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Wissenschaftstheorie

empirisch- analytisch

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Wissenschaftstheorie

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Wissenschaftskonzepte

Wichtigste allgemeine Differenzierung von Wissenschaftskonzepten:

normativ vs. empirisch-analytisch

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Das normative Wissenschaftskonzept

Überlegungen darüber, was sein soll und wie es erreicht werden kann

normative Konzepte geben Wertmaßstäbe, Werturteile sowie Handlungsanleitungen vor bzw. empfehlen und/oder bewerten diese auf der Basis bestimmter Vorstellungen als „gut“ oder„schlecht“

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„Vorzüge“ des normativen Konzepts

Produktion gesellschaftlichen ReflexionswissensUnterbreitung normativer OrientierungsangeboteKritische Bewertung gesellschaftlicher ZuständeBeinhaltet und fördert die emanzipatorischen, fortschrittlichen sowie utopischen Potenziale und Aspekte der Politikwissenschaft

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Beispiele normativer Konzepte(in den IB)

RealismusFriedensforschung (z.B. Galtung)Transnationale Demokratie (z.B. Held)Globale Gerechtigkeit (z.B. Pogge)Global Governance (z.B. Commission on Global Governance)Gerechter Krieg

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Das empirisch-analytische Wissenschaftskonzept

Das empirisch-analytische Wissenschaftskonzept versucht, reale Phänomene zu beschreiben sowie deren Auftreten zu erklären und zu prognostizieren

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Bedingung des empirisch-analytischen Konzepts – Das Rationalitätspostulat

Das Rationalitätspostulat entspringt den Vorstellungen und Überlegungen über Wissenschaftlichkeit, wie sie v.a. von Vertretern des „Kritischen Rationalismus“ entwickelt wurden. Der wichtigste Protagonist ist hierbei Karl Popper. Das Rationalitätspostulat enthält 3 Forderungen:

1. Sprachliche und logische Präzision2. Intersubjektivität3. Begründbarkeit

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Das Rationalitätspostulat I: Sprachliche und logische Präzision

Im Unterschied zur Alltagssprache muss die Wissenschaftssprache eindeutig seinexplizite und präzise Definition von Begriffen„Präzise Begriffe/Sätze können nur dann zu sinnvollen Satzsystemen oder Aussagen verbunden werden, wenn logische Kriterien berücksichtigt werden. Die Logik formuliert die formalen Regeln korrekten Argumentierens. Nur auf dieser Grundlage ist es möglich, korrekte Schlussfolgerungen zu ziehen. Zwei Prinzipien sind hier bedeutsam: die Deduktion und die Widerspruchsfreiheit“ (Druwe1995: 21)

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Das Rationalitätspostulat II: Intersubjektivität

Intersubjektivität „umschreibt die Forderung, dass Wissenschaft im Prinzip für alle Menschen verständlich und nachvollziehbar sein muss (...). Wer versichert, zu einem bestimmten Ergebnis gekommen zu sein, welches andere beim Einsatz gleicher Methoden nicht bestätigen können, der arbeitet nicht wissenschaftlich. Dies ist der Grund, warum man die Begriffe definieren sowie die gewählte Methode genau beschreiben muss. Intersubjektivität ist die Voraussetzung für die Überprüfung von Resultaten. Erst die Angabe der Definitionen, der gewählten Methode und des verwendeten Datenmaterials erlaubt die wissenschaftliche Kontrolle“ (Druwe 1995: 22 f)

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Das Rationalitätspostulat III: Begründbarkeit

„Wenn der Wissenschaftler gefragt wird, woher er etwas weiß, dann muss er Gründe oder Argumente für seine Position anführen. Gründe/Argumente sind Sätze, die sprachlich und logisch präzise sind, d.h. sie sind verstehbar und kontrollierbar“ (Druwe 1995: 23)Hierzu wie auch zur Intersubjektivität gehört unbedingt auch, Fakten, Annahmen etc. mit Literaturverweisen u.ä. zu belegen bzw. zu untermauern

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Das Rationalitätspostulat des empirisch-analytischen Wissenschaftskonzepts

Wissenschaft

Intersubjektivität-Nachvollziehbarkeit

-Kontrolle

Präzision-präzise Sprache

- Logik

Begründbarkeit-Daten

-Argumente

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Auswirkungen des Rationalitätspostulats auf das empirisch-analytische Konzept

„Ziel ist die Formulierung von Hypothesen über (politische) Phänomene. Zu diesem Zweck werden (politische) Phänomene beobachtet, mittels empirischer und analytischer Sprache möglichst präzise beschrieben und darüber Hypothesen gebildetAnhand der Realität bzw. der Erfahrung werden die Hypothesen getestet; falls sie sich bewähren, werden sie zu TheorienMittels der Theorien kann man (politische) Phänomene erklären und prognostizierenMethodisch gilt für diesen Ansatz, dass alle Methoden rational, dem Problem adäquat und intersubjektiv sein müssen“ (Druwe 1995:32).

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Hypothesen

Hypothesen leisten den entscheidenden Beitrag zur Klärung einer FragestellungHypothesen stellen (analytisch präzise und empirisch schlüssige) Vermutungen über Ursachen-Wirkungs-Zusammenhänge darHypothesen verknüpfen die abhängige Variable (das zu Erklärende/Wirkung) mit der/den unabhängigen Variable(n) (Ursache(n))Hypothesen haben die Form: wenn..., dann... oder: je..., desto...

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Hypothesenbildung

Hypothesen werden aus Modellen gebildetModelle sind analytische Konstrukte, die die Realität auf wenige wesentliche Aspekte reduzieren und die es so erlauben, Vermutungen über Ursachen und ihre Wirkungen anzustellenBsp. Systemtheorie von Easton: Wenn das politische System stabil sein soll, dann benötigt es x, y und z als Input seitens des sozialen SystemsMit der Operationalisierung wird die Hypothese spezifiziert (was bedeutet - auf die konkrete Fragestellung gerichtet - Stabilität?, was sind x, y und z genau? etc.) und kann dann empirisch getestet werden

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Theorien

„Theorien sind Systeme von widerspruchsfrei verbundenen, bewährten Aussagen aus empirisch-analytischen Sätzen. Auf ihrer Grundlage kann man Phänomene erklären und evt. auch voraussagen (Prognose)“ (Druwe 1995: 37)

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Theorien

„Sie sind Systeme begründeter Aussagen (...) über bestimmte Tatsachen, Handlungen, ihre Beziehungen zu-und miteinander sowie über diesen zugrunde liegenden Ursachen, Strukturen, GesetzmäßigkeitenSie enthalten Angaben über die Voraussetzungen/Randbedingungen, unter denen die Aussagen gelten sollenSie beanspruchen Erklärungscharakter und Prognosefähigkeit; d.h.: wissenschaftliche Theorien müssen die Sachverhalte ihres jeweiligen Objektbereiches sowohl erklären als auch Aussagen über Veränderungen gestatten und Hypothesen über neue, noch nicht bekannte Sachverhalte erlauben“ (Nohlen)

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Funktion von Theorien im wissenschaftlichen Prozess

TheorieTheorie

Bestätigung / Falsifikation

BeobachtungenBeobachtungen

Hypothesen

WirklichkeitWirklichkeit

Deduktion

Überprüfung

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Die wissenschaftliche Erklärung –Das HO-Schema

Das HO-Schema (Carl Hempel, Paul Oppenheim) ist ein nomologisch-deterministisches Erklärungsmodell, das deduktiv vorgeht, um (vermutete) Kausalitäten zu überprüfen bzw. zu beweisenAufgrund seines streng deterministischen Charakters ist das HO-Schema (das Gültigkeit für alle Wissenschaften hat) für die Sozialwissenschaften ein idealtypisierendes Erklärungsmodell, denn: in den Sozialwissenschaften gibt es keine Fälle, in denen der Ursache-Wirkungs-Zusammenhang als vollständig gesichert gesehen werden kann.

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Struktur des HO-Schemas

Gesetz/Theorie (Allaussage)Einzelfall (Antecedensbedingung)

Explanandum (Schluss)

Über die umfassende und präzise Beschreibung des (Einzel-)Falls sowie der mit diesem korrespondierenden Theorie kommt man deduktiv zur Erklärung des realen Phänomens

Explanans

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Die sozialwissenschaftliche Erklärung

Da die in den Sozialwissenschaften im Mittelpunkt stehenden Phänomene zumeist kollektive Sachverhalte (und Akteure) sind, die sich aus dem zusammengefassten Handeln einzelner Akteure ergeben, bedarf das HO-Schema einer sozialwissenschaftlichen Spezifikation

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Das Grundmodell der sozialwissenschaftlichen Erklärung

Soziale Situation Kollektives Explanandum

Akteur Handlung

a

b

c

d

Abb. Esser 1999: 98

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Das Grundmodell der sozialwissenschaftlichen Erklärung

„Die Grundstruktur des sozialwissenschaftlichen Erklärungsmodells besteht aus drei typischen, aneinander anschließenden ‘Logiken‘. Sie bilden zusammen das elementare Grundmodell jeder soziologischen Erklärung“ (Esser 1999: 91)

1. Die Logik der Situation2. Die Logik der Selektion3. Die Logik der Aggregation

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Die Logik der Situation

„Es geht im ersten Schritt der Erklärung, ausgehend von den Randbedingungen, um die Rekonstruktion der sozialen Situation, der sich die Akteureausgesetzt sehen. Wir wollen die besondere Art der Beziehungen zwischen Situation und Akteur die Logik der Situation nennen“ (Esser 1999: 94)

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Die Logik der Situation

„Mit der Logik der Situation wird eine Verbindung zwischen der Makro-Ebene der jeweiligen speziellensozialen Situation und der Mikro-Ebene der Akteure hergestellt. (…) In der Logik der Situation ist festgelegt, welche Bedingungen in der Situation gegeben sind und welche Alternativen die Akteure haben. Die Logik der Situation verknüpft die Erwartungen und die Bewertungen des Akteurs mit den Alternativen und den Bedingungen in der Situation. Diese Verbindung zwischen sozialer Situation und Akteur erfolgt bei der jeweiligen Erklärung über Beschreibungen, über die sog. Brückenhypothesen“ (Esser 1999: 94).

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Die Logik der Selektion

„Im zweiten Schritt wird dann das individuelle Handeln erklärt. Es geht hier um die allgemeinen nomologischen Gesetze, nach denen die Akteure eine der Alternativen unter den gegebenen Bedingungen selegieren. Die damit zusammenhängenden Fragen nach einer geeigneten Theorie der Selektion des Handelns wollen wir als das Problem der Logik der Selektion bezeichnen“ (Esser 1999: 94f)

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Die Logik der Selektion

„Die Logik der Selektion verbindet zwei Elemente auf der Mikroebene: die Akteure und das soziale Handeln. Es ist die Mikro-Mikro-Verbindung zwischen den Eigenschaften der Akteure in der Situation und der Selektion einer bestimmten Alternative. Hierzu wird eine allgemeine Handlungstheorie benötigt, die es zulässt, die wichtigen Merkmale der Situation aufzunehmen. Nahe liegend ist daher eine Handlungstheorie, die in ihrem Ursachenteil die durch die Situation geprägten Erwartungen und Bewertungen der Akteure und in dem Folgeteil die verschiedenen, ihnen zur Wahl stehenden, Alternativen enthält“ (Esser 1999: 95)

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Die Logik der Selektion

Die Randbedingungen der Logik der Selektion sind, je nach ausgewählter Handlungstheorie, unterschiedlich „nah“ am Akteur„Es sind die externen objektiven Bedingungen der Situation einerseits und die dem Akteur internen subjektiven Erwartungen und Bewertungen, die auf die Selektion des Handelns Einfluss haben. (…) Nicht die Konventionalregel des Grußes nimmt ja den Hut vom Kopf, sondern immer nur ein Akteur, der dafür seine Gründe hat“ (Esser 1999: 96)

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Die Logik der Aggregation

„Die aggregierende Transformation der individuellen Effekte des Handelns der Akteure zu dem jeweiligen kollektiven Explanandum ist der dritte Schritt. Wir wollen ihn als die Logik der Aggregationbezeichnen“ (Esser 1999:96)

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Die Logik der Aggregation

„Mit der Logik der Aggregation wird die Mikro-Makro-Verbindung zurück auf die Ebene der kollektiven Phänomene hergestellt. Erst über die Aggregationbzw. über die Transformation kommt es zur Verknüpfung zwischen den individuellen Handlungen und den kollektiven Folgen. (…) Diese aggregierenden Verknüpfungen der Mikro- mit der Makroebene werden auch Transformationsregelngenannt. Transformationsregeln beinhalten sowohl spezielle und inhaltliche Informationen über den jeweiligen Fall als auch allgemeine und formaleRegeln und Ableitungen“ (Esser 1999: 97)

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Die sozialwissenschaftliche Erklärung -Zusammenfassung

„Die sozialwissenschaftliche Erklärung eines bestimmten Explanandums besteht also in der sukzessiven und schließlich kombinierten Lösung von drei ganz unterschiedlichen Fragestellungen: Die typisierende Beschreibung von Situationen über Brückenhypothesen; die Erklärung der Selektion von Handlungen durch die Akteure über eine allgemeine Handlungstheorie; und die Aggregation der individuellen Handlungen zu dem kollektiven Explanandum über Transformationsregeln“ (Esser 1999: 97).

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Die sozialwissenschaftliche Erklärung -Zusammenfassung

„Bei der Situationsanalyse geht der Sozialwissenschaftler vom Makro-Bereich aus, gelangt so auf den Mikro-Bereich der Akteure und des Handelns und kehrt mit der Aggregation der individuellen Effekte des Handelns wieder auf die Makro-Ebene zurück. Die drei Schritte können damit insgesamt als eine Makro-Mikro-Makro-Erklärung bezeichnet werden“ (Esser 1999: 97)

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Anwendungsbeispiel für das Grundmodell der

sozialwissenschaftlichen Erklärung

Soziale Situation

(Protestantische Ethik)

Kollektives Explanandum

(Geist des Kapitalismus)

Akteur

(Familiäre Sozialisation)

Handlung

(Leistungsmotivation)

Logik der Situation/Brück-enhypothese

Logik der Selektion/Hand-

lungstheorie

Logik der Aggregation/Transformationsregel

Indirekter Effekt

Abb. Esser 1999: 100

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ENDE

Danke für die Aufmerksamkeit