten• Kein Kühlwasserbedarf• Kurze Anfahrzeit (5 min bis 15 min)• Sehr geringe NOx-Emission.

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444 6 Elektrische Energieversorgung

Abb. 6.6 Vereinfachtes Sche-ma eines GuD-Kraftwerks:V Gasturbine mit Verdichter,B Brennkammer, T Turbine,DT Wärmetauscher, Dampftur-bine mit Kondensator (K) undSpeisepumpe (P )

Abb. 6.7 Vereinfachtes Sche-ma eines Kernkraftwerksmit Druckwasserreaktor:R Reaktorgefäß, W Wärme-tauscher, T Turbinensatz,G Drehstromgenerator,S Kesselspeisepumpe, K Kon-densator

GuD-Kraftwerke. Die Abgase einer Gasturbine enthalten bei bis zu 600 ıC noch sovielWärmeenergie, dass damit ein nachgeschalteter Dampfprozess versorgt werden kann. Dasbis etwa 1100 ıC heiße Rauchgas nach der Brennkammer wird somit nicht nur bis zumTemperaturniveau des Abgases der Gasturbine genutzt, sondern über die Dampfturbinebis in den Bereich der Umgebungstemperatur. Dies erhöht den Gesamtwirkungsgrad auffast 60 % und ergibt den höchsten Wert für alle Wärmekraftmaschinen.

Kernkraftwerke. Kernkraftwerke – von Gegnern immer Atomkraftwerke genannt – ba-sieren auf der 1938 von Otto Hahn und Fritz Strassmann entdeckten Spaltbarkeit vonUranatomkernen durch Beschuss mit Neutronen. Hierbei entstehen Spaltprodukte und ei-ne Umwandlung von Masse m in Energie nach der von A. Einstein entwickelten FormelW D mc2.

Leider wurde diese Technik durch die anfänglich rein militärische Nutzung in derAtombombe von Beginn an diskreditiert. Die friedliche Nutzung der Kernenergie führ-te zu einer ganzen Reihe von Reaktortypen, von denen das in Abb. 6.7 skizzierte Prinzipdes Druckwasserreaktors die größte Bedeutung hat.

Im Reaktor R wird in Brennstäben mit auf 3 % angereichertem Uran-235 eine kontrol-lierte Kettenreaktion aufrecht erhalten. Die dabei entstehende Wärme heizt das Wasserdes primären Kühlmittelkreislaufs auf, wobei der Druck so hoch gewählt ist, dass keinSieden auftritt. In einem Wärmetauscher W geht die Wärmeenergie auf den sekundärenDampfkreislauf über. Dort läuft mit Turbine, Kondensator und Speisepumpe ein konven-

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6.1 Erzeugung elektrischer Energie 445

tioneller Dampfprozess ab. Der Turbinenbereich gehört damit nicht mehr zur radioaktivenSchutzzone, was die Sicherheitsmaßnahmen deutlich vereinfacht. Da die Temperatur imPrimärkreis nur etwa 300 ıC beträgt, muss man im Vergleich zum Kohlekraftwerk ei-ne andere Turbinenauslegung mit größerem Durchmesser und daher geringerer Drehzahlwählen. Die Generatoren in Kernkraftwerken werden vierpolig und damit bei einer Fre-quenz von 50 Hz nur mit der Drehzahl 1500 min�1 ausgeführt. Wegen der ungünstigerenDaten des Dampfprozesses beträgt der Wirkungsgrad nur ca. 35 %, was wegen des gerin-gen Kostenanteils des Brennstoffes und fehlenden CO2-Ausstoßes tragbar ist.

Geothermische Kraftwerke. Anomalien in der Erdkruste gestatten die Nutzung derWärme in Tiefen bis zu einigen 1000 m. Kaltes Wasser wird durch ein Bohrloch nachunten gepresst, dort auf einige 100 ıC erwärmt und wieder nach oben geführt. Über einenWärmetauscher lässt sich ein Dampfprozess mit Turbine und angekuppeltem Generatoraufbauen. Mit dieser Technik wurde in der Toskana ein 300 MW-Kraftwerk errichtet(Lit. [1]). Größere Bedeutung hat die Nutzung der Erdwärme bislang nur in Ländern mitVulkantätigkeit wie in Island oder Neuseeland.

6.1.2.2 WasserkraftwerkeGrundlagen. In Wasserkraftwerken wird die durch Staustufen in einem Fluss oder einhochgelegenes Oberbecken gewonnene Lageenergie des Wassers der Masse m genutzt.Sie ergibt sich einfach aus dem Grundgesetz der Mechanik mit Arbeit ist Kraft mal Wegzu W D mgh. Die Fallhöhe h misst sich in Staustufen im Bereich von zehn Metern undbeträgt in Hochdruckanlagen einige hundert Meter.

Ersetzt man die Masse m durch das Volumen V und die Dichte %, so erhält man dieverfügbare Leistung P D W=t mit

P D %ghV=t :

Das Wasservolumen pro Zeiteinheit entspricht mit V=t D Q dem Durchsatz, so dass manfür die Bruttoleistung die Beziehung

P D %gQh

erhält. Fasst man alle Verluste im Wasserbereich im Wirkungsgrad �mech und des Genera-tors in �el, so ergibt sich die Nettoleistung der Anlage zu

PN D �%gQh (6.1)

mit � D �mech�el � 0;9 � 0;95 und g D 9;81 m=s2, % D 103 kg=m3.

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446 6 Elektrische Energieversorgung

Abb. 6.8 Schema einesHochdruck-Wasserkraftwerks:O Oberbecken, F Hochdruck-rohr, T Freistrahlturbine

Wasserturbinen. Je nach den wassertechnischen Gegebenheiten haben sich drei Ausfüh-rungsformen ausgebildet:

• Pelton-Turbinen werden für Fallhöhen über 100 m und geringere Durchsatzmen-gen Q eingesetzt. Eine oder auch mehrere Düsen spritzen das Wasser auf becherartigeSchaufeln des Laufrades. Eine Schneide in Schaufelmitte leitet den Wasserstrahl nachbeiden Seiten ab.

• Francis-Turbinen werden für mittlere Gefälle und ebensolche Wassermengen einge-setzt. Sie besitzen einen spiralförmigen, verstellbaren Leitkranz, welcher das Wasserdem Laufrad radial zuführt. Dort wird es nach Abgabe seiner Energie axial abgegeben.

• Kaplan-Turbinen werden in Flusskraftwerken bei geringer Fallhöhe und großen Was-sermengen verwendet. Hier sind neben dem Leitapparat auch die Schaufeln verstellbar,so dass eine Anpassung an das Wasserangebot möglich ist. Kaplan- wie auch Francis-turbinen werden meist mit senkrechter Welle und direkt angeflanschtem Generatorausgeführt.

Abbildung 6.8 zeigt das Schema eines Hochdruck-Wasserkraftwerks z. B. in den Alpen(Walchensee).

Beispiel 6.2

In einer Staustufe des Neckars bei Heidelberg besteht ein Laufwasserkraftwerk mitzwei Kaplanturbinen C Generatoren. Welche elektrische Energie kann hier bei folgen-den Vorgaben pro Jahr erzeugt werden?

Mittleres Gefälle h D 2,5 m, Wasseraufkommen Q D 2 � 70 m3=s, Wirkungsgrad � D84 %, Nutzung mit Volllast tN D 5620 h.

Nach Gl. 6.1 entsteht die Leistung

PN D Qhg%� D 2 � 70 m3=s � 2;5 m � 9;81 m=s2 � 103kg=m3 � 0;84 D 2884 kW :

Dies ergibt die Energie

W D PNtN D 2884 kW � 5620 h D 16;21 Mill. kWh :

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6.1 Erzeugung elektrischer Energie 447

Generatoren. In Wasserkraftwerken werden in der Regel Synchronmaschinen in Schen-kelpolbauweise, d. h. mit Einzelpolen im Läufer eingesetzt (s. Abschn. 4.4.1.1). In dengroßen Laufwasserwerken mit geringer Fallhöhe und großem Wasserdurchsatz sind Dreh-zahlen unter 100 min�1 üblich. Damit werden nach Gl. 4.50 mit p D f=n Polräder mitgroßem Durchmesser erforderlich (s. Abb. 4.58). So ergibt sich bei n D 75 min�1 einePolzahl von 2p D 80.

Weltweit werden derzeit etwa 20 % an elektrischer Energie aus der Wasserkraft er-zeugt. Großanlagen liegen alle außerhalb Europas mit dem derzeitigen Spitzenreiter Itaipuin Brasilien, wo in 12 Einheiten eine Gesamtleistung von 12 600 MW installiert ist. Inner-halb Europas ist der Anteil sehr unterschiedlich. Norwegen deckt mit ca. 99 % fast seinengesamten Energiebedarf, Österreich und die Schweiz erreichen etwa 70 % bzw. 60 %. InDeutschland werden durch Laufwasserkraftwerke an Rhein, Donau und den Nebenflüssennur knapp 5 % des Strombedarfs gedeckt. Große Zuwächse sind hier nicht zu erwarten,sie beschränken sich auf die Erweiterung bestehender Anlagen und kleinere Neubauten.Gegen beides gibt es wasserrechtliche und ökologische Bedenken (Lit. [2]).

Gezeitenkraftwerk. In Küstenregionen mit einem Tidenhub von über 10 m lassen sichprinzipiell Wasserkraftwerke errichten, welchen den hier großen Unterschied im Wasser-stand bei Flut und Ebbe ausnutzen. Diese Gezeitenkraftwerke liegen in der Staumauer voreiner Bucht oder Flussmündung und nutzen die starke Wasserströmung in beiden Rich-tungen. In dieser Technik wurde schon 1966 eine Anlage bei St. Malo (Bretagne) ander Rance-Mündung errichtet. Entlang des Dammes sind 24 Rohrturbinen zu je 10 MW-Generatorleistung installiert. Auch an der Ostküste von Kanada mit Tidenhüben bis 15 mbesteht bereits ein derartiges Kraftwerk. Gezeitenkraftwerke sind jeweils nur in den Stun-den mit einem nutzbaren Unterschied im Wasserstand zwischen Meer und Staumauer inBetrieb. Ihre Erzeugung elektrischer Energie ist damit nicht wie bei Flusskraftwerken überden Tag konstant, worauf sich der Verbundbetrieb einstellen muss. Wegen des aggressivenSalzwassers entstehen auch Werkstoffprobleme an den Turbinenschaufeln.

6.1.2.3 Regenerative EnergieerzeugungUnter regenerativer Erzeugung versteht man alle Techniken, die keine endlichen Ressour-cen dieser Erde wie Kohle, Öl oder Erdgas verbrauchen, sondern die natürlichen Quellenwie Wasser, Wind und Sonne oder nachwachsende Rohstoffe wie Holz, Biomasse undauch Müll nutzen. Der Einsatz der Wasserkraft wurde bereits im vorstehenden Abschnittbehandelt.

Windkraftanlagen. Die Nutzung des Windes hat mit der Windmühle in den Küstenlän-dern eine jahrhundertealte Tradition. Die in einer Strömung enthaltene kinetische Energiekann aus der Masse mW des Luftstromes und seiner Geschwindigkeit v zu

W D 1

2mW � v2

bestimmt werden.

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448 6 Elektrische Energieversorgung

Abb. 6.9 Schema eines Wind-rades

Die Luftmasse innerhalb des Windrades errechnet sich aus seiner Querschnitts-fläche A, der axialen Wegstrecke s innerhalb der Zeiteinheit t und der Luftdichte% D 1;38 kg=m3.�20 ıC) bis 1,19 kg=m2.C20 ıC). Damit erhält man

Wkin D 12%Asv2

und mit PW D Wkin=t D 12%Av2s=t

PW D 12%Av3 :

Mit A D sD2�=4 nach Abb. 6.9 ergibt sich die Leistung P D Wkin=t eines Windrades zu

P D 0;125%D2v3� : (6.2)

Der Wirkungsgrad � D 0,3 bis 0,5 berücksichtigt, dass nicht die gesamte auftreffendeWindenergie umgesetzt wird. Neben dem sehr großen Einfluss der Windgeschwindig-keit v geht auch der Rotordurchmesser D quadratisch in obige Gleichung der möglichenLeistung P ein. Dies erklärt den Bau immer größerer Anlagen. Bezogen auf die Windrad-fläche Aerhält man etwa folgende Leistungen für ein Windrad:

Windstärke: v (m=s) Bezogene Leistung PN=A (W=m2/

3 (schwacher Wind) 4 155 (frischer Wind) 9 1757 (steifer Wind) 15 8109 (Sturm) 22 2550

Windkraftanlagen sind in Küstennähe aber auch am Rand von Mittelgebirgen als soge-nannte Windparks ein bereits vertrautes Bild. Die meist dreiblättrigen Rotoren mit teilsüber 100 m Durchmesser ergeben Leistungen bis etwa 5 MW und treiben Synchron- oderAsynchrongeneratoren an. Da die Drehzahl der Rotoren vom Windaufkommen abhängigist, andererseits aber die Generatordrehzahl mit Rücksicht auf die 50 Hz-Netzfrequenzkonstant sein muss, werden zwischen Maschine und Netz Frequenzumrichter geschaltet.

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6.1 Erzeugung elektrischer Energie 449

Beispiel 6.3

Im norddeutschen Flachland ist ein Windpark mit Rotoren vom Durchmesser D D80 m geplant. Bezogen auf die Leistung PN kann mit einer Betriebsdauer tN D 1500 hund einer im Mittel wirksamen Windgeschwindigkeit von v D 9 m=s gerechnet wer-den. Es ist die erreichbare Energiemenge W pro Jahr bei % D 1,2 kg=m3 Luftdichteund � D 0,35 zu bestimmen.

Nach Gl. 6.2 erhält das Windrad die Leistung

P D 0;125 � 1;2 kg=m3 � .80 m/2 � .9 m=s/3 � 0;35 D 245 kW

Die jährliche Energie wird damit W D 245 kW � 1500 h D 0,3675 Mill. kWh

Fotovoltaikanlagen. Für die Nutzung der Sonnenenergie, die auch in unseren Breitenmaximal mit einer Energiedichte von 1 kW=m2 einstrahlt, werden folgende Technikeneingesetzt:

1. Sonnenkollektoren auf Dächern zur Erwärmung von Brauchwasser.2. Solarthermische Kraftwerke konzentrieren die Sonnenenergie über Spiegel und führen

sie einem Wärmetauscher zur Dampferzeugung zu.3. Solarelektrische Anlagen erzeugen in Solarmodulen direkt elektrische Energie. Diese

Technik wird als Fotovoltaik bezeichnet und nachstehend behandelt.

Solarmodule bestehen aus meist 10 � 10 cm2 großen Solarzellen, die eigentlich großflä-chige Fotodioden sind (s. Abschn. 2.1.4.1). Verwendet werden heute meist sogenanntepolykristalline Zellen, die man an ihren bläulich schillernden Kristallbereichen erkennt.Jede Zelle liefert eine Leerlaufspannung von etwa U0 D 0,55 V und eine Stromdichte vonJ D 25 mA=cm2 bei voller Sonneneinstrahlung. Ein m2 Solarmodul erreicht so eine Spit-zenleistung von gut 100 W und über ein Jahr aufsummiert werden ca. 100 kWh nach demWechselrichter erzeugt.

Solarenergie steht naturgemäß nur bei Tag und hier bei nicht bedecktem Himmel zurVerfügung. Innerhalb eines nicht wolkenfreien Tages kann die Einstrahlung damit wie inAbb. 6.10 gezeigt, stark schwanken. Über das Jahr verteilt, verläuft die tägliche Ener-gieeinstrahlung fast dreieckförmig mit den Tiefpunkten im Januar und Dezember bei ca.0,8 kWh=m2 und dem Höchstwert von ca. 5,4 kWh=m2 im Juli. Das Integral dieser Kurveergibt bei 10 % Wirkungsgrad die erwähnten etwa 100 kWh=m2 und Jahr.

Auf Privathäusern beträgt die Spitzenleistung von Fotovoltaikanlagen nur einige kW,was rechnerisch den Eigenbedarf deckt, wenn man – wie üblich – das örtliche EVU alsZwischenspeicher benutzt. Im Bereich von Fabrikanlagen, Messen und Berghängen sindbereits Anlagen im MW-Bereich installiert. In Spanien ist an einem GM-Standort mit11,8 MW die derzeit größte Spitzenleistung vorhanden.

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450 6 Elektrische Energieversorgung

Abb. 6.10 Energiedichte der Sonneneinstrahlung an einem Tag mit Wolken

Während die Fotovoltaik für die öffentliche Energieversorgung nur eine sehr beschei-dene Rolle spielt, kann sie eine wirtschaftliche Aufgabe für den Betrieb netzferner Klein-anlagen wie Notrufsäulen, Automaten oder Messeinrichtungen übernehmen. Hier kannman mit einer parallelen Batterie, die bei Sonnenschein geladen wird, eine ständige Ver-sorgung preisgünstig erhalten. In südlichen Ländern lassen sich tagsüber Wasserpumpenund häusliche Geräte betreiben. Die Idee einer Wasserstoff-Technologie, die mit Sonnen-energie südlicher Länder durch Elektrolyse von Wasser energiereichen Wasserstoff liefert,ist noch eine Vision.

Energie aus Biomasse. Im Katalog der regenerativen Energiequellen wird von Fachleu-ten auf das große Potenzial der Biomasse vom Holz über speziell angebaute Pflanzen biszur Gülle aus der Tierhaltung hingewiesen. In diesen Bereich gehört auch die Verwertungdes in größeren Mülldeponien über viele Jahre entstehenden Faulgases. Hier sind vielfachDeponiekraftwerke entstanden, deren Gasmotoren Drehstromgeneratoren bis zu einigen100 kVA antreiben. Leistungen im MW-Bereich erreichen wieder die Müllheizkraftwer-ke, in denen der Restmüll und Industrieabfälle verbrannt werden.

Im Rahmen der Kraft-Wärmekopplung entstehen seit einiger Zeit kleine thermischeKraftwerke, die mit Holzabfallen aus der Forstwirtschaft, den Sägewerken und bei Abriss-arbeiten entstehen. Wie die Blockheizkraftwerke, die allerdings z. B. in der Kombination

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6.1 Erzeugung elektrischer Energie 451

Dieselmotor/Generator Öl oder Erdgas benötigen, wird in diesen Anlagen zunächst Heiz-wärme für eine Siedlung und zusätzlich elektrische Energie erzeugt.

Eine weitere Möglichkeit ist die Nutzung der Gülle, wie sie bei intensiver Tierhaltung(Rinder, Schweine) in großem Umfang anfällt. Mit den hier entstehenden Faulgasen kön-nen ähnlich wie bei Deponien Kleinkraftwerke mit Gasmotoren betrieben werden. JedeNutzung der Biomasse ergibt eine neutrale CO2-Bilanz, da die Pflanzen während ihresWachstums die gleiche Menge Kohlendioxid wie sie bei der Verbrennung anfällt, aufge-nommen haben.

6.1.2.4 Entwicklung der EnergietechnikProblemebereiche. Von den in Tab. 6.3 aufgeführten Energieträgern sind die nachstehen-den Techniken zur Erzeugung elektrischer Energie, nämlich:

• Die Kernenergie mit ca. 18 % Anteil wegen ihrer potenziellen radioaktiven Gefähr-dung bei Unfällen oder Anschlägen und vor allem der nicht gelösten Endlagerung derAbfälle

• Die Braunkohle mit ca. 25 % wegen des massiven Eingriffs in die Landschaft und desklimaschädlichen CO2-Ausstoßes von fast 1000 g=kWh

• Die Steinkohle mit ca. 19 % wegen des mittleren CO2-Ausstoßes von ca. 750 g=kWh

und damit ein Anteil von fast 2=3 des Gesamtwertes gesellschaftlich und damit auch po-litisch immer mehr umstritten. Vor allem die Kernkraftwerke werden nach dem schwerenjüngsten Atomunfall in Japan von weiten Bevölkerungskreisen als unerträgliche Bedro-hung empfunden und ein möglichst schneller vollständiger Ausstieg gewünscht. Weitge-hend ausgeblendet wird dabei aber, dass diese „Antiatombewegung“ bislang im Wesentli-chen auf Deutschland begrenzt bleibt. Umgebende Länder wie z. B. Frankreich mit einemca. 80 %-Kernenergieanteil werden den Ausstieg wohl nicht vollziehen, so dass ein deut-scher Alleingang nur eine begrenzte Lösung ist.

Als Alternative zu Kernkraft- und Kohlekraftwerken bietet sich nur – von erreichbarenEinsparungen durch effizientere Nutzung abgesehen – der möglichst vollständige Umstiegauf eine regenerative Energieerzeugung an, deren Techniken in Abschn. 6.1.2.3 prinzipielldargestellt sind. Die mitunter diskutierten Gaskraftwerke sind dagegen keine langfristi-ge Lösung, da sie importiertes nicht unerschöpfliches Erdgas mit ebenfalls CO2-Ausstoßbenötigen. Nachstehend sollen nun einige Probleme und Aufgaben auf dem Weg zur künf-tigen Versorgung angesprochen werden.

Netzausbau und Speicherkapazität. Zunächst sind von den möglichen Techniken ei-ner regenerativen Energieerzeugung nur die Wasserkraft und die Biomasse einschließlichder Müllverbrennung verlässlich, d. h. ständig verfügbar. In Deutschland ist allerdings dieWasserkraft der Flüsse seit langem bereits weitgehend ausgeschöpft und es sind nur nochwenige kleinere Staustufen ausbaufähig und/oder Erweiterungen wie in Rheinfelden mög-lich.

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452 6 Elektrische Energieversorgung

Hinsichtlich des Einsatzes von Biomasse ist zu bedenken, dass hier eine Konkurrenzmit der Nahrungsmittelproduktion und dem Erhalt wertvoller Waldgebiete in fernen Län-dern entstehen kann. Es ist mehr als problematisch, Regenwälder abzuholzen, um danachin großflächigen Plantagen Palmöl zur Energieerzeugung herzustellen. Auch in Mitteleu-ropa werden schon Ackerflächen dem Getreideanbau entzogen, was sich bereits auf diePreise auswirkt. Biomasse sollte daher eher aus Abfallprodukten genutzt oder auf sonstnicht verwertbaren Böden erzeugt werden.

Anlagen zur Solarstromerzeugung und Windkraftparks sind leider keine verlässlichenVerfahren zur Erzeugung elektrischer Energie, da beide Verfahren ohne Sonneneinstrah-lung bzw. deutlichen Wind keinen Beitrag leisten. Hier steht die Energiewirtschaft künftigvor den größten Herausforderungen. Sie entstehen zum einen durch den großen räumli-chen Abstand der künftig effektivsten Windkraftanlagen in den Offshore-Windparks undebenso bei Solaranlagen in Südeuropa oder gar in Nordafrika. Ferner stellen die rasch undstark schwankenden Energieeinspeisungen in das Verbundnetz neue und hohe Anforde-rungen an die Steuerung der Lastflüsse. Zum Vollzug der „Energiewende“ gehört damitein „Masterplan“ aufgestellt, der Reihenfolge, Art und Umfang der nachstehenden, dring-lichen Aufgaben, die sehr hohe Investitionen verlangen, beschreibt.

Dieser Masterplan muss enthalten:

• Die Festlegung von Trassen für den Bau von Hochspannungsleitungen zur Anbin-dung der Windparks oder ferner Solaranlagen an das bestehende Verteilernetz bis Süd-deutschland.

• Aufbau von zusätzlichen Wasserspeichern (Ober- und Unterbecken) in unseren Mittel-gebirgen für den Betrieb von weiteren Pumpspeicherkraftwerken, so dass eine „Zwi-schenlagerung“ von momentan nicht benötigtem Ökostrom möglich wird und damiterst eine kontinuierliche Versorgung im Verbundnetz.

• Leistungsstarke Verknüpfungen mit den Netzen benachbarter Länder für den Energie-austausch innerhalb der EU verbunden mit einem abgestimmten Energiemanagement.

• Entscheidungen über den Bau von schnell einsetzbaren Gaskraftwerken und über denRestbedarf an modernen Kohlekraftwerken.

• Vorzeitige Einbindung kritischer Bevölkerungsgruppen zu den Baumaßnahmen vorOrt.

Obige Aufgaben sind weitgehend zwingend. So wird zwar als Alternative zu der erfor-derlichen Pumpspeichertechnik auch der Einsatz zeitweise überschüssigen Wind- oderSolarstromes für die Herstellung von Wasserstoff vorgeschlagen. Dieser könnte aufbe-reitet in das öffentliche Gasnetz eingespeist und/oder zum Betrieb von Brennstoffzellenverwendet werden. Auch die Umwandlung in die Energieform Druckluft und deren Spei-cherung z. B. in aufgelassenen Salzlagern für den späteren Einsatz in Gasturbinen istmöglich. Grundsätzlich sollte aber rasch ein gesellschaftlicher Konsens über die techni-schen Notwendigkeiten für den Ausstieg aus „Kern- und Kohlestrom“ hergestellt, so dassPlanung und Realisierung notwendiger Investitionen zeitnah möglich werden.

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6.2 Energieübertragung 453

Derzeit besteht die Gefahr, dass – auch angestoßen durch die Subventionen nach demEEG-Gesetz – der Aufbau regenerativer Anlagen rascher erfolgt als der zwingend dazuerforderliche Ausbau des Netzes und der Speicherkapazität. So kommt es bereits vor,dass Energie aus Windkraftanlagen nicht abgenommen werden kann, da das Netz dieseLeistung nicht aufnehmen kann. Zu klären ist auch die Wirtschaftlichkeit von Erdgas- undKohlekraftwerken, die nur noch als „Lückenbüßer“ nämlich dann in Betrieb sein müssen,wenn Wind und Sonne nicht verfügbar sind.

6.2 Energieübertragung

6.2.1 Elektrische Netze

6.2.1.1 StromversorgungsanlagenDie Erzeugung und Verteilung der elektrischen Energie erfolgt in Europa einheitlich mitder Stromart Drehstrom und der Frequenz 50 Hz. Nur separate Netze der Bahn werdenmit 16 2=3 Hz Wechselstrom und die Stadtbahnen mit Gleichstrom betrieben. Im Bereichder Drehstrom-Niederspannungsnetze gilt EU-weit der Einheitswert 230 V=400 V.

Drehstromnetze. Die Erzeugung elektrischer Energie erfolgt in den Kraftwerken derverschiedenen Arten im Spannungsbereich von ca. 5 kV bis 27 kV. Für die Übertragunggilt der Grundsatz, dass die Spannungshöhe etwa proportional zur Länge des Netzes seinsollte. So sind bei den großen Entfernungen z. B. in Kanada Freileitungen mit 750 kV Be-triebsspannung vorhanden. In Europa verwendet man für die Fernübertragung ein Niveauvon 380 kV, früher auch 220 kV und verbindet damit die Braunkohlenwerke im Nordenmit den Kern- und Wasserkraftwerken im Süden. Zwischendurch liegen Umspannwer-ke, die für den regionalen Bereich 110 kV-Netze einspeisen. Von dort geht es über weitereTransformatorstationen in die Kabelnetze der Städte mit Spannungen von 10 kV bis 30 kV.Sie führen zu den vielen Trafostationen in den Wohngebieten, wo Verteilertransformatorendie Spannung für die Endverbraucher auf 230 V=400 V herabsetzen. Insgesamt entsteht soeine Struktur nach Abb. 6.11.

Größere Industrieanlagen erhalten meist einen direkten Anschluss an das Mittelspan-nungsnetz von 110 kV bis 10 kV. Das Netz ist innerhalb des Landes stark vermascht, sodass bei Störungen in einem Leitungsbereich in der Regel die Versorgungssicherheit überandere Wege erhalten bleibt.

6.2.1.2 VerbundbetriebIn Europa betreibt die UCTE (Union for the Coordination of Transmission of Electrici-ty) ein großräumig vermaschtes Netz von Dänemark bis Spanien und Griechenland, dasüber eine Gesamtleistung von ca. 300.000 MW verfugt. Die skandinavischen Länder undGroßbritannien sind asynchron über Gleichstromverbindungen (HGÜ = Hochspannungs-

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454 6 Elektrische Energieversorgung

Abb. 6.11 Struktur deröffentlichen Energieversor-gung (ohne 220 kV Ebene):K1 Großkraftwerke über400 MW, K2 Kraftwerkebis 100 MW, K3 kleinereWasser- und Windkraft-werke, U1 Umspannwerke,U2 Umspannstationen, T Tra-fostationen

Gleichstrom-Übertragung) angeschlossen. Innerhalb dieses Großraums kann ein Aus-tausch elektrischer Energie und damit eine optimale Ausnutzung vorhandener Quellenwie z. B. großer Wasserkräfte erfolgen. Länder mit einem hohen Importanteil wie Italien(20 %) nutzen diese Möglichkeiten ständig.

Netzregelung. Für den Betrieb der Kraftwerke des öffentlichen Netzes besteht die Vorga-be, die Frequenz im Bereich 50 Hz ˙ 0,02 Hz konstant zu halten. Dies verlangt abgestufte,koordinierte Maßnahmen aller Verbundpartner.

Bei plötzlichen Belastungsänderungen wirkt zunächst die in den Turbinen- und Gene-ratorläufern gespeicherte kinetische Energie W0 mit dem Anteil

�W D ˙2 W0

�f

fN

stabilisierend. Bei der Vielzahl der Kraftwerksblöcke großer Leistung mit ihrem insgesamthohen Trägheitsmoment wirken sich daher kurzzeitige Lastsprünge kaum auf die Netzfre-quenz aus. Für das weitere Gleichgewicht zwischen Netzbelastung und Generatorleistungsorgen dann die Maßnahmen der Primär- und der Sekundärregelung. Für die Primärrege-lung halten die EVU’s in einem Teil ihrer Dampfkraftwerke eine Leistungsreserve bereit,die durch Öffnen der Frischdampfventile abgerufen wird. Dabei nutzt man den Dampfkes-sel als Energiespeicher und gleicht den Druck- und Temperaturabfall über eine verstärkeFeuerung möglichst rasch wieder aus. Aufgabe der Sekundärregelung ist es, die Netz-frequenz dauerhaft zu stabilisieren. Dazu werden vor allem Pumpspeicher-Kraftwerkeeingesetzt, die im Minutenbereich zugeschaltet werden können und das Lastdefizit aus-gleichen. Diese Anlagen übernehmen auch kurzzeitige Leistungsüberschüsse, wie sie z. B.bei Pausen und Schichtwechsel großer Industrien auftreten können. Sie übernehmen die-sen Überschuss für den Pumpbetrieb, so dass sich innerhalb eines Tages ein mehrfacherKurzzeitbetrieb mit Abgabe oder Aufnahme elektrischer Energie abwechseln.

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6.2 Energieübertragung 455

6.2.2 Schutzmaßnahmen in elektrischen Anlagen

6.2.2.1 Allgemeine GrundsätzeVerantwortlichkeit. Praktisch alle Tätigkeiten im Bereich elektrotechnischer Produk-te sind durch ein umfangreichen Regelwerk internationaler Institutionen, der EU und inDeutschland durch den VDE (Verband Deutscher Elektrotechniker) erfasst. So sind ver-antwortlich:

• Die Hersteller für eine den Bestimmungen gemäße Ausführung ihrer auf den Marktgebrachten elektrischen Betriebsmittel.

• Die Errichter für die Beachtung aller Vorschriften bei der Installation und Prüfung vonelektrischen Anlagen.

• Die Nutzer für den bestimmungsgemäßen Betrieb ihrer elektrischen Anlagen.

Die VDE-Bestimmungen, bzw. heute schon weitgehend Europanormen (EN) haben zwarnicht den Status von Gesetzen, sie gelten aber als „anerkannte Regeln der Technik“ undwerden bei Streitigkeiten auch vor Gericht in der Regel als Basis einer Entscheidung be-nutzt.

Eine bedeutende Rolle für den Einsatz der Elektrotechnik nimmt die NormenreiheDIN VDE 0100 „Errichten von Niederspannungsanlagen“ ein. In Abschnitt Teil 410 (Juni2007) werden mit den „Schutzmaßnahmen – Schutz gegen elektrischen Schlag“ (früherSchutz gegen gefährliche Körperströme) alle Maßnahmen zusammengestellt, die Men-schen vor gesundheitlichen Schäden beim Betrieb elektrischer Betriebsmittel bewahrensollen.

Netzformen. Im Zusammenhang mit den nachstehend besprochenen Schutzmaßnahmenkommt dem vom Sternpunkt der Verteilertransformatoren abgehenden Leiter eine beson-dere Bedeutung zu. Die einzelnen Schaltungsmöglichkeiten sind ebenfalls in DIN VDE0100, Teil 410 definiert und durch eine Buchstabenfolge gekennzeichnet. Nachstehendsollen daraus nur die wichtigsten Varianten angegeben werden.

TN-S-Netz (Abb. 6.12a). Der Neutralleiter N für den Anschluss der 230 V-Geräte istebenso wie der (grün-gelb gekennzeichnete) Schutzleiter PE zum Anschluss der Körper anden Betriebserder im gesamten Netz getrennt verlegt. Im ungestörten Betrieb führt nur derNeutralleiter N Strom; bei Körperschluss wird durch den Schutzleiter PE ein Kurzschlusshergestellt, so dass der Überstromschutz die defekte Anlage sofort abschaltet.

TN-C-Netz (Abb. 6.12b). Der PEN-Leiter fasst die Funktionen der beiden Leiter zu-sammen, d. h. er ist an den Betriebserder angeschlossen, führt nur den resultierendenBetriebsstrom der Wechselstromabnehmer, im Störungsfall den Kurzschlussstrom.

TN-C-S-Netz (Abb. 6.13). In Deutschland ist diese Netzform bei Anlagen in Industrie,Gewerbe und Haushalt am häufigsten anzutreffen. Vom geerdeten Sternpunkt aus führt

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456 6 Elektrische Energieversorgung

Abb. 6.12 a TN-S-Netz. Getrennte Neutralleiter und Schutzleiter b TN-C-Netz. Neutralleiter undSchutzleiter im PEN-Leiter zusammengefasst

Abb. 6.13 TN-C-S-Netz. ImNetz PEN-Leiter, beim Abneh-mer sowohl PEN-Leiter (a) alsauch getrennte Neutral- undSchutzleiter (b) möglich

ein gemeinsamer PEN-Leiter im Netz bis zum Abnehmer. Innerhalb der abnehmereigenenAnlage werden die zu schützenden Anlagenteile (Körper)

a) bei Leiterquerschnitten ab 10 mm2 Cu direkt an den PEN-Leiter angeschlossen („klas-sische Nullung“), Abb. 6.13a

b) bei Leiterquerschnitten unter 10 mm2 Cu über einen besonderen Schutzleiter PE an-geschlossen, der vom Neutralleiter N getrennt, aber leitend mit ihm verbunden ist(„moderne Nullung“), Abb. 6.13b.

Abbildung 6.14 zeigt als Anwendungsbeispiel den Anschluss eines Industriebetriebes andas TN-C-S-Netz mit einem Netzteil für größere Motoren und dem üblichen „Kraft- undLichtnetz“ für Drehstrom- und Wechselstromverbraucher, auch bei Anschluss über Steck-vorrichtungen.

Der Vollständigkeit halber werden noch die beiden weiteren Netzformen erwähnt:

TT-Netz: Im TT-System ist ein Punkt direkt geerdet; die Körper der Betriebsmittel sindmit Erdern verbunden.

IT-Netz: Das IT-System hat keine direkte Verbindung zwischen aktiven Leitern und geer-deten Teilen, die Körper der elektrischen Betriebsmittel sind geerdet.

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6.2 Energieübertragung 457

Abb. 6.14 TN-C-S-Netz. Anwendungsbeispiel: a Hauptverteilung, Netzteil mit Anschluss größererMotoren, b Unterverteilung für Kraft und Licht Anschluss über Steckvorrichtungen

6.2.2.2 Schutzmaßnahmen gegen elektrischen SchlagGefährdung des Menschen. In Abb. 6.15 habe das metallische Gehäuse eines elektro-technischen Betriebmittels B durch Beschädigung der Isolierung einen niederohmigenKontakt zur spannungsführenden Leitung L (Körperschluss). Das Gerät steht auf einerhölzernen Arbeitsplatte, so dass der Sicherungsautomat nicht anspricht. Der Benutzer mitdem Körperwiderstand RM berührt das Gehäuse und hat gleichzeitig ab seinen Fußsohlenden Erdungswiderstand RE. Vernachlässigt man den dagegen unbedeutenden WiderstandRT der Transformatorerdung und den des übrigen Stromkreises, so gilt für die Berüh-rungsspannung die Teilergleichung

UB D UNRM

RM C RE:

Nur weil in der Regel durch das Schuhwerk und den Bodenbelag RE viel größer als RM

ist, bleibt die Berührungsspannung UB so klein, dass keine Lebensgefahr entsteht. BeiUB � UN D 230 V besteht diese durchaus, was immer wieder Unfälle beweisen. In diesemFall kann es zu Herzkammerflimmern kommen, was ohne rasche Hilfe tödlich ist. VomSicherungsautomaten S des Stromkreises kommt keine Hilfe, da der Körperstrom weitunterhalb des Auslösewertes liegt.

Schutzmaßnahmen. DIN VDE 0100, Teil 410 sieht zum Schutz des Menschen eine oderauch mehrere der folgende Maßnahmen vor:

• Automatische Abschaltung der Stromversorgung• Verstärke oder doppelte Isolierung (Schutzisolierung)• Versorgung über einen Trenntransformator• Verwendung von Kleinspannung.

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458 6 Elektrische Energieversorgung

Abb. 6.15 Gefährdung ohneSchutzleiter

Abb. 6.16 Betriebsmittel mitSchutzleiteranschluss

Diese Techniken sollen nachstehend erläutert werden, wobei noch weitere Möglichkeitenwie z. B. der Aufbau isolierter Räume möglich sind.

Schutz durch Abschaltung. Grundlage ist ein TN-S-Netz nach Abb. 6.12a in dem inder Regel nach dem Kabeleingang in den Zähler- oder Verteilerkästen der PEN-Leiter derZuleitung in einen N-Leiter und einen Schutzleiter PE (Protection Earth) getrennt wird.Alle Verbraucher werden mit ihren zugänglichen metallischen Teilen an den Schutzlei-ter angeschlossen, was bei beweglichen Geräten über den Einsatz von Schukosteckernund entsprechenden Steckdosen erfolgt. Erfährt das Gerät einen Körperschluss, so kannnach Abb. 6.16 sofort ein Kurzschlussstrom Ik im Stromkreis mit L-Leitung, Sicherung,Schutzleiter, Transformator entstehen, der die Sicherung mit dem Abschaltstrom Ia aus-löst und damit die Stromversorgung abschaltet.

Vorbedingung für eine sichere Abschaltung ist, dass der Gesamtwiderstand Zk desStromkreises klein genug ist um einen Kurzschlussstrom Ik D UN=Zk � Ia zu garan-tieren. Dies muss der Errichter der Anlage in einem genormten Verfahren messtechnischüberprüfen. Als maximale Abschaltzeit bestimmen die VDE-Vorschriften bei UN � 230 Vdie Zeitspanne 0,4 s.

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6.2 Energieübertragung 459

Doppelte oder verstärkte Isolierung. Diese früher als Schutzisolierung bezeichneteMaßnahme verlangt neben der immer erforderlichen Grundisolierung spannungsführen-der Teile (meist Wicklungen) eine zusätzliche Isolierung für den Fehlerfall. In der Regelwird wie bei Hausgeräten ein Kunststoffgehäuse (Haartrockner, Rasierer, Mixer, Kaffee-maschine usw.) ausgeführt. Sind wie bei einer Handbohrmaschine trotzdem metallischeTeile berührbar (Bohrfutter), muss mit z. B. einer gegen den Läufer isolierten Welle dieAnforderung realisiert werden.

Schutzisolierte Geräte sind mit dem Zeichen erkennbar und werden über einenFlachstecker oder Schukostecker ohne PE-Kontakte angeschlossen.

Schutztrennung. Bei dieser Schutztechnik werden die elektrischen Betriebsmittel übereinen Sicherheits-Trenntransformator und damit gegenüber dem Versorgungsnetz isoliertangeschlossen. Beim Berühren spannungsführender Teile infolge Körperschluss entstehtkein geschlossener Stromkreis zur Erde und damit auch keine Berührungsspannung. DerFall entspricht dem Berühren eines Pols einer ausgebauten Autobatterie.

Kleinspannung. Diese Technik verwendet ebenfalls einen Sicherheits-Trenntransforma-tor und wird vorwiegend dort eingesetzt, wo besondere Gefährdungen anzunehmen sind.Die Kleinspannung von je nach Einsatz 6 V bis 50 V ist daher bei Spielzeugen oder spe-ziellen Handwerkzeugen üblich.

Fehlerstrom-Schutzeinrichtung. Ist in einem Stromkreis der Körperschluss eines Ge-rätes so hochohmig, dass der Abschaltstrom der Sicherung nicht erreicht wird, so bleibtdieser Fehler bestehen. Die Berührungsspannung kann aber den zulässigen Wert von UB �50 V überschreiten, so dass die Vorschriften zumindest für den besonders gefährdetenBereich von Nass-und Feuchträumen (Bad, Sauna, Gartenanlagen usw.) eine zusätzlicheSicherungsmaßnahme verlangen.

Diese erfüllt die in Abb. 6.17 dargestellte Fehlerstrom-(FI)-Schutzschaltung. Im unge-störten Betrieb (Abb. 6.17a) treibt die Spannung U3N einen Wechselstrom durch den mitausgefüllten Pfeilen gekennzeichneten Stromkreis. Bei Körperschluss bildet sich zusätz-lich ein Parallelstromkreis von der Fehlerstelle bis zum Sternpunkt des Transformators aus(leere Pfeile), der zur Folge hat, dass sich die Ströme in den Durchführungen L3 und N(Abb. 6.17b) des Stromwandlers (im Schaltplan 6.17a durch die beiden Primärwicklungenim FI-Schutzschalter dargestellt) nicht mehr wie im ungestörten Betrieb aufheben. Durchden deshalb im Eisenkern entstehenden magnetischen Wechselfluss wird in der Sekundär-wicklung des Wandlers eine Wechselspannung erzeugt, die an die Spule des Auslöserelaisgelegt wird, so dass mittels des hervorgerufenen Auslöserstromes das Schaltschloss ent-riegelt wird. Bei Anschluss eines Drehstromverbrauchers werden alle vier Zuleitungendurch den Wandler geführt (Abb. 6.17c).

Die Differenz zwischen den zu- und abfließenden Strom in den Primärwicklungenwird als Fehlerstrom �I bezeichnet. Für Wohnbereiche wird der 30 mA-Typ gewählt, derbeim Auftreten eines Fehlers innerhalb weniger Perioden der Netzspannung abschalten

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460 6 Elektrische Energieversorgung

Abb. 6.17 Fehlerstrom(FI-)Schutzschaltungen. a Schaltplan. Betriebsstromkreis (ausgefüllteStrompfeile) und Fehlerstromkreise (leere Strompfeile) bei Körperschluss des Verbrauchers,b Ringstromwandler mit Eisenkern; Durchführungen L3 und N , links Sekundärwicklung,c Drehstrom-Fehlerstrom (FI)-Schutzschaltungen

muss. IT-Schutzschalter erkennen bereits sich anbahnende noch hochohmige Isolations-fehler und zeigen diese im Unterschied zum Sicherungsautomaten durch Abschalten an.Zu beachten ist, dass sie die Schutzleitertechnik nicht ersetzen, sondern nur zusätzlichverwendet werden dürfen.

Literatur

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