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Emergenz des Ästhetischen

Das Wahre, Gute und SchöneDieTraditionelle Metaphysik unterstellt einen wohlgeordneten Kosmos,in dem ewige Gesetze walten, die ein weiser und guter Gott erlassenhat. In seinem Zentrum befindet sich die Erde, darüber ziehen diePlaneten ihre Bahnen, die eine perfekte Kreisform beschreiben, diePlaneten selbst sind perfekte Kugeln. Abgeschlossen wird dieserKosmos durch die Fixsternsphäre und die göttliche Sphäre. DieAbstände zwischen den Planeten entsprechen musikalischenIntervallen, ja die Sphären selbst produzieren eine harmonischeSphärenmusik. Kein Wunder also, dass in einer solchen Welt das Wahre, Schöne undGute direkt zusammenfallen; Kunst und Wissenschaft bilden noch eineEinheit, wie sie Leonardo oder Goethe auch als Person noch symboli-sieren. Erkennbar ist diese Einheit an dem Kanon der sieben freienKünste, zu dem ganz selbstverständlich auch die Wissenschaften gehö-ren: Grammatik und Dialektik zum Trivium; Arithmetik, Geometrieund Astronomie zum Quadrivium.

Der UmbruchLängst haben wir uns von diesem Bild gelöst. Wie schwer dieserProzess manchmal fiel, kann man bei einem der Heroen der modernenWissenschaftsgeschichte beobachten, nämlich bei Galilei.Galilei hatte sich 1609 bekanntlich ein Fernrohr gebaut, mit dem erden Mond beobachtete. Dabei stellte er u.a. fest, dass der Mond nichtdie perfekte Kugelform besaß, die man bislang unterstellt hatte, viel-mehr war seine Oberfläche von Kratern übersät. All das ist genaue-stens erkennbar auf den Beobachtungsskizzen, die Galilei von eigenerHand angefertigt hatte. Diese Skizzen werden zur Grundlage vonStichen, die Galilei zusammen mit dem Bericht von diesen Beobach-tungen publiziert. Lediglich eine Abweichung fällt auf: In der Mittedes Mondes zeigen die Stiche einen kreisrunden Krater, den manweder auf dem Mond selbst noch auf Galileis ursprünglichen Skizzenfindet. Galilei weist den Leser sogar eigens auf diesen Krater hin.Doch was steckt dahinter? Offenbar spielte die Perfektion derKreisform für Galilei immer noch eine so entscheidende Rolle, dass ersich zu einem vollständigen Verzicht noch nicht durchringen konnte.Hierfür spricht auch, dass Galilei Zeit seines Lebens an der Kreisformder Planetenbahnen festhält, obwohl ihm Keplers Theorie der ellipsoi-den Form dieser Bahnen längst bekannt war.

Kunst und Chaos Die Entwicklung hat bei Galilei bekanntlich nicht halt gemacht und siehat nicht nur den Kosmos kräftig verändert, sondern auch das Verhält-nis von Kunst und Wissenschaft. Zwar hat sich die Philosophie, vorallem die Kunstphilosophie, lange Zeit nach Kräften bemüht, an derVerbindung des Schönen mit dem Wahren und dem Guten festzuhal-ten und der Kunst die ewigen Gesetze des Schönen vorzuschreiben.Doch die Künstler zeigten wenig Neigung, diese Gesetze zu respektie-ren. Zum Bedauern ist hier dennoch kein Anlass: Nur diesem niemalserlahmenden Drang, etwas Neues, noch nie Dagewesenes zu produzie-ren, verdanken wir die grandiosen Entwicklungen, die die Künste inden letzten Jahrhunderten durchlaufen haben. Doch auch die Natur erwies sich als weitaus komplexer, als dies ur-sprünglich angenommen worden war. Immer wieder mussten tradierteOrdnungsvorstellungen aufgehoben und durch neue, in der Regelkomplexere Strukturen ersetzt werden. Der Übergang von der Newton-schen zur Einsteinschen Physik ist hier nur ein Beispiel; die Entwick-lung der Chaostheorie ein weiteres.

EmergenzEs ist kein Wunder, dass im Rahmen dieser Entwicklung ein Begriff anBedeutung gewinnt, den wohl noch Kant empört zurückgewiesenhätte: Der der Emergenz. Emergenz leitet sich ab aus dem lateinischenemergere: auftauchen, emporkommen, zum Vorschein kommen. Auchim Englischen handelt es sich um einen alltagssprachlichen Ausdruckmit einer ganz ähnlichen Bedeutung. Die terminologische Verwendunggeht zurück auf Arbeiten von Samuel Alexander, C. Lloyd Morgan undC. D. Broad, die zu Beginn des letzten Jahrhunderts erschienen. Im strengen, wissenschaftstheoretischen Sinne bezeichnet man alsemergent solche Eigenschaften komplexer Systeme, die sich prinzi-piell nicht auf die Eigenschaften der Teile dieses System zurückführenoder reduzieren lassen. Die meisten Verfechter der Emergenztheoriewaren ursprünglich der Ansicht, dass sich die Eigenschaften chemi-scher Substanzen nicht auf die Eigenschaften der sie bildendenMoleküle zurückführen ließen. Als emergent wurden außerdem dieBewusstseinseigenschaften betrachtet. Diese Auffassung spielt bisheute eine wichtige Rolle. Viele Philosophen gehen bis heute davonaus, dass zentrale Bewusstseinseigenschaften prinzipiell nicht durchdie Hirnforschung zu erklären sind. Emergenz wird allerdings häufig auch in einem etwas weiteren Sinneverwendet. Gemeint ist dann die Entwicklung von etwas Neuem,

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Überraschendem, das aber in letzter Konsequenz durchaus erklärbarsein mag. In den Ingenieurwissenschaften liefern komplexe nicht-lineare Systeme das wohl wichtigste Beispiel: Zwar wird deren Ver-halten durch ihre Elemente determiniert, auf der anderen Seite könnenjedoch minimale Abweichungen der Ausgangsbedingungen großeAbweichungen des Systemverhaltens hervorrufen. Das Phänomen trittauf bei chemischen Synthesereaktionen in verfahrenstechnischen An-lagen, im Alltag ist es uns aus dem Wetter wohlbekannt. Als emergentin diesem schwachen Sinne kann man aber neben nichtlinearenSystemen auch viele überraschende Eigenschaften von Organismenoder chemischen Substanzen bezeichnen und letztlich auch vieleEntwicklungen in den Künsten, insbesondere der immer wieder erho-bene Anspruch der klassischen Avantgarde, etwas Neues, nie Dage-wesenes zu produzieren. Paradigmatisch ist hier Rimbauds „Il faut êtreabsolument moderne“.

Kunst und WissenschaftDiese kurzen Überlegungen zeigen bereits, dass Emergenz ganz offen-sichtlich eine Kategorie ist, die Künste und Wissenschaften miteinan-der verbindet: In beiden Bereichen spielt der Begriff der Emergenzheute eine wichtige Rolle. Das sollte allerdings nicht den Blick dafürverstellen, dass das Verhältnis zur Emergenz sehr unterschiedlich ist.Während Wissenschaftler in erster Linie bemüht sind, das Rätsel derEmergenz durch die Rückführung auf elementare Eigenschaften auf-zulösen, geht es in den Künsten eher darum, Freiheitsspielräume zuwahren, indem man sich nicht auf allgemeingültige Gesetze undPrinzipien festlegen lässt. Doch ist all dies Grund genug dafür, Emergenz zum Thema einerAusstellung in einer wissenschaftlichen Institution zu machen? Zwardürfte es nach dem Gesagten keiner besonderen Begründung mehrbedürfen, warum sich Wissenschaftler und Ingenieure für das Problemder Emergenz interessieren – insbesondere dann, wenn sie sich mit derDynamik komplexer technischer Systeme befassen. Eher kann mandiese Fragen an einen Künstler richten: Die Kunst selbst und dieKunstgeschichte mögen emergente Phänomene sein. Doch dies alleinewäre wohl kaum Grund genug, eine ganze Ausstellung unter diesesThema zu stellen. Schaut man sich allerdings die künstlerische Biographie von SabineKunz an, dann wird diese Entscheidung allerdings wesentlich besserverständlich. Tatsächlich haben auch in ihren früheren ArbeitenMotive der Entstehung, des Lebens und der Fruchtbarkeit immer

schon eine zentrale Rolle gespielt, so etwa in einer Installation inSalzwedel im Jahre 1999 oder aber im vergangenen Jahr unter demTitel WEIBLICHKEIT – SINNLICHKEIT – FRUCHTBARKEITnicht weit von hier in der Festung Mark. Emergent sind die Arbeiten von Sabine Kunz schon insofern, als dieFarbholzschnitte selbst hervorgehen oder besser vielleicht: hervorge-holt werden, aus dem Rohmaterial. Unvorhersehbar sind dabei sowohldie Oberflächengestaltung des Holzes wie auch die Wirkung der Farbeauf den Drucken.

Das ProjektDer eigentliche Bezug zum Thema kam jedoch durch einen direktenKontakt mit dem hiesigen Max-Planck-Institut zustande. Aus demBesuch verschiedener Abteilungen des Instituts entstanden zunächsteine Reihe von Zeichnungen zu ganz unterschiedlichen Themen wieder Kristallisation und Trennung von Molekülen, dem dynamischenVerhalten einer Brennstoffzelle, oszillierenden Reaktionen oder aberdem Wachstum von Mikroben. Diese Zeichnungen, von denen hier eine kleine Auswahl gezeigt wird,bildeten dann die Grundlage für die weitere Arbeit. Dabei hat sichSabine Kunz nicht mit der bloßen Illustration wissenschaftlicherPhänomene begnügt. Vielmehr hat sie sich, ausgehend von diesenZeichnungen, um einen ganz eigenständigen, eben einen künstlerischenZugang zum Thema Emergenz bemüht. Das macht die Verbindungweniger offensichtlich und gespannter, aber es macht sie auch span-nender. Doch die Verbindung ist sichtbar, ohne sich aufzudrängen; derBetrachter selbst ist gefordert, die Verbindung zu entdecken.Besonders schön verfolgen lässt sich dieser Prozess, wenn man dieZeichnung „Spiegelung Molekül“ mit dem „AtomMund“ vergleicht.Weitere Motive sind Flügel, Auge, Blatt, Kosmos, Atom, Wolke. Emergent sind nicht schon die Motive selbst, sondern vielmehr SabineKunz’ Interpretation dieser Motive. So z.B. die Flügel, die gleichzeitigdie Form eines Lorenz-Attraktors aufgreifen, die Kombination vonBlatt und Wolke, die ganz offensichtlich auf chaotische Prozesse beider Entstehung des Wetters anspielen, das Auge, das gleichzeitigFruchtbarkeitsmotive aufgreift und schließlich der Kosmos, also eben-falls ein altes Symbol des Entstehens und Vergehens. Auch hier geht eswieder nicht nur einfach darum, ein Thema mit ein paar oberfläch-lichen Symbolen zu illustrieren, vielmehr wirken die Arbeiten ganzaus sich heraus, ohne dass sie den Bezug zum Thema vernachlässigenwürden.

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Alle Motive werden durch einen gemeinsamen Aufbau verbunden, derdem Prinzip des Goldenen Schnitts folgt. Wie ein Leitmotiv wieder-holt sich zudem das Motiv der Ellipse. Sie selbst ist zwar kein emer-gentes Phänomen, aber doch – wie oben bereits am Beispiel Galileisgezeigt – ein Motiv, das stellvertretend steht für den Übergang zwi-schen der traditionellen Metaphysik und unserem heutigen Weltbild, indem nicht nur Ellipsen, sondern eben auch Emergenz und Chaos ihrenOrt haben. Aus der elliptischen Form ergibt sich dann bei den Drucken an derSandtorstraße dann noch einmal das Wellenmotiv, das immer wieder inden Skizzen auftaucht, die Sabine Kunz nach den Besuchen bei denArbeitsgruppen im Max-Planck-Institut angefertigt hat. Ein weiterer Aspekt des Emergenzprozesses, aus dem schließlich diesegesamte Ausstellung entstanden ist, lässt sich an den Drucken an derGartenseite erkennen: Etwas Neues entsteht hier durch die Kombina-tion der bereits bekannten Elemente z.B. zu einem BlattAuge, einemKopfMund, einem WeltallOhr, einem FlammenFlügelKopf etc. Gleichzeitig, und dies ist mein letzter Punkt nimmt sich Sabine Kunzaber auch mehrfach ausdrücklich des Verhältnisses von Wissenschaftund Kunst an, das unausgesprochen die gesamte Ausstellung durch-zieht. Am deutlichsten ist dies an den beiden einander gegenüberste-henden Köpfen zu sehen: Dem wissenschaftlichen AtomKopf linksund dem ästhetischen KopfOhr rechts in der Mitte der Drucke an derSandtorstraße.

FazitMan könnte den Faden noch weiterspinnen: Letztlich ist der Prozess,der zu diesen Bildern geführt hat, selbst ebenso ein emergentesPhänomen wie die Tatsache, dass aus der Arbeit eines wissenschaftli-chen Instituts plötzlich eine Kunstausstellung entsteht. Emergenz und Ästhetik, Kunst und Chaos: Eine gespannte Verbindungwie gesagt, aber das ist wohl auch nicht anders zu erwarten, seitdemwir das geschlossene Universum der vorkopernikanischen Zeit verlas-sen haben und das Wahre, Gute und Schöne allenfalls noch auf klassi-zistischen Opernhäusern zusammenfinden. Es wäre jedoch verfehlt,den Verlust des geschlossenen Weltbildes und seiner einfachen Wahr-heiten zu beklagen, vielmehr sollten wir ihn als eine Chance begreifen,die uns wesentlich mehr Freiheit und Entfaltungsspielräume lässt.Die Arbeiten von Sabine Kunz zeigen, wie man diese Spielräumenutzen kann und wie Kunst und Wissenschaft dann doch wiederzusammenkommen: Dazu bedarf es nicht der Wiederherstellung der

alten Metaphysik, man braucht nur ein wenig Mut und Einfalls-reichtum – beides haben die Initiatoren dieses außergewöhnlichenProjektes zur Genüge bewiesen.

Michael Pauen, Oktober 2006

Eröffnungsrede zum Kunstprojekt „Emergenz“ am 17. Oktober 2006von Prof. Dr. Michael Pauen, Professor am Institut für Philosophie derOtto-von-Guericke-Universität Magdeburg

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Die am Kunstprojekt „Emergenz“ beteiligten Wissenschaftler desMax-Planck-Instituts für Dynamik komplexer technischerSysteme Magdeburg

Dr.-Ing. Martin Peter ElsnerVon molekularen Bildern und deren Spiegelbildern und wie man diesevoneinander trennen kann

Prof. Dr. rer. nat. Dietrich FlockerziBursting Phenomena in pH-Oscillators

Dipl.-Wirtsch.-Ing. Matthias GundermannDynamisches Verhalten der Direktmethanol-Brennstoffzelle

Dr.-Ing. habil. Michael MangoldTechnische Nutzung zirkulierender Reaktionszonen

Dipl.-Ing. Dipl.-Biol. Julia K. SchmidtWachstum und Wettstreit innerhalb einer mikrobiellen Gemeinschaft

Dipl.-Chem. Axel SeebachVon molekularen Schablonen und wie man Abdrücke von ihnenerstellen kann

Dr. rer. nat. Klaus Peter ZeyerOszillierende Reaktionen und Chaos

Dipl.-Ing. Anke Zimmermann Aufreinigung von Influenzaviren

Zudem waren an dem Projekt beteiligt:

Dipl.-Ing. Andreas BockDipl.-Ing. Carsten ConradiProf. Dr.-Ing. Udo ReichlDipl.-Ing. Stefan SchwarzkopfProf. Dr.-Ing. Kai SundmacherHelga Tietgens

Prof. Dr.-Ing. Udo Reichl, Geschäftsführender Direktor des Max-Planck-Institutes, Helga Tietgens, Dipl.-Ing. Anke Zimmermann, Dipl.-Ing.Dipl.-Biol. Julia K. Schmidt in der Diskussion (von rechts)

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Prof. Dr. rer. nat. Dietrich FlockerziInstabilität lässt Neues auftauchen. In Kunst und Wissenschaft.Ob man Unerwartetes in der Dynamik, weg vom Equilibrium, wie den Torus im Bild, als emergent bezeichnet, hängt ab vom Standpunkt am Ufer des Flusses.

OSZILLATIONEN IN ISOTHERMEN SYSTEMEN

Briggs - Rauscher-Reaktion (1973) [1]Versuch 1: Demonstrationsversuch zur Briggs-Rauscher-Reaktion

• Losung I: 0.201 M KIO3

• Losung II: 3.6 M H2O2; 0.159 M HClO4

• Losung III: 0.15 M CH2(COOH)2; 0.0201 M MnSO4 · H2O,0.03 % Starke

Jeweils 100 ml ansetzen. Bei Losung III erst Starke in 80ml destilliertem Wasser vorlegen und aufkochen. Dann dieubrigen Substanzen zugeben und auf 100 ml mit destillier-tem Wasser auffullen. Losungen I, II und III in ein Becher-glas mit Ruhrer geben.

Periodische Farbumschlage:

• gold-gelb (elementares Iod)

• blau (Iod-Starke Komplex)

• farblos (ubrige Iod-Spezies)

[1] T.S. Briggs und W.C. Rauscher, J. Chem. Educ. (1973), Bd. 50, Seite 496.

Dr. rer. nat. Klaus Peter Zeyer im Gespräch mit Sabine Kunz über oszillierendeReaktionen und Chaos

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Dipl.-Ing. Dipl.-Biol. Julia K. Schmidt

Mit- oder gegeneinander? – Wachstum und Wettstreit innerhalbeiner mikrobiellen GemeinschaftForschungsobjekt des Themas „Dynamik mikrobieller Gemeinschaf-ten“ ist die quantitative Beschreibung des gemeinsamen Wachstumsdreier verschiedener Bakterienarten. Die Auswahl der Arten Pseudo-monas aeruginosa, Burkholderia cepacia und Staphylococcus aureusist motiviert durch ihre medizinische Relevanz für Patienten, die an derErbkrankheit Cystische Fibrose (Mukoviszidose) leiden. Diese Krank-heit bewirkt im Gegensatz zu gesunden Menschen eine verminderteEigendesinfektion der Lunge, in deren Oberflächensekret sich stattdes-sen unter anderem die genannten Organismen ansiedeln. Die Therapiedieser Mischinfektion ist schwierig, u.a. auch weil solche Mischkul-turen oder Gemeinschaften oft in unerwarteter Dynamik auf eine Anti-biotikagabe reagieren. Klassischerweise werden Bakterienarten hinsichtlich ihrer Wachs-tumsdynamik, Stoffwechseleigenschaften oder anderer Besonderhei-ten in Form von Reinkulturen charakterisiert. Um das Verhalten einerMischkultur erklären oder sogar vorhersagen zu können, reicht dasWissen um die individuellen Eigenschaften der Einzelspezies jedochhäufig nicht aus. Während des gemeinsamen Wachstums sind vieleInteraktionen möglich, die sowohl positiv als auch negativ sein könnenund durch die die Gemeinschaft mehr wird als die bloße Summe ihrerMitglieder. Dazu gehören z.B. der Wettstreit um ein gemeinsamesSubstrat, den das wettbewerbstauglichere Bakterium gewinnt, oder dieVerwertung einer Stoffwechselausscheidung einer Spezies alsSubstrat durch eine andere, was als positiver Effekt zu bewerten wäre.Ob und welche Interaktion zwischen den Bakterienstämmen auftretenund ob dafür zusätzlich Umweltfaktoren eine Rolle spielen, wie pH-Wert, Sauerstoffverfügbarkeit, Art des angebotenen Substrats, dies isteine Fragestellung unseres Projekts. Zu ihrer Beantwortung könnendie Mischinfektionen in Patienten selbstverständlich nicht als Ver-suchssysteme dienen. Wir haben daher als Zwischensystem, zwischenReinkultur im Labor und Mischkultur unter natürlichen Bedingungen,eine reproduzierbar zu erzeugende Mischkultur in definiert kontrollier-barer Umgebung etabliert.Unsere experimentellen Untersuchungen werden hauptsächlich ineinem kontinuierlich betriebenen Bioreaktor mit vollständiger Kon-trollmöglichkeit der Prozessparameter durchgeführt. Durch Formulie-rung unserer Hypothesen zu Eigenschaften der Gemeinschaft und

möglichen Interaktionsmechanismen in Form mathematischerModelle können Theorie und reales Ergebnis verglichen und die Ideedamit bestätigt oder widerlegt werden.Bereits jetzt lässt sich für unser Modellsystem anhand verschiedensterErgebnisse und Messwerte zeigen, dass die Bakterienarten alsMischkultur ein anderes Verhalten aufzeigen als in Reinform. Durchwelche Interaktionen dies evtl. begründet ist, und ob uns derenKenntnis weiteren Aufschluss in Bezug auf die medizinisch realenMischkulturen gibt, müssen unsere zukünftigen Forschungen zeigen.

Dipl.-Ing. Anke Zimmermann

Aufreinigung von InfluenzavirenDer in tierischen Zellen vermehrte Influenzavirus wird über Filtra-tions- und Chromatographieschritte aus der Zellkulturbrühe isoliert. Diesen Prozess gilt es hinsichtlich der Reinheit und dem Erhalt der Im-munogenität des Impfstoffs sowie der Produktausbeute zu optimieren. Maßgeblich für die Charakterisierung der einzelnen Schritte ist dieQuantifizierung des Produkts und der Hauptverunreinigungen.

Dipl.-Ing. Dipl.-Biol. Julia K. Schmidt im Labor mit Sabine Kunz

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Dipl.-Chem. Axel Seebach

Von molekularen Schablonen und wie man Abdrücke von ihnenerstellen kannSeit Menschengedenken versuchen wir, die Natur zu imitieren, wobeidie einfachste Methode ist, Abdrücke von ihr zu erstellen. Ein Originalbildet die Schablone, und mit einer geeigneten Masse erhält man nachdem Aushärten einen Negativabdruck. Um dies auf molekularer Ebene zu erreichen, geht man in dreiSchritten vor. Zunächst mischt man das abzubildende Zielmolekül (dieSchablone) mit so genannten funktionellen Monomeren, die sich umdieses herum anordnen. Entscheidend sind dabei strukturelle Elementeim Zielmolekül (z.B. positive Partialladungen), die mit komplementä-ren Elementen (z.B. negative Partialladungen) in den funktionellenMonomeren wechselwirken.Im nächsten Schritt wird diese dreidimensionale Anordnung durch dieZugabe eines quervernetzenden Monomers und nachfolgendePolymerisation (Aushärtung) fixiert. Dabei verbinden sich alleMonomere zu einer vernetzten Polymermatrix.Aus dieser wird im letzten Schritt das Zielmolekül herausgelöst. Dasgeprägte Polymer enthält schließlich Abdrücke, deren dreidimen-sionale Form geometrisch komplementär zum Zielmolekül ist. DieAbdrücke besitzen als zusätzliche Elemente definiert angeordneteBindungsstellen.

Dr.-Ing. habil. Michael Mangold

Technische Nutzung zirkulierender Reaktionszonen

Katalytische Festbettreaktoren sind mit Katalysator gefüllte Rohre, diezur Abgasreinigung verwendet werden können.Bekanntestes Beispiel ist der Drei-Wege-Katalysator im Auto. DieSchadstoffe im Abgas verbrennen im katalytischen Reaktor und setzendabei Wärme frei. Es zeigt sich, dass die freiwerdende Wärme unterbestimmten Bedingungen, z.B. bei plötzlicher Abkühlung des zuströ-menden Abgases, zu hohen Temperaturspitzen führen kann, die lang-sam in Richtung des Reaktors wandern. In der Regel sind dieseTemperaturspitzen unerwünscht, weil sie den Katalysator beschädigenkönnen. Eine Ausnahme ist aber der Zirkulationsreaktor, in dem solcheTemperaturspitzen bewußt angeregt werden, um mit geringemEnergieaufwand eine saubere Verbrennung bei hohen Temperaturen zuerreichen.

Dipl.-Chem. Axel Seebach im Labor mit Sabine Kunz

Schematische Darstellung des molekularen Prägens

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Dr.-Ing. Martin Peter Elsner

Von molekularen Bildern und deren Spiegelbildern und wie mandiese voneinander trennen kannWer jemals versucht hat, einen linken Handschuh auf die rechte Handzu stülpen oder umgekehrt, der weiß: Es ist vergebens. Unsere Händesind nicht identisch, sondern verhalten sich wie ein Bild und seinSpiegelbild. Dieses Phänomen, was gemeinhin als Chiralität („Hän-digkeit“) bezeichnet wird, begegnet uns in der Natur, in der Technikund selbst auf molekularer Ebene bei einer Vielzahl chemischerVerbindungen, den sog. Enantiomeren. Wer kennt nicht die rechtsdre-hende Milchsäure im Jogurt, die ebenfalls ein Enantiomer in reinerForm darstellt.Enantiomere chiraler Pharmazeutika zeigen in der Regel unterschied-liche chemische und biologische Wirksamkeit. Üblicherweise weistnur ein Enantiomer die gewünschte Eigenschaft auf, während dasGegenenantiomer entweder inaktiv ist oder sogar negative Auswir-kungen haben kann. Aufgrund dieses unterschiedlichen Verhaltensbesteht folglich oft nur Interesse an einem Enantiomer. Der Trenneffekt bei der „Bevorzugten Kristallisation“ basiert auf derunterschiedlichen Kristallisationsgeschwindigkeit der Enantiomere ineiner moderat übersättigten Lösung in Gegenwart von zuvor zugege-benen (homochiralen) Impfkristallen des als Kristallisat gewünschtenEnantiomers und somit auf den unterschiedlichen anfänglich zurVerfügung stehenden Oberflächen eines jeden Enantiomers sowie denhieraus resultierenden, unterschiedlichen Triebkräften.

Dipl.-Wirtsch.-Ing. Matthias Gundermann

Dynamisches Verhalten der Direktmethanol-Brennstoffzelle

Die Direktmethanol-Brennstoffzelle wird mit dem flüssigen Brenn-stoff Methanol betrieben und erzeugt daraus elektrische Energie. DieHöhe der Zellspannung hängt wesentlich von der Versorgung mitMethanol ab. Wird kein Brennstoff zugeführt, so beträgt die Spannungnull Volt und es wird kein Strom erzeugt. Entsprechend wird erwartet,dass bei einer Abschaltung der Methanolzufuhr im laufenden Betriebdie Spannung unverzüglich zusammenbricht. Zufällig durchgeführteMessungen haben jedoch gezeigt, dass die Spannung in einem solchenFall entgegen den Erwartungen zunächst ansteigt und erst nach einerWeile absinkt. Durch systematische Untersuchungen konnte anschlie-ßend eine Erklärung für dieses Phänomen gefunden werden. Dabeiwurde auch festgestellt, dass bei einem Betrieb der Brennstoffzelle mitgepulster Methanolzufuhr eine dauerhaft höhere Zellspannung erreichtwerden kann.

Dipl.-Wirtsch.-Ing. Matthias Gundermann im Gespräch mit Sabine Kunzzum Thema Dynamisches Verhalten der Direktmethanol-Brennstoffzelle

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