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203 3. ~ ~ m t a r e l'hede der a.tmoapiLUr6achen SflegeZumgen; vm AIfred Wagemer. Die haufigen Luft,spiegelungen, sowohl nach oben wie nach unten, die ich wahrend meines im ganzen vierjahrigen Aufenthaltes in Gronlond zu beobachten Gelegenheit hatte'), und die ein ausgezeichnetes Material fur eine Prufung der Theorie abgeben werden, vcranlaBten mich zu einer Be- schiiftigung mit den vorhandenen, mesentlich auf Tai t und Bio t basierenden theoretischen Arbeiten, und fuhrten mich dadurch bald zu der Einsicht, daB diese mehr fur ex- perimentelle Untersuchungen im Laboratorium zugeschnitten sind als fur die atmosphgrischen Spiegelungen. Dies hat auch einer der neueren Theoretiker auf diesem Gebiete, W. Hillers , selber ausgesprochen : ,,Fur die Untersuchung der wirklichen atmospharischen Luftspiegelungen mit ihren labilen Ver- hiiltnissen, die kaum eindeutig aus gegebenen Bedingungen zu entwickeln sind wie jene im Experiment, wird die Be- handlung wohl noch ,,phiinomenologisch" bleiben miissen, Eine Spiegelung wird ,,erklart" sein, wenn es gegluckt ist, die Erscheinungen aus einer beobachteten Temperaturfunktion berechnet zu haben. Einer solchen Durchrechnung st ellen sich aber meist aufierordentliche mathematische Schwierig- keiten entgegen, auch wenn die zur Berechnung notwendige Temperaturfunktion genugend genau bekannt ware. Schon die jetzt in den meisten Handbuchern wiedergegebene Dar- stellung nach Tait der Vinceschen Luftspiegelung la6t das 1) Einen Teil dieser Ekobachtungen (mit zehlreichen Abbildungen) i i d e t man im Wetterjournal der ,,Meteorologiache Terminbeobachtungen am Danmarks -Ham", Danmark-Ekapeditionen ti1 Grbnlands Nord6st- kyat 1906-1908. Bd. II. No. 4 (Meddelelser om Grbnland, Bd. XLII), Kbbeqhavn 1911. Daa (meist photographische)Material von der Gronland- durchquerung mit Koch 1912/13 ist noch nicht veroffentlicht.

Elementare Theorie der atmosphärischen Spiegelungen

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3. ~ ~ m t a r e l ' h e d e der a.tmoapiLUr6achen SflegeZumgen;

v m AIfred Wagemer.

Die haufigen Luft,spiegelungen, sowohl nach oben wie nach unten, die ich wahrend meines im ganzen vierjahrigen Aufenthaltes in Gronlond zu beobachten Gelegenheit hatte'), und die ein ausgezeichnetes Material fur eine Prufung der Theorie abgeben werden, vcranlaBten mich zu einer Be- schiiftigung mit den vorhandenen, mesentlich auf Ta i t und Bio t basierenden theoretischen Arbeiten, und fuhrten mich dadurch bald zu der Einsicht, daB diese mehr fur ex- perimentelle Untersuchungen im Laboratorium zugeschnitten sind als fur die atmosphgrischen Spiegelungen. Dies hat auch einer der neueren Theoretiker auf diesem Gebiete, W. Hil lers , selber ausgesprochen : ,,Fur die Untersuchung der wirklichen atmospharischen Luftspiegelungen mit ihren labilen Ver- hiiltnissen, die kaum eindeutig aus gegebenen Bedingungen zu entwickeln sind wie jene im Experiment, wird die Be- handlung wohl noch ,,phiinomenologisch" bleiben miissen, Eine Spiegelung wird ,,erklart" sein, wenn es gegluckt ist, die Erscheinungen aus einer beobachteten Temperaturfunktion berechnet zu haben. Einer solchen Durchrechnung st ellen sich aber meist aufierordentliche mathematische Schwierig- keiten entgegen, auch wenn die zur Berechnung notwendige Temperaturfunktion genugend genau bekannt ware. Schon die jetzt in den meisten Handbuchern wiedergegebene Dar- stellung nach T a i t der Vinceschen Luftspiegelung la6t das

1) Einen Teil dieser Ekobachtungen (mit zehlreichen Abbildungen) i ide t man im Wetterjournal der ,,Meteorologiache Terminbeobachtungen am Danmarks -Ham", Danmark-Ekapeditionen ti1 Grbnlands Nord6st- kyat 1906-1908. Bd. II. No. 4 (Meddelelser om Grbnland, Bd. XLII), Kbbeqhavn 1911. Daa (meist photographische) Material von der Gronland- durchquerung mit Koch 1912/13 ist noch nicht veroffentlicht.

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204 A . Wegener.

erkennen."l) Der Grund liegt darin, daB man rueint, cier Tempereturverlauf mit der Hohe musse unter allen Ums tanden ein stetiger sein, und es durften also keine Temperatursprunge vorkommen. Man suchte also rach einer solchen stetigen Punktion, welche imstande war, Ypirgelbilder zu liefern, und der Erfolg cler theoretischen Behandlung hing d a m davon ab, ob sich diese Funktion integrieren lieB, so daB man die Gleichung der Lichtkurve ableiten konnte. Dieser Ansatz erscheint fur atmospharische Spiegelungen, namentlich solche nach oben, die durch eine uber dem Beobachter gelegene Temperaturinvenion erzeugt vierden, recht ungeeignet . Auf dei Danmark-Expedition habe ich fur 7 Fiille mit Spiege- lung nach oben Hdhenlege und Betrag der Inversion mil Drachen oder Fesselballon ermittelt und die vertikale Tem- peraturverteilung durch Zustandskurven nach den Registrie- rungen dargeste1lt.a) W-ie nach unserer heutigrn Kenntnis der Inversionen ohnehin an erwarten war, zeigte sich, daB das Aussehen dieaer Zustandskurven von Fall zu Fall und auch zeitlich (zwischen Aufstieg und Abstieg) sehr variierte. Es erscheint giinzlich ausgeschlassen, hier eine mittlere Form 5u finden, die man etwa versuchen konnte, analytisch dar- emtellen. Aber etwas Gemeinsames ist in diesen Kurven doch zu erkennen: sie erscheinen samtlich als Unstetigkeiten des Temperaturverlaufes, durch welche die Luft in zwei Schichten, eine untere kalte und eine obere warme, zerlegt wird. Freilich ist dieser Temperatursprung nicht wharf, son- dern durch teilweise Mischung der Schichten verwaschen ; aber diese Mischung ist so verschieden weit vorgrschritten und zeigt im einzelnen ein so verschiedenes Auisehen, daB es unzweifelhaft das NaturgemaBe ist, sie in erster Niiherung au vernachliissigen und mit einem scharfen Temperatursprung zu rechnen, den die bisherige Theorie gerade prinzipiell &us- schlol3. Man ist ja auch auf anderen Gebieten langst an dime Auffassung gewohnt, deB die Inversionen Diskontinuitatsflachen zwischen verschieden temperitxten Luftschichten sind, ein

1) W. Hillers, Photographische Aufnahme einer mehrfachen Luft- spiegelung. Physik. Zeitschr. 14. p. 718 u. 719. 1913.

2) A. Wegener, Drachen- und Fesselballonaufstiege. Danmark- Ekspeditionen ti1 Grbnlands Nordbstkyst 1906- 1908. Bd. 11. Nr. 1 (Meddelelser om Grbnland, Bd. XLII). Kbbenhavn 1909.

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Ebnzentare Theorie der atmospharischen Spiegelungen. 205

Begriff, der zuerst von He lmho l t z eingefuhrt wurde und Uogleich zur Erkliirung der Luftwogen und Wogenwolken iiihrte. -4uch auf dem Gebiete der atmosphiirischen Spiege- lungen bringt diese Auffassung der Inversionen als Diskonti- nuitatsflachen, wie gezeigt werden wird, eine ungeheure Ver- einfachung des Problems und gestattet, mit elementaren Hilfsmitteln eine Theorie abzuleiten, welche eine weitgehende Vergleichung mit den Reobachtungm ermoglicht.

Noch in einem zweiteii wichtigcln Punkte weicht die vor- liegende Theorie von dcr bisherigen ab: die Kriimmung der Erdoberflache, durch deren Mitnahme die alte Theorie hoff- nungslos kompliziert geworden ware, konnte jetzt ohne Schwierigkeit berucksichtigt werden. Es eeigte sich dabei, da% gerade durch sie manche Erscheinungen iiberhaupt erst ihre ErklBrung finden, so daB schori wegen ihres Fehlem die alte Theorie gana unzulanglich erscheint. Man' kann sich dies leicht an einjgen Zahlen klarmachen, niimlich wenn man be- riicksichtigt, wieviel starker die Erdkriimmung ist als die der Lichtstrahlen. Der Krummungsradius der (allein in Frage kommenden) nahe horizontalen Lichtstrahlen ist namlich bei +inem Temperaturgefalle von 3,40 pro 100 m Hohe unend- lich, bei Isothermie betragt er immer noch ca. 4 Erdradien, und erst bei einem umgekehrten Gefiille von 11 O pro 100 m Hohe wird er gleich dem Erdradius; sein gewohnlichster Wert j s t gleich 7 Erdrsdien. Unter diesen Umstiinden miissen also die Erscheinungen durch die Erdkriimmung gana wesentlich beeinfldt werden, und es ist nicht zuliissig, dieselbe zu ver- nachlbsigen.1)

Im folgenden wird der Versuch gemacht xerden, die

1) In der Tat hat sich diese Vernachliissigung bereits geriicht; denn noch niemand, auch nicht Pern ter in seiner ,,Meteorologische Optik" (Wien und Leipzig 1902) ist, auf die richtige Erklarung der so haufig beechriebenen Verzerrung der Sonnenscheibe im Horizont ge- kommen, - eben weil sich die Theorie der Spiegelung nach oben nicht auf auhrirdische Objekte anwenden liiBt, solange man von der Erd- kriimmung abbieht. Die erste, qualitative Erkliirung gab ich in meiner Abhandlung ,,tfber die Ursache der Zerrbilder bei Sonnenuntergiingen" in BFitr. z. Phys. d. freien Atmosphiire. Bd. 4. Heft 1. Die dort der Einfachheit halber gemmhte Annahme, daB innerhalb jeder de r beiden Schichten der Lichtstrahl geradlinig verliiuft, wird in der vorliegenden Arbeit. aufgegeben.

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20 6 A . Wegener.

atmosphiirischen Spiegelungen unter der Annahme zu be- rechnen, daB an der Schichtgrenze ein scharfer Temperatur- sprung herrscht, so daB der Lichtstrahl hier eine Brechung bzw. Reflexion erleiden kann. Dagegen wird vorausgesetzt, dsB innerhalb der beiden Schichten normale Brechungsver- hlltnisse herrschen, d. h. der Lichtstrahl einen flachen Kreis- bogen beschreibt, wie es in der Theorie der terrestrischen Refraktion gewijhnlich angenommen wird. Und endlich wird die Kriimmung der Erdoberfliiche und die lionzentrische Krummung der Schichtgrenze (selbstverstandlich unter der vereinfachenden Annahme der Kugelpst alt) berucksicht igt werden.

Das VerhHltnis des Erdradius zum Kruminungsradiu des Lichtstrahles wird bekanntlich als Koeffizient der ter- restrischen Refraktion (k) bezeichnet und kann entweder aus geodatischen hlessungcn oder aus dem Temperaturgefiille innerhalb der Schicht berechnet werden. Die Einfiihrung von b in unsere Gleichungen gestattet also, such das Temperatur- gefiille innerhalb cler Schichten zu berucksichtigen. wenn Beobachtungen dariiber vorliegen. 1st dies nicht der Fall, so nimmt man fur k einen mittleren Wert, woriiber weiter unten nahere Angaben gemacht werden.

Wir werden in drei Abschnitten die Spiegelung nach oben, diejenige nach unten und die Zerrbilder der Sonne im Horiaont behendelt.

1. Spiegelung nach oben.

Bei dieser Spiegelung liegt, wie erwahnt, eine Inversion oberhalb des Beobachters. Den Schlussel zum Verstandnis der Erscheinungen bietet der Satz, da% der am Auge hori-

zontal eintreffende SfrahE an der Schicht- grenze ?nit dieser den kleinsten Winkel bikiet, d. h. den groBten Einfallswinkel hat. Der Beweis hierfur liiSt sich leicht a m Fig. 1 ableiten.

8s sei die Sohichtgrenze. Der Be- obachter B befinde sich an der Erd- oberfliiche. Vom Punkte P der Schicht-

0 greme erreicht ihn ein beliebiger Strahl P By dessen Kriimmungsmittelpunkt 0

5

Fig. 1.

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Ebmmtare The& der atnPosph&ischen Spiegelungen. 207

sei. M ist der Erdmittelpunkt. H sei die Hohe der Schicht- grenze, also M P = R + H, wo R der Erdradius ist. Nach der Definition von k ist 0 B = 0 P = RJk. M B O = h ist gleich dem Hiihenwinkel des Strahles beim Beobachter, $= M P O = = 90 - a: das Komplement des Einfallswinkeh an der Schichtgrenze.

Das Quadrat der Seite MO ist nach dem Kosinussata in den beiden Dreieoken M O B und M O P :

Ri Hoosq = cos h + .T k [ ( T ) e - R + I I 11 .

Oder wenn wir = 8 setzen: k (1 + & ) C O s q = C03h + T((f!& + SZ),

aorin wir cosq auch durch s ina ersetzen konnen. Da das zweite Glied der rechten Seite ebenso wie der Faktor (1 + E )

auf der linken nur von den vorgegebenen mcteorologischen Bedingungen abhangt, ist ohne weiteres ersichtlich, daB der Einfallswinkel a seinen groBten oder 7 seinen kleinsten Wert erreicht, wenn cos h = 1 oder h = 0 ist. Damit ist die Be- hauptung erwiesen.

Fur jeden Wert von h > 0 wird der Einfallswinkel a einen kleineren Wert annehmen, und da cos ( -h) = cos h, 80 erhalt man denselben Wert a auch fur den gleichen Hohen- winkel mit entgegengesetztem Vorzeichen. Bezeichnen wir der Kiirae halber den Strahl, der beim Beobachter horizontal eintrifft, als horizontalen Strahl, so konnen wir sagen: zu jedem Strahl oberhalb des horizontalen gehort ein symme- trischer unterhalb desselben, welcher an der Schichtgrenae den gleiohen Einfallswinkel besitzt ; der Einfallswinkel dm horizontalen aber ist der groSte.

Eine Spiegelung kann erst dann eintreten, wenn dieser Einfallswinkel den Grenzbetrag fur Totalreflexion uberschreitet . Vom Beobachter gesehen, mu6 sich dann die Spiegelung auf einen Streifen bestimmter Breite besohrlinken, &wen Mitte gmu im astronomischm Hwizont liegt.

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208 A . Wegener.

In Fig. 2 stellt P,ZP die Schichtgrenze dar, und der flache Bogen P,P einen Strahl, welcher in P (und also auch in PI) an der Schichtgrenze gerade den Grenzeinfallswinkel

besitzt. Ziehen wir von allen Punkten der Schichtgrenze diese Grenzstrahlen, so er- fiillen sie in ihrer Gesamt-

+ hrit eine Kugelschale, in welcher sich der Beobachter und sein Objekt jedenfalls

befinden mussen, wenn pine Spiegehng zustande * kommen soll; denn alle Strahlen, die von einem Punkte unterhalb der punktierten Kreislinie gezogen werden konnen , treffen die Schichtgrenze unter kleinerem Einfallswinkel und pas- sieren sie also, ohne zuriickgeworfen zu werden. Die Machtig- keit dieser Kugelschale wollen wir deshalb die Wirlcungstiefe der Inversion nennen. Sie ist nur abhangig von den Temperatur- verhaltnissen derselben.

Uber den Einflufl der Eatfemung auf die Art der ge- spiegelten Bilder lU3t sich einiges aus Fig. 3 entnehmen.

c;

Fig. 2.

.’ Fig. 3.

Vom Beobachter B sind darin die beiden Grenzstrahlen dez Totalreflexion und der hori- zontale Strahl (dieser ge- strichelt) gezeichnet . Rechnet man die riickwiirtigen Verlan- gerungen bis E hinzu, SO

sind die beiden Grenzstrahlen offenbar gleich lang; der horizontale Strahl aber ist kiirzer.

Infolgedessen miissen auch die beiden Reflexionspunkte der Grenzstrahlen bei E, A und D stets gleich weit von

einander entfernt sein, wahrend der RefleHonspunkt des horizontalen Strcthles sich bei jeder neuen Reflexion mehr gegen sie verschiebt. Der Strahlengang ist also nicht genau symmetrisch zur Reflexionsstelle A , und bei C schneiden sich nur die beiden Grenzstrahlen, wiihrend der horizontale

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Elementare Tl~eorie der atrnospharischen Spiegelungen. 209

hier etwss oberhalb dieses Schnittpunktes verlauft. Immer- hin ist aber die Symmetrie noch so weit gewahrt, daB alle total reflektierten Strahlen, die bei A einen erheblichen Raum einnehmen, sich bei C knotenartig zusammenziehen. B C ist demnach diejenige Entfernung, in welcher die Objekte die groBte Vertikalverzerrung erfahren; denn ein Objekt von geringer Hohe, das sich hier befindet, fullt fur den Beob- achter die ganze Breite des spiegelnden Streifens Bus. Dicht jenseits von A , vom Beobachter aus gerechnet, ist dagegen die geringste Verzerrung des Spiegelbildes zu erwarten. Auch zwischen C und D nimmt die Verzerrung wieder ab; doch hBlt sie sich hier im oberen Teile des Spiegelbildes noch bis zur Reflexionsstelle. In der Figur sind direktes Rild und Spiegelbild an dem Beis pie1 einer steilen Pyramide schema- tisch erliiutert : Wiihrend das direkte Bild mit zunehmender Entfernung vom Beobachter mehr und mehr unter den Hori- zont versinkt, sind die Spiegelbilder an den total reflek- tierenden Streifen gebunden, der stets in gleicher Hohe liegt. Die Spiegelung beginnt zungchst im oberen Teile dieses Streifens ; bei znnehmender Entfernung dehnt sich das Spiegel- bild nach uriten aus, so daB die Pyramidenspitze schlieBlich unterhalb des spiegelnden Streifens liegen wiirde und also unsichtbar ist. Bei der in C ststtfindenden Maximalpbase der Vertikalverzerrung tritt nun eine interessante Erschei- nung ein: jenseits derselben erscheint das Spiegelbild wieder aufrecht. Die Vertihlverzerrung bildet also einen stetigen Uber- gang vom umgekehrten zum aufrechten Spiegelbilde. Damit ist das Wesen dieser Vertikslverzerrung, die bei den Luftspiege- lungen eine so uberaus groBe Rolle spielt, erklart.

Wir gehen nun dazu uber, die Gleichungen f i r die qnanti- tativen Berechnungen abzuleiten. Vorausgeset.zt sei dabei die Berechnung des Brechygsquotienten der Schichtgrenze eowie des Refraktionskoeffizienten, da diese GroBen fortwahrend in den Gleichungen auftreten.

Um den Brechungsquotienten der Schichtgrenae aus dem dort herrschenden Drucke p und den absoluten Temperaturen TI und T, der untereii und oberen Schicht zu berechnen, beriicksichtigen wir, daB sich nach einem empiriwhen Gesetz l)

1) Vgl. z. B. Chwolson, Lehrbuch d. Physik. 2. Bd. p. 372. Braunschweig 1904.

Annalen der Physik. IV. Fake. K7. 14

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21 0 A . Wegener.

der absolute Brechungsquotient Y der Luft (gegen den leeren Raum) mit der Luftdichte e so veriindert, daS der Ausdruck - konstant bleibt. v - 1

4 Es ist also

v = ' ( v o Qo - 1) + 1, wo sich y und eo auf Luft von O o C und 760 mm Druck be- ziehen. Ferner ist nach einem bekannten Geseta der Bre- chungsquotient der Schichtgrenze gleich dem Verhaltnis der absoluten Brechungsquotienten der unteren und der oberen Schicht :

n = ? L , o - . 01

-((Yo - 1) + 1

- ( V o - 1) + 1 up el Po

Ds nun 273 und & = L. - 273

4r 760 TI q0 760 Ta ist, so wird

p 273 -.- 760 T, ('0 - '1 f

n = -.- 273 (Yo - 1) + 1 ' 760 T2

r,, ist gleich 1,000294; wir konnen daher ( y o - 1) ab kleine GroSe betrachten, und folglich such den ganaen Ausdruck

p 273 760 T, - * -(vo - 1 ) ;

daher konnen , wir geniihert schreiben: n = [ & * T ( v o - l ) + l ) ] - [ l - - . - ' 278 p 273

760 TI Multipliaieren wir am und vernachlilssigen (yo - 1)2, so wird

1 1 n = 1 + -E 273 (vo - 1) (-% - -) oder, wem wir fur yo seinen Zahlenwert einfuhren m d Tp - TI = A T setzen:

760 Ta '

n = 1 + 0,000106 -2- - A T , TI Ta

oder wenn man n - 1 = S setzt:

6 = 0,000106P- AT, I Tl Ts

(2)

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Elementare Theorie dsr atmospharischen Spiegelungen. 21 1

wobei p in Millimetern auszudrucken ist. Ds der Faktor p/Tl T2 stets nahezu gleich ist, so genugt fur Uberschlags- zweckc meist die vereinfachte Formel:

6 = 10-6. d T . Die genauere Formel (2) gibt a. B. fur p = 750 und TI = 273 folgende Werte von 6 fur eine Inversion von

(2 a)

A T = 2' 50 100 15" 8 = 0,0000021 0,0000052 0,0000103 0,0000152

Die Ermittelung des Refraktionskoeffizknkn k ist eine bekannte Aufgabe der Geodiisie. Er wird dort aus gleich- zeitigen gegenseitigen Zenitdistanzmessungen ermittelt. Auf dieaem Wege, den wir empirisch nennen konnen, hat man folgende Werte gefunden') :

Landestriangulation, iiber Land . . . . . . . . k = 0,12 Struve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . k = 0.12 Baeyer, iiber Land . . . . . . . . . . . . . . k = 0,12 Caraboeuf . . . . . . . . . . . . . . . . . . k = 0,13 hndebtriangulation nahe der Kiistt, . , . . . . k = 0,13 Gauss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . k = 0,13 Mp6t de la Gnerre . . . . . . . . . . . . . . k = 3,14 Baeyer, nahe der Kiiste . . . . . . . . . . . . k = 0.14 OstpreuDiache Gradmessung . . . . . . . . . . k = 0,14 Danmark-Expedition, uber Land . . . . . . . . k- 0,16 Delambre . . . . . . . . . . . . . . . . . . k = 0,17 Baeyer, iiber Wasser . . . . . . . . . . . . . k =; 0.18

iiber Wasser . . . . . . k = 0,52 Denmark-Expedition iiber Wasser zum Meeres- { horizont . . . . . . . k = 0.58

Wie stark k variieren kam, zeigt die folgende Zusammen- st ellung kleinster und groBter Werte : Max. Min.

Delambre . . . . . . . . . . . . . . . +0,60 -0,Ol OstpreuDische Gradmessung . . . . . . . + 0,15 + 0.13 Nivellement Swinemiinde-Berlin . . . . . +0,27 -1-0.08 Kiistenvermessung . . . . . . . . . . . + 0,39 + 0,lO Iandestriangulation . . . . . . . . . . . +0,17 +0,06

I iiber Land . . . . +0,36 +0,02 Gauss . . . . . . . . . . . . . . . . . +1,21 -0.11

,, Wasser . . . +1,72 +0,25 I ,, Weaser zum Denmark-Expedition

Meereshorizont . +1,22 +0,17

1) Nach I. P. Koch, Survey of Northeast Greenland, Danmark- Ekspeditionen til Gr6nland.u Nord6etkyat 1906-1908. Bd. VI. Nr. 2 (PCeddelelser om Grbland, Bd. XLVI), K6benbvn 1916. p. 164.

14.

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21 2 A . Wegener.

Die Werte schwanken also zwischcn -0 , l l (einem nach obcn konkaven Strahl entsprechend) und + 1,7, wahrend etwr, 1,15 dem Mittelwerte aus den geodatischen hfessungen entspricht. Es ist hicraiis ersichtlich, daB man bri bloBer Schiitzung von k groBe Fehlw begehen kann, und daB man womoglich versucheii muB, diescri Faktor BUS Temperatur- beobachtungen zu erniitteln. 1st man genotigt, ohne der- artige Anhaltspunkte seine Wahl zu treffen, so wird man jedenfalls einen Wert benutzen miissen, der wesentlich hoher ist, als der eben genannte Mittelwert aus den geodatischen Messungen, da bei drri letzteren qorgfaltig diejenigen Tage dusgrschlossen sind, bei denen die Refrltktion infolge von Inversionen abnorm wdr. Man kann in unserer Tabelle sehr leicht diese Beobachtungsreihen von solchen unterscheiden, bci wglchen der Refraktionskoeffizient nicht nur als Neben- resultat abgeleitet wurde, sondern welche gerade ,zur Be- stimrnung decselben unternornmen wurden. Da bei diesen auch die abnormen Zustiinde berucksichtigt Find, so fallt der Wert fur k hier erheblich hoher aus. Ganz besonders ist dies der Fall bei den Beobachtungen der Danmark-Expedition, auf welcher gerade auch recht haufig Luftspiegelungen wahr- genomrnen wurden. Man wird hicrnach Werte zwischen k = 0,2 und k = 0,5 annehnien diirfen, wenn keine Anhalts- punkte fur eine andere Wahl vorliegen.

I P t das Temperaturgefallr innerhd b der untcren Schicht etwe durch Drachenaufstiege bekannt, PO laBt sich der Re- fraldionskoeffizient durch eine Rechnung, die wir, im Gegen- Patz xu seiner Ableitung a m geodlitischen Messungen, als eine i heoretische bezeichnen bonnen, in folgender Weise ermitteln. Wir beiiutzen eine aus der GeodLsie beliannte Formel, ohne liier auf ihre Ableitung einzugehen l) :

9 2 h ff und - = 1 - 0,00265 cos 2 4p - -

1 ) Fr. H. Helmert, Die mathematischen und physikalischen Theorien der hoheren Geodlsie. 11. Teil. p. 577. Nach I. P. Koch.

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Elementare Theorie der atmospharischen Spiegclungen. 21 3

Hierin bedeutet p den Druck in Millimetern, g/G das Ver- haltnis der drtlichen Schwere zu derjenigen in 450 Breite am Meeresspiegel, R den Krummungsradius des Ellipsoids, t das Temperaturgefiille pro Meter, e den Dampfdrucl-, q~ die geographische Breite und h die Hohe uber dem Meere.

Fur die roheren Zweckc unserer Rechnungen la& sich diese Gleichurig ganz erheblich vereinfachen. Wir setzen 9 3 8 .

gleich 6570 km. Damit wird die Gleichung

k = 670,4 JL (t + 0,0342).

Wenn wir zur weiteren Vereinfachung noch ein fur alle Ma1 p = 750 und 5!' = 273 setaen, so wird P a ) k = 6,75 ( r + 0,034) .

Hiermit erhalt, man z. B. folgende Zahlmwcrte fur k:

-- (f - 1 , vernachlassigen - und betrachten R als Erdradius

(3) TI

8 P

- 1,O" - 0,5" O,Oo + 6,S0 + 11,4O Temp.-Oefdle 1 - 3,4e Dro 100 m

kC.e l o 0,16 0,20 0,23 0,50 1 7 0 0

Nach dieser Vorbereitung sollen nunmehr die G1eichungc.n fur die Spiegelung nach oben abgeleitet werden.

Um zu entsoheiden, ob ehe Schiohtgrenze voii gegebener Hohe uber dem Beobachter und von gegebenen Temperatur- rerhgltnissen h e Luftspiegelung erzeugen kann, berechnen wir aus Gleichung (1) den Einfallswinkel a, des horizontalen Strahles, indem wir h = 0 wtzen:

k (1 + e)sina0 = 1 + (28 + e2),

Soweit ist die Pormel streng. Wir betracliten nun E ah kleine GroSe und setzen also e2 = 0 iind

-- - - I - & 1

1 + 8

s i n a , = I - e ( l - k). und erhalten:

Nun lautet die Bedingung fur Totalreflexiou 1 since, )= - R :

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21 4 A . Wegener . worin 1 + 6 ist. Also

der Brechungsquotient der Schichtgrenze, also gleich

1 sinceo 2 - . - l + d

Zusammen mit der vorigen Gleichung ergibt dies 1 - &(l -A)&- 1

1 + 6 ’

oder unter Rucksicht darauf, daB such 6 eine kleine GroBe ist: l - e ( l - h ) z l - a , nnd deo

(4) &(l - h ) s a . Dies ist die Bedingungsgleichung fur Luftspiegelung nach

oben. Um einige Zahlenwerte zu geben, seien in der folgenden Tabelle fur einige Werte von k und H diejenigen Werte von 8 zusammengestellt, welche mindestens erreicht sein miissen, wenn Luftspiegelung eintreten soll.

Minimalwerte fur 6 x log 50m 100m 150 m 200m =‘/ 6,s 12,6 18,s 25,l

k = 0,5 S,9 798 11,8 15,7

Mit Riicksicht auf Gleichung (2a) kann der Inhalt dieser Tabelle offenbar niiherungsweise gleich dem Inversionsbetrage an der Schichtgrenze gesetzt werden.

Wenn beide Seiten der Ungleichung (4) einander gleich sind, so besagt dies offenbar, daB nur fur den horizontalen Strahl gerade noch Totalreflexion eintritt. Dies ist der Fall, wenn die Hohe H der Inversion gerade gleich ihrer Wirkungs- tiefe ist. Da

-~ H

ergibt sich so die Wirkwgstiefe nach

(5) 6 Cl’ = R - .

I - k

Eine Inversion um l oo ( 6 = 10-6) wird also bci k = 0,2 eine Wirkungstiefe von 80 m haben, bei k = 0,5 eine solche voh 130 m.

Um die Breite des spiegelnden Streifens qu erhalten, be- rechnen wir den Hohenwinkei h des Grenzstrahles fur Total-

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E h m t a r e Theorie der atmospharischen Spiegebungen. 21 5

reflexion, indem wir in Gleichung (1) die Beziehung 1 sin a = -

1 + 6

C 0 0 k , , = - L + s - - (2&+&3) , k 1 + 6 2

berucksichtigen :

oder, wenn wir 6 und E ale kleine GroBen betrachten: cos h, = 1 - 6 + E (1 - k) .

Da die Berechnung des kleinen Winkels h durch den Cosinus ungenau ausfallt , bilden wir hieraus den Sinus :

sinh, m f-= ~ Z S - ~ e ( 1 - A), oder in Minuten:

h , ' = m y d - & ( l I/a -6. Die Breite b des spiegelnden Streifem ist gleich dem doppelten Betrag, also (6) b' = 9 7 0 0 ~ ~ Z 4 ) ;

z. B. erhalt man fur H = 50 m und 8 = 10-5 die Breite 4,2', wenn k E 0,2 ist, oder 24,0', wenn k = 0,5 ist.

Die Entfernung des Objekts vom Beobachter kann, wie bereits Fig. 3 lehrt, stark variieren. Wir konnen aber einen Begriff davon erhalten, wenn wir uns die Entfernung berechnen, in welcher ein beliebiger, vom Beobachter ausgehender Strahl die Schichtgrenze trifft. Wahlen wir d a m den Strahl so, daB er der oberen Grenze des spiegelnden Streifens entspricht

so haben wir die Entfernung des niichstgelegenen Reflexions- punktes uberhaupt; setzen wir statt dessen h = 0, so haben wir die Entfernung des Reflexionspunktes des horizontalen Strahles. Die Objekte mussen jedenfalls jenseits der so ge- fundenen Abstande liegen.

Wir greifen zuriick auf Fig. 1 und fiihren die Bezeich- nung ein: z = + B M P und y = + BOP. Ferner denken wir uns die Sehne B P gezogen, welche mit den Tangenten in B und P den Winkel yj2 bildet, so daS die Zeni td idnz dieser Sehne in B gleich

9 0 - h + %

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216 A. Wegener.

und der Winkel bei P zwischen der Sehne und dem Radius M P gleich Y a-- 2 wircl. Dann ist der AnBenwinkel Z B P des Dreiecka MBP:

9 0 - h + y = z + a-- Y 2 2 '

oder (90 - a) - h = 2 - y .

Bezeichnet D die gesuchte Entfernung B P in Kilometern, so konnen wir genlhert sowohl

und also y = k zsetzen, so daB wird: (90 - a) - h = 5 (1 - k). Ds alle drei Winkel (90 - a), h und 2 klein sind, kann man ochreiben :

c o s a - 8 i n h = ( l - R ) s i n z = ( l - k ) z , D

80 daS wird: BPI- (cosac - s inh) . 1 - k

Dies ist die allgemeine Gleichung, die fiir einen beliebigen Strahl gilt. Spezialisieren wir sie fur die obere Grenze d a spiegelnden Streifens, so haben wir hinzuzunehmen die Glei- ehung

S b C t = - -

woraus man leicht die genaherte Formel findet: COB a = 128.

cos h = (1 + E ) sin a - k~

1 1 +d'

Ferner wird nach der allgemeinen Gleichung (1):

1 . oder fiir sina = - l + d ' coow = 1 - a + E ( 1 - A).

Hiersus findet man sinh = 1 2 ~ 9 - 2a( l - R ) .

Setzen wir beide Werte ein, so folgt

(7)

Diem Gleichung gestattet, die Entfernung dea Reflexions- punktes des oberen Grenzstrahls des spiegelnden Streifens

Page 15: Elementare Theorie der atmosphärischen Spiegelungen

Elementare Theorie der atrnospharischen Spiegelungen. 21 7

zu finden. Z. B. wird sie fur H = 50 m und 6 = 10-5 gleich 14 km, wenn k = 0.2 ist, und glcich 12 km. MWLII

k = 0,5 ist. Um anderemeits den Reflexionspunkt des horixont3alrn

Strahles zu finden, setzen wir in unserer allgemeinen Gleichung = 0 und drucken a nach Gleichung (1) durch h aus:

COB A + 8 k l + e

s ina=-------=(l+EK)(1-&)=1 - & ( I - h ) .

Hieraus findet man

RO da6 wird COSQ = Y%(l - h ) ,

In diesem Falle ist D naturlich unabhangig vom Brechunp- quotienten der Schichtgrenze. Fur H = 50 m erhaltm wir nach dieser Gleichung D = 28 km, wenn k = 0,d. oder 36 km, wenn k = 0,5 ist.

2. Spiegelung naoh unten.

Die Spiegelung nach unten verlangt ein umgekehrtes DichtegefBlle in der Luft, so daS die leichte Luft unten, die schwere oben liegt. Da diese Schichtung nicht stabil ist, so kann sie liingere Zeit nur umittelbar uber dem Boden be- stehen, wo sie zwar such unausgesetzt durch vertikalen Luft- austausch zerstort, aber gleichzeitig durch Warmezufuhr vom Boden her immer wieder erneuert wird. Es herrscht dann als stationgrer Xustand im untersten Hohenmeter oder Halb- meter eine Abnahme der Temperatur nach oben von ca. 1-5O. Die Bedinguig hierzu ist offenbar, dnW der Boden warmer ist als die Luft, was besonders uber sonnenbestrahlten Wiisten. im Polargebiete auch uber dem herbstlichen Neueis und pehr hiiufig auch auf See zutrifft. Es ist also klar, daB hier nicht eine scharfe Schichtgrenxe wirksam ist, sondern daS das Dichtegefalle hier in der untersten Luftschicht stetig ver- liiuft. Bei der Spiegelung nach unten lafit sich also der An- satz der alten Theorie eher rechtfertigen als bei der nach oben, indessen bleibt auch hier die Vernachlassigung der Erd- liriimmung durchaus unzulissig. Es wiire also, streng genom- men, notig, die alte Theorie unter Berucksichtigung der Erd- h m m u n g zu verbessern. Es ist aber wenig wahrscheinlich,

Page 16: Elementare Theorie der atmosphärischen Spiegelungen

21 8 -4. Wegener.

daB sich bei dieser Komplikation der Aufgabe ein Resultat rreielen l&Bt, welches eine bequeme Vergleichung von Theorie und Beobachtung ermoglicht.

Da sich aber der intensive Luftaustsusch vom Boden her nur in einer sehr diinnen Schicht geltend macht, die nur selten mehr als 1 m dick zu sein pflegt, und oft noch unter dieser GroBe bleibt, so werden wir jedenfalls eine fur die meisten Fiille sehr brauchbare Annaherung erhalten, wenn Wjr auch hier eine scharfe Schichtgrenze annehmen, die mit dem Erdboden zusammenfallt. Die Ungenauigkeit, die man damit begeht, ist so gering, daB sie reichlich durch den Vorteil anfgewogen wird, Gleichungen zu erhalten, die eine bequeme Vergleichung mit den Beobachtungen ermoglichen.

Fig. 4 erliiutert die wesentlichen Erscheinungen dieser Spiegelung. B ist der Beobachter; der flache Kreisbogen Bl?

sei der untere Grenzstrahl des spiegelnden Streifens, Der mit demselben Kriim- mungsradius geeeichnete

Kreisbogen B C , der bei C die Erdoberflache tangiert, stellt die Sicht nach der Kimm und also eugleich die obero Begrenznng des spie- gelnden Streifens dar. Die Ereite des spiegelnden Strei- fens ist also der Winkel

xwischen den Kreisbogrn B P und BC bri B. Bei der Spiegelung nach unten liegt, wie man sieht, der spiegelrde Streifen nicht im astronomischen Horizont, sondern c'r- slreckt sich von der Kimm abwarts. Ferner ist klar, dal3 hier gar keine andere Bedingung fur des Auftreten der Spiege- lung besteht, als daB uberhaupt ein Temperatursprung vor- lianden is t. Jeder noch so kleine Temperatursprung erzeugt bereits eine Spiegelung, gleichgiiltig, in welcher Hohe sich der Beobachter befindet. Hierin liegt die Erkliirung fur die Tatseche, daB Spiegelungen nach unten so vie1 haufiger eur Seobachtung gelsngen als solche nach oben. Da die Schicht- grenze als konvexer Spiegel wirkt , ist auoh einleuchtend, daB das Spiegelbild in vertikaler Richtung etwas geschrumpft

B

Fig. 4.

Page 17: Elementare Theorie der atmosphärischen Spiegelungen

Elernentare Theoric der atnmspharischen Spiegelungen. 21 9

erscheinen muB, im Gegensatze zur Spiegelung nach oben, bei welder das gespiegelte Bild stets mehr oder weniger in der Vertikalen gizerrt ist.

Man sieht leicht, daB alle Gegenstiinde, die sich in dem schraffierten Raume der Fig. 4 befinden, gespiegelt werden, Zwei Berge, deren Gipfel z. B. in E und G liegen, also von B aus in derselbeu Hohe erscheinen, verhalten sich verschieden, indem yon dem naher gelegenen nur der untere Teil, der entferntere aber gans gespiegelt wird. Diese Verhiiltnisse werden durch Fig. 5 erliiutert.

Urn die Gleichungeii clrr Luftepiegeluiig nach unten zu berechnen, fassen wir zunachst den Strahl B P in der Fig. 4 als einen beliebigen auf und leiten die Gleichungen fur den Depressionswinkel d und die L h g e D desselben ab. Indem wir diese Gleichungen sodann einerseits fur die untere, anderer- seits fut die obere Grenze des spiegelnden Streifens speziali- sieren, erhalten wir alle Elemente der Spiegelung.

Wenn a der Einfallswinkel des Strahles an der Schicht- grenze ist, S O ist offenbar +OPM = 90 - a. Ferner ist +O B M = d. Wir wenden nuf die gemeinsame Seite OM der beiden Dreieckc 0 B M und 0 P M den Cosinussat'z an und erhalten:

oder sina; k R + H R 2 ( R R + l Y ) + F H

COS d = - - - -

setzen wir wiedcr H k 1 sin a

2 l + e 1 + 6 _ - R - e , so wird: c o s d ~ - ( l + € - - ) + - .

Soweit ist die k'ormel streng. Behandeln wir E sls kleine GroBe, eo konnen wir genahert schreiben:

(9) cos d = k~ + (1 - E ) sin a .

Page 18: Elementare Theorie der atmosphärischen Spiegelungen

220 A . Wegemr . Damit haben gleich auch d seits gleich z

wir die allgemeine Gleichung fur a. Wir leiten iejenige fur D ab: + BFP ist offenbar einer- + (90 - a ) und andererseits gleicb y + d, also:

d - (90 - a) = x - ~j . Nun konnen wir, wie schon fruher, genahert schreiben:

D D S i n z = R und s i n y = - . h R und also

~ j = k . ~ , da 5 und y kleine Winkel sind. Damit erhalten wir

a - (90 - d ) = 5 (1 - k) . Da auch d und (90 - a) kleine Winkel sind, konnen wir statt dessen schreiben

D sind- cosu = (1 - R)s inz = (1 - oder

B = - (sin d - cos tz) . .(w 1 - k

Damit haben wir auch die allgemeine Gleichung fur die Ent- fernung des Reflexionspunktes.

Wir spezislisieren nun (9) und (10) zunachst fur die zlntere GTenxe deu spiegelnclm Streifens, indem wir

1 1 s ina = - = - n l + d

setzen, oder da 6 klein ist3

Damit erhalten wir aus Gleichung (9):

oder, da d, als kleiner Winkel besser aus dem Sinm berechnet wird :

s i n c i u = ) / 2 S + 2 a ( 1 - & ) , oder in Minuten

sin a = 1 -. 6 .

cos a, = 1 - s - (1 - k)

Fiihren wir die gleiche Spezidisierung in (10) ein, indent wir cos a = m s e t z e n , so wirci

B, = - (sind, - I%), 1 - k

Page 19: Elementare Theorie der atmosphärischen Spiegelungen

Elemenfare Theorde cler a tmsphar i sckm Syiegelu?zgen. 221

oder, wenn a i r fur sin d, seinen Wert einfuhren:

Bu= - R f l ( V d + & ( I - k) - 13). 1 - k

Nunmehr spezialisieren wir (9) und (10) andererseits fur die obere Grenze des spiegelnden Streifens, d. h. f i r den nrrch der Kimm gerichteten Strahl, indem wir sin a = 1 bzw. cos a = 0 setzen, und erhnlten

oder

oder in Minuten

cos a,, = 1 - (1 - k)

sin d(,, = 1/ t~ E (1 - q,

Und fur die Entfernung

Do = - sind,, 1 - k oder, "enn wir fur sin do seinen Wert einsetzen

(14)

Die Gleichungeii (11) bis (14) gestatten, alle wichtigen Elemente der Spiegelung aus dem Temperatursprung, der Hohe des Beobachters und dem Refraktionskoeffizienten zu bcrechnen. Ins besondere ist die Breite des spiegelnden Strei- fens gleich d, - do und die kleinste Entfernung spiegelnder Objekte D,.

Wenn uber den Refraktionskoeffizienten k keine Anhalts- punkte vorliegen, so wird man ihn bei Spiegelung nach unten etwa gleich dem Mittel aus den geodatischen Werten, d. h. ca. 0,15 wahlen. Mit diesem Werte geben unsere Gleichungen fur eine Hohe des Beobachters von 10 m (dem Verdeck eines Schiffes entsprechend) und fur einen Temperrtturaprung von 5 O (6 = 0,000005) das Resultat d;, = 12,2', do = 5,6', also eine Breite des spiegelnden Streifens von 6,6', ferner D, = 3,O km und Do = 12,2 km.

3. Zerrbilder der lonne (und dee Mondee) im Horisont. Die Ztrrbilder und Spiegelungen der Sonne bei ihrem

Auf- oder Untergang bilden das siderische Gegenstuck der terrestrischen Luftspiegelungen und werden durch die gleichen

Page 20: Elementare Theorie der atmosphärischen Spiegelungen

222 A . Wegener.

Ursachen hervorgerufen. Es leuchtet ohne weiteres ein, daS die Spiegelung nach unten fur die Sonne in derselben Weise in Erscheinung treten muS wie fur terrestrische Objekte, so daB wir diese hier nicht naher zu behandeln brauchen. Die Spiegelung nach oben muB sich bei der Sonne in der Weise geltend machen, daS sie die Sonnenscheibe teilt, indem nur oberhalb und unterhalb des spiegelnden Streifens uberhaupt Licht von a d e n zum Beobachter gelangen lrann. Der spie- gelnde Streifen der terrestrischen Luf tepiegelung wira hier also eu einem blinden Streifen im Sonnenbilde.

Qualitativ last sich das hierbei wirksame Gesetz ohne weiteres aus Fig. 6 ablesen. Wenn BAA' und BCC' die den

biinden Streifen begrenzenden Grenz- strahlen der Totslreflexion sind, bei denen also die iiul3eren Strahlenteile gprade die Schicht)grenze in A und

'E' C tangential vrrlassen, so sind bei den benachbarten Strahlen B E und

A' B D sowohl Einfsllswinkel wie Aus- trittswinkel an der Schichtgrenze

oberen Strahle (BEE' ) bewirkt nun

winkels eindHebung des Astes EE', sie wirkt daher in gleichem Sinne

wie auch die Hebung des inneren Astes BE. Die beiden BuBeren h e E E und AA' werden also stiirker divergieren als die beiden inneren BE un8 B A . Mit snderen Worten: Oberhalb des blinden Streifens k s c h t Vertihdschrumpfung. Anders bei den Strahlen unteihalb des spiegelnden Streifens. Denn hier wirkt die Hebung des Huljeren Astes entgegen der Senkung des inneren Astes, so daS die auBeren h t e CC' und DD' jedenfalls weniger divergieren ah die inneren BC und BD. Es hwscht also unterhaZb dcs blinden Streifens Vertikolzerrung. Dime Vertikal- zerrung lernten wir schon friiher als obergang awischen auf- rechtem und umgekehrtem Bilde kennen, und in der Tat ist dies. auch hier der Fall, da, wie gezeigt werden wird, dicht unterhalb des blinden Streifens sich die benachbarten Strahlen infolge tfberkompensierung der Senkung schneiden und also ein umgekehrtes Bild geben. Wir wollen dime no& wenig

x,

I bereits kleiner gewordm. Bei dem

I Ic, diese Verkleinerung des Austritts- 1 I

Fig. 6.

Page 21: Elementare Theorie der atmosphärischen Spiegelungen

Elemnfme The& der atmospharischen Spiegelungen . 223

bekannte Erscheinung als Nachspiegelung bezeichnen, weil sie bei Sonnenuntergangen erst dann deutlich in Erscheinung tritt, wenn die Sonne bercits den blinden Streifen ganz pas- siert hat und sich von seinem Unterrande losI&en will, also zu einem Zeitpunkte, zu dem der Beobachter keine weitere Refraktionsstorung mehr erwartet. Wir werden auf diese interessante Erscheinung der Nachspiegelung weiter unten auriickkommen.

Unsere vorangehenden busfiihrungen uber die terrestrische Luftspiegelung nach oben geben uns auch die Mittel an die Hand, die quantitative Berechnung der Zerrbilder bei Sonnen- untergangen durchzufiihren. In Fig. 7, welche bis auf die Fortsetzung des Strahles

identisch mit Fig. 1 ist, be- deutet wieder B den Beob- achter und P einen Punkt der Schichtgrenze , M den Erdmittelpunkt und 0 den Kriimmungsmittelpunkt des Strahles BP. Verfolgen wir Fig. 7. den Lichtstrahl von B bis auBerhalb der Atmosphiire, so wird er bis P urn den Winkel y gesenkt, in P urn den Winkel / ? - a und sodann noch urn die astronomische Refraktion r weitergesenkt. Letztere kann am Bess els Refraktionstafeln entnommen werden, wobei aber als scheinbara Hohe der Winkel 90 - = C au benutzen ist. Wir wollen deshalb dime Refraktion mit rt beaeichnen. Die Gesamtablenkung nach unten ist also

A = ~ + B - a + r c , oder wenn wir statt a und 6 ihre Komplemente 7 und 5 ein-

auSerha1h der Schichtgrenze %

fiihren :

Bezeichnet h die scheinbare Hohe der Sonne beim Beob- achter, h, die aetronomische Sonnenhiihe, so ist

odet h a = h - L l ,

h o = h - - y - q + t - - r . .

Page 22: Elementare Theorie der atmosphärischen Spiegelungen

224 A. Wegetter.

Aus der Figur la& sioh unmittelbar die Beaiehung ablesen:

Benutzen wir die friiher abgeleitete gengherte Beaiehung y + q = z + h .

Y k z=-,

so wird hiernach

Setaen wir diesen Wert von y iu die Gleichung fur SO wird

ein.

Offenbar ist das Problem gelijst, wenn wir fur jede Hbhe h beim Beobachter die zugehorige astronomische Hohe angeben konnen. Wir miissen also der Reihe nach die drei GriiBen 17, 5 und rE berechnen.

Zur Berechnung von. q benutzen wir die allgemeino Glei- chung (l), welche sich unter Beriicksichtigung, daE E (=H/R) eine kleine GroBe ist, schreibt:

cos ?j = E k +(1- E ) COB h . I6 Da

YO wird cosq =3 1 - Bein'$ nnd cosh = 1 - 2sina,,

1 - 2 ~ i n a + = E R + 1 - B - 2(1 - &)sin'-, h 2

h e sins? = (1 - e)sinaT + T ( ~ -A). L . L oder

Da 17 und h kleine Winkel sind, schreiben wir stett

wobei 7 in Minuten ausgedriickt ist, und ebemo stett

so daB wir erhalten 2 0 (1 - k)

(1 6) . r l a = ( 1 - 4 h a + ei*S1' - Wenn man nur auf Zehntelminute rechnet, kann man hierbei unbedenklich E im ersten Gliede vernachlasaigen, so daE wird

(16a)

Page 23: Elementare Theorie der atmosphärischen Spiegelungen

Elcmentare Tho& der atmospha&schen Spiegelungen. 225

Diese Gleichung gestattet eine bequeme Berechnung des Wjnkels 7.

Znr Berechnung von 5 benutzen wit die Definitions- gleichung

-=1+6, ein ,4 sin a

welche wir auch sohreiben konnen cos c = (1 + 6) cos'g .

cos 5 = 1 - 2 sins; Wenden wir wieder auf beide Kosinusse den Batz

an, so wird

oder

wofiir wir wieder schreiben konnen

5 und q sind hierin wieder in Minuten auszudriicken.

8 im ersten Gliede vernachlbsigt werden, so daf! wird Reohnet man nur auf Zehntelminnten, so kann auch hier

Die Refraktion rt endlich entnehmen wir der Bessel-

0' 10' 20' SO' 40' 50' 60'

schen Tabelle, von der hier ein Auszug gegeben sei:

34,90f 88,132' 80,87' 29,ov 2 7 , ~ 25,8s1 ~ 4 , 4 i *

Winscht man hierbei noch Druck und Temperatur zu beriick- sichtigen, so ist der Wert f i r r noch mit dem Faktor (1 -a - b) zu multiplizieren, wo 0 und b a m den folgenden beiden ab- gekiirzten Tabellen entnommen werden konnen: Luftdrnck 720 730 740mm Temp. -10' Oo +loo +20°

a I 0,042 0,029 0,015 -bj-0,07s -0,034 +0,002 +0,036

Als Druak und Temperatur miissen natiirlich diejenigen dicht oberhalb der Schichtgrenze gewlhlt werden.

AnnaleD der Phplk. IV. Folge. 67. 15

Page 24: Elementare Theorie der atmosphärischen Spiegelungen

926 A . Wegetter.

Man hat also die folgenden Gleichungen durchaurechnen, wenn man aus der Hohe der Inversion (oder ihrem VerhBltnis E

zum Erdradius), dem Inversionebetrag (a x lo6) und dem Refrsktionskoeffizienten k der unteren Schicht den Verlauf eines Sonnenunt,ergangea volls tandig berechnen will :

An der Hand unserer Gleichungen la6t sich auch die Notwendigkeit der Nachspiegelung leicht erweisen. Diffe- rentiieren wir die Gleichung fur ha nach h, so erhalten wir

oder a h @ 1 a7/ 1 =---.-

ar , /a [ konnen wir fur kieine Winkel 5‘ ah konstant betrachten und BUS der Besselschen Tabelle zu ca. -0,2 entnehmen, so daB die Hammer gleich + l , 2 wird. a q / d h ist endlich und negativ. aC/aq aber ist fur 6 = 0 gleich + 00. Dies sieht man leicht, wenn meh die Defiditionsgleichung

differentiiert : cosg= (1 + d)COS7j

Infolgedessen wird auch

d. h. fur die untere Grenze des blinden Stieifem, oder mit anderen Worten: In unmittelbarer Nachbarsohaft des blinden Streifens wird trota der Senkung des Strahles beim Beobachter der auBerhalb der Atmosphiire liegende Ast gehoben und kommt also zum Schnitt nicht nur mit dem Grenzstrahl selbst, sondern auch mit dem spBteren bei fortschreitender Senkung, bei denen d a m auch adkrhalb der Atmosphare die Senkung wider iiberwiegt. Man kann

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Elementare Th.eorie der atmospharkhen Spiegelungen. 227

ohne Schwierigkeit die Differentialquotienten aq /a h und a(/aq bilden unci durcb Kulhetzen von aho/ah die Glei- chung desjenigen Hohenminkels h beim Beobachter berechnen, bis zu welchem die Umkehriing des Bildes herabreicht. Man erhslt so die Gleichung fur die untere Grenze der Nach-

wo die Konstante

Wenn man hieraus mit Hilfe der ersten beiden Gleichungen des Systems (15) - (17) q und C eliminiert, erhiilt man den gesuchten Hohenwinkel h fur die untere Grenze der Nach- spiegelmg. Es ist mir indessen bisher nicht gelungen, die Elimi- nation in einer Weise auszufuhren, welche eine fur die prak- tische Rechnung brauchbare Formel liefert .

Die Berechnung eines Sonnenunterganges moge an einem Beispiel erlautert werden. Gegeben sei die Hohe der Schicht- grenze zu 50 in ( H = 0,05 km) ferner der Inversionsbetrag zu 70 (8 = 0,000007) und der Refraktionskoeffizient der unteren Schicht k = 0,2. Der Erdradius wird zu 6370 km angenommen.

ZunSichst berechnen wir zur Orientierung die Breite des blinden Streifens nach Gleichung (6). Sie ergibt sich zu 8,28'. Die Grenzstrahlen liegen also bei 1% = + 4,14' und bei h = -4,14'. Da in der Nahe des blinden Streifens die Ver- zerrung am groBten ist, werclen wir h a fur folgende Wert- reihe von h berechnen: h = f4,14', f4,2', f5,0', f6,0', fS,O', &lO,O', f15,O'. Zunschst crgehen sich die konstantcri Glieder von q2 und 52 zu

28 (1 - k ) siu* 1' = 148,42

und 2 5 sinY 1' - p 165,45.

Damit finden wir folgende Werte ( r E am der oben stehenden Refra ktions t a belle) :

+ 4 , ~ * ri.0' + 6,o' * a,o' *io,o' *is,o' __-- 12,Q' 12,9' 13,2' 13,6' 14,6' 15,s' 19,s'

0,8' 2,a' 4,4' 6,8' 9,l' 14,4' rc I 34.9' 34,s' 34,3' 34,O' 33,4' 33,O' 31,9'

15.

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228 A . Wegener.

und hieraus - 15,O' - 10,O' - 8,O' - 6,O' - 590' - 4,2' - 4,14'

- 644' - 56,l' -54,7' -5491' -5492' -55,3' -56,l'

h 1 + 4,14' + 4,2' + 5,O' + 6,O' + 8,O' + 10,O' + 15,O'

k g 1 -45,Q' -44,8' -41,7' -39,l' -34,7' - 31,l' - 22,Q'

Mit Hilfe dieser Tsbelle l&St sich der Verlauf des Sonnen- unterganges sehi einfach graphisch komtruieren, indem wir in zwei Figuren mit Minutenskalen - die eine fiir h a und die

!% c h

.....

.._..' __...'

. . . . .. .. : . . . :' _.' : .. . . : ... .. ... :...

Fig. 8.

rzndere fur h - diejenigen horizontalen Minutenlinien hervor- heben, welche den berechneten zusammengehorigen Werte- paaren unserer Zahlentabelle entsprechen. Zeichnet man d a m in der F'igur fur ha die Sonnenscheibe ah Kreis vom Radius 16' in beliebiger Hohe, so lassen sich, wie Fig. 8 schematisch zeigt, alle Schnitte mit den hervorgehobenen Linien unmittel- bar mit dem Zirkel in die Figur fur h iibertragen und die vollstandigen Konturen des Zerrbildes d a m leicht erganzen.

In dieser Weise sind die in Fig. 9 dargestellten Zerrbilder fur die oben angegebenen Zahlenwerte erhalten. Die Bilder xeigen deutlich die Schrumpfung oberhalb und die Zerrung unterhplb des blinden Streifens. Auch ist die Nachspiegelung besonders auf den letzten beiden Figuren deutlich zu erkennen. Sie auRert sich aber auch schon in der zweiten Figur dadurch,

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Elententare Themie &er atmospharisclum Spiegelungen. 229

daf3 die untere Bildhalfte nicht am Unterrande des blinden Streifens, sondern in derjenigen Hohe zu erscheinen beginnt, welche der unteren Grenze der Nachspiegelung, also der

h - ?U

h XI -

UJ - - 10 -3 - 5-

-a 0 -

5- - h,--60' h,--65'

Verlanf des Sonnennnterganges bei einer Inversion nm '10 in 50 m Hohe tlber dem Beobachter, wean k = 0,2 iet. 10 gilt fiir den Sonnenmittelpunkt.

Fig. 9.

Grenze zwischen urqekehrtem und aufrechtem Bilde ent- spricht. Die Nachspiegelung reicht in unserem Falle etws von h = -4',14 bis h = -6'.

Es sei nur kurz erwahnt, daS + auch solche Inversionen, welche keine + l j - terrestrischen Luftspiegelungen er- + ,3 - zeugen konnen, doch noch eine Ver- + - zerrung der Sonnemcheibe ergeben. ()-

Der blinde Streifen fehlt dann aller- - i- dings; aber es tritt am horizontalen -19-

Strahle eine Unstetigkeit im Ver- Verzenung der Sonmu- laufe der IRefraktion auf, und zwar ec.,eibe Air cine lnveraion wieder in dem Sinne, daf3 oberhalb Von 6,oo in 50 m HGhe aber Schrumpfung, unterhalb Zerrung demBeobachter bei k = 0,2. herwcht, beide mit dem Maximum W d m H i h dee Somen- am horizontalen Strehle selbst. Fig.10

ein Znhlenbeispiel; sie ist mit den- selben Zahlen wie das friihere Beispiel berechnet, nur mit 6 = 0,000006 statt 0,000007. Nach unserer fruheren Tabelle

0 mitte*punktee - 36'*

gibt das Konstruktionsergebnis fur Fig. 10.

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B O A . Wegener. Elemenfare M e usw.

wiire bei den gegebenen ubrigen Bedingangen eine Inversion von 6,s (6 = 0,oooO06S) notig, um Luftspiegelung zu geben, daher muB hier der blinde Streifen fehlen. Auch die Nach- spiegelung ist hier bereits verschwunden.

Wenn u’qekehrt der blinde Streifen so breit viird, daB sein Unterrand unter der Kimm liegt und also nioht mebr gesehen werden kam, so beschriinkt sioh der ganze Verlauf der Erscheinung auf die oberen Teile unserer Fig. 8, d. h. die Sonne geht hier hinter einer unsiohtbaren Wand, namlich dem blinden Streifen, unter, in erheblicher Hohe uber der Kimm.

I m Felde, im Juni 1918.

(Eingegangen IS. Jnni 1918.)