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Kurzfassung
Master Thesis
im Studiengang Human Computer Interaction
Empirische Analyse:
Chancen und Grenzen von Augmented Reality und
Gestensteuerung in der Fertigungsindustrie
Vorgelegt von: Elnaz Haschemilar | Matrikelnummer: 1128318
Zur Erlangung des akademischen Grades Master of Science
am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften, Wirtschaftsinformatik und Wirtschaftsrecht der
Universität Siegen
Stuttgart, den 07. März 2016
Erstprüfer: Dr. Markus Rohde, Universität Siegen
Zweitprüfer: Jun. Prof. Claudia Müller, Universität Siegen
Kurzfassung
I Kurzfassung
Kurzfassung
Die vorliegende Master Thesis beschäftigt sich mit einer empirischen Analyse und geht der Frage
nach, was mögliche Chancen und Grenzen von Augmented Reality und Gestensteuerung im industri-
ellen Umfeld der Fertigung sein könnten. In diesem Zuge wurden die Fragen aufgeworfen, ob diese
beiden jungen Technologien die Bedürfnisse von Fertigungsarbeitern decken und was allgemein die
Bedürfnisse von in der Fertigung angesiedelten Arbeitergruppen hinsichtlich neuer Technologien
sind. Eine solche empirische Analyse ist in Bezug auf die Industrie noch nicht existent.
Neben der Vorstellung beider Technologien (Kapitel 2, Kapitel 3) und Theorien der Arbeits- und Or-
ganisationpsychologie (Kapitel 4), konzentriert sich diese Thesis auf zwei Analysen: Mit ausgearbeite-
ten Top-Findings aus zwei Feldbeobachtungen (Kapitel 5) und einer Fokusgruppe (Kapitel 6) mit Pro-
dukt- und Exponatstests werden (Alltags-) Situationen, Emotionen und schließlich Bedürfnisse der
Fertigungsarbeiter aufgedeckt. Diese Ergebnisse werden in einer Expertenrunde mittels Personas
(Kapitel 7) auf Nutzerebene und durch einen Experten als Ausblick (Kapitel 9) auf technischer Ebene
validiert. Eine Diskussion der Thematik (Kapitel 8) liefert die Möglichkeit das Vorgehen und gewon-
nene Ergebnisse und Erkenntnisse sowohl zu diskutieren als auch zu reflektieren. Einen Überblick
über die empirische Analyse gewährt abschließend ein Fazit (Kapitel 10).
Anhang
Frei verfügbare, verwendete Literatur sowie Daten und Auswertungen der Empirie sind als Anhang in
elektronischer Form der Master Thesis beigelegt.
Gender-Hinweis
In diesem Dokument wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit nur die männliche Form eines Be-
griffs verwendet. Selbstverständlich beziehen sich die jeweiligen Begriffe sowohl auf weibliche als
auch auf männliche Personen.
II Abstract
Abstract
This thesis is covering an empirical anlysis concerning the question what possibly might be chances
and limitations for use of augmented reality and gesture control in the setting of industrial produc-
tion. This led to the questions wether these two young technologies will cover the needs of produc-
tion workers and what general needs of production workers are while considering new technologies.
Empirical investigation like this concerning industrial settings is not present to date.
Besides presenting both technologies (chapter two, chapter three) and theories of work and indust-
rial/organizational psychology (chapter four), this thesis is focused on two anal-yses: by elaborated
top findings from two field studys (chapter five) and a focus group including product and exhibit tests
(chapter 6) everyday situations, emotions and eventually needs of production workers are revealed.
These outcomes are validated by a panel of experts utilizing personas on a user level (chapter 6) and
by an expert as outlook on a technology level (chapter 9). A discussion of the topic (chapter 8) is pro-
viding possibility for discussion and reflection of the approach taken as well as results and findings. A
conclusion (chapter ten) is then outlining the empirical analysis.
III Vorwort
Vorwort
Zu Beginn dieser Thesis möchte ich mich bei denjenigen Personen bedanken, die mich tatkräftig bei
diesem Projekt unterstützt haben. Besonderer Dank gilt meinem Betreuer der Robert Bosch GmbH
Marc Bindel. Zudem danke ich allen Teilnehmern der Fokusgruppe, des Persona-Workshops sowie
Mitarbeitern der besuchten Werke, die einen wesentlichen Teil zu meinem Ergebnis beigetragen
haben. Hierzu gehören Eva Sandner und Jörg Scherrieble als Betreuer der Fokusgruppe und Benedikt
Mayenberger als Experte.
Des Weiteren möchte ich mich sehr bei meinem Betreuer der Universität Siegen für die fachliche
Beratung bedanken, Dr. Markus Rohde.
Mit dem Abschluss dieser Thesis endet auch mein Studium zum Master of Science. An dieser Stelle
möchte ich mich bei allen Dozenten und Lehrbeauftragten bedanken, die mich während meiner Stu-
dienzeit mit ihrem Fachwissen und ihren Beratungen unterstützt haben.
Die vorliegende Master Thesis entstand im Zeitraum April 2015 bis Februar 2016 in Zusammenarbeit
mit der Robert Bosch GmbH am Standort Feuerbach in Stuttgart, Baden Württemberg, im Industrie-
sektor Automatisierungstechnik Montageanlagen und Sondermaschinen, und ermöglicht mir den
Master Abschluss meines Studiums der Human Computer Interaction an der Universität Siegen,
Nordrhein-Westfalen.
Der Anlass dieser Master Thesis ist, angetrieben durch die Wichtigkeit des Trends Industrie 4.0 und
dem daraus folgendem Interesse der dezentralen Steuerung, die unternehmerische Fragestellung der
Machbarkeit von Augmented Reality und Gestensteuerung durch Gestenerkennung im industriellen
Umfeld der Fertigung sowie die Organisationsbestrebungen durch diese neuen Technologien unter
Fertigungsarbeitern positive User Experience zu unterstützen. Indessen kam die Fragen auf, welche
Chancen und Risiken Augmented Reality und Gestensteuerung aufweisen und wie die Bedürfnisse
der Fertigungsarbeiter hinsichtlich dieses Technologieeinsatzes als Methodenwerkzeug sind, speziell
im Kontext Technischer Service in Fertigungshallen.
IV Vorwort
V Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
KURZFASSUNG I
ABSTRACT II
VORWORT III
INHALTSVERZEICHNIS V
ABBILDUNGSVERZEICHNIS IX
TABELLENVERZEICHNIS XIII
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS XIV
1 EINLEITUNG 1
1.1 Motivation 1
1.2 Aktualität und Relevanz der Thematik 2
1.3 Aufbau und Zielsetzung: Forschungsfrage 4
THEORETISCHER TEIL: TECHNOLOGIE 7
2 GESTENSTEUERUNG 9
2.1 Die menschliche Hand als Datenhand 9
2.2 Aktueller Stand der Technik 10
2.2.1 Entwicklung 10
2.2.2 Aktueller Einsatz 14
2.2.3 Soziale Akzeptanz und Angemessenheit 17
3 AUGMENTED REALITY 19
3.1 Augmented Reality als visuelles Methodenwerkzeug 19
3.2 Aktueller Stand der Technik 21
3.2.1 Entwicklung 24
3.2.1 Aktueller Einsatz 26
4 ARBEITS- UND ORGANISATIONSPSYCHOLOGIE 29
4.1 Theorien der Arbeitszufriedenheit 29
VI Inhaltsverzeichnis
4.1.1 Bedürfnispyramide (nach Maslow) 30
4.1.2 Zwei-Faktoren-Theorie (nach Herzberg) 31
4.1.3 Model der Arbeitscharakteristika (nach Hackman und Oldham) 32
4.2 Theorie der Zielsetzung (nach Locke & Latham) 33
4.3 Kontroll-Wert-Ansatz zu Leistungsemotionen 35
4.4 Emotionsmodell (nach Plutchik) 37
PRAKTISCHER TEIL: EMPIRIE 39
5 ANALYSE I: FELDBEOBACHTUNG MIT INTERVIEWS 43
5.1 Methode und Ziel 43
5.2 Durchführung und allgemeiner Nutzungskontext 45
5.2.1 Ergebnis: Erlebnisse Feldstudie I 48
5.2.1.1 Erlebnis 0: Neue Technologien vs. vertrautem Galgensystem 50
5.2.1.2 Erlebnis 1 im Arbeitsalltag: Probleme lösen 53
5.2.1.3 Erlebnis 2 im Arbeitsalltag: Lehren und Lernen 55
5.2.1.4 Erlebnis 3 im Arbeitsalltag: Dateneinsicht - Datenübersicht 55
5.2.2 Ergebnis: Erlebnisse Feldstudie II 58
5.2.2.1 Erlebnis 0: Neue Technologien vs. vertrautem Galgensystem 61
5.2.2.2 Erlebnis 1 im Arbeitsalltag: Probleme lösen 66
5.2.2.3 Erlebnis 2 im Arbeitsalltag: Lehren und Lernen 68
5.2.2.4 Erlebnis 3 im Arbeitsalltag: Dateneinsicht - Datenübersicht 70
5.3 Top-Findings: Situation – Emotion – Bedürfnis 71
6 ANALYSE II: FOKUSGRUPPE MIT EXPONATS- & PRODUKTTESTS 79
6.1 Methode und Ziel 79
6.2 Vorbereitung 81
6.2.1 Szenario I: Augmented Reality-Demonstrator 81
6.2.2 Szenario II: Gestensteuerungs-Demonstrator 83
6.3 Durchführung 84
6.4 Ergebnis: Erlebnisse der Fokusgruppe 90
6.4.1 Erlebnis 0: Exponats- und Produkttests 91
6.4.2 Erlebnis 1 im Arbeitsalltag: Probleme lösen 95
6.4.3 Erlebnis 2 im Arbeitsalltag: Lehren und Lernen 100
6.4.4 Erlebnis 3 im Arbeitsalltag: Dateneinsicht - Datenübersicht 103
6.5 Top-Findings: Situation – Emotion – Bedürfnis 105
7 VALIDIERUNG: PERSONA-WORKSHOP 111
7.1 Methode, Ziel und Durchführung 111
7.2 Ergebnis: Fünf Personas 112
VII Inhaltsverzeichnis
8 DISKUSSION 117
9 AUSBLICK 121
9.1 Chancen von Augmented Reality und Gestensteuerung 121
9.2 Grenzen von Augmented Reality und Gestensteuerung 123
10 FAZIT 127
LITERATURVERZEICHNIS 129
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG 137
VIII Inhaltsverzeichnis
IX Abbildungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: ‚Question Zero‘ stellt den Impulsgeber zur Formulierung der Forschungsfrage dar. ....... 5
Abbildung 2: Beispielhafte Interaktionsform ‚Zeichnen‘ in Echtzeit durch die gestengesteuerte, non-
psychische Technologie des Gestenrings NOD als tragbares Gadget. Quelle:
youtube.com/user/hellonod, nod.com ................................................................................................ 15
Abbildung 3: Das Gestenarmband MYO erlaubt die Steuerung von Gadgets mittels Handgesten durch
Erfassung der Muskelkontraktionen. Quelle: market.myo.com .......................................................... 16
Abbildung 4: Visualisierung der Tiefeninformation. Quelle: Mathworks.com ..................................... 17
Abbildung 5: Ein Objekt mit Referenzmarker (QR-Code) wird in der realen Umgebung händisch durch
den Nutzer mit einem Tablet gescannt, sodass eine rekonstruierte, virtuelle Blume betrachten
werden kann (Craig, 2013 S. 43). .......................................................................................................... 19
Abbildung 6: Zukunftsvision einer Interaktiven Infografik hochpräzise Getriebe für den Sektor
Produktions- und Montageautomatisierung, abrufbar per QR-Code über eine App für Touch-Devices.
Quelle: Wittenstein Planetengetriebe .................................................................................................. 20
Abbildung 7: Beurteilung der Technologie-Relevanz im Technischen Service, nach einer Umfrage des
Fraunhofer IAO. Quelle: (Fraunhofer IAO, 2014 S. 20) ......................................................................... 21
Abbildung 8: Das METAIO SDK umfasst u. a. ein Authoring-Tool, cloudbasierte Bilderken-nung und
speziell für die Industrie ein Engineer-Framework. Quelle: Metaio ..................................................... 23
Abbildung 9: Volkswagen Service zeigt in einem laufenden Entwicklungsprojekt eine Augmented
Reality-Applikation per Silhouetten-Referenzmarker. Quelle: volkswagenag.com .............................. 24
Abbildung 10: 3D-AR-App ermöglicht Informationsfelder per ‚tippen und ziehen‘ auf andere Objekte.
Quelle: Fraunhofer IGD, Hannover Messe 2011, Promotion-Video ..................................................... 25
Abbildung 11: Augmented Reality soll zukünftig Werkstätten in Wartung und Reparatur von
Fahrzeugen unterstützen (Technischer Service), sowohl in Form von Erklär- als auch Infografiken.
Trägermedien sind Tablet-PCs und Smartphones. Quelle: Bosch Media Service ................................. 26
Abbildung 12: Augmented Reality head-up Displays (HUD) am Beispiel von Continental, um den
Fahrer zu unterstützen die Augen nicht von der Fahrbahn abzuwenden. Quelle: continental-head-up-
display.com/de ...................................................................................................................................... 27
X Abbildungsverzeichnis
Abbildung 13: Die Bedürfnishierarchie nach Maslow (1987) ist pyramidenartig aufgeschichtet, in
Anlehnung an Lubienetzki et al., 2015, S.59 ......................................................................................... 30
Abbildung 14: Herzbergs (1959) Inhaltstheorie für (Arbeits-) Motivation, in Anlehnung an Nerdinger
et al. (2014 S. 423-424) ......................................................................................................................... 31
Abbildung 15: Das Modell der Arbeitscharakteristika nach Hackman & Oldham, 1976. (Nerdinger, et
al., 2014 S. 424) ..................................................................................................................................... 32
Abbildung 16: Ursachen und Wirkungen von Emotionen, in Anlehnung an Pekrun (2015 S. 212, 216,
220). ....................................................................................................................................................... 36
Abbildung 17: Plutchik´s Emotionsmodell der acht Basisemotionen (zweiter Kreisring) zur
allgemeinen Klassifizierung von Emotionen, aus denen weitere Handlungsimpulse entspringen. In
Anl. an (Möll, 2007) ............................................................................................................................... 38
Abbildung 18: Den Nutzer verstehen lernen, bspw. durch ein Interview, um nutzerzentrierte
Produkte zu schaffen bzw. Nutzerorientiert zu Denken. ...................................................................... 41
Abbildung 19: Begriffserklärung der Arbeitergruppen aus dem industriellen Sektor erlebter
Fertigungen. Jemand der die Rolle aller fünf Gruppierungen deckt, wird innerhalb dieser Thesis als
‚Allrounder‘ bezeichnet. ........................................................................................................................ 41
Abbildung 20: Faktoren zur Erstellung von Gestaltungsprinzipien sind (Alltags-) Situation und die
dabei hervorgerufenen Emotionen und das Erfassen von Bedürfnissen. ............................................. 44
Abbildung 21: Dieser geplante Prozesszyklus zum Erwerb einer neuen Maschinenanlage ist
allgemeingültig für die zwei unterschiedlich beobachteten Unternehmen, dargestellt als A. ............ 46
Abbildung 22: Industrie-Tablet-PCs (A) sollen durch den Aspekt der Mobilität zukünftig
Galgensysteme (B) im industriellen Umfeld als Anwendungssystem ablösen. .................................... 47
Abbildung 23: Eine vollautomatische optische Prüfanlage, bestehend aus vier Stationen, mit zweierlei
Interaktionskonzepten: Galgensystem ohne Griff und Industrie-Tablet-PC. ........................................ 49
Abbildung 24: Das Galgensystem kommt im Arbeitsalltag einem Ruhepol gleich und unterscheidet
sich maßgeblich in der Nutzung im Vgl. zum Industrie-Tablet-PC. ....................................................... 51
Abbildung 25: Das Industrie-Tablet im mobilen Einsatz zur manuellen Einstellung der Kameras zur
optischen Überprüfung. Aufgrund des hohen Gewichts (1390Gramm) wird es an der Anlagenkante
abgelegt und zu keinem Zeitpunkt in der Armbeuge platziert. ............................................................ 53
XI Abbildungsverzeichnis
Abbildung 26: 90% des Arbeitstages wird persönlich bei offener Anlagentür kontrolliert (Ritual), ob
die Prüfanlage technisch korrekt die zugeführten Teile abfertigt. Oft stehen die Anlagentüren
aufgrund des blickdichten Gehäuses offen. .......................................................................................... 56
Abbildung 27: Die Fertigungslinie mit Handarbeitsplätzen (Teile- und Schraubenzuführung,
Abfertigung) besteht aus zwei vollautomatisierten Montageanlagen (links), die über ein, aus der
Halterung herausnehmbares, Industrie-Tablet inkl. easyPanel steuerbar ist (rechts). ........................ 58
Abbildung 28: Beobachtungen zeigen die Notwendigkeit des sicheren Halts im Kontext des
körperlichen Wohlbefindens der Arbeiter. ........................................................................................... 61
Abbildung 29: Beobachtungen bestätigen die Aussagen der Arbeiter, dass sie sowohl free-hands
Technologien als auch einsehbare Anlagen benötigen, da die Konstruktion von Anlagen körperlichen
(kooperativen) Einsatz bedarf. .............................................................................................................. 62
Abbildung 30: Der AR-Demonstrator umfasst eine Fertigungsinsel mit zwei
Automatisierungsassistenten welche, nach dem manuellen Abscannen jeweiliger QR-Codes als
Referenzmarker, AR-Informationen in Echtzeit auf dem Tablet bereitstellen (grün). .......................... 82
Abbildung 31: Entsprechende Augmented Reality-Inhalte werden in Echtzeit auf dem Screen des
Tablets angezeigt d. h. im Sichtbereich des Nutzers, sobald dieser entsprechenden QR-Code
eingescannt hat und aktiv das Tablet über entsprechende Flächen führt............................................ 82
Abbildung 32: Dieser Demonstrator ermöglicht das gestenbasierte Steuern des Greifarms aus
Distanz, mit dem Hintergrund die technologische Machbarkeit zu präsentieren. ............................... 83
Abbildung 33: Kleine Fertigungsinsel als Augmented Reality-Demonstrator (Szenario I) zur
Überprüfung von Prozessen und allg. Systemzuständen, abrufbar mit einem Consumer Tablet über
einen QR-Code als Referenzmarker je Automatisierungsassistent. ...................................................... 85
Abbildung 34: Der Gestensteuerungs-Demonstrator (Szenario II) erlaubt mittels des Führens der
offenen Hand über, in einer Glasfassung verbauten, Leap Motion Control den Greifarm des
Automatisierungsassistenten aus Distanz zu steuern (A). Getrackte Gesten sind über ein Display zu
kontrollieren (B). Eine Faust gibt den Befehl zum Schließen des Greifers (C) und erlaubt das
Fortführen des Autoschwamms (D). Mit Wiederöffnen der Hand über dem Schacht öffnet sich der
Greifer (E), sodass der Autoschwamm außerhalb des Käfigs entnommen werden kann. ................... 86
XII Abbildungsverzeichnis
Abbildung 35: Fokusgruppe mit acht Teilnehmern, bestehend aus Maschinenbedienern,
Gruppenführer, Fertigungsplaner und Teamleiter aus der Fertigung, zzgl. drei Betreuern und einem
Moderator. ............................................................................................................................................ 87
Abbildung 36: Ein Teilnehmer beim Experimentieren mit dem Gestenring NOD innerhalb des
Beispielszenarios, Nutzung der Taschenrechnerfunktion, um ein Gefühl für punktgenaue
gestenbasierte Steuerung zu erhalten. ................................................................................................. 88
Abbildung 37: Beim Produkttest des Gestenarmbands MYO war der Andrang am Größten. .............. 88
Abbildung 38: Gesten-Controller Leap Motion motivierte zum Experimentieren, sowohl einhändig als
auch zweihändig, bei der Aufgabe Würfel zu greifen, anzuheben und kontrolliert fallen zu lassen. .. 89
Abbildung 39: Das Gadget Leap Motion regte die Teilnehmer eigenständig zu kooperativem Arbeiten
an. Gemeinsam wurde versucht einen größeren Würfel zu suchen, diesen anschließend zu greifen,
zusammen nach oben zu Heben und zeitgleich fallen zu lassen. .......................................................... 89
Abbildung 40: Meinungsäußerungen der acht Teilnehmer hinsichtlich der zwei Exponats- und drei
Produkttests. ......................................................................................................................................... 91
Abbildung 41: Erstellte Persona eines Fertigungsplaners. Zur Fokussierung und Visualisierung von
Attributen zur Personenbeschreibung wurden aus Zeitschriften, entsprechend eigener Typ-
Interpretation, passende Bilder ausgeschnitten. ................................................................................ 113
Abbildung 42: Persona einer Anlagenführerin, mit einem aus einer Gruppendiskussion entwickeltem
Zitat, orientiert an festgehalten Attributen. ....................................................................................... 114
Abbildung 43: Persona eines Servicemitarbeiters, mit einem Zitat, aufbauen auf Erlebnissen (im
Kundenkontakt) der teilgenommenen Experten. ............................................................................... 114
Abbildung 44: Persona eines aktiven Maschinenbedieners, mit einem gewählten Zitat aus der
Empirie, da dies die Persönlichkeit gut wiederspiegelt (vgl. Feldstudie II, TN.GF01). ........................ 115
Abbildung 45: Entwickelte Persona eines passiven Maschinenbedieners. Das Zitat erfolgte aus dem
Gedankenprotokoll eines Experten und symbolisiert negativ-Emotionen. ........................................ 115
XIII Tabellenverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Gliederung vorliegender Master Thesis.................................................................................. 4
Tabelle 2: Gliederung vorliegender Master Thesis, mit Auflistung des theoretischen Teils. .................. 7
Tabelle 3: Eigenschaftenvergleich graphical user interface (GUI) und natural user interface (NUI).
Quelle: (Henseler, 2011) ........................................................................................................................ 11
Tabelle 4: Gesten-Eigenschaften unter dem Aspekt von NUIs. (Preim, et al., 2015 S. 520) ................. 12
Tabelle 5: Gliederung vorliegender Master Thesis, mit Auflistung des praktischen Teils. ................... 39
Tabelle 6: Aufgrund von Sommer- und Urlaubszeiten erfolgte eine dreistufige Empirie. .................... 40
Tabelle 7: Agenda entsprechend der betrieblichen Vorgabe von maximal drei Stunden. ................... 81
XIV Abkürzungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
2-D/ 3-D zwei-Dimensional/ drei-Dimensional
Abschn. Abschnitt
AF Anlagenführer
ALL Allrounder
Anl. Anlehnung
App Applikation
AR Augmented Reality
Bsp. Beispiel
bspw. beispielsweise
bzgl. bezüglich
bzw. beziehungsweise
d. h. das heißt
DIN Deutsches Institut für Normung
ebd. ebenda
EDV Elektronische Datenverarbeitung
eMail electronic mail
EN Europäischen Norm
et al. et alia
etc. et cetera
f. folgend
FP Fertigungsplaner
ggf. gegebenenfalls
GF Geschäftsführer
GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GUI graphical user interface
HMD head-mounted Display
HMI Human-Maschine Interface
HUD head-up Display
i. D. im Durchschnitt
i. d. R. in der Regel
ISO International Organization for Standardization
IT Informationstechnologie
LED Leuchtdiode
XV Abkürzungsverzeichnis
MB Maschinenbediener
Nr. Nummer
NUI natural user interface
PC Personal Computer
psych. psychologisch
QR Quick Response
S Small
S. Seite
SM Servicemitarbeiter
St. Standard
SPEC Spezifikationen
TL Teamleiter
TN Teilnehmer
u. a. unter anderem
USP Unique Selling Proposition
usw. und so weiter
vgl. vergleiche
WLAN Wireless Local Area Network
XL extra large
z. B. zum Beispiel
z. Dt. zu Deutsch
XVI Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1. Einleitung
Die Einleitung ist in drei Abschnitte gegliedert. Vorangestellt ist die Vorstellung der Motiva-
tion aus der diese Thesis entsprungen ist. Der zweite Abschnitt beschreibt, warum die The-
matik der vorliegenden Thesis von Relevanz ist. Dabei soll ein kurzer Überblick verschafft
werden, in welcher Beziehung neue Technologien aus dem Bereich Consumer Electronics (z.
Dt. Unterhaltungselektronik) die Nachfrage nach neuen technologischen Lösungen im in-
dustriellen Umfeld der Fertigung intensiviert. Im dritten Abschnitt wird der Aufbau und die
Zielsetzung der Thesis vorgestellt.
1.1 Motivation
Die alltägliche Nutzerwelt mit ihren schwer fassbaren Handlungsweisen entsprechend dem
Nutzervorwissen (Hellige, 2014) und der technischen Verwöhnung durch Consumer
Electronics, mit dem Trend der Multigerätenutzung, stellen eine besondere Herausforde-
rung für den Industriesektor allgemein dar. Die Verbindung von Routine und spontanen
Handlungsaktionen (ebd.), die technische Machbarkeit des schnellen sowie ortsungebun-
denem Informationszugriffs, verbunden mit einer effizienten Darstellung (Mehler-Bicher, et
al., 2014) und der rasante Wandel von Wissenschaftskonzepten im Consumer Bereich
(Spindler, 2015) machen weitere Aufgaben für Technologierealiserungen in der Industrie
sichtbar. Es findet ein Anforderungswechsel statt. Dieser muss wahrgenommen werden,
um praxisnahe Nutzerkonzepte zu realisieren. Bezogen auf das industrielle Umfeld der Fer-
tigung, wird die Identifikation mit einer Aufgabe nicht mehr durch ein Zusammenführen
verschiedener Einzelaufgaben erhöht, sondern in wachsendem Maße durch vollautomati-
sierte Technik ersetzt (Hellert, 1995). Zugleich bedarf dieser Schritt differenzierte neuartige
Fähigkeiten, Fertigkeiten und Wissen der Arbeiter aller Hierarchien im industriellen Umfeld.
Durch die Aufnahme von Ton, Bildinformationen in 2-D/ 3-D und Infrarot werden
Gelenk-Bewegungen, Gesten, Mimik und Sprache technisch erkannt. Dies ermöglicht eine
Interaktion mit Technik über Berührung, Sprache und Gestik. In diesem Zuge ist die Mul-
titouch-Technologie mittels der Hände als mediale Repräsentation im IT-Bereich im Consu-
mer Bereich unentbehrlich geworden. Die Nutzung von Maus und Tastatur ist im Zeitalter
von Touch als Komplettlösung optional, denn der Mensch ist als direktes Eingabegerät akti-
viert. Der Mensch spricht, der Mensch gestikuliert mit den Händen und beide Formen die-
ser menschlichen Interaktion sind technisch fassbar. Die Hand ist symbolisch lesbar
(Münkner, 2008), folglich ist technologisch der nächste Schritt dies auf IT-Nutzer zu über-
2 Einleitung
tragen, denn Gestikulieren ist menschlich betrachtet instinktiv (Song, et al., 2012), tech-
nisch wird dies als intuitive Interaktion eingestuft. Diese Entwicklungen der Mensch-
Maschine-Kommunikation1 locken durch offensichtliches Potential (Mehler-Bicher, et al.,
2014 S. 1) und intensivieren den Effizienz-Gedanken.
Das innovative Visualisierungswerkzeug Augmented Reality (AR) bietet das Potenti-
al Informationen auf neuartige Weise exakt dort zu visualisieren wo der Mensch als Nutzer
sie benötigt. Gestenerkennung, das als Vergleichsmaßstab für Multitouch-Anwendungen in
Mensch-System-Interaktionen herangezogen wird, ist seit Markteinführung des iPhones
2007 im Betriebssystem mobiler Geräte fest verankert (Dorau, 2011) und für Nutzer zur
Normalität herangereift. Weitere Neuentwicklungen im Bereich der Consumer Electronics
sind zu erwarten, denn das Bedienkonzept der Gestensteuerung hat sich in diesem Bereich
als funktionsfähig und alltagstauglich erwiesen. Im Industriesektor hingegen sind keine wis-
senschaftlichen Veröffentlichungen Stand heute bekannt. Technologien werden weiterge-
führt, oftmals noch immer mit dem Fokus auf die Logik, doch die Bedeutsamkeit des Ver-
stehens des Nutzungskontextes und die entsprechend situativen Bedürfnisse von Nutzern
sind im Industriesektor angekommen. Junge Technologien wie Augmented Reality und Ges-
tenerkennung sind als Fortschritt zu wagen, denn sie verfolgen eine gute Logik zu Assistenz-
systemen (BMBF, 2014). Nun gilt es den Fokus dieser Fortschritte an eine am Menschen
orientierte Gestaltung zu legen und das funktioniert mit der Orientierung an echten Men-
schen (Norman, 2013).
Mit einem sich verändernden Markt ändern sich sowohl die Bedürfnisse der Kun-
den2 als auch die der Nutzer3. Einfache und intuitive Gestaltung steht im Fokus der Entwick-
ler- und Designerwelt, da neue Technologien zu verändertem Nutzungsverhalten und ver-
änderter Erwartung bei Kunden und Nutzer gleichermaßen führen.
1.2 Aktualität und Relevanz der Thematik
Bedürfnissen von Arbeitern aus dem industriellen Umfeld der Fertigung wurden bislang im
Zusammenhang mit den Technologien Augmented Reality und Gestensteuerung als Werk-
zeugmethode im Arbeitsalltag nicht untersucht. Das Einbeziehen von Bedürfnisse bzw.
Emotionen potentieller Nutzer gewann in den vergangenen Jahren immerzu an Bedeutung
und ist gegenwärtig für die Systemerhaltung als Notwendig in Organisationen aufgeschlos-
1 vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung, (I-MMK) 2 Tragen die Kaufentscheidung 3 In der Fertigungsproduktion arbeitenden Mitarbeiter
3 Einleitung
sen (Zapf, et al., 2009). Messen und Konferenzen4 informieren hinsichtlich der Bedeutung
von User Experience unter der Anwendung von user-centered Design und Design Thinking5.
Den Endkunden (Nutzer) zu begeistern und sie zu binden, um folglich wettbewerbsfähig zu
bleiben, ist ein entscheidendes Glied. Globale und dynamische Märkte bedingen fortlau-
fend zeitgemäßes und flexibles Agieren in fortlaufend komplexer werdenden Organisatio-
nen (Zapf, et al., 2009). Neue Technologien bewirken neue Arbeitsmethoden durch neue
Arbeitswerkzeuge, die wiederum auf Prozesse wirken wie etwa die Forderung höhere Pro-
duktionszahlen in gleichbleibender Produktionszeit. Mitarbeiter eignen sich spezifische
Sachkompetenz an und Führungskräfte sind innerhalb dieser agilen (Organisations-) Struk-
turen nahezu außerstande einzelne Prozesse zu überwachen (ebd.). Diese Dynamik bedingt
eine hohe Eigenständigkeit bei den Arbeitern. Diese Veränderung fordert mehr Leistung,
die demgegenüber unter dem Aspekt der Arbeitspsychologie durch ein Verbundenheitsge-
fühl zur Organisation erbracht werden (Moser, 1996). In diesem Kontext erhalten Emotio-
nen von Arbeitern einen exzeptionellen Stellenwert, deren Stimulierung, Motivation und
schließlich Zufriedenheit durch Sicherstellung der Grundbedürfnisse eine zentrale Aufgabe
für Führungskräfte und Technikeinsatz darstellt (Zapf, et al., 2009).
Während die Darstellung von Augmented Reality-Inhalten durch diverse Software-
Entwicklungssysteme stark vereinfacht wird, ist die Möglichkeit mit virtuellen Objekten zu
interagieren recht begrenzt. Stand heute stehen indirekte Interaktionskonzepte, wie etwa
das Touchfeld eines Smartphones bzw. Tablets, der Datenbrille oder sonstiger Bediengerä-
te, die nicht an das Kamerabild gekoppelt sind, zur Verfügung. Eine direkte Interaktion mit
virtuellen Objekten mittels Händen, also das Greifen und Bewegen eines eingeblendeten
Objekts mit der Hand, ist noch nicht verbreitet. Für diese Form der direkten Interaktion
existieren verschiedene Technologien der Gestenerkennung6. Stand heute ist die berüh-
rungslose Gestensteuerung aufgrund der technischen Herausforderung noch nicht an
Multitouch-Lösungen zu messen (Dorau, 2011).
Durch vernetzte Produktionen und intelligente Maschinen wachsen die reale und die virtu-
elle Welt immer weiter zusammen. Dabei bleibt zu analysieren, inwieweit es sich bei dem
Begriff Augmented Reality im industriellen Sektor tatsächlich um einen Trend handelt, der
neue Produkt- und Produktionslösungen seitens der Industrie fordert und mit dem Werk-
4 Vgl. CarConnect 2015, Industrial Usability-Day 2015, Mensch und Computer 2015, Motek 2015 5 Vgl. bspw. IBM, IBM Design Language: ibm.com/design/ 6 Vorstellung in Kapitel 2
4 Einleitung
zeug Gestenerkennung effizient zu ergänzen ist. Hinsichtlich benutzerzentrierter Gestaltung
ist der Fokus der Augmented Reality-Technologie vordergründig auf dem technischen Po-
tential ausgelegt, weniger auf den eigentlichen Nutzerbedarf, sodass die ergebnisführenden
Vorteile dieser Innovationen aktuell noch im Verborgenen liegen (BMBF, 2015b).
Auf Basis dieses Hintergrunds ist Stand heute auf rationaler und emotionaler Ebene offen,
was sowohl etwaige Chancen und Grenzen hinsichtlich der Machbarkeit von Augmented
Reality und Gestensteuerung sind, als auch die Bedürfnisse von Arbeitern im industriellen
Umfeld der Fertigung hinsichtlich dieser beider Technologien sind. Welche Auswirkung die
Einführung beider Methodenwerkzeuge auf die Arbeiter hat, ist nicht wissenschaftlich fun-
diert. Aus diesem Grund bietet sich das Themenfeld für eine Master Thesis an, um mittels
Empirie eine Grundlage für diese Thematik zu bilden.
1.3 Aufbau und Zielsetzung: Forschungsfrage
Die vorliegende Arbeit gliedert sind in vier Teile (Tabelle 1). Im theoretischen Teil werden
zunächst die Technologien Augmented Reality und Gestensteuerung und Theorien der Ar-
beits- und Organisationspsychologie vorgestellt. Im praktischen Teil bildet die Basis der
Überlegung die Untersuchung der Bedürfnisse von Fertigungsarbeitern als potentielle Nut-
zer der Technologien Augmented Reality und Gestensteuerung als unterstützendes Werk-
zeug. Der Fokus liegt hierbei auf den empirischen Forschungsmethoden Feldbeobachtung,
Fokusgruppe (Sensibilisierung der Teilnehmer), Nutzertests und Interview, um aufzuzeigen,
ob die Technologien Augmented Reality und Gestensteuerung die Nutzerbedürfnisse deckt.
Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse werden sowohl Personas potentieller Nutzergrup-
pen entwickelt als auch eine Validierung der Chancen und Grenzen mit einem Experten als
Abschluss durchlaufen. Ausgangspunkt ist der Rechercheprozess, basierend auf Basislitera-
tur, um den aktuellen Stand der Entwicklung von Augmented Reality und Gestenerkennung
zu definieren. Der Rahmen der Umsetzung obliegt dem Prozess einer qualitativen empiri-
schen Analyse.
Einleitung Theoretischer Teil Praktischer Teil Abschluss
Kapitel 1 Kapitel 2 bis 4 Kapitel 5 bis 6 Kapitel 7 bis 10
Tabelle 1: Gliederung vorliegender Master Thesis.
5 Einleitung
QUESTION ZERO
Der Begriff ‚Question Zero‘ bezeichnet sechs methodische Fragen, welche am Anfang eines
Projektes zur Entwicklung eines Produktes, Systems oder Services zu diskutieren sind7. In
diesem Zuge wird bestehendes Hinterfragt und ein Innovationspotential von Ideen als Pro-
jekt entschieden. Aus der Beantwortung der Question-Zero- Fragen, ist die Forschungsfrage
für die vorliegende Thesis abzuleiten, die sowohl wegweisend als auch wesentlich für den
Erfolg eines anvisierten Produktes ist. Der Aufbau hin zur Forschungsfrage bestand aus
sechs Komponenten (Abbildung 1):
(1) Gegenstand (Was?): Innovatives, revolutionäres System/ Werkzeug in Form von
Augmented Reality und Gestenerkennung
(2) Nutzen (Wofür?): Zur Erfüllung einer Funktion, bspw. zum Schrauben.
(3) Kontext (Wo?): Im industriellen Sektor, Bereich Fertigung.
(4) Nutzer (Für wen?): Für bspw. Maschinenbediener.
(5) Status quo (im Vergleich mit?): Es gibt noch keine entsprechende Lösungen im
industriellen Umfeld der Fertigung.
(6) Methode/ Technologie (Wie?): Qualitative und quantitative Methoden, unter
Verwendung technologischer Innovationen (Exponate)
Abbildung 1: ‚Question Zero‘ stellt den Impulsgeber zur Formulierung der Forschungsfrage
dar.
7 In Anl. an das User Experience Prozess Model, der Robert Bosch GmbH.
6 Einleitung
Aus der ‚Question Zero‘-Phase ergibt sich folgende Forschungsfrage:
- Was sind Chancen und Grenzen von Augmented Reality und Gestensteuerung in
der Fertigungsindustrie?
Resultierende untergeordnete Fragen sind:
- Deckt Augmented Reality und/ oder Gestensteuerung als unterstützendes Werk-
zeug die Bedürfnisse von Arbeitern im industriellen Umfeld der Fertigung?
- Was sind Bedürfnisse von Fertigungsarbeitern hinsichtlich dem Einsatz neuer Tech-
nologien?
Themen die im Zuge der Empirie als relevant einzustufen sind, wären der Einsatz von Tab-
let-PC im industriellen Kontext der Fertigung sowie Arbeitsergonomie, Customer Journey,
Usability und User Experience. Im weitesten Sinne haben diese Aspekte mit der Thematik
dieser Thesis zu tun, allerdings sind diese zur Detailierung nicht im Zentrum der Thematik
verankert bzw. gehen über die Forschungsfrage hinaus.
7 THEORETISCHER TEIL: Technologie
THEORETISCHER TEIL:
Technologie
Der folgende Teil ist in drei Kapitel gegliedert, gestaltet die technische Basis für die For-
schungsfrage und befasst sich mit der Mensch-Computer-Schnittstelle durch die Technolo-
gien Gestensteuerung und Augmented Reality. Es schafft einen Überblick hinsichtlich der
gestenbasierten Mensch-Computer Interaktion als Werkzeugmethode zur Steuerung von
Objekten mit Fokussierung non-physischer Berührung (Kapitel 2) sowie Augmented Reality
als weiteres Methodenwerkzeug (Kapitel 3), das als Vermittlungsunterstützer sowohl zwi-
schen Mensch und Computer als auch zwischen Mensch und Mensch operiert. Recherchiert
und beleuchtet wird hinsichtlich beider Technologien ausschließlich gemäß eines möglichen
bzw. realistischen Einsatzes in der Fertigungsindustrie. D. h., diese theoretische Analyse
beschränkt sich auf aktuell existierende technologische Errungenschaften im realen Einsatz
und nicht auf Visionen getriebene Entwicklungen wie bspw. Datenbrillen, welche jedoch
durchaus im Ausblick erörtert werden. In diesem Teil der Thesis und auch weiterführend,
wird sich auf das Forschungsfeld Augmented Reality beschränkt, da Virtuell Reality aus Ar-
beitssicherheitsgründen aktuell nicht im Kontext der Fertigungsindustrie realisierungsfähig
ist. Weiterhin werden Theorien der Arbeits- und Organisationspsychologie vorgestellt (Kapi-
tel 4), auf die im weiteren Verlauf der Thesis verwiesen wird. Dieser theoretische Teil der
Thesis bildet zudem eine Grundlage für das Expertengespräch als Abschluss im Ausblick.
Einleitung Theoretischer Teil Praktischer Teil Abschluss
Kapitel 1 Kapitel 2 bis 4 Kapitel 5 bis 6 Kapitel 7 bis 10
Gestensteuerung, Augmented Reality, Arbeits- und Organisati-onspsychologie.
Tabelle 2: Gliederung vorliegender Master Thesis, mit Auflistung des theoretischen Teils.
8 THEORETISCHER TEIL: Technologie
9 Gestensteuerung
2. Gestensteuerung
Dieses Kapitel verschafft, innerhalb der Mensch-Computer-Schnittstelle, ein Grundver-
ständnis der gestenbasierten Mensch-Computer Interaktion als Werkzeugmethode zur
Steuerung von Objekten ohne physische Berührung. Im ersten Abschnitt erfolgt eine tech-
nische Ermittlung der Gestensteuerung durch Gestenerkennung der menschlichen Hand.
Der zweite Abschnitt bildet den aktuellen Stand der Technik und umfasst die Entwicklung
von Gestensteuerung hin zu natural user interface (NUI) und setzt sich mit der sozialen
Akzeptanz von Gestensteuerung auseinander. Anschließend wird die unberührte Möglich-
keit der Befehlssteuerung durch Vorstellung dreier Gadgets vorgestellt, welche im prakti-
schen Teil dieser Thesis (Abschn. 6.4.1) einem Nutzertest unterzogen und im Ausblick (Kapi-
tel 9) durch einen Experten validiert werden.
2.1 Die menschliche Hand als Datenhand
Die Erkennung von ausgeführten Gesten durch die menschliche Hand ist im IT-Umfeld ein
Forschungsgebiet, das von der statischen Positionsschätzung einer Hand bis zu dynami-
schen Handbewegungen reicht. Als Gestenerkennung wird im Allgemeinen die computer-
bedingte automatische Handerkennung mit fünf Fingern (technisches Hand-Tracking) mit-
tels spezieller Software bezeichnet, um Objekte per vordefinierte Gesten zu steuern
(Malerczyk, 2009). Demnach ist eine beendigte Gestensteuerung durch Algorithmen be-
dingte Gestenerkennung der menschlichen Hand durchführbar. Der Nutzer jedoch nimmt
lediglich die Gestensteuerung wahr, d. h. seine eigenen ausgeführten Gesten, weswegen
dieser Begriff im Titel dieser Thesis eingesetzt wird.
Die zartfühlende Hand als vertrautes Werkzeug wird durch technologische Verbreitungen
zur Datenhand, d. h. in der Mensch-Computer-Schnittstelle sichtbar zur elektronischen
Hand mit übermenschlicher Leistungskraft (Wenzel, 2003), d. h. durch technische Artefakte
werden methodisch physische Grenzen des Menschen übergangen (Popitz, 1995). Die Fin-
ger wirken durch den Akt des Zeigens auf ein Objekt als Wegweiser des Blicks der Augen,
als Information für eine kontextbezogene Gerätesteuerung (Morsch, 2011) (Malerczyk,
2008), bekannt durch die Verwendung einer PC-Maus. Der Mensch ist in derselben Weise
ein werkzeugherstellendes als auch ein werkzeugbrauchendes Geschöpf, wenngleich die
Hand essenzielles Werkzeug des Menschen ist – plus steigender produktiver Fertigkeit
durch steigendem Technikeinsatz (Popitz, 1995). Eine Steuerungsmöglichkeit ohne physi-
10 Gestensteuerung
schen Objektkontakt über die eigenen Hände hat den Mehrwert, dass der Mensch als Nut-
zer direkt das Erkenner-System bzw. die Schnittstelle einnimmt.
Die menschliche Hand ist mit 27 Freiheitsgraden im Vergleich zu technischen Rekonstrukti-
onen konkurrenzlos geschickt und mit dem hochkomplexen kinematischem Modell in der
Lage (Malerczyk, 2009) mit hoher Bandbreite Verständigungen wie Schreib- und Zeichen-
sprache auszuführen (Sharp, et al., 2015).
2.2 Aktueller Stand der Technik
Gestenerkennung erobert die Schnittstelle der Mensch-Maschine Interaktion, Gestensteue-
rung fügt der Mensch-Maschine Interaktion eine weitere Dimension hinzu, berührungslose
Steuerung aus der Distanz, mit Geräten noch natürlicher interagieren – so oder so ähnlich
debütieren Formulierungen zum Thema Gestensteuerung. Sowohl bei den Recherchen als
auch bei Interviews im Rahmen dieser Thesis stellte sich heraus, dass Gestenerkennung als
Synonym für Gestensteuerung verwendet wird. Dass allerdings Gestensteuerung mittels
Gestenerkennung ermöglicht wird (vgl. Abschnitt 2.1) und demgemäß ein technischer Un-
terschied zwischen den zwei Begrifflichkeiten existiert, wurde nicht deutlich. In Rahmen
dieser Thesis werden die Begrifflichkeiten entsprechend Abschnitt 2.1 verwendet.
2.2.1 Entwicklung
Interaktionskonzepte von Consumer Electronics arbeiten mit vordefinierten Gesten bzw.
Gesten mit bewusstem oder instinktivem Charakter. Die Sphäre der elektronischen Kon-
sumgüter greift auf reale Handlungsmuster der Menschen zurück welche sogleich Kultur-
übergreifend sind, wie etwa die vordefinierte Wisch-Geste in der digitalen Welt metapho-
risch für im-Buch-blättern in der realen Welt steht. Die Hand als Eingabebefehl für Anwen-
derprogramme bzw. für technische Leistungskraft ist attraktiv (Malerczyk, 2009) und die
Sphäre der Consumer Electronics strebt an die Gestensteuerung zur technischen Routine
werden zu lassen. Motiviert durch die Tatsache, dass manche menschliche Handaktionen
wie auch Verhaltensweisen des Menschen aus einer Routine heraus mechanisch erfolgen.
Die Entwicklung von Sensoren und Kameras durchlebt einen rapiden Wandel das der For-
schung und Entwicklung der technischen Gestenerkennung zu Gute kommt, wie etwa die
Umsetzung mit integrierter Software, da Gestenerkennung sich in die Sektoren geräteba-
siert und kamerabasiert unterteilen lässt (Iversen, 2014). Dies ermöglicht den Einsatz bspw.
in Smartphones, Tablets oder Navigationsgeräten. Nutzer können im geräteabhängigen
11 Gestensteuerung
definierten Sensorbereich als Erkenner-System per Geste auf Mikroebene vielschichtige
Prozeduren mit instinktivem Charakter wie etwa Zoomen als Steuerungsbefehl ausführen.
Bedingt durch Consumer Electronics-Toucheingaben und Gestensteuerung bewegt sich die
Entwicklung fort vom graphical user interface (GUI) hin zum natural user interface (NUI).
D. h. die intuitive Interaktion steht im Vordergrund der Technikentwicklung durch Zentrali-
sierung des Menschen als kontext-sensitive Mensch-Computer/ Mensch-Maschine-
Schnittstelle (Finger und Stift) zur direkten, erlebnisorientierten Interaktion mit Objekten,
wie nachfolgende Tabelle nach Henseler (2011) visualisiert.
GUI NUI
Primäre Eingabemedien Tastatur und Maus Finger und Stift
Interface Indirekt (Metapher), Grafik Unmittelbar und direkt, Ob-jekte
Denken in Symbolen Objekte
Interaktion Semi-Natural, Wiedererken-nend
Natürlich, intuitiv
Mediale Ausprägung Multimedial Multimodal
Zielerreichung Explorativ Kontext-sensitiv
User Experience Anschaulich Erlebnisorientiert
Wirkungseffizienz Mittel Hoch
Tabelle 3: Eigenschaftenvergleich graphical user interface (GUI) und natural user interface
(NUI). Quelle: (Henseler, 2011)
Die Aktionsmodi der Hand als Werkzeug vervielfältigten sich in der menschlichen Evolution
und gleiches gilt nun für die wirkungseffiziente Datenhand im Operationsprozess (Leroi-
Gourhan, 1965/1988), aktuell evolutionär betrachtet durch Consumer Electronics. Bislang
ist eine direkte Berührung auf hard-keys (Tasten) die primäre Interaktionsform mit Technik,
jedoch bewegt sich die Entwicklung dynamischer Gestensteuerung als primäre Sprache der
Interaktion mit Technik im Consumer-Bereich durch Touch-Devices rasant voran. Vorreiter
ist die Spielindustrie, die zunehmend reale Handlungsmuster digitalisiert und die Machbar-
keit beweist, dass Gestensteuerung die Schnittstelle von Computer zu Mensch sein kann.
Die Buzzwords Gestenerkennung, User Experience und intuitive Interaktion in
Kombination sind spätestens seit der Hannover Messe 2015 auch in der Industrie ange-
kommen und im Fertigungssektor anvisiert bzw. in den Bereichen Fertigungsautomatisie-
rung, Produktionstechniken, Qualitätskontrolle und Qualitätssicherung8.
8 Vgl. hannovermesse.de: Fraunhofer-Institut IOSB, Fraunhofer-Institut IDMT, Robert Bosch GmbH, BMW
12 Gestensteuerung
GESTEN-EIGENSCHAFTEN UND -STANDARDS
Nachfolgende Tabelle zeigt unter dem Aspekt der NUI Gesteneigenschaften nach Preim und
Dachselt (2015 S. 520), die als Empfehlung zu verstehen sind.
Hinsichtlich der Forschungsfrage dieser Thesis sind diese herangezogenen Geste-
neigenschaften relevant, um diese in ihrer technischen Machbarkeit mit bereits existieren-
den Gestenerkennungssoftwaren bzw. –Gadgets zu vergleichen. So sind Auswahlverfahren
mit Blick auf die Einsetzbarkeit im industriellen Umfeld möglich.
Präsenz Eine Hand muss in einem Eingaberaum zunächst vorhanden sein, bevor eine Geste damit erfasst werden kann.
Dauer Im Gegensatz zu statischen Gesten ist eine Bewegung immer von be-stimmter Dauer. Diese kann man sich gerade bei einfachen gestischen Interaktionen als Unterscheidungsmerkmal zunutze machen. […] Eine kurze Ausführungszeit einer Geste kann auch ein wichtiges Designziel sein, wenn z.B. sehr schnell zwischen verschiedenen Modi einer Anwen-dung umgeschaltet werden soll.
Bewegung Hierbei wird ein Kontinuum zwischen statischer Pose und hochdynami-scher Bewegung im Raum denkbar. Die Bewegung kann langsam oder schnell sein, einfach oder komplex, raumgreifend oder platzsparend.
Orientierung Es spielt eine große Rolle, in welche Richtung eine Geste ausgeführt wird. Als Referenzsystem kommen andere Nutzer, der eigene Körper, der Raum, ein oder mehrere Displays, reale oder virtuelle Objekte in Frage. Eine Geste wird durch ihre Orientierung somit in einen Kontext gesetzt (…).
Größe Der Umfang, d. h. die Interaktionsfläche bzw. das Interaktionsvolumen einer Geste, kann eine wichtige Rolle spielen. Eine Geste am selben Ort mir identischer, aber eben vergrößerter Bewegung kann als die gleiche Funktion (trotz unterschiedlicher Ausführung) interpretiert werden. Sie kann aber – je nach Größe der Ausführung – auch unterschiedlich para-metrisiert werden (wenig/viel zoomen) oder sogar eine völlig andere Bedeutung besitzen.
Bimanualität Im Falle von Handgesten spielt es eine Rolle, ob eine oder beide Hände beteiligt sind […].
Tabelle 4: Gesten-Eigenschaften unter dem Aspekt von NUIs. (Preim, et al., 2015 S. 520)
Stand heute gibt es keine Standards für ein 3D-Gestenalphabet, lediglich Empfehlung wie in
Tabelle 4 gezeigt. Um die Entwicklung dieses Forschungsgebietes mittels einer greifenden
DIN zu festigen, befindet sich aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages seit
2014 ein Projekt namens DIN SPEC 91333 „Berührungslose Gestensteuerung zur Mensch-
System-Interaktion (INS 1215)“ in der Entwicklung (INS, 2014). Diese DIN wird u. a. Anlei-
tungen, Beschreibung zentraler Begriffe, Darstellung menschlicher Gesten und Grundregeln
für die Gestaltung intuitiver oder erlenbarer Gesten für die Gestaltung der Benutzerschnitt-
13 Gestensteuerung
stelle bei berührungsloser Gestensteuerung in der Mensch-System-Interaktion enthalten.
Die vorläufige Projektbeschreibung weist jedoch darauf hin, dass die DIN SPEC nicht als
umfassender Gestenkatalog zu betrachten ist oder eine umfassende Liste von Anwendun-
gen enthalten wird, da diese anwendungsspezifisch zu erstellen seien. Zudem wird die Emp-
fehlung ausgesprochen diese DIN zusammen mit der DIN EN ISO 9241 - Ergonomie der
Mensch-System-Interaktion9 anzuwenden.
TAKTILITÄT
Gegenüber den Multitouch-Bedienungen ist, Stand heute, die berührungslose Gestener-
kennung aufgrund der technischen Herausforderung noch nicht an Multitouch-Lösungen zu
messen (Dorau, 2011). Wenzel (2003 S. 181) stellt klar, dass im digitalen Zeitalter die
menschliche Hand als Symbol bewahrt wurde: Der Zeiger der PC-Maus findet Ablösung
durch die zugreifende gestenbasierte Steuerung. Die Datenhand als Sinnbild für die steu-
ernde Hand, „agiert als hochkomplexe Maschine“. Hinsichtlich Taktilität nach McLuhan
(2010 S. 127) ist ein haptisches Erfühlen und Ertasten von Objekten tatsächlich nicht not-
wendig. Gerade mit neuen Technologien wie Gestenerkennung und Augmented Reality ist
Taktilität „Begreifen mit allen Sinnen“10. Die Bedeutung der Taktilität und einer greifenden
Hand ändert sich mit den Entwicklungen der IT-Welt. Ein Zufassen oder haptisches Ankli-
cken per PC-Maus ist nicht mehr notwendig, um mit Technik zu interagieren – ein bloßes
andeuten per Geste als Ausdruck der Auseinandersetzung genügt, um als Schnittstelle zu
kommunizieren. Sowohl der Mensch als auch die Maschine erfasst die Situation durch die
technische Form der Taktilität (ebd.). Das Bewahren der Hand als Symbol wird durch nach-
folgende Einsatzmöglichkeiten bestätigt.
Vorläufige Forschungen von ‚am Finger getragene Geräte‘ für Gestensteuerung durch Ges-
tenerkennung erkunden die Erstellung von Eingabegeräten, deren taktile Rückmeldung und
multimodale Machbarkeiten11. Erkenntnisse von Chan et al. (2010) sind wichtige Indikato-
ren zur Beantwortung der Forschungsfrage der Thesis, wie nachstehend zusammengefasst:
I. 3D-Interaktion mittels in-air-Gestenerkennungen sind körperlich anstrengend,
sodass die Benutzerzufriedenheit sowie -leistung häufig beeinträchtigt wird
II. fehlende taktile Rückmeldung auf immaterielle Displays hat Einfluss auf die di-
rekte Touch-Interaktion, auch bei den einfachsten Zielerfassungen. Dreißig Pro-
9 „Ergonomie der Mensch-System-Interaktion“, beschreibt seit 2006 die Richtlinien der Mensch-Computer-Interaktion 10 Vgl. McLuhan, In: (Heilmann, 2010 S. 127) 11 Vgl. bspw. (Nunez, et al., 2015), (Takafumi, et al., 2009), (Kouta, et al., 2010)
14 Gestensteuerung
zent der Positionierungsoperationen zeigten Fehler größer als 30 mm von der
tatsächlichen Fläche
2.2.2 Aktueller Einsatz
Die Gestenerkennung weist, Stand heute, einen überschaubaren Kreis von kommerziellen
Geräten auf. Um einen Überblick über den Stand der Technik zu schaffen, werden nachfol-
gend kurz die fortschrittlichsten drei Eingabemethoden hinsichtlich Gestensteuerung auf
dem technologischen Stand heute aufgelistet (NOD, MYO, Leap Motion Control), welche im
praktischen Teil dieser Arbeit im Rahmen der Empirie realen Nutzertests unterzogen wer-
den, um die Realisierbarkeit im Kontext der Forschungsfrage zu prüfen.
GESTENRING NOD
Beschleunigungs- bzw. Trägheitssensoren ermöglichen die Bewegung der Hände statisch
und dynamisch für die Interaktion mittels Gestensteuerung durch Gestenerkennung. Zur
Orientierung werden statische Gesten durch einen grünen Punkt als Systemfeedback auf
der Anzeigefläche eines bspw. Desktops als Zielinteraktionsobjekt visualisiert, ähnlich dem
vertrauten visualisierten Pfeil der PC-Maus als Sinnbild für den eigenen Zeigefinger, um auf
ein Objekt hinzudeuten. Über diese Technologieart verfügt der Gestenring NOD als wearab-
le-Gadget (z. Dt. tragbares Gerät) mit integrierten drei Touchpads und zwei hard-keys (z. Dt.
Tasten). Diese erlauben neben der Gestensteuerung zusätzliche Interaktion auszulösen. Die
erfassten Handgesten werden in einem 3-D-Arbeitsraum in Befehle per Bluetooth in Aktio-
nen übersetzt und ermöglichen Steuerungsbefehle aus einem Distanzbereich von 30-Fuß.
Der Gestenring NOD ist für den Zeigefinger konzipiert, wasserdicht, sowohl für
Rechts- oder Linkshänder geeignet und in den Größen S-XL erhältlich. Es ermöglicht natürli-
che Gesten, Bewegungsfolgen und taktile Eingaben mit praktisch jeder immersiven Platt-
form bzw. Anwendung durch präzises Skelett-Tracking in Echtzeit. Grundsätzlich rezitiert
die Datenhand mittels Metaphern, ähnlich Zeigewörtern, um so genannte true-to-life-
Bewegungen, respektive vertraute und routinierte Bewegungen, aus dem Gedächtnis der
Nutzer als berührungslose Mensch-Maschine Schnittstelle aufzugreifen. Die Metapher ‚im
Buch blättern‘ wird bei der Ausführung von Gestenbefehlen verwendet, um z. B. zwischen
Systemseiten einer Anwendung zu wechseln. Der Nutzer kann folglich per gestengesteuer-
ter Technologie berührungslos bzw. non-physisch und intuitiv Technik wie etwa Fernseher,
PC und Touch-Devices interaktiv und dezentral steuern. Demnach mit einer Hand oder bei-
nen Händen ohne weitere Hardware als Verbindungsstück u. a. Computerspiele steuern,
15 Gestensteuerung
Zeichnen/ Malen (Abbildung 2) oder eine Taschenrechnereingabe aus einem limitierten
Distanzbereich vornehmen.
GESTENARMBAND MYO
Eine tragbare Technologie für direkte, berührungslose Interaktion ist das 96Gramm leichte
Gestenarmband MYO. Vordefinierte Gesten werden als free-touch Gestenbefehle innerhalb
der Mensch-Maschine Schnittstelle erkannt, indem Hand- und Fingerbewegungen mittels
Beschleunigungs- und Trägheitssensoren über das Gestenarmband getrackt werden12.
MYO ist am Unterarm, nahe dem Ellbogen, zu platzieren und erfasst die
Muskelkontraktionen im Arm des Nutzers und ordnet diese den im System vordefinierten
Gesten zu. Dies schränkt zwar eine intuitive Manipulationsfähigkeit ein, ist dennoch ausrei-
chend um ohne direkten Kontakt Steuerungsbefehle abzugeben. Der Nutzer kann sich mit-
tels Bluetooth frei im Raum platzieren und bewegen sowie gleichzeitig mit seinen Händen
einer Tätigkeit nachkommen. Dadurch ist es dem Nutzer möglich sich auf die eigene Arbeit
zu konzentrieren13, ohne Blickverlust zum Objekt. Dies schließt den gesamten Körper mit
ein. Die Steuerung durch das Gestenarmband MYO ist folglich in erster Linie als ergänzen-
des Gerät bzw. Assistenzsystem einzustufen.
12 Vgl. market.myo.com 13 Vgl. Niemitz, In: (Wenzel, et al., 2003)
Abbildung 2: Beispielhafte Interaktionsform ‚Zeichnen‘ in Echtzeit durch die gestengesteu-
erte, non-psychische Technologie des Gestenrings NOD als tragbares Gadget. Quelle: y-
outube.com/user/hellonod, nod.com
16 Gestensteuerung
Um ungewollte Interaktionsbefehle in einem laufenden Prozess zu vermeiden, ist es mög-
lich über die vordefinierte Handgeste double tap MYO zu Pausieren. Durch den Metapher-
bezug wird das Interaktionskonzept der Gestensteuerung als Intuitiv bezeichnet und be-
sonders verdeutlicht, dass Gesten als Befehlskommunikation nichtsprachliche Aktionen
unterstützen (Wenzel, et al., 2003). Jedoch müssen die vordefinierten Gesten im Kontext
erlernt werden (Aneignung).
LEAP MOTION CONTROL: 3D-GESTENSTEUERUNG ALS INTERAKTIONSMETHODE
Für eine Interaktion durch die Hände mit virtuell generierten Objekten, ohne weitere physi-
sche Hardware als Schnittstelle, müssen diese virtuellen Inhalte mit den Händen selektiert
und manipuliert werden können. Dies bedeutet, dass sowohl statische als auch dynamische
Handbewegungen bzw. Gesten (vgl. Abschn. 2.1) mittels Sensoren erkannt werden müssen.
Hierzu sind drei Möglichkeiten technologisch möglich:
I. 3D-Kameras ermöglichen, dass die Position der Hände mittels Tiefeninformationen
ermitteln wird (Abbildung 4).
II. Sensoren können mittels Beschleunigungs- und Trägheitssensoren die relativen
Bewegungen der Hände bestimmen (bspw. auch Gestenring NOD)
III. Optisches Handtracking ermittelt Handpositionen durch Beschleunigungssensoren.
Touchpads bzw. Touchscreens sind beschränkt auf die 2D-Ebene eines Bildschirms, wohin-
gegen 3D-Kameras 3D-Manipulationen durch Tiefenwahrnehmung ermöglichen. Mit dieser
Zusatzinformation ist es möglich, den Abstand zwischen Objekten im Sichtfeld der Kamera
zu bestimmen. Das Ergebnis ist die Erstellung von Tiefenbilder wie etwa Abbildung 4 visuali-
siert. Diese Form trägt dazu bei, Objekte wie die menschliche Hand im Vergleich zum Kör-
per oder anderen Objekten im Raum innerhalb des Kamerabilds zu ermitteln. Hierbei wer-
den aus den erfassten 3D-Objekten markante Punkte herausgefiltert und versucht diese
Abbildung 3: Das Gestenarm-
band MYO erlaubt die Steuerung
von Gadgets mittels Handgesten
durch Erfassung der Muskelkon-
traktionen.
Quelle: market.myo.com
17 Gestensteuerung
einer menschlichen Hand zuzuordnen. Die einfachsten Punkte sind die Fingerspitzen und
die Handwurzel, welche im Suchalgorithmus festgelegt sind.
Der Kontroller der Leap Motion Control erkennt statische sowie dynamische Gesten
und ermöglicht somit dem Nutzer, mit seiner Hand als Datenhand, auf neue Art mit dem
System zu interagieren - als Ergänzung zur PC-Maus, Tastatur oder Touch-Interaktion. Auf
einem 150°-Sichtfeld und einer Z-Achse für die Tiefe verfolgt der Controller alle Finger bis
zu 1/100stel Millimeter, das entspricht der Gestenerfassung auf einem Ein-Zoll-Würfel am
Monitor und ermöglicht die Handbewegung in 3-D, folglich 1:1 zur realen Welt.
2.2.3 Soziale Akzeptanz und Angemessenheit
Wie einleitend in Kapitel 1 beschrieben und technisch erläuternd im bisherigem Kapitel 2,
ist durch den rasanten Technikwandel in Sphären der elektronischen Konsumgüter der Nut-
zeralltag geprägt von diversen Interaktionsformen – evolutionär betrachtet in Rahmen von
Touch-Devices bei Entwicklungszyklen von etwa sechs Monaten. Die Gesellschaft ist derweil
gewöhnt an ‚mit sich selbst redenden Menschen‘, denn Sprachsteuerung über bspw. ein
Headset ist bekannt. Gestensteuerung als Interaktionsform hingegen ist eine neue Techno-
logie und situiert zu betrachten, um vom Umfeld und Nutzer als Angemessen empfunden
zu werden (Preim, et al., 2015). Nutzer bewerten situativ im Kontext und auf Basis ihres
jeweiligen Vorwissens welche Ausführungen, durch Einschätzung der sozialen Akzeptanz,
angemessen ist (Goffman, 1959) (Schutz, 2012).
Goffman (1959) äußerte bereits 1959, dass bei Menschen durch die bewusste Be-
obachtung des Umfelds, bei der Interaktionsform von gestenbasierter Technik ohne physi-
schen Kontakt (in-air-Handgesten), als Nutzer Nutzungshemmungen auftreten könnten.
Preim et al. (2015 S. 527) fasste zusammen: „Je öffentlicher der Raum wird, in dem durch
Gesten gesteuerte Anwendungen genutzt werden sollen, umso kritischer ist die Frage nach
der sozialen Akzeptanz zu stellen“. Sowohl das Umfeld als auch der Ort üben folglich vor,
Abbildung 4: Visualisierung der
Tiefeninformation.
Quelle: Mathworks.com
18 Gestensteuerung
während und nach der Techniknutzung Einfluss auf die Nutzungsbereitschaft bzw. das inne-
re Wohlbefinden aus (Rico, et al., 2010) (Preim, et al., 2015). Nachweislich bevorzugen Nut-
zer Gestensteuerung mit
i. vom System angemessenen vordefinierten Gesten, bspw. kein Hüpfen für einen
Programmstart – gerade im Kontext kollaborativer Szenarien bzw. in Gruppen
und im öffentlichen Raum (Reetz, et al., 2014),
ii. kleinem Interaktionsvolumen (Rico, et al., 2010) (Ahlström, et al., 2014),
iii. kurz andauernden Gesten zur Befehlsausführung (Ahlström, et al., 2014),
iv. nicht zu großer Distanz zum zu steuerndem Gerät (Ahlström, et al., 2014).
Unter Berücksichtigung dieser Bedürfnisse kann das Bewusstsein bei einzelnen Nutzern und
in Gruppen potenziert (Reetz, et al., 2014), um Akzeptanzprobleme zu durchdringen
(Ahlström, et al., 2014). D. h. in diesem Sinne führen unter Berücksichtigung der Größe und
Dauer von Gesteneigenschaften, entsprechend Tabelle 4, zu mehr Diskretion im öffentli-
chen Raum (Preim, et al., 2015). Als weiteren Grund für Akzeptanzprobleme hinsichtlich
Gestensteuerung nannte Goffman (1959) den Druck nach außengerichtet einen positiven
Eindruck zu hinterlassen, welche ggf. mit nicht angemessenen Gesten kollidieren würde.
Ebenso beeinflussen Berührungsängste vor neuen Technologien die Interaktionsbereit-
schaft potentieller Nutzer, wie Fürntratt und Fuhrmann (2015) mit der Entwicklung einer
gestenbasierten Interaktion, integriert in einem Bürostuhl mittels Leap Motion Control14,
aufzeigten. Mit diesen aufgeführten Betrachtungsweisen hebt sich hervor, dass die Gesell-
schaft als potentielle Nutzer neuartiger gestenbasierter Technologien Erfahrungen mit so-
wohl i) dieser Form der direkten Befehlseingabe über die eigene Hand als Schnittstelle
sammeln muss, als auch ii) ihrer sozialen Akzeptanz machen müssen (Rico, et al., 2010).
Technologisch evolutionäre Entwicklungen dagegen betrachtet, werden dieser Zustand der
Befangenheit in naher Zukunft ausgegliedert sein, denn Menschen steuern seit Jahrzehn-
ten mit ihren Händen als Werkzeug Computer und verschiedene technische Ausführungen
von Gadgets (Iversen, 2014). Demzufolge befindet sich die Gesellschaft durch Consumer
Electronics gerade in der thematischen Sensibilisierungsphase.
Gemäß einer repräsentativen Studie (Nedopil, 2011), bewerten in Deutschland 52%
von 1100 techniknutzenden Verbrauchern Augen, Handgesten und Sprache als Interakti-
onsform zur Gerätesteuerung vor der weitverbreiteten Touch-Bedienung.
14 Vgl. Abschn. 2.2.3
19 Augmented Reality
3. Augmented Reality
Dieses Kapitel schafft ein Verständnis für die Begrifflichkeit Augmented Reality (dt. erwei-
terte Realität), nachfolgend AR, als Methodenwerkzeug, das sowohl zwischen Mensch und
Computer als auch zwischen Mensch und Mensch vermittelt. Beleuchtet wird ausschließlich
Entwicklung und Einsatz im industriellen Sektor im Kontext aktueller Stand der Technik.
3.1 Augmented Reality als visuelles Methodenwerkzeug
AR bezeichnet die Erweiterung der visuellen Repräsentation der realen Welt durch compu-
tergenerierte Inhalte auf klassischen Displays, in Virtual Reality oder See-Through-Glasses
(Datenbrillen) wie Google Glass oder Microsoft HoloLens. Mit den neuen Möglichkeiten
ergänzt es die Mensch-Technik-Interaktion um neue funktionale Qualitäten bei der Infor-
mationspräsentation, als Einblendung oder Überlagerung von (Info-/ Erklär-) Grafiken, Text
und Bild, wie Abbildung 5 zeigt. D. h. AR ergänzt bzw. erweitert als ein visuelles Methoden-
werkzeug in Echtzeit die Realität durch das Ergänzen von rekonstruierten, virtuellen Objek-
ten im direkten Sichtfeld der Nutzer (Mehler-Bicher, et al., 2014) (Azuma, 1997), sodass
reale und virtuelle Objekte in Bezug gesetzt werden (Fraunhofer IAO, 2014).
Eben diese Vorzeige-Eigenschaften beteuern eine intuitive Vermittlung der computerge-
stützten Informationensvisualisierung. Demgemäß steht AR für offensichtlichen Nutzen und
bestimmt den Grad der Immersion über sofortige Kommunikation durch Echtzeitübertra-
gung als Hauptmerkmal (Craig, 2013) (Dubois, et al., 2015). Diese junge Technologie führt
zu einer Vermittlungsunterstützung sowohl zwischen Mensch und Computer/ Maschine als
auch zwischen Mensch und Mensch.
Abbildung 5: Ein Objekt mit Refe-
renzmarker (QR-Code) wird in der
realen Umgebung händisch durch
den Nutzer mit einem Tablet ge-
scannt, sodass eine rekonstruier-
te, virtuelle Blume betrachten
werden kann (Craig, 2013 S. 43).
20 Augmented Reality
Die Verschmelzung von sensomotorischen Funktionen von Computersystemen mit der rea-
len Welt stellt eines der jüngsten Designziele der Mensch-Computer/ Maschine Interkation
dar, um etwa den Nutzer in einer physischen Umgebung bei der Durchführung einer Aufga-
be zu unterstützen (Dubois, et al., 2015). Realisiert wird eine virtuelle Information durch die
Verfolgung von realen Objekten (tracking durch Referenzmarker/ QR-Code15, vgl. Abbildung
5), um technische Informationen zu interpretieren (BMBF, 2009) oder mittels Abrufen von
EDV-Informationen (Dubois, et al., 2015).
AUGMENTED REALITY MITTELS ERKLÄR- UND INFOGRAFIKEN
Prinzipiell ist die Ansprache aller menschlichen Sinne mittels AR möglich, jedoch wird Stand
heute AR ausschließlich im Zusammenhang mit der visuellen Wahrnehmung verbunden. Bei
einer Studie zur Mensch-Maschine Interaktion (2013 S. 61ff)16 „gaben 100% der Befragten
an, dass die Wahrnehmung von Bewegung und die dreidimensionale visuelle Wahrnehmung
wichtig sind“.
Im industriellen Bereich als Einsatzgebiet belaufen sich Entwicklungen visueller Objekte
überwiegend auf interaktive 3D-Infografiken in Form von Erklärgrafiken als computergene-
rierte Zusatzinformationen (bspw. Abbildung 10). Allgemeine Aufgabe einer Infografik ist
das visuelle Informieren und die Präsentation grafischer Informationen17. Diese interaktiven
Infografiken bestehen aus meist komplexen Abläufen, folglich komplexe Informationen
welche zu vermitteln sind, bspw. in einem Fahrzeug verbaute Technik welche nicht im Gan-
zen sichtbar sind (Abbildung 11). Eine Erklärgrafik entspricht einer technischen Illustration
und erklärt primär, d.h. es liefert eine Antwort auf Wie- und Warum-Fragen (Böhringer, et
15 englisch Quick Response, z. Dt. schnelle Antwort 16 Durchführung der Studie mittels Fragebogenuntersuchung mit 36 Experten aus dem Bereich Virtueller Produktentstehung mit ingenieurtechnischem Hintergrund. 17 Vgl. Knieper, 1995, In: (Weber, et al., 2013)
Abbildung 6: Zukunftsvision einer
Interaktiven Infografik hochpräzi-
se Getriebe für den Sektor Pro-
duktions- und Montageautomati-
sierung, abrufbar per QR-Code
über eine App für Touch-Devices.
Quelle: Wittenstein Planetenge-
triebe
21 Augmented Reality
al., 2014) und unterstreicht den AR-Mehrwert. Durch Kausalbeziehungen (Grund, Ursache,
Bedingung usw.) stellt es einen hohen Nutzwert dar, indem bspw. Funktionsweisen erklärt
werden, oft auch im Bild-Modus durch syntaktische Elemente wie etwa Pfeile oder Farbän-
derungen. Erklärgrafiken überzeugen durch Nachvollziehbarkeit, benötigen allerdings
höchste Darstellungsqualität (ebd.). Abbildung 6 zeigt eine Möglichkeit AR für Schulungs-
zwecke oder auch innerhalb von Meetings und allgemeinen Besprechungen einzusetzen,
ohne sich an der jeweiligen Montagelinie zu befinden (dezentrale Informationsbeschaf-
fung).
3.2 Aktueller Stand der Technik
Die Entwicklung von AR hat sowohl technologisch als auch anwendungsspezifisch im indust-
riellen Sektor seit der Hannover Messe 2011 eine sprunghafte Entwicklung erlebt – nicht
weniger durch unternehmerische Bestrebung zu ‚Industrie 4.0‘ bzw. durch den 2015-Kick-
off ‚Plattform Industrie 4.0‘ der Bundesregierung (Deutsche Messe, 2015) wurde der
Mehrwert erkannt. Im Zuge dieser Zukunftsvision wird AR ein wesentlicher Beitrag zur Ent-
wicklung der digitalen und vernetzten Fabrik zugeordnet (Fraunhofer IAO, 2014). Eine Um-
frage des Fraunhofer IAO ergab 2014, dass Hersteller des industriellen Umfelds die Rele-
vanz von AR als Technologie-Trend im ‚Technischen Service‘ zwischen teils/teils und eher
stark einstufen, visualisiert in Abbildung 7.
Abbildung 7: Beurteilung der Technologie-Relevanz im Technischen Service, nach einer
Umfrage des Fraunhofer IAO. Quelle: (Fraunhofer IAO, 2014 S. 20)
22 Augmented Reality
Aktuell sind ausschließlich Forschungsaktivitäten von Industriefirmen wie bspw. BMW, Sie-
mens und der Robert Bosch GmbH bekannt (Fraunhofer IAO, 2014). Dies ist einerseits auf
die schwierige Objekterkennung (tracken) zurückzuführen und andererseits geschuldet auf
reale Umstände wie Lärm, Schmutz und kein sicheres WLAN in Fertigungshallen (ebd.).
Umso mehr verblüfft das Ergebnis der Fraunhofer IAO Umfrage, da derzeit keine marktreife
Augmented Reality Lösung für den Technischen Service existiert. Laut der Umfrage, ist die
Hoffnung der Hersteller Multiplikator der AR-Technologie - zurückzuführen auf den Hype
der Google Datenbrille ‚Glass‘. Die Hoffnung, dass auch „weniger qualifizierte Mitarbeiter
eine gleichbleibend hohe Service-Qualität liefern können, indem Wartungs- und Reparatur-
arbeiten von AR-Applikationen unterstützt werden“ (Fraunhofer IAO, 2014 S. 21).
Mit AR angereicherte Produkte bzw. Messe-Exponate stellen Smart Products18 dar und sol-
len u. a. die Überwachung der Produktions- bzw. Fertigungsanlagen in Echtzeit unterstützen
sowie eine frühzeitige und vorherige Erkennung kritischer Zustände offenlegen. Diese As-
pekte kombiniert mit der Möglichkeit des sozialen Austauschs unter Arbeitskollegen wäh-
rend einzelner Arbeitsschritte, bezeichnet die Fraunhofer-Gesellschaft als ‚Social Aug-
mented Reality‘19 bzw. ‚Social Augmented Learning‘ mit einem Branchenübergreifenden
Nutzungspotential des Lernens (Fraunhofer IGD, 2015). Beide Bezeichnungen stellen All-
tags-Werkzeuge für Nutzer dar und verfolgen ein problemorientiertes, kollaboratives Ler-
nen und einen verbesserten Selbstlernprozess (Abbildung 10), bspw. mittels Trainingssimu-
lationen am konkreten Objekt (ebd.).
AUGMENTED REALITY-SOFTWARE
Weltweiter Vorreiter im Kontext AR ist (bzw. war) die deutsche Start-up-Softwarefirma
Metaio GmbH die ihr AR-Framework METAIO SDK für die breite Masse käuflich erwerbbar
machte. Metaio präsentierte 2002 die weltweit erste Realisierung von AR-Inhalten in Form
von visueller Kücheneinrichtung für das Einrichtungshaus IKEA. Über die Jahre wurde das
Start-up zum AR-Spezialisten Nr. 1 und die SDK-Entwicklungsumgebung machten sich große
und kleine Unternehmen, u. a. die Robert Bosch GmbH und Volkswagen20, als Framework
für eigene Implementierungen zu Nutze.
18 Z. Dt. intelligente Produkte 19 Vgl. Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD, Augmented Reality Showcase 2011: Video 20 Vgl. MARTA - die innovative Serviceunterstützung für den Volkswagen XL1
23 Augmented Reality
Im Mai 2015 kaufte der Technologiekonzern Apple die Metaio GmbH auf21, sodass der Ser-
vice und Verkauf des Frameworks sowie Abonnements eingestellt wurden. Dies stoppt For-
schung und Entwicklung im industriellen Sektor, denn alternative Frameworks für einen
sofortigen Einsatz sind nicht frei vorhanden und zwingen Unternehmen zur Umsetzung
eigener AR-Software, um Konkurrenzfähig zu sein bzw. zu bleiben. Niemand kann einschät-
zen, wie weit ein Konkurrent durch eigene Kraft zur nächsten Hannover Messe AR-
Entwicklungen präsentieren wird.
REFERENZMARKER
Aktuelle Präsentationen von AR-Inhalten erfolgen mittels mobilen Trägermedien Tablet-PC
und Smartphones22, abrufbar über das manuelle scannen von Referenzmarker bekannter
Weise in Form von QR-Codes. Zur Initialisierung des Trackings entwickelte jedoch Volkswa-
gen zusammen mit der Metaio GmbH speziell für den XL1 eine stilvollere Variante23 ohne
QR-Code-Variante. Als Referenzmarker dient die Silhouette des Fahrzeugs ( ), die manuell
durch den Nutzer über das per Tablet-PC aufgenommene Kamerabild des realen Fahrzeugs
übereinander gelegt werden muss.
21 Vgl. u. a. techcrunch.com 22 Vgl. u. a. Wittenstein alpha, Robert Bosch GmbH, TU Chemnitz (Professur für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik), Fraunhofer-Gesellschaft 23 Vgl. MARTA - die innovative Serviceunterstützung für den Volkswagen XL1
Abbildung 8: Das METAIO SDK umfasst u. a. ein Authoring-Tool, cloudbasierte Bilderken-
nung und speziell für die Industrie ein Engineer-Framework. Quelle: Metaio
24 Augmented Reality
3.2.1 Entwicklung
Das wachsende Interesse an dem Themenfeld der AR interpretieren Dubois und Nigay
(2015) aufgrund des zweifachen Bedarfs der Nutzer an den Nutzen von Computer im digita-
len Zeitalter und Interaktion mit der realen Welt. Unabhängig von Betriebssystem und
Plattform unterstützt AR diverse Anwendungsbereiche. Ein Einsatz in mannigfaltigen All-
tagssituationen und Verwendungsszenarien ist denkbar (z.B. Bildung, Unterhaltung, Medi-
zin), jedoch konzentriert sich die vorliegende Thesis ausschließlich auf den industriellen
Sektor als Einsatzgebiet.
Um AR nicht auf spezielle Technologien zu reduzieren (bspw. auf head-mounted Displays),
definierte Azuma (1997) drei Charakteristika für AR-Systeme:
I. Kombinationsfähigkeit von realer und virtueller Welt.
II. Interaktiv in Echtzeit.
III. 3-Dimensionalität.
Aufgrund der Tatsache, dass AR als eine sehr junge Technologie betrachtet wird, herrschen
keine Richtlinien hinsichtlich Gestaltung oder AR-generische Design-Prinzipien (Dubois, et
al., 2015).
Abbildung 9: Volkswagen Service zeigt in einem laufenden Entwicklungsprojekt eine Aug-
mented Reality-Applikation per Silhouetten-Referenzmarker. Quelle: volkswagenag.com
25 Augmented Reality
Spätestens seit der Hannover Messe im April 2015, ist der Begriff Augmented Reality in der
Industrie angekommen und der ‚user benefit‘ erkannt24. Vernetzungen über AR als Zu-
kunftsvision waren vielerorts zu sehen, jedoch mit den Hinweisen, dass es sich um den je-
weiligen unternehmerischen Forschungs-und Entwicklungsstand und nicht um einen Se-
rieneinsatz handle – folglich, um schlichtweg die Machbarkeit zu studieren25 und zu zeigen,
dass AR ein Teil der intelligenten Fabrik ist (ebd.). Konzerne wie etwa Volkswagen, Fraun-
hofer-Gesellschaft, Optibelt, Bosch Rexroth AG, Robert Bosch GmbH und Stober präsentier-
ten AR-Demonstratoren ausschließlich im Kontext ‚Technischer Service‘ für bspw. komplexe
Montage-Prozesse per 3D-Szenenerfassung, Schritt-für-Schritt Arbeitsanleitungen und di-
rekte Konfigurationsmöglichkeiten zur industriellen Kleinteilmontage (Deutsche Messe,
2015). Demgegenüber werben allerdings lediglich drei Unternehmen im Messe-
Besucherguide wortwörtlich mit Augmented Reality (ebd.). Unternehmen umschreiben
verwendete AR-Technologie vergleichsweise mit „Performance-Optimierung“, „Zukunft von
industriellen Montagearbeitsplätzen“, „durchgängige Engineering-Tools“, „Industrie-4.0-
Demonstrator“, „Einsatz autonomer und adaptiver Systeme“, „Exponat enthält neue Tech-
nologien“, „vollständiges Abbild der realen Situation“, „plastisches Erlebnis, (…) interaktive
Touren in die digitale Zukunft von Fertigungsindustrie“ oder schlicht „Digital Plant“, „com-
putergestützte Assistenzsysteme“ und „Datenbrille“26.
Eine Erklärung hierfür konnte im Zuge dieser Thesis nicht herausgefunden werden.
24 Vgl. Vortrag von Jürgen Lumera (Robert Bosch GmbH) ‚Augmented Reality: The Future of Technical Documentation?‘, Aug-mented World Expo 2014 25 Vgl. bspw. MARTA - die innovative Serviceunterstützung für den Volkswagen XL1 26 (Deutsche Messe, 2015 S. 8-17, 32-37, 42-45, 61)
Abbildung 10: 3D-AR-App
ermöglicht Informations-
felder per ‚tippen und
ziehen‘ auf andere Objek-
te. Quelle: Fraunhofer IGD,
Hannover Messe 2011,
Promotion-Video
26 Augmented Reality
3.2.1 Aktueller Einsatz
Um für die Machbarkeit im Bereich Technischer Service im Kontext der Fertigungsindustrie
zu motivieren, zeigt Abbildung 11. den aktuellen Entwicklungsstand der AR-Anwendung von
Bosch Rexroth, speziell für die Automobildiagnostik. Automechaniker sollen damit bei der
Wartung und Reparatur von Fahrzeugen Unterstützung finden und in der Summe Zeiter-
sparnis bewirken (Effizienz). Berichte über Nutzerforschung hinsichtlich Bedürfnisse poten-
tieller Nutzer sind bei dieser Entwicklung, aber auch allgemein zu AR-Anwendungen für den
industriellen Sektor, nicht veröffentlicht. Dieser Ansatz spiegelt ein gutes Anwendungssze-
nario für den Produktions-und Fertigungsbereich dar.
HEAD-MOUNTED DISPLAYS
Die Großzahl der aktuellen Forschungen bezieht sich auf AR mittels head-mounted Displays
(HMD), wie etwa die Datenbrillen Microsoft HoloLens und Google Glass27. Hierbei handelt
es sich um ein auf dem Kopf tragendes Ausgabegerät in Form einer Brille (virtuelle Netz-
hautausgabe) oder Helm.
27 Vgl. bspw. (Chen, et al., 2015), (Liang, et al., 2015)
Abbildung 11: Augmented Reality soll zukünftig Werkstätten in Wartung und Reparatur von
Fahrzeugen unterstützen (Technischer Service), sowohl in Form von Erklär- als auch Info-
grafiken. Trägermedien sind Tablet-PCs und Smartphones. Quelle: Bosch Media Service
27 Augmented Reality
HEAD-UP DISPLAYS
Etablierter, d. h. bereits im realen Einsatz ist AR visualisiert mittels head-up Displays (HUD)
in der Luft-und Raumfahrttechnik sowie Automobilindustrie. Diese Form der Anzeige er-
laubt dem Nutzer eine natürliche Kopfhaltung, da die Visualisierung in das eigentliche Sicht-
feld projiziert wird. Dies gewährleistet maximale Konzentration, Sicherheit, Souveränität
und Komfort (BMW Group, 2011). Nachteil ist, dass die Visualisierung des HUD perspekti-
venabhängig ist, d. h. dem Beifahrer bleibt diese Informationsvisualisierung verborgen.
Übertragen auf den industriellen Kontext der Fertigung, würden head-up Display al-
le relevanten Informationen genau dort visualisieren wo sie tatsächlich gebraucht werden –
direkt im Sichtfeld der Fertigungsarbeiter. Dieser Faktor ist im Ausblick (Kapitel 9) mit ei-
nem Experten zu diskutieren.
Abbildung 12: Augmented Reality head-up Displays (HUD) am Beispiel von Continental, um
den Fahrer zu unterstützen die Augen nicht von der Fahrbahn abzuwenden. Quelle: conti-
nental-head-up-display.com/de
28 Augmented Reality
29 Arbeits- und Organisationspsychologie
4. Arbeits- und Organisationspsychologie
In diesem Kapitel werden Theorien aus dem Sektor der Arbeits-und Organisationspsycholo-
gie vorgestellt, da im praktischen Teil dieser Thesis (Empirie) verifizierte Ergebnisse im Licht
dieser Motivations-und Emotionsmodelle interpretiert werden. Es existieren mehrere The-
orien hinsichtlich Bedeutung, Entstehung und Entwicklung von Arbeitsmotivation sowie
Arbeitszufriedenheit und Emotionen, die nachfolgenden Theorien stellen entsprechend der
Thematik dieser Thesis lediglich die relevantesten dar.
4.1 Theorien der Arbeitszufriedenheit
Motivation erklärt die Leistung der Mitarbeiter, wobei aus Sicht der Arbeits- und Organisa-
tionspsychologie ein weiteres Ergebnis der Motivation die Arbeitszufriedenheit ist
(Nerdinger, et al., 2014). Auf beide Indikatoren wird nachfolgend eingegangen.
Nerdinger et al. (2014 S. 421) definieren MOTIVATION als „das Produkt aus individuel-
len Merkmalen von Menschen, ihren Motiven, und den Merkmalen einer aktuell
wirksamen Situation, in der Anreize auf die Motivation einwirken und sie aktivie-
ren“.
Six & Felfe (2004)28 definieren ARBEITSZUFRIEDENHEIT als eine innere Einstellung, dass
sowohl die emotionale Reaktion auf die Arbeit als auch die Meinung über die Arbeit
sowie die Bereitschaft bzw. die Stimmung, sich in bestimmter Weise in der Arbeit zu
verhalten. Locke (1976 S. 1297) legt ARBEITSZUFRIEDENHEIT im konkreteren Sinne dar
„als ein angenehmer oder positiver emotionaler Zustand, der sich aus der Bewer-
tung des eigenen Jobs oder der Joberfahrungen ergibt“.
Die Arbeitszufriedenheit ist folglich ein bedeutsamer Indikator und auch Hinweis für die
Verifizierung der Qualität des Arbeitslebens (Wieland, 1998), bildet ein Ergebnis der Moti-
vation29 und trägt maßgeblich zur Befriedigung der Individualbedürfnisse bei (Lubienetzki,
et al., 2015). Unkontrollierbare Emotionen wie Neid, Verachtung, Scham, Sympathie und
kontrollierbare Emotionen wie etwa Bewunderung, Dankbarkeit, Empörung und Ärger ge-
hören nach Weiner (2006) zur Analyse der Leistungsmotivation.
28 (Six, et al., 2004), In: (Nerdinger, et al., 2014 S. 421) 29 Neuberger, 1974, In: (Nerdinger, et al., 2014 S. 421)
30 Arbeits- und Organisationspsychologie
4.1.1 Bedürfnispyramide (nach Maslow)
Kundenbindung durch Nutzerbegeisterung ist das Ergebnis aus der Erfüllung menschlicher
und psychologischer Bedürfnisse.
Als Basis hinsichtlich der Thematik dieser Thesis dient die fünfstufige Bedürfnispyrami-
de von Maslow (1943, 1987), die menschliche (Grund-) Bedürfnisse und Motivation hierar-
chisch deutet. Um entsprechend Abbildung 13 ein Höchstmaß an Motivation und Zufrie-
denheit zu erreichen (Stufe 5), müssen die darunterliegenden Ebenen zuerst erreicht wer-
den. Höherwertige Bedürfnisse wie etwa Selbstverwirklichung werden angestrebt, sofern
niederwertige Bedürfnisse, bspw. körperliches Wohlbefinden (bspw. ergonomischer Ar-
beitsplatz) als psychologisches Bedürfnis, befriedigt sind (Lubienetzki, et al., 2015). Bedürf-
nisdefizite (Stufe 1-4) schwächen Mitarbeiter einer Organisation als Individuum und verlei-
hen ihn zur Manipulation, um empfundene Defizite auszugleichen – mit dem Ziel der per-
sönlichen Wohlfühlzone (ebd.). In diesem Kontext könnte ein Mitarbeiter die Frage „Was ist
mir wichtiger: Meinen Mangel an etwas zu beseitigen oder mich jederzeit korrekt verhal-
ten?“ bewegen (Lubienetzki, et al., 2015 S. 58).
Abbildung 13: Die Bedürfnishierarchie nach Maslow (1987) ist pyramidenartig aufgeschich-
tet, in Anlehnung an Lubienetzki et al., 2015, S.59
31 Arbeits- und Organisationspsychologie
4.1.2 Zwei-Faktoren-Theorie (nach Herzberg)
Zur Beschreibung der Leistungsmotivation von Mitarbeitern einer Organisation wird die
Zwei-Faktoren-Theorie von Herzberg et al. (1959)30 herangezogen, die neben der Bedürf-
nispyramide von Maslow (1987) die bedeutendste Motivationstheorie ist.
Diese Theorie formt zwei voneinander abhängige Kategorienklassen der Erlebnis-
empfindung, die in der Summe zu Arbeitszufriedenheit führen: Hygienefaktoren, die Unzu-
friedenheit in der Arbeit abwenden und Motivatoren, als Annäherungsverhalten zu Zufrie-
denheitserlebnissen (Kaya, 2009) (Nerdinger, et al., 2014). Im allgemeinen Sinne bedeutet
Motivation Annäherung und beschreibt Richtung, Ausdauer und Intensität des menschli-
chen Verhaltens (ebd.). An diesem Punkt deckt die Theorie nach Nerdinger et al. (2014) auf,
dass Mitarbeiter einer Organisation nicht rein ökonomischen Anreizen folgen. Hygienefak-
toren stellen steuerbare Anreize seitens einer Organisation dar.
Anzumerken ist dennoch, dass alle Faktoren doppeldeutig bzw. subjektiv interpre-
tierbar sind. Die Zwei-Faktoren-Theorie gewinnt an Gültigkeit, wenn Aussagen von Akteu-
ren in ihrer Gesamtheit betrachtet werden.
Abbildung 14:
Herzbergs (1959)
Inhaltstheorie für
(Arbeits-) Motiva-
tion, in Anleh-
nung an Nerdin-
ger et al. (2014 S.
423-424)
30 (Herzberg, et al., 1959), In: (Nerdinger, et al., 2014 S. 422)
32 Arbeits- und Organisationspsychologie
Hygienefaktoren beschreiben durch Lohn, Arbeitsbedingung, Arbeitsplatzsicherheit, Work-
Life-Balance und Qualität der Aufsicht bzw. Betreuung in der Summe Faktoren, die zu Unzu-
friedenheit führen können, nicht jedoch zu Selbstmotivation. Motivatoren hingegen wirken
positiv auf die Produktivität der Akteure, da sie Anerkennung, Förderung der Arbeit, Ver-
antwortung und Erfolgserlebnisse enthalten (Nerdinger, et al., 2014).
4.1.3 Model der Arbeitscharakteristika (nach Hackman und Oldham)
Hackman und Oldham (1976) konzipierten ein Motivationsmodell mit dem Ziel der Schaf-
fung einer Definition bzw. Wahrnehmung der Relation zwischen Technologie und Mitarbei-
termotivation (Wieland, 1998), vergleichsweise individuelle Verantwortung (Hellert, 1995).
Mit ihrem Modell der Arbeitscharakteristika behaupten Hackman und Oldham (1976), dass
konkrete Charakteristika der (alltäglichen) Arbeit als Kerndimension ein bestimmtes Be-
wusstsein seitens der Mitarbeiter als kritische psychologische Empfindung bilden. Diese
bilden als Folge persönliche Ergebnisse sowie Arbeitsergebnisse.
Abbildung 15: Das Modell der Arbeitscharakteristika nach Hackman & Oldham, 1976.
(Nerdinger, et al., 2014 S. 424)
Das Modell stellt fünf Aufgabenmerkmale zur Spezifizierung des Motivationspotentials dar,
die wiederum drei ‚wünschenswerte‘ psychologische Erlebniszustände statuieren und als
Output positiv auf die intrinsische Arbeitsmotivation wirken. Nach Hackman und Oldham
(1976) verbessert eine intrinsisch motivierte Haltung sowohl die Arbeitszufriedenheit als
33 Arbeits- und Organisationspsychologie
auch die Qualität der Arbeitsleistung (Wieland, 1998). Diese erfolgten Auswirkungen stim-
men mit den oben genannten Theorien von Herzberg und Maslow überein (ebd.).
In Anlehnung an Wieland (1998) und Hellert (1995) werden nachfolgend die Aufgaben-
merkmale im Detail erläutert (Abbildung 15):
1. ANFORDERUNGSVIELFALT: Allgemeine Fähigkeiten und Fertigkeiten für die Ausfüh-
rung vielfältiger Arbeit bzw. der Grad der Verschiedenheit von Arbeitsaufgaben.
2. GANZHEITLICHKEIT DER AUFGABE/ IDENTIFIKATION MIT DER ARBEIT: Die Identität
mit der Aufgabe bzw. Arbeitsprodukt oder das Ausmaß, zu dem eine Person ein zu-
sammenhängendes Stück einer Aufgabe bzw. Arbeit fertigstellt.
3. BEDEUTSAMKEIT DER AUFGABE: Der Grad, zu dem die Arbeit Auswirkungen bzw.
Einfluss hat auf das Leben, die Tätigkeit oder die Arbeit anderer.
4. AUTONOMIE: Die wahrgenommene Freiheit und Unabhängigkeit bei der Durchfüh-
rung der Arbeit oder einer Arbeitsaufgabe.
5. RÜCKMELDUNG AUS DER AUFGABENERFÜLLUNG: Der Grad, zu dem eine klare bzw.
angemessene Information über den Erfolg und die Wirksamkeit der ausgeführten
Aufgabenbearbeitung geliefert wird.
4.2 Theorie der Zielsetzung (nach Locke & Latham)
Mehrfach empirisch bestätigt ist die Theorie der Zielsetzung mit Bezug auf die Arbeitsmoti-
vation (Heise, 1997) bzw. Mitarbeiterleistung und bildet das bekräftigste Modell der Ar-
beits-und Organisationspsychologie (Nerdinger, et al., 2014).
Locke & Latham zeigen 1990 mit ihrer Theorie eine Motivationsstrategie anhand unter-
schiedlicher Typen von Variablen, die Leistungsziele mit hohem Leistungsstandard zu stei-
genden Leistungsergebnissen führen (Heise, 1997). Um eine Brücke zwischen den Phäno-
menen Ziel und Leistung zu bilden, setzen Locke & Latham zwei Hypothesen auf, nachfol-
gend in Anlehnung an Nerdinger et al. (2014 S. 433):
A. Herausfordernde Ziele führen zu steigenden Leistungen im Vergleich zu mittleren
oder leicht zu erreichenden Zielen.
B. Herausfordernde und präzise Ziele („Setz in 8 Stunden 900 Teile zusammen!“) füh-
ren zu besseren Leistungen als allgemeine, vage Ziele („Gib dein Bestes!“).
34 Arbeits- und Organisationspsychologie
Die Schwierigkeit ist, dass bspw. Ergebnisse, resultierend aus vagen Zielen, positiv erlebt
werden können sowie sehr herausfordernde und präzise Ziele, als negative Konsequenz, die
Kooperation beeinträchtigen, da das gemeinsame Ergebnis trotz Leistungssteigerung ver-
ringert werden kann. Zudem können Akteure mit zu herausfordernden Zielen einen ständig
wachsenden Druck assoziieren (Nerdinger, et al., 2014).
Das heißt, die zwei entscheidenden Zielmerkmale der Theorie der Zielsetzung, sind her-
ausfordernd und präzise. Diese moderieren die Leistung durch die Mechanismen der Mode-
ratorvariablen Ziel-Commitment, Selbstwirksamkeit, Leistungsfeedback und niedere Aufga-
benkomplexität als Zielart, mittels einem wenn-dann-Zusammenhang als Rahmenbedin-
gung, zit. n. Nerdinger (2014 S. 29):
Wenn ein betroffener Akteur
i. […] über ausreichende Fähigkeiten verfügt,
ii. […] mit geeigneten Werkzeugen, Materialien und Arbeitsmethoden in einer nicht
behinderten Arbeitsumgebung […] arbeiten kann,
iii. […] während des aktuellen Arbeitsprozesses […] Teile und Zwischenergebnisse er-
fährt,
iv. […] das Ziel [als] wichtig (positive Zielbindung) [erachtet] und
v. […] das Ziel eine geringere Komplexität aufweist.
Alle zuvor genannten Theorien bzw. Modelle zeigen die Wichtigkeit des Faktors Selbstwirk-
samkeit, da sie in allen Stufen des Motivationsprozesses u. a. Entscheidungssituationen
sowie Bedürfnisse an die eigene (Arbeits-) Leistung beeinflussen (Nerdinger, et al., 2014). In
der Summe wirkt Selbstwirksamkeit als Moderator im Zuge der Zielsetzung positiv auf Ziel-
bindung und dem (täglichen) Leistungshandeln. Arbeiter die sich als Selbstwirksam erleben,
neigen eher zu herausfordernden Zielen (ebd.). Die Dimension der Selbstwirksamkeit wirkt
durch die Mehrinvestition von Energie in eine Leistungsaufgabe sowohl unmittelbar auf die
Leistung eines Akteurs als auch auf die Ausdauer bei auftretenden Schwierigkeiten inner-
halb der Zielverfolgung31 - wobei Schwierigkeiten bzw. schwierige Aufgaben subjektiv deut-
bar sind (Nerdinger, et al., 2014). Die Richtung des menschlichen Handelns obliegt Zielen,
die wiederum maßgeblich für Handlungswechsel verantwortlich sind (Hacker, 1983).
31 Vgl. Stajkovic & Luthansm 1998, In: (Nerdinger, et al., 2014 S. 435)
35 Arbeits- und Organisationspsychologie
4.3 Kontroll-Wert-Ansatz zu Leistungsemotionen
Pekruns Theorie fokussiert das Phänomen der Leistungsemotionen und greift die Frage auf,
wie kognitive Einschätzungen von Situationen auf das Entstehen bzw. Erleben von Emotio-
nen in Lern-und Leistungsangst bzw. lern-und leistungsbezogene Aktivitäten wirken. Das
heißt, nicht die Situation selbst löst Emotion aus, sondern die individuelle Bewertung bzw.
Interpretation der Situation. Beginnend bei den Ursachen von Emotionen, im Rahmen der
Sozialumwelt, bis hin zur Leistung als Ergebnis (Pekrun, et al., 2015).
„Emotionen sind mehrdimensionale Konstrukte, die aus affektiven, physiologi-
schen, kognitiven, expressiven und motivationalen Komponenten bestehen.“
(Pekrun, et al., 2015 S. 202)
„Arbeitsmotivationen sind […] als Gefühle anzusehen, die eng mit dem Erleben,
Wahrnehmen und Bewerten von Arbeit verbunden sind. Sie stellen ein komplexes
Gefüge subjektiver und objektiver Faktoren dar […].“ (Brehm, 2001 S. 206)
Dennoch gibt es Unterschiede in der Neigung zwischen Individuen bzw. Akteuren in der
Sozialumwelt (Abbildung 16), sodass auf bestimmte (Alltags-) Situationen mit unterschiedli-
chen Emotionen reagiert wird, bspw. Neigung zu negativ Emotionen wie Ärger oder Lange-
weile (Pekrun, et al., 2015). Das heißt, nicht die Situation, sondern die Interpretation eben
dieser Situation führt zu Emotionen, sogenannte Appraisals (z. Dt. Beurteilungen) (ebd.).
„Appraisal sind kognitive Einschätzungen von Situationen, Tätigkeiten oder der ei-
genen Person. Unterschiedliche Konstellationen von Appraisals rufen unterschiedli-
che Emotionen hervor.“ (Pekrun, et al., 2015 S. 212).
Epictetus nennt hierzu ein gutes Beispiel: „Nicht die Dinge selbst, sondern die Mei-
nungen von den Dingen beunruhigen die Menschen.“ (Epictetus, 1864 S. 22)
Aufbauend auf diesen Appraisal-Ansatz formulierte Pekrun das Modell Kontroll-Wert-
Ansatz zu Leistungsemotionen, mit der Vertiefung der Appraisal-Dimensionen subjektive
Kontrolle und Wert zur Ursachendefinition von Emotionen (Abbildung 16). Die Kontroll-
Appraisals definieren die Qualität von Emotionen, wie etwa Vorfreude oder Angst. Ent-
scheidend für die Wert-Appraisals ist die Valenz von Emotionen, d. h. positiv oder negativ
empfundene Erlebnisse bzw. Lernaktivitäten und Leistungsergebnisse entscheiden über
eine persönliche Bedeutsamkeit, wie Pekrun et al. (2015) nachfolgend visualisiert:
36 Arbeits- und Organisationspsychologie
Abbildung 16: Ursachen und Wirkungen von Emotionen, in Anlehnung an Pekrun (2015 S.
212, 216, 220).
Leitend für Kontrolle und Wert sind neben Überzeugungen die (Leistungs-) Ziele, welche
sowohl Annährungs- als auch Vermeidungsziele sein können (ebd.). Pekrun et al. (2015 S.
215-217) fassen die fünf Dimensionen der Sozialumwelt entsprechend Abbildung 16 wie
folgt zusammen:
1. INSTRUKTION: Erfolgreiche Instruktion durch eine erkennbar strukturierte und fass-
liche Aufgabenpräsentation. Dies führt bei Akteuren sowohl zum realen Kompe-
tenz- sowie Wissenszuwachs als auch zu positiv subjektiven Kompetenzüberzeu-
gungen. Neue Aufgaben können die wahrgenommene Kontrolle senken.
2. WERTINDUKTION (Bedeutungsgehalt): Vermittlung des ‚Werts‘ von Lernaktivitäten
und Leistungsergebnissen, die mit der Zeit zu ‚generalisierten Überzeugungen‘ füh-
ren.
3. AUTONOMIEGEWÄHRUNG: Durch Selbstständigkeit und Handlungsspielräume kann
das eigene Handeln erprobt, entwickelt und bewiesen werden. Erfolg bedingt auf-
gabenspezifische Kompetenz und selbstregulierte Handlungen.
4. ERWARTUNGEN UND ZIELSTRUKTUREN: Diese zwei Aspekte sind tongebend für die
Beurteilung eines Leistungsergebnisses als Erfolg oder Misserfolg. Zu hohe Erwar-
tungen steigern die Wirksamkeit von Misserfolgen, insbesondere verbunden mit
37 Arbeits- und Organisationspsychologie
etwaigen Maßnahmen bei Nichterreichung, und führen zu negativen Emotionsent-
wicklungen.
5. LEISTUNGSRÜCKMELDUNGEN UND -KONSEQUENZEN: Leistungsrückmeldungen bil-
den den bedeutsamsten Ursprung für die Ausweitung von Kompetenzüberzeugun-
gen. Hierbei intensivieren persönlich relevante Folgen ein positives wie negatives
emotionales Erleben, bspw. Einflüsse der Sozialumwelt. In diesem Sinne sind auch
Rückkopplungsschleifen möglich, denn ein wiederkehrendes Angsterleben greift
negativ auf das eigene Kompetenzempfinden.
Positiv-aktivierende Emotionen sind sowohl a) bspw. aktivitätsbezogen (z. B. Lern-
freude), die zur Steigerung von intrinsischer Motivation führen, als auch b) bspw.
Ergebnisbezogen (z. B. Vorfreude), die zur Steigerung von extrinsischer Motivation
führen. (Pekrun, et al., 2015)
Negativ-deaktivierende Emotionen, wie etwa Hoffnungslosigkeit, führen zur Sen-
kung von intrinsischer und extrinsischer Motivation. (Pekrun, et al., 2015)
4.4 Emotionsmodell (nach Plutchik)
Zur Klassifizierung von Emotionen wird das Emotionsmodell nach Plutchik (1980) herange-
zogen, ferner da es als Interpretationshilfe von Emotionen für den empirischen Teil im
Rahmen der Top-Findings eingesetzt wird.
Plutchiks Emotionstheorie besteht aus einem Rad mit drei (Emotions-) Kreisen
(Abbildung 17). Dieses Emotionsmodell basiert auf den acht Basisemotionen, dargestellt im
mittleren Kreisring, die in den Erbanlagen des Menschen verankert sind (Möll, 2007): Freu-
de, Vertrauen, Angst, Überraschung, Traurigkeit, Ekel, Ärger, Antizipation. Diese Basisemo-
tionen sind vergleichbar mit der Farbtheorie und bestimmen entgegengesetzte Emotionen
(Haringer, et al., 2001). Die Basisemotionen sind mischbar, um Emotionen im äußeren Kreis
hervorzurufen (Antonides, 1991). Ausgehend vom äußeren Emotionskreis können Hand-
lungsemotionen charakterisiert werden (Möll, 2007).
38 Arbeits- und Organisationspsychologie
Abbildung 17: Plutchik´s Emotionsmodell der acht Basisemotionen (zweiter Kreisring) zur
allgemeinen Klassifizierung von Emotionen, aus denen weitere Handlungsimpulse entsprin-
gen. In Anl. an (Möll, 2007)
39 PRAKTISCHER TEIL: Empirie
PRAKTISCHER TEIL:
Empirie
Der folgende Teil ist in zwei Kapitel gegliedert. Um eine Antwort auf die Forschungsfrage zu
finden, richtet sich der Fokus der Empirie auf Emotionen und daraus resultierenden Be-
dürfnissen potentieller Nutzer neuer Technologien entsprechend Kapitel 2 und 3, durch die
Erfassung von (Alltags-) Situationen als Erlebnisse von Arbeitern an Maschinenanlagen im
industriellen Umfeld der Fertigung. In diesem praktischen Teil der Thesis wird mittels zwei-
er Analysen durch Feldbeobachtung (Kapitel 5) und Fokusgruppe (Kapitel 6) im Rahmen
einer empirischen Analyse der Grundstein für die Beurteilung der Chancen und Grenzen für
den technologischen Einsatz von Augmented Reality und Gestensteuerung gelegt.
Transkriptionen zur durchgeführten Empirie sind als Anhang in elektronischer Form
der Master Thesis beigelegt und nachfolgend nicht zusätzlich kenntlich gemacht.
Einleitung Theoretischer Teil Praktischer Teil Abschluss
Kapitel 1 Kapitel 2 bis 4 Kapitel 5 bis 6 Kapitel 7 bis 10
Analyse I: Feldbe-obachtung, Analyse II: Fokus-gruppe.
Tabelle 5: Gliederung vorliegender Master Thesis, mit Auflistung des praktischen Teils.
RAHMENBEDINGUNGEN
Die Studie fand im Sommer 2015 statt, sodass die Schwierigkeit von Urlaubzeiten der Arbei-
ter bei Produktionsdruck durch hohe Auftragslagen komplizierend hinzukam. Auf Anfrage
waren Maschinenbediener, Anlagen-/ Gruppenführer, Fertigungsplaner, Teamleiter und
Servicemitarbeiter begrenzt verfügbar bzw. unentbehrlich, um Produktionsausfälle zu ver-
meiden. Der Studienfokus lag sowohl auf Klein- und Mittelbetriebe (Feldstudie I) als auch
auf Großunternehmen (Feldstudie II, Fokusgruppe). Dieser Umstand führte zu einer dreistu-
figen Empirie (Tabelle 6), bei der aufgrund von zeitlichen Vorgaben aus den Unternehmen
40 PRAKTISCHER TEIL: Empirie
qualitative Methoden kombiniert werden mussten, um die Vermeidung von möglichen
Arbeits- bzw. Produktionsausfall zu garantieren. Alle Untersuchungen sind auszeichnend in
ihrem Verständnis von Empirie. Diese qualitative Empirie ermöglicht situative Bedürfnisana-
lysen.
ASPEKTE DER BEDÜRFNISANALYSE
Ein Bedürfnis verbirgt sich hinter Wünschen und resultiert aus dem Empfinden eines Man-
gels. Wunschäußerungen seitens potentieller Nutzer stellen bereits Lösungswege für Soft-
wareentwickler und (Produkt-) Designer dar, ohne das eigentliche Bedürfnis dahinter zu
kennen (Karsten, 2014). Eine Bedürfnisanalyse gewährleistet, dass der Schwerpunkt neuer
Produkte richtig gesetzt wird. Der sinnvolle Einsatz von Technik im Kontext Augmented
Reality und Gestensteuerung muss zwischen dem technisch Machbaren und dem mensch-
lich Erwünschten eine Brücke schlagen. Hierzu ist die Kenntnis von Situationen und Emotio-
nen, die zu Bedürfnissen der Arbeiter aus der Fertigung führen, ausschlaggebend. Die typi-
sche Analyseperspektive geht der Suche nach angestrebten Zielzuständen auf den Grund
(Brandstätter, et al., 2009). In diesem Kontext wird jeder an der Studie teilgenommene
Arbeiter als Mensch mit Teilidentitäten wahrgenommen. D. h., ein Maschinenanlagen-
Nutzer agiert mir seinem Vorwissen bzw. Erfahrungen als Person und als Nutzer allgemei-
ner Technologien. Daraus resultieren Erwartungen und Bedürfnisse an (neue) Technologien
bzw. Produkte. Jeder Mensch nimmt Bedürfnisse verschieden wahr, sodass nicht für alle
Menschen in allen Situationen verbindliche Bedürfnisanalysen formuliert werden können
(Knecht, et al., 2010).
Feldstudie I 3 Tage , 1.5 - 2.5 TN
Mitte Juni 2015
Fokusgruppe 1 Tag, 8 TN
Ende Juni 2015
Beobachtung: 3 Teamleiter 1 Fertigungsplaner 1 Gruppenführer 4 Maschinenbediener
Feldstudie II 3 Tage, 13/14 TN
Anfang August 2015 Beobachtung: 2 Anlagenführer 10 Maschinenbediener 1 Servicemitarbeiter
Kontextuelles Interview: 2 Anlagenführer 1 Servicemitarbeiter 10 Maschinenbediener 1 Fertigungsplaner
Beobachtung: 1 Allrounder 1,5 Maschinenbediener
Einzel-/ Kontextuelles Inter-view: 1 Allrounder 1 Maschinenbediener
Reflexionsphase inkl. Produkt-test
Tabelle 6: Aufgrund von Sommer- und Urlaubszeiten erfolgte eine dreistufige Empirie.
41 PRAKTISCHER TEIL: Empirie
Abbildung 18: Den Nutzer verstehen lernen, bspw. durch ein Interview, um nutzerzentrierte
Produkte zu schaffen bzw. Nutzerorientiert zu Denken.
BEGRIFFSERKLÄRUNG
An der Empirie beteiligt waren fünf Arbeitergruppierungen aus der Fertigung:
Abbildung 19: Begriffserklärung der Arbeitergruppen aus dem industriellen Sektor erlebter
Fertigungen. Jemand der die Rolle aller fünf Gruppierungen deckt, wird innerhalb dieser
Thesis als ‚Allrounder‘ bezeichnet.
42 PRAKTISCHER TEIL: Empirie
43 Analyse I: Feldbeobachtung mit Interviews
5 Analyse I: Feldbeobachtung mit Interviews
Die qualitative Forschungsmethode Feldbeobachtung wurde aufgrund ihrer Charakteristik
der Untersuchung im Alltagskontext gewählt. Der Nutzeffekt ist die Beobachtung von Arbei-
tern an Maschinenanlagen hinsichtlich ihrer Verhaltensspuren als auch (Sinn-) Struktu-
ren als Alltagsexperten, innerhalb ihrer natürlichen Arbeitsumgebung unter realen Situatio-
nen (Baumgarth, et al., 2009). Entscheidend ist der Nutzungskontext der Arbeitsmittel
Hardware, Software und Materialien wie bspw. Handbüchern (Rudow, 2011). Ausgangslage
beider Feldstudien ist der erstmalige Einsatz neuer Steuerungstechnik für vollautomatisier-
te Maschinenanlagen als Anwendungssystem, und zwar: Austausch von an der Anlage mon-
tierte Galgensysteme durch speziell entwickelte Industrie-Tablet-PCs. Die teilnehmenden
Arbeiter, entsprechend Abbildung 23, setzten sich aus individuellen Akteuren zusammen
und ermöglichen zur empirischen Beobachtung konkrete prozess-produzierte Daten.
Nachfolgend werden Methode, Ziel und Durchführung für Feldstudie I und Feldstudie II mit
explorativem Charakter vorgestellt und die Interpretation der Analyse in Form von Top-
Findings hinsichtlich (Alltags-) Situation, Emotion und Bedürfnis präsentiert, unter Verwen-
dung der Theorien aus Kapitel 4.
5.1 Methode und Ziel
Da die empirische Befundlage, Stand heute, keine Erkenntnisse für die Thematik dieser
Thesis liefert, werden die Feldbeobachtungen im Arbeitsalltag von Arbeitern an Maschi-
nenanlagen, an zwei verschiedenen Standorten in Baden Württemberg, Deutschland, im
Bereich der Fertigung durchgeführt. Das Datenerhebungsverfahren konnte im Nutzungs-
kontext nicht nicht-reaktiv vollzogen werden (Hawthorne-Effekt32), da
(i) aufgrund von zeitlichen Vorgaben seitens der Unternehmen die Arbeiter während
der Beobachtung interviewt (kontextuelle Interviews) werden mussten,
(ii) mehrdeutige Verhaltensspuren des (subjektiv sinnvoll) handelnden Arbeiters der
direkten Nachfrage bedurften und
(iii) gravierendes Unwissen bezüglich der neuen Maschinenanlagensteuerung inner-
halb des Fertigungsteams bestand, sodass die Beobachtung durch wiederkehren-
de Hilfestellung bzgl. des Systeminterfaces unterbrochen werden musste.
32 Produktivität ist von psychologischen Einflüssen abhängig, d. h. ein unbeabsichtigter Beobachtereinfluss findet statt. Unter (experimenteller) Beobachtung leisten Menschen i. d. R. mehr (Nerdinger, et al., 2014)
44 Analyse I: Feldbeobachtung mit Interviews
Wobei (iii) nicht zum Teil bzw. zur Wahl der empirischen (Beobachtungs-) Strategie gehörte,
sondern sich vor Ort überraschend entwickelte. Dennoch wurde bestmöglich das Einneh-
men einer neutralen Außenposition angestrebt, um einen störungsfreien Ablauf des Pro-
duktionsalltags zu gewährleisten. Die an der Studie teilnehmenden Arbeiter wurden im
Vorfeld durch ihre zuständigen Fertigungsplaner über die offene Beobachtung in ihrem
Arbeitsalltag informiert.
Zentrales Erkenntnisziel ist es die Arbeitspraxis der Arbeiter an Handarbeitsplätzen bzw. der
jeweiligen fünf Arbeitergruppen, entsprechend Abbildung 19, in der Fertigung kennenzu-
lernen und deren Sinnzusammenhänge zu begreifen (Rekonstruktion), um zur Beantwor-
tung der Forschungsfragen, speziell im Kontext Technischer Service in Fertigungshallen, im
Ausblick (Kapitel 9) zwischen dem technisch Machbaren und dem menschlich Erwünschten
(Chancen und Grenzen) eine Brücke zu schlagen. Die Feldbeobachtungen sollen im Nut-
zungskontext Antworten auf die Fragen entsprechend Abbildung 20 liefern.
Abbildung 20: Faktoren zur Erstellung von Gestaltungsprinzipien sind (Alltags-) Situation
und die dabei hervorgerufenen Emotionen und das Erfassen von Bedürfnissen.
45 Analyse I: Feldbeobachtung mit Interviews
Beide Feldstudien untersuchen, ob und wenn ja, inwieweit unterschiedliche Modalitäten
(Touch-Devices, Situation, Erwartung) einzeln sowie in Kombination zu intuitiver und alters-
gerechter Mensch-Maschine Interaktion beiträgt (Wechsung, et al., 2009).
Eine intuitive Interaktion definiert eine effektive Interaktion, die eine unbewusste
Anwendung von Vorwissen durch den Nutzer impliziert (Mohs, et al., 2006) (Mohs,
et al., 2007).
5.2 Durchführung und allgemeiner Nutzungskontext
Durch die Alltagsbeobachtung potentieller Nutzer wirken die Untersuchungsergebnisse
positiv auf die externe Validität, mögliche kontrollierbare Störgrößen allerdings negativ auf
die interne Validität (Baumgarth, et al., 2009). Undurchsichtige Validität bzw. gezogene
Schlüsse (Interpretation) aufgrund des wahrgenommenen Verhaltens der handelnden Ar-
beiter können zu nichttreffenden Schlüssen führen (Ludwig-Mayerhofer, 2015). Um Unklar-
heiten zu vermeiden, wurde im Fall von Feldstudie I nach dem Sichten der gesammelten
Rohdaten, drei Wochen später, das Gespräch mit den beobachteten Arbeitern gesucht (Re-
flexion). Eine solche Reflexionssitzung konnte aus zeitlichen Gründen seitens des Unter-
nehmens für Feldstudie II nicht realisiert werden (s. 39). Aus diesem Grund wurden im Be-
obachtungszeitraum vor Ort umfangreich Interpretationsspielräume hinterfragt.
Um mittels Feldbeobachtung Bedürfnisse der verschiedenen Arbeitergruppen ausfindig zu
machen, ist das Gesamtbild in Augenschein zu nehmen (Mensch, Technik, Technologie,
Situation), nach Bongaerts (2007 S. 249) die Praxis: Tätigkeit in Vollzug, d. h. ohne vollstän-
dig zu determinieren, die Akteure auf der Mikroebene analysieren und bestmöglich deren
Perspektive mit allen Sinnzusammenhängen einnehmen. Zu beachten sei hier im Feld zu-
gleich, in welchem Rahmen Handlungen nach Vorgaben und Strukturen des Unternehmens
praktiziert bzw. angeleitet werden (Richter, 2014). Eine Usability-Beurteilung der Steue-
rungssoftware der zum Nutzungskontext gehörenden Maschinenanlage ist nicht Gegen-
stand dieser Thesis. Einen Überblick über eine Beobachtungsstudie zeigt (Tabelle 6).
In der Summe waren die Arbeiter gesprächig und offen (Borkenau, et al., 1992) (Borkenau,
et al., 1993). Ein Hawthrone-Effekt kann dennoch nicht ausgeschlossen werden.
46 Analyse I: Feldbeobachtung mit Interviews
ALLGEMEINER NUTZUNGSKONTEXT
Eine Vorbereitung des Beobachtungssystems nach bspw. Baumgarth et al. (2009) erfolgt
nicht. Beobachtet werden Fertigungsarbeiter (Fertigungsplaner, Servicemitarbeiter, Anla-
genführer, Maschinenbediener), erläutert in Abbildung 19, im Alter von 18 - 56 Jahren, in
ihrem Arbeitsalltag an vollautomatisierten Maschinenanlagen in Form einer Prüfanlage
(Feldstudie I) und einer Montageanlage (Feldstudie II). In beiden Fällen ist die Maschinen-
anlage eine Neuanschaffung und demgemäß in der Einführungsphase.
Der geplante bzw. ausgehandelte Prozesszyklus zum Erwerb einer neuen Maschinenanlage
veranschaulicht Abbildung 21. Im Rahmen der Feldstudien in zwei unterschiedlichen Indust-
rieunternehmen (Unternehmen A) stellten sich jedoch einige Lücken im Prozesszyklus her-
aus, auf die nachkommend kurz eingegangen wird.
Während Unternehmen A, Unternehmen B und Unternehmen C im Kontext der beobachte-
ten Fertigungswerke unterschiedlich sind, ist Unternehmen D in beiden Fällen der Zulieferer
entsprechend Schritt 3 (Abbildung 21). Inmitten der qualitativen Beobachtung beider Orts
kam unerwartet das Fehlen von Handbüchern durch Unternehmen B entgegen Schritt 4
Abbildung 21: Dieser geplante Prozesszyklus zum Erwerb einer neuen Maschinenanlage ist
allgemeingültig für die zwei unterschiedlich beobachteten Unternehmen, dargestellt als A.
47 Analyse I: Feldbeobachtung mit Interviews
zum Vorschein, wie eingangs in Abschn. 5.1 angemerkt. Im Fall von Feldstudie II erfolgte
zudem keine Schulung des Servicemitarbeiters seitens Unternehmen B33. Als Folge dieser
Versäumnisse, in puncto Service, und der Tatsache fehlender Schulungen zum Erlenen der
Anlagensoftware, ist der Umfang der vom Steuerungssystem bereitgestellten Funktionalitä-
ten (Interaktionsdesign) im Fertigungsteam unbekannt. Zusätzlich hinzu kommt die Erwar-
tungshaltung seitens der Arbeiter von Unternehmen A an den Service von Unternehmen B
und Unternehmen C. Demnach wird bei Lieferung einer Anlage neben Aufbau und Installa-
tion eine individuelle, ausführliche Einführung durch den jeweiligen Techniker bzw. Applika-
teur erwartet. Bis auf einen Lieferdatum wurden beidseitig jedoch keine weiteren Informa-
tionen bzw. Anforderungen und Erwartungen kommuniziert. Weiterhin erfolgte keine di-
rekte Abstimmung zwischen Unternehmen A und Unternehmen B hinsichtlich notwendiger
bzw. gewünschter Funktionalitäten der Steuerungssoftware:
„[…] da gab es keinerlei Vorgaben von uns.
Das haben die sich im stillen Kämmerlein ausgedacht.“ (ALL01)
Abbildung 22: Industrie-Tablet-PCs34 (A) sollen durch den Aspekt der Mobilität zukünftig
Galgensysteme (B) im industriellen Umfeld als Anwendungssystem ablösen35.
Lediglich verbesserte Zykluszeiten zur Steigerung der Produktivität waren in beiden Fällen
Gegenstand der Verkaufsverhandlungen. Der Fertigungsplaner seitens Unternehmen A der
Feldstudie II erklärte, dass bis zum Tag der Lieferung (Abbildung 21, Schritt 4) keinerlei In-
33 Eine genauere Erforschung dieser Versäumnisse ist nicht Gegenstand dieser Thesis, da es zur Beantwortung der Forschungs-frage nicht zielführend ist. 34 Am Beispiel ‚mPad‘ der Robert Bosch GmbH, Quelle: Robert Bosch GmbH 35 Dies bewies neben der Hannover Messe 2015 auch die Messe Motek 2015, Stuttgart.
A) B)
48 Analyse I: Feldbeobachtung mit Interviews
formationen kommuniziert wurde, dass die neue Fertigungslinie anstelle von Galgensyste-
men mit zwei Industrie-Tablet-PCs ausgestattet wird. Demnach war diese technische Neu-
heit eine Überraschung für das gesamte Team. Auf Basis dieser Unwissenheit, konnten kei-
ne hauseigenen Servicemitarbeiter im Vorfeld Schulungen durchlaufen.
Besonderes Augenmerkt der Beobachtung gilt der Nutzung der 2015 eingeführten
Industrie-Tablet-PCs als Ablöse der normierten Galgensysteme an Maschinenanlagen. Eine
Nutzerstudie betreffs allgemeinen Tablet-PC-Einsatzes im industriellen Kontext der Ferti-
gung ist, Stand heute, nicht existent. Der in den Feldbeobachtungen verwendete Industrie-
Tablet-PC (Abbildung 22) mit 10,1 Zoll und einem Gewicht von 1390 Gramm ist zum Able-
gen in der Armbeuge konzipiert, funktioniert ausschließlich mittels eines Stromkabels und
wahlweiser Halterung für Wand oder Anlagengehäuse. Die älteren Galgensysteme verfügen
über einen Griff unterhalb des Displays (Feldstudie II), um den Galgen seitlich in eine ge-
wünschte Position zu schwenken. Neue Varianten des Galgensystems (Feldstudie I) sind
robuster konzipiert, sodass durch Ziehen des Displayrahmens der Galgen hin-und herge-
schwenkt werden kann. Ein Griff entfällt somit.
5.2.1 Ergebnis: Erlebnisse Feldstudie I
Diese Feldstudie fand innerhalb eines Klein- und Mittelbetriebes statt, deren Spezifikation
auf Präzisionsteile für Verbrennungsmotoren und Fahrzeuglenkungen obliegt. Die Auswahl
der Beobachtungsstichprobe wurde vorab mit dem Geschäftsführer (codiert als ALL01) des
Unternehmens abgeklärt, der in der Rolle des Allrounders36 im Arbeitsalltag tätig ist. Dies
begründet sich auf der Tatsache, dass derer in der Nutzung zu beobachtende Prüfanlage
(erst) seit rund fünf Monaten im Einsatz ist (Einführungsphase) und im Schichtbetrieb kon-
stante Kontrolle bedarf. Dies stellt trotz täglicher Nutzung den Status ‚absolut neu‘ dar. Wie
eingangs in Abschn. 5.2 erklärt, wurde zur Prüfanlage kein Handbuch bereitgestellt, sodass
der Umfang der vom System gegebenen Möglichkeiten (Interaktionsdesign) im Team unbe-
kannt ist. Die Einzelinterviews fanden im Rahmen der Reflexionsstunde statt.
UNTERSUCHUNGSOBJEKT/ NUTZUNGSKONTEXT
Aus den oben genannten Faktoren sind Arbeiterhierarchien im Sinne von Abbildung 19 für
diese Prüfanlage nicht vorhanden. Neben ALL01 arbeitet lediglich ein weiterer Maschinen-
36 vgl. Seite - 56 -, Abbildung 19: Begriffserklärung der Arbeitergruppen aus dem industriellen Sektor erlebter Fertigungen. Jemand der die Rolle aller fünf Gruppierungen deckt, wird innerhalb dieser Thesis als ‚Allrounder‘ bezeichnet.
CODIERUNG DER
ARBEITER:
1 ALL:
ALL01
1,5 MB:
MB11, MB12
49 Analyse I: Feldbeobachtung mit Interviews
bediener (codiert als MB11) fest als Ablöse. D. h. die tägliche Bedienung der Prüfanlage
obliegt ALL01 in der Rolle des Allrounders, sofern dieser persönlich nicht verhindert ist
(Termine, Pausen, Urlaub, etc.).
Im Falle, dass MB01 verhindert ist durch sonstige Anliegen im Arbeitsalltag, wird Maschi-
nenbediener MB02 zum Einsatz an die Maschine beordert. Dies erfolgt i. d. R. sehr selten
und ausschließlich kurzweilig, eher zur reinen Beobachtungskontrolle der Prüfanlage. Dar-
aus erfolgt die Berechnung von 2,5 Arbeitern dieser Feldstudie (Tabelle 6).
Obige Abbildung zeigt die räumliche Positionierung der vollautomatischen optischen
Prüfanlage für Präzisions-Motorenteile, welche in dieser Form eigens für dieses Unterneh-
men entworfen wurde. Geprüft werden je nach Rüstung der Anlage Ventilführungen, Tur-
boladerteile und Drehstäbe. Die Maschinenbedienung erfolgt mittels einer mobilen Steue-
rungssoftware über das Industrie-Tablet (Abbildung 22, A), mit fester Ablageposition per
Halterung an der Wand. Die Prüfsoftware ist über die neuere Variante des Galgensystems
Abbildung 23: Eine vollautomatische optische Prüfanlage, bestehend aus vier Stationen,
mit zweierlei Interaktionskonzepten: Galgensystem ohne Griff und Industrie-Tablet-PC.
50 Analyse I: Feldbeobachtung mit Interviews
ohne Griff nutzbar (Abbildung 22, B), mit integrierter Schaltfläche mit Steuerungsfunktio-
nen als Zusatz zur Navigation per Tablet-PC. Die Prüfanlage ist unterteilt in vier Stationen.
An Station 1 erfolgt die manuelle Zuführung der Teile durch den Maschinenbediener, in-
nerhalb Station 2 und 3 werden auf Rundtischen die Teile mittels Kameras auf Qualität ge-
prüft. Innerhalb dieses Prozesses kommt es regelmäßig zu Störungen wie etwa Stau durch
Öl-Verschmutzung der Bahnen, bei denen Maschinenbediener manuell eingreifen muss.
Teile mit dem Status ‚in Ordnung‘ werden an Station 3 in die schwarze Kiste befördert,
‚nicht in Ordnung‘-Teile werden an Station 4 in die rote Kiste abgegeben.
5.2.1.1 Erlebnis 0: Neue Technologien vs. vertrautem Galgensystem
‚Neue Technologien‘ schließt Touchscreen, Augmented Reality, Gestensteuerung durch
Gestenerkennung, Consumer- sowie Industrie-Tablet-PCs ein und wurden im Rahmen von
Einzelinterviews zur parallellaufenden Beobachtung besprochen. Zur Sensibilisierung von
Gestensteuerung wurde innerhalb der Reflexionsstunde das Gadget NOD getestet und die
Konzepte von MYO sowie Leap Motion besprochen (vgl. 2.2). Ein technologischer Fort-
schritt mittels Industrie-Tablets zur mobilen Steuerung wurde zu Beginn mit großer Span-
nung betrachtet (Euphorie, Vertrauen).
Hauptsächlich stehen die Arbeiter an Station 3 (Abbildung 23), von dort Sie sowohl das Gal-
gensystems als auch das Industrie-Tablet im Falle von Fehler-und Störmeldungen überbli-
cken können. Hierbei dient das Galgensystem als eine Art Ruhepol an dem sich die Arbeiter
nahezu jede freie Minute zur körperlichen Entlastung abstützen (Grundbedürfnis: Physi-
sches Bedürfnis: Körperliches Wohlbefinden), ob zweihändig oder einhändig bei Nutzung
der Bedienoberfläche (Abbildung 24, C, D). Dieses Verhalten wurde ergänzend gelegentlich
an offenen Anlagentüren beobachtet, um kurz das Gewicht von den Füßen zu verlagern.
Aufgrund der niedrigen Höhe und fehlender Robustheit der Halterung ist diese Verhaltens-
weise nicht im Umgang mit dem Industrie-Tablet-PC möglich. Im Vergleich zum Galgendis-
play gibt dieser keinen sicheren Halt (Grundbedürfnis: Sicherheit).
51 Analyse I: Feldbeobachtung mit Interviews
INDUSTRIE-TABLET-PC VS. CONSUMER-TABLET-PC
Das Interaktionsdesign bzw. das HMI wird als nicht intuitiv wahrgenommen, da es nicht den
gängigen Paradigmen und Konzepten von Consumer-Tablet-PCs entspricht. Dieser Bruch
führt zu emotionalen Phasen von Verwunderung, Kummer und Wut (Abbildung 17). Als
Handlungsimpuls äußerte der Kunde Verachtung gegenüber Unternehmen A und Reue hin-
sichtlich des Kaufs eines Industrie-Tablet-PCs, da die Erwartungshaltung nicht befriedigt
bzw. das Vorwissen im Umgang mit Consumer-Tablets nicht einsetzbar ist.
Durch Heranziehung des Appraisal-Ansatzes (Abschnitt 4.3) werden die Ursachen
der Emotionen verständlich. Durch die Sozialumwelt mit Consumer Electronics ist bspw. die
Abbildung 24: Das Galgensystem kommt im Arbeitsalltag einem Ruhepol gleich und unter-
scheidet sich maßgeblich in der Nutzung im Vgl. zum Industrie-Tablet-PC.
A) B)
C) D) E)
F)
E)
52 Analyse I: Feldbeobachtung mit Interviews
Wertinduktion sowie Erwartung und Zielstrukturen an eine mobile Steuerungssoftware via
Tablet-PC eine andere wie in der Produktnutzung herauskam.
TOUCH-INTERAKTION VS. DESKTOP-INTERAKTION
Interaktionsschritte werden durch Verständnisprobleme innerhalb des Systeminterfaces
aufgrund von Usability-Problemen37 gehemmt und Interaktionskonzepte kollidieren mit den
Erfahrungswerten der Arbeiter aus Desktop-Interaktionen (vgl. Instruktion, Abschn. 4.3).
Weiterhin wurden Long-Taps innerhalb der Touch-Interaktion auf Buttons nicht erkannt, da
derartiges Konzept in der Consumer Electronic-Welt als Touchbefehlseingabe nicht exis-
tiert. Die vertraute Interaktionsmöglichkeit des Zoomens bei Bildern in Touch-Umgebungen
wurde mit Verwunderung vermisst.
KONZEPT INDUSTRIE-TABLET-PC
Die Nutzung des Industrie-Tablet-PCs verläuft aus oben genannten Gründen „suboptimal“
(ALL01). Der eigentlichen Nutzungskonzipierung für die Armbeuge wird nicht nachgekom-
men, da i) dies den Maschinenbedienern bis zur Erläuterung im Rahmen der Feldbeobach-
tung gänzlich unbekannt war38 ii) es ergonomisch als nicht angenehm empfunden wird,
bspw. ist das Industrie-Tablet zu breit für MB11, mit einer Körpergröße von 165cm.
Um dem psychologischem Bedürfnis des körperlichen Wohlbefindens nachzukom-
men, wird außer zur manuellen Justierung von Greifer oder Kamera das Industrie-Tablet im
Arbeitsalltag nicht im mobilen Einsatz verwendet, da es, neben den zuvor genannten Grün-
den, aufgrund des Gewichts als belastend eingestuft wird. Zusätzlich zwingt das abstehende
Kabel zum Abstandhalten gegenüber dem eigenen Körper, egal ob in der Armbeuge oder
mit beiden Händen umgriffen (Abbildung 24, E). Diese Faktoren führen zur fixen Positionie-
rung mit Bedienung innerhalb der Wandhalterung (Abbildung 23).
Bei Nachfrage möchten jedoch die Maschinenbediener keineswegs auf die Möglichkeit bzw.
das Angebot der Mobilität verzichten.
37 Nichtverstehen des Wordings, Interaktions-Funktionalitäten und/oder zu tiefen Baumstrukturen, sind jedoch nicht relevant für vorliegende Thesis, da nicht zielführend für eine Beantwortung der Forschungsfrage. 38 Erst durch konkrete Hilfestellung während des Beobachtungszeitraums wurde der Wissensstand der Maschinenbediener durch den Beobachter angereichert.
53 Analyse I: Feldbeobachtung mit Interviews
Abbildung 25: Das Industrie-Tablet im mobilen Einsatz zur manuellen Einstellung der Kame-
ras zur optischen Überprüfung. Aufgrund des hohen Gewichts (1390Gramm) wird es an der
Anlagenkante abgelegt und zu keinem Zeitpunkt in der Armbeuge platziert.
GADGET-TEST: GESTENRING NOD
Das getestete Gadget NOD als free-hands Technologie im Kontext der Distanzbedienung
eines Taschenrechners via Laptop wurde als zu präzise und schwierig in der Handhabung
wahrgenommen („da müssen wir erstmal 4 Wochen ins Trainingslager“, ALL01). Das eigene
(natürliche) Handzittern wurde merklich auf das Gadget übertragen, sodass der visualisierte
grüne Punkt als Mauszeiger zur Befehlsausführung stark schwankte und der anvisierte But-
ton nur selten und mit großer Mühe betätigt werden konnte. Daher und aufgrund von stets
ölverschmierten Händen, wurde der NOD Gestenring von den Maschinenbedienern für
einen möglichen realen Einsatz, unter den schnell herrschenden Reaktionsbedingungen im
Arbeitsalltag der Fertigung, als nicht Effizienzsteigernd bewertet.
5.2.1.2 Erlebnis 1 im Arbeitsalltag: Probleme lösen
Auf Grund der blickdichten Maschinenanlage (unzureichende Instruktionsqualität, Abbil-
dung 16) und des hohen Geräuschpegels in der Fertigungshalle, ist der laufende Maschi-
nenprozess nicht transparent.
Hierzu wurde eine Schiebeklappe linksseitig der Station 2 (Abbildung 23) seitens
Konstruktion integriert, jedoch deckt diese funktionale Anforderung nicht die Bedürfnisse
der Nutzer, da keine Fixierung der Schiebeklappe zum Durchschauen vorhanden ist und
somit ein Nutzer die schwere Metallklappe händisch offenhalten müsste. Als Folge findet
54 Analyse I: Feldbeobachtung mit Interviews
das Konzept der Schiebeklappe im Arbeitsalltag keinerlei Beachtung, zurückzuführen auf
das körperliche Wohlbefinden (vgl. Abbildung 13). Die Maschinebediener kommen ihrem
menschlichen Grundbedürfnis von Sicherheit durch das psychologische Bedürfnis von Kon-
trolle nach, indem Sie durchschnittlich die Anlagentür alarmierende 8 Mal je 10 Minuten
öffnen (Am ersten Beobachtungstag fiel direkt auf, dass die Maschinenbediener nach Betä-
tigung des Start-Buttons eine starre, ). Die Arbeiter erhoffen sich durch eine persönliche
Kontrolle frühzeitig Fehlerquellen zu lokalisieren, um Prozessstopps zu vermeiden bzw. zu
reduzieren. Um diese Kontrolle bei offener Anlagentür technisch zu ermöglichen, wurde
aufgrund des blickdichten Anlagengehäuses, entgegen aller Arbeitssicherheitsvorschriften,
der Sicherheitsknochen zum sofortigen Stopp des Maschinenprozesses bei Öffnen der Tür
entnommen.
Diese selbstgesteuerte Handlung bzw. Freiheit behindert unter dem Aspekt der Au-
tonomiegewährung (Grundbedürfnis: Selbstverwirklichung) jedoch positive Emotionen
während der Aufgabenbearbeitung, senkt vielmehr das Kontrollerleben und macht Hilflo-
sigkeit deutlich (Pekrun, et al., 2015). Lediglich der selten aktive MB02 zeigt sich stets zö-
gerlich während Kontrollen bei laufenden Maschinenprozessen. Für die anderen Maschi-
nenbediener hingegen ist es derweil Normalzustand (Routine), sodass ein Sicherheitsgefühl
entstanden ist („Mir passiert schon nichts“, MB01). Emotional geht die Klassifizierung in
Richtung Verdruss, Besorgnis, Verstörtheit bis hin zu Panik und Ärger.
Entsprechend Pekruns Kontroll-Wert-Ansatz zu Leistungsemotion (Abschn. 4.3, Ab-
bildung 16) bildet diese Workaround-Lösung ‚generalisierte Überzeugungen und Ziele‘ zur
Einschätzung der Situation. Für Leistungssituationen allgemein ist die kognitive Qualität
während des Instruktionsprozesses sehr bedeutsam (Pekrun, et al., 2015).
EXTERNER SERVICE-KONTAKT
Die Arbeiter kontaktieren nicht mehr die Servicehotline für externe Hilfestellung seitens
Unternehmen B, da aufgrund unterschiedlichen Wordings „aneinander vorbeigeredet wird“
(ALL01). Dies löst nach Plutchiks Emotionsmodell (Abschn. 4.4) Handlungsimpulse wie
Missbilligung bis hin zu Aggressivität während der telefonischen Kontaktaufnahme zum
Service aus. Folglich lösen die Arbeiter eigenständig Problemsituationen durch verschieden
erprobte Herangehensweisen. Lediglich bei langandauerndem Anlagenstopp oder nach-
weislich mechanischen Problemen wird direkt Unternehmen B kontaktiert.
55 Analyse I: Feldbeobachtung mit Interviews
5.2.1.3 Erlebnis 2 im Arbeitsalltag: Lehren und Lernen
Entsprechend Abbildung 21 war die Vereinbarung mit Unternehmen B mit einem bereitge-
stellten Handbuch die neue Steuerungssoftware zu Erlernen. Da ein solches Dokument
nicht vorliegt, lernen alle Arbeiter nach dem Motto ‚Learning by Doing‘, wobei ALL01 als
autoritäre Person seinen Mitarbeitern die Denke vorlebt „was du nicht kennst, wird nicht
ausprobiert“ (ALL01). Allgemein herrscht Ehrfurcht (Besorgnis bis Verstörtheit)39 vor der
neuen Prüfanlage mitsamt der neuen Technik, sodass im Beobachtungszeitraum starke
Ermutigungsanregungen durch den Beobachter erfolgen mussten, damit die Maschinenbe-
diener den Mut fassten, dass Interaktionsdesign des Industrie-Tablets zu testen. Aufgrund
mangelnder Kenntnisse kollidiert Interesse mit Besorgnis, sodass die Ehrfurcht vor der neu-
en Technik gewinnt.
Da ALL01 über das größte Wissen hinsichtlich der Anlagenfunktion verfügt, lernen
die anderen nach dem Modell des Beobachtungslernens bzw. Lernen durch Nachahmung.
Wobei als die größte (Leistungs-) Motivation das Einhalten der Stückzahlen beobachtet
wurde. ALL01 ist allgemein ein unsicherer Nutzer in Bezug auf Touchscreen und neuen
Funktionalitäten, demgemäß adaptieren die anderen Maschinenbediener seine Ängste –
mehr noch, es nimmt ihnen schier den Mut selbstständig die neue Steuerungssoftware zu
testen:
„Also wenn der Chef das da nicht nutzt, dann tu‘ ich das auch nicht, nein, nein. Wer sagt
denn, dass ich es dann richtig mache?“, MB01.
5.2.1.4 Erlebnis 3 im Arbeitsalltag: Dateneinsicht - Datenübersicht
WORKAROUND-LÖSUNG 1
Am ersten Beobachtungstag fiel direkt auf, dass die Maschinenbediener nach Betätigung
des Start-Buttons eine starre, konzentrierte Haltung einnahmen. Dies rührte daher, dass
der Start der Prüfanlage über das Interface des Industrie-Tablet-PCs nicht visualisiert wur-
de. Um sich zu vergewissern, ob der Start tatsächlich eingeleitet wurde, hörten die jeweili-
gen Arbeiter hin. Je nachdem wie hoch der Geräuschpegel in der Fertigungshalle war, konn-
ten die Maschinenbediener ihrem Gehör nicht vertrauen und öffneten für einen Kontroll-
blick zusätzlich eine Anlagentür. Dies zeigt wie stark das Bedürfnis nach Kontrolle als Si-
cherheitsbedürfnis ist und die Notwendigkeit visuellen Feedbacks als technischen Service.
Dieser extreme Zustand von Kontrollverlust zeigt gleichwohl, wie ausdauernd Ma-
schinenbediener sind bzw. wie viel sie dulden und sich nicht beschweren („Ich hab mich
39 Vgl. Abbildung 17: Plutchiks Emotionsmodell
56 Analyse I: Feldbeobachtung mit Interviews
daran gewöhnt es so zu machen“, MB01). Auf der anderen Seite macht dieser Zustand
deutlich, dass blickdichte Maschinenanlagen eher ungeeignet für die Fertigungsindustrie
sind. Denn auch die Reflexionsstunde verdeutlicht, dass trotz der Einführung eines grünauf-
leuchtenden Systemfeedbacks des Start-Buttons, bedingt durch ein Software-Update sei-
tens Unternehmen B nach der Feldbeobachtung, die Maschinenbediener dennoch hinhören
oder die Anlagentür öffnen („ich muss wirklich wissen, dass da was passiert“, ALL01).
Durch diese Art von Kontrollverlust und unzureichender Fehleranzeige waren ab
Mitte der Schichtzeit Verdruss und Ärger bis hin zu Wut zu beobachten. Diese Tatsache
entfaltet gleichermaßen ein fehlendes Vertrauen in die Technik, das mittels Vergewisserung
durch die eigenen Augen als Workaround-Lösung kompensiert wird.
Abbildung 26: 90% des Arbeitstages wird persönlich bei offener Anlagentür kontrolliert
(Ritual), ob die Prüfanlage technisch korrekt die zugeführten Teile abfertigt. Oft stehen die
Anlagentüren aufgrund des blickdichten Gehäuses offen.
57 Analyse I: Feldbeobachtung mit Interviews
WORKAROUND-LÖSUNG 2
Fehlend benötigte Informationen, wie etwa die Zykluszeit von 3.6 Sekunden, Fehleranzeige
je Station mit Zeitstempel, Teilenummer, Zuordnung der Teile je Prüfposition und Stampf-
richtung, bzw. erwartete Systemrückmeldungen belasten die Arbeit an der Prüfanlage zu-
sätzlich. Um zu überprüfen, ob die Zykluszeit konstant verläuft oder Schwankungen vor-
handen sind (und falls ja, wieviel?), dient als weitere Workaround-Lösung für die Maschi-
nenbediener die eigene Stoppuhr an der Hand („das gehört eigentlich zu den Mitteilungen
der Anlage mit dazu“, ALL01). Aufgrund solcher fehlenden Prozessinformationen ist es in
den Augen der Maschinenbediener erforderlich in den laufenden Maschinenprozess einzu-
greifen40, wie bspw. folgende Aussage verdeutlicht:
„[…] welches Teil kommt von welchem Teller runter, von welcher Spannsituation und
hat welche Teilenummer. Das ist eine wichtige Information für mich, ansonsten wenn ich die
Möglichkeit nicht hab, muss ich die Möglichkeit immer abgreifen und zwar kontrolliert ab-
greifen, die Teile […].“ (ALL01)
RITUAL ZUR INFORMATIONSEINSICHT
Um genauer die Erlebnisse der Arbeiter interpretieren zu können, wird nach Hassenzahl et
al. (2013) die Beziehung zwischen verschiedenen Attributen der Interaktion und der Erfah-
rung als Model herangezogen: Innerhalb eines ‚Rituals‘ wird jeder Schritt als sinnvoll erach-
tet, lohnend, mit Schwerpunkt auf dem Fortschritt des Verfahrens. Dieses Handeln ist kei-
neswegs beiläufig, sondern gezielt. Diese Verfahrenskontrolle stellt die Hauptaufgabe der
Maschinenbediener an dieser Prüfanlage dar, bedarf hoher Konzentration und schafft
Raum für Kompetenz. Hinsichtlich Interaktion bewirkt dies Effizienz durch Schnelligkeit
(kein Prozessstopp) und wirkt anregend, sodass die Maschinenbediener sich auf ein instru-
mentelles Ziel der Interaktion konzentrieren. Dieses Ritual bzw. diese Offensichtlichkeit
stimmt die Maschinenbediener zufrieden, denn trotz vollautomatisierter Maschinenanlage
erhalten Sie das Gefühl gebraucht zu werden. Im Arbeitsalltag ist eine solche Experience
kraftvoll mit einer gewissen Machtwirksamkeit und Exploration. Konstanz bzw. Stabilität als
auch die Wirkung der eigenen Person schafft ein Gefühl von Sicherheit und Kompetenz. Der
Arbeitsalltag bleibt Spannend und die Verbundenheit zum Unternehmen bestehen, indem
die Maschinenbediener trotz high-end-Technik aktiv am Geschehen teilhaben, denn
„high-end ist keine Magie, aber ich bin es. Diese Verantwortung will ich nicht missen, sonst
steckt ja nichts von mir drin, drin im Unternehmen“ (MB01).
40 trotz der genannten Risikoaspekte bzw. Missachtung vorgeschriebener Arbeitssicherheitsrichtlinien.
58 Analyse I: Feldbeobachtung mit Interviews
Neben den Standardfunktionen einer Maschine besitzt jeder Maschinenbediener als Indivi-
duum einen gewissen Reichtum an Erfahrungswerten, einen Wissensschatz. Maschinenbe-
diener haben das Bedürfnis, mithilfe bestehender Erfahrungswerte, nach selbstständig er-
brachter Leistung durch eigene Kompetenz. Dennoch wünschen sie sich Entlastung durch
mehr Dateneinsicht, damit das ‚Ritual‘ nicht im Arbeitsalltag dominiert. Beim Hersteller
beschwert wurde sich hinsichtlich fehlender Informationen jedoch nicht, dies geschah erst
im Zuge der durchgeführten Feldstudie.
Auf der anderen Seite besteht gleichwohl zu viel Dateneinsicht, d. h. ein Maschi-
nenbediener wird mit Systeminhalten konfrontiert, die für seine alltägliche Arbeit an der
Prüfanlage nicht relevant sind („Der Rest ist für mich faktischer Bullshit“, ALL01), dagegen
im Fehlerfall für einen Servicetechniker notwendig.
5.2.2 Ergebnis: Erlebnisse Feldstudie II
Die Feldbeobachtung fand in einem Werk bzw. Fertigungshalle innerhalb des Geschäftsbe-
reichs Electrical Drivers eines Großunternehmens statt, deren Spezialisierung die Entwick-
lung und Fertigung elektrischer Kleinmotoren für verschiedene Anwendungen im KFZ-
Bereich obliegt.
Abbildung 27: Die Fertigungslinie mit Handarbeitsplätzen (Teile- und Schraubenzuführung,
Abfertigung) besteht aus zwei vollautomatisierten Montageanlagen (links), die über ein, aus
der Halterung herausnehmbares, Industrie-Tablet inkl. easyPanel steuerbar ist (rechts).
CODIERUNG DER
ARBEITER:
2 AF:
AF01, AF02
10 MB:
MB01 – MB10
1 SM:
SM01
1 FP:
FP01
⩰
59 Analyse I: Feldbeobachtung mit Interviews
Die Auswahl der Beobachtungsstichprobe wurde vorab mit dem Fertigungsplaner der Ferti-
gungslinien für Klima- und Motorkühlungsgebläse abgeklärt. Bis auf die in Abbildung 27
visualisierte Fertigungslinie, sind alle weiteren Fertigungslinien im Werk mit älteren ‚Gal-
gensystemen mit Griff‘ bestückt.
UNTERSUCHUNGSOBJEKT/ NUTZUNGSKONTEXT
Eine Einführung bei Inbetriebnahme der neuen Montageanlage, im April 2015, erfolgte kurz
und knapp. Genauer, Schulungen für Team und Servicemitarbeiter fanden nicht statt und
ein Handbuch wurde bei Produktübergabe nicht ausgehändigt, wie in Abschn. 5.2 erläutert.
Demnach ist der technische Umfang den das neue System mit sich bringt (Interaktionsdes-
ign) allen zuständigen Arbeitern einschließlich des Teams der Werk-Servicemitarbeiter ab-
solut unbekannt.
Dies führt zu dem Motiv der Handlung, im Rahmen des Möglichen, ausschließlich
das easyPanel für jegliche Steuerungsinteraktion zu Nutzen (Abbildung 27). Das easyPanel
enthält die Hauptsteuerungsoption identisch zur rechten Bedienleiste des Industrie-Tablets
als Schnellzugriff. Ebenfalls zu erkennen ist auf der Abbildung (rechts), dass an den Ferti-
gungslinien vorhandene Betriebsanleitungen für alle sichtbar aufgehängt sind. Für die Zu-
kunft ist eine Schulung für die Gruppe der Anlagenführer geplant. Dennoch ist die Haltung
der Arbeiter geprägt durch die Erwartungshaltung an einen Produktkauf:
„Ein Handbuch muss unaufgefordert mit einem Produkt geliefert werden! Hätten wir das
Handbuch anfangs bekommen, bräuchten wir wahrscheinlich jetzt keine Schulung mehr!“
(AF01, wütend)
Ein Handbuch gilt sowohl als Nachschlagewerk zur grundlegenden Wissensvermittlung als
auch zur Absicherung, damit Unsicherheiten genommen und situative Hilflosigkeit gelöst
werden.
„Ich, wir alle, fühlen uns überrannt, überfordert. Technik muss erklärt werden, vor allem
wenn´s neue Symbole gibt und auf Englisch ist.“ (AF02)
Dieser Zustand kippt zusätzlich die Stimmung innerhalb des Teams:
„[…] Heut‘ beim Mittag haben alle drüber geredet, das zieht halt alle runter“ (MB05)
Es wird deutlich, dass im Zuge des inakzeptablen Zustands bei den Arbeitern Unsicherheit
ausgelöst wurde, d. h. im Allgemeinen berührt es die Arbeiter negativ. Es könnte somit die
positiven Skalen der Persönlichkeitsdimensionen beeinträchtigen und folglich die eigene
Arbeitsqualität. Objektgerichtete Emotionen wie gestresst sein, Demoralisierung, Unfair-
60 Analyse I: Feldbeobachtung mit Interviews
ness, Bitterkeit, Frustration und Nostalgie („Ich bin seit 30 Jahren bei Hightec41 und sowas
hab ich noch nicht erlebt“, AF01), aber auch Sorgsamkeiten wurden beobachtet (Klein,
2009). Ein Produkterlebnis bezieht sich für die Arbeiter nicht ausschließlich auf die Nutzung
einer Sache, sondern auf das Gesamtpaket. D. h. Lieferung des Produkts, Einführung durch
einen Experten, Zeit für Fragen, Handbuch, fähiger Service im Notfall, Sicherheit, Ergono-
mie, Kontrolle über die Technik (Nutzungskontext Hard- und Software).
Die im Kontext beobachtete vollautomatisierte Montageanlage besteht aus zwei Teilstatio-
nen mit jeweils, als Ersatz zum Galgensystem, einem Industrie-Tablet zur Steuerung
(Abbildung 27). Bedient wird die Fertigungslinie von zwei Maschinenbedienern im vier
stündigen Wechsel, innerhalb einer acht Stunden-Schicht, mit zwei weiteren Maschinenbe-
dienern (Job-Rotation). Einmal am Anfang der Linie zur händischen Zuführung der Teile und
einmal am Ende der Linie zum Verpacken der gefertigten Motorkühlungsgebläse. Diese
Maßnahme soll Monotonie in tayloristischen Arbeitsstrukturen aufbrechen und einseitige
körperliche Belastungen abbauen, um die Arbeitszufriedenheit ohne Verlust von Produktivi-
tät zu steigern (Wies, 1999). In Summe entstehen je acht Stunden-Schicht 900 Motorkühl-
gebläse im Serienbetrieb. Kontrolliert werden die zwei Montageanlagen je Schicht durch
einen Anlagenführer, wobei ein Anlagenführer i. d. R. je Schicht drei Fertigungslinien be-
treut und folglich stets in der Fertigungshalle rotiert. Innerhalb der zwei Teilabschnitte wird
ausschließlich im Fehlerfall oder zum Umrüsten der Anlage in den Prozess eingegriffen.
Kann ein Fehler weder von Maschinenbedienern noch vom zuständigen Anlagenführer be-
seitigt werden, wird ein Servicemitarbeiter gerufen. Im Beobachtungszeitraum fand dieses
Szenario einmal statt (Abbildung 29, D).
In der Summe sind Maschinenbediener an dieser Fertigungslinie rein passive Arbei-
ter (vgl. Abbildung 19), d. h. vergleichbar mit reinen Fließbandarbeitern (Anforderungscha-
rakter rein physisch), im Gegensatz zu Maschinenbediener aus Feldstudie I (Abschn. 5.2.1)
und anknüpfender Fokusgruppe (Kapitel 6).
Nachfolgend werden Erlebnisse von zehn Maschinenbedienern, zwei Anlagenführern, ei-
nem Fertigungsplaner und einem Servicemitarbeiter in Arbeitsalltagssituationen der Ferti-
gung fokussiert, mit dem Ziel der Beantwortung der Forschungsfrage durch Abfrage der
Technologien AR und Gestensteuerung durch Gestenerkennung sowie Beobachtung von
Alltagssituationen, um die Zukunftsvisionen der Einsetzbarkeit im Rahmen des Technischen
41 Unternehmensname anonymisiert für vorliegende Thesis.
61 Analyse I: Feldbeobachtung mit Interviews
Services und Distanzsteuerung zu hinterfragen. Für die qualitativ empirisch dokumentari-
sche Präsentation dienen Zitierungen aus den jeweiligen Sichten der Arbeitergruppen, um
eine authentische Stimmung einzufangen.
5.2.2.1 Erlebnis 0: Neue Technologien vs. vertrautem Galgensystem
Neue Technologien schließt Touch-Bedienung ohne hard-keys, Augmented Reality, Gesten-
steuerung durch Gestenerkennung und Industrie-Tablets ein. In Einzelgesprächen haben die
Akteure sich AR und Gestensteuerung als Werkzeuge bzw. Materialien im Nutzungskontext
vorgestellt und hierbei Consumer-Tablets automatisch in ihrem Arbeitsalltag gedanklich
eingebettet. Im Vergleich steht das in Fertigungshallen gängige und vertraute Galgensystem
(Abbildung 24). Hierbei sind Kommunikations-, Kooperations- und Bewegungsmöglichkei-
ten, Umgebungsbedingungen und die Ergonomie des Arbeitsplatzes maßgebende Größen
für Wohlbefinden und Gesundheit (Rudow, 2011).
Positive Emotionen wurden bei Start der Produktnutzung unterdrückt durch zuvor genann-
te Aspekte, wie etwa das Fehlen eines Handbuchs. Zudem findet das Industrie-Tablet in der
Praxis keinen mobilen Einsatz. Dies begründet sich einerseits auf dem Aspekt des als zu
schwer empfundenen Gewichts und des störenden Kabels sowie andererseits der Notwen-
digkeit von free-hands Technologien:
„Wenn ich was reparieren muss, brauch ich meine Hände! […] Wir stehen so viele Stunden,
da brauch ich nicht noch zusätzlich Last in meinen Händen durch ein Tablet.“ (AF01)
easyPanel
A) B) C) D)
Abbildung 28: Beobachtungen zeigen die Notwendigkeit des sicheren Halts im Kontext des
körperlichen Wohlbefindens der Arbeiter.
62 Analyse I: Feldbeobachtung mit Interviews
Infolgedessen wird das Industrie-Tablet einzig innerhalb der schwenkbaren Halterung an
den jeweiligen Teilabschnitten der Montageanlage bedient (analog Ergebnis Feldstudie I).
Die Arbeiter nutzen zur körperlichen Entlastung den Griff des Galgensystems (Gewohnheit
durch Verbundenheit, Vertrauen), welches ihnen beim Industrie-Tablet spürbar fehlt. Ab-
bildung 28 zeigt die Einsatzvarianten des Galgengriffs: A) während eines Plauschs mit Kolle-
gen, B) zum Abstützen bei Bedieneingaben in unkomfortabler Körperhaltung, C) zum Kraft-
holen für körperliche Betätigungen, D) zum Entlasten der Füße, durchstrecken des Rückens.
Die Werkzeugmethode AR wird mehrheitlich dem Gebiet Handbuch unterstützend
zugeschrieben (Technischer Service), dessen ungeachtet fehlte prinzipiell ein visuelles Vor-
stellungsvermögen dieser Technologie. Für den Einsatz von Gestensteuerung wird das Tra-
gen von Sicherheitshandschuhen für Maschinenbediener als Hürde eingestuft.
TOUCH-INTERAKTION VS. DESKTOP-INTERAKTION
Analog zu Fertigungsarbeitern aus Feldstudie I, verfügen die Nutzer über ein unterschiedli-
ches Vorwissen für Desktop-und Touch-Interaktionen, die Sie unbewusst nicht aufeinander
übertragen können. Long-Taps innerhalb der Touch-Interaktion auf Buttons wurde nicht
erkannt und Trennlinien nicht identifiziert, da derartiges Konzept in der Consumer Electro-
nic-Welt für Toucheingaben nicht existiert. Die vertraute Interaktionsmöglichkeit des Zoo-
mens bei Bildern in Touch-Umgebungen wird mit Überraschung vermisst. Das die zwei an-
gezeigten Maschinenbilder im Homescreen interaktiv sind (drehbar, Einzelteile antippbar),
Abbildung 29: Beobachtungen bestätigen die Aussagen der Arbeiter, dass sie sowohl free-
hands Technologien als auch einsehbare Anlagen benötigen, da die Konstruktion von Anla-
gen körperlichen (kooperativen) Einsatz bedarf.
A) B) C) D)
63 Analyse I: Feldbeobachtung mit Interviews
war den Nutzern unbekannt, da sie getrieben durch Angst gegenüber der Software und
Ehrfurcht gegenüber der Hardware jeweiligen Nutzungskontext nicht frei testen. Dieses
wiederkehrende Angsterleben greift negativ auf das eigene Kompetenzerlebnis (Pekrun, et
al., 2015).
Weitere Befragungen ergaben, dass die Arbeiter sich perspektivische Visualisierun-
gen der Anlage wünschen. Die signalisiert, dass sie trotz aller bestehenden Hürden optimis-
tisch eingestellt sind.
HERVORGERUFENE EMOTIONEN AUS SICHT DER PASSIVEN MASCHINENBEDIENER
Mit den Worten „Bei dem Arbeitstempo ist man froh Halt zu finden“ (MB02, vgl. Abbildung
28), ist im Fall von fehlerbedingten Stillständen der eigenen Anlage, ein wiederkehrendes
Verhalten einiger Maschinenbediener, das Abstützen am Galgensystem einer gegenüberlie-
genden Fertigungslinie. „Drüben der Galgen ist in der richtigen Höhe zum Festhalten, hier
bei mir ist alles Hüfthoch“ (MB02), mit dem Hinweis, dass bereits zwei der Industrie-Tablets
kaputtgegangen seien, bei dem Versuch sich an der schwenkbaren Halterung abzustützen.
Diese Handlung des Abstützens ist ein entscheidendes Motiv Erholungszeiten nach An-
strengungsphasen einzuberufen (müde, Entspannung, körperliche Entlastung) und wurde
mehrmals stündlich empirisch beobachtet42.
Zum Schutz der Hände werden Sicherheitshandschuhe getragen, welche jedes Mal
zur Nutzung von Touchoberflächen, unabhängig ob Industrie-Tablet-PC oder Galgensystem,
abgestreift werden. Um dies zu vermeiden wird ausschließlich das easyPanel verwendet
(Abbildung 27).
Arbeiter wollen geistig aktiv sein. Es besteht Lernbereitschaft und Interesse für das Anla-
geninnere und deren Funktionalität, daher ist, nach dem Verständnis der Arbeiter, ein posi-
tiver Aspekt von AR die mitgeführte Visualisierungsmöglichkeit. Nichtdeutschsprachige
Maschinenbediener erhoffen durch AR ein stark Bild-dominierendes virtuelles Handbuch
und konsequentermaßen die Chance sich mehr Wissen anzueignen für einen beruflichen
Aufstieg. Diese Art neue Technologie bewirkt einen Antrieb neues Wissen aufzunehmen, u.
a. mit der Hoffnung (mehr) Selbstständigkeit am Arbeitsplatz zu erlangen (Ammon, 2006).
Außerdem gewünscht sind digitale Notizmöglichkeiten und kooperatives Lernen mittels
Datenbrillen, Kameraaufnahme zum Festhalten von Situationen zur weiteren Kommunika-
42 Dieses Motiv ist aus Sicht der Arbeitsplatzergonomie für gesunde Arbeit näher zu betrachten, jedoch nicht Gegenstand vorliegender Thesis.
64 Analyse I: Feldbeobachtung mit Interviews
tion mit Dritten und AR-Unterstützung im Bereich allg. Dokumentationen als Ersatz zu Pa-
pierformen.
HERVORGERUFENE EMOTIONEN AUS SICHT DER ANLAGENFÜHRER
Um im oberen Absatz den Gedanken hinsichtlich Sprachbarriere zu schließen, zeigt dieses
Zitat eines Anlagenführers den Stand der Dinge:
„Außerdem haben wir hier das Problem mit der Sprache. Wir können kein Englisch und
manche Arbeiter kein Deutsch […]. Hier wird mit Händen und Füßen teilweise erklärt […]. Da
wäre ein Tablet gut, alle können zuschauen. Zum Lernen gut, aber nicht im Serienbetrieb,
denn da müssen die Hände frei sein.“ (AF02)
Sorgenvoll wird AR eine Verminderung der positiv-Erlebnisse wie Kollegialität bzw. koope-
rativem Arbeiten, Zwischenmenschlichkeit und dem Gefühl gebraucht zu werden zuge-
schrieben, die durchaus zur Isolation eines jeden Arbeiters am Arbeitsplatz führen könnte –
dagegen die Aspekte der Effizienz und Effektivität im unternehmerischen Sinne erkannt:
„Dann hilft man sich selber, richtig? Aber geht das kollegiale dann nicht verloren?
Wenn jeder so eine Brille auf hat, dann brauch‘ man nicht mehr miteinander reden. Das ist
traurig. […] Im Gegenzug, produktiver wär man dann, das ist gut.“ (AF01)
Es herrscht ein klares Bindungsmotiv bzw. das Bedürfnis Anschluss zu anderen Arbeitskolle-
gen sowohl beruflich als auch privat zu haben.
Die Software des Industrie-Tablet-PCs als Anwendungssystem ist hinsichtlich Interaktion,
Sprache, Gestaltung und Icons nicht konsistent sowohl mit dem vertrauten Galgensystem
als auch mit Touch-Interaktionen von Consumer Electronics. Fehlende Konsistenz und Rou-
tine sowie der Aspekt des Nichtfühlens von Buttons (hard-keys) auf dem Touch-Display
beeinträchtigt ein Flow-Erlebnis bzw. das Genießen von Erfolgserlebnissen im Arbeitsalltag:
„[…] bei den anderen Linien mit den Galgen muss ich immer Lächeln,
wenn ich einen Fehler behoben hab. […] Die kenn ich in und auswendig, da kann ich tippen
ohne hinzuschauen. Die hab ich im Griff.“ (AF01)
Zudem verlieren die Arbeiter ohne hard-keys den Blickkontakt zu einem anvisierten Objekt
innerhalb der Anlage, da aufgrund fehlender Taktilität die Arbeiter bei Toucheingaben ge-
zwungen werden auf ihre Finger zur korrekten Durchführung zu achten.
Abbildung 28 (B), zeigt das der Nutzer des Systems ohne auf die Tasten zu blicken
mit dem easyPanel interagiert, quasi blind. Das diese Nutzungssicherheit nicht gleicherma-
65 Analyse I: Feldbeobachtung mit Interviews
ßen beim Industrie-Tablet ausgelöst wird, kann auf den fehlenden Griff unterhalb des
easyPanels zurückgeführt werden. Dies könnte dazu führen, dass sich die Arbeiter schlicht
nicht darauf einlassen, da zum einen die Gewohnheit nicht gewährt wird und zum anderen
der Griff das körperliche Wohlbefinden durch Ablegen der Hand sicherstellt. Zu den Nut-
zungseigenschaften komplizierend hinzukommt, dass ältere Generationen über die Jahre
starke Hornhautbildung an den Fingerkuppen vorweisen. Starkes Tippen mit wiederholtem
Nachsetzen auf das Touchdisplay ist die Folge (Stress). Durch fehlendes visuelles Feedback
empfinden die betroffenen Arbeiter die Situation so, dass der Touchscreen nicht funktio-
niert. Zudem werden im Vergleich zu Maschinenbedienern keine Sicherheitshandschuhe
getragen, sodass des Weiteren stark Ölverschmierte Hände Alltag sind.
HERVORGERUFENE EMOTIONEN AUS SICHT DER FERTIGUNGSPLANER
Mobilität von Steuerungstechnik ist wichtig und folglich Tablet-Einsatz für den technologi-
schen Fortschritt innerhalb der Fertigung gewinnbringend, gerade für Servicemitarbeiter ist
der Faktor Mobilität vorteilhaft für die Bewerkstelligung alltäglicher Arbeit hinter den Anla-
gen. Eine Erweiterung des Industrie-Tablets durch eine Tastatur für eine leichtere Bedie-
nung wird angenommen, jedoch muss die allgemeine Halterung entsprechend robuster
gestaltet werden, um dem Gewicht eines Arbeiters beim Abstützen entgegen wirken zu
können. Unabhängig ob Galgensystem oder Industrie-Tablet wird zudem die Langlebigkeit
von Touchdisplays angezweifelt. Allgemein wird Touch in der Praxis als schlecht empfun-
den, u. a. da die Kalibrierung ungenügend sei.
HERVORGERUFENE EMOTIONEN AUS SICHT DER SERVICEMITARBEITER
Probleme lösen durch die Unterstützung von AR führt Existenzängste bei einem Servicemit-
arbeiter herbei, da eine Bedrohung des eigenen Arbeitsplatzes erlebt wird (Klein, 2009),
entsprechend einem Machtmotiv, d. h. die eigene Machtquelle sichern (Hellert, 1995). Folg-
lich vermittelt der technologische Fortschritt AR konkret Bedrohung durch die Angst vor
Statusverlust, Machtlosigkeit, Schutzlosigkeit ebenso Kompetenzverlust und fehlende Aner-
kennung, da Arbeiter durch angezeigte Visualisierungen eigenständig Störfälle beheben
könnten und infolgedessen die Stellenausschreibung des Servicemitarbeiters aus dem All-
tag der Fertigung als Gestrichen vermutet wird. Durch die Entwertung persönlicher Qualifi-
kationen entstehen Selbstwertprobleme (Rudow, 2011).
„Bedeutet Augmented Reality dann, dass ich arbeitslos werde? Hört sich so an! […] Das
macht mir Angst! […] Ich bin 48 Jahre, […] was soll ich dann machen?“ (SM01)
66 Analyse I: Feldbeobachtung mit Interviews
5.2.2.2 Erlebnis 1 im Arbeitsalltag: Probleme lösen
Einheitlich geben die zehn befragten Maschinenbediener eine 100% Alleintätigkeit im Ar-
beitsalltag an (Isolation). Anlagenführer schätzen, dass sie zu 75% alleine tätig sind, Ser-
vicemitarbeiter und Fertigungsplaner können ihre Tätigkeit unter dem kooperativen Aspekt
nicht einschätzen. In der Summe geben jedoch alle Arbeitergruppen im kontextuellen Inter-
view bekannt, dass sie sich in Problemsituationen helfen. Dies bestätigt sich auch innerhalb
des Beobachtungszeitraums (Abbildung 29, C, D). Zur Analyse und Interpretation der Daten
werden nach Hassenzahl et al. (2013) die Beziehung zwischen verschiedenen Attributen der
Interaktion und der Erfahrung als Model herangezogen.
HERVORGERUFENE EMOTIONEN AUS SICHT DER PASSIVEN MASCHINENBEDIENER
Deutlich wurde, dass die Tatsache ‚um Hilfe bitten‘ für Maschinenbediener im Vergleich zu
den anderen Arbeitergruppen unterschiedlich aufgefasst wird. Liegt Maschinenbedienern
eine Störung ihres Anlagenabschnitts vor, wird nach dem zuständigen Anlagenführer geru-
fen (zu berücksichtigen: Hoher Geräuschpegel in Fertigungshallen), d. h. dieses eigene Wir-
ken auf sofortiges Feedback schafft ein Gefühl von Sicherheit als konstante Interaktion im
Arbeitsalltag. Kommt ein Anlagenführer, löst er das Problem alleine oder mit Hilfe von
Fachkräften seiner Wahl, während alle anderen zurück auf ihre Position am Fließband rü-
cken (Ritual) - schließlich könnte jeden Moment das Fließband mit der Teilezuführung star-
ten. Lediglich interessierte Maschinenbaustudenten als Ferienjobber schauen den Anlagen-
führern gerne über die Schulter und bieten aktive Hilfe an (Abbildung 29, B, C).
Ritualisierung durch schrittweise Interaktion legt klar strukturiert den Schwerpunkt
auf den Fortschritt des Verfahrens (Hassenzahl, et al., 2013). I. d. R. beseitigen Maschinen-
bediener Störmeldungen mit dem routinierten betätigen der Stopp-/ Start-Taste (problem-
lösendes Verhalten auch ohne Einsicht) am easyPanel, in Härtefällen wagt es jedoch keiner
ohne einen Anlagenführer die Tür der Montageanlage zu öffnen. Das Hauptmotiv ist Angst
und Unsicherheit. Auf der anderen Seite bewirken Störungen bzw. Fehlerzustände an der
Montageanlage Abwechslung im monotonen Arbeitsalltag:
„Insgeheim freu ich mich wenn die Anlage still steht. […] Man kann sich mal die Füße
vertreten, mit anderen reden, sein Hirn anschalten. […] An der Anlage verdummt man doch
nach einer Zeit, da kommen mir Störungen ganz recht.“ (MB08)
Diese authentische Aussage verdeutlicht, dass das Bedürfnis nach geistiger Aktivität bzw.
Stimulation besteht, denn das fordert und schafft Interesse.
67 Analyse I: Feldbeobachtung mit Interviews
Allgemein ist ein hohes Pflichtbewusstsein vorhanden, was das Einhalten der Stückzahlen je
Schicht betrifft und darauf begründet ein Bestreben Fehler schnellstmöglich zu beseitigen.
Hinderlich sei hier in erster Linie mangelnde Systemhinweise seitens der Steuerungssoft-
ware, wie etwa bereits geleistete Stückzahl. Gerade Ferienjobber beklagen eine mangelnde
Einführung, unter diesen Umständen seien sie gar nicht in der Lage technisch die Anlage
samt Steuerungssoftware zu begreifen, um Störfälle an der Anlage ggf. vorzubeugen.
Furcht vor Misserfolg mit resultierendem Gefühl von Scham und Bloßstellung ist
ebenfalls eine Größe im Arbeitsalltag:
„[…] ist halt ätzend für Stillstand zu sorgen, dann schauen einen immer alle an. Je nachdem
an welcher Anlage die Leuchte angeht, wissen ja alle wer es verbockt hat.“ (MB06)
Lob und Anerkennung als Bindungsmotiv infolge guter Arbeit ist der befriedigende Ab-
schluss einer Aufgabe („Wer will nicht gelobt werden? Klar will ich einen Dank hören“,
MB10).
HERVORGERUFENE EMOTIONEN AUS SICHT DER ANLAGENFÜHRER
Dimensionen wie Dominanz, Flexibilität und Erfolgszuversicht stellen eine intrinsische Moti-
vation im Arbeitsalltag dar, da sie positive Emotionen auslösen und das Selbstwertgefühl
steigern. Anerkennung als Bindungsmotiv spielt im täglichen Leben der Arbeiter eine wich-
tige Rolle für das eigene innere Gemüt und schafft positiv-Emotionen:
„[…] ganz ehrlich, ich hör‘ gern meinen Namen durch die Halle rufen, wenn sie mich brau-
chen. Ich bin 56 und werde noch immer gebraucht, das ist doch was!“ (AF01, strahlt)
Deutlich wurde, dass Fachkräfte gut eingespielt sind, zusammenhalten und untereinander
keine Scham bei Unwissenheit nachzufragen vorhanden ist, Effizienzvorteile durch koopera-
tives Arbeiten bekannt sind. In Summe führen diese zu Gelassenheit:
„Jeder weiß ein bisschen und man hilft sich, manchmal stehen wir hier mit 6 Personen und
tüfteln am Tablet […].Man hat halt lieber jemanden neben sich. […] Die Zeit fehlt auch sich
ewig [allein] hinzustellen und zu kapieren wie es geht!“ (AF01, wütend)
Auf die Frage hin, was an solch einer Situation als schön empfunden wird, heißt es
„Man muss sich nicht schämen, wenn man was nicht kapiert. […] Das miteinander ist schön,
wir ärgern uns gemeinsam.“ (AF01)
Dies stellt ein positiv-Beispiel für Zusammenarbeit bzw. kooperativem Arbeiten dar und
zeigt, wie aus negativen Situationen ein positives Erlebnis gestaltet werden kann.
68 Analyse I: Feldbeobachtung mit Interviews
Erfolgserlebnisse im Arbeitsalltag der neuen Montageanlage werden unterdrückt, durch die
Belastung, dass jeder Störfall der Montageanlage Produktionsverlust bedeutet – vor allem
wenn die Behebung des Fehlers aufgrund von Unwissenheit der Steuerungstechnik viel Zeit
in Anspruch nimmt:
„Wenn ich dann ein Problem gelöst hab, kann ich´s gar nicht mehr genießen, weil so viel Zeit
ins Land gegangen ist. Ich hab nur noch die Zahlen im Kopf! Und die sagen, dass wir Teile
verlieren, weil wir die Technik nicht begreifen!“ (AF01, nach einem Störfall)
HERVORGERUFENE EMOTIONEN AUS SICHT DER FERTIGUNGSPLANER UND
SERVICEMITARBEITER
Bei Maschinenanlagenfehlern zu denen ein Servicemitarbeiter durch einen Anlagenführer
kontaktiert wird, erscheint ebenfalls der zuständige Fertigungsplaner der Fertigungslinie.
Servicemitarbeiter lassen sich die Problemsituation erklären (Abbildung 29, D) und über-
zeugen anschließend i. d. R. mit fachlicher Kompetenz und Erfahrung, dass ihnen hohe An-
erkennung und Wertschätzung garantiert. Kooperatives Problemlösen mit Arbeitern vor Ort
ist allerdings ein gerngesehenes Szenario aus Sicht der Servicemitarbeiter, auch die Ferti-
gungsplaner begrüßen dies. Ihre Hoffnung ist, dass Anlagenführer sich bestmögliches Wis-
sen von den Servicemitarbeitern aneignen, um eigene Kompetenz aufzubauen und folglich
selbstständig Störfälle beseitigen. Aus Sicht der Servicemitarbeiter in Puncto Wissensma-
nagement jedoch wird angestrebt das eigene Fachwissen nicht im vollen Umfang weiterzu-
geben. Diese Denke ist gut auf die oberen vier Grundbedürfnisse zurückzuführen
(Abbildung 13).
5.2.2.3 Erlebnis 2 im Arbeitsalltag: Lehren und Lernen
Interessengeleitetes Lernen ist für alle Arbeitergruppen ein wichtiges Motiv für die Anspra-
che der vier Gruppen von Emotionen43 (Brandstätter, et al., 2009), gleichermaßen die För-
derung von Autonomie. Dennoch fühlte sich niemand seit Einführung der neuen Monta-
geanlage bereit, frei mit dem neuen Interface zu interagieren, d. h. einfach auszuprobieren
welche Funktionen sich hinter erschließbaren Icons und Wordings verborgen ist.
43 (1) Positiv-aktivierende Emotionen (z.B. Lernfreude, Hoffnung, Stolz), (2) positiv-deaktivierende Emotionen (z.B. Erleichte-rung, Zufriedenheit), (3) negativ-aktivierende Emotion (z.B. Wut, Angst, Scham), (4) negativ-deaktivierende Emotionen (z.B. Langeweile, Hoffnungslosigkeit) nach (Brandstätter, et al., 2009 S. 752)
69 Analyse I: Feldbeobachtung mit Interviews
HERVORGERUFENE EMOTIONEN AUS SICHT DER PASSIVEN MASCHINENBEDIENER
Maschinenbediener lernen mittels Modelllernen bzw. Beobachtungslernen, gerade da diese
Bedienergruppe ungelernte Arbeiter sind, ist diese Lernmethode ein wichtiger Mechanis-
mus. Der Erwerb von Wissen und Fähigkeiten bzw. funktionale Bildung ist wichtig, verbun-
den mit der Hoffnung beruflich aufzusteigen, Misserfolge zu vermeiden (Scham) sowie am
Arbeitsplatz Langeweile und Hoffnungslosigkeit entgegenzuwirken („an der Anlage ver-
dummt man […]“, MB08). Diese negativ-deaktivierende Emotionen führen zur Senkung von
intrinsischer und extrinsischer Motivation (vgl. Abschn. 4.3). Fehlende Kompetenz wird
fehlendem Einlernen zugeschrieben:
„[…] wenn ich Dinge falsch mache, weil ich es eben nicht besser weiß, dann steht die Anlage
still. Eigentlich muss man mich richtig einlernen, intensiv. Aber dafür ist hier keine Zeit. […]
Keiner sollte sich wundern, wenn wir Neuen dann ständig Fehler machen.“ (MB03).
Obwohl die bedeutendste Methode ‚Lernen durch Versuch und Irrtum‘ nach Thorndike
(1965) ist, trauen sich die Maschinenbediener nicht an die technikbelastende Montagean-
lage heran, um Handlungen eigenständig zu Erproben. Auch während des empirischen Be-
obachtungszeitraums konnten lediglich zwei studentische Aushilfen ermutigt werden das
Interface auszukundschaften. Dem Festpersonal hingegen konnte trotz der Vermittlung,
dass kein Risiko besteht, die Nutzungsangst nicht genommen werden.
Allgemeinen sind es lediglich die studentischen Aushilfen die sich von Anlagenfüh-
rern ermutigt fühlen, eigenes Wissen einzubringen. Das Einlernen aller Arbeiter an Handar-
beitsplätzen erfolgt durch Beobachtung und Nachahmung (Herpertz-Dahlmann, 2008), d. h.
Maschinenbediener folgen sowohl ihrer übergeordneten Autorität (Anlagenführer, dessen
Schritte 1:1 nachzumachen sind) als auch der Masse um sie herum. Bspw. nutzt kein Arbei-
ter im Arbeitsalltag die mobile Einsatzmöglichkeit des Industrie-Tablets, folglich entsteht
ein adaptierendes Verhalten, ähnlich Zugzwang:
„Nehmen die es nicht raus, nehme ich es auch nicht raus, so einfach ist das.“ (MB03)
HERVORGERUFENE EMOTIONEN AUS SICHT DER ANLAGENFÜHRER
Um zu Lehren fehlt aufgrund des fehlenden Handbuchs notwendige Kompetenz. Dies be-
einträchtigt ein selbstbewusstes Auftreten durch Nichterfüllung der Selbstwirksamkeit:
„Jetzt haben wir die ganzen Ferienjobber hier und ich kann nicht einlernen,
weil ich die Anlage selber nicht beherrsch. Scheisse ist das! Peinlich ist das! […] ich bin ja die
70 Analyse I: Feldbeobachtung mit Interviews
Anlagenführerin, ich muss es können! Ich muss es beibringen! Aber von wem soll ich´s
lernen? Wir können´s nun mal nicht!“ (AF02, wütend)
Anlagenführer sehen sich in der Pflicht zu lehren, wobei englischsprachige Anlagensoftware
und nichtdeutschsprachige Arbeiter eine Hürde darstellen. Methodische Schulungen „mit
oder von Fremden“ (AF01) wird nicht gern durchlebt, denn bevorzugt wird die eigene Kom-
petenz und ein kollegiales Miteinander. Im Vergleich werden Handbücher gegenüber Schu-
lungen bevorzugt, da sie eine funktionale Selbstverwaltung bzw. selbstkontrolliertes Lernen
ermöglichen:
„[…] die erzählen einem immer so viel und dann muss man das alles eigentlich mitschreiben,
aber wenn ich schreib‘ kann ich nicht gucken was mir gezeigt wird. […] bei so
Schulungen traut sich doch eh keiner zu sagen ‚mach mal langsamer‘ oder ‚hab ich jetzt
nicht verstanden, zeig´s nochmal‘. […] Bei einem Handbuch gebe ich die Geschwindigkeit an
die ich brauche und wenn ich ein englisches Wort googeln muss,
dann kann ich das machen.“ (AF02)
Das Wissensgefälle beeinträchtigt die Kommunikation. Es herrscht demzufolge eine Scham,
nicht als ‚dumm‘ vor fremden Lehrenden dazustehen, da kein Austausch auf Augenhöhe
empfunden wird.
„Ich helf‘ mir lieber selber oder frag die, die ich kenn. […] Klar bin ich lieber mein eigener
Herr, selber Lernen […].“ Weiterhin wurde der Kontext Industrie-Tablet aufgegriffen: „Aber,
Ich hab´s nicht geschafft es zu begreifen, klar macht mir das zu schaffen, dieser Zustand ist
Stress pur für mich! Das kratzt an meinem Ego!“ (AF01)
Das Gefühl von Unwissenheit Hindernisse bzw. unkontrollierte Probleme nicht bewältigen
zu können, bedroht das Kompetenzerleben und führt zu Wut, Ärger und Verstörtheit, wo-
raus Hilflosigkeit ablesbar ist.
5.2.2.4 Erlebnis 3 im Arbeitsalltag: Dateneinsicht - Datenübersicht
Handbücher, sonstige Betriebsanleitungen und Fehlersammelkarten etc. stellen ein Nach-
schlagewerk für die Arbeiter dar. Diese sind für den sofortigen Zugriff an jeder Fertigungs-
anlage einmalig in Ringbuchform befestigt. Ist eines Vergriffen, ist unbekannt in welchen
Händen es sich befindet und für welchen Zeitraum.
Zykluszeiten und Produktionsstände werden von der Analgensoftware nicht bereit-
gestellt, sodass die Arbeiter erst am Ende einer Schicht erfahren, ob sie die Soll-Menge von
900 Stück erreicht haben. Das Fehlen verständlicher System-Fehlermeldungen bzw. allge-
mein erwartete Systemrückmeldungen kommen erschwerend zum Zeitdruck hinzu. Dies
71 Analyse I: Feldbeobachtung mit Interviews
führt dazu, dass Fehlerquoten nicht festgehalten werden, außer gravierenden Beschädi-
gungen der Anlage (z.B. Greifkopf defekt) welche händisch mit Datum auf Fehlersammel-
karten aufzuschreiben sind.
Das touchbasierte Interface wird einheitlich als nicht intuitiv wahrgenommen (vgl. Abschn.
5.2.1.1) und stellt im Arbeitsalltag eine derart gravierende Hürde dar, sodass dieses kom-
plett gemieden wird und stattdessen ausschließlich das easyPanel zur Analgensteuerung
verwendet wird (Abbildung 27). Eine freie Nutzung der Steuerungssoftware via Industrie-
Tablet scheitert am Interface einschließlich Interaktionskonzept. Bspw. sollte die Monta-
geanlage in den vergangenen Monaten umgerüstet werden zur Montage anderer Teile,
jedoch konnte trotz kooperativen Einsatzes im Team samt Servicemitarbeiter dies funktio-
nal nicht realisiert werden. Dieser Zustand wurde dagegen nicht an Unternehmen A
(Abbildung 21) kommuniziert, d. h. Probleme werden vom Team ausgesessen.
5.3 Top-Findings: Situation – Emotion – Bedürfnis
Es werden Top-Findings als Ergebnis der zwei vorgestellten Feldstudien zusammenfassend
in fünf Kategorien aufgelistet: Vorwissen/ Erwartung, Nutzungskontext, Bedeutung des
eigenen Tuns, Dokumentationen und neue Technologien.
Daraus ergeben sich Erlebniskomponenten aus dem Arbeitsalltag von Arbeitern an
Maschinenanlagen die in Kategorien, ähnlich Qualitäten (Hassenzahl, et al., 2013) subsu-
miert werden. Dies erfolgt durch die Vereinigung der Erlebnisse44 (Situation, Emotion, Be-
dürfnis) von aktiven (Feldstudie I) und passiven (Feldstudie II) Maschinenbedienern, Ser-
vicemitarbeiter, Fertigungsplaner und Anlagenführern (vgl. Abbildung 19). Zum Clustern
bzw. Einschätzung der Situationen werden Theorien entsprechend Kapitel 4 herangezogen.
Die Grundzüge der hervorgerufenen Emotionen orientieren sich an Plutchiks Emotionsmo-
dell (Abbildung 17), die Bedürfnisse nach Maslow (Abbildung 13) und der Theorie der Ziel-
setzung (Abschn. 4.2).
Diese Erlebnisse der Nutzer stellen Ergebnisse für den Bereich Vorentwicklung dar, wobei
die Gewichtung der Erlebnisse subjektiv zu betrachten sind und nachfolgende Nummerie-
rung somit ausschließlich der Strukturierung der Top-Findings dient.
44 Vgl. Abbildung 20: Faktoren zur Erstellung von Gestaltungsprinzipien sind (Alltags-) Situation und die dabei hervorgerufe-nen Emotionen und das Erfassen von Bedürfnissen.
72 Analyse I: Feldbeobachtung mit Interviews
VORWISSEN/ ERWARTUNG
1. INDUSTRIE-TABLET VS. CONSUMER-TABLET
Situation Das Industrie-Tablet wurde vermarktet als Tablet. Entspre-
chend Sehen und Fühlen erwarteten die Nutzer ein St. Con-
sumer-Tablet, u. a. mit vertrauter Eingabeinteraktion.
Hervorgerufene Emotion Verwunderung, Schwermütigkeit, Verdruss.
Bedürfnis Vertrauen, Sicherheit, Verbundenheit.
2. ERWARTUNG DURCH CONSUMER ELECTRONICS
Situation Der Mensch ist von Consumer Electronics verwöhnt. Als
Folge tritt der Mensch als Nutzer im industriellen Umfeld
automatisch mit einer bestimmten Erwartung und Vorwis-
sen, hinsichtlich Technikeinsatzes im Nutzungskontext, in
seine Arbeitswelt ein. Entscheidungen werden mittels Intui-
tion als Beurteilungsfunktion getroffen.
Hervorgerufene Emotion Verdruss, Verwunderung.
Bedürfnis Vertrauen, Gelassenheit, Sicherheit, Individualisierbarkeit.
3. TOUCH-INTERAKTION VS. DESKTOP-INTERAKTION
(Alltags-) Situation Nutzer unterscheidet unbewusst zwischen Touch-
Interaktion und Desktop-Interaktion, d. h. ein Nutzer kann
in einer Touchumgebung nicht intuitiv auf Desktopfunktio-
nalitäten schließen, welches ein Hindernis für die Durchfüh-
rung einer Aufgabe ist.
Hervorgerufene Emotion Verdruss, Gräuel, Verwunderung.
Bedürfnis Vertrauen, Gelassenheit, Sicherheit.
NUTZUNGSKONTEXT: HARDWARE, SOFTWARE
1. HARDWARE: GALGENSYSTEM ALS HYGIENEFAKTOR
(Alltags-) Situation Abstützen am Griff des Galgenmonitors führt zur körperli-
chen Entlastung der Arbeiter und ist ein entscheidender
Kontextfaktor im Arbeitsalltag an Maschinen. Durch diese
Art von Halt herrscht eine emotionale Bindung zum Galgen.
73 Analyse I: Feldbeobachtung mit Interviews
Hervorgerufene Emotion Gelassenheit, Freude, Akzeptanz, Vertrauen.
Bedürfnis Körperliches Wohlbefinden: Zusammenhang von Arbeit und
Rhythmus.
2. HARDWARE: INDUSTRIE-TABLET ALS HYGIENEFAKTOR
(Alltags-) Situation Innerhalb einer negativen, mit Unzufriedenheit verbunde-
nen Situation (körperliche Belastung) werden tragbare Gad-
gets sowie allg. Tablets als zusätzliche Last empfunden und
als mobiles Arbeitsmaterial nicht genutzt. Industrie-Tablets
in der Halterung sind (im Vergleich zum Galgensystem) nicht
robust genug, sodass sie beim Abstützen zur körperlichen
Entlastung Abbrechen und zu Bodenfallen.
Hervorgerufene Emotion Missbilligung (Verwunderung bis Schwermütigkeit), Ver-
druss, Ärger, Ablehnung.
Bedürfnis Körperliches Wohlbefinden, Sicherheit (sicherer Halt, Ro-
bustheit).
3. HARDWARE: INDUSTRIE-TABLET ALS MATERIAL
(Alltags-) Situation Das Industrie-Tablet wird weder in der vorgesehen Arm-
beuge genutzt, noch allgemein im mobilen Einsatz, d. h.
außerhalb der Halterung. Grund: hohes Gewicht, zugehöri-
ges Kabel und kurze Wege zum Maschineninneren.
Hervorgerufene Emotion Schwermütigkeit, Verdruss, Ablehnung.
Bedürfnis Körperliches Wohlbefinden, Selbstverwirklichung.
4. HARDWARE: MASCHINENANLAGE
(Alltags-) Situation Blickdichte Anlagen aus Metallgehäuse führen zum stetigen
Öffnen der Anlagentür, um den vollautomatischen Prozess
der Anlage zu kontrollieren. Um dies zu ermöglichen wer-
den Arbeitssicherheitsvorschriften missachtet (Sicherheits-
knochen der Anlagentür entfernt).
Hervorgerufene Emotion Verstörtheit, Verdruss, Antizipation, Wachsamkeit.
Bedürfnis Kontrolle, Sicherheit, Bedeutsamkeit.
74 Analyse I: Feldbeobachtung mit Interviews
5. SOFTWARE: INTERESSE VS. EHRFURCHT
(Alltags-) Situation Nutzer trauen sich nicht mit der Steuerungssoftware frei zu
interagieren, aufgrund von fehlendem Verständnis für die
Softwarearchitektur. Infolge dessen wird das Potential des
Interaktionsdesigns, aus Angst unwissentlich Maschinenbe-
fehle auszulösen, nicht ausgeschöpft. Zu kleine Schrift
zwingt die Arbeiter das Gesicht nah an das Industrie-Tablet
zu führen und verlangsamt die Bediengeschwindigkeit.
Hervorgerufene Emotion Ehrfurcht durch Angst, Verstörtheit, Kummer, Verdruss.
Bedürfnis Selbstachtung, Kontrolle, Autonomie.
6. SOFTWARE: FEHLERANZEIGE
(Alltags-) Situation Unzureichende Information der Fehlerursachen/-quellen
zwingen die Arbeiter zur eigenen physischen Anlagenkon-
trolle und/ oder Fehlersuche bis hin zum Aussitzen von
Problemzuständen bei Nichtverstehen.
Hervorgerufene Emotion Anspannung, Kontrollverlust, Zeitdruck.
Bedürfnis/ Wunsch Sicherheit (Planbarkeit, Informationen mit Grafik visualisie-
ren: welches Problem, welche Station, welche Position),
Selbstverwirklichung (Autonomie).
7. SOFTWARE: INFORMATIONSVISUALISIERUNG
(Alltags-) Situation Unzureichende Information hinsichtlich Maschine (z. B.
Zykluszeit, Statistiken) und abzufertigende Teile (z. B. Teile-
nummer, Position, produzierte Stückzahl) zwingen zur Er-
stellung eigener handschriftlichen Listen oder zum Messen
von Taktzeiten mit Uhr. Es kursieren dadurch mehrere Lis-
ten in Hosentaschen der Arbeiter, die nicht öffentlich er-
sichtlich sind.
Hervorgerufene Emotion Besorgnis, Verwunderung, Schwermütigkeit.
Bedürfnis/ Wunsch Sicherheit (Kontrolle, Planbarkeit, Vertrauen, Dateneinsicht,
Datenübersicht durch Statistik über Tag, Woche, Monat;
Fehler-/ Störhäufigkeit).
75 Analyse I: Feldbeobachtung mit Interviews
8. SOFTWARE: BEDIENOBERFLÄCHE
(Alltags-) Situation Im Arbeitsalltag fühlen sich Arbeiter mit Informationen und
Funktionalitäten der Anlagensoftware konfrontiert, die Sie
nicht benötigen und zu Orientierungslosigkeit führen. Durch
Consumer Electronics steigende Erwartung hinsichtlich eigene
Konzipierung des Homescreens, etc..
Hervorgerufene Emotion Kontrollverlust, Beziehungslosigkeit.
Bedürfnis Selbstbestimmung, Verbundenheit, Identifikation.
BEDEUTUNG DES EIGENEN TUNS
1. LEISTUNGSMOTIVATION
(Alltags-) Situation Maschinenbediener sowie Anlagenführer freuen sich
über Erfolgserlebnisse nach funktionalen Problemsituati-
onen, wofür sie sich durch Prahlen im Team Popularität
und Respekt verschaffen. Diese Motivationssteigerung
und Verschaffung von Selbstvertrauen durch Erfolgser-
lebnisse ist den Arbeitern bewusst.
Hervorgerufene Emotion Wachsamkeit, Freude/ Euphorie, Vertrauen.
Bedürfnis Zugehörigkeit, Stimulation, Wertschätzung, Selbstver-
wirklichung.
2. MENSCH VS. TECHNIK
(Alltags-) Situation Maschinenbediener wollen mitten im Geschehen sein, denn
ihre eigene Empfindung ist, dass sie trotz high-end-Technik
gebraucht werden.
Hervorgerufene Emotion Verbundenheit, Sicherheit, Kompetenz, Freude, Stolz.
Bedürfnis Selbstverwirklichung (die eigene magische Person im Unter-
nehmen einbringen).
3. ALLEIN VS. KOOPERATIVEM ARBEITEN
(Alltags-) Situation Arbeiter in der Fertigungsindustrie arbeiten während einer
Schicht i. D. zu 80 - 95% alleine an Maschinenanlagen. Aktiver
Kontakt zu Kollegen und Abteilungen findet ausschließlich im
Fehlerfall, Ausbildung, Schulung, Warenbestellung oder Pausen
76 Analyse I: Feldbeobachtung mit Interviews
statt. Hinsichtlich sozialer Teilhabe freuen sich Arbeiter über
längere Störfälle die Kommunikation mit sich führen.
Hervorgerufene Emotion Antizipation, Interesse, Langeweile.
Bedürfnis Soziale Bedürfnisse, Wertschätzung, Selbstverwirklichung.
4. DIE ROLLE DER EIGENEN PERSON (1/2)
(Alltags-) Situation Anlagenführer und Maschinenbediener genießen das Gefühl
gebraucht zu werden, fördern zwischenmenschliche Kommuni-
kation und stehen für ein kollegiales Miteinander. Ihre Er-
kenntnis ist steigende Produktivität und Effizienz durch Ge-
meinschaftlichkeit.
Hervorgerufene Emotion Verbundenheit: Freude, Vertrauen.
Bedürfnis Sicherheit, soziale Bedürfnisse, Wertschätzung, Selbstverwirkli-
chung.
5. DIE ROLLE DER EIGENEN PERSON (2/2)
(Alltags-) Situation Servicemitarbeiter genießen das Gefühl gebraucht zu werden,
möchten daher ihr Wissen bzw. Kompetenz nicht umfänglich
weitergeben, um ihren eigenen Stellenwert zu wahren.
Hervorgerufene Emotion Achtsamkeit, Besorgnis.
Bedürfnis Sicherheit, soziale Bedürfnisse, Wertschätzung, Selbstverwirkli-
chung.
6. STIMULATION (1/2)
(Alltags-) Situation Arbeiter wollen geistig aktiv sein. Es besteht Lernbereitschaft
und Interesse für das Anlageninnere und deren Funktionalität.
Hervorgerufene Emotion Optimismus: Interesse, Antizipation.
Bedürfnis Selbstverwirklichung, Sicherheit durch Stimulation.
7. STIMULATION (2/2)
(Alltags-) Situation Passive Maschinenbediener freuen sich über Störfälle der Ma-
schinenanlage, um kurzweilig körperliche Entlastung zu erfah-
ren und Kontakt zu Kollegen zu suchen.
Hervorgerufene Emotion Langeweile vs. Interesse.
77 Analyse I: Feldbeobachtung mit Interviews
Bedürfnis Körperliches Wohlbefinden, Sicherheit, soziale Bedürfnisse.
DOKUMENTATIONEN
1. AUSHÄNDIGUNG DURCH DIENSTLEISTER
(Alltags-) Situation Durch das Fehlen eines Handbuchs bei Produktüberlieferung
entstehen zum einen Selbstwertprobleme durch Entwertung
persönlicher Qualifikationen seitens der Lehrenden und zum
anderen Produktivitätseinbußen, da durch Nichtbegreifen der
Anlage Arbeiter Projekte nicht abfertigen können.
Hervorgerufene Emotion Wut, Kummer, Verwunderung.
Bedürfnis Kontrolle, Sicherheit, Vertrauen, Selbstverwirklichung.
2. ZUGRIFF
(Alltags-) Situation Dokumentationen und Anleitungen für den allgemeinen Be-
triebsalltag hängen an einzelnen Maschinen oder sind in Ord-
nern nahe der entsprechenden Fertigungslinie. Ist eines vergrif-
fen muss auf Wiederverfügbarkeit gewartet werden. Derweil
wird das Problem ausgesessen.
Hervorgerufene Emotion Verdruss, Langeweile, Schwermütigkeit, Besorgnis.
Bedürfnis Kontrolle, Sicherheit, Selbstverwirklichung.
NEUE TECHNOLOGIEN
1. WEITERENTWICKLUNG
(Alltags-) Situation Nichtdeutschsprachige Arbeiter erhoffen durch AR ein stark
Bild-dominierendes Handbuch, mit dem Hintergrund von Wis-
sensaneignung für einen beruflichen Aufstieg.
Hervorgerufene Emotion Interesse, Optimismus.
Bedürfnis Selbstverwirklichung.
2. NEUE TECHNIK/ TECHNOLOGIEN GREIFBAR MACHEN
(Alltags-) Situation Die Arbeiter zeigen Nutzungsängste, wenn sie neue Interakti-
onskonzepte nicht begreifen. Neue Technik bzw. Technologien
müssen erklärt werden.
Hervorgerufene Emotion Interesse, Angst.
78 Analyse I: Feldbeobachtung mit Interviews
Bedürfnis Sicherheit (Kontrolle), Selbstverwirklichung.
3. EINSETZBARKEIT GESTENSTEUERUNG
(Alltags-) Situation Tragbare Gadgets zur Gestensteuerung werden bedingt durch
den körperlichen Einsatz im Handarbeitsbetrieb als nicht all-
tagstauglich eingestuft. Durch Gestensteuerung wird aufbau-
end auf eigenem Vorwissen keine Produktivität prognostiziert.
Hervorgerufene Emotion Interesse.
Bedürfnis Körperliches Wohlbefinden, Sicherheit.
4. EINSETZBARKEIT AUGMENTED REALITY
(Alltags-) Situation AR wird im Rahmen von Dokumentationen und Schulungen als
Gewinnbringend eingestuft (Technischer Service), da es mit
mehr Autonomie verbunden wird – gleichzeitig löst dies Exis-
tenzängste unter Servicemitarbeitern aus.
Hervorgerufene Emotion Interesse vs. Angst.
Bedürfnis Sicherheit, Wertschätzung, Selbstverwirklichung.
5. EINSETZBARKEIT AUGMENTED REALITY UND GESTENSTEUERUNG
(Alltags-) Situation Um fehlende Taktilität bei Touchinteraktionen zu kompensie-
ren, erhoffen die Arbeiter durch AR und Gestensteuerung Ob-
jektsteuerung ohne Blickverlust zum Objekt, bei freien Händen.
Hervorgerufene Emotion Optimismus: Interesse, Antizipation.
Bedürfnis Körperliches Wohlbefinden, Sicherheit.
6. KOOPERATIVES LERNEN VS. KOOPERATIVEM ARBEITEN
(Alltags-) Situation Mit AR wird ein kooperatives Lernen als Schulungsersatz mit
Fremden in Verbindung gebracht. Hinsichtlich kooperativen
Arbeitens wird der Wegfall von Kollegialität vermutet, durch
die Möglichkeit sich selbstständig zu helfen.
Hervorgerufene Emotion {Interesse, Optimismus} vs. {Traurigkeit, Angst}
Bedürfnis Selbstverwirklichung, Kommunikation, Verbundenheit.
79 Analyse II: Fokusgruppe mit Exponats- & Produkttests
6. Analyse II: Fokusgruppe mit Exponats- & Produkttests
Die Methodik der Fokusgruppe dient dazu potentielle Nutzer der Technologien Augmented
Reality und Gestensteuerung im Rahmen einer geführten Gruppendiskussion als Experten
bestehender Methodiken kennenzulernen. Um die Denke, Erwartung und Bedürfnisse ein-
zelner Nutzer zu erfahren, wurde diese Expertenrunde mit vier Arbeitergruppen der Ferti-
gung mit bestehenden Exponats-und Produkttests initialisiert.
6.1 Methode und Ziel
Die Fokusgruppe als Expertenrunde in Kombination mit Exponats-und Produkttests stellt
eine Art Workshop von insgesamt drei Stunden dar, welche nachfolgend im Einzelnen er-
läutert wird.
Eingeladen waren 12 Fertigungsarbeiter, geleitet wurde der Prozess von einem
neutralen Moderator45, wobei bei jedem Exponat und Gadget jeweils ein Betreuer den Teil-
nehmern während der Tests zur Seite stand. Erkenntnisse aus der Feldstudie I flossen in die
fokussierten Fragen der Fokusgruppe ein, um weitere Sichtweisen und Überschneidungen
ergänzend einzuholen. Angestrebt ist jedoch eine offene Fokusgruppe.
Das Ziel des dreistündigen Workshops ist
i. bei potentiellen Nutzern ein Bewusstsein für Augmented Reality und Gesten-
steuerung als unterstützende Werkzeugmethoden zu schaffen, um für die The-
matik zu sensibilisieren,
ii. herauszufinden, was die Bedürfnisse von Arbeitern an Maschinenanlagen in der
Fertigungsindustrie hinsichtlich dem Einsatz neuer Technologien sind,
iii. zu verstehen, welche positiven Erlebnisse bei potentiellen Nutzern mit Aug-
mented Reality und Gestensteuerung vorkommen.
Das übergeordnete Ziel ist die Forschungsfrage vorliegender Thesis. Respektive herauszu-
finden, ob Augmented Reality und Gestensteuerung die Bedürfnisse von Arbeitern an Ma-
schinenanlagen in der Fertigungsindustrie decken, um dann in Summe auf die Chancen und
Grenzen von Augmented Reality und Gestenerkennung schließen zu können.
Zur Erlangung des Ziels wurden Tests zweier Exponate (A.) und dreier Gadgets (B.) vorberei-
tet. Ins Einzelne gehend, um mittels
45 Verfasser dieser Thesis
80 Analyse II: Fokusgruppe mit Exponats- & Produkttests
A. zweier funktionaler Demonstratoren mit Realisierungen von
i. Augmented Reality via Consumer-Tablet zur Visualisierung von Zusatzinfor-
mationen zweier Automatisierungsassistenten während eines laufenden Pro-
duktionsszenarios (vgl. Abschn. 6.2.1).
ii. Gestenerkennung via Leap Motion Control zur Steuerung eines Automatisie-
rungsassistenten im Rahmen eines entworfenen Szenarios (vgl. Abschn.
6.2.2).
B. Produkttests dreier gestenbasierter Gadgets (vgl. Abschn. 2.2.2)
i. Gestenring NOD, Testszenario: Taschenrechnerbedienung (Abbildung 36).
ii. Gestenarmband MYO, Testszenario: Programmwechsel und -start mittels
vordefinierter Gesten (Abbildung 37).
iii. Gestenerkennung Leap Motion Control, Testszenario: Demo-Spiel nach Wür-
feln greifen (Abbildung 38)
ein Gefühl für diese neuen Werkzeugmethoden zu erhalten. Die Teilnehmer sollen diese
frei testen, um sich in der anschließenden Fokusgruppe über Erfahrungen austauschen zu
können - mit dem Hintergrund diese Erkenntnisse auf ihren Arbeitsalltag zu adaptieren und
für einen sinnvollen Einsatz einschätzen zu können. Ziel dieser Gestenanwendung ist in
möglichst in entspannter Haltung ein System ohne physischen Kontakt zu steuern und die
Nutzungsqualität zu beurteilen.
Erlangte Erkenntnisse dieser Analyse II bilden neben den Erkenntnissen aus Analyse I (ab S.
43) und Literaturrecherche (ab S. 9) die Basis zur Eingrenzung von Chancen und Grenzen
beider Technologien. Auch hier gilt analog zu Analyse I: Erlebnisse der Teilnehmer, als po-
tentielle Nutzer, bilden (Produkt-) Ergebnisse für (System-) Entwickler bzw. den Bereich
Vorentwicklung.
Um das oben aufgeführte Ziel zu erreichen, müssen Prioritäten identifiziert und ein
direkter Mangel (welche Bedürfnisse wurden angesprochen?) adressiert werden. Gleicher-
maßen entscheidend ist zu hinterfragen bzw. beobachten welche Situation die jeweiligen
Teilnehmer besonders positiv wahrnehmen, welche nicht und warum. Anhand des Aufde-
ckens von Bedürfnissen und Wünschen wird gewährleistet, dass der Schwerpunkt der De-
signimplikation richtig gesetzt wird.
81 Analyse II: Fokusgruppe mit Exponats- & Produkttests
6.2 Vorbereitung
In der Vorbereitungsphase wurde aktive Akquisition von Teilnehmern aus den ver-
schiedensten Fertigungsebenen betrieben, mit dem Resultat von 14 Teilnehmerzusagen:
fünf Teamleiter, ein Gruppenführer, ein Fertigungsplaner, sieben Maschinenbediener. Op-
tional waren ein Abteilungsleiter der Fertigung, ein Betriebsingenieur und ein Industrie-4.0-
Koordinator eingeladen. Den Workshop belgeiten werden zusätzlich zum Moderator drei
weitere Betreuer, welche schriftliche Notizen des Workshops mitverfassen, da Tonaufnah-
men aus Betriebswegen nicht gestattet sind.
Showroom
09:00 – 9:30 Uhr
Begrüßung, Test zweier Exponate
Konferenzzimmer
09:30 – 10:00 Uhr
Kurze Vorstellungsrunde, Einführung in das Projekt bei Kaffee, Saft und Butter-Brezeln
10:00 – 10:30 Uhr Test dreier Gadgets
10:30 – 12:00 Uhr Fokusgruppe
Tabelle 7: Agenda entsprechend der betrieblichen Vorgabe von maximal drei Stunden.
Für die Produkttests der drei Gadgets waren das Installieren entsprechender Software auf
Laptop und Tablet, persönliches Testen und Einlernen der Betreuer sowie das präparieren
des Testumgebung notwendig, d. h. kongruente Programme und Demos werden startklar
auf Laptops im Konferenzzimmer bereitgestellt. Für die Idee der Demonstratoren wurde
auf bestehende Messe-Exponate zurückgegriffen, die bisher keinem direkten Nutzertest
unterzogen wurden. Diese werden in den nachfolgenden Abschnitten im Detail erläutert.
6.2.1 Szenario I: Augmented Reality-Demonstrator
Das Szenario bindet zwei Automatisierungsassistenten ein, welche mittels des manuellen
Abscannens der jeweiligen QR-Codes (Abbildung 30) über ein Tablet in laufender Produkti-
on Zusatzinformationen in Echtzeit für den Nutzer bereitstellen, z.B. Einsicht in die Anlage
(Assistent 1) oder Temperatur (Assistent 2). Dies soll den jeweiligen Maschinenbediener
unterstützen Problemsituationen frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu reagieren.
Hierzu muss das Tablet aktiv in der Luft hin- und hergeschoben bzw. um die Anlage ent-
langgelaufen werden, um vorhandene AR-Informationen im Sichtfeld angezeigt bzw. auf
dem Display des Tablets visualisiert zu bekommen. Zur Veranschaulichung ist dieser Prozess
Moderation: Kontakt- und Situationserklä-rung/ Themen finden
Einzelne Sicht-weisen/ gestalteter Dialog
82 Analyse II: Fokusgruppe mit Exponats- & Produkttests
grünflächig in Abbildung 30 und Abbildung 31 schematisch markiert. Die Automatisierungs-
assistenten sind mit einer Sensorhaut überzogen, welches dem Nutzer ermöglicht, ohne
Schutzkäfig, direkt an dessen Seite kooperativ in Echtzeit zu arbeiten.
Abbildung 30: Der AR-Demonstrator umfasst eine Fertigungsinsel mit zwei Automatisie-
rungsassistenten welche, nach dem manuellen Abscannen jeweiliger QR-Codes als Refe-
renzmarker, AR-Informationen in Echtzeit auf dem Tablet bereitstellen (grün).
Abbildung 31: Entsprechende Augmented Reality-Inhalte werden in Echtzeit auf dem
Screen des Tablets angezeigt d. h. im Sichtbereich des Nutzers, sobald dieser entsprechen-
den QR-Code eingescannt hat und aktiv das Tablet über entsprechende Flächen führt.
83 Analyse II: Fokusgruppe mit Exponats- & Produkttests
6.2.2 Szenario II: Gestensteuerungs-Demonstrator
Dieses Exponat repräsentiert einen Demonstrator der die Werkzeugmethode Gestensteue-
rung im industriellen Sektor der Fertigung unterstützt und soll in erster Linie die Machbar-
keit des technologischen Einsatzes signalisieren. Der Demonstrator besteht aus
i. einem Einarm-Automatisierungsassistenten der aufgrund von Arbeitssicherheits-
gründen in einem Schutzkäfig platziert ist,
ii. in einer Station verbauten Leap Motion Control (vgl. Abschn. 2.2.2), dessen Gesten-
erkennung auf einem am Käfig montierten Display visualisiert wird und dem Nutzer
das Steuern des Greifarms aus Distanz ermöglicht,
iii. einem Greif-Szenario in vier Etappen (Abbildung 32, A – D).
Abbildung 32: Dieser Demonstrator ermöglicht das gestenbasierte Steuern des Greifarms
aus Distanz, mit dem Hintergrund die technologische Machbarkeit zu präsentieren.
84 Analyse II: Fokusgruppe mit Exponats- & Produkttests
Dieses Szenario beinhaltet das Erfassen von Hangesten mittels einer verbauten Leap Moti-
on Control (grünmarkiert, Abbildung 32, A), um aus Distanz den Greifarm des Automatisie-
rungsassistenten zu steuern (Abbildung 32, B). Aufgabe ist es, den Greifer mittels dem Füh-
ren der eigenen Hand, mit offener Handfläche oberhalb der Leap Motion Control
(Abbildung 34, A), hin zur danebenstehenden Box, gefüllt mit Autoschwämmen, zu führen,
um schließlich den Greifer hinabzusetzen und mit einer Faust den Befehl zu geben, den
Greifer zu schließen, folglich in Besitz des Autoschwammes zu kommen (Abbildung 32, C).
In der Faust-Geste verharrend muss mittels Links-, Rechts-, Vor- und Zurückbewegung der
Hand, der Greifarm des Automatisierungsassistenten samt Autoschwamm hinüber zum
Schacht gesteuert werden (Abbildung 32, D), um diesen anschließend passgenau fallenzu-
lassen, sodass der Nutzer den Autoschwamm außerhalb des Käfigs physisch entnehmen
kann (dient zusätzlich als Give Away).
Das Steuern des Greifarms stellt die zentrale Aufgabe des Szenarios dar. Ein Über-
blick über mögliche Gesten zur Realisierung des Szenarios ist in Papierform unterhalb des
Displays für die Teilnehmer bereitgestellt. Das Tracken der Gesten kann auf dem Display
überprüft werden.
6.3 Durchführung
Mit den definierten Zielen (s. Abschn. 6.1) vor Augen, richtet sich im Vorgehen der Fokus
auf die Bedürfnisse potentieller Nutzer (Abbildung 18), wie in der Einführung des prakti-
schen Teils dieser Thesis erläutert (S. 39).
Von den angemeldeten 14 Arbeitern aus der Fertigung erschienen insgesamt acht Teilneh-
mer zum dreistündigen Workshop: drei Teamleiter, ein Fertigungsplaner, ein Gruppenfüh-
rer und drei Maschinenbediener. Ein Teilnehmer grüßte mit den Worten
„Eine solche Einladung kam sehr unerwartet, normalerweise werden wir nicht nach
unserer Meinung gefragt. Sehr schön, freut mich.“ (TN.P01).
SHOWROOM: 30 MINUTEN
Der Start des Workshops gestaltete sich, entsprechend im Showroom mit dem Test der
zwei Demonstratoren wie in Abschnitt 6.2.1 und 6.2.2 vorgestellt. Dieser Einstieg wurde als
‚Eisbrecher‘ gewählt, da im Vorgespräch zur Rekrutierung von Teilnehmern sich herauskris-
tallisierte, dass eine Hemmschwelle u. a. das fehlende Verständnis für die Thematik und der
gedankliche Zusammenhang zum industriellen Einsatz nicht gegeben war.
85 Analyse II: Fokusgruppe mit Exponats- & Produkttests
Zum Testen wurden die Teilnehmer in zwei Vierer-Gruppen eingeteilt, mit je zwei Betreu-
ern (inkl. Moderator) welche Zitierungen notierten und unterstützend wirkten bzw. für
Fragen zur Seite standen. Jedoch wurden keine Vorführungen der Exponate oder explizite
Erklärungen zur Nutzung vorab durchgeführt, um die Intuitivität beider Technologien zu
erproben. Die Gruppen erhalten 15 Minuten je Exponat, danach erfolgt der Wechsel zum
nächsten Exponat.
Nachfolgend wird als Szenario II, Gestensteuerungs-Exponat, bei der realen Durchführung
eines Teilnehmers veranschaulicht.
Abbildung 33: Kleine Fertigungsinsel als Augmented Reality-Demonstrator (Szenario I) zur
Überprüfung von Prozessen und allg. Systemzuständen, abrufbar mit einem Consumer Tab-
let über einen QR-Code als Referenzmarker je Automatisierungsassistent.
86 Analyse II: Fokusgruppe mit Exponats- & Produkttests
A)
B) C)
D) E)
F)
G)
Abbildung 34: Der Gestensteuerungs-Demonstrator (Szenario II) erlaubt mittels des Füh-
rens der offenen Hand über, in einer Glasfassung verbauten, Leap Motion Control den
Greifarm des Automatisierungsassistenten aus Distanz zu steuern (A). Getrackte Gesten
sind über ein Display zu kontrollieren (B). Eine Faust gibt den Befehl zum Schließen des
Greifers (C) und erlaubt das Fortführen des Autoschwamms (D). Mit Wiederöffnen der
Hand über dem Schacht öffnet sich der Greifer (E), sodass der Autoschwamm
außerhalb des Käfigs entnommen werden kann.
87 Analyse II: Fokusgruppe mit Exponats- & Produkttests
KONFERENZZIMMER: 2,5 STUNDEN
Die Fokusgruppe wurde in einem annehmlichen Stuhlkreis mit moderierten alltagsnah fo-
kussierten Fragen, die zu anregenden Diskussionsrunden führten, umgesetzt, bei denen die
acht Teilnehmer Erfahrungen aus ihrem Arbeitsalltag preisgaben (Abbildung 35). Auf die
analoge Kommunikation wurde gleichermaßen geachtet, da eine Geste oder die Mimik
einer Person Aussagen über die Gedanken zulassen (Cizek, et al., 2005). Es wurde mit einer
Präsentation zur Einführung in die Thematik begonnen.
Abbildung 35: Fokusgruppe mit acht Teilnehmern, bestehend aus Maschinenbedienern,
Gruppenführer, Fertigungsplaner und Teamleiter aus der Fertigung, zzgl. drei Betreuern
und einem Moderator.
Es wurden konkret und alltagsnah Handlungsfelder der Arbeitskultur im industriellen Sektor
der Fertigung und Emotionen bereitwillig offengelegt. Der Gruppe wurde eingangs signali-
siert, dass Bedenken und Erfahrungen fassbar zur Sprache zu bringen. Unterstützend konn-
ten auf den Tischen ausgelegte Zettel verwendet werden, um Gedanken zur Diskussions-
grundlage stichwortartig festzuhalten. Diese wurden an Pinnwänden für alle sichtbar fest-
gesteckt.
Nach der Einführung erfolgte die 30-minütige Phase der drei parallellaufenden Pro-
dukttests, verteilt im Raum. Hierzu wurden die Teilnehmer zwei Mal in dreier-Gruppen und
einmal in eine zweier-Gruppe unterteilt, mit je einem Betreuer. Die Betreuer mit Modera-
tor wechselten durch die Gruppen, sodass jeder Eindruck von allen Produkttests sammeln
und notieren konnte. Die Teilnehmer waren jedoch derart fasziniert von den Produkten,
dass die Gruppeneinteilung bereits nach wenigen Minuten unbeachtet blieb. Jeder hatte
das Bedürfnis sich auszutauschen, folglich beim Anderen zuschauen und mitreden. Die Dy-
namik und der Erlebnisaustausch wurden dadurch nur positiv beeinflusst, erschwerte je-
88 Analyse II: Fokusgruppe mit Exponats- & Produkttests
doch das Notieren von Aussagen für die Betreuer, d. h. Zitierungen erfolgten während des
Produkttests überwiegend ohne Personenzugehörigkeit.
Nachfolgend einige Impressionen mit Aufgabenbeschreibungen der Produkttests
mit dem Gestenring NOD, Gestenarmband MYO und Gesten-Controller Leap Motion:
Aufgabe war es vordefinierte Gesten des Herstellers zu erproben.
Abbildung 37: Beim Produkttest des Gestenarmbands MYO war der Andrang am Größten.
Abbildung 36: Ein Teilnehmer beim Experimentieren mit dem Gestenring NOD innerhalb
des Beispielszenarios, Nutzung der Taschenrechnerfunktion, um ein Gefühl für punktge-
naue gestenbasierte Steuerung zu erhalten.
89 Analyse II: Fokusgruppe mit Exponats- & Produkttests
Abbildung 38: Gesten-Controller Leap Motion motivierte zum Experimentieren, sowohl
einhändig als auch zweihändig, bei der Aufgabe Würfel zu greifen, anzuheben und
kontrolliert fallen zu lassen.
Abbildung 39: Das Gadget Leap Motion regte
die Teilnehmer eigenständig zu kooperativem
Arbeiten an. Gemeinsam wurde versucht
einen größeren Würfel zu suchen, diesen
anschließend zu greifen, zusammen nach
oben zu Heben und zeitgleich fallen zu las-
sen.
90 Analyse II: Fokusgruppe mit Exponats- & Produkttests
6.4 Ergebnis: Erlebnisse der Fokusgruppe
Die Exponats- und Produkttests verschaffen einen ersten Eindruck über die Persönlichkeits-
dimension46 der Teilnehmer als potentielle Nutzer neuer Technologien entsprechend der
Forschungsfrage dieser Thesis, die in der Summe als Glaubwürdig einzustufen sind. Die
Teilnehmer waren in ihrer Gesamtheit extrovertiert, gesellig, risikobereit, gesprächig und
offen (Borkenau, et al., 1992) (Borkenau, et al., 1993). Der Austausch von Mitteilungen zwi-
schen den Teilnehmern gab eine zugrunde gelegte Struktur, eine Interaktion, d. h. eine
Interpunktion von Ereignisfolgen (Cizek, et al., 2005). Zur Interpretation der stattgefunde-
nen Kommunikation wurde auf Tonfall, Sprechtempo, Pausen und Körpersprache als para-
linguistische Erscheinung geachtet (ebd.). Implizite Botschaften wurden sowohl von den
Betreuern als auch vom Moderator notiert, um diesen qualifizierende Bedeutung zu geben.
Bspw. war der teilnehmende Fertigungsplaner während der Tests sehr offen und gesprä-
chig, jedoch inmitten der Fokusgruppe schweigsam. Dennoch wiesen seine Mimik und Kör-
perhaltung Mitteilungscharakter im Sinne eines metakommunikativen Axioms auf, d. h.
nonverbale Kommunikation, wie etwa Nicken, Kopfschütteln oder plötzliches Armver-
schränken. Aufgrund dieser anhaltenden Enthaltung innerhalb der Fokusgruppe, findet sich
in den nachfolgenden Erlebnis-Abschnitten (Erlebnis 0 bis Erlebnis 3) die Fokussierung her-
vorgerufener Emotionen aus Sicht des Fertigungsplaners nicht statt.
Gleichermaßen wurden menschliche Kommunikationsabläufe betrachtet, die trotz
beruflicher Hierarchie symmetrisch einzustufen sind. In keiner Situation war eine komple-
mentäre Interaktion zu beobachten. Die Teilnehmer respektierten sich, sodass aktiv zuge-
hört wurde47. Jeder durfte seine Gedanken aussprechen, eher ein anderer mit seinen Ge-
danken nachsetzte. Zustimmungen erfolgten offen, ebenso Bedenken. Insgesamt wurden
Sachinhalte durch explizite Botschaften greifbar formuliert und selbstständig die Thematik
AR miteinbezogen. Insbesondere Maschinenbediener TN.B02 verfolgte eine gelungene
Metakommunikation. Er war bereit unzweifelhaft Einblick in seine eigene Welt zu geben,
zeigte Mut zur Selbstoffenbarung und stich als Redensführer innerhalb der Fokusgruppe
deutlich heraus.
Nachfolgend werden Erlebnisse der Arbeiter aus der Fertigung fokussiert, begin-
nend mit dem Erleben der Exponats- und Produkttests. Da dieses Erlebnis allgemein gehal-
46 Bestehend aus 5 Dimensionen. Positive Dimensionen: Extraversion, Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Verträglichkeit. Negative Dimension: Neurotizismus (emotionale Labilität) 47 Aktives Zuhören entsprechend (Cizek, et al., 2005)
91 Analyse II: Fokusgruppe mit Exponats- & Produkttests
ten ist und zur Sensibilisierung der Thematik Augmented Reality und Gestensteuerung galt,
ist es als Erlebnis 0 definiert. Erlebnis 1 bis Erlebnis 3 stellen Erlebnisse aus dem direkten
Arbeitsalltag der teilnehmenden Arbeitergruppen dar. Für eine authentische Präsentation
dienen Zitierungen aus den jeweiligen Sichten der vier Arbeitergruppen.
6.4.1 Erlebnis 0: Exponats- und Produkttests
Prinzipiell waren Gestensteuerung und AR aus digitalen Spielen und durch die Medien bei
allen Teilnehmern bekannt. Um den Status Quo im Umgang mit beiden Technologien an-
hand der Tests zu erfahren, wurde, nach Einführung im Konferenzzimmer (vgl. Tabelle 7),
das Antwort-Schema ‚was gefällt?‘ (Plus-Zeichen) und ‚was stört?‘ (Minus-Zeichen) für die
Teilnehmer gewählt (Abbildung 40).
Da zeitlich bedingt die Exponats-und Produkttests gleichzeitig im Showroom statt-
fanden und die Teilnehmer durcheinander ihre Eindrücke äußerten, war es zum gegebenen
Zeitpunkt nicht möglich zu Zitaten entsprechend die Person festzuhalten, wie eingangs be-
reits erläutert.
Es sind damit in Summe folgende Äußerungen von Maschinenbedienern, Gruppenführer,
Fertigungsplaner und Teamleitern fixiert worden:
Abbildung 40: Meinungsäußerungen der acht Teilnehmer hinsichtlich der zwei Exponats-
und drei Produkttests.
92 Analyse II: Fokusgruppe mit Exponats- & Produkttests
Wichtige Erkenntnisse lassen sich aus den authentischen Meinungsäußerungen der acht
Teilnehmer hinsichtlich Motivation und Emotion ableiten. Fokussiert werden nun einzelne
Zitierungen, u. a. aus Abbildung 40, mit der Kategorisierung A) Neue Technologien als
Schutzschild, B) Wunsch, Enttäuschung und C) Erwartungen an neue Technologien:
A) NEUE TECHNOLOGIEN ALS SCHUTZSCHILD
„Diese AR-Informationen reduzieren Fehlerquoten“ 48,
„Unsere Leistung könnte weniger kritisiert werden“.
Das Exponat als AR-Demonstrator hatte den Effekt veritable Gefühlsbewegungen bei den
Teilnehmern auszulösen. Es wird deutlich, dass AR eine Steigerung des Selbstwert- und
Sicherheitsgefühls mit sich führt, da erhofft wird, der Besorgnis im Arbeitsalltag Fehlverur-
teilt zu werden, entgegengewirkt wird. Eine entscheidende Aussage hinsichtlich des Stel-
lenwerts von Selbstständigkeit traf ein Maschinenbediener bei der gedanklichen Einbezie-
hung von AR in seinem Arbeitsalltag:
„Das es für die Werkstatt eine Erleichterung einbringt ist offensichtlich.
[…] vor allem wenn man räumlich eingeschränkt ist. Bei mir kann ich nicht alle
Informationen einholen die ich brauch […]. Normalerweise gehe ich dann zu jemandem hin,
wenn mir was auffällt oder sowas, aber mit so einer Datenbrille hol ich alle Informationen
die ich brauch bei mir selber ab. Alle Informationen die sonst irgendwo vorliegen, in irgend-
einem Computersystem, dann hol ICH die vor und kein anderer ist mehr notwendig. Ich
hab dann volle Kontrolle, das bringt mir was.“ (TN.B01)
Mit AR finden Veränderungen der Arbeitsgestaltung statt, da die Arbeiter als eigenaktive
Subjekte maßgeblich Unterstützung finden – so die Vorstellung. Arbeitsformen erlangen
demnach neue Dimensionen produktiven Tuns, Selbstregulation wir gefördert und der Ar-
beitscharakter ändert sich durch erweiterte Möglichkeiten eigenständiges Planens zur ef-
fektiveren Arbeitserledigung.
Neben Datenbrillen wurde ebenso der Einsatz von Smart-Watches für die Fertigung
positiv diskutiert, hauptsache ein mobiles Gadget nicht größer als Hosentaschenformat.
B) WUNSCH, ENTTÄUSCHUNG
Der AR-Demonstrator als Einführung in den Kontext AR löste positive Emotionen unter den
Teilnehmern aus. Dieser Technikeinsatz wurde fortschrittlich als Unterstützung wahrge-
48 Fehlende Personenzugehörigkeit, wie eingangs erläutert.
93 Analyse II: Fokusgruppe mit Exponats- & Produkttests
nommen. Obwohl der Demonstrator über einen handelsüblichen Consumer-Tablet funktio-
niert, wurde es mit großer Ehrfurcht getestet. Anders als bei dem Gestenerkennungs-
Demonstrator mussten die Teilnehmer ermutigt werden das Tablet in die Hand zu nehmen.
Angezeigte Informationen wurden mit großem Eifer gelesen, sodass Enttäuschung sowohl
ausgesprochen als auch durch Mimik und Körperhaltung erkennbar wurde, wenn auf Platz-
halter in der Implementierung gestoßen wurde. Alle Teilnehmer versuchten aus Reflex an-
gezeigte Informationen anzutippen und/ oder heranzoomen, in der Erwartung eines Sys-
temfeedbacks in Form von weiteren Informationen, wie die Zitate
„Keine Ahnung, ich dachte da passiert jetzt was – bei der ganzen Technik hier.“ (TN.B02),
„Möglichkeit auf AR-Infos zu Zoomen war nicht gegeben.“
zeigen. Es wird folglich aufgrund von neuer (anmutiger) Technik erwartet, dass das Interak-
tionskonzept nahezu jede präsentierte Information in einem optischen Touch-Feld zusätz-
lich per Tap Informationen bereithält (Abbildung 33). Jedoch unterstützt die Technologie AR
prinzipiell kein Zoomen als Funktionalität. Drei der Teilnehmer bejahten die nachfolgende
Äußerung:
„Das ist also das neue intuitive Interface, hübsch. Aber Fullscreen in jeder möglichen
Sekunde ist wichtig.“ (TN.GF01, während des Versuchs mit Daumen und Zeigefinger auf
dem Display zu Zoomen)
Die Erwartungshaltung des Zoomens beruht auf Erfahrungswerte durch Consumer Electro-
nics mit Toucheingabe. Geprägt durch Wissen und Gewohnheit aus der privaten Welt, d. h.
das Konfigurieren des z. B. eigenen Smartphones nach eigenem Ermessen und Belieben,
äußerte ein Bediener
„Nett diese AR-Informationen, aber ich persönlich kann damit jetzt nichts
anfangen. Da müsste man mich fragen, was ich brauche. ‚Anwenderspezifisch‘ kenn
ich – ich hab ja ein Smartphone.“ (AR-Demonstrator mit Tablet, TN.B02)
und erhielt große Zustimmung aus der Teilnehmergruppe. Ähnliche Äußerungen im Kontext
einer anwenderspezifischen Oberfläche waren klar zu vernehmen:
i. Verständnislosigkeit bzgl. QR-Code-Notwendigkeit je Automatisierungsassistent
(vgl. Abbildung 33), „für jedes Gerät eigener QR-Code“ als Negativaspekt.
ii. Teilnehmer ziehen immerzu Vergleiche zu den positiven Aspekten einer AR-Brille,
obwohl keine persönliche Erfahrung diesbezüglich vorhanden ist. Ein medialer Ein-
fluss ist deutlich zu vernehmen.
94 Analyse II: Fokusgruppe mit Exponats- & Produkttests
Auf der anderen Seite werden ausschließlich robuste hands-free-Gadgets welche Kabellos
sind, als realistisch im Arbeitsalltag erachtet. Vorzüge der Sprachsteuerung sind bekannt,
auch als hilfreich erachtet, jedoch aufgrund der Geräuschkulisse in den Fertigungshallen
und der kulturellen Vielfalt schwer einsetzbar (vgl. TN.GF01), jedoch für schnelle Sprachno-
tizen zwischendurch hilfreich (vgl. TN.MB02).
C) ERWARTUNGEN AN NEUE TECHNOLOGIEN
Beim Heranziehen der Datenbrille als Beispiel, wurde erkannt, dass diese Art von Gadget
kooperatives Arbeiten nicht zulässt (vgl. TN.GF01), ein Tablet hingegen schon. Sowohl Ges-
tensteuerung als auch AR wurden als Werkzeugmethode als Unterstützend im Alltag be-
zeichnet und gaben den Teilnehmern das Gefühl durch die Nutzung praktisch persönliche
sowie durch die Verwendung inhaltliche Kompetenz zu steigern, wie die Aussagen
„Kompetenzsteigerung“, „Unterstützung im Arbeitsalltag“,
„AR liefert wichtige Infos die die Arbeit erleichtern“
verdeutlichen. Diese (Ergebnis-) Erwartungen haben im Kontext der Selbstwirksamkeit eine
hohe Relevanz. Rudolph (2009 S. 22) fasst die Theorie der Selbstwirksamkeit nach Bandura
(1998) zusammen als „die Erwartung einer Person, jene Handlungen erfolgreich durchzufüh-
ren, die zum Erreichen eines Ziels notwendig sind“. Teamleiter erwarten besonders stei-
gende Effizienz, „also schnelleres Arbeiten“ (TN.TL01). Die Arbeiter erwarten durch den
Einsatz neuer Technologie Unterstützung innerhalb ihrer Arbeitswelt und begrüßen neue
Ansätze die entlastende Arbeitstechniken mit sich führen. Sie freuten sich „endlich neue
Technik“ (Abbildung 40) benutzen zu dürfen. Nicht weniger da gerade durch Wearables die
Fähigkeiten des Menschen technisch erweitert wird.
„Ich fühl´ mich mächtiger“ (bzgl. MYO),
„(…) meine Hände noch mehr zu nutzen, denn die sind Robust“
Diese Äußerungen bestätigen Popitz (1995) Meinungsbild, in Abschn. 2.2 erläutert, dass die
Hand essenzielles Werkzeug ist. Bestimmte Merkmale können Motive aktivieren, in diesem
Kontext ein Macht- und Leistungsmotiv. Die Kraft der eigenen Hände gewinnt an Bedeutung
und der Glaube in die eigene Person wiegt stärker als situativ neue Technik zu nutzen:
„Bei einem Tablet ist es so, ich will eine Hand freihaben und dann ist es so, dass die Mög-
lichkeit besteht `ich weiß doch eh alles´, dann nehm ich es nicht mit.“ (TN.GF01)
Geprägt durch private Techniknutzung wie etwa Navigationssystemen (Consumer Electro-
nics), die den kürzesten Fahrweg berechnen, ist die Erwartung an neue Technik in der Be-
95 Analyse II: Fokusgruppe mit Exponats- & Produkttests
rufswelt hoch bzw. stellt eine Art des Intuitivitätsverständnisses an Geräte dar, wie die Aus-
sagen bzgl. zum Demonstrator zur Gestensteuerung darlegen:
„macht kein Spaß, weil der Roboter zu langsam reagiert.“
„Der kürzeste Weg meiner Handbewegung wurde nicht berechnet.“
„Ausschweifende Handbewegungen wurden nicht korrigiert.“
„Zu genau, lässt kein Spielraum.“, „Unnatürlich.“ (NOD)
Es wird erwartet, dass menschliches (Fehl-)Verhalten automatisch korrigiert bzw. der effek-
tivste Prozessweg übernommen wird, denn das wäre natürlich, intuitiv. Die technische Re-
volution für den industriellen Sektor wird nicht gesehen, da die Erwartungen nicht erfüllt
wurden. Entspricht neue Technik nicht der Erwartung, gründen Problemsituationen aus ihr
heraus. Komplizierend hinzu kam die fehlende Taktilität im Umgang mit Gestensteuerung:
„Ich wusste nie wann ich fest genug zugepackt hab, in der Realität hätte ich was zerstört.“,
„Das schreit nach selbstverursachenden Fehlern.“ (Leap Motion Control)
Im Hinblick auf Fehlerbehebungen wurde wachsam mittels AR genannt, wie etwa das An-
geben von benötigten Teilen und Werkzeugen für einen bevorstehenden Arbeitsprozess
(vgl. TN.B02).
TECHNISCHE PROBLEME DES GESTENSTEUERUNGS-DEMONSTRATORS
Die Teilnehmer deckten schnell auf, dass die Infrarot-LED der Leap Motion Control inner-
halb des Glasgehäuses Reflexionen verursacht, die zu Störrungen in der non-physischen
Interaktion führen.
6.4.2 Erlebnis 1 im Arbeitsalltag: Probleme lösen
Im Folgenden wird die Thematik ´Probleme lösen` im Arbeitsalltag aus der emotionalen
Sicht der Maschinenbediener, Gruppenführer und Teamleiter als erstes Erlebnis zusam-
mengefasst und mit Zitaten in der Wirkung unterstrichen.
Überwiegend arbeiten die Arbeiter in der Fertigung alleine, bspw. Gruppenführer
geben 80% und Maschinenbediener 95% Allein-Tätigkeit an. Lediglich bei schwerwiegenden
Problemlösungen und zu Schulungszwecken kommt kooperatives Arbeiten zu Stande.
Einleitend in diesen Abschnitt dient ein Gesprächsverlauf aus der Fokusgruppe, welches
essentielle Informationen liefert und Thematiken offenlegt, welche anknüpfend zusammen-
fassend interpretiert werden:
96 Analyse II: Fokusgruppe mit Exponats- & Produkttests
Gruppenführer: „Ich brauch‘ Erfolgserlebnisse.“ (TN.GF01)
Maschinenbediener: „Kreativität ist wichtig, das ist die Herausforderung.“ (TN.MB02)
Teamleiter: „Und dann bin ich stolz auf Euch!“ (TN.TL03, beugt sich vor und
schaut jedem aus seinem Team in die Augen, Gruppe lacht, Team
verschränkt stolz die Arme vor der Brust)
Maschinenbediener: „Und mir macht´s Spaß!“ (TN.MB02)
Moderator: Eigenständig einen Lösungsweg erarbeiten ist für sie also ein positi-
ves Erlebnis? Wohlbefinden?
Maschinenbediener: „Eindeutig ja, das fordert mich ja auch!“ (TN.MB02, hebt beide
Arme euphorisch nach oben an den Kopf)
Moderator: „Eine Herausforderung?“
Maschinenbediener: „Definitiv und das ist toll! Das macht die Arbeit spannend!“ (TN.B02,
strahlt Freude aus)
Gruppenführer: „Die Jungs entwickeln sich stets weiter.“ (TN.GF01, Stolz)
Teamleiter: „Ihr erzählt dann auch immer davon.“ (TN.TL03)
Maschinenbediener: „[…] es werden dann auch Fotos verschickt.“ (TN.MB02)
Moderator: „Über das private Smartphone?“
Maschinenbediener: „Ja, das darf man natürlich nicht, aber jetzt sind wir ja unter uns
(Gruppe lacht). Wenn ich vor einem Problem steh‘ und keine Lösung
finde, dann fotografiere ich den Zustand oder die Fehlermeldung
und verschick´s dann an andere und frag nach Rat. Früher bin ich
mit meinem Problem herumgelaufen, jetzt verschick ich´s. Das
mach‘ ja nicht nur ich, das machen wir alle, weil es einfach schneller
geht (verhaltene Blicke anderer Maschinenbediener und Gruppen-
führer, schweigende Zustimmung). Wenn ich dann die Lösung ge-
funden hab, verschick ich´s erst recht!“ (TN.MB02, Selbstbewusst,
Arme verschränkt, lässt die schweigende Pause in der Runde wir-
ken, Lächelt)
Gruppenführer: „Warum nicht Technik nutzen, wenn es die gibt?“ (TN. GF01, Zu-
stimmung Gruppe)
Maschinenbediener: „Die Chinesen nutzen doch auch jede Technik für Fortschritt. Die
sind uns doch weit voraus. Die Arbeiten seit Jahren mir QR-Codes.
QR-Codes gibt’s doch auch schon seit Jahren, man kennt das von
97 Analyse II: Fokusgruppe mit Exponats- & Produkttests
den Smartphones, das benutz ich, warum wird das denn erst jetzt
bei HighTec GmbH49 offiziell eingesetzt?“ (TN.B02)
Teamleiter: „Deswegen meinte ich auch vorhin, dass man schauen muss, wer es
vorantreibt. HighTec GmbH50 hängt leider noch hinterher.“ (TN.T02)
Dieses Gespräch macht Emotionen, Haltung und Probleme der Arbeiter aus der Fertigung
fühlbar. Die Wichtigkeit von Erfolgserlebnissen im Arbeitsalltag durch Kreativität und Eigen-
initiative wird deutlich. Maschinenbediener und Gruppenführer wollen mit eigenem Ge-
schick Problemsituationen an den Fertigungsanlagen beseitigen, sich persönlich der Heraus-
forderung annehmen und sich weiterentwickeln, folglich geistig aktiv sein. Diese Kompo-
nenten stellen Anreize dar und sind somit von zentraler Bedeutung, da Anreiz die Arbeiter
in ihrer täglichen Arbeitswelt stimuliert. Dieses Ergebnis deckt sich sowohl mit dem Konzept
des Anreizes der Motivationspsychologie (Rudolph, 2009) als auch mit Nerdingers (2014)
Ansatz, dass herausfordernde Ziele zu steigenden Leistungen im Vergleich zu mittleren oder
leicht zu erreichenden Zielen führen. Laut Rudolph (2009 S. 21) beruht Motivation „[…] auf
dem, was wir wollen oder wünschen“. Der Ausdruck der Kreativität zeigt, dass allein die
Aufgabe, in Abhängigkeit vom Schwierigkeitsgrad, einen Anreiz erzeugt, d. h. je schwieriger
die Aufgabe (subjektiv) desto höher der Anreiz (ebd.).
Diese beschriebenen Erlebnisse gestalten den Arbeitsalltag spannend, bringen Ab-
wechslung und wirken mithin gegen monotones Arbeiten. Dafür erhalten Sie Anerkennung
aus der Ebene der Teamleiter. Diese Anerkennung wird konkret als Leistungsmotivation
gesucht, indem bspw. Erfolgserlebnisse (unmittelbar) unter den Kollegen kommuniziert
werden. Diese Kommunikation findet sowohl face-to-face bei same time/ same place als
auch bei same time/ different place via privatem Smartphone statt. Zur Mitteilung von
Problemen, mit dem Ersuch um Rat, werden verbotener Weise Fotoaufnahmen via Smart-
phone verwendet, um diese innerhalb der Kollegenschaft zu versenden. Diese technologi-
sche Entwicklung ersetzt das persönliche Herumlaufen innerhalb der Fertigungshallen, auf
der Suche nach Hilfe für bestehendes Problem und spart somit Zeit. Dieser sehr persönliche
Einblick in den Arbeitsalltag löste innerhalb der Fokusgruppe Scham aus, da der Lösungs-
weg via Fotoaufnahmen unter der Hand geschieht und nicht an die Öffentlichkeit getragen
werden darf. Ungeachtet dessen wird diese Variante auch zum Präsentieren von erfolgreich
behobenen Schadensfällen unter den Arbeitskollegen verwendet und ist somit fester Be-
49 Anonymisiert für vorliegende Thesis. 50 Anonymisiert für vorliegende Thesis.
98 Analyse II: Fokusgruppe mit Exponats- & Produkttests
standteil des Arbeitsalltags. Die Frage ist „Warum nicht Technik nutzen, wenn es die gibt?“
(TN.GF01). Die Teilnehmer machen deutlich, dass Sie die Integration neuer Technik in ihrem
Arbeitsalltag erwarten, besonders Dinge die bereits im privaten Leben angekommen sind,
wie etwa die Nutzung von Smartphones und QR-Codes.
Jeder dieser aufgezählten Aspekte fördert unter den Arbeitern das Selbstwertge-
fühl, Freude, Spaß, Stolz - folglich allgemeines Wohlbefinden im Arbeitsleben und Motivati-
on. Brandstätter und Otto (2009 S. 13) fassen zusammen, dass „ohne Motivation keine
Emotion und ohne Emotion keine Motivation“ entsteht. Affektive Zustände bilden die we-
sentliche Grundlage für motiviertes und zielgerichtetes Handeln (ebd.), mithin wird das
Interesse an der Arbeit gefördert.
Diese Dimensionen werden im Folgenden nun aus den einzelnen Sichten drei teilnehmen-
den Arbeitergruppen aus der Fertigung im Detail erörtert.
HERVORGERUFENE EMOTIONEN AUS SICHT DER MASCHINENBEDIENER
Forderung der eigenen Kreativität und lehrreiche Tätigkeiten schaffen positive Emotionen
wie etwa Freude, Spaß, Stolz und Glaube in die eigene Person. Diese Emotionen als Ge-
fühlsbewegungen wirken Motivierend. Eigenständig einen Lösungsweg erarbeiten schafft
Wohlbefinden und Interesse. Eigenständigkeit ist ein äußerst wichtiges Gefühl, respektive
im Arbeitsalltag mit Problemsituationen ohne die Hilfe anderer zurechtzukommen, wobei
die Zeit im Visier ist. Diese Arbeiterebene bevorzugt ergebnisbezogene Verarbeitungsziele,
es stimmt sie positiver im Vergleich zu prozessbezogenen Verarbeitungszielen. Ein Maschi-
nenbediener wird durch Problemsituationen stimuliert und fühlt sich kompetent, wie das
folgende Zitat authentisch offenbart:
„Eigenständigkeit ist wichtig. Ich find´s toll, wenn ich selber Lösungen für meine
Probleme finde, wenn ich dann ewig rumschrauben muss und schließlich vor
meinem Ergebnis stehe. Das ist schon toll (Stolz: Brust raus, verschränkt die Arme).
Kreativität ist wichtig, das ist die Herausforderung. […] Herausforderung […] ist toll.
Das macht die Arbeit spannend. […] Ich weiß dann, dass ich´s drauf hab. Sicher hol´
ich mir auch Hilfe von anderen, keine Frage, aber das dauert dann
länger.“ (TN.MB02)
In dieser Aussage ist ein gewisses Flow-Erleben bemerkbar, respektive das Aufgehen inner-
halb einer Handlung (Csikszentmihalyi, 1988). Rudolph (2009 S. 25) fasst diese Theorie mit
Untersuchungen neuerer Zeiten in drei Aspekten zusammen, welche allesamt auf die Grup-
99 Analyse II: Fokusgruppe mit Exponats- & Produkttests
pe der Maschinenbediener zutreffen: (a) Präferenzen für schwierige und herausfordernde
Aufgaben, (b) selbst gesteuertes Lernen aufgrund von Neugier oder Interesse, (c) das Stre-
ben nach Kompetenz und Meisterschaft. Weiterhin, „Personen, die auf diesen Dimensionen
hohe Werte aufweisen, bewältigen Misserfolge besser, zeigen bessere […] Leistungen, ver-
wenden effektivere Lernstrategien und erfahren mehr positive Emotionen“. Fehlerbehebung
durch frühzeitige Verschleißerkennung zeigt die unterstützende Interpretation hinsichtlich
Augmented Reality (vgl. TN.MB02, TN.TL01).
HERVORGERUFENE EMOTIONEN AUS SICHT DER GRUPPENFÜHRER
Eigene Lösungswege finden und diese Erfahrungswerte weitergeben ist wichtig. „Ich
brauch‘ Erfolgserlebnisse“ (TN.GF01) als Äußerung, sagt viel über die Motivation im Ar-
beitsalltag aus. Jedoch beobachten Gruppenführer Selbstüberschätzung bei den Maschi-
nenbedienern. Gewisse Kontrolle bzw. Bestätigung über abgearbeitete Protokolle kam un-
terschwellig rüber.
„Zu sagen, ‚das hab ich schon gemacht, ich weiß ja sowieso was da drinsteht‘ das ist die
Realität. Dann weiß ich ja schon was dabei entsteht. […] Wir haben bei uns an der Maschine
einen Takt von 14 Sekunden; da haben wir erst letzte Woche eine Prozessanalyse gemacht:
(…) da haben wir gesehen, dass wir eigentlich über 4 Stunden 22% Leistungsverluste hatten,
durch Störungen von keinen 3 Minuten, die der Mitarbeiter nicht aufgeschrieben hat. Kann
er auch gar nicht, weil er die Kleinen gar nicht merkt.“ (TN.GF01)
Fehlende Transparenz von Prozessen wird als Auslöser für das Nichteinhalten von Stückzah-
len bezeichnet (vgl. TN.GF01). Maschinenbediener bestätigen, dass Sie Störungen von
bspw. einer halben Sekunde je Taktzeit nicht bemerkten, da die technische Rückmeldung
fehlt. Für solche Problembehebungen müssten auch die kleinen Störungen sichtbar sein
(vgl. ebd.).
HERVORGERUFENE EMOTIONEN AUS SICHT DER TEAMLEITER
Es herrscht Misstrauen, ob nach vorgegebenen Abläufen gearbeitet wird. Effizienteres Ar-
beiten soll sichergestellt werden durch Kontrolle der Bediener, um Taktzeiten einzuhalten,
Produktverluste zu minimieren und Abläufe nach Listvorgaben zu garantieren.
„(…) vorgegebene Abläufe die man machen sollte. Aber je nachdem welcher Mitarbeiter von
wem eingelernt wurde, arbeitet er nochmals anders. Daher gibt’s dann
unterschiedliche Ergebnisse, unterschiedliche Zeiten wie lange es dauert. […] Wenn man
wirklich sehen könnte, wo der Mitarbeiter hingreift, wenn wir wirklich gucken könnten, hat
100 Analyse II: Fokusgruppe mit Exponats- & Produkttests
der Mensch wirklich dorthin gegriffen wie er sollte, auch in dem und dem Drehmoment,
wenn wir die Informationen kriegen könnten, dann könnten wir auch verstehen
`hat der alles richtig gemacht?´“ (TN.TL01)
Teamleiter benötigen allerdings Sicherheit in die Tätigkeiten der Maschinenbediener, um u.
a. Checklisten mit guten Gewissen gegenzeichnen zu können.
„Seit Monaten haben wir das Problem, dass der Mitarbeiter wirklich wenig oder sich gar
nicht dran halten kann oder der Mitarbeiter hält es nicht ein aus Bequemlichkeit. Das kann
beides sein, nur, es kann sich nicht jeden Tag jemand damit beschäftigen wie der Mitarbei-
ter tätig ist. Das geht halt nicht.“ (TN.TL02)
Teamleiter fühlen sich überlastet Arbeitsprozesse strikt zu kontrollieren und kommen dem
i. d. R. Stichprobenartig im Wochenrhytmus nach.
6.4.3 Erlebnis 2 im Arbeitsalltag: Lehren und Lernen
Für ein besseres Verständnis der internen Abläufe hinsichtlich Lehren und Lernen nachfol-
gend ein kurzer Gesprächsauszug der Fokusgruppe, wie Arbeiter aktuell eingelernt werden.
Maschinenbediener: „Durch Einarbeitungspläne, […] Erfahrungswerte anderer die schon
länger dabei sind.“ (TN.MB02, Zustimmung der Gruppe)
Gruppenführer: „Wenn Sachen beschrieben sind, dann zeig ich es ihm an der Ma-
schine, weil er muss ja verstehen was beschrieben ist und wie man
das an der Maschine macht. […]Die Verbindung kann er nicht selber
herstellen. […] Ich zeig ihm, da und da müssen die Werkzeuge ange-
legt werden.“ (TN.GF01)
Teamleiter: „So entsteht´s, dass es jeder anders macht. (Zustimmung Gruppe)
Das ist auch gut so.“ (TN.TL01)
Gruppenführer: „Das stimmt, normal steht drin, dass du den Schlüssel nehmen sollst,
aber ich mach´s von Hand und der nächste kommt: Kaputt.“
(TN.GF01)
Maschinenbediener: „Der eine hat gelernt wie es von Hand geht, der andere nicht.“
(TN.MB02)
Teamleiter: „Das ist auch ein Unterschied. Der eine macht´s wie es in der Anlei-
tung steht, der andere versucht seinen eigenen Weg.“ (TN.TL01)
Maschinenbediener: „In der Hoffnung der eigene Weg ist besser.“ (TN.MB02)
Gruppenführer: „Ist es auch fast meistens. Wie gesagt, Erfolg tut gut.“ (TN.GF01)
101 Analyse II: Fokusgruppe mit Exponats- & Produkttests
HERVORGERUFENE EMOTIONEN AUS SICHT DER MASCHINENBEDIENER
Eigene Erfahrungen, Fähigkeiten und Kompetenz weitergeben anstatt strikt nach Anleitun-
gen zu Lernen sowie Lehren ist das Bedürfnis der Maschinenbediener, d. h. Bevorzugung
von ergebnisbezogenen Verarbeitungszielen. Das Erleben und Präsentieren der eigenen
Kompetenz ist ein angeborenes Bedürfnis und stellt demzufolge nach Außen sowohl eine
intrinsische als auch extrinsische Motivation dar (Deci, et al., 2000). Bevorzugt wird Lernen
über Erfahrungswerte anderer Kollegen, die jedoch zu eigenen Lösungswegen motivieren
sollen – „In der Hoffnung der eigene Weg ist besser“ (TN.MB02). Das zeigt, dass durchaus
ein Konkurrenzdenken unter Kollegen vorhanden ist bzw. das Bedürfnis andere zu übertref-
fen. Ob diese Denke am Arbeitsplatz von gesunder oder ungesunder Art ist, ist subjektiv.
„(…) vor allem löst jeder Probleme anders, d. h. jeder hat seine Art Dinge anzugehen,
aber genau das will man auch weitergeben. Wenn man das jetzt aufnehmen könnte oder
auch nur durch Bild festhalten könnte, dann könnte sich sowas ein Azubi anschauen
und lernen. […] Mit Hilfe von Augmented Reality vom anderen Lernen, das ist gut. Fände ich
toll, wenn ich mit dem Körper halb in der Maschine stecke kommt Licht ins Dunkle anstatt
Papier mit Anleitungen.“ (TN.MB02)
Führt man diese erlangte Erkenntnisse aus den Meinungsäußerungen zusammen mit denen
in Puncto `Probleme lösen im Arbeitsalltag´ (Abschn. 6.4.2) wird deutlich, dass die Kompe-
tenz der Führungskräfte bzw. lehrender Arbeiter andere Kollegen für ein Vorhaben zu über-
zeugen, durch etwa positiv gezeigte Emotionen wie Freude, Begeisterung und Interesse, als
Vorbild motiviert eigenständig bzw. individuell, unabhängig von Handbüchern, zu Handeln
und sich persönliche Ziele im Arbeitsumfeld zu setzen (Zapf, et al., 2009). Solche positiv
erzeugten Emotionen in Organisationen und initiierte Gruppenerlebnisse können die Bin-
dung an die Organisation verstärken (ebd.). Als Beispiel ist hierzu die Wissensvermittlung
eigener Herangehensweisen mittels aufgezeichnetem Bild-oder Filmmaterial genannt wor-
den. Auf diese Art könnte eine Sammlung eigener Ergebnisse, mit globalem Zugriff, erstellt
werden. Dieses Ansammeln könnte das Gefühl auslösen Bedeutungsvolles zu sammeln,
ähnlich einer Referenzliste. Arbeiter zeigen was sie können und im gleichen Zug verbinden
Sie sich untereinander.
HERVORGERUFENE EMOTIONEN AUS SICHT DER GRUPPENFÜHRER
Vermittlung eigener Erfahrungswerte ist wichtig, jedoch kein Aufzeigen kompletter Lö-
sungswege mittels AR oder bindende Handlungsschemata. Nächste Schritte können mitge-
102 Analyse II: Fokusgruppe mit Exponats- & Produkttests
teilt werden, jedoch soll ein Lerner Engagement zeigen und auf Basis von Tüfteln eigene
Entscheidungen hinsichtlich Umsetzung treffen, wie in diesem Fall zu lesen:
„Ich sehe AR für Schulungszwecke, hier könnte es im Alltag wirklich unterstützen. […] Ein
Einlernen neuer Mitarbeiter zum Beispiel“ mittels Augmented Reality. „Und eine genaue
Reihenfolge würde vorliegen.“ (TN.GF01)
Offenkundig wird, dass AR zusätzlich zur menschlichen Komponente als Lehrkörper als un-
terstützende Werkzeugmethode charakterisiert wird.
„Ich zeig ihm, da und da müssen die Werkzeuge angelegt werden und so und so muss es
gemacht werden. Ob er jetzt die linke oder rechte Hand nimmt, muss er für sich selber raus-
finden - dass er für sich entscheidet, so und so finde ich es besser. An dem Ding die
Gabelschlüssel, an dem, den Schlüssel - dass das Ziel erklärt wird, aber wie er dort
hinkommt muss er mehr oder weniger selber herausfinden. So hab ich es bisher gemacht,
meine Erfahrung. […] Ich hab einfach versucht Dinge von Hand zu erledigen und es klappt.
Man muss es können, lernen.“ (TN.G01)
Entscheidend ist Arbeitsengagement zu bewirken und das Erleben eigener situierter Erfah-
rungen. Die Vermittlung dieser Komponenten gibt Gruppenführern das Gefühl sich pflicht-
bewusst zu verhalten. Sowohl Gruppenführer als Sender von Informationen als auch Emp-
fänger der Informationen zur Umsetzung, werden durch positive Rückmeldung im Glauben
an die eigene Selbstwirksamkeit bekräftigt (Bandura, 1994). Durch die zu Beginn der Thesis
hingewiesenen Veränderungen innerhalb von Organisationen (vgl. Abschn. 1.2) sind Orga-
nisationen auf ein proaktives Verhalten ihrer Mitarbeiter und Engagement aus eigenem
Antrieb angewiesen, zumal dieses emotionale Erleben positiv auf den Arbeitsalltag der Ar-
beiter wirkt und die innerbetriebliche Bindungen emotional bestärkt (Zapf, et al., 2009).
HERVORGERUFENE EMOTIONEN AUS SICHT DER TEAMLEITER
Wissensvermittlung mittels AR wird wertgeschätzt. Das Aufzeigen kompletter Lösungswege
für schnelleres Arbeiten steht hier im Fokus, ebenso das minimieren von Papierdaten im
Alltag. Zu berücksichtigen ist die subjektive Wahrnehmung von Aufgabenschwierigkeiten
sowie wechselnde Kontexte.
„Nicht nur Azubis, jeder könnte davon profitieren, Teaching allgemein. Oder wenn einer vor
einem Problem steht, das es dann mögliche Lösungen anderer anzeigt. Das wäre doch AR
oder nicht?“ (TN.TL03, Grinst, sehr Stolz über diese Feststellung),
Augmented Reality „würde die Bedienungsanleitung ersetzen und die Hände wären frei.
103 Analyse II: Fokusgruppe mit Exponats- & Produkttests
Kein Suchen mehr nach Anleitungen. Aber der eine brauch was, was der andere nicht
brauch, sowas muss berücksichtigt werden.“ (TN.TL01)
Das nachfolgende Zitat zeigt, dass durchgeführt Handlungsschemata nach eigenem Ermes-
sen hinsichtlich Effizienz nicht mit dem Niveau bzw. Qualität von offiziellen Anleitungen
gleichgesetzt wird:
„[…] vorgegebene Abläufe die man machen sollte. Aber je nachdem welcher Mitarbeiter
von wem eingelernt wurde, arbeitet er nochmals anders. Daher gibt’s dann unterschiedli-
che Ergebnisse, unterschiedliche Zeiten wie lange es dauert. […] da sehe ich Augmented
Reality für mich. Genial wäre beim Rüsten, also die einzeln angezeigten Schritte nacheinan-
der, da passieren auch oft Fehler.“ (TN.TL01, Zustimmung in der Gruppe bzgl. AR)
6.4.4 Erlebnis 3 im Arbeitsalltag: Dateneinsicht - Datenübersicht
Die Gruppe erzählt von bereitgestellten Informationen in Papierform, welche, mit Ausnah-
me von Betriebsanleitungen, an einem zentralen Platz in den Fertigungshallen aufgehängt
vorliegen und wiegt konkret einen möglichen AR-Einsatz in diesem Kontext ab:
a) Sach-/ Bildhinweise
b) Richtlinien
c) Betriebsanweisungen /-leitungen
d) Wiederfreigaben (zum Schichtbeginn: Rüsten, Umrüsten der Maschine,
Werkzeugwechsel usw. sowie allg. vorgegebene Abläufe die ein Maschinenbedie-
ner machen muss)
e) Prozessdaten zur Überprüfung (in grün/gelb-Ansicht)
f) Aktuelle Bestandsdaten
g) Kontroll- und Wasserpläne
h) Prüfanleitungen
i) Prozessdatenüberprüfungen
Die Betriebsanweisungen /-leitungen sind je Gerät einmal vorhanden. Ist dieses Exemplar
vergriffen, müssen Arbeiter eine unbestimmte Zeitspanne abwarten bis es wieder verfüg-
bar ist, demzufolge „ein schwieriges Thema“ (TN.TL01). In dieser Zeit stehen oftmals Pro-
zesse still. Für einen reibungslosen Ablauf durch stetigen (Daten-) Zugriff könnten sich die
Arbeiter in Punkten a) bis i) AR unterstützend vorstellen, d. h. durch bspw. Visualisierungen
von Maschinen, Bestand, Material-, Ersatzteil- und Bestellnummern usw.. Diese Bereitstel-
lung „muss bei Industrie 4.0 […] möglich sein“ (TN.TL02). Weiterer AR-Vorteil wäre die
Schritt-für-Schritt Anzeige, bspw. beim Rüsten der Maschinenanlagen oder „die Reihenfolge
104 Analyse II: Fokusgruppe mit Exponats- & Produkttests
wo was zu prüfen ist“ (TN.TL01), um menschlich bedingte Fehler zu vermeiden (vgl. ebd.)
bzw. gegen die Ungewissheit wirken, ob ausgehängte Datenzettel auf dem aktuellen Stand
sind (vgl. TN.MB03). Bei den Punkten g) bis i) stellen sich die Probleme analog zu f) dar, d. h.
fehlende Aktualität der Papierdaten durch das Team wird stark bemängelt. Besonders bei i),
„der Prozessdatenüberprüfung fehlt […] die Kontrolle, die Aktualität“ (TN.TL01). Primär
Teamleiter möchten „direkt Informationen sehen. Welches Ventil, welche Pumpe oder was
auch immer vorhanden ist […] und ob das zum Außenstand passt. Dann sieht man in die
Palette rein“ (TN.TL02). Komplizierend hinzu kommt das handschriftliche Führen von eige-
nen Fehlerlisten:
„(…) wenn man Fehler hat an der Maschine, dann gibt’s verschiedene Möglichkeiten.
Man versucht dann immer eine Liste zu machen mit den abgearbeiteten Punkten in der Ver-
gangenheit, mit Priorisierung, was erreicht was.“ (TN.TL01)
AR-Visualisierungen könnten Greifarmnummern innerhalb der Maschinenanlagen offenba-
ren und (Umrüstungs-) Fehler seitens der Maschinenbediener vermeiden (vgl. TN.MB02).
Durch das Abscannen von Maschinenanlagen mittels QR-Codes, könnten notwendige Daten
zum Arbeiten in Echtzeit abrufbar gemacht werden (vgl. TN.MB03), „über eine Datenbrille
zum Beispiel“ (TN.TL01). Die derzeit handschriftlich geführten Fehlerlisten könnten digitali-
siert werden, sodass diese mittels AR für jemanden mit gleichem Problem sichtbar wird
(TN.MB03): „weil die bereitgestellt sind“ mittels AR und „direkt vom Laufwerk abgerufen
werden“. In Puncto digitaler Quittierbutton ziehen Teamleiter aus Sicherheitsgründen klar
die Grenze zum technisch machbaren, da gewisse Prozessdaten der Maschinenbediener
eine Unterschrift der Teamleiter erfordern, andernfalls „kann dir dann keiner bestätigen,
dass einer geprüft hat. […] Wir als Teamleiter müssen solche Sachen ja auch dokumentie-
ren“ (TN.TL01). Am Beispiel von händischen Abhaken vorgeschriebener Rüstchecklisten
durch Maschinenbediener äußert der teilnehmende Gruppenführer sein Misstrauen wie
folgt:
„Warum hakt da keiner ab? Oder was macht ihr heute? Er geht die ganzen Schritte durch,
[…] und macht einen Haken […] bei der ganzen Liste. Ob er das jetzt wirklich eingehalten
hat, unterstellst du dem halt“ (TN.GF01).
Eine Digitalisierung der Daten könnte für allg. Auswertungen mit eMail-Funktion dienen
(vgl. TN.TL01).
105 Analyse II: Fokusgruppe mit Exponats- & Produkttests
6.5 Top-Findings: Situation – Emotion – Bedürfnis
Der sinnvolle Einsatz neuer Technik muss zwischen dem technisch Machbaren und dem
sozial Erwünschten eine Brücke schlagen. Hierbei spielen Emotionen als Erlebniskomponen-
te in der Fertigungsindustrie eine wichtige Rolle.
Nachfolgend werden die aus geclusterten Top-Findings als Ergebnis der Produkttests aufge-
listet sowie die Erlebnisse der Fokusgruppen-Teilnehmer, als potentielle Nutzer. Diese bil-
den (Produkt-) Ergebnisse für Entwickler.
VORWISSEN/ ERWARTUNG
1. ERWARTUNG DURCH CONSUMER ELECTRONICS
Situation Der Mensch ist von Consumer Electronics verwöhnt. Als
Folge tritt der Mensch als Nutzer im industriellen Umfeld
automatisch mit einer bestimmten Erwartung und Vorwis-
sen, hinsichtlich Technikeinsatzes im Nutzungskontext, in
seine Arbeitswelt ein. Entscheidungen werden mittels Intui-
tion als Beurteilungsfunktion getroffen.
Hervorgerufene Emotion Antizipation, Verdruss, Verwunderung.
Bedürfnis Sicherheit (Kontrolle, Konsistenz, Routine).
2. AUGMENTED REALITY
Situation Alle Akteure kennen die Begrifflichkeit AR durch Spiele
und Medien, hierbei wird AR teilweise als ein Synonym für
Datenbrille verwendet. Keiner der Teilnehmer war in der
Lage Augmented Reality zu erklären.
Hervorgerufene Emotion Interesse (Lernbereitschaft), Achtsamkeit, Freude.
Bedürfnis Sicherheit, Wertschätzung (Nutzung neuer Technologien
als Fortschritt).
3. AR VIA CONSUMER-TABLET VS. INTERAKTIONSKONZEPT CONSMER TOUCH-DEVICE
Situation (Vor-)Wissen, Gewohnheiten und Erfahrungswerte aus
dem Bereich Consumer Touch-Device werden übertragen
auf die Arbeitswelt (Erwartung). Bspw. erwarteten Akteu-
re, dass „bei der ganzen Technik“ (TN.B02) jedes angezeig-
te Informationsfeld antippbar ist, um Zusatzinformationen
106 Analyse II: Fokusgruppe mit Exponats- & Produkttests
abzurufen sowie Fullscreen, Zoom-in/ Zoom-out und an-
wenderspezifisches Design.
Hervorgerufene Emotion Verdruss, Überraschung, Interesse (Ritualisierung).
Bedürfnis Sicherheit (Kontrolle, Konsistenz).
NUTZUNGSKONTEXT: HARDWARE, SOFTWARE
1. TRANSPARENZ
(Alltags-) Situation Fehlende Transparenz von Hard- und Software führen zu
Leistungsverlusten gemäß vorgeschriebener Stückzahlen.
Hervorgerufene Emotion Kummer, Angst.
Bedürfnis Sicherheit (Kontrolle).
2. AR-DEMONSTRATOR
(Alltags-) Situation Akteure müssen motiviert werden das Exponat durch ein
einfaches in die Händenehmen eines Standard Consumer-
Tablets zu testen.
Hervorgerufene Emotion Verstörtheit mit Ehrfurcht, Besorgnis.
Bedürfnis Sicherheit.
3. GESTENSTEURUNGS-DEMONSTRATOR UND -GADGETS
(Alltags-) Situation Akteure erproben angstfrei, da die eigene Hand das Einga-
begerät darstellt.
Hervorgerufene Emotion Gelassenheit, Vertrauen.
Bedürfnis Sicherheit.
BEDEUTUNG DES EIGENEN TUNS
1. LEISTUNGSMOTIVATION
(Alltags-) Situation Ein stabiler Kreativitätsrahmen besteht: Arbeiter entwi-
ckeln eigenständig kreative Problemlösungen und kom-
munizieren ihr Wissen in Form von Lehren oder Prahlen.
Hervorgerufene Emotion Interesse, Freude, Euphorie.
Bedürfnis Soziale Bedürfnisse, Wertschätzung, Selbstverwirklichung.
107 Analyse II: Fokusgruppe mit Exponats- & Produkttests
2. ERFOLGSERLEBNIS VS. EFFIZIENZ
(Alltags-) Situation Maschinenbediener (MB) brauchen Erfolgserlebnisse als
Stimulation und Herausforderung im Arbeitsalltag, auch
wenn dies eine zeitintensive Problemlösung mit sich führt.
Dies schafft eine Identifikation mit der Aufgabe bzw. mit
dem Arbeitsprodukt/ Werkzeug. Teamleiter (TL) bevorzu-
gen Effizienz durch mehr Technikeinsatz, um den Kreativi-
tätsrahmen einzugrenzen.
Hervorgerufene Emotion MB: {Interesse} vs. TL: {Interesse}
Bedürfnis MB: {Wertschätzung} vs. TL: {Sicherheit}
3. DIE ROLLE DER EIGENEN PERSON
(Alltags-) Situation Selbstständiges Arbeiten durch kreative, eigenständige
Problemlösungsfindung und der Einsatz der eigenen Hände
als robustes Werkzeug schafft ein Machtgefühl, Selbstver-
trauen, bringt Spaß und führt zur Einschätzung der Kompe-
tenzsteigerung.
Hervorgerufene Emotion Interesse, Gelassenheit, Freude, Vertrauen.
Bedürfnis Sicherheit, Wertschätzung, Selbstverwirklichung.
4. LEHREN VS. ANLEITUNG
(Alltags-) Situation Erfahrene Gruppenführer (GF) und Maschinenbediener
(MB) geben Ihr Wissen bzw. eigene Lösungswege gerne
weiter und motivieren eigenständig, individuell und unab-
hängig von Handbüchern zu Handeln. Arbeiter eigenen sich
eine Handschrift an die den Anleitungen wiedersprechen.
Diese Tatsache Missfällt den Teamleitern (TL).
Hervorgerufene Emotion GF/ MB: {Interesse, Freude, Akzeptanz} vs. TL: {Verwunde-
rung, Schwermütigkeit}.
Bedürfnis GF/ MB: {Wertschätzung, Selbstverwirklichung} vs. TL: {Si-
cherheit}.
108 Analyse II: Fokusgruppe mit Exponats- & Produkttests
2. KOOPERATIVES ARBEITEN
(Alltags-) Situation Arbeiter in der Fertigungsindustrie arbeiten zu 80 - 95%
alleine an Maschinenanlagen. Aktiver Kontakt zu Kollegen
und Abteilungen findet ausschließlich im Fehlerfall, Ausbil-
dung/ Schulung oder Warenbestellung statt.
Hervorgerufene Emotion Langeweile, Verdruss, Interesse.
Bedürfnis Soziale Bedürfnisse (Interaktion im Alltag durch Erleb-
nisaustausch), Wertschätzung, Selbstverwirklichung (Au-
tonomie, Entlastung durch vernetzte Systeme, Unterstüt-
zung in puncto Informationsaustausch).
NEUE TECHNOLOGIEN
1. NEUE TECHNOLOGIEN FÜR KONKURRENZFÄHIGKEIT
(Alltags-) Situation Arbeiter verfolgen den Wettbewerb und bemerken fort-
schrittlicheren Technologieeinsatz im Vergleich zum eige-
nen Arbeitsumfeld.
Hervorgerufene Emotion Interesse, Erwartung, Besorgnis.
Bedürfnis Sicherheit.
2. EINSETZBARKEIT AUGMENTED REALITY (1/7)
(Alltags-) Situation Einer Informationsvermittlung durch AR wird die Reduzie-
rung von Fehlerquoten zugesagt, mit der Folge von Reduzie-
rung der Leistungskritik durch Dritte.
Hervorgerufene Emotion Interesse, Erwartung, Freude.
Bedürfnis Sicherheit, Wertschätzung, Selbstverwirklichung.
3. EINSETZBARKEIT AUGMENTED REALITY (2/7)
(Alltags-) Situation Erleichterung für den industriellen Sektor der Fertigung
mittels AR ist offensichtlich: durch aktive Unterstützung der
Arbeiter im Arbeitsalltag (Dokumentation, Schulung). Zu
berücksichtigen ist die subjektive Wahrnehmung von Auf-
gabenschwierigkeiten sowie wechselnde Kontexte.
Hervorgerufene Emotion Interesse, Erwartung, Freude.
109 Analyse II: Fokusgruppe mit Exponats- & Produkttests
Bedürfnis Sicherheit, Wertschätzung, Selbstverwirklichung.
4. EINSETZBARKEIT AUGMENTED REALITY (3/7)
(Alltags-) Situation Arbeiter weisen AR eine besondere Bedeutung zu: Arbeits-
formen erlangen eine neue Dimension produktiven Tuns
und führen zur Verbesserung des Arbeitscharakters (Arbei-
ter als eigenaktives Subjekt). Bspw. entfällt eine Abhängig-
keit in Schritten wie Informationsbeschaffung durch Dritte
oder räumlich abhängige Informationsbeschaffung.
Hervorgerufene Emotion Interesse, Erwartung, Freude.
Bedürfnis Sicherheit, Wertschätzung, Selbstverwirklichung.
5. EINSETZBARKEIT AUGMENTED REALITY (4/7)
Situation Einschätzung für Start über QR-Scannung je Gerät eher un-
effektiv.
Hervorgerufene Emotion Verdruss, Verstörtheit, Überraschung.
Bedürfnis Sicherheit.
6. EINSETZBARKEIT AUGMENTED REALITY (5/7)
(Alltags-) Situation Im Arbeitsalltag dominieren Papierdaten deren Aktualität
oft vernachlässigt wird. AR wird bei Visualisierungen von
Maschinen, Prozessdaten, Bestand, Material-, Ersatzteil-
und Bestellnummern, Fehlerlisten usw. gesehen, um Pa-
pierdokumentationen zu minimieren.
Hervorgerufene Emotion Interesse, Erwartung, Freude.
Bedürfnis Sicherheit, Selbstverwirklichung.
7. EINSETZBARKEIT GESTENSTEUERUNG (6/7)
Situation Getestete Gadgets sind den Nutzern i. D. entweder zu lang-
sam, zu genau oder zu wenig intelligent (z.B. Nichtberech-
nung des kürzesten Weges, keine Korrektur von Fehlbewe-
gungen).
Hervorgerufene Emotion Verdruss, Verstörtheit, Überraschung.
Bedürfnis Sicherheit, Wertschätzung, Selbstverwirklichung.
110 Analyse II: Fokusgruppe mit Exponats- & Produkttests
8. EINSETZBARKEIT GESTENSTEUERUNG (7/7)
Situation Die Kraft der eigenen Hände als essentielles, robustes
Werkzeug gewinnt an Bedeutung.
Hervorgerufene Emotion Interesse, Erwartung, Freude, Vertrauen.
Bedürfnis Sicherheit, Wertschätzung, Selbstverwirklichung.
9. TECHNIKEINSATZ
Situation Im Kontext der Fertigung wird robuste, kabellose Hardware
und hands-free-Gadgets als realistisch eingestuft.
Hervorgerufene Emotion Interesse.
Bedürfnis Physische Bedürfnisse, Sicherheit.
10. KOOPERATIVES ARBEITEN
Situation Die Arbeiter beurteilen neue Technologien anhand der Un-
terstützbarkeit kooperativen Arbeitens.
Hervorgerufene Emotion Interesse, Erwartung.
Bedürfnis Soziale Bedürfnisse, Wertschätzung.
11. (METHODEN-) WERKZEUGE
Situation Im Produkttest wurde das Gestenarmband MYO von den
Arbeitern als das geeignetstes Werkzeug eingestuft, da es
sowohl robust als auch ein free-hand Gadget ist.
Hervorgerufene Emotion Interesse, Erwartung, Freude.
Bedürfnis/ Wunsch Körperliches Wohlbefinden (Körperliche Entlastung: Trag-
bare Technologien sollen unscheinbar am Körper anliegen,
kabellos und robust sein).
111 Validierung: Persona-Workshop
7. Validierung: Persona-Workshop
Um die empirisch erhobenen Daten, im Rahmen der zwei durchgeführten Feldstudien und
einer Fokusgruppe, als allgemeingültig zu erklären und den qualitativen Forschungsprozess
abzuschließen, wurden gewonnene Ergebnisse im Rahmen eines Persona-Workshops mit
Experten aus dem Bereich Montageanlagen und Sondermaschinenbau validiert.
7.1 Methode, Ziel und Durchführung
Die erhoben Daten der Empirie sollen mittels Erfahrungswerten von Mitarbeitern (Unter-
nehmen A, Abbildung 21) mit direktem Kundenkontakt validiert werden, um allumfassende
Personas für die Arbeitergruppen
A) Fertigungsplaner
B) Servicemitarbeiter
C) Anlagenführer
D) Aktiver Maschinenbediener
E) Passiver Maschinenbediener
mit realen Informationen zu entwickeln. Diese sollen Entwicklern und Software-
Applikateuren, aus den Bereichen Forschung und Entwicklung der Industrietechnik, dabei
unterstützten die Zielgruppe besser zu Verstehen und Kennenzulernen. Somit entfällt ein
fiktives Bild des Alles-Könner- Nutzers und ein realistisches Bild potentieller Nutzer ent-
steht, stellvertretend für die Eigenschaften der Zielgruppe. Mittels dieser Personas können
noch in der Entwicklungsphase Design-und Implementierungs-Entscheidungen überdacht
werden. An dem sechsstündigen Persona-Workshop nahm, neben der Verfasserin dieser
Thesis, eine fünfköpfige Experten-Gruppe von Mitarbeitern aus den Produktbereichen
Montageanlagen und Sondermaschinenbau der der Robert Bosch GmbH51 teil, die im direk-
ten Kundenkontakt zu den oben genannten Arbeitergruppen aus der Fertigung im Kontext
der Industrietechnik stehen:
I. Servicetechniker, Kontakt zu Arbeitergruppe A – E
II. Vertriebler, Kontakt zu Arbeitergruppe A
III. Teamleiter der Entwicklung, Kontakt zu Arbeitergruppe A – E
IV. Gruppenleiter der Entwicklung, Kontakt zu Arbeitergruppe A
V. Software-Applikateur, Kontakt zu Arbeitergruppe A – E.
51 Standort Feuerbach in Stuttgart, Baden Württemberg
112 Validierung: Persona-Workshop
Diese Konstellation ermöglicht, aufbauend auf Erlebnissen und Erfahrungswerten, weitere
Sichtweisen über Arbeiter aus der Fertigung ergänzend einzuholen. Aufgrund dessen konn-
te bspw. mit realen Zitaten gearbeitet werden, an die sich die Experten im Zuge ihrer Zu-
sammenarbeit mit den Arbeitern aus der Fertigung erinnerten. Dies wirkte positiv auf die
Gruppenarbeit im Rahmen des Workshops und ließ die gemeinsam entwickelten Papier-
Personas authentischer wirken.
Anschließend wurden zur Fokussierung und Visualisierung von Attributen, zur Per-
sonenbeschreibung, die fünf erstellten Personas unter den fünf Experten aufgeteilt, sodass
jeder, entsprechend eigener Typ-Interpretation, passende Bilder aus Zeitschriften aus-
schneiden und ergänzend zur jeweiligen Persona auf Papier kleben konnte (Abbildung 41).
Dies sollte die entscheidenden Persönlichkeitsmerkmale der einzelnen Arbeiter aus der
Fertigung unterstreichen. Infolge dessen wurde bei der Präsentation der Persona-
Ergebnisse mit Bildmaterial wiederholt über bereits notierte Attribute innerhalb der Per-
sonas diskutiert und teilweise Modifizierungen zur Präzisierung durchgeführt.
7.2 Ergebnis: Fünf Personas
Um die Arbeitsweise gut erkennbar zu machen, erfolgt nachstehend die Ergebnispräsenta-
tion mittels Fotoaufnahmen der in Freihand auf Papier entstandenen fünf Personas als
Gruppenarbeit. Da diese aussagekräftig genug sind und für sich alleine sprechen, wird auf
nähere Erläuterungen verzichtet.
Die Ergebnisse des Persona-Workshops haben in der Summe aufgezeigt bzw. be-
wiesen, dass die Daten welche aus der Empirie (Kapitel 6) hervorgingen, hier bestätigt
worden sind.
Diese erstellten Personas wurden im Nachgang für eine bevorstehende Customer Journey
im kleineren Expertenkreis erneut validiert. Diese Vertiefung ist für den Ausgang dieser
Thesis jedoch nicht relevant und wird somit nicht näher behandelt.
113 Validierung: Persona-Workshop
Abbildung 41: Erstellte Persona eines Fertigungsplaners. Zur Fokussierung und Visualisie-
rung von Attributen zur Personenbeschreibung wurden aus Zeitschriften, entsprechend
eigener Typ-Interpretation, passende Bilder ausgeschnitten.
114 Validierung: Persona-Workshop
Abbildung 43: Persona eines Servicemitarbeiters, mit einem Zitat, aufbauen auf Erlebnissen
(im Kundenkontakt) der teilgenommenen Experten.
Abbildung 42: Persona einer Anlagenführerin, mit einem aus einer Gruppendiskussion
entwickeltem Zitat, orientiert an festgehalten Attributen.
115 Validierung: Persona-Workshop
Abbildung 44: Persona eines aktiven Maschinenbedieners, mit einem gewählten Zitat aus
der Empirie, da dies die Persönlichkeit gut wiederspiegelt (vgl. Feldstudie II, TN.GF01).
Abbildung 45: Entwickelte Persona eines passiven Maschinenbedieners. Das Zitat erfolgte
aus dem Gedankenprotokoll eines Experten und symbolisiert negativ-Emotionen.
116 Validierung: Persona-Workshop
117 Diskussion
8 Diskussion
Nachfolgend werden Ideen und Kritik der befragten Fertigungsarbeiter kritisch und die vorliegende
Ausarbeitung an sich selbstkritisch beurteilt. Eine Diskussion der Thematik liefert die Möglichkeit
sowohl das Vorgehen als auch die gewonnen Ergebnisse bzw. Erkenntnisse nochmals nachzufor-
schen.
Mit den Organisationsbestrebungen durch den Einsatz von Augmented Reality und Gestenerkennung
positive User Experience zu schaffen, sollte der Arbeiter bzw. der Produktnutzer im industriellen Um-
feld als Mensch im Mittelpunkt der Forschung stehen. Mensch und Technik zusammenzuführen, oh-
ne dem Menschen das Gefühl zu geben als arbeitende Kraft nicht mehr gebraucht zu werden, stellt
einen schmalen Grad dar. Entscheidend sind die psychologischen Erlebniszustände der Fertigungsar-
beiter durch herrschende Aufgabenmerkmale und deren Auswirkungen auf die Arbeit, entsprechend
Hackman et al. (1976), Abbildung 15. Die Bewertung hinsichtlich Angemessenheit und sozialer Akzep-
tanz der Technologien Augmented Reality und Gestensteuerung ist nicht Ergebnis dieser Master The-
sis, vielmehr eine Sensibilisierung für Vorantreiber und Entwickler dieser Technologien die Kernbe-
dürfnisse des Menschen übergeordnet zu betrachten. Emotion und Motivation sind entscheidend im
Nutzungskontext neuer Technologien. Rudolph (2009 S. 24) fasste zusammen: „Selbst wenn eine
Person sich gänzlich sicher ist, eine Aufgabe durchführen zu können, ist dies noch keine Gewähr dafür,
dass sie hierzu motiviert ist. Ein erster Faktor, der eine solche Motivation befördern sollte, ist die
Freude an der Tätigkeit selbst“. Im Zusammenhang mit der Einführung neuer Technologien sind im-
mer Ängste und Befürchtungen eine bewertende Größe, wie die Ergebnisse der Feldstudien hinsicht-
lich Existenzängste oder Verlust von Kollegialität und die Fokusgruppe hinsichtlich exakter Kontrolle
menschlicher Schritte durch Technikeinsatz aufzeigten. Diese in der Summe 24,5 eingebundenen
Fertigungsarbeiter verschaffen Einblick in die Alltagswelt und somit in die Erlebniswelt der Arbeiter,
jedoch ist dieser Einblick nicht repräsentativ genug, um über die Akzeptanz oder Machbarkeit beider
Technologien eine eindeutige Aussage zu treffen. Folglich sind die Top-Findings der Empirie als Moti-
vation für die Denke User-Centered-Design zu verstehen. Partizipative Entwicklung in interdisziplinä-
ren Teams ist ratsam, um praxisferne Konzepte ohne Gebrauchstauglichkeit zu verabschieden. Ein
erster Schritt stellt die Erstellung der fünf Personas unterschiedlicher Nutzergruppen dar, wie in Kapi-
tel 7 visualisiert, welche durchaus einen Wiedererkennungswert in einzelnen Teams der Robert
Bosch GmbH sicherstellte und gegenwärtig zu nachvollziehbaren Äußerungen wie etwa „ich habe nur
mit Holger´s zu tun“ (vgl. Abbildung 41) führt. Auf diesen Personas aufbauend ist derweil eine
Customer Journey im Rahmen eines bestehenden Produktes entstanden, mit dem Ziel der Steigerung
positiver User Experience durch Verstehen der Nutzer als Endkunden. D. h. durch diese empirische
Analyse wurden kontext-und situationsabhängige Aktionen der Nutzerwelt, entsprechend Hellige
118 Diskussion
(2014), fassbar. Die Schnittstelle zwischen Mensch und Computer ist folglich die Aufgabe, nicht nur
auf der Ebene des technischen Verständnisses, sondern wie der Mensch als Nutzer möglichst intuitiv
und natürlich mit der Hardware umgeht. In diesem Kontext ist die konsequente Realisierung von NUI
im industriellen Umfeld eine Schwierigkeit.
Die Darstellung der Empirie sind gänzlich Ergebnisse. Was bedeuten diese Ergebnisse Letzen Endes?
In einer Diskussion bieten diese Raum für Spekulationen, was ggf. auch an der Methodik dieser Aus-
arbeitung liegen könnte. Die an der empirischen Studie mitgewirkten Arbeiter könnten aus verschie-
denen Gründen nicht wahrheitsgemäß ausgesagt haben und deren Interpretation ist deutungsab-
hängig. Der Hawthrone-Effekt ist bekannt, folglich kann die Art der Befragung natürlich die Ergebnis-
se der Empirie in einer gewissen Art beeinflussen. Demgemäß wurde eine Reihe von Methoden im
Rahmen des praktischen Teils dieser Ausarbeitung kombiniert. Insbesondere das Experteninterview
und der Persona-Workshop dienten zur Validierung der verifizierten empirischen Ergebnisse. Dieser
cross-method-Ansatz bzw. multi-method-Ansatz wurde gewählt, um einem möglichen Hawthrone-
Effekt entgegenzuwirken bzw. um mit einem Hawthrone-Effekt umzugehen. Ob dieses letzten Endes
geglückt ist, d. h. die Ergebnisse ausnahmslos objektiv und unbeeinflusst sind, kann kritisch hiterfragt
werden, dass hiermit auch getan wird, allerdings spielen gewisse Einflusseffekte im Rahmen einer
empirischen Durchführung anhaltend eine Rolle. Diese Tatsache ist im Rahmen dieser Thesis be-
wusst, ändern bzw. auszuschließen sind diese jedoch nicht.
Die Ergebnisse wurden beginnend im Herbst 2015 bis Winter 2015/2016 erörtert, jedoch
können Tatsachen wie beispielsweise Alltagssituationen nun bereits abweichend gestaltet sein. Dabei
ist keine eindeutige Evidenz notwendig, da durch die Empirie Hinweise gefunden wurden, die hin-
sichtlich Einsatzes der Technologien Augmented Reality und Gestenerkennung in Richtungen deuten.
Dennoch ist eine Eindeutigkeit umstritten, da es gleichwohl auch in eine andere Richtung deuten
könnte. Nichtweniger da sich die Lern- und Arbeitsorganisation der Akteure dieser Ausarbeitung we-
sentlich von anderen Werken im industriellen Umfeld der Fertigung unterscheiden könnte. Zudem ist
mit dieser empirischen Analyse die Wirtschaftlichkeit von Augmented Reality und Gestensteuerung
als Methodenwerkzeug im industriellen Umfeld der Fertigung noch nicht geklärt.
Aus dem Input der wichtigsten Erkenntnisse, benannt als Top-Findings, der jeweiligen zwei
Analysen sind Handlungsansätze bzw. Maßnahmen für die Fertigungsindustrie abzuleiten. An dieser
Stelle ist besonders zu betonen, dass eine Potentialeinschätzung hinsichtlich Touch-Bedienung als
Komplettlösung für die Fertigungsindustrie nach den Erkenntnissen der empirischen Analyse erfolgen
sollte. Aktuell herrschende Probleme sind in den Griff zu bekommen, d.h. die Reduzierung von hard-
keys bzw. eine angemessene Ansprache des menschlichen Tastsinns ist zu überprüfen, bevor neue
technologische Wege eingeschlagen werden, die auf eben diese Interaktionsvariante zurückgreifen.
119 Diskussion
Insbesondere ist die Taktilität sicherzustellen, wenn sehr schnell zwischen verschiedenen Modi einer
Anwendung umzuschalten ist (vgl. Tabelle 4). Wie bereits in Abschn. 2.2.1 dargelegt, sind die Er-
kenntnisse von Chan et al. (2010) wichtige Indikatoren zur Beantwortung der Forschungsfrage dieser
Thesis, denn die Empirie zeigte außerdem die Notwendigkeit ergonomischer Arbeitsplätze und nicht
zusätzlich körperlich belastende Werkzeuge auf. Dies regt an, neben der fehlenden taktilen Rückmel-
dungen auf immaterielle Displays, ebenfalls Konzepte mit Tableteinsatz oder sonstigen tragbaren
Gadgets zur Realisierung von Augmented Reality und Gestensteuerung zu hinterfragen.
Aus den Aspekten Akzeptanz, Machbarkeit, Emotion und Motivation ergeben sich Fragen die eine
lohnenswerte Aufgabe für zukünftige Untersuchungen seien könnten: Wie können
i. passive Maschinenbediener zukünftig mehr gefördert bzw. stimuliert werden und vor körper-
licher Belastung Schonung finden? Dieses Motiv ist aus Sicht der Arbeitsplatzergonomie für
gesunde Arbeit näher zu betrachten.
ii. neue Technologien beim Austausch von Erfahrungswerten und allgemeiner Praxiserfahrung
als Multiplikator dienen könnten? Stichwort problemorientiertes, kollaboratives Lernen und
verbesserter Selbstlernprozess.
iii. Fall-Back-Strategien im Kontext Augmented Reality und Gestenerkennung im industriellen
Umfeld gestaltet werden?
iv. diese vorgestellten zwei Technologien zu Kompetenzverlust (selbsterarbeiteter Lösungswege
vs. visualisierte Lösungen mittels AR) oder Kompetenzsteigerung (Aufstieg passiver Maschi-
nenbediener, eigenaktives Subjekt) führen? Das Motiv nach Selbstverwirklichung durch Er-
folgserlebnisse ist hierbei sicherzustellen.
v. industrielle Werke das Kennenlernen geeigneter Übungs- und Trainingsformen vor und wäh-
rend des Einsatzes von AR und Gestensteuerung gestalten?
vi. nachhaltige Lernleistungen zu erwarten seien, wenn gezielt Eigenaktivität der Arbeiter für
mehr Effizienz angestrebt wird?
vii. Machbarkeitsstrukturen gestaltet werden, um die flexible Variante head-up Display im Kon-
text AR in Fertigungshallen zu realisieren?
viii. Fertigungsarbeiter bei der Konfrontation mit Touch-Devices zukünftig unterstützt werden,
um der Eigeninitiative, Tastatur und Maus anzuschließen, entgegen zu wirken?
120 Diskussion
Um diese offenen Punkte und daraus wachsende Aufgabenstellungen zu finden und Lösungswege zu
entwickeln, bedarf es weiterer Untersuchungen über diese Master Thesis hinaus.
Der rasche Technologiewechsel im Consumer Bereich als Herausforderung ist zweifellos, dennoch
sind funktionale Änderungen im industriellen Sektor behutsam durch Weichenstellung einzuführen.
‚Altes’ sollte nicht knallhart ersetzt werden, d.h. den Nutzern nicht komplett eine vertraute (technik-
basierte) Umgebung entreißen. Feldstudie I und II verbildlichte sehr deutlich die Notwendigkeit
rechtzeitiger Schulungen und Aushändigung von Handbüchern und ausreichender Vorlaufzeit bis zur
Lieferung neuer Technik sowie Dokumentationen und Software-Wording in Muttersprache.
Weiterhin müssen Unternehmen ihr vordergründiges Ziel definieren und anhand von konsequenter
Markt- und Konkurrenzbeobachtung mögliche USPs beurteilen: Ist das Ziel möglichst viele Funktio-
nen in einem Gerät, bspw. in einem Industrie-/ Consumer-Tablet, entsprechend dem Trend der Mul-
tigerätenutzung der Consumer Welt zu integrieren oder zu untersuchen, wie mit neuen Technologien
neue, flexible und insbesondere zuverlässige bzw. robuste Schnittstellen zu realisieren sind. Der krea-
tive Einsatz neuer Technologien wie AR und Gestensteuerung könnten im Kontext Industrie 4.0 ein
möglicher USP werden, jedoch sind neben der Umsetzung von Hard- und Software genaue Use-Cases
im Bereich Technischer Service zu ermitteln. Die Erkenntnisse dieser empirischen Analyse können
hierzu als Grundlage dienen.
121 Ausblick
9 Ausblick
Bezugnehmen auf die in der Einleitung formulierte Forschungsfrage, wird nun durch die Expertise
eines Experten versucht einen Ausblick hinsichtlich Chancen und Grenzen von Augmented Reality
und Gestensteuerung zu geben, um das Bild zu schärfen wie eine zukünftige Entwicklung beider
Technologien mit Fokussierung der Fertigungsindustrie aussehen könnte. Die bisherige Untersuchung
zusammengefasst in den Top-Findings zeigte auf, dass eine Brücke zwischen dem technisch Machba-
ren und dem menschlich Erwünschten zu schlagen ist. Benedikt Mayenberger, Augmented Reality-
Entwickler der Robert Bosch GmbH und Mitentwickler des Gestensteuerungs-Exponats (vgl. Abschn.
6.2.2), wird als Experte mit der Zielrichtung hinzugezogen sowohl bisherige Erkenntnisse der empiri-
schen Analyse zu validieren als auch auf technische Chancen und Grenzen von AR und Gestensteue-
rung durch Gestenerkennung hinzuweisen52. Mit diesem Ausblick gestaltet sich das Gesamtbild der
empirischen Analyse.
Sowohl aktuelle Gestensteuerungs- als auch Augmented Reality-Gadgets sind nach Meinung des Ex-
perten, Benedikt Mayenberger, „[…] ganz nett, aber alles noch nicht ausgereift, alles noch nicht In-
dustriefähig. […] Sie gibt´s, aber sie taugen grad noch nichts“ und als einleitende Überschrift für die-
sen Abschnitt zu betrachten. Entsprechend der empirischen Analyse ist auch sein Bild der potentiel-
len Nutzergruppe, dass im Kontext AR relativ schnell auf eine Datenbrille geschlossen wird. An die-
sem Punkt fing seine Überlegung an, AR mit Gestensteuerung zu kombinieren, um die Lücke der
Touchoberfläche zu schließen bzw. das seitliche tippen für Befehlseingaben an Datenbrillen zu um-
gehen. Mayenberger kritisiert in diesem Zuge beeindruckende Promotion-Videos diverser Unter-
nehmen53 welche die Masse zur Denke verleihen a) AR sei ausschließlich über Datenbrillen realisier-
bar und b) es gäbe solche Datenbrillen bereits im realen Einsatz.
9.1 Chancen von Augmented Reality und Gestensteuerung
Nach Meinung des Experten, gibt es aktuell drei AR-Szenarien die den Bereich Technischer Service in
Fertigungshallen fokussieren und somit aufgrund der technologischen Möglichkeit als Chancen im
industriellen Umfeld einzustufen sind und ggf. mit Gestensteuerung zu kombinieren sind:
1. ‚Augmented Reality based Human-Machine Interface‘ mit dem Hauptziel der Diagnose, d. h.
mehr Transparenz bzw. schnellere Einsicht in das Maschineninnere und allg. Maschinenzu-
stände. Tendenziell für Servicekräfte und Schulungen.
52 Die Transkription ist dem elektronischem Anhang zu entnehmen. 53 Bspw. Metaspacegases, Atheer Labs, Epson, Google.
122 Ausblick
2. Anleitungen und Dokumentationen, bspw. Schritt-für-Schritt-Anzeigen für Wartungsschritte,
angereichert durch überlagerte AR-Inhalte (Erklär-und Infografiken).
Erklärung: Man nehme einen (erfahrenen) Arbeiter der weiß wie ein spezieller Ar-
beitsschritt auszuführen ist und stellt ihm ein AR-Gadget zur Verfügung, dessen Kamera die
Handausführungen des Arbeiters beim Durchführen dieses Arbeitsschrittet aufzeichnet (Ex-
pertenvideo). Das System schneidet per Live-Tracking die Hände aus und legt dieses Szenario
in einer Datenbank ab, die über eine App abrufbar ist. Ein anderer Arbeiter kann diese Auf-
zeichnung über ein AR-Gadget (ggf. Tablet, Datenbrille) in seinem Blickfeld anzeigen lassen
und erhält bspw. eine rote Einfärbung im Falle falscher Handposition und grüne Einfärbung
als virtuell überlagertes Bild in seiner realen Umgebung, wenn der Handgriff entsprechend
des Expertenvideos übereinstimmt. Diese Anleitung läuft solange wie ein Arbeiter benötigt,
um den Arbeitsschritt zu erlernen.
3. ‚Live Remote‘, d. h. dezentrale Hilfe bzw. Kommunikation (same time/ different place). Bei-
spiel: Fernwartungs-Szenario Deutschland-China.
Weiterhin können aus dem Experteninterview folgende technische Chancen für die Technologien AR
und Gestenerkennung im industriellen Umfeld abgeleitet werden:
i. Agilität, Effektivität und Effizienz in der Entwicklung bringen AR-und Gestensteuerungs-
Gadgets mit integrierter (RGB-/ Tiefen-) Kamera und ausgereiften Daten54, sodass der Eigen-
aufwand für eine spezielle Treiberentwicklung entfällt. Aktuell bestes Gadget in diesem Kon-
text ist die Leap Motion Control die die virtuelle Hand mit jedem Fingergelenk darstellt und
dem Entwickler Zugriff auf die Daten gewährt.
ii. Kamerabasierte Gestensteuerung mittels RGB-Kamera zur Gestenerkennung55.
iii. Unterstützende AR-Wartungsanweisungen könnten mit Kontrolle der Arbeiter verbunden
werden, um sicherzustellen, dass Handgriffe entsprechend der Anweisungen richtig durchge-
führt werden.
Anmerkung: Diese Aussage des Experten stimmt mit der Aussage eines Teamleiters
überein, kollidiert jedoch mit dem Wunsch von Maschinenbedienern und Anlagen-/ Grup-
penführern nach Kreativität durch eigene Lösungswege, um im Arbeitsalltag Erfolgserlebnisse
zu spüren (vgl. Abschn. 6.5).
iv. AR visualisiert mittels Head-Up-Display (HUD) in Form einer Glastür in Maschinen56.
54 Bspw. die Leap Motion Control, vgl. Abschn. 2.2.2, Abbildung 12. 55 Im Vergleich zu Tiefenkameras mit Infrarot-LEDs, siehe Grenzen Abschn. 9.2.
123 Ausblick
Erklärung: Diese Form der AR-Visualisierung könnte alle relevanten Informationen
genau dort visualisieren wo sie tatsächlich gebraucht werden: geradewegs im Sichtfeld der
Arbeiter. Diese können den Blick auf das Maschinengeschehen gerichtet lassen und erhalten
zugleich alle relevanten Informationen.
9.2 Grenzen von Augmented Reality und Gestensteuerung
Für die Technologien AR und Gestenerkennung können aus dem Experteninterview nachfolgend
(technische) Grenzen für das industrielle Umfeld abgeleitet werden, die sich vereinzelnd mit der em-
pirischen Analyse dieser Ausarbeitung decken (ab S. 39).
Eine gemeinsame Grenze führen kamerabasierte Gadgets prinzipiell mit: Aus Betriebsratswegen
könnten diese hinsichtlich Datenschutz nicht zugelassen werden.
GRENZEN VON AUGMENTED REALILTY
i. Bezugnehmend auf iv. Abschn. 9.1, könnte sowohl die Kostspieligkeit der HUD-Erweiterung
auf das Panzerglas der Maschinen als auch nach aktuellem Entwicklungsstand die Perspekti-
venabhängigkeit von HUDs ein K.O.-Kriterium bedeuten. Letzteres benötigt unter Einbezie-
hung der Körpergröße die Erkennung des Arbeiters relativ zur Glasscheibe.
ii. Expertenaufzeichnungen entsprechend 9.1, Punkt 257 , müssen für große/ kleine Arbeiter so-
wie Rechts-/ Linkshänder aufgezeichnet werden.
iii. Ggf. WLAN-Zugang für Datenkommunikation/ Live-Kommunikation in Werkshallen.
iv. Hauptproblem wird aktuell in der effizienten Erstellung von AR-Inhalten gesehen, folglich
kostet das platzieren der virtuellen Objekte und die Herstellung von Verknüpfungen Zeit, „d.
h. sagen, dieses Objekt in meinem CAD-Modell ist in Real das und das“, so Mayenberger.
i. Dezentrale Hilfe bzw. Kommunikation (same time/ different place) via AR-Gadget lässt einge-
schränkte visuelle Interaktion zu.
Erklärungsbeispiel: Ein Arbeiter in China hat ein Problem bei der Inbetriebnahme ei-
ner Maschine58. Über ein AR-Gadget mit Kamerafunktion könnte der Arbeiter in China ein Li-
ve-Bild nach Deutschland auf den Desktop des Spezialisten per Anruf übertragen, mit dem
Zusatz der visuellen in-Bild-Manipulation, jedoch: bewegt sich der Anrufer weg, stimmt die
Positionierung des eingezeichneten Zeichens des Spezialisten als Hilfestellung nicht mehr.
56 vgl. hierzu Abschn. 3.2.1 57 Anleitungen und Dokumentationen, bspw. Schritt-für-Schritt-Anzeigen für Wartungsschritte, angereichert durch AR-Inhalte (Erklär-und Infografiken, Videos). 58 Aktuell fliegt ein Spezialist aus Deutschland zum Einsatzort.
124 Ausblick
D. h., wenn der Spezialist an seinem Desktop rechts unten etwas in das Bild der Live-
Übertragung einzeichnet, ist es bei dem chinesischen Arbeiter ebenfalls rechts unten, egal
wohin er sein AR-Gadget schwenkt und folglich den Blick vom eigentlichen Objekt bzw. Zu-
stand abwendet.
ii. Datenkommunikation/ Live-Kommunikation sind sehr Datenintensiv und benötigen hohe Ak-
kulaufzeit des Gadgets oder eine Dockingstation (z. Dt. Andockstation) zur permanenten Ge-
währleistung des Aufladens.
Abschließend äußerte Mayenberger: „Die Technologie bringt einen Mehrwert, heißt aber nicht unbe-
dingt, dass wir damit mehr Geld verdienen. Untertrieben ausgedrückt ist AR momentan ein Nice-To-
Have. [...] Schwierigster Punkt: was für eine Hardware? Am sinnvollsten bisher: Tablet, aber in wel-
chen Anwendungsfällen kann ich mit dem Tablet arbeiten? Aber von dem Gedanken der [Daten-] Bril-
len können wir uns längerfristig verabschieden, das kommt noch lange nicht“.
GRENZEN VON GESTENSTEUERUNG
i. Ein Vorteil hinsichtlich Effizienz oder die Notwendigkeit von Gestensteuerung im industriellen
Umfeld der Fertigung ist nicht begründet.
ii. Akzeptanz von tragbaren Gadgets im industriellen Umfeld der Fertigung ist nicht gesichert.
Anmerkung Mayenberger: Allgemein betrachtet: „[…] wo steck ich sie hin?“, „Da ge-
hört viel Training, viel Erfahrung dazu“, Gestenring NOD „[…] wird praxistauglich das schwie-
rigste“, Gestenarmband MYO: „wenn ich […] zielen will wie ein Pointer, ist das Problem, dass
ich mit dem Unterarm zielen muss, da hab ich mich schwer getan mit dem Arm zu zielen an-
stelle mit dem Finger“.
iii. Verbaute Tiefenkameras mit Infrarot-LEDs sowohl in Gadgets zur Gestensteuerung als auch
für AR reflektieren in Glasumgebungen und stellen somit einen Interaktionsstörfaktor für den
industriellen Sektor der Fertigung dar, da Maschinen bzw. Fertigungslinien überwiegend mit
Glaswänden verbaut werden. 1:1 Interaktion in Echtzeit kann nicht gewährleistet werden.
Anmerkgung: Mayenberger bestätigt die Ergebnisse der Fokusgruppe (vgl. Abschn.
6.4.1), dass bei Tests des Gestensteuerungs-Exponats (Abbildung 32) die Infrarot-LED der Le-
ap Motion Control innerhalb des Glasgehäuses Reflexionen aufweist, die zu Störrungen in der
Interaktion führen. Datenbrillen sind ebenfalls mit Infrarot-LEDs ausgestattet.
iv. Gestenerkennung kann Not-Aus-Arbeitsschutzrichtlinien nicht gewährleisten, da 100 Prozen-
tige Richtigerkennungen der ausgeführten (Hand-) Gesten technisch nicht sichergestellt sind.
125 Ausblick
Erklärung am Bsp. Abschn. 6.2.2: Leap Motion Control erkennt in den vom Menschen
definierten Interaktionsrahmen der Glashaube (<40cm) ein ‚rausziehen‘ der Hand nicht, da
der technisch definierte Radius 0 bis 40 cm beträgt.
v. Gadgets mit rudimentärer Software59, die einen hohen Eigenaufwand in die Implementierung
der Handerkennung mit sich führen würde.
vi. Getrackte Positionsdaten der Hand müssen je nach Software ggf. zusätzlich klarer definiert
werden, um dem natürlichen Zittern der menschlichen Hand bei der Ausführung von Gesten
entgegenzuwirken (vgl. Abschn. 6.4.1, Produkttest NOD).
vii. Zu Irritationen seitens des Nutzers könnte die Tatsache führen, dass die eigene Hand bei der
Ausführung von Befehlseingaben durch Gesten zum größten Teil das Interaktionssichtfeld
bzw. Sichtfeld verdeckt.
viii. Der Algorithmus zur Gestenerkennung sucht nach der Form einer Hand mit fünf Fingern (Tie-
feninformation), welches viererlei Fehlerquellen mit sich führen könnte: i) wenn bei einem
Arbeiter ein Sicherheitshandschuh Falten wirft, könnten einzelne Finger für den Suchalgo-
rithmus nicht erkennbar sein. Gleiches gilt für Finger die durch einen dickeren Verband steif-
gelegt werden, ii) eine zu stark durchgestreckte Hand (nach oben durchgebogene Finger) legt
der Suchalgorithmus als mit der Handinnenfläche nach oben liegende Hand aus, iii) Gesten
von Arbeitern mit weniger als fünf Fingern bleiben unerkannt, iv) Fehlinterpretationen der
menschlichen Hand, bspw. wird ein Kaffeebecher auf dem Tisch zeitweise als Faust erkannt.
Anmerkung Mayenberger: „Das ist der Punkt, an dem der Mensch der Maschine weit
voraus ist: wir Menschen erkennen relativ schnell an einem Gekritzel, dass es eine Hand sein
soll. Dem PC reicht es nicht, wenn da fünf Stängel raushängen. Er würde es vielleicht grob er-
kennen, wenn man den Bildalgorithmus selber machen würde: 'alles was fünf-Stängel hat, ist
eine Hand' - nur dann haben wir auf der anderen Seite wahrscheinlich extrem viele Fehlerer-
kennungen“.
ix. Sowohl zu knapp als auch zu groß ausgelegte Erkennungsradien der Suchalgorithmen einzel-
ner Gadgets, könnten Interaktionen hemmen.
Erklärungsbeispiel: Je nach Körpergröße bzw. Abstand zur Kamera können Hände
nicht erfasst werden. D. h. eine Handgeste mit ausgestrecktem Arm eines sehr groß gewach-
senen Arbeiters könnte bei einem Radius von 40 cm der Leap Motion Control nicht mehr er-
59 Bspw. Sense3D.
126 Ausblick
fasst werden. Gleichermaßen können fälschlicher Weise Handgesten entfernter Arbeiter als
Befehlseingabe erkannt werden.
Anmerkung Mayenberger: „Ich geh nach rechts, natürliche menschliche Bewegung,
und man löst eine Geste aus“.
x. Einheitsgrößen von Gestensteuerung-Gadget, bei bspw. begrenzter Anschaffung je Werkshal-
le.
Schließende Aussage von Mayenberger hinsichtlich dem Einsatzes von Gestensteuerung: „Zusammen
mit AR wird es nicht kommen“.
127 Fazit
10 Fazit
Diese Arbeit hat den Ansatz User-Centered Design im industriellen Umfeld motiviert bzw. eine parti-
zipative Entwicklung aktiviert und dabei die Technologien Augmented Reality und Gestensteuerung
als Methodenwerkzeuge im Kontext der Fertigungsindustrie betrachtet sowie die Themenbereiche
Arbeits-und Organisationspsychologie hinsichtlich den Theorien Arbeitszufriedenheit, Arbeitsmotiva-
tion und Emotionen dargestellt. In zwei Feldstudien und einer Fokusgruppe mit Exponats-und Pro-
dukttests wurden sowohl situierte als auch kontextspezifische Bedürfnisse von Fertigungsarbeitern
offengelegt und mit Erkenntnissen der Literatur abgeglichen, welches die Grundlage für die For-
schungsfrage darstellte. Basierend auf diesen Erkenntnissen wurden in einer Expertenrunde Personas
für die Nutzergruppen der Fertigungsindustrie entwickelt, welche in der realen Praxis Entwickler un-
terstützen, den Mensch als Nutzer hinter einer breiten Zielgruppe wahrzunehmen. Für eine fokus-
sierte Ergebnisauswertung hinsichtlich Chancen und Grenzen von Augmented Reality und Gesten-
steuerung wurden zu jeder empirischen Studie Top-Findings als wichtigste Erkenntnisse erstellt, die
durch einen Expertengespräch im Ausblick dieser Thesis diskutiert und validiert wurden. Diese resul-
tierenden Erkenntnisse der empirischen Analyse umfassen hinsichtlich Augmented Reality und Ges-
tensteuerung im Kern folgende Punkte:
I. Sicherstellung von Wertschätzung und Selbstverwirklichung der Fertigungsarbeiter mit direk-
tem Maschinenkontakt, durch selbstgesteuerte Erfolgserlebnisse im Arbeitsalltag, bspw. mit-
tels Wissensvergabe oder kreieren eigener Lösungswege fernab von Dokumentationen. Her-
ausfordernde Ziele führen zu steigenden Leistungen (psych. Erlebniszustände, positiv-
aktivierende Emotionen). Hoffnung besteht gemäß neuer Dimensionen produktiven Tuns zur
Verbesserung des Arbeitscharakters durch neue Arbeitsformen.
II. Für das körperliche Wohlbefinden der Fertigungsarbeiter sowie in puncto Robustheit tragba-
re Gadgets, wie etwa Tablets zur mobilen Steuerung, kritisch hinterfragen. Für non-physische
Gestensteuerung liegt mit existierenden Gadgets aktuell kein realistisches Szenario vor.
III. Beide Technologien sind im Bereich Technischer Service einzustufen, wobei Augmented Rea-
lity den Themenfeldern Dokumentation, Dateneinsicht/ Datenübersicht und kooperatives
Lernen zugeordnet wird.
IV. Sicherheit generieren durch die Wirksamkeit von Taktilität bzw. das Ansprechen des mensch-
lichen Tastsinns und visuelle Systemrückmeldungen im Hinblick auf Gestensteuerung und
Touch-Devices im Allgemeinen zur möglichen Realisierung von Augmented Reality, um so-
128 Fazit
wohl saubere Befehlseingaben auszulösen, nach Objekten zu greifen als auch stetige Orien-
tierung zu gewährleisten.
Neben den technischen und emotionalen Hürden, legte die empirische Analyse die Herausforderung
offen, die Bedürfnisse des Menschen zu erfassen, die durch Consumer Elektronics in den Berufsalltag
mitgebracht werden. Fertigungsarbeiter erwarten ihnen vertraute Interaktionskonzepte und Komfort
aus ihrem sozialen Umfeld im gleichen Maße in ihrem Arbeitsumfeld. In diesem Kontext kollidieren
Produktzyklusphasen der Industrie von acht bis zehn Jahren gegen im Durchschnitt sechsmonatige
Produktzyklen der Consumer Welt. Diese Erkenntnis ist relevant für die Thematik vorliegender Thesis
und als Herausforderung zum Fortführen dieses Forschungsbereichs anzunehmen. Nicht die Situation
selbst löst Emotion aus, sondern die individuelle Bewertung bzw. Interpretation der Situation60. Folg-
lich bildet der Rahmen der Sozialumwelt die Ursachen von Emotionen, bis hin zur Leistung als Ergeb-
nis61.
60 Vgl. (Pekrun, et al., 2015) 61 Vgl. Stichwort Appraisal (Epictetus, 1864), Abschn. 4.3.
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137 Eidesstattliche Erklärung
Eidesstattliche Erklärung
Hiermit versichere ich, Elnaz Haschemilar, an Eides Statt, dass ich die vorliegende Masterarbeit mit
dem Titel: „Empirische Analyse: Chancen und Grenzen von Augmented Reality und Gestensteuerung
in der Fertigungsindustrie“ selbständig und ohne fremde Hilfe verfasst und keine anderen als die
angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Die Stellen der Arbeit, die dem Wortlaut oder dem Sinn nach
anderen Werken entnommen wurden, sind in jedem Fall unter Angabe der Quelle kenntlich gemacht.
Die Arbeit ist noch nicht veröffentlicht oder in anderer Form als Prüfungsleistung vorgelegt worden.
Ich habe die Bedeutung der eidesstattlichen Versicherung und die prüfungsrechtlichen Folgen sowie
die strafrechtlichen Folgen (gem. § 156 StGB) einer unrichtigen oder unvollständigen eidesstattlichen
Versicherung zur Kenntnis genommen.
Stuttgart, 07. März 2016
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Elnaz Haschemilar