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Seite 1

Endlich sehen, wie die Märkte ticken.

Chartanalyse Wissensbroschüre

Bitte nutzen Sie auch das KeyInvest TrendRadar Handbuch mit Erklärung aller TrendRadar-Funktionen und konkreten Beispielen.

www.ubs.com/keyinvest-trendradar

UBS KeyInvest TrendRadar

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1 UBS Service und Kontaktinformationen

2 Die verschiedenen Profile: Basic, Advanced, Professional

3 Grundlagen der Chartanalyse

3.1 Die Technische Analyse, Charttechnik und Trading

3.1.1 Das Grundprinzip der charttechnischen Analyse

3.1.2 Trendlinien

3.1.3 Gleitende Durchschnittslinien

3.1.4 Bodenbildung

3.1.5 Der Faktor «Zeit»

3.1.6 Warum Charttechnik funktioniert

3.1.7 Charttechnik – kurzfristig

3.1.8 Charttechnik – mittelfristig

3.1.9 Fundamentalanalyse vs. Chartanalyse

3.1.10 Weiterführende Informationen

3.2 Der Chart / Der Kursverlauf

3.2.1 Charttypen

3.3 Der Trend / Die Richtung Ihres Handelns

3.3.1 Das Trendkonzept

3.3.2 Relativität von Trends

3.3.3 Auswärts-, Abwärts- und Seitwärtstrends

3.3.4 Unterstützung und Widerstand

3.3.5 Trendlinien als Hilfsmittel

3.3.6 Trendkanäle zwischen zwei Linien

3.3.7 Dynamische Trendverschärfungen

3.3.8 Trendlinienbrüche

3.3.9 Gleitende Durchschnittslinien (1)

3.3.10 Gleitende Durchschnittslinien (2)

3.3.11 Gleitende Durchschnitte traden!

3.4 Charttechnik und Trading – Prinzipien

3.4.1 Wie sind Zeithorizonte definiert?

3.4.2 Investitionsplan

3.5 Kursmuster und Formationen

3.5.1 Formationen professionell getradet

3.5.2 Steigende Dreiecke

3.5.3 Symmetrische Dreiecke

3.5.4 Schulter-Kopf-Formationen

3.5.5 Doppeltop und Doppelboden

3.5.6 Flagge und Wimpel

3.5.7 Schmetterlingsformation

3.6 Risikomanagement und Money Management

3.6.1 Grundsätze des Risikomanagements

3.6.2 Positionsgrösse

3.6.3 Korrelierende Märkte

3.6.4 Gesamtrisiko des Porfolios

3.6.5 Risikodefinition von Einzelpositionen

3.6.6 Berücksichtigung von Gaps/Slippage

3.6.7 Diversifizierung

3.6.8 Trading Strategie – die «3:1-Regel»

Inhalt

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1 UBS Service und Kontaktinformationen• An wen kann ich mich bei Fragen wenden?

Das UBS KeyInvest-Team steht Ihnen bei Fragen jederzeit gerne zur Verfügung. Sie können uns per Telefon (044-239 76 76) oder über E-Mail ([email protected]) kontaktieren. Oder besuchen Sie uns auf unserer Homepage: www.ubs.com/keyinvest.

Unsere Postadresse lautet: UBS AG, Postfach, 8098 Zürich.

2 Die verschiedenen Profile: Basic, Advanced, Professional• Warum erfolgt eine Aufteilung in unterschiedliche Kategorien?

– UBS verfolgt das Ziel, die Grundlagen der Technischen Analyse einem breiten Publikum näherzubringen. Daher ist das Informations- und Funktionsangebot des UBS KeyInvest TrendRadar in drei verschiedene Profile aufgeteilt:

– Basic: Die Version Basic ist bestens geeignet für Einsteiger in die Technische Analyse. Im Basic-Profil zeigt Ihnen der KeyInvest TrendRadar nur Signale, die auf den bekanntesten charttechnischen Mustern basieren: Trendkanäle, Dreiecke und Schulter-Kopf-Schulter-Formationen. Das Universum ist dabei auf eine Auswahl von Basiswerten beschränkt.

– Advanced: Wenn Sie mit der Technischen Analyse bereits vertraut sind, können Sie die Advanced-Version nutzen. UBS KeyInvest TrendRadar durchsucht alle im TrendRadar verfügbaren Basiswerte nach mehr als 15 beliebten Chartmustern und Handelsstrategien und zeigt Ihnen nicht nur bereits ausgebrochene Signale, sondern auch Signale, bei denen der Ausbruch noch bevorstehen sollte. Ausserdem können Sie Signale nach Ihrem bevorzugten Zeithorizont filtern: kurz-, mittel- oder langfristig.

– Professional: Sie kennen sich bestens mit der Technischen Analyse aus. Als Profi können Sie alle im TrendRadar verfügbaren Basiswerte nach mehr als 50 Chartmustern und Handelsstrategien durchsuchen und ausserdem alle Funktionen der Advanced-Version nutzen.

3 Grundlagen der Chartanalyse

3.1 Die Technische Analyse, Charttechnik und Trading

Die Technische Analyse grenzt sich stark von der Fundamentalanalyse ab. Der technische Analytiker basiert seine Anlageentscheidungen nicht auf Informationen über die Situation eines Unternehmens. Er geht davon aus, dass alle verfügbaren Marktinformationen bereits im Kursverlauf diskontiert sind. Ein weiteres wichtiges Prinzip ist das der ähnlichen Verhaltensmuster. Das bedeutet zum einen, dass sich ein Grossteil der Aktien innerhalb eines Index in dieselbe Richtung bewegen. Für die Technische Analyse meint dies jedoch auch, dass Aktienkurse in vergleichbaren Situationen demselben Grundmuster folgen. Die Gruppen- bzw. Anlegerpsychologie ist somit für die Technische Analyse ein wichtiges Stichwort. Die Masse verfügt gleichsam über alle zugänglichen (und somit nicht ausreichenden) Informationen, agiert und reagiert also musterhaft. Bei der Technischen Analyse gilt es nun, dieses Grundmuster mithilfe der Chartdarstellung des Aktienkurses aufzuspüren.

Die Methodik der Technischen Analyse, in Anlehnung an ihren Begründer auch Dow-Theorie genannt, wurde erstmals 1900 bis 1902 in Form einer Kolumne im «Wall Street Journal» bekannt. Dow war gegen Ende des 19. Jahrhunderts der Erste, der einen Aktienindex kreierte. Bis dahin lag der Fokus der Anleger auf einzelnen Aktien und deren Kursverlauf. Die Grundtendenzen des Marktes liess man bis dahin noch völlig ausser Acht. Eine heute selbstverständliche Information über Auf- und Abwärtstrends blieb den Anlegern von damals also verwehrt.

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Die Motivationslagen langfristig ausgerichteter Investoren und kurzfristig aktiver Trader gleichen sich. Auf der einen Seite geht es darum, möglichst konstant eine angemessen hohe (aber auch realistische) Rendite, einen Gewinn, einen Profit zu erzielen, auf der anderen Seite sollte der Kapitalerhalt oberste Priorität haben. Verluste gilt es konsequent zu begrenzen, und zwar an der richtigen Stelle. Gewinne laufen lassen, Verluste begrenzen. In diesem Spannungsverhältnis bewegen sich alle Anleger.

Zentrale Eckpunkte einer jeden Anlageentscheidung sind die Wahl des Anlageobjekts, die Wahl der Handlungsrichtung (long oder short), die Wahl des Einstiegsniveaus, die Wahl des Stop-Loss-Niveaus zwecks Absicherung und Verlustbegrenzung und eine möglichst konkrete Ermittlung des Kurszielniveaus für Gewinnmitnahmen sowie die Positionsgrössenbestimmung.

Mittels der charttechnischen Analyse wird der Kursverlauf (Chart) analysiert, ausgewertet und regelrecht vermessen. Mittels der charttechnischen Analyse werden Kursverläufe wie eine Sprache gelesen und interpretiert. Man muss die Sprache nur verstehen lernen!

Für das Timing von Anlageentscheidungen, egal in welchem Zeitfenster, ist die Chartanalyse unerlässlich. Als Anleger müssen Sie zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein; und dafür liefert Ihnen die Chartanalyse massgebliche Hilfestellung.

Sie gibt Ihnen als Anleger entscheidende Informationen, um die beschriebenen Eckdaten des Transaktionsplans zu bestimmen. Die charttechnische Analyse zeigt Ihnen auf, auf welchem Kursniveau Sie einsteigen können, wo Sie sich sinnvollerweise mit einem Stop-Loss absichern, möglichst ohne durch das Grundrauschen der Kursbewegungen ausgestoppt zu werden. Und mittels charttechnischer Analyse können Sie selbst als Anleger Kursziele ermitteln, in deren Bereich Sie Gewinne mitnehmen können.

Die charttechnische Analyse ermöglicht Ihnen, bestehende Trends auf Stabilität zu prüfen. Wie weit kann sich eine Rallye beispielsweise bei Solaraktien oder Internetaktien fortsetzen? Wie weit können Aktien aus dem stark angeschlagenen Bankensektor noch fallen? Dabei geht es nicht nur um die Stabilität von Trends, sondern auch um das Ermitteln sogenannter relativer Stärken. In welche Sektoren fliesst Kapital? Und aus welchen Sektoren fliesst Kapital wieder heraus?

Ein Blick auf die mehrjährigen Kursverläufe der folgenden drei bekannten DAX-Aktien verdeutlicht die hohen Volatilitäten.

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Ein Charakteristikum unserer Epoche ist eben diese exzessive Schwankungsanfälligkeit der Märkte. Trends verlaufen immer schneller und in immer verschärfterer Form.

Bei der charttechnischen Analyse gibt es viele unterschiedliche Analysemethoden und unterschiedlichste Analyseinstrumente. Das Grundprinzip der charttechnischen Analyse ist einfach, die praktische Anwendung erfordert jedoch grosse Erfahrung. Die charttechnische Analyse findet in allen Finanzmärkten Anwendung, wobei jeder Markt seine eigene Charakteristik hat.

Charttechnische Analyse – es geht um Wahrscheinlichkeiten Eine charttechnische Prognose stellt eine Wahrscheinlichkeitseinschätzung dar. Eine hundertprozentige Wahrscheinlichkeit, dass eine Prognose eintritt, gibt es nicht. Im Rahmen der charttechnischen Analyse werden Wahrscheinlichkeiten ermittelt. Wie wahrscheinlich ist es, dass ein bestehender Trend fortgesetzt wird? Wie wahrscheinlich ist es, dass ein bestehender Trend vor einem möglichen Ende steht? Wie wahrscheinlich ist es, dass beispielsweise eine Aktie ein bestimmtes Kursziel erreicht? Und wie wahrscheinlich ist es, dass sich auf einem bestimmten Kursniveau ein Boden, eine Trendwende ausbilden kann? Sie sehen, man jongliert mit Wahrscheinlichkeiten. Deshalb ist es eminent wichtig, bei konkreten Transaktionen im Markt ein sinnvolles Risikomanagement und Money Management zu praktizieren. Immer, wirklich immer, gilt es, sich für den Fall abzusichern, dass Kurse sich entgegen der Prognose, entgegen der Erwartung bewegen. In späteren Kapiteln dieses Dokuments wird auf die Thematik intensiv eingegangen. Tatsächlich ist jeder Anleger einmal mehr und einmal weniger mit schwierig einzuschätzenden und damit auch schwierig zu handelnden Marktphasen konfrontiert. In solchen Phasen sinkt die Trefferquote der Prognosen und damit die Trefferquote der erfolgreich

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abgeschlossenen Transaktionen. Das ist normal! Und eben solche Phasen durchschiffen Sie durch Risikomanagement und Money Management. Es gibt ausführliche Interviews mit nachweislich erfolgreichen Tradern, die mit unterschiedlichsten Methoden an den Finanzmärkten handeln und unterschiedlichste Weltbilder haben. Ihnen allen ist aber gemeinsam, dass Sie auf die Wichtigkeit des Risikomanagement und Money Managements hinweisen.

Charttechnische Analyse – Unterteilung nach Hauptkategorien 1. Auswertung der Preisdimension: Analyse des Kursverlaufs, Analyse des Kapitalstroms2. Auswertung der Zeitdimension: Analyse von Saisonalitäten und Zyklenmustern 3. Sentimentanalyse: Auswertung der Marktstimmungen 4. Indikatorenlehre

Charttechnische Analyse – konkretes VorgehenWie geht man beim Chartanalysieren konkret vor? Im Folgenden ist das Prozedere dargestellt. Lassen Sie sich als Einsteiger durch Fachbegriffe nicht verwirren. Die werden in den folgenden Kapiteln alle genau erklärt. • Wie ist die übergeordnete Kursverlaufsrichtung, wie ist die Trendrichtung? • Wie stabil ist der vorliegende Trend? • Liegen innerhalb des Trends sogenannte Fortsetzungsmuster (Formationen) vor? • Welche Candlestick-Muster liegen vor und welche kurstechnische Wirkung haben sie? • Welche Chartformationen bilden sich aus und wie werden sie aufgelöst? • Wo und wie verlaufen Trendlinien? Und wie orientieren sich die Marktteilnehmer daran? • Auf welchen Kursniveaus kreuzen Chartstrukturen den Weg des Kursverlaufs? • Welche Chartstruktur ist wirklich markant und kursbewegend? • Welche Chartstruktur sticht welche Chartstruktur in ihrer Wirkung aus? • Gibt es einen Rollenwechsel markanter Chartstrukturen? • Häufen sich Fehlausbrüche? Häufen sich Fehlsignale? • Lassen sich zyklische Gesetzmässigkeiten erkennen?

3.1.1 Das Grundprinzip der charttechnischen Analyse

Im Folgenden wird Ihnen ein einfach verständliches Beispiel präsentiert, das zum einen eindrucksvoll das Grundprinzip und zum anderen einen zentralen Vorteil der charttechnischen Analyse veranschaulicht. Dieses Beispiel soll gewissermassen den Einstieg in die charttechnischen Analyse ebnen. Folgen Sie nun den kurzen Erläuterungen der folgenden Chartgrafiken.

1. Die Ausgangslage – der reale Kursverlauf einer Aktie Beginnen wir mit einem gewöhnlichen Linienchart der E.ON-Aktie. Dieser Linienchart dient zur Orientierung. Er zeigt die Aktienkursentwicklung an. Und zwar im vorliegenden Beispiel von Juni 2002 bis Mai 2003. Im Juli 2002 notierte das Papier bei 60,00 Euro. Zu sehen ist ein anschliessender mehrmonatiger Kursverfall. Im März 2003 markiert die Aktie ein Tief bei 35,00 Euro.

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2. Direkt im Trendwendepunkt kaufen – der idealtypische Trade Sie sehen, es ist der gleiche Kursverlauf der E.ON-Aktie wie in der ersten Chartgrafik dargestellt. Mit dunklen Punkten sind in dem Kursverlauf der E.ON-Aktie die markanten Tiefpunkte/Trendwendepunkte, die im Rahmen des mehrmonatigen Kursverfalls ausgebildet wurden, gekennzeichnet. Um möglichst direkt von den Kursbewegungen profitieren zu können, ist der Kauf der Aktie im Bereich der markierten Tiefpunkte wünschenswert.

Wie kann der Anleger nun diese Tiefpunkte im Vorfeld erkennen? Wie kann er also eine Erwartungshaltung, eine Prognose von zukünftigen Trendwendepunkten entwickeln? Mit welcher Analysemethode kommt er diesem Ziel näher? Ist dies überhaupt möglich?

Die Beantwortung dieser Fragen erfolgt prompt. Sie erfolgt mit den folgenden Chartgrafiken.

3. Trendwendepunkte im Kurs mittels Fundamentalanalyse? Trendwendepunkte im Kurs anhand von Nachrichtenresearch als Signalgebung? Wir bleiben bei dem gezeigten Ausschnitt des Kursverlaufs der E.ON-Aktie. In der nun vorliegenden Chartgrafik sind rosafarben die Zeitpunkte von Ratingveröffentlichungen durch Investmentbanken gekennzeichnet. Gerade in den letzten Jahren war doch sehr auffällig, dass es zwischen einem Rating und der sich anschliessenden Kursbewegung keine eindeutige Korrelation gab. Vielfach wirkten Ratings gerade im kurzfristigen Zeitfenster regelrecht als Kontraindikatoren. Im Tief wurden Aktien abgestuft, im zyklischen Hoch auf «Kaufen» gestellt. Während des Bärenmarkts der Aktienmärkte von 2000 bis 2002 gab es regelmässig Kaufempfehlungen durch Bankhäuser und just genau dann gaben die Notierungen weiter nach. «Shorting the analysts», eine Floskel, die während dieser Zeit durch Trader geprägt wurde.

Der Punkt ist aber tatsächlich der, dass gerade für das kurzfristige Zeitfenster, das heisst auf Sicht von Tagen bis hin zu einigen Wochen, nicht einmal eine tendenzielle Korrelation zwischen Ratings und Kursverläufen vorliegt. Das heisst, Kurse können nach einem Rating steigen oder fallen. Das Rating fällt also als Signalgeber für bevorstehende Trendwendepunkte ganz klar aus. In bestimmten Marktphasen können Ratings tendenziell als trendbestätigende Signalgeber herangezogen werden. In den vorliegenden Kursverlauf der E.ON-Aktie wurde ausserdem mit gelber Farbe die jeweilige Nachrichtenlage eingetragen. Auch hier ist auffällig, dass die Nachrichten «irgendwo» mitten im Kursverlauf liegen. Wenn man die konkrete Nachrichtenlage im Bereich von Trendwenden im Kursverlauf auswertet, so fällt auf, dass im Gros der Fälle gar keine Nachrichten vorliegen. Also auch die Sondierung der Nachrichtenlage führt den Anleger nicht effektiv weiter, seiner Zielsetzung näher zu kommen, möglichst direkt zukünftige Trendwenden zu prognostizieren.

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4. Direkt im Trendwendepunkt kaufen – Mittels charttechnischer Analyse kommt man dieser Zielsetzung näher Und wieder sehen Sie den identischen Kursverlauf der E.ON-Aktie wie in den Beispielgrafiken zuvor. Diesmal wurde in den Kursverlauf ein charttechnisches Hilfsmittel, eine sogenannte Trendlinie, eingezeichnet. Diese Trendlinie wird durch die Serie der markanten Tiefpunkte gezogen. Um eine Trendlinie zu ziehen, benötigt man mindestens zwei, besser drei Auflagepunkte. Sie sehen, in dem vorliegenden Beispiel liegen alle zyklischen Zwischentiefs/Trendwendepunkte auf dieser simplen charttechnischen Linie. Genau! Es liegt eine eindeutige Korrelation vor. Zwischentief/Trendwendepunkt gleich Trendlinie. Reine psychische Konditionierung. Wenn die markanten Tiefs 2 und 3 auf der Trendlinie liegen, wieso dann nicht auch die folgenden Tiefs?

Diese charttechnische Trendlinie ermöglicht es Ihnen, präzise Trendwendepunkte zu sondieren. Immer dann, wenn der Aktienkurs sich der Trendlinie nähert und auf ihr aufsetzt, ist die Wahrscheinlichkeit deutlich erhöht, dass der Kurs nach oben abprallen könnte. Im Rahmen der Chartanalyse werden Wahrscheinlichkeiten sondiert. Es ist also die Kunst, Wahrscheinlichkeiten richtig einzuschätzen. Und das ist gleichbedeutend mit einer Prognoseerstellung.

Wie eingangs erwähnt, handelt es sich um ein besonders polarisierendes. Der Zweck heiligt die Mittel. Es geht nicht darum, die eigentliche grundlegende Analysemethode, die Fundamentalanalyse, in ihrer massgeblichen Rolle zu schmälern. Es geht vielmehr darum, zusätzlich die Vorzüge der Chartanalyse herauszustreichen.

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5. Gewinnpotenziale ausgehend von den charttechnisch ermittelten zyklischen Tiefpunkten Ausgehend von den markanten Tiefpunkten konnte der Aktienkurs deutlich nach oben abprallen. Es handelt sich um temporäre Kursanstiegsphasen, die immerhin mehrere Wochen anhielten und eine Grössenordnung von deutlich über 10% hatten. Voraussetzung, um die Trendlinie zu ziehen, sind mindestens die ersten beiden Tiefs, am besten noch das dritte Tief. Das heisst, dass der vierte Trendwendepunkt mit dem Folgeanstieg (2) und die folgenden Punkte (3 und 4) tatsächlich prognostizierbar waren.

3.1.2 Trendlinien

Oft lassen sich Aufwärtsbewegungen und Abwärtsbewegungen in einem Kursverlauf recht präzise mit Trendlinien eingrenzen. Bei einer idealtypischen Abwärtsbewegung, einem Abwärtstrend, liegen die entstehenden zyklischen Zwischenhochpunkte im Bereich der Abwärtstrendlinie. Umgekehrt verhält es sich bei einer idealtypischen Aufwärtsbewegung, einem Aufwärtstrend. Hier liegen die Zwischentiefs auf der Aufwärtstrendlinie. Über solche Trendlinien können Sie als Anleger selbstständig untere Trendwendepunkte und obere Trendwendepunkte sondieren. Das ermöglicht Ihnen, im Bereich eines Tiefs zu kaufen und/oder im Bereich eines Hochs zu verkaufen.

Die allgemeine Erklärung mag gerade für Einsteiger in die Technische Analyse etwas zu theoretisch und zu abstrakt sein. Deshalb finden Sie in den folgenden Kapiteln eine Reihe von selbsterklärenden Chartbeispielen, die verdeutlichen, um was es bei der charttechnischen Analyse genau geht. Sammeln Sie erste Eindrücke.

Charttechnische Analyse – das Prinzip der Trendlinien Anbei der Kursverlauf der E.ON-Aktie vom 23. Mai 2002 bis 04. Juni 2003. Auf dem Chartbild sehen Sie, dass es bei der Aktie von Juli 2002 bis März 2003 einen kontinuierlichen Kursverfall gegeben hat.

Ist dies aber wirklich alles, was auf dem Chartbild zu sehen ist? Sie erahnen es, eine rein rhetorische Frage.

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Anbei das gleiche Chartbild mit Darstellung des Kursverlaufs der E.ON-Aktien vom 23. Mai 2002 bis 04. Juni 2003. Es gibt lediglich einen Unterschied. In diesem Chartbild ist eine sogenannte Trendlinie eingezeichnet. Trendlinien gehören zum reichhaltigen Instrumentarium der charttechnischen Analyse. Sie sehen, dass sich der Kursverfall der Aktie ganz massgeblich an der eingezeichneten grünen Trendlinie orientiert hat. Alle Zwischentiefs in diesem Zeitraum liegen exakt auf dieser Trendlinie. Bei diesen Zwischentiefs handelt es sich um präzise Trendwendepunkte.

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Wohlgemerkt, bei E.ON handelt es sich um einen DAX-Titel, der hauptsächlich von kapitalstarken Marktteilnehmern gehandelt wird. Bei ihnen handelt es sich in der Regel um Value-Investoren. Ihre Investmententscheidungen treffen sie vornehmlich auf fundamentalen Einschätzungen. Könnte man meinen! Dass im vorliegenden Fall auch oder gerade die Charttechnik eine nicht unwesentliche Rolle gespielt haben dürfte, ist offensichtlich. Und wohlgemerkt, Sie glauben doch nicht im Ernst, dass immer dann, wenn der Aktienkurs die Trendlinie erreichte, eine positive Nachrichtenlage vorlag. Wenn man die Nachrichtenlage während des dargestellten Kursverfalls auswertet, zeigt sich im Bereich der grün gepunkteten zyklischen Zwischentiefs eine völlig uneinheitliche Nachrichtenlage. Einmal lagen positive, dann wieder negative Nachrichten vor. Meistens aber gab es gar keine konkreten Nachrichten.

Diese Trendwendepunkte waren über die Auswertung der Nachrichtenlage nicht sondierbar. Nein, die Marktteilnehmer orientierten sich tatsächlich an dieser Linie im Kursverlauf.

Mittels charttechnischer Analyse waren diese Trendwendepunkte einfach und präzise ermittelbar.

Es handelt sich um einfache psychische Konditionierungsmechanismen: «Wenn Zwischentief 2 und 3 auf dieser Linie lagen, wieso dann nicht auch das nächste Zwischentief? Wenn ich das nächste Zwischentief erneut auf der Trendlinie erwarte, dann kann ich entsprechend dieser Erwartungshaltung auf diesem Kursniveau die Aktie kaufen und meine Position mit engem Stopp absichern. Ja, ich kaufe, wenn der Aktienkurs die Trendlinie erreicht.»

Der Vorteil liegt auf der Hand. Es ist durch Erkennen einer solch markanten Trendlinie möglich, direkt Trendwendepunkte zu prognostizieren und sich dementsprechend zu positionieren. Es gibt andere Tradingmethoden, die später vorgestellt werden, bei denen nicht die offensichtliche psychische Konditionierung gehandelt wird, sondern das Szenario, wenn das Konditionierungsmuster schlagartig ausgehebelt wird. Man lässt den Markt wie ein Huhn eine Reihe von Körnern picken, bis diese Reihe unterbrochen wird und das Huhn nicht mehr weiter weiss. In solchen Phasen, wenn Marktteilnehmer seitens ihrer Positionierung auf dem falschen Fuss erwischt werden, lässt sich diese Zwangslage unter Tradinggesichtspunkten handeln. Dazu aber an anderer Stelle mehr. Hier soll es zunächst einmal nur um die Veranschaulichung des Grundprinzips der charttechnischen Analyse gehen.

Ein weiteres Beispiel.

Anbei der Kursverlauf der Aktie von Du Pont (DD) vom 20. November 2003 bis 15. Dezember 2004. Das Chartbild zeigt eine hochvolatile, leicht nach unten gekippte Seitwärtskorrektur.

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Anbei das gleiche Chartbild mit Darstellung des Kursverlaufs der Aktie von Du Pont (DD) vom 20. November 2003 bis 15. Dezember 2004. In diesem Chartbild wurde lediglich eine markante Chartstruktur, nämlich erneut eine Trendlinie, eingezeichnet.

Das Kursgeschehen von Ende 2003 bis Oktober 2004 orientiert sich ganz massgeblich an einer Trendlinie. Die Mehrzahl der markanten Zwischenhochs in diesem Zeitraum liegt exakt an dieser Trendlinie. Du Pont ist ein Bluechip aus dem Dow Jones und ebenfalls ein Aktientitel, der hauptsächlich von kapitalstarken und fundamentalanalytisch ausgerichteten Marktteilnehmern gehandelt wird. Also auch hier zieht das Argument nicht, wonach charttechnische Analyse nur bei tradingorientierten Marktteilnehmern Anwendung finden soll. Und auch hier sei die Anmerkung gestattet, dass die konkrete Nachrichtenlage zum Zeitpunkt des Erreichens der Trendlinie keinen Hinweis auf eine anstehende Wende gab. Der entscheidende kursbestimmende Faktor war tatsächlich diese Trendlinie. Es handelt sich um psychische Konditionierungsmechanismen: «Wenn Zwischenhoch 3 auf dieser Linie liegt, wieso dann nicht auch das nächste Zwischenhoch? Also verkaufe bzw. leerverkaufe ich, wenn der Aktienkurs die Trendlinie erneut erreichen sollte.» Die Trendlinie hatte ungefähr ein Jahr Wirkung.

3.1.3 Gleitende Durchschnittslinien

Sogenannte gleitende Durchschnittslinien gehören ebenfalls zum Instrumentarium der charttechnischen Analyse. Es sind einfache, aber hocheffektive Instrumente. Gleitende Durchschnittslinien werden von Charting-Programmen automatisch berechnet und in die Charts eingeblendet. Es handelt sich bei ihnen um Glättungen des Kursverlaufs. Je nach Periodeneinstellung lassen sich kurz-, mittel- und langfristige Trends visualisieren. Im Bereich prominenter gleitender Durchschnittslinien, wie beispielsweise des gleitenden 50er-Durchschnitts und des gleitenden 200er-Durchschnitts, liegen oftmals grössere Trendwendebereiche im Kursverlauf.

Für die Visualisierung wurden vereinfachte Darstellungen gewählt. Kursverlauf der Aktie von W PATTERSON Companies (PDCO) seit 1996. Die rote Linie in dem Chart zeigt die exponentiell gewichtete gleitende Durchschnittslinie 200 (EMA200). Mittelfristig ausgerichtete Marktteilnehmer orientieren sich oft an diesem gleitenden Durchschnitt. Sie sehen, dass seit 1996 wichtige mittelfristige Tiefs auf dieser Linie liegen. Diese Linie fungierte also als Unterstützung, als charttechnisches Kaufniveau. Wieder liegt der Vorteil auf der Hand. Wenn die betreffende Aktie korrigierte, konnte man davon ausgehen, dass die Korrektur im Bereich der exponentiell gewichteten gleitenden Durchschnittslinie 200 beendet werden könnte. Entsprechend dieser Erwartungshaltung bot es sich an, die Aktie auf dem gleitenden Durchschnitt zu kaufen.

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Kursverlauf vom S&P 500 Index seit 1997. Die blaue Linie in dem Chart zeigt die exponentiell gewichtete gleitende Durchschnittslinie 50 (EMA50). Mittelfristig ausgerichtete Marktteilnehmer orientieren sich auch an diesem gleitenden Durchschnitt. Während des Bärenmarkts 2000 bis 2002 fungierte der gleitende Durchschnitt als Widerstand. Hier verkauften die Marktteilnehmer. Der Index prallte nach unten ab. Im Rahmen des neuen Bullenmarkts seit 2003 fungiert der gleitende Durchschnitt als Unterstützung und damit als charttechnisches Kaufniveau. Sie sehen, dass seit 2004 mittelfristige Tiefs auf der Durchschnittslinie gesetzt wurden.

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3.1.4 Bodenbildung

Alleine durch das Betrachten eines Kursverlaufs können Sie mögliche Böden, sprich untere Trendwendepunkte, finden. Wie sind entstehende Zwischentiefs relativ zueinander angeordnet? Entscheidend ist die Art und Weise, wie sich der Kursverlauf entwickelt. Er gibt wichtige Anhaltspunkte für eine mögliche Bodenbildung einer Aktie, eines Index, eines Rohstoffs oder einer Währung.

In diesem Beispiel wird aufgezeigt, wie sich alleine anhand der Betrachtung des Kursverlaufs ein Trendwendepunkt, ein Boden, erkennen und darauf basierend ein beginnender Kursanstieg prognostizieren lässt.

Anbei schematisch dargestellt ein Kursverlaufsszenario. Der Kurs fällt zunächst nach unten ab, kann sich stabilisieren und dann deutlich ansteigen. Es kann sich hierbei um den Kursverlauf einer Aktie, eines Index, eines Devisenpaares, eines Rohstoffs handeln. Zentrale Frage aus Sicht des charttechnischen Analysten: Wie stabilisiert sich der Kurs? In welcher Form, in welcher Anordnung, in welchem Muster?

In Form einer sogenannten inversen Schulter-Kopf-Bodenformation, kurz inverse SKS-Formation. Im Schema ist diese inverse SKS-Formation mit Buchstaben gekennzeichnet. Laut Charttechnik stellt eine solche inverse SKS-Formation einen Trendwendepunkt dar und kündigt steigende Kurse an. Die Formation definiert sich hauptsächlich über die Anordnung der Zwischentiefs. Die inverse SKS-Formation ist eine von zahlreichen charttechnischen Bodenformationen.

Die Formation wird in Kapitel 3.5.4 genau erklärt. In diesem Kapitel soll es darum gehen, das Thema «Charttechnik» zu visualisieren. Deshalb richtet sich der Fokus auf die Konturen einer inversen SKS-Formation. Prägen Sie sich die Konturen dieser inversen SKS-Bodenformation gut ein. Es folgen nun die realen Beispiele. Sie werden sehen, was mit dem Satz «Den Kursverlauf lesen wie ein Buch» gemeint ist.

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Kursverlauf der Infineon-Aktie auf Sicht mehrerer Monate im Jahr 2005. In den Monaten April und Mai 2005 erkennen Sie eine inverse SKS-Bodenformation. Zur Wiederholung: Entsprechend dem eingangs erläuterten Schema markierte die inverse SKS-Formation einen Trendwendepunkt und leitete steigende Kurse ein. Die Aktie war also charttechnisch ein Kauf. Vergleichen Sie die inverse SKS-Formation im beigefügten Infineon-Chart mit dem eingangs erläuterten Schema.

Kursverlauf des US Bank Index ($BKX), in dem die hoch kapitalisierten Aktien der US-Banken gelistet sind. Im Oktober 2005 sehen Sie eine inverse SKS-Bodenformation. Entsprechend dem eingangs erläuterten Schema markierte die inverse SKS-Formation einen Trendwendepunkt und leitete steigende Kurse ein. Der Index war also charttechnisch ein Kauf.

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Kursverlauf der Viacom-Aktie. Im Oktober 2005 erkennen Sie eine inverse SKS-Bodenformation. Zur Wiederholung: Entsprechend dem eingangs erläuterten Schema markierte die inverse SKS-Formation einen Trendwendepunkt und leitete steigende Kurse ein. Die Aktie war also charttechnisch ein Kauf.

Kursverlauf der Aktie von Clear Channel Com (CCU). In den Monaten Mai und Juni 2005 erkennen Sie eine inverse SKS-Bodenformation. Zur Wiederholung: Entsprechend dem eingangs erläuterten Schema markierte die inverse SKS-Formation einen Trendwendepunkt und leitete steigende Kurse ein. Die Aktie war also charttechnisch ein Kauf.

Kursverlauf der Aktie von Jabil Circuit (JBL). Im Januar 2005 erkennen Sie eine inverse SKS-Bodenformation. Zur Wiederholung: Entsprechend dem eingangs erläuterten Schema markierte die inverse SKS-Formation einen Trendwendepunkt und leitete steigende Kurse ein. Die Aktie war also charttechnisch ein Kauf.

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Die in diesem Kapitel dargestellten inversen SKS-Formationen in den Kursverläufen der Aktien und des Index sind ein Paradebeispiel dafür, was mit dem Satz «Den Kursverlauf lesen wie ein Buch» gemeint ist. Durch das alleinige Betrachten des Kursverlaufs ist es möglich, Prognosen zum zukünftigen Kursverlauf anzustellen.

Durch alleiniges Betrachten des Kursverlaufs einen bevorstehenden Ausbruch erkennen In diesem Beispiel wird aufgezeigt, wie alleine anhand der Betrachtung des Kursverlaufs ein bevorstehender Kursausbruch erkannt werden kann. Wenn man einen bevorstehenden Kursausbruch mittels charttechnischer Analyse erkennen kann, bietet es sich an, sich entsprechend dieser Erwartungshaltung zu positionieren. Anbei schematisch dargestellt ein Kursverlaufsszenario.

Nach einem Kursverfall oder nach einem Kursanstieg konsolidiert der Kurs in einer Form, die einem Dreieck ähnelt. Es handelt sich laut Charttechnik um ein sogenanntes symmetrisches Dreieck. Die Hauptaussage eines solchen Dreiecks ist die, dass sich ein Kursausbruch ankündigt. Prägen Sie sich einfach die Konturen dieses Dreiecks gut ein. Es folgen nun die realen Beispiele. Ein weiteres Mal werden Sie sehen, was mit dem Satz «Den Kursverlauf lesen wie ein Buch» gemeint ist.

Im Kursverlauf der Aktie von Bechtle AG in den Monaten November und Dezember 2005 erkennen Sie ein symmetrisches Dreieck. Entsprechend dem erläuterten Schema kündigte diese Art der Konsolidierung einen Kursausbruch an. Zum Vergleich ist in der Chartgrafik als kleiner Ausschnitt das Dreiecksschema eingeblendet.

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Im Kursverlauf der Aktie von Sun Microsystems (SUNW) von November 2002 bis Mai 2003 erkennen Sie ein symmetrisches Dreieck. Zum Vergleich ist in der Chartgrafik auch hier als kleiner Ausschnitt das Dreiecksschema eingeblendet. Entsprechend dem erläuterten Schema kündigte diese Art der Konsolidierung einen Kursausbruch an.

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Im Kursverlauf der Aktie von Chiron (CHIR) von März bis September 2005 erkennen Sie ein symmetrisches Dreieck. Entsprechend dem erläuterten Schema kündigte diese Art der Konsolidierung einen Kursausbruch an.

Im Kursverlauf der Aktie von Walgreen (WAG) in den Monaten November und Dezember 2004 erkennen Sie ein symmetrisches Dreieck. Entsprechend dem erläuterten Schema kündigte diese Art der Konsolidierung einen Kursausbruch an.

Im Kursverlauf der Aktie von CMS Energy (CMS) von März bis Mai 2005 erkennen Sie ein symmetrisches Dreieck. Entsprechend dem erläuterten Schema kündigte diese Art der Konsolidierung einen Kursausbruch an.

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Im Kursverlauf des Amex Biotech Index ($BTK) – in diesem Index sind alle wichtigen hoch kapitalisierten US-Biotechaktien gelistet – von Mitte 2002 bis Anfang 2003 erkennen Sie ein symmetrisches Dreieck. Entsprechend dem erläuterten Schema kündigte diese Art der Konsolidierung einen Kursausbruch an.

Im Kursverlauf des Combined Telecom Index ($IXTCX) erkennen Sie ein symmetrisches Dreieck, das sich über zwei Jahre erstreckt. Entsprechend dem erläuterten Schema kündigte diese Art der Konsolidierung einen Kursausbruch an. Ein Dreieck in diesem ausgedehnten Zeitfenster kündigt einen Ausbruch in vergleichbarer Dimension an.

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3.1.5 Der Faktor «Zeit»

Im Rahmen der Technischen Analyse spielt auch die Auswertung von Zyklen und Saisonalitäten eine wichtige Rolle. Auch in der Zeitebene lassen sich immer wiederkehrende Elemente und Verlaufsformen finden. Solche Zyklen müssen nicht statisch sein. Da die Märkte ein fortlaufendes dynamisches Geschehen darstellen, gilt es, ebenfalls die Zyklen von Zeit zu Zeit anzupassen. Dennoch bietet auch die Auswertung der Zeitdimension wichtige prognostisch verwertbare Informationen. Die Kenntnis beispielsweise eines Zeitfensters, in dem die Wahrscheinlichkeit für eine Korrektur der Märkte erhöht ist, ist eine wertvolle Information für den Anleger. Sie kann bei Anlageentscheidungen berücksichtigt werden.

Anbei der Kursverlauf des Dow Jones. Es sind zwei wichtige statische Zyklen markiert.

Mit den senkrechten blauen Linien ist der 72-Wochen-Zyklus abgetragen. Ausgangspunkt hier ist das Allzeithoch im Januar 2000. Der Zyklus funktionierte aber auch schon in den 90er-Jahren. Im Takt von 72 Wochen wurden mittelfristig markante Hochs bzw. Tiefs ausgebildet. So das Hoch im Mai 2001, das Bärenmarkttief im Oktober 2002, das Hoch im Januar 2004. Mit den breiten hellgrauen senkrechten Balken ist der Oktobermonat eines jeden Jahres seit 2000 markiert. Seit dem Jahr 2000 startete im Oktober eines jeden Jahres eine Jahresendrallye. Sogar im Jahr 2000, in dem der Markt in den Bärenmarkt überging, gab es eine nicht unerhebliche Kurserholung ab Oktober. Das Sell-off-Tief 2001 lag im Oktober, das Bärenmarkttief 2002 lag im Oktober, 2003 gab es ab Oktober eine Fortsetzung der Rallye, 2004 wurde der zähe Korrekturprozess im Oktober beendet. Dies als Beispiel dafür, dass im Rahmen der charttechnischen Analyse neben der Preis- auch die Zeitdimension ausgewertet wird.

Es lässt sich also nicht nur ermitteln, auf welchem Kursniveau beispielweise eine Aktie ein Kauf ist, sondern auch zu welchem Zeitpunkt.

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3.1.6 Warum Charttechnik funktioniert

Laut der Dow-Theorie, die Basis der charttechnischen Analyse ist, sind die wesentlichen fundamentalen Informationen in einem Aktienkurs eskomptiert, also eingepreist. Zwar ist das Thema in der Einleitung des Buchs bereits intensiv zur Sprache gekommen, wegen der Wichtigkeit für das allgemeine Grundverständnis der Märkte nun nochmals das folgende erläuternde Kapitel.

Im Kursverlauf zeigen sich die Aktivitäten aller Marktteilnehmer. Seien es die Aktivitäten der Institutionellen, Fonds, Market Maker, Risiko-hedgenden Unternehmen oder seien es die Aktivitäten der vielen Privatanleger. Der Kursverlauf (Chart) spiegelt die Einschätzungen aller Marktteilnehmer wider. Dabei können die Einschätzungen auf unterschiedlichsten methodischen Fundamenten stehen. Insofern spiegelt der Kursverlauf kumuliert die Einschätzungen und Motive aller teilnehmenden Marktakteure und deren Transaktionsaktivität wider. Sie sind für den Kapitalstrom verantwortlich und nicht die Analysten, Journalisten etc., die sich lediglich zum Markt äussern.

Wenn es Ziel des Traders und des Investors ist, von Kursbewegungen zu profitieren, muss ermittelt werden, was die Kurse genau bewegt. Wer bewegt die Kurse? Welche Marktteilnehmer dominieren einen bestimmten Basiswert? Und warum werden Kurse bewegt? Was sind die Motive für Marktaktivitäten?

Im Kursverlauf lassen sich die Aktivitäten aller Marktteilnehmer sehen. Seien es die Aktivitäten der Institu-tionellen, Fonds, Market Maker oder seien es die Aktivitäten der Kleinanleger. Der Kursverlauf (Chart) spiegelt die Einschätzungen aller Marktteilnehmer wider. Dabei können die Einschätzungen auf unterschiedlichsten methodischen Fundamenten stehen. Der eine Anleger ist aufgrund der Nachrichtenlage investiert, der andere aufgrund der Ergebnisse fundamentaler Analyse, der andere wegen der charttechnischen Situation, wieder ein anderer aus reiner Intuition. Der eine Anleger hat lange tiefgreifendes Research betrieben, der andere wiederum hat einfach nur einen Tipp des Nachbarn aufgeschnappt und umgesetzt. Der eine Anleger ist gehebelt im Markt investiert, der andere hedged bestehende Positionen ab. Der eine Anleger stösst eine grössere Aktienposition ab, deren Verkauf aufgrund der Grösse mehrere Wochen in Anspruch nimmt, der andere Anleger drückt lediglich kurz auf den Verkaufsknopf seiner Tradingsoftware und ist in Sekundenschnelle mit seiner Position wieder aus dem Markt heraus. Der eine Fonds verkauft eine Aktienposition und leitet damit fallende Kurse ein, obwohl die fundamentalen Aussichten zu dem zugrunde liegenden Unternehmen weiter ausgezeichnet sind, der eine oder andere Kleinanleger wird durch diese Konsolidierung aus der betreffenden Aktie ausgestoppt.

In bestimmten Marktphasen spielt das Stimmungsbild der Marktteilnehmer eine entscheidende Rolle für Trading- und Investmententscheidungen. Der eine Marktteilnehmer kauft, weil er bereits gute Gewinne gemacht hat und in ihm die Gier geweckt wurde, der andere Marktteilnehmer kauft sogar auf Kredit, weil er noch mehr Gewinne machen möchte.

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Nicht selten gibt es Kursbewegungen, die auf kurzfristige Zwangslagen bestimmter Marktteilnehmer hinweisen. Besonders dann, wenn das Momentum, also der Orderflow pro Zeiteinheit, beispielweise in einer Aktie besonders hoch ist und die Kurse sich gleichzeitig sehr schnell und stark bewegen, ist dies ein Zeichen dafür, dass Marktteil-nehmer aufgrund einer Schieflage zwangsliquidiert werden.

Sie sehen, es herrscht ein Kommen und Gehen. Und zwar ein sehr komplexes Kommen und Gehen. Im Kursverlauf (Chart) sehen Sie also gleichermassen die kumulierte Gesamtmeinung und die kumulierte Gesamtaktivität zu dem betreffenden Basiswert. Dies ist ein zentraler Punkt, den Sie sich unbedingt vergegenwärtigen sollten, wenn Sie am Markt aktiv sind. Der Markt hat immer recht. Es mag hart klingen, aber nicht Ihre Meinung zu dem betreffenden Basiswert zählt, sondern eben diese kumulierte Gesamtmeinung. Ihre Meinung und Ihre darauf basierende Trading- und Investmentaktivität ist lediglich ein kleiner Teil der Gesamtmeinung und Gesamtaktivität und «somit irrelevant». Diese provokante Aussage richtet sich an den Kleinanleger, der meint, sich ein umfassendes Bild zu seiner Telekom-Aktie gemacht zu haben, ebenso wie an den Fondsmanager, der sicherlich eine deutlich gründlichere fundamentale Einschätzung zu einem Basiswert besitzt. Nicht Sie als Individuum bewegen die Kurse massgeblich in eine Richtung, sondern die Masse mit ihrer Gesamtmeinung. Innerhalb der Masse haben allerdings die kapital starken Markt-akteure kursbewegendere Macht. Deshalb gilt es mit diesen «grossen Fischen» zu schwimmen, die in der Regel die grossen übergeordneten Trends wesentlich bestimmen. Man spricht im Traderfachjargon auch vom «Smart Money» oder den «Big Boys». Mittels charttechnischer Analyse werden die Gesamtmeinung und die Gesamtaktivität ausgewertet, quantifiziert und in eine Prognose umgemünzt.

3.1.7 Charttechnik – kurzfristig

Viele Anleger werden aus eigener Erfahrung der Aussage zustimmen, dass Kursreaktionen auf Nachrichten oftmals nicht nachvollziehbar sind. Der Kurs kann nach einer Nachricht steigen oder fallen. Zwischen einem Nachrichtentypus und der darauffolgenden Kursreaktion liegt schlichtweg keine wie auch immer geartete Korrelation vor. Mal ist es «sell on good news», dann wieder ein «buy on good news». Wenn keine Korrelation vorliegt, kein erkennbarer Zusammenhang, dann kann der Anleger auch keine konkrete Erwartungshaltung bezüglich des voraussichtlichen Kursverlaufs entwickeln. Und Letztere benötigt er, um den Markt handeln zu können. Kurzfristige Kursbewegungen, seien sie im Minuten-, Stunden- oder Tagesbereich angesiedelt, lassen sich hervor ragend mittels charttechnischer Analyse prognostisch eingrenzen. Mittels charttechnischer Analyse können Sie sondieren, wo potenzielle Intraday-Böden, Intraday-Kursziele und mögliche obere Trendwenden liegen. Je präziser Sie das Intraday-Kursgeschehen eingrenzen können, desto enger können Sie Ihre Stop-Loss platzieren. Je enger Sie Ihr Stop setzen können, desto grössere Positionen können Sie aufbauen, desto grösser können Sie also den Hebel wählen.

Der kurzfristige Handel an den Finanzmärkten wird in Scalptrading, Swingtrading, Positionstrading unterteilt. Diese Kategorisierung hat alleine das zeitliche Momentum als Kriterium.

Scalptrading: Trading insbesondere von Indexfutures, (Bonds-Futures), Devisen, aber auch liquiden Aktien im Sekunden- und Minutenbereich.

Swingtrading: Trading im Stundenbereich, maximal ein bis zwei Handelstage.

Positionstrading: Trading jeglichen Finanzinstruments auf Sicht von Tagen bis Wochen, maximal einigen wenigen Monaten.

Es besteht Konsens darüber, dass der Handel im kurzfristigen Zeitfenster weitgehend basierend auf charttechnischer Analyse erfolgt. Ohne Charttechnik geht kurzfristig nichts. Es gibt zwar das Newstrading (als Nicht-Charttechnik-basiertes Trading) von niedrigkapitalisierten Aktien, aber es ist als eher untergeordnet einzuordnen.

Kursbewegungen im kurzfristigen Zeitfenster erfolgen sehr oft völlig unabhängig von Fundamentaldaten und konkreten Nachrichten. So kann der Aktienkurs fallen, obwohl ein Unternehmen bessere Quartalszahlen als erwartet und einen exzellenten Ausblick präsentieren konnte. Der Ölpreis kann plötzlich ansteigen, obwohl die Öllager nachweislich überquellen, in den grossen Häfen wie Rotterdam ganze Tankerflotten als Speicher von physischem Öl liegen und, um das fiktive Beispiel auf die Höhe zu treiben, gleichzeitig noch neue Ölfelder entdeckt werden.

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3.1.8 Charttechnik – mittelfristig

Keine Frage, die Märkte sind in den letzten Jahren deutlich volatiler geworden. Mittelfristige Trends, einmal nach oben gerichtet, dann wieder nach unten gerichtet, wechseln sich immer rascher ab. Seit dem Platzen der Internetblase im Jahr 2000 und dem damit verbundenen Crash ist das Marktumfeld für Investoren unberechenbarer geworden. Dies entspricht der makroökonomischen Entwicklung.

Schauen Sie sich einfach einmal die folgende Chartgalerie an. Sie sehen das ständige Hin und Her ausgeprägter mittelfristiger Trends. Der Markt kippt von einem Extrem ins andere. Als Anleger müssen Sie sich auf diese exzessive Volatilität einstellen. Sie müssen reagieren, Sie müssen mit Ihrem Anlagestil adaptieren. Und so viel ist auch klar: Sie müssen aktiver handeln.

Mittels charttechnischer Analyse lässt sich an dieser Schwankungsbreite der Finanzmärkte ausgezeichnet partizipieren, weil Sie schlichtweg präziser Ihre Anlageentscheidungen timen können.

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Marktteilnehmer sind ständig auf der Suche nach dem nächsten Megatrend. Solar? Rohstoffe? Wasser? China? Osteuropa? Oder doch wieder Technologie?

Die Sondierung des «richtigen Einstiegs», des «richtigen Trends» und der Stärke eines vorliegenden Trends ist auch für den Investor wichtiger denn je geworden.

Kostolanys Rat, gute Aktien zu kaufen und dann für die nächsten zehn Jahre eine Schlaftablette zu nehmen, hat für anhaltende Trendmärkte Berechtigung. Während der Marktphase, in der Kostolany diesen Ratschlag erteilte, war er sinnvoll. Man sollte dem Mann insofern nachträglich nicht unrecht tun.

Marktteilnehmer, die allerdings den Bärenmarkt 2000 bis 2002 miterlebt haben, sind eben durch diesen psychisch konditioniert. Wer auf eine heisse Herdplatte fasst, der wird sich sein ganzes Leben lang im Bereich von Herdplatten sehr vorsichtig aufhalten. Anders ausgedrückt: Wenn einem Marktakteur einmal beim Investieren mit der Schlaftablette «Kapital abhanden gekommen ist», wird er nach dieser unschönen Erfahrung sein Anlageverhalten ändern.

Mittelfristig und langfristig ausgerichtete Anleger machen sich richtigerweise und nachvollziehbarerweise hauptsächlich die fundamentale Analyse für ihre Anlageentscheidungen zunutze. Die zentrale Frage, die es im Rahmen des Value-Investing zu beantworten gilt, ist die folgende: Ist eine Aktie überbewertet oder unterbewertet? Wenn die Aktienkurse so weit gefallen sind, dass sie unterbewertet sind, kauft der Value- Investor. Dieses Vorgehen setzt voraus, dass der Value-Investor eine fundamentale Unterbewertung tatsächlich adäquat erkennen kann.

Es ist hinzuzufügen, dass fundamentale Unterbewertungen sehr lange anhalten können.

Der Ansatz des Value-Investing ist insofern sehr interessant, weil bei adäquater Vorgehensweise zu günstigen Bewertungen gekauft wird und darauf gesetzt wird, dass die gefundenen Unterbewertungen auf jeden Fall «irgendwann», also auf langfristige Sicht, wieder austariert werden. Der Anspruch, das grosse Tief zu kaufen, besteht überhaupt nicht. Zwischenzeitliche Kursverluste in erheblicher Höhe werden akzeptiert, weil auf die hohe Trefferquote der Anlageentscheidungen spekuliert wird. Es ist mir eine Freude, bei der Beschreibung dieses Kontexts die Begrifflichkeit «spekulieren» zu verwenden.

Aber! In der aktuell laufenden Dekade seit 2000 haben es eben diese langfristig ausgerichteten Anleger schwieriger. Auf Sicht von Jahren pendelt der Markt in extremen Bewegungen hin und her. So sehr er sich auch wehren mag, aber auch ein langfristig ausgerichteter Investor gerät unter Zugzwang, was das Timing anbelangt. Deshalb ist festzustellen, dass charttechnische Analyse nun auch in dieser grossen, elitären Anlegergruppe eine zusehends wichtigere Rolle spielt. Insbesondere bei der Auswertung des mittelfristigen Zeitfensters liefert die Chartanalyse nämlich ausgezeichnete prognostische Ergebnisse.

Die fundamentale Analyse als übergeordnete Basis, kombiniert mit der charttechnischen Analyse, stellt sich als sinnvolle Kombination heraus.

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3.1.9 Fundamentalanalyse vs. Chartanalyse

Gerade seitens langfristig ausgerichteter Anleger (Value-Investoren), die in der Regel Anlageentscheidungen basierend auf fundamentalem Research treffen, gibt es Vorbehalte gegen charttechnische Analyse. Aber warum? Gerade angesichts der exzessiven Volatilität mittelfristiger Trends in der aktuell laufenden Dekade seit 2000 dürften die Stimmen von dieser Seite langsam leiser werden.

Charttechnische Analyse und fundamentale Analyse stellen keine Gegensätze dar. Im Gegenteil, sie ergänzen sich hervorragend. Zu den Kunden von GodmodeTrader.de gehören professionelle Marktteilnehmer und Retail-Investoren (Kleinanleger). Fondsmanager und Vermögensverwalter sind erstgenannter Gruppe zuzuordnen. Ihr Anlagehorizont ist in der Regel mittel- und langfristig. Gerade für mittelfristig und langfristig ausgerichtete Investoren ist tiefgreifendes fundamentales Research unabdingbare Basis.

Im Zentrum des Investmentprozesses steht das Research. Es geht darum, sich ein klares umfassendes Bild über die fundamentale Situation eines Unternehmens, einer Branche, einer Region zu machen.

Nach erfolgtem Fundamentalresearch kommt die charttechnische Analyse zum Einsatz. Nämlich dann, wenn es um den konkreten Einstieg in den Markt geht. Wenn es darum geht, Pläne für das Risikomanagement («Wo setze ich mein protektives Stop zwecks Verlustbegrenzung?») und für das Money Management («Wie viel Kapital setze ich pro Position ein?») zu entwickeln.

Eine Aktie kann über längere Phasen weit unter oder über ihrem Buchwert notieren. Überhaupt gilt es festzuhalten, dass der Aktienkurs meistens eben nicht im Bereich des fundamental ermittelten Werts notiert. Betrachtet man die Märkte Ende der 90er-Jahre, so lagen hier über Jahre hinweg fundamentale Überbewertungen vor. 2000 begann die Internetblase zu platzen und es kam zum grössten Einbruch der Märkte seit dem legendären Crash 1929. Im Rahmen des letzten Sell-offs des Bärenmarkts lagen bei zahlreichen DAX-Aktien nachweislich sogar fundamentale Unterbewertungen vor. Der Markt hatte von einem Extrem in das andere Extrem gewechselt.

Je nach Marktphase hat die Stimmung der Marktteilnehmer einen weit grösseren Anteil an der Kursbewegung als die tatsächlichen zugrunde liegenden fundamentalen Fakten. Und genau hier setzt die charttechnische Analyse an. Egal in welcher Marktphase, egal in welchem Markt, die charttechnische Analyse ist nahezu immer hochgradig effektiv. Zur Zeit des Neuen Markts mit seinen Intershops, EM-TVs und Mobilcoms war die euphorische Stimmung der Marktteilnehmer ganz massgeblicher kursbestimmender Faktor. Es entwickelte sich eine regelrechte Massenpsychose. Mit angemessener fundamentaler Bewertung hatte das Kursgeschehen nichts mehr zu tun. In dem einen oder anderen Gespräch äusserte sich so mancher Vermögensverwalter und Fondsmanager mit Entsetzen: «Was sich hier abspielt, ist der absolute Wahnsinn. Die Märkte haben sich komplett von den eigentlichen fundamental herleitbaren Bewertungen abgekoppelt.» Dazu sei aus Sicht des Traders und charttechnischen Analysten Folgendes angemerkt. Es mag sein, dass die Märkte nach fundamentalen Kriterien masslos überbewertet waren. War dies aber ein Grund, nicht von den Kursbewegungen zu profitieren? Wenn man die Möglichkeit hatte, jederzeit schnell aus dem Markt auszusteigen, definitiv nicht. Es war gut zu wissen, dass fundamentale Überbewertungen vorlagen, um sich der Risiken bewusst zu werden. Aber solange der Markt stieg, stieg er. Es gab somit einen Grund, mit von der Partie zu sein. Die Kunst ist und bleibt die, rechtzeitig abzuspringen. Hierfür hat sich die charttechnische Analyse als wertvolles Instrumentarium erwiesen.

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3.1.10 Weiterführende Informationen

Wo erfahre ich mehr zum Thema Technische Analyse?

– Nutzen Sie unseren kostenlosen KeyInvest Daily Markets Newsletter. Hier finden Sie börsentäglich charttechnische Analysen zu zwei Basiswerten.

– Im Online-Handbuch (Rubrik Lernen & Infos) haben wir drei charttechnische Betrachtungen (Gold, Novartis, SMI) für Sie bereitgestellt, die auch als PDF-Datei heruntergeladen werden können. Hier erfahren Sie mehr über drei ausgewählte Chartformationen (Steigendes Dreieck, Trendkanal, Schulter-Kopf-Schulter) und die Nutzungsmöglichkeiten des UBS KeyInvest Trend Radar-Tools.

– Es gibt eine umfangreiche Literatur sowie Webpages und Blogs zum Thema. Als Standardwerke werden vielfach John J. Murphy, Technische Analyse der Finanzmärkte, und Jack D. Schwager, Schwager on Futures / Technische Analyse, empfohlen.

3.2 Der Chart / Der Kursverlauf

Der Chart und der Kursverlauf geben mehr Informationen preis, als so mancher Anleger erahnen mag. Es gibt unterschiedlichste Darstellungsarten eines Kursverlaufs, die dem Charttechniker erlauben, wie eine Art Lupe über die Charts zu gehen und kleinste Details zu erfassen und zu interpretieren.

Was ist ein Chart?

Bei einem Chart handelt es sich um den Kursverlauf (Preisentwicklung) eines bestimmten Basiswerts. Basiswerte können Aktien, Indizes, Devisen, Anleihen, Rohstoffe oder jegliches gehandelte Produkt mit Preisentwicklung sein. Der Chart steht im Zentrum der charttechnischen Analyse. Zunächst einmal zeigt eine Chartgrafik den Kursverlauf, die Wertentwicklung, die Preisentwicklung des betreffenden Basiswerts über einen bestimmten Zeitraum.

In der Regel wird auf der Abszisse (X-Achse) der Zeitfaktor dargestellt, auf der senkrechten Ordinate (Y-Achse) das Preis- bzw. Kursniveau.

Anbei exemplarisch die Kursverläufe (Charts) einiger bekannter Basiswerte.

Chart des DAX seit Februar 1996. Am 7. März 2000 erreichte der Index sein Allzeithoch bei 8136 Punkten. Anschliessend gaben die Notierungen drei Jahre lang ab, um am 12. März 2003 bei 2188 Punkten das Bärenmarkttief auszubilden.

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Chart der Aktie der Deutschen Telekom seit Dezember 1996. Das Allzeithoch erreichte die Aktie am 6. März 2000 bei 104,90 Euro. Am 26. Juni 2002 konnte das Bärenmarkttief bei 8,14 Euro gesetzt werden.

Chart des Dow Jones seit Juli 1996. Am 14. Januar 2000 wurde das Allzeithoch bei 11 750 Punkten, am 10. Oktober 2002 das Bärenmarkttief bei 7197 Punkten erreicht.

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Chart des BUND Future seit Juli 2001. Der BUND Future ist der für den deutschen Rentenmarkt richtungsweisende Future.

Chart von Brent Öl seit Anfang 2000. Bei der schnellen Sichtung des Charts zeigt sich ein Ölpreisanstieg seit 2002 ausgehend von 18 US-Dollar pro Barrel bis dato 70 US-Dollar.

Chart des Währungsverhältnisses Euro gegenüber US-Dollar seit August 2001. Anfang 2002 bis Dezember 2004 konnte der Euro deutlich aufwerten. Ein markantes Hoch wurde am 30. Dezember 2004 bei 1,3666 US-Dollar ausgebildet.

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Sie sehen, die Kursverläufe (Charts) unterschiedlichster Basiswerte lassen sich darstellen. Dem normalen Beobachter dienen solche Kursverläufe als Übersichtsdarstellung, um sich grob zu orientieren. Dem charttechnischen Analysten und professionellen Trader bieten diese Charts aber eine Fülle wichtiger Informationen, die sich auswerten lassen.

In den dargestellten Chartbeispielen wurde die klassische Linienchartdarstellung gewählt. Das heisst, dass die Schlussstände chronologisch aneinander gereiht werden.

Im Zusammenhang mit der Chartdarstellung werden nun folgende wichtige Punkte vorgestellt:

• Chartdarstellungsformen (Charttypen) • Chartintervalle • Chartskalierung

3.2.1 Charttypen

Zum Instrumentarium der charttechnischen Analyse gehört die Möglichkeit, Kursverläufe (Charts) in unterschiedlicher Form darzustellen und auszuwerten. Ausgangspunkt einer jeden charttechischen Analyse ist die Darstellung des Kursverlaufs des betreffenden Basiswerts als klassischer Linienchart. Anschliessend hält der Charttechniker quasi mit einer Lupe auf diesen Linienchart drauf und wechselt auf andere Darstellungstypen wie beispielsweise Balken- oder Kerzencharts. Das charttechnische Analysieren erfolgt mittels Charting-Software. Mit jeweils nur einem einzigen Mausklick kann mit solchen Charting Programmen der Charttypus umgestellt werden. Die absoluten Grundfunktionen bieten bereits die Chartseiten der grossen Onlinebroker und Banken.

Liste der Charttypen:

• Linienchart • Balkenchart (Barchart) • Kerzenchart (Candlestick Chart) • Point & Figure Chart • Renko Chart • Three Line Break Chart • Kagi Chart • Heikin Ashi Chart

Durch diese Umstellung auf einen anderen Darstellungstyp erhält der Charttechniker mehr Informationen und vor allen Dingen präzisere Informationen, die eine umso präzisere Prognosestellung erlauben.

In den folgenden Chartbeispielen ist der Kursverlauf vom DAX seit 29. November 2005 dargestellt.

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Linienchart Der klassische Linienchart bietet eine gute Übersicht des übergeordneten Bilds des Kursverlaufs. Sichtbar werden die übergeordneten Trends. Steigt der Basiswert im mittelfristigen Zeitfenster, läuft er seitwärts oder fällt er? Ausserdem lässt sich bereits im Linienchart das Volatilitätsmuster des betreffenden Basiswerts erkennen. Entwickeln sich Kursbewegungen gemächlich in breitbasigen Zyklen oder aber hektisch mit grossen sägezahnartigen Aus-schlägen? Im Linienchart können ausserdem wichtige nachrichtentechnisch relevante Termine markiert werden, um die Kursreaktion auf diese Termine und Ereignisse beobachten zu können. Die Beschau dieses Liniencharts sollte am Beginn einer charttechnischen Analyse stehen. Anbei der Linienchart des DAX seit 29. November 2005 auf Tagesbasis. Das heisst, dass hier die Tagesschlusskurse seit dem 29. November 2005 chronologisch aneinander-gereiht sind. Für die Darstellung des Kursverlaufs in grösseren zeitlichen Fenstern, beispielweise auf Sicht mehrerer Jahre oder gar Jahrzehnte, bietet sich die Darstellung auf Wochen- oder Monatsbasis an. Das heisst, dass dann die Wochen- bzw. Monatsschlusskurse chronologisch aneinandergereiht werden.

Balkenchart (Barchart) Anbei sehen Sie eine Balkenchartdarstellung exakt des Kursverlaufsabschnitts, der auch in dem Linienchart zuvor dargestellt ist. Die Umstellung von Linienchart auf Balkenchart ist vergleichbar mit einer Lupenfunktion. Der Balkenchart besteht aus lauter aneinandergereihter kleiner senkrechter Striche, sogenannter Balken (Bars). Im Tages-Balkenchart steht jeder Strich für einen Tag. Im Wochen-Balkenchart steht eine Kerze für eine Woche und im Monats-Balkenchart eine Kerze für einen Monat. Der Balkenchart ist in den USA und in Australien einer der am häufigsten verwendeten Charttypen.

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Anbei die schematische Darstellung eines Balkens.

Ein Balken enthält die folgenden Informationen:

• Das untere Ende des Balkens zeigt den Tiefstkurs an, im Tages-Balkenchart also den Tagestiefstkurs. • Das obere Ende zeigt den Höchstkurs an, im Tages-Balkenchart also den Tageshöchstkurs. • Die gesamte Länge (Höhe) des Balkens zeigt im Tages-Balkenchart die Schwankungsbreite des Tages an. • Der kleine Strich nach links zeigt den Eröffnungskurs an. Ältere Balkencharts zeigen den Eröffnungskurs nicht an. • Der kleine Strich nach rechts zeigt den Schlusskurs an.

Kerzenchart (Candlestick Chart) Anbei sehen Sie eine Kerzenchartdarstellung exakt des Kursverlaufsabschnitts, den auch der eingangs eingeblendete Linienchart zeigt. Es ist der Kursverlauf des DAX seit 29. November 2005. Wie erwähnt erfolgt die Umstellung von einem Charttyp auf den anderen mit einem Mausklick. Die Umstellung vom Linienchart auf den Kerzenchart ist ebenfalls vergleichbar mit einer Lupenfunktion. Im Kerzenchart ist der Kursverlauf durch eine Aneinanderreihung sogenannter Kerzen (Candlesticks) dargestellt. Eine Tageskerze zeigt den Eröffnungs- und den Schlusskurs, den Höchst- und den Tiefstkurs sowie die gesamte Handelsspanne des Tages an. Soweit also die gleichen Informationen wie des Balkencharts. Durch den Kerzenkörper und die Farbe desselben steht neben dem

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genannten Informationsgehalt aber ganz klar die visuelle Darstellung der «Netto-Bewegung» des Tages im Vordergrund. Der Kerzenkörper zeigt den Abstand zwischen Eröffnungs- und Schlusskurs an. Der charttechnische Analyst kann also sehr schnell sehen, ob und in welchem Ausmass beispielweise im Tages-Kerzenchart der Kurs am Tag gestiegen oder gefallen ist. Weltweit handelt es sich bei der Kerzenchartdarstellung um eine der gebräuch-lichsten überhaupt. Entwickelt wurde sie in Japan, weshalb die einzelnen Figuren und Muster ursprünglich auch japanische Bezeichnungen tragen.

Anbei die schematische Kerzendarstellung.

Oben wird eine Verlustkerze, darunter eine Gewinnkerze gezeigt.

• Das untere Ende des dünnen Strichs zeigt den Tiefstkurs an, im Tages-Kerzenchart also den Tagestiefstkurs.

• Das obere Ende des dünnen Strichs zeigt den Höchstkurs an, im Tages-Kerzenchart also den Tageshöchstkurs.

• Die gesamte Länge (Höhe) des dünnen senkrechten Strichs zeigt im Tages-Kerzenchart die Schwankungsbreite des Tages an.

• Der Kerzenkörper zeigt den Abstand zwischen Eröffnungs- und Schlusskurs an, demzufolge die eigentliche «Netto-Kursbewegung».

• Bei einer Verlustkerze ist der Kerzenkörper schwarz (oder rot). Hier liegt der Schlusskurs unter dem Eröffnungskurs. Der Kurs ist in dem besagten Intervall also gefallen. Es ist eine schwache Kerze.

• Bei einer Gewinnkerze ist der Kerzenkörper weiss (oder grün). Der Schlusskurs liegt hier über dem Eröffnungskurs. Der Kurs ist also gestiegen. Es ist eine starke Kerze.

• Der dünne Strich über dem Kerzenkörper wird oberer Schatten (Docht) genannt. Beispielweise bei einer Tages-Verlustkerze heisst dies, dass der Kurs intraday über das Eröffnungskursniveau ansteigen konnte, das Tageshoch erreichte, anschliessend aber wieder zurückfiel. Bei einer Tages-Gewinnkerze bedeutet dies, dass der Kurs intraday über das Schlusskursniveau ansteigen konnte, das Tageshoch ausbildete, dann aber wieder zurückfiel.

• Der dünne Strich unter dem Kerzenkörper wird unterer Schatten (Lunte) genannt. Bei einer Tages-Verlustkerze heisst dies, dass der Kurs intraday unter das eigentliche Schlusskursniveau abfiel, das Tagestief erreichte, sich dann aber wieder erholen konnte. Bei einer Tages-Gewinnkerze bedeutet dies, dass der Kurs intraday unter das Eröffnungskursniveau abfiel, das Tagestief ausbildete, dann aber wieder deutlich ansteigen konnte.

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3.3 Der Trend / Die Richtung Ihres Handelns

Die Trendanalyse ist ein wesentlicher Teil der charttechnischen Analyse. Durch die Bestimmung des jeweils vorliegenden Trends, also der Hauptbewegungsrichtung des Kurses, bestimmen Sie auch die Hauptrichtung Ihrer Anlageentscheidungen. Liegt ein mittelfristiger Aufwärtstrend vor – eine mittelfristige Aufwärtsbewegung –, dann bietet es sich als Anleger an, genau in Richtung dieses Trends zu handeln. Dies tun Sie, indem Sie sich in kurzfristige Kursrücksetzer einkaufen. Ebenfalls beliebt, aber schon spezieller, sind sogenannte Countertrend-Strategien. Hierbei shorten Sie kurzfristige Überhitzungen in einem übergeordneten Aufwärtstrend. Sie sehen, auch dies ein «weites Feld». Im Folgenden führen wir Sie in die Trendanalyse ein.

3.3.1 Das Trendkonzept

Bei einem Chart handelt es sich um den Kursverlauf (Preisentwicklung) eines bestimmten Basiswerts. Basiswerte können Aktien, Indizes, Devisen, Anleihen, Rohstoffe oder jegliches gehandelte Produkt mit Preisentwicklung sein. Der Chart steht im Zentrum der charttechnischen Analyse. Zunächst einmal zeigt eine Chartgrafik den Kursverlauf, die Wertentwicklung, die Preisentwicklung des betreffenden Basiswerts über einen bestimmten Zeitraum.

Die Grundregel professionellen Tradings und Investierens lautet bekanntermassen, in Richtung des übergeordneten Trends zu handeln und nicht gegen ihn.

Die Trendanalyse ist zentraler Bestandteil der charttechnischen Analyse.

Es gibt drei Kursverlaufsrichtungen:

Steigt eine Aktie im betrachteten Zeitfenster stabil an? Liegt ein intakter Aufwärtstrend vor? Fällt eine Aktie im betrachteten Zeitfenster? Liegt demzufolge ein Abwärtstrend vor? Tendiert die Aktie im betrachteten Zeitfenster seitwärts? Bildet sich eine Range, ein Kurskorridor, aus?

Um mit dem Trend oder gegen den Trend zu handeln, ist es zwingend notwendig, zunächst den Trend zu bestimmen. Innerhalb des Marktverlaufes wechseln sich Trendphasen und trendlose Phasen regelmässig ab. Die Trendphasen bieten dabei besonders im mittelfristigen Zeitfenster hohe Profitmöglichkeiten, wogegen in trendlosen Phasen häufiger Verluste auftreten. Sie müssen aus diesem Grund zunächst die Märkte identifi zie-ren, die sich in einer klaren Trendphase befinden, und sollten diejenigen Märkte bei einem trendfolgenden Ansatz meiden, in denen eine Seitwärtsbewegung vorherrscht. Gekennzeichnet ist ein Aufwärtstrend durch eine Abfolge von höheren Bewegungstiefs und höheren Bewegungshochs. Dabei steigt der Markt nicht geradlinig an, sondern bewegt sich in einer Art zackigen Bewegung

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nach oben. Es folgt hier jeweils eine Bewegung in Trendrichtung, die, wenn sich ein Extrempunkt eingestellt hat, in der Gegenrichtung wieder korrigiert wird. Sofern ein Aufwärtstrend vorliegt, sind die aufwärtsgerichteten Bewegungen länger als die zwischengeschalteten Korrekturen. Anhand des Schemas in Abbildung 1 ist dieses Prinzip verdeutlicht.

Auf der oberen linken Hälfte der Grafik ist ein Aufwärtstrend dargestellt, auf der oberen rechten Seite befindet sich die Darstellung eines Abwärtstrends. Hier zeigen die abwärtsgerichteten Bewegungen eine grössere Ausdehnung als die nach oben laufenden Gegenbewegungen. Intakt ist die trendierende Bewegung innerhalb des Aufwärtstrends, solange die jeweiligen Zwischenhochs ein höheres Niveau erreichen als die vorangegangenen Zwischenhochs. Ebenso befinden sich die Zwischentiefs auf höherem Kursniveau als die jeweils vorangegangenen Zwischentiefs. Gegenteilig verhält es sich bei einem Abwärtstrend. Hier haben die aufeinanderfolgenden Zwischentiefs ein jeweils niedrigeres Kursniveau, ebenso wie die innerhalb der Gegenbewegungen gebildeten Zwischenhochs. Das sich daraus ableitende Grundprinzip des Handelsansatzes für den Trader ist einfach. Innerhalb eines Aufwärtstrends wird nach Abschluss einer Korrekturphase, der Gegenbewegung nach unten, gekauft, um bei einsetzen einer neuen Korrekturphase wieder zu verkaufen bzw. nach Abschluss einer weiteren Korrekturphase auf höherem Niveau die anfänglich eingegangenen Positionen zu vergrössern. In einem Abwärtstrend werden nach den Erfolgten Gegenbewegungen nach oben dementsprechend Leerverkäufe getätigt, um von der längeren Phase der abwärtsgerichteten Bewegung zu profitieren. Hier gestaltet sich ein Einstieg deutlich schwieriger, da die Bewegungen in ausgedehnten Abwärtstrends häufig dynamischer verlaufen. Die nach oben gerichteten Korrekturen der übergeordneten Abwärtsbewegung beginnen sehr schnell und weisen häufig eine hohe Ausdehnung auf. Ebenso erfolgt der Abbruch einer derartigen Gegenbewegung auch sehr plötzlich, sodass ein Einstieg in den fallenden Markt riskanter wird.

Neben den beschriebenen Phasen einer trendierenden Bewegung kommt es innerhalb der Märkte aber auch häufig zu trendlosen Phasen. Hier bewegen sich die Märkte übergeordnet seitwärts, wie in Abbildung 1 in der unteren Bildhälfte dargestellt. Diese Phasen der Marktbewegung, die zeitlich stark ausgedehnt werden können, sind ungünstig für einen trendfolgenden Handelsansatz und führen bei dem oben beschriebenen einfachen Einstiegsprinzip häufiger zu Verlusten. Gekennzeichnet ist eine Seitwärtsbewegung dadurch, dass sich der Markt in einer bestimmten Handelsspanne fängt. Es kommt nicht mehr zu ständig höheren Hochs und höheren Tiefs wie beispielsweise im Falle eines Aufwärtstrends. Wie im Schema des Aufwärtstrends in Abbildung 1 dargestellt, gelangt der Markt nach einer ersten Korrektur an den Widerstand in der Form des vorangegangenen Hochs. Ist die Aufwärtsbewegung intakt, kann durch den vorhandenen Kaufdruck dieser Widerstand überwunden werden

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und der Markt erreicht ein neues Hoch. Das Tief der Korrektur bietet jetzt eine neue Unterstützung, die nicht mehr nach unten durchbrochen werden darf, solange der Aufwärtstrend als intakt gelten soll. Darüber hinaus kehrt sich jetzt auch die Rolle des überwundenen ersten Widerstands um. Dieser bietet jetzt ebenfalls eine zu beachtende Unterstützung. Wie im Schema des Aufwärtstrends dargestellt, kann der Markt auf dieser auf höherem Niveau angesiedelten Unterstützung nach oben drehen, was die Nachhaltigkeit dieses Unterstützungsniveaus erhöht. Es ist, um von einem intakten Aufwärtstrend auszugehen, nicht zwingend erforderlich, dass der Markt während einer späteren Korrekturphase auf dem zuvor überwundenen Widerstand die Aufwärtsbewegung erneut aufnehmen kann. Entscheidendes Kriterium für die intakte Aufwärtsbewegung bleibt, dass das zuvor gebildete Korrekturtief nicht mehr unterschritten wird. Anders verhält es sich bei einem Seitwärtstrend. Wie im Schema in der Abbildung 1 dargestellt, wird das durch ein Korrekturtief gebildete Unterstützungsniveau nicht mehr unterschritten, der Markt ist aber auch nicht in der Lage, den durch die Zwischenhochs gebildeten Widerstand nach oben zu durchbrechen. Der Kaufdruck ebbt im Bereich des Widerstands ab, es kann aber während einer untergeordneten Abwärtsbewegung genügend Kaufdruck aufgebaut werden, um den Markt über dem Unterstützungsniveau zu halten. Würde die Unterstützung nach unten gebrochen, können Sie einen neuen beginnenden Abwärtstrend unterstellen, ebenso können Sie bei einem Ausbruch des Marktes über den Widerstand einen neuen Aufwärtstrend unterstellen. Ist ein Seitwärtstrend aber klar identifiziert, kann der Trader den einfachen Handelsansatz anpassen, um auch in einer solchen Marktphase zu profitieren. Im Bereich der Unterstützung werden Käufe getätigt, im Bereich des Widerstands werden die eingegangenen Positionen wieder glattgestellt, bzw. komplett gedreht, um mit eingegangenen Shortpositionen von der erwarteten Abwärtsbewegung bis zum Unterstützungsniveau zu profitieren. Es lassen sich in solchen Seitwärtsbewegungen aber häufig charttechnische Muster ermitteln, die Hinweise auf die Richtung der nächsten trendierenden Bewegung geben, die dann zwangsläufig nach einer Seitwärtsphase folgt. Auf diese charttechnischen Muster wird im weiteren Verlauf noch gesondert eingegangen.

3.3.2 Relativität von Trends

Trends zueinander sind relativ zu sehen. Langfristig bewegen sich die Aktienmärkte über Jahrzehnte nach oben, es liegen also langfristige Aufwärtstrends vor. Innerhalb dieser langfristigen Aufwärtstrends bilden sich zahlreiche mittelfristige Abwärtstrends aus. Und innerhalb der mittelfristigen Trends ergibt sich ein Grundrauschen der Kursbewegungen durch ständig sich abwechselnde Auf- und Abwärtstrends. Für Sie als Anleger ist demzufolge von höchster Priorität, zunächst für sich selbst festzulegen, welche dieser Zeitebenen Sie handeln.

Die vorgestellten Varianten der Trendbewegung, Aufwärtstrends, Abwärtstrends und Seitwärtstrends, wechseln sich ständig ab und lassen sich in den Märkten auch in allen Zeiträumen beobachten. Die genannten Trendphasen können in einem Chart mit einem Monatsintervall ebenso beobachtet werden wie in einem Intradaychart, der als Basis die Kursbewegung einer Minute je Intervall hat. Für das Swing- und Positionstrading stellen sich die mittel-fristigen Marktbewegungen, von einigen Tagen bis hin zu mehreren Wochen, gegebenenfalls einigen Monaten, als besonders lukrativ dar. Entscheidend ist es dabei für den Trader, zunächst den primären Trend zu identifizieren. Dafür bietet sich die Betrachtung des übergeordneten Chartbildes in einem Wochenchart an, der einen Zeitraum von wenigstens zwei Jahren umfasst. In Abbildung 2 wurde als Beispiel die Aktie von Express Scripts dargestellt im Zeitraum von August 2001 bis März 2005.

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Abbildung 2: Aktie von Express Scripts dargestellt im Zeitraum von August 2001 bis zum März 2005

Hier ist ein Aufwärtstrend klar erkennbar. In diesem Zeitraum kommt es zur Bildung mehrerer mittelfristiger Tiefs, die auch als Unterstützungsniveaus fungieren, welche in ihrer Abfolge ein jeweils höheres Niveau haben. Auch die mittelfristig gebildeten Hochs haben ein jeweils höheres Niveau, was aber nicht das entscheidende Kriterium bei einem Aufwärtstrend ist. Innerhalb der primären Aufwärtsbewegung des gesamten betrachteten Zeitraumes lassen sich sekundäre Trendbewegungen erkennen. Diese sind im Chartverlauf blau markiert. Von einer dieser sekundären Trendbewegungen, der Abwärtsbewegung von Juli 2003 bis Oktober 2003, wurde der Tageschart dargestellt. Diese Phase der Marktbewegung lässt sich ebenfalls unterteilen in diesem Trend folgende, abwärtsgerichtete Bewegungen und Zwischenkorrekturen, die nach oben gerichtet sind. Diese kurz-fristigen Trendphasen, die sich über einen Zeitraum von einigen Tagen bis hin zu wenigen Wochen erstrecken, sind die tertiären Trendbewegungen. In diesen tertiären Trendphasen lassen sich nun wieder untergeordnete Trendbewegungen identifizieren, beispielsweise wenn man diese kurzfristigen Trends in einem 60-Minuten-Chart, anschliessend auch in einem Fünf-Minuten-Chart, betrachtet. Für das Timing des Einstieges bei einer mittel -fristigen Orientierung ist diese Betrachtung für den Trader aber nicht mehr notwendig. Hier geht es darum, den sekundären Trend zu handeln, und dies in der Richtung des übergeordneten primären Trends. Das Timing erfolgt dann über die tertiäre Trendphase. Sie warten also auf die Aufnahme eines sekundären Trends, der in der Richtung des primären Trends orientiert ist. Im Falle von Express Scripts ist, da die primäre Trendrichtung nach oben verläuft, der Beginn eines wahrscheinlich sekundären Aufwärtstrends für den Aufbau von Positionen abzuwarten. Dabei bildet die tertiäre Trendphase das Instrument zum Timing des Einstieges. Dieser erfolgt dann, wenn eine untergeordnete nach unten gerichtete tertiäre Trendphase beendet wird. Je nachdem, wie lange die sekundäre Trendphase andauert, können mehrere Käufe bei Beendigung der nach unten gerichteten tertiären Korrekturen erfolgen. Bei diesem pyramidisierend genannten Aufbau von Positionen kann der Trader das Anfangs-risiko gering halten und dennoch von ausgedehnten sekundären Bewegungen mit letztlich grossen Positionen profitieren. Um stabile Trends zu identifizieren, das Ende und den Anfang einer neuen Trendbewegung besser herausstellen zu können sowie um Unterstützungs- und Widerstandsniveaus des Marktes bereits im Vorfeld zu lokalisieren, bieten sich in der technischen Analyse Hilfsmittel an. Im Einzelnen geht es dabei um Trendlinien, gleitende Durchschnitte sowie Fibonacci-Retracements.

3.3.3 Auswärts-, Abwärts- und Seitwärtstrends

Wie genau ist ein Trend aufgebaut? Woran erkenne ich einen Trend? Wie kann ich einen Trend klassifizieren?Das Trendkonzept ist unverzichtbar für den technischen Ansatz der Marktanalyse. Es ist wie die Trendlinie dabei behilflich, den Markttrend zu bestimmen. Und dieser Markttrend ist wichtig, denn wir richten unsere Transaktionen an Trends aus.

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Der Trend hat drei Richtungen

Diese Trends sollten Sie sich nicht als geradlinige Kursbewegungen vorstellen. Vielmehr verlaufen Trends in Formen, die von zackigen Bewegungen charakterisiert sind. Diese zackigen Bewegungen sehen fast schon wie aufeinanderfolgende Wellen aus. Diese Wellen beinhalten Hochs und Tiefs. Die Richtung, in der sich diese Wellen bewegen, zeigt uns den Trend des Marktes. Insgesamt gibt es drei Trendrichtungen: aufwärts, abwärts und seitwärts. Lassen Sie uns im Folgenden einmal Beispiele und Charakteristika für Markttrends näher betrachten.

In der Abbildung 1 sehen Sie das Schema eines Aufwärtstrends.

Abbildung 1: Schema eines Aufwärtstrends mit steigenden Tiefs und steigenden Hochs

Ein solcher Aufwärtstrend ist durch eine Serie sukzessiv höherer Tiefs und höherer Hochs gekennzeichnet. Ein Abwärtstrend ist genau das Gegenteil von einem Aufwärtstrend. In der Abbildung 2 sehen Sie eine schematische Darstellung eines Abwärtstrends mit der charakteristischen Serie von tieferen Hochs und tieferen Tiefs.

Abbildung 2: Schema eines Abwärtstrends mit tieferen Hochs und tieferen Tiefs

Sie sehen, es ist nicht so schwer, einen Aufwärts- beziehungsweise einen Abwärtstrend zu beschreiben. Bleibt noch der Seitwärtstrend, den Sie in der Abbildung 3 sehen. Ein Seitwärtstrend ist durch eine Serie gleich hoher Hochs und gleich tiefer Tiefs konstituiert.

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Abbildung 3: Schema eines Seitwärtstrends mit gleich hohen Hochs und gleich bleibenden Tiefs

Gut, dass der Seitwärtstrend ausdrücklich erwähnt wurde. Denn viele Anleger nehmen an, dass ein Markt entweder auf- oder abwärts tendiert. Tatsächlich bewegt er sich jedoch sehr oft seitwärts in diesen sogenannten Handelsspannen, immer wieder unterbrochen von Auf- und Abwärtstrends. Das Besondere an solchen Seitwärtstrends ist, dass sich Angebot und Nachfrage in einem Gleichgewicht befinden. Solche Marktphasen werden auch als trendlos bezeichnet, was eigentlich nicht ganz richtig ist, aber diese Bezeichnung ist oft Usus.

Vergegenwärtigen wir uns noch einmal die drei dargestellten Trendrichtungen: aufwärts, abwärts und seitwärts. Es fällt nicht schwer, zu assoziieren, dass wir in Aufwärtstrends kaufen sollten, schliesslich nehmen wir ja an, dass sich ein Trend so lange fortsetzt, bis er umkehrt. In Abwärtstrends sollten wir demgemäss leer verkaufen und in Seitwärtstrends gar nichts tun.

Zusätzlich zu den drei Richtungen, die ein Trend aufweisen kann, wird er noch einmal kategorisiert. Diese Kategorien teilen Trends in lang-, mittel- und kurzfristige Trends auf. Langfristige Trends dauern über ein Jahr und werden auch Primärtrends oder primäre Trends genannt.

Primäre Trends verlaufen nicht geradlinig, sondern bestehen (im Falle eines aufwärtsgerichteten Trends) aus Aufwärtsbewegungen und Korrekturen. Diese Aufwärtsbewegungen und Korrekturen sind mittelfristige Trends, auch Sekundärtrends genannt. Sie dauern in der Regel drei Wochen bis hin zu ein paar Monaten. In der Abbildung 4 sehen Sie das Schema von Primär- und Sekundärtrends.

Abbildung 4: Schema der Integration von Primär- und Sekundärtrend

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Das Schema der Abbildung 4 zeigt eine längerfristige Aufwärtsbewegung und eine längerfristige Abwärts-bewegung. Längerfristige Auf- und Abwärtsbewegungen bestehen aus Sicht der klassischen Zyklustheorie aus drei mittelfristigen Aufwärts- beziehungsweise Abwärtsbewegungen, die jeweils von zwei Korrekturen unterbrochen werden. Diese Anzahlen müssen nicht zwangsläufig immer stimmen, aber Sie sollten Sie als Orientierungshilfe ansehen. Wichtig ist, dass Sie die Richtung eines Primärtrends verstehen. Und zwar deshalb, weil Rallyes in diesen langfristigen Aufwärtsbewegungen stark und die Reaktionen, also die Korrekturen, schwach sind. In langfristigen Abwärtsbewegungen ist es anders: Hier sind die Reaktionen, also die Korrekturen, stark, während die Rallyes hingegen kurzlebig, aber sehr stark und teilweise nur schwer vorherzusehen sind. Wenn Sie eine Vorstellung vom langfristigen Trend haben, dann sind Sie besser auf die Natur der mittelfristigen Rallyes und Korrekturen vorbereitet.

Mittelfristige Trends können wiederum in kurzfristige Trends zerlegt werden. Diese kurzfristigen Trends werden auch als Tertiärtrends beziehungsweise tertiäre Trends bezeichnet. Sie haben ein noch kürzeres «Verfallsdatum» und dauern in der Regel weniger als zwei bis drei Wochen.

Nachdem nun diese Kategorisierung von Trends vorgenommen wurde, müssen ein paar wichtige Punkte erwähnt werden. Für einen Investor sind Käufe dann angebracht, wenn der Primärtrend in jener frühen Phase ist, in der er nach oben dreht. Liquidationen sind für den Investor dann angezeigt, wenn der Primärtrend in einer frühen Phase ist, in dem er nach unten dreht. Als Trader sollten Sie darauf achten, dass Sie sich in einem langfristigen Aufwärtstrend jeweils so positionieren, dass Sie die Anfänge mittelfristiger Aufwärtsbewegungen kaufen. Hinsichtlich unserer Kategorisierung kommt dem mittelfristigen Trend also eine besondere Bedeutung zu. Er dient nämlich den meisten Trendfolgeansätzen für eine Positionierung. Der Bruch eines tertiären Abwärtstrends in einem sekundären Aufwärtstrend würde dementsprechend für Käufe genutzt. In diesem Sinne besitzt der tertiäre Trend einen Timing-Charakter und ist Ihnen beim Einstieg in den mittelfristigen Trend behilflich.

Sie handeln also in Richtung des Primärtrends und haben sozusagen Rückenwind von diesem langfristigen Aufwärtstrend. Auch deshalb heisst es: Der Trend ist dein Freund.

In langfristigen Abwärtsbewegungen ist das Traden schwieriger. Es liegt nahe, dass Sie auch hier in Richtung des übergeordneten Primärtrends handeln sollten, also in Richtung der mittelfristigen Abwärtsbewegungen. Mit anderen Worten: Es liegt nahe, dass Sie die Rallyes leer verkaufen. Das ist leicht gesagt, aber im Allgemeinen nicht ganz so einfach für Trader, die noch keine reale Bekanntschaft mit einem Bärenmarkt gemacht haben und an Bullenmärkte gewöhnt sind. Die Gründe sind vielfältig. Zum einen sind die Einstiege in die Umkehrungen des mittelfristigen Aufwärtstrends für Ungeübte hier nicht so einfach wie innerhalb eines langfristigen Bullenmarktes, zum anderen treten Rallyes ausgesprochen plötzlich und in äusserst dynamischer Form auf und verselbstständigen sich teilweise so, dass Sie mit den ganz einfachen Werkzeugen der Technischen Analyse kein geeignetes Prognose-instrument besitzen, um diesen Kursbewegungen Herr zu werden. Letztendlich muss an dieser Stelle aber auch festgehalten werden, dass ein guter Trader in beide Richtungen des Marktes handelt und ihm ein Bärenmarkt besonders zugute kommt.

Ein Aspekt der Klassifizierung von Trends blieb noch unerwähnt: Angemerkt sei, dass diese Klassifikation nur als ungefähre Richtlinie dient. Denn in Wirklichkeit haben wir es mit zig von Trenddauern zu tun, zum Beispiel mit Trends, welche nur wenige Minuten andauern, bis hin zu Trends, die mehrere Jahrzehnte andauern, ja gar Jahrhunderte. Wobei uns Letztere natürlich nicht allzu zweckdienlich sind, denkt man an die Lebenszeiterwartung eines Menschen. Techniker machen häufig Gebrauch von der beschriebenen Klassifikation eines Trends. Dies dient auch der Kommunikabilität von Technikern untereinander. Denn wenn der eine Techniker erwähnt, dass es sich um einen tertiären Trend handelt, weiss der andere Techniker, was gemeint ist, nämlich ein kurzfristiger Trend mit einer Dauer von weniger als zwei bis drei Wochen. In der Praxis kommt es leider immer wieder zu Missverständ-nissen, weil Techniker mit unterschiedlichen Analyseintervallen auch unterschiedliche Ansichten über lang-, mittel- und kurzfristige Trends haben. So kann es zum Beispiel sein, dass für den einen Techniker ein Trend von zwei Stunden Dauer bereits ein Primärtrend ist, für einen anderen jedoch ein tertiärer Trend.

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3.3.4 Unterstützung und Widerstand

Wenn man das Trendprinzip bespricht, gilt es diesbezüglich, das Prinzip von Unterstützungen und Widerständen zu erklären. Auf Unterstützungen ist die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die Kurse nach oben abprallen. An Widerständen ist die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Kurse nach unten abprallen. Also wie findet man solche Chartpunkte?

Unterstützung und Widerstand

Bei der Beschreibung der Trendrichtungen haben wir gesehen, dass sich Trends in einer Serie von zackenförmigen Hochs und Tiefs bewegen und dass die Richtung dieser Tiefs und Hochs die Trendrichtung bestimmt.

Genau genommen werden die besagten zackenförmigen Reaktionstiefs und Hochs auch als Unterstützung und Widerstand bezeichnet. Abbildung 5 zeigt ein Beispiel für die Unterstützungen und Widerstände am Beispiel eines Aufwärtstrends.

Die Reaktionstiefs stellen Unterstützungen für den Kurs dar. An den Unterstützungen ist der Kaufdruck grösser als der Verkaufsdruck, der Kurs steigt (siehe Unterstützung 1). Die Zwischenhochs, die nach Abkehr von einer Unterstützung wieder angestrebt werden, bilden Widerstände (siehe Widerstand 2). An Widerständen ist der Verkaufsdruck höher als der Kaufdruck und der Kurs dreht nach unten ab, und zwar so lange, bis er wieder auf einer Unterstützung (siehe Unterstützung 2) angelangt ist, an welcher genügend Kaufinteresse besteht, um den Kurs wieder steigen zu lassen.

Widerstandslinien unterbrechen die Trendfortsetzung kurzzeitig. Später werden sie überschritten, nämlich dann, wenn entsprechender Kaufdruck entsteht.

Im Falle eines Abwärtstrends (siehe Abbildung 6) gelten die gleichen Prinzipien in umgekehrter Weise.

Abbildung 5: Schema eines Aufwärtstrends. Steigende Unterstützungen und steigende Widerstände

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Abbildung 6: Schema eines Abwärtstrends. Fallende Unterstützungen und fallende Widerstände

Die Reaktionshochs sind Widerstände und die Zwischentiefs sind Unterstützungen. Die Unterstützungen halten nur temporär und werden bei entsprechend grossem Verkaufsdruck zu einem späteren Zeitpunkt überschritten.

Die beiden Darstellungen verdeutlichen das Trendkonzept sehr genau. Ein Aufwärtstrend kann nur dann fortgesetzt werden, wenn jedes Reaktionstief (siehe Unterstützungslinie) höher als das vorangegangene Reaktionstief ist. Zudem muss zur Fortsetzung eines Aufwärtstrends jedes Zwischenhoch das vorherige Zwischenhoch überschreiten. Für einen Abwärtstrend gelten die umgekehrten Bedingungen.

Bleiben wir beim Aufwärtstrend. Betrachten Sie dazu bitte die Abbildung 5 noch einmal. Jede vorherige Wider-standslinie, die überschritten werden muss, um die Fortsetzung des Aufwärtstrends zu gewährleisten, muss als kritisch angesehen werden. Denn wenn an dieser vorhergehenden Widerstandslinie nicht entsprechend genug Kaufdruck entsteht, um den Kurs über die Widerstandslinie zu befördern, oder wenn der Kurs nur kurzfristig vermag, diese Linie zu überschreiten, dann bildet sich ein Doppeltop. Von diesem Doppeltop aus kehrt dann der Trend um, sobald das vorangegangene Reaktionstief, das als Unterstützung dient, überschritten wird (siehe Abbildung 7).

Abbildung 7: Aufwärtstrend mit Trendumkehr in Form eines Doppeltops

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Das Gleiche gilt umgekehrt für einen Abwärtstrend, wenn an einer Unterstützung (siehe Unterstützung 2) nicht mehr genügend Verkaufsdruck aufgebaut werden kann und der anschliessende Kaufdruck den Kurs über einen vorhergehenden Widerstand (siehe Widerstand 2) führt. Eine solche Trendumkehr wird als Doppelboden bezeichnet (siehe Abbildung 8).

Abbildung 8: Abwärtstrend mit Trendumkehr in Form eines Doppelbodens

Das Prinzip des Rollentausches von Unterstützung und Widerstand

In den vorangegangenen Darstellungen wurden vorherige Tiefs als Unterstützung und vorherige Hochs als Widerstände bezeichnet.

Was wird aber nun aus diesen Unterstützungen, wenn eine Trendumkehr – beispielsweise in Form eines Doppelbodens oder eines Doppeltops – entsteht? Sie ahnen es bestimmt: Unterstützungen und Widerstände tauschen ihre Rollen. Mit anderen Worten: Aus einer Unterstützung wird ein Widerstand und aus einem Widerstand wird eine Unterstützung. Die Abbildungen 9 und 10 verdeutlichen dieses Prinzip.

Abbildung 9: Aufwärtstrend: Aus einem früheren Widerstand wird nach der Trendumkehr eine Unterstützung

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Abbildung 10: Abwärtstrend: Aus einer früheren Unterstützung wird nach der Trendumkehr ein Widerstand

Die Abbildung verdeutlicht das Prinzip des Rollentausches von Unterstützung und Widerstand sehr gut. Immer dann, wenn ein Widerstand signifikant durchbrochen wird, wandelt er seine Funktion und operiert bei einer anschliessenden Kursbewegung auf die ehemalige Widerstandslinie als Unterstützung. Für eine Unterstützung gilt dieses Prinzip in umgekehrter Weise: Immer dann, wenn eine Unterstützung signifikant durchbrochen wird, wandelt sie ihre Funktion und operiert bei einer anschliessenden Kursbewegung zur ehemaligen Unterstützungslinie als Widerstand.

3.3.5 Trendlinien als Hilfsmittel

Eine Methode, um eine trendierende Bewegung zu erfassen, ist der Einsatz von Trendlinien. Das Grundprinzip ist einfach. In einer Aufwärtsbewegung werden die Extrempunkte der Reaktionstiefs des Marktes miteinander verbunden und diese Linie bis an das Ende des Charts oder darüber hinaus verlängert.

Anders verhält es sich bei einem Abwärtstrend. Hier werden die Extrempunkte der Reaktionshochs miteinander verbunden.

Kann im Falle eines Aufwärtstrends eine Trendlinie eingezeichnet werden, dann kann diese im weiteren Verlauf der Bewegung als Unterstützung betrachtet werden. Wenn der Trend des Marktes intakt ist, bietet sich bei einer Korrektur im Bereich der Trendlinie die Chance auf eine Gegenbewegung, die Startpunkt für eine Wiederaufnahme der übergeordneten Aufwärtsbewegung sein kann. Spiegelbildlich gilt dieses Prinzip auch für Abwärtstrendlinien. Wenn der Markt in diesem Fall in einer Erholungsphase den Bereich einer wichtigen Abwärtstrendlinie erreicht, ist

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die Möglichkeit einer Wiederaufnahme der eigentlichen Abwärtsbewegung gegeben. Dabei ist die Unterstützung umso stärker, je mehr Auflagepunkt die eingezeichnete Trendlinie bereits aufzuweisen hat. Trendlinien, die mit nur zwei Auflagepunkten gebildet werden können, sollten zunächst durch einen dritten Auflagepunkt bestätigt werden, um für den Trader als möglichen Einstiegspunkt in Zukunft in Betracht gezogen zu werden. Der Bruch einer Trendlinie ist hingegen ein Indiz für eine Beendigung des vorherrschenden Trends. Sie sollten dabei beachten, dass es wenig Sinn macht, eine Trendlinie zu genau zu nehmen. Häufig kommt es zu temporären leichten Brüchen und Unterschreitungen der Trendlinie, die im Anschluss wieder gekauft wird. Deshalb bietet es sich an, nicht den exakten Kursstand einer Trendlinie für die Handelsentscheidung zu nutzen oder Positionen zu liquidieren, sobald eine geringfügige Verletzung der Trendlinie auftritt. Erst ein nachhaltiger Bruch zwingt den Trader zum Handeln. Über die Frage der Nachhaltigkeit gibt es hingegen viele unterschiedliche Auffassungen. Sie können abwarten, bis ein Trendbruch auf Schlusskursbasis des betrachteten Zeitraumes um mehr als 3% erfolgt oder drei Schlusskurse unterhalb der Trendlinie liegen. Wichtig ist dabei auch die Dynamik der Bewegung. Wenn der Kursverlauf die Trendlinie bei hohem Volumen sofort klar unterschreitet, bietet es sich an, Positionen glattzustellen. Von Volumen getriebene dynamische Bewegungen sollten vom Trader immer besonders beachtet werden. Anders verhält es sich, wenn der Kursverlauf sich im Bezug zum normalen Kursverlauf langsam nähert. Kommt es dann zum Abprallen auf der Trendlinie bei steigendem Volumen, ist ein erstes Einstiegssignal gegeben.

Das Einzeichnen der Trendlinien ist darüber hinaus eine sehr subjektive Angelegenheit. Die Trendlinie kann theoretisch anhand der Extrempunkte der Reaktionstiefs eingezeichnet werden. Häufig bildet der Markt aber Reaktionstiefs aus, die leicht oberhalb oder unterhalb der ursprünglich anhand der durch die ersten Reaktionstiefs ermittelten Trendlinie liegen. Um durch die Trendlinie ein möglichst genaues Unterstützungsniveau für nachfolgende Reaktionstiefs zu haben, ist es ratsam, die den Trend bestimmende Trendlinie zu vermitteln.

Wird eine Trendlinie dann gebrochen, kehrt sich ihre Funktion um. Aus einer Aufwärtstrendlinie, die zunächst als Unterstützung fungierte, wird nach einem Trendbruch ein Widerstand. Umgekehrt verhält es sich bei einer Abwärtstrendlinie. Diese bildet nach einem nachhaltigen Ausbruch nach oben im Anschluss eine Unterstützung. Nähert sich der Kursverlauf der Trendlinie anschliessend erneut, ist die Möglichkeit für einen Kauf gegeben. Relativ leicht ersichtlich sind die beschriebenen Trendlinien, die anhand der Extrempunkte aussen an den Kurs-verlauf gelegt werden. Darüber hinaus lassen sich im Kursverlauf auch Trendlinien lokalisieren, die durch die Marktbewegung schneiden. Diese sogenannten inneren Trendlinien beinhalten ebenfalls für den weiteren Kursverlauf Unterstützungs- oder Widerstandsniveaus, die vom Trader genutzt werden können. Am Beispiel der Aktie von Amazon soll das Prinzip der Trendlinien verdeutlicht werden.

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Im Zeitraum von 2001 bis 2005 können bei Amazon drei massgebliche Trendlinien definiert werden, die in der Abbildung dargestellt wurden. Weitere verschiedene Trendlinien sind problemlos im Chart zu lokalisieren, die eingezeichneten bestimmten den Kursverlauf im Darstellungszeitraum aber besonders deutlich. Die grüne Aufwärtstrendlinie lässt sich über die Punkte 1 und 2 bereits definieren, sodass sich auf dieser Unterstützung bereits im Punkt 3 eine Einstiegsmöglichkeit bietet. Allerdings macht erst diese Bestätigung in Punkt 3 die Trendlinie signifikant. In Punkt 4 kommt es dann sofort zu einem leichten Ausbruch nach unten, der sich in der Folge als Fehlausbruch dargestellt hat. Erkennbar wird auch die Dynamik in der eigentlichen Trendrichtung, die dieser in Punkt 4 generierten sogenannten Bärenfalle folgt. Einen weiteren Einstiegspunkt für einen Kauf bietet der Punkt 5 mit einer exakten Bestätigung der Trendlinie, ebenso der Punkt 6. Erst der anschliessende nachhaltige Bruch zwingt den Trader, aus einer bestehenden Position auszusteigen, die bereits in Punkt 3 eröffnet werden konnte.

Ab diesem Zeitpunkt wirkt die gebrochene Aufwärtstrendlinie dann als Widerstand. Die rote Abwärtstrendlinie, die seit Ende 2003 generiert werden kann, wird zunächst durch die markierten oberen Punkte 1 und 2 definiert. Auch hier kommt es im Punkt 3 zu einem leichten Bruch der Trendlinie, welcher sich aber nicht als nachhaltig darstellt. Die nach diesem Fehlausbruch aufkommende Dynamik in der Richtung des zu diesem Zeitpunkt vorherrschenden Abwärtstrends ist ebenfalls klar erkennbar. In Punkt 4 erreicht der Kursverlauf die Trendlinie nicht mehr vollständig, geht aber ebenfalls anschliessend wieder in eine Abwärtsbewegung über. Nachdem die Aktie vier markante Zwischenhochs gebildet hat, kann die Trendlinie vermittelt werden. Zu diesem Zeitpunkt lassen sich, wenn man die Extremniveaus der Punkte 3 oder 4 nutzt, mehrere unterschiedliche Trendlinien einzeichnen.

Für den Trader ist es aber wichtig, durch die Trendlinie zukünftige Reaktionsniveaus zu projizieren, die vom Markt beachtet werden. Die vermittelte Trendlinie bestätigt ihre Signifikanz, da sie in den Punkten 5 und 6 erneut mehrfach bestätigt wird. Da die Abwärtstrendlinie nachhaltig bei hoher Dynamik bereits nach oben gebrochen wurde, wirkt sie nun aber als wichtiges Unterstützungsniveau. Ersichtlich wird im Kursverlauf von Amazon auch die Bedeutung innerer Trendlinien. Die eingezeichnete schwarze Trendlinie konnte bereits ab 2001 gebildet werden und hatte während der Aufwärtsbewegung bis Ende 2003, sowie auch während der folgenden Abwärtsbewegung, eine entscheidende Bedeutung. Die Trendlinie bildet dabei bis zum Punkt C einen Widerstand, in Punkt D und E jeweils eine wichtige Unterstützung. Entscheidend ist, aus welcher Richtung der Kursverlauf auf die Trendlinie trifft. Wird sie von oben erreicht, bildet sie eine Unterstützung, erfolgt der Test einer mehrfach bestätigten Trendlinie von unten, bildet sie einen Widerstand.

Kreuzen sich mehrere signifikante Trendlinien, erhöht sich die Nachhaltigkeit der jeweiligen Unterstützung oder des gebildeten Widerstands. Eine Kreuzung der eingezeichneten Trendlinien gibt es im Punkt 5 der grünen Aufwärtstrendlinie. Diese dann auch durch den Kursverlauf bestätigte Kreuzunterstützung führte im weiteren Verlauf zu einer dynamischen Rallye im Jahr 2003. Auch am Ende des dargestellten Chartzeitraumes wird eine Kreuzunterstützung gebildet. In diesem Fall durch die schwarze innere Trendlinie, die die rote Abwärtstrendlinie von unten nach oben kreuzt. Die Aktie von Amazon beginnt zum Zeitpunkt der Abbildung, diese Kreuzunterstützung zu bestätigen.

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3.3.6 Trendkanäle zwischen zwei Linien

Eine Methode, um eine trendierende Bewegung zu erfassen, ist der Einsatz von Trendlinien. Das Grundprinzip ist einfach. In einer Aufwärtsbewegung werden die Extrempunkte der Reaktionstiefs des Marktes miteinander verbunden und diese Linie bis an das Ende des Charts oder darüber hinaus verlängert. Anders verhält es sich bei einem Abwärtstrend. Hier werden die Extrempunkte der Reaktionshochs miteinander verbunden.

Neben den einfachen Trendlinien bietet sich zur Bestimmung möglicher Reaktionspunkte des Marktes auch der Trendkanal an. Am Beispiel der Aktie von Fortis soll dieses Prinzip verdeutlicht werden.

Die Aktie konnte ab Ende 2004 eine stabile Aufwärtsbewegung etablieren. Am Kursverlauf konnte eine Aufwärtstrendlinie angelegt werden, die als Unterstützung fungiert. Erkennbar ist hier die häufige Bestätigung dieser Trendlinie im Kursverlauf, sodass sich im Bereich dieser Unterstützungspunkte Kaufmöglichkeiten bieten. Wird diese massgebende Trendlinie jetzt über den Kursverlauf projiziert, kann die Wirkung dieser Trendlinie als Widerstand eindrucksvoll beobachtet werden. Nahezu jede von der Aufwärtstrendlinie ausgehende Aufwärtsbewegung wurde hier gestoppt. Ein derartiger Kursverlauf kennzeichnet eine intakte Bewegung. Im Bereich der Aufwärtstrendlinie baut der Markt Kaufdruck auf. Gewinnen die bullischen Kräfte dann die Oberhand, steigen die Notierungen so lange, bis genügend Verkaufsdruck aufgebaut wird. Innerhalb des Trendkanals läuft diese Abfolge in jeweils annähernd gleichen Dimensionen. Kann der Trader einen derartigen stabilen Aufwärtstrendkanal identifizieren, bieten sich jeweils bei einer Bestätigung der Kanalunterkante Einstiegspunkte, die relativ eng unter dieser Unterstützung abgesichert werden können. Im Bereich der Kanaloberkante, sobald diese bestätigt wird, können anschliessend Kursgewinne realisiert werden. Es bietet sich nicht an, auf einen Ausbruch aus dem Aufwärtstrendkanal nach oben zu spekulieren. Die daraus resultierenden Übertreibungen werden im Anschluss häufig bei ebenso hoher Dynamik wieder abgebaut. Der in der Abbildung 5 dargestellte Trendkanal lässt sich in der gewählten Darstellung nur ungünstig handeln. Die Darstellung des Wochencharts soll hier nur der Übersicht dienen. Wird dieser Trendkanal im Tageschart dargestellt, lassen sich interessante Einstiegspunkte identifizieren, wie im späteren Verlauf noch erläutert werden soll. Darüber hinaus lässt sich in einem engen intakten Trendkanal die Richtung, in der sich Trades anbieten, klar festlegen. Solange der Trendkanal, wie Beispiel von Fortis, intakt ist, ist eine Shortpositionierung mit erhöhten Risiken verbunden. Der Trader sollte hier vielmehr ausschliesslich einen Longeinstieg in Trendrichtung erwägen. Das Chance-Risiko-Verhältnis stellt sich im Bereich der Trendkanalunterkante günstig dar. Die Position kann unter der ständig steigenden Unterkante abgesichert und so das anfängliche Stop-Loss schnell auf den Einstieg nachgezogen werden. Auf der anderen Seite bietet die weiter steigende Trendkanaloberkante, die der Kursverlauf erreichen sollte, ein ständig grösser werdendes Kurspotenzial. Die Longpositionen geraten erst dann in Gefahr, wenn die Unterkante des Trendkanals klar gebrochen wird.

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3.3.7 Dynamische Trendverschärfungen

Besonders in starken Trendphasen bieten Trendkanäle in einigen Fällen aber auch Set-ups, die eng eingrenzbare Einstiege ermöglichen, bei gleichzeitiger Möglichkeit kurzfristig dynamischer Bewegungen. Nämlich dann, wenn die Trendkanäle in Trendrichtung gebrochen werden. In diesem Fall kehrt sich das Bild von Widerstand und Unterstützung um.

Trendkanäle bieten im Allgemeinen zwei klare Handelsmarken. Im Falle eines aufwärtsgerichteten Trendkanals ist dies die Kanalunterkante, die als Unterstützung dient. Prallt der Kursverlauf dort nach oben ab, kann ein Einstieg erfolgen mit einem Ziel in Richtung der Trendkanaloberkante. Die Oberkante des Trendkanals bietet im Gegenzug, wenn sie erreicht wird, eine Möglichkeit, vorhandene Positionen zur Gewinnsicherung glattzustellen. Darüber hinaus können Shortpositionen eingegangen werden. In einem abwärtsgerichteten Trendkanal ist das Prinzip nicht anders, nur wird hier an der Kanaloberkante auf einen weiteren Rückfall spekuliert.

Besonders in starken Trendphasen bieten Trendkanäle in einigen Fällen aber auch Set-ups, die eng eingrenzbare Einstiege ermöglichen, bei gleichzeitiger Möglichkeit kurzfristig dynamischer Bewegungen. Nämlich dann, wenn die Trendkanäle in Trendrichtung gebrochen werden. In diesem Fall kehrt sich das Bild von Widerstand und Unterstützung um.

Für den Fall eines aufwärtsgerichteten Trendkanals bedeutet das Folgendes. Wird die Trendkanaloberkante klar durchbrochen, wirkt diese zuvor wichtige Widerstandsmarke dann sofort als klare Unterstützung. Im Falle eines Ausbruchs aus dem Trendkanal nach oben weist der Basiswert folglich auch hohe technische Stärke auf. Häufig führt ein insgesamt besonders starkes oder schwaches Marktumfeld oder eine besondere Newslage zu einem Verlassen eines Trendkanals in Trendrichtung.

Solche «momentumlastigen» Bewegungen bergen hohes Kurspotenzial, allerdings stellt sich die Frage des Einstiegspunktes. Dafür kann die durchbrochene Kanalbegrenzung genutzt werden. Kommt es zu einer Pullback-Bewegung, dann bietet sich die Einstiegsmöglichkeit. Das Stop-Loss kann dann direkt unter der Kanal-Begrenzung auf Schlusskursbasis oder mit einer gewissen Toleranz bereits intraday darunter platziert werden. Ein Rückfall in den Kanal würde nämlich die Gefahr bedeuten, direkt den gesamten ursprünglichen Kanal nochmals zu durchlaufen. Der Vorteil eines solchen Einstieges ist darüber hinaus, dass das Stop-Loss in Trendrichtung ständig unter der sich in Traderichtung bewegenden Kanalbegrenzung nachgezogen wird. Das anfänglich bereits eng gesetzte Stop wandert so vergleichsweise schnell in den Gewinn.

Nachfolgend sind einige Beispiele dazu dargestellt:

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1. Bayer

2. Metro

3. ThyssenKrupp

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4. Nokia

5. DAX

3.3.8 Trendlinienbrüche

Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben, und wer zu früh kommt, den bestraft die Börse. Die letztere kleine Weisheit bezieht sich hier auf den Bruch von längerfristigen Trendlinien. In dieser Lektion soll anhand des S&P 500 Index gezeigt werden, wann der Bruch einer längerfristigen Trendlinie gültig ist. Wie schon in einer früheren Lektion erklärt, besitzt eine gültige Trendlinie mehr als zwei Auflagepunkte. Mit anderen Worten: Eine versuchsweise vorläufige Trendlinie wird (beispielsweise im Falle des Abwärtstrends) durch zwei fallende Rallyehochs gezogen, benötigt jedoch einen dritten Test, um die Gültigkeit der Trendlinie zu bestätigen.

Eine gültige Trendlinie hat mehr als zwei Auflagepunkte. Mit anderen Worten: Eine versuchsweise vorläufige Trendlinie wird (beispielsweise im Falle des Abwärtstrends) durch zwei fallende Rallyehochs gezogen, benötigt jedoch einen dritten Test, um die Gültigkeit der Trendlinie zu bestätigen.

Die Zwei-Tage-Regel ist ein Zeitfilter und besagt, dass die Kurse an zwei aufeinanderfolgenden Tagen jenseits der Trendlinie schliessen müssen, um einen gültigen (!) Bruch der Trendlinie zu erhalten. Die 3%-Regel ist ein Preisfilter und besagt, dass der Kurs die Trendlinie um 3% auf Schlusskursbasis brechen muss.Es müssen beide Kriterien erfüllt sein, also Zwei-Tage-Regel und 3%-Regel. Und beide Filterkriterien sollten in der logarithmischen und der linearen Skalierung erfüllt werden, um den gültigen Bruch einer versuchsweisen vorläufigen oder einer bestätigten Trendlinie (mit mehr als zwei Auflagepunkten) zu bestätigen.

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Abbildung 1

Abbildung 2 zeigt den Bruch dieser Trendlinie im Tagesintervall und in der linearen Chartskalierung, sozusagen unter der Lupe.

Abbildung 2

Abbildung 3 zeigt auch das Tagesintervall, diesmal aber die logarithmische Chartskalierung.

In der Abbildung 1 sehen Sie die Baisse des S&P 500 Index im Wochenintervall im Zeitraum von 2000 bis 2003 mit einer ersten (bestätigten) Trendlinie, die vom September-200-Hoch ausgeht. Sie stellen fest, dass diese Trendlinie Anfang 2001 gebrochen wird.

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Abbildung 3

Wie geht man nun vor, um die Kriterien für einen gültigen Bruch einer längerfristigen Trendlinie zu begutachten? Sie gehen in das Tagesintervall und schauen, wo auf Schlusskursbasis ein Bruch der Trendlinie erfolgt. Diese Kerze bezeichnen wir als Ausbruchskerze. Sie stellen (mit dem Fadenkreuz) fest, wo genau der Schnittpunkt der oben genannten Ausbruchskerze mit der Trendlinie ist. Zu dem unter Punkt 2 ermittelten Wert addieren Sie 3%. Dieser ermittelte Wert ist (natürlich neben dem Zeitfilter der Zwei-Tage-Regel) ein ganz entscheidender Wert, der per Schlusskurs (!) überschritten werden muss. Erst dann – und nur dann – gilt die Trendlinie als GÜLTIG gebrochen.

Diese Vorgehensweise sollte in beiden Skalierungen vorgenommen werden. Denn ein gültiger Trendbruch existiert eigentlich nur dann, wenn in beiden Skalierungen der gültige Trendbruch erfolgt ist.

Zurück zum Bruch der Trendlinie. Der Schnittpunkt liegt im logarithmischen Chart bei 1383. Zuzüglich 3% wäre in der logarithmischen Skalierung ein gültiger Trendbruch erst bei 1401,21 gegeben (auf Schlusskursbasis). Dieser Wert wird nicht erreicht. Es handelt sich dementsprechend nicht um eine gültig gebrochene Trendlinie.

Im linearen Chart liegt der Schnittpunkt zwischen Ausbruchskerze und Trendlinie bei 1353,74. Plus 3% ergibt 1394. Auch dieser Wert wird nicht erreicht (entscheidendes Kriterium ist immer der Schlusskurs, dieser müsste über dem ermittelten 3%-Wert liegen, um von einem gültigen Bruch der Trendlinie sprechen zu können.

Anschliessend färben Sie die Trendlinie in einer unauffälligeren Farbe (hier grau, siehe Abbildung 4) und adjustieren Sie (siehe blaue Linie)

In der Abbildung 4 sehen Sie die auf den falschen Kursausbruch adjustierte blaue Trendlinie und einen weiteren Trendlinienbruch.

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Abbildung 4

Abbildung 5 zeigt den Ausbruch im Tagesintervall in einem linearen Chart. Auch hier wieder müssen Sie den Schnittpunkt der Ausbruchskerze (bei 1279,51) mit der Trendlinie ermitteln und 3% addieren. Sie erhalten dann 1317. Dieser Wert wird nicht per Schlusskurs überschritten.

Abbildung 5

Abbildung 6 zeigt den Trendlinienbruch in der logarithmischen Skalierung. Hier ist der Schnittpunkt 1286,73. Plus 3% ergibt 1325,33. Dieser Wert wird ebenfalls nicht per Schlusskurs überwunden. Also kein Grund zur (voreiligen) Freude in dieser Situation. Hier greifen nur uninformierte, voreilige Marktteilnehmer zu.

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Abbildung 6

Und so geht es weiter. In der Abbildung 7 sehen Sie den Trendlinienbruch zur Jahreswende 2001/2002. Weder in der linearen (Abbildung 8) noch in der logarithmischen Skalierung (Abbildung 9) findet ein gültiger Trendlinienbruch statt – die 3%-Regel wird in keiner der beiden Skalierungen per Schlusskurs überwunden.

3.3.9 Gleitende Durchschnittslinien (1)

Ein weiteres Mittel, um eine trendierende Bewegung zu identifizieren, sind die gleitenden Durchschnitte, die über den Kursverlauf gelegt werden können. Sie haben richtig gelesen. Nicht immer lassen sich Trends bzw. Bewegungen gut mit Trendlinien eingrenzen. In solchen Fällen kommen gleitende Durchschnittslinien zum Einsatz.

Bei einem einfachen gleitenden Durchschnitt, beispielsweise bei einem gebräuchlichen 200 Perioden gleitenden Durchschnitt, werden die letzten 200 Schlusskurse addiert und anschliessend durch 200 dividiert. Ein so ermitteltes arithmetisches Mittel bildet bei einigen Perioden eine beachtete charttechnische Marke. Es kann eine Berechnung des gleitenden Durchschnitts auch anhand der Hochkurse oder Tiefkurse erfolgen, diese sind allerdings weniger gebräuchlich und werden entsprechend auch weniger durch den Markt beachtet. In den folgenden beispielhaften Abbildungen sowie im weiteren Verlauf wird allerdings auf exponentiell gewichtete gleitende Durchschnitte zurückgegriffen. Hier erfolgt bei der Berechnung des Mittelkurses eine stärkere Gewichtung des jüngeren Kursverlaufes, sodass der gleitende Durchschnitt näher am aktuellen Kursverlauf liegt. Erkennbar ist in Abbildung 7 eine Aufwärtsbewegung bei C.H. Robinson Worldwide.

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Abbildung 7

Nach einem starken Anstieg im Mai ging die Aktie anschliessend in eine flachere Aufwärtsbewegung über. Der in den Chartverlauf gelegte exponentiell gewichtete 50-Perioden-Durchschnitt zeigt dabei Wirkung. Ab Juni fiel der Kursverlauf der Aktie mehrfach auf diese Unterstützung zurück und konnte hier jeweils nach oben abprallen. Wie an einer Trendlinie bietet sich für den Trader auch in diesem Bereich bei der Bestätigung des gleitenden Durchschnittes die Möglichkeit, Longpositionen einzugehen. Eine Absicherung erfolgt auch hier unter der Durchschnittslinie. Solange sich der Kursverlauf oberhalb der Durchschnittslinie befindet, steigt diese, sodass die Absicherung ständig sinnvoll nach oben angepasst werden kann. Ein nachhaltiger Bruch der mehrfach bestätigten Durchschnittslinie zwingt den Trader dann zum Handeln. Genauso wie eine gleitende Durchschnittslinie Unterstützung bieten kann, wirkt sie sich bei einer intakten Abwärtsbewegung als Widerstand aus. In diesem Fall sind Shortpositionen im Bereich der Widerstandslinie geeignet. Es ist aber nicht jede gleitende Durchschnittslinie brauchbar. Günstig für den Handel, insbesondere im mittelfristigen Zeitfenster, sind die Perioden 50 und 200. Dabei bildet der 50-Perioden-Durchschnitt gerade in Trendphasen eine von vielen Marktteilnehmern beachtete Unterstützung. Handelt es sich um eine stabile starke Bewegung, sollte dieser gleitende Durchschnitt nicht nachhaltig gebrochen werden. Ein klarer Bruch deutet eine Trendwende, zumindest aber eine Seitwärtsbewegung an, die sich für den Handel mit einem dem Trend folgenden Ansatz nicht eignet. Ein weiterer wichtiger gleitender Durchschnitt ist der exponentiell gewichtete 200-Perioden-Durchschnitt. Dieser kann als Richtungsanzeiger genutzt werden. Solange der Kursverlauf darüber notiert, kann der Trader nach einem Longeinstieg suchen, unterhalb des gleitenden Durchschnittes bieten sich hingegen Shortpositionen an. Wie in Abbildung 8 am Kursverlauf von Verisign dargestellt, bieten die gleitenden Durchschnitte auch auf Wochenbasis eine wichtige Unterstützung.

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Abbildung 8

Dargestellt ist hier der exponentiell gewichtete 50-Perioden-Durchschnitt auf der Basis der Wochendaten. Erkennbar ist eine häufige Bestätigung der Durchschnittslinie zwischen Mitte 2003 und Mitte 2004. Im Herbst 2004 löste sich die Aktie dann stark nach oben, um Anfang 2005 wieder exakt auf der Durchschnittslinie nach oben abzuprallen. Der erste deutliche Bruch dieser Linie erfuhr mit einer dagegen erfolgten Pullback-Bewegung gleich eine Bestätigung. Die dann als Widerstand wirkende gleitende Durchschnittslinie drückte Verisign wieder nach unten. Auch zum Ende des dargestellten Kurszeitraumes wird die Durchschnittslinie wieder erreicht, die jetzt einen klaren Widerstand darstellt. Die Wirkung dieser 50-Perioden-Durchschnittslinie auf Wochenbasis ist auch deshalb für den Trader interessant, da diese im Verlauf sehr nah am 200 Perioden Durchschnitt auf Tagesbasis liegt, welche, wie beschrieben, eine richtungweisende Wirkung für den trendfolgenden Ansatz besitzt. Klassisch wird für einen dem Trend folgenden Ansatz das Kreuzen zweier gleitender Durchschnitte genutzt. Im Falle der besprochenen 50 und 200 Perioden würde ein Kaufsignal ausgelöst, wenn der 50-Perioden-Durchschnitt den 200-Perioden-Durchschnitt von unten nach oben durchkreuzt. Im umgekehrten Fall kommt es zu einem Verkaufssignal bzw. zu einer Auflösung bestehender Longpositionen. Der Vorteil eines auf diesem Ansatz basierenden Handelssystems ist, dass der Trader von starken langfristigen Aufwärtsbewegungen oder Abwärtsbewegungen in hohem Masse profitiert. In Seitwärtsbewegungen muss hingegen mit einer Anhäufung von Verlusten gerechnet werden, da das eigentliche Handelssignal aufgrund der Trägheit der gleitenden Durchschnitte erst spät generiert wird. Favorisieren lässt sich im mittelfristigen Zeitfenster entsprechend ein Einstieg, im Falle einer Aufwärtsbewegung, im Bereich der exponentiell gewichteten 50-Perioden-Durchschnittslinie, sofern sich der Kursverlauf insgesamt oberhalb der exponentiell gewichteten 200-Perioden-Durchschnitts befindet. Einen weiteren Hinweis auf intakte oder gefährdete trendierende Bewegungen sind Retracements.

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3.3.10 Gleitende Durchschnittslinien (2)

Eine der wichtigsten Fragen bei jeder Anlage- oder Tradeentscheidung ist die Frage nach der Marktrichtung. Was für eine Trendphase liegt vor? Läuft der Markt im betrachteten Zeitfenster abwärts oder aufwärts? Dies ist für den Investor, der sich auf Sicht einiger Monate oder Jahre positioniert, ebenso wichtig wie für den Trader, der sich gegebenenfalls nur auf Sicht weniger Tage oder Stunden positionieren will. Trends dauern häufig länger an als zunächst vermutet. Darüber hinaus weiss der Trader auch die eigentliche Marktdynamik im betrachteten Zeitfenster auf seiner Seite, was die Chance auf Gewinntrades erhöht.

Die Marktrichtung mit GLDs erkennen

Übergeordnet bietet es sich an, Positionen in Richtung des übergeordneten Trends zu eröffnen. Das liest sich einfach, es ist aber die Kunst, eben diese übergeordnete Trendrichtung erkennen zu können.

Dass Trends lange andauern und sich dabei durchaus immer weiter verschärfen können, zeigt sich an einem einfachen Beispiel, dem Kursverlauf des DAX der vergangenen Jahre. Erkennbar ist hier zum Beispiel eine beginnende Aufwärtstrendphase Mitte 1995. Nachdem diese bereits über ein Jahr anhielt, kam es nicht zu einem Abbruch der Rallye. Im Gegenteil, der Trend wurde noch einmal massiv im Jahr 1997 verschärft. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch zwischen 1999 und 2000. Auch die Abwärtsbewegung begann 2000 zunächst noch moderat. Nach einem 15-monatigen Kursrückgang begann dann aber erst der nachhaltige Absturz. Ziel ist es, an solchen Trendphasen mit dem Trading zu partizipieren, so lange sie anhalten. Dabei lässt sich der eigentliche Wendepunkt, an dem der Trend endet, im Allgemeinen kaum realistisch genau bestimmen. Auf dem Weg dorthin lassen sich allerdings trendfolgend Positionen gewinnbringend aufbauen. Kommt es dann zum Trendwechsel, helfen gesetzte und nachgezogene Stopp-Niveaus, um den Ausstieg nicht zu verpassen.

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Charttechnisch gibt es diverse Methoden, um einen Trend bzw. die übergeordnete Marktrichtung darzustellen und einzuordnen. Wie effektiv diese im Einzelfall sind, ist eine andere Frage. Einzelne davon werden in weiteren Kommentaren zu diesem Thema noch dargestellt. Eine einfache Methode, um sich einen Überblick über die Marktverfassung stark tendierender Märkte, wie beispielsweise der Aktienmärkte, zu verschaffen, sind gleitende Durchschnitte.

Es gibt mehrere Arten von gleitenden Durchschnitten, der Einfachheit halber soll hier zunächst der einfache gleitende Durchschnitt am Beispiel des DAX betrachtet werden. Ein solcher gleitender Durchschnitt ist nichts anderes als die Summe der letzten Schlusskurse geteilt durch die Anzahl der berücksichtigten Schlusskurse. Er bildet also den Durchschnittsschlusskurs der betrachteten Anzahl von Schlusskursen ab. Nun stellt sich die Frage, wie viele Schlusskurse betrachtet werden sollten. Dabei sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt, möglich ist jede Periodenlänge. Häufig beachtet sind vor allem die gleitenden Durchschnitte mit den Längen 200, 50 und 20. Der gleitende 200er-Durchschnitt umfasst vom Zeitraum der berücksichtigten Daten fast den Handelszeitraum eines Jahres, der gleitende 20er-Durchschnitt den eines Monats. Bei der Betrachtung bietet es sich an, den gleitenden Durchschnitt gegebenenfalls an die Zyklik des Basiswertes anzupassen.

Am Beispiel des DAX lässt sich die einfache Wirksamkeit aufzeigen. Sie sehen hier einen Wochenchart seit 1983 vom deutschen Aktienindex DAX. Darunter gelegt, sind der gleitende 200er-Durchschnitt in Rot sowie der gleitende 50er-Durchschnitt in Blau. Für den langfristig orientierten Investor zur Investition beispielsweise in Fonds bietet es sich an, den 200er-Durchschnitt zu betrachten. Solange der Index sich oberhalb des gleitenden Durchschnitts befindet und dieser steigt, wird investiert. Fällt der Kursverlauf darunter ab, endet das Investment. So liess sich mit sehr einfachen Mitteln die Aufwärtsbewegung von 1700 Punkten im Jahr 1993 bis auf 5700 Punkte ins Jahr 2001 mitnehmen. Innerhalb des folgenden Bärenmarktes war man nicht investiert, um dann erst im Jahr 2004 rund 1500 Punkte tiefer wieder einzusteigen. Die Phase nach dem Anstieg bis 1987 brachte drei Ausstiegssignale, die zu keinem günstigeren Einstieg führten, aufgrund des in diesem Zeitraum steigenden gleitenden Durchschnitts kam es aber nicht zu Verlusten. Dieses sehr einfache Prinzip bietet nicht annähernd die Möglichkeit, im Bereich vom Wendepunkt ein- oder auszusteigen, es genügt dafür aber im Allgemeinen die Beobachtung des Kursverlaufes einmal im Monat, um bei grossen Trendphasen dabei zu sein. Bei Betrachtung des gleitenden 50er-Durchschnittes wird erkennbar, dass dieser deutlich näher am Kursverlauf liegt. Hier werden nach der vorgenannten Methode häufiger Ein- und Ausstiege generiert. Diese kommen dafür aber deutlich früher und bieten die Möglichkeit, vor allem an starken Trendphasen umfassender zu partizipieren.

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Für den Trader innerhalb des mittelfristigen Zeitfensters macht die Betrachtung des gleitenden 200er-Durchschnitts auf Wochenbasis wenig Sinn. Hier bietet es sich an, den Tageschart zu betrachten wie nachfolgend abgebildet. Dargestellt ist die Aufwärtsbewegung der vergangenen Jahre, das Beispiel lässt sich aber auch in anderen Zeit-räumen abbilden. Erkennbar ist, dass die Tiefs der Rallye sich im Bereich des gleitenden 200er-Durchschnittes befinden, auch das letzte Zwischentief vom November befindet sich auf diesem Niveau. 2004 kam es zu einem deutlicheren Rückfall unter die gleitende Durchschnittslinie, der Kursverlauf fing sich aber relativ schnell wieder. Auch die 50er-Durchschnittslinie zeigt ein interessantes Bild. Diese ist vor allem in starken Trendphasen wirksam. Erkennbar ist, dass in solchen Phasen viele Wendepunkte auf diesem gleitenden Durchschnitt liegen. Für den Trader bietet es sich an, die daraus resultierende Information zu nutzen.

Solange der Kursverlauf sich oberhalb der 200er-Durchschnittslinie befindet, wird übergeordnet eine Aufwärts-bewegung unterstellt. Das bedeutet, der Markt wird vornehmlich long gehandelt, es werden Kaufpositionen eingegangen. Mit einer hohen Gewichtung lassen sich diese eingehen, solange der Index sich zusätzlich über der 50er-Durchschnittslinie befindet und diese steigt, da dann von einer besonders starken Trendphase ausgegangen werden kann. Kommt es zu einem Rückfall unter die 50er-Durchschnittslinie, werden Positionen reduziert oder Gewinne gesichert. Die 200er-Durchschnittslinie schützt in letzter Konsequenz dann vor nachhaltigen Verlusten. Entwickelt sich eine nachhaltige Abwärtsbewegung oder ein Bärenmarkt, ist der Trader nicht auf der Longseite investiert. In diesem Fall, unterhalb der gleitenden 200er-Durchschnittslinie, liegt der Fokus vor allem in einer Shortpositionierung.

Festhalten lässt sich, dass es für den Trader und den Investor von vorrangiger Bedeutung ist, die aktuell laufende Trendphase zu identifizieren und danach zu handeln. Dafür bieten gleitende Durchschnitte ein einfaches Hilfsmittel, welches sich nahezu über jedes Chartprogramm einblenden lässt. Wendepunkte können dabei nicht nachhaltig bestimmt werden, es ermöglicht dem Trader aber die Festlegung der Richtung für eine Positionierung. Gehandelt werden muss dabei nicht der betrachtete Basiswert, in diesem Fall der DAX selbst. Entscheidend ist das Erkennen der Marktrichtung und der Tatsache, wann diese eingeschlagene Richtung gefährdet ist. Aufwärts- und Abwärts-bewegungen können dabei ähnlich betrachtet werden.

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3.3.11 Gleitende Durchschnitte traden!

Es ist wichtig, zu erkennen, dass Sie beispielsweise eine Zehn-Tage-Linie nicht vor dem Schlusskurs des zehnten Tages berechnen können. In diesem Sinne können Sie nicht mittels eines Signals eines gleitenden Durchschnitts bis zum Tag nach dem Signal handeln. Die Kosten, welche durch den Einsatz eines Filters entstehen, resultieren aus späteren Entries und Exits. Filtermethoden besitzen den Vorteil, dass sie weitaus weniger Whipsaws zulassen. Ähnliches gilt für längerfristige Durchschnitte, welche die Gefahr von Whipsaws auch mindern, aber wiederum späte Signale liefern. Aus diesem Grund bieten sich Kombinationen von zwei oder drei gleitenden Durchschnitten an. Wenden Sie bei den aufgeführten Methoden stets ein aktives Positionsmanagement an. Gelegentlich kann Sie das technische Stop aus einer Position herausdrängen, während der gleitende Durchschnitt in die Richtung des Trades zeigt. Oft finden Sie ein ausgelöstes Stop in der Umgebung der gleitenden Durchschnittslinien wieder, und zwar dort, wo der gleitende Durchschnitt seine Richtung ändert. Gebrauchen Sie also immer ein Stop-Loss. Wenn Sie den Nutzen und die Platzierung von Stops nicht kennen, sollten Sie nicht traden!

Nach den Trendlinien sind gleitende Durchschnitte (engl.: Moving Averages) die bekanntesten Tools des Technischen Analysten. Diese Tatsache ist darauf zurückzuführen, dass das Konzept der gleitenden Durchschnitte einfach zu verstehen ist und auch aufgrund der Nützlichkeit in trendierenden Märkten einfach demonstriert werden kann. Ein gleitender Durchschnitt ist eine Methode der Berechnung des durchschnittlichen Wertes eines Wertpapiers oder eines Indikators über eine spezifizierte Anzahl von Zeitperioden. Der Begriff «gleitend» impliziert, dass sich der Durchschnitt verändert. In seiner grundlegenden Form ist ein gleitender Durchschnitt nicht mehr als eine Glättung des Liniencharts mit seinen Schlusskursen. Gleitende Durchschnitte sind trendfolgende Indikatoren, was zum einen bedeutet, dass sie den Preisen hinterherhinken («trendfolgend»), und zum anderen, dass ihre Richtung die Richtung des Trends anzeigt. Aufgrund dieser Eigenschaft können gleitende Durchschnitte signalisieren, wann ein neuer Trend begonnen hat oder wann ein alter Trend geendet oder sich umgekehrt hat.

Die Berechnung eines einfachen gleitenden Durchschnitts Bei der Kalkulation eines gleitenden Durchschnitts wird eine mathematische Analyse eines Wertpapierdurch-schnitts über eine vorher bestimmte Zeitperiode vorgenommen. Wenn der Preis des Wertpapiers sich im Laufe der Zeit verändert, bewegt sich der Durchschnittspreis nach oben oder nach unten. Ein einfacher gleitender Durchschnitt (engl.: Simple Moving Average) wird durch die Addition der Schlusskurse eines Wertpapiers über eine bestimmte Zeitperiode (zum Beispiel zehn Tage) berechnet. Diese Summe wird dann durch die Anzahl der Zeitperioden geteilt. Das Ergebnis ist der Durchschnittspreis des Wertpapiers über diese bestimmte Zeitperiode. Um beispielsweise einen gleitenden Zehn-Tage-Durchschnitt von Intel zu berechnen, addieren wir zunächst Intels Schlusskurse der vergangenen zehn Tage. Danach dividieren wir diese Summe durch 10. Auf diese Weise erhalten wir den Durchschnittspreis von Intel über die vergangenen zehn Tage. Das Ergebnis können wir dann als ersten Punkt auf dem Chart markieren. Um den zweiten Punkt zu erhalten, würden wir den ersten Tag weglassen und den Durchschnitt vom zweiten Tag bis zum elften Tag bilden. Und so geht es immer weiter. Auf diese Weise entsteht eine gleitende Durchschnittslinie, in der jeweils immer der Durchschnitt der letzten zehn Tage gebildet wird. In der Praxis übernimmt die Charting-Software diese Berechnungen und der gleitende Durchschnitt wird üblicherweise als eine Linie in einem Balkenchart dargestellt. Es existieren zwei Kritikpunkte an den einfachen gleitenden Durchschnitten: Zum einen wird moniert, dass nur die vom Durchschnitt abgedeckte Zeitperiode (beispielsweise 50 Tage) berücksichtigt wird. Zum anderen wird kritisiert, dass der einfache gleitende Durchschnitt jeden Tag gleich gewichtet wird. Bei einer 50-Tage-Linie erhält der letzte Tag nämlich das gleiche Gewicht wie der erste Tag des Berechnungszeitraumes. Dementsprechend wird in diesem Beispiel dem Kurs jedes Tages ein Gewicht von 2% zugewiesen. Aus diesem Grunde entstand dann auch die Forderung nach einer höheren Gewichtung der jüngsten Kursbewegungen.

Andere Typen gleitender Durchschnitte a) Linear gewichteter gleitender Durchschnitt: Um das Problem der Gewichtung in den Griff zu bekommen, verwenden manche Technische Analysten einen linear gewichteten in den Griff zu bekommen, verwenden manche Technische Analysten einen linear gewichteten gleitenden Durchschnitt (engl.: Weighted Moving Average). Ein gewichteter gleitender Durchschnitt wird durch die Multiplikation eines jeden vorhergehenden Tages mit einem Gewichtungsfaktor berechnet. Die folgende Tabelle 1 zeigt, wie ein fünftägiger linear gewichteter gleitender Durchschnitt berechnet wird. Wie leicht zu erkennen ist, wird auf den heutigen, den letzten Preis, mehr Gewicht gelegt (5 × 30) als auf den Preis fünf Tage zuvor (1 × 20).

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Tag Gewicht Preis Gewichteter Preis

1 1 20 20

2 2 22 44

3 3 24 72

4 4 27 108

5 5 30 150

Summen 15 123 = 26,26

Tabelle 1: Berechnungsweise eines fünftägigen linear gewichteten gleitenden Durchschnitts.

Der linear gewichtete gleitende Durchschnitt berücksichtigt allerdings nicht das Problem, dass nur die zur Berechnungsgrundlage zählenden Kursbewegungen einbezogen werden.

b) Exponentiell geglätteter gleitender Durchschnitt Diese Art von gleitendem Durchschnitt bezieht sich auf beide Probleme, die im Zusammenhang mit dem einfachen gleitenden Durchschnitt bezieht sich auf beide Probleme, die im Zusammenhang mit dem einfachen gleitenden Durchschnitt erwähnt wurden. Ein exponentiell geglätteter gleitender Durchschnitt (engl.: Exponential Moving Average) wird berechnet, um dem Gewicht der älteren Schlusskurse weniger Gewicht und den jüngsten Daten mehr Gewicht zu verleihen. Aus diesem Grund ist er auch ein gewichteter gleitender Durchschnitt. Der Technische Analyst ist bei dieser Art eines gleitenden Durchschnitts in der Lage, die Gewichtung zu verändern, indem er den jüngsten Kursdaten ein grösseres oder ein kleineres Gewicht beimisst. Dies geschieht dadurch, dass dem letzten Tag der gewählten Zeitperiode ein bestimmter Prozentsatz zugewiesen wird. Dieser Wert wird dann zum Wert des vorherigen Tages addiert. Die Summe beider Prozentwerte beträgt 100. Um beispielsweise einen 10% exponentiell geglätteten gleitenden Durchschnitt von Intel zu berechnen, gehen wir wie folgt vor: Zunächst nehmen wir den heutigen Schlusskurs und multiplizieren ihn mit 10%. Wir addieren dann dieses Produkt zu dem Wert des gestrigen gleitenden Durchschnitts, multipliziert mit 90% (100% − 10% = 90%). Die Formel, mittels derer ein exponentiell geglätteter gleitender Durchschnitt kalkuliert wird, lautet: EMA = [(heutiger Schlusskurs) × 0,09] + [(gestriger EMA) × 0,91]. Die Befürworter des exponentiell geglätteten gleitenden Durchschnitts argumentieren, dass der exponen-tiell geglättete gleitende Durchschnitt dem Trend besser folgt als ein einfacher gleitender Durchschnitt. Aber andere Analysten argumentieren, dass dieser Vorteil nur marginal sei und der exponentiell geglättete gleitende Durch-schnitt zu schnell sei. In der nachfolgenden Abbildung 1 sehen Sie am Beispiel des S&P 500 (Tagesintervall) und der beiden 50-Tage-Linien den Unterschied. Anzumerken und im Chart zu erkennen ist, dass beide Durchschnitte Vor- und Nachteile besitzen und Sie denjenigen Durchschnitt wählen sollten, der zu dem Markt und ihrem Trading-stil besser passt.

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Preise und Periodenlänge

Während, wie eingangs erwähnt, ein gleitender Durchschnitt eines Schlusskurses die gängigste Form darstellt, kann er ebenso berechnet werden, indem man die Hoch- und Tiefstkurse verwendet. So addieren einige Analysten beispielsweise Hoch-, Tief- und Schlusskurs und teilen die Summe durch drei. Andere wiederum bevorzugen einen Mittelwert, den man erhält, indem man die Handelsspanne des Tages durch zwei teilt. Darüber hinaus existieren noch andere Formen der Kalkulation eines gleitenden Durchschnitts, die nicht (nur) auf den Schlusskursen basieren. Darauf wollen wir jedoch nicht eingehen, da es sich um sehr spezielle Analyseformen handelt und der Schlusskurs immer noch der für die Analyse gleitender Durchschnitte der am häufigsten benutzte Kurs ist. Aus diesem Grunde schenken wir im Folgenden den gleitenden Durchschnitten, die auf dem Schlusskurs basieren, unsere Aufmerksamkeit. Die Anzahl der zu verwendenden Zeitperioden ist das kritische Element in einem gleitenden Durchschnitt und ebenso eine Frage der persönlichen Präferenzen, die vor allem davon abhängt, in welchem Zeitrahmen und in welchem Markt der Technische Analyst handelt. Im Nachhinein kann man immer einen gleitenden Durchschnitt finden, der sehr profitabel gearbeitet hat. Aufgabe ist es jedoch, einen gleitenden Durchschnitt zu finden, der konsistent profitable Ergebnisse bringt. Ein kürzerer gleitender Durchschnitt, wie zum Beispiel die Zehn-Tage-Linie, wird sich viel enger an die Kursbewegung anschmiegen als eine 200-Tage-Linie. In diesem Sinne reagieren kürzere gleitende Durchschnitte empfindlicher auf Kursbewegungen als längere gleitende Durchschnitte, die weniger sensitiv sind. Ein sehr populärer Durchschnitt ist der 39 Wochen (200 Tage) gleitende Durchschnitt. Dieser gleitende Durchschnitt erzielt gute Ergebnisse in langfristigen Marktzyklen.

Wie erwähnt, ist neben dem entsprechenden Markt der Zeithorizont des Technischen Analysten ein wichtiges Kriterium für die Länge des gleitenden Durchschnitts. Im Folgenden sehen Sie eine Auflistung der verschiedenen Trendlängen gleitender Durchschnitte mit den entsprechenden Periodenlängen:

• sehr kurzfristig 5 bis 13 Tage • kurzfristig 14 bis 25 Tage • kurz bis mittelfristig 26 bis 49 Tage • mittelfristig 50 bis 100 Tage • langfristig 100 bis 200 Tage

Fibonacci-Fans würden ohne Zweifel Fibonacci-Zahlen bevorzugen, also beispielsweise 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55 usw. Die exponentiell geglättete gleitende 50-Wochen-Linie ist in den USA sehr populär. In den nachfolgenden Abbildungen 2 und 3 sehen Sie am Beispiel des S&P 500 Index, wie diese 50-Wochen-Linie während des Bullenmarktes ein Unterstützungsniveau anzeigt und während des Bärenmarktes entsprechend ein Widerstandslevel.

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Mittels Preis und gleitenden Durchschnitts Trendbewegungen erfassen In den vorausgehenden Abbildungen wurde ein wichtiger Nutzen von gleitenden Durchschnitten in trendierenden Märkten ersichtlich, nämlich die Unterstützungs- und Widerstandsfunktion. Einen weiteren Nutzen in trendieren-den Märkten stellen Crossovers (deutsch: Überkreuzungen) dar. Sie generieren nämlich Tradingsignale und stellen die populärste Interpretationsmethode eines gleitenden Durchschnitts dar. Bei dieser Methode wird der Schlusskurs des jeweiligen Wertpapiers mit dem gleitenden Durchschnitt verglichen. Ein Kaufsignal wird dann generiert, wenn die Wertpapierpreise über den gleitenden Durchschnitt steigen, und ein Verkaufssignal, wenn sie unter ihn fallen. Wenn Sie nochmals auf die Abbildungen 2 und 3 sehen, dann können Sie ein Crossover des Preises mit dem expo n - entiell geglätteten gleitenden 50-Wochen-Durchschnitt sehen, welches Sie in die Lage versetzt, den grössten Teil einer trendierenden Bewegung (hier Bullen- und Bärenmarkt) mitzunehmen. Ebenso wird in den Abbildungen 2 und 3 ersichtlich, dass ein gleitender Durchschnitt in einem Aufwärtstrend dem Preis hinterherhinkt und sich der

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Preis in einem Abwärtstrend unter der gleitenden Durchschnittslinie befindet. Diese Art eines gleitenden Durch-schnitt-Trading-Systems, also die Crossover-Methode, ist nicht geeignet, um Ihnen exakte Böden und Gipfel zu zeigen. Vielmehr ist sie dazu geeignet, Sie in einem laufenden Trend zu halten, in den Sie einsteigen, kurz nachdem die Wertpapierpreise Böden gebildet haben, und aus dem Sie aussteigen, nachdem die Gipfel ausgebildet wurden.

Whipsaws Ein Wort, das stets gebraucht wird, wenn über das Trading mittels gleitender Durchschnittslinien gesprochen wird, ist «Whipsaw» (deutsch: Säge). Eine Säge ist eine schnelle Umkehr eines Tradingsignals und bezieht sich hier auf die Aktion, die der Preis vollzieht, wenn er einen gleitenden Durchschnitt einige Male innerhalb kurzer Zeit von unten nach oben oder andersherum kreuzt. Unter diesen Umständen kann es vorkommen, dass ein Trader, der von einem gleitenden Durchschnitt aus handelt, einige Male in den Markt gezogen und ebenso schnell wieder aus dem Markt geworfen wird – mit dem Resultat, dass Verluste, auch in Form von Transaktionskosten, entstehen. Diese Fehlsignale treten vor allem dann auf, wenn der gewählte gleitende Durchschnitt zu sensitiv ist. Whipsaws sind unabwendbar, wenn der Markt aufhört zu trendieren. Die Whipsaws können aber reduziert werden, indem man eine längere Periode für den gleitenden Durchschnitt wählt. Jedoch entsteht dann der Nachteil, dass man die Position später eröffnet oder schliesst. Die beste Länge für einen gleitenden Durchschnitt zu finden, ist eine Frage der Beurteilung, des Experi mentierens sowie der Erfahrung im jeweiligen Markt. Wir suchen also einen gleitenden Durchschnitt, der sensitiv genug ist, um frühe Signale zu generieren, andererseits aber unempfindlich genug ist, um den grössten Teil der Fehlsignale zu vermeiden. Die Problematik ist in der folgenden Abbildung 4 noch einmal veranschaulicht.

Filter, mit denen Sie Whipsaws vermeiden können

Wie im vorigen Abschnitt erwähnt, sollte beachtet werden, dass es kritische Zeitpunkte gibt, in denen ein Kursbalken den gleitenden Durchschnitt durchstechen kann, ohne zum Beispiel auf Schlusskursbasis ein Crossover zu bilden. Dieses Phänomen kann sich über mehrere Periodeneinheiten hin fortsetzen. Einige Trader gebrauchen aus diesem Grunde Timing-Filter. Diese schreiben vor, dass • der Preis über/unter der gleitenden Durchschnittslinie geschlossen hat oder • ein ganzer Kursbalken die gleitende Durchschnittslinie über-/unterschritten hat oder • der Preis die gleitende Durchschnittslinie für eine bestimmte Zeitperiode über-/unterschritten hat oder der Preis

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die gleitende Durchschnittslinie um eine Anzahl bestimmter Preiseinheiten über-/unterschritten hat. Sie werden im Chart der Abbildung 4 bemerkt haben, dass gleitende Durchschnitte nützliche Signale in trendierenden Märkten geben, Whipsaws hingegen in Tradingmärkten oder Rangemärkten produziert werden (siehe grauer Kasten in der Abbildung 4). Aus diesem Grunde und bevor Sie sich auf das Signal eines gleitenden Durchschnitts verlassen können, müssen Sie erst entscheiden, ob der Markt in einem trendierenden Modus ist oder nicht. Falls der Markt nicht in einem trendierenden Modus sein sollte, würde es unprofitabel sein, zu versuchen, ihn mithilfe von gleitenden Durchschnitten zu handeln. Ebenso unprofitabel würde es sein, das Überkreuzen des Preises über den gleitenden Durchschnitt als Kaufsignal zu werten, wenn der Gesamttrend weiterhin nach unten zeigt. Aus diesem Grunde sollte ein weiterer Filter zum Einsatz kommen, der trendfilternde Eigenschaften aufweist. Dieser Filter gestaltet sich wie folgt: Solange die Richtung des gleitenden Durchschnitts in die Richtung des Preistrends zeigt, kann er als sein eigener Filter verwendet werden. Ein Beispiel: Wenn der gleitende Durchschnitt steigt und der Preis in einem Aufwärtstrend ist, sollten Sie nur die lange Seite handeln, also ausschliesslich Kaufsignale handeln. Verkaufssignale sollten Sie dementsprechend ignorieren. Falls der gleitende Durchschnitt sinkt und der Preis in einem Abwärtstrend ist, sollten Sie nur die kurze Seite des Marktes handeln, also nur Verkaufssignale als Tradingmöglichkeiten ansehen. Wenn der gleitende Durchschnitt flach verläuft, sich der Preis in einer Trading Range befindet und Sie in der Trading Range handeln wollen, dann müssen Sie andere nicht trendfolgende Tools benutzen (also Tools, die unabhängig von gleitenden Durchschnitten sind (mit der Ausnahme von Moving Average Envelopes). Dieser Filter kann so extensiert werden, dass beispielsweise ein Trader, der long ist, alle Verkaufssignale ignoriert, während der Neigungswinkel des gleitenden Durchschnitts aufwärts gerichtet ist, und umgekehrt. Noch ein wichtiger Hinweis: Während Filter Tradingverluste reduzieren, ist es wichtig, dass der Trader den filternden gleitenden Durchschnitt nicht isoliert betrachtet, sondern auch andere Faktoren wie zum Beispiel Preisumkehrsignale, Unterstützungs- und Widerstandsbereiche etc. für seine Tradingentscheidungen berücksichtigt.

Zwei gleitende Durchschnitte Eine Möglichkeit, die Treffsicherheit des Timings für Tradingzwecke zu erhöhen, ist, zwei gleitende Durchschnitte für das Handelssignal zu verwenden. In diesem Fall wird ein kurzer Durchschnitt, der nahe am Preis liegt und Trend-wechsel frühzeitig signalisiert, mit einem längeren Durchschnitt, der einen glättenderen Effekt auf den Preis besitzt und den Preistrend besser wiedergibt, verwendet. Wir kombinieren hier sozusagen die Stärken eines kurzfristigen gleitenden Durchschnitts mit den Stärken eines längerfristigen gleitenden Durchschnitts. Auf diese Weise wollen wir die einzelnen Schwächen der beiden Durchschnitte eliminieren (Whipsaws beim kurzfristigen Durchschnitt, langsame Reaktionszeit des längerfristigen Durchschnitts). Derartige Kombinationen zweier gleitender Durchschnitte können beispielsweise 5 und 21 Perioden, 5 und 30 Perioden oder 13 und 34 Perioden sein. Trades werden beim Crossover der zwei gleitenden Durchschnitte gemacht. Diese Methode wird als Double Crossover Method (Methode der doppelten Überkreuzung) bezeichnet. Wenn zum Beispiel die Fünf-Tage-Linie über die 21-Tage-Linie steigt, erhalten wir ein Kaufsignal, und wenn die Fünf-Tage-Linie unter die 21-Tage-Linie fällt, ein Verkaufssignal. Die Technik der gemeinsamen Benutzung zweier gleitender Durchschnitte läuft dem Markt ein wenig mehr hinterher als der Einsatz eines einzelnen gleitenden Durchschnitts, produziert aber auch weniger Whipsaws.

In Abbildung 5 sehen Sie ein Chart mit einer Fünf-Tage-Linie und einer 21-Tage-Linie. Crossovers der beiden gleitenden Durchschnitte geben ein entschiedeneres Signal als ein Crossover des Preises mit der 21-Tage-Linie.

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An Punkt 9, am 15. August 2001, müssten wir diese Position nämlich schon wieder schliessen. Gleichzeitig können wir eine trendkonforme (!) Shortposition eröffnen, die einen grossen Gewinn einfährt. Sie erkennen, wie wichtig es ist, trendkonformen Signalen zu folgen, denn sie besitzen ein besseres RRR (Reward-to-Risk-Ratio). Dies veran-schaulicht auch noch einmal die Abbildung 7, in der sich das Topping-out Pattern sehr schön erkennen lässt. Longpositionen hätten hier bei einem unprofessionellen Positionsmanagement herbe Verluste beschert, nicht nur deshalb sollten Sie mit dem Trend traden.

Am 18. Dezember 2000 schneidet die Fünf-Tage-Linie die 21-Tage-Linie von oben nach unten, ein Verkaufssignal entsteht, siehe Punkt (1). Aufgrund des beschriebenen Filters würden wir den Trade erst am 20. Dezember 2000 (2) eingehen, wenn der längere gleitende Durchschnitt nach unten zeigt – dies bedeutet zwar spätere Entries und Exits, bewahrt Sie aber vor vielen Whipsaws. Es handelt sich hierbei also um einen späteren, aber sicheren Short Entry, der auch mit dem Unterschreiten einer TD-Aufwärtstrendlinie (Thomas-DeMark-Aufwärtstrendlinie) zeitlich aufeinandertrifft. Oft werden diese Trendlinien noch einmal getestet, wie es in diesem Beispiel der Fall ist. Selbstverständlich können Sie diesen Widerstandstest auch abwarten, um eine noch höhere Signifikanz für das Set-up zu besitzen, dies sollte von anderen Charting Tools, beispielsweise Indikatoren oder Fibonacci-Techniken, abhängig gemacht werden. Das Cross-up am 12. Februar 2001 (3) würde keinen Exit bedeuten, solange der längerfristige gleitende Durchschnitt noch fallend ist beziehungsweise flach verläuft. Erst an Punkt 4, also zwei Tage später, würde demzufolge die Short-position geschlossen. Ob Sie jetzt Ihre Position drehen, also einen Long Trade eröffnen, kommt sowohl auf den von ihnen gehandelten Zeitrahmen als auch andere Faktoren an, denn der Trend weist seit Dezember 2000 immer noch nach unten und gemäss den zuvor erläuterten Filter-Methoden wollen wir nicht gegen den Trend handeln. Falls Sie aber in einem ganz kurzfristigen Zeitrahmen traden und über ein professionelles Risikomanagement und Money Management (!) verfügen, können Sie (sich der Gefahr des relativ schlechten Set-ups bewusst) den Trade eingehen (4). Am 14. März 2001 (5) würden Sie den Trade auch schon wieder schliessen. Am 12. April 2001 (6) haben Sie mit dieser. Vorgehensweise mehr Glück, aber bedenken Sie unbedingt, dass Sie auch hier wieder gegen den Trend handeln, der nach unten zeigt (siehe braune Linie). Ein Verkaufssignal entsteht am 13. Juni 2001 (7) nach einem Cross Down, als sich der längerfristige Durchschnitt nach unten neigt. Dieses Signal ist nun trendkonform, da der Trend weiterhin abwärtsgerichtet ist und zudem der kurzfristige Aufwärtstrend (siehe grüne Linie) gebrochen wurde und ein neuer kurzfristiger Downtrend bestätigt wurde (siehe rote Linie). Punkt 8, der 31. Juli 2001, siehe Abbildung 6, verdeutlicht noch einmal, wie wichtig es ist, nicht gegen den Trend zu handeln, denn schon ein paar Bars später entpuppt sich dieses Kaufsignal als Whipsaw.

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Drei gleitende Durchschnitte und ihr Gebrauch als Filter

Zuvor haben wir zwei gleitende Durchschnitte benutzt. Wie gestaltet sich nun der gleichzeitige Einsatz von drei gleitenden Durchschnitten? Wenn Sie drei gleitende Durchschnitte als Filter verwenden, dann sind die populärsten Periodenlängen 5, 15, 30 oder 4, 9, 18. Wir bleiben bei der ersten Kombinaton. Wenn Sie diese Periodenlängen zugrunde legen würden, würden Sie erst dann long gehen, wenn der Fünf-Tage-Durchschnitt und danach der 15-Tage-Durchschnitt den 30-Tage-Durchschnitt von unten nach oben gekreuzt haben. Dieses Szenario beschreibt die Triple Crossover Method. Sie gilt natürlich auch in umgekehrter Form für Leerverkäufe. Das Modell mit drei gleitenden Durchschnitten besagt auch, dass Sie erst dann long gehen, wenn alle gleitenden Durchschnitte steigen, beziehungsweise erst dann short gehen, wenn alle gleitenden Durchschnitte sinken. In diesem Sinne würden Sie eine Longposition beim ersten Cross Down schliessen, so zum Beispiel wenn die Fünf-Tage-Line die 15-Tage-Linie von oben nach unten schneidet, und umgekehrt: Eine Shortposition würden Sie beim ersten Cross-up schliessen, so beispielsweise wenn die Fünf-Tage-Linie die 15-Tage-Linie von unten nach oben schneidet. In diesen Fällen steuern die verschiedenen gleitenden Durchschnitte nämlich nicht mehr in eine gemeinsame Richtung. Diese Zusammenhänge finden Sie in der Abbildung 8 veranschaulicht. Weitere Kombinationen von Periodenlängen, die Sie wählen können, sind zum Beispiel 7, 14, 21 oder für Fibonacci-Anhänger 5,13, 34.

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Drei gleitende Durchschnitte – Ansammlung und Stapelung

Einige Trader gebrauchen die sogenannten harmonischen gleitenden Durchschnitte mit Periodenlängen von 5, 15 und 30 als ein Tool, das auf potenzielle Bewegungen hinweisen soll. Wenn sich diese drei gleitenden Durchschnitte ansammeln, dann wird dieses Pattern stets von einer starken Momentumbewegung gefolgt. Um solch ein solides «Ansammlungssignal» zu isolieren, müssen der Preis und die gleitenden Durchschnitte in einer korrekten Sequenz sein: In einem Aufwärtstrend muss der Preis über der Fünf-Tage-Line notieren, die über der 15-Tage-Linie liegt, welche wiederum über der 30-Tage-Linie liegen muss. Das Umgekehrte gilt für einen Abwärtstrend (siehe auch vorige Abbildung 8). Wenn die Linien gleichweit entfernt voneinander liegen, also equidistant, dann wird dieses Pattern als Stapelung bezeichnet. Diese Stapelung können Sie üblicherweise nach einer starken Trendbewegung sehen. Mithilfe dieses Patterns können Sie Ausschau nach einem Reversal Pattern halten, sobald der Preis zurückkommt und (manchmal) die 15-Tage-Linie testet, öfter aber noch die 30-Tage-Linie (teilweise fällt er sogar noch tiefer). Um die Stapelung zu traden, ist es auch wichtig, auf die Werte der gleitenden Durchschnitte zu sehen anstatt ausschliesslich auf die Linienposition im Chart. Denn die Werte zeigen deutlicher, ob eine Stapelung vorliegt oder nicht. Sie müssen nicht exakt equidistant sein, aber ungefähr. Das Reversal muss nicht sofort auftreten. Der Markt kann nämlich noch ein paar Tage in die gleiche Richtung laufen. Man sollte stets nach einem Reversal-Signal Ausschau halten, welches das Signal der Stapelung bestätigt. Ein ähnliches Resultat sollte mit einem 5/15-GD-Oscillator, der über einen 15/30-GD-Oscillator gelegt wird, erzielt werden können, wenn Sie die Crossovers betrachten. Diese Signale arbeiten in allen Märkten und in allen Zeitrahmen. Sie sind nicht unfehlbar, aber wenn sie erscheinen, dann stehen die Chancen für eine anstehende Kursbewegung gut. Ein wichtiger Effekt, den diese Methode offenbart, ist, dass Sie auf diese Weise stets mit dem Trend handeln. In der folgenden Abbildung 9 sehen Sie Beispiele für eine Ansammlung («A») und zwei Stapelungen («S1» und «S2»). Die Ansammlung wurde von einer starken Kursbewegung gefolgt und eine Stapelung erfolgte jeweils vor einem Top und einem Bottom. Im Falle der Stapelung wurden, hier vor dem Reversal allerdings weder die 15- noch die 30-Wochen-Linie getestet.

Abbildung 9

Das Ansammlungs- und das Stapelungspattern bilden sehr nützliche Tools, um auf eine mögliche starke Kursbewegung hingewiesen zu werden, aber sie sollten zum einen nicht eingesetzt werden, um eine Position vor der eigentlichen Kursbewegung einzugehen. Zum anderen sollten diese Tools nie als alleiniges Kriterium verwendet werden, sondern stets mit anderen Trading Tools kombiniert werden.

Schlussbemerkung Es ist wichtig, zu erkennen, dass Sie beispielsweise eine Zehn-Tage-Linie nicht vor dem Schlusskurs des zehnten Tages berechnen können. In diesem Sinne können Sie nicht mittels eines Signals eines gleitenden Durchschnitts

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bis zum Tag nach dem Signal handeln. Die Kosten, welche durch den Einsatz eines Filters entstehen, resultieren aus späteren Entries und Exits. Filtermethoden besitzen den Vorteil, dass sie weitaus weniger Whipsaws zulassen. Ähnliches gilt für längerfristige Durchschnitte, welche die Gefahr von Whipsaws auch mindern, aber wiederum späte Signale liefern. Aus diesem Grund bieten sich Kombinationen von zwei oder drei gleitenden Durchschnitten an. Wenden Sie bei den aufgeführten Methoden stets ein aktives Positionsmanagement an. Gelegentlich kann Sie das technische Stop aus einer Position herausdrängen, während der gleitende Durchschnitt in die Richtung des Trades zeigt. Oft finden Sie ein ausgelöstes Stop in der Umgebung der gleitenden Durchschnittslinien wieder, und zwar dort, wo der gleitende Durchschnitt seine Richtung ändert. Gebrauchen Sie also immer ein Stop-Loss. Wenn Sie den Nutzen und die Platzierung von Stops nicht kennen, sollten Sie nicht traden!

3.4 Charttechnik und Trading – Prinzipien

3.4.1 Wie sind Zeithorizonte definiert?

Zeithorizonte sind ein massgebliches Beschreibungskriterium für einen Anlagestil. Zu Beginn eines jeden Trades oder Investments sollte sich der Anleger neben der Wahl des Kapitaleinsatzes, des Risikomanagements, neben der Kurszielermittlung und neben der Wahl eines Hebels über den Zeithorizont im Klaren sein.

Wie genau ist ein kurzfristiger, ein mittelfristiger und ein langfristiger Zeithorizont definiert?

Zeithorizonte sind ein massgebliches Beschreibungskriterium für einen Anlagestil. In der Fachliteratur finden sich leicht variierende Definitionen der einzelnen Zeitfenster.

Als kurzfristig definieren wir übergeordnet einen Zeitraum von einigen Tagen bis hin zu einigen Wochen. Wenn in Chartanalysen von kurzfristigen Trends, kurzfristigen Trendwenden und kurzfristigen Kurszielen die Rede ist, dann ist dieser Zeitraum damit gemeint.

Der kurzfristige Handel an den Finanzmärkten wird in der professionellen Händlerszene ausserdem in Scalptrading, Swingtrading, Positionstrading unterteilt. Diese Kategorisierung hat ebenfalls alleine das zeitliche Momentum als Kriterium.

Scalptrading: Trading insbesondere von Indexfutures, (Bonds-Futures), Devisen, aber auch liquiden Aktien im Sekunden- und Minutenbereich.

Swingtrading: Trading im Stundenbereich, maximal ein bis zwei Handelstage.

Positionstrading: Trading jeglichen Finanzinstruments auf Sicht von Tagen bis Wochen, maximal einigen wenigen Monaten.

Als mittelfristig definieren wir einen Zeitraum von einigen Wochen bis hin zu mehreren Monaten.

Als langfristig definieren wir einen Zeitraum länger als ein Jahr.

Zu Beginn eines jeden Trades oder Investments sollte sich der Anleger neben der Wahl des Kapitaleinsatzes, des Risikomanagements, neben der Kurszielermittlung und neben der Wahl eines Hebels über den Zeithorizont im Klaren sein. Wenn die Entscheidung getroffen wurde, eine Aktie auf kurzfristige Sicht zu kaufen, sollte sie anschliessend tatsächlich nur kurzfristig gehalten werden. Allerdings sind Zeit-Stops im Gegensatz zu Preis-Stops eher tendenziell zu sehen. Sprich, wenn ein Trade drei Tage länger als erwartete vier Tage dauert, ist dies akzeptabel, weil der Trade damit weiter dem kurzfristigen Zeitfenster zuzuordnen ist. Die Ausdehnung der Haltedauer in das nächstgrössere Zeitfenster ist lediglich dann sinnvoll, wenn die Position komfortabel im Gewinn und die Einschätzung bezüglich der weiteren Kursentwicklung eindeutig positiv ist.

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3.4.2 Investitionsplan

Mancher Investor plant seine Einsätze zwar sehr sorgfältig, handelt im Ernstfall aber impulsiv ganz anders. Letztlich erfolgversprechend ist die Aufstellung und disziplinierte Durchführung eines Investitionsplanes. Der Spekulationsplan muss in kurzer Form die logischen Gründe für die Eröffnung und die Glattstellung einer Position enthalten. Wenn eine Position eröffnet wurde, kann der Preis in der Folge steigen, fallen oder gleich bleiben. Der Plan des Spekulanten sollte Aktionsanweisungen für alle drei Fälle enthalten. Jeder Plan muss Klarheit darüber geben, wann die Position glattgestellt wird. Dies bedeutet die Berücksichtigung der drei genannten Eventualitäten: steigende, fallende und unveränderte Preise. Der Plan muss einen Verlust- und einen Gewinnausstieg vorsehen. Für den Fall des Verlustes sollte der Ausstieg durch einen vor Positionseröffnung ermittelten Stop-Loss-Punkt festgelegt sein (Punkt, an dem bei ungünstiger Marktentwicklung der Ausstieg erfolgen soll). Für den Fall der Gewinnentwicklung hängt es von den Zielen und Methoden des Spekulanten ab, wann und wie er Gewinne realisieren will. Neben einer festgelegten Kurshöhe kann auch ein Zeitpunkt als Gewinnmitnahmekriterium dienen. Bei unbeweglichen Märkten wird der Investor spätestens zum Liefermonat entscheiden müssen, was er mit seiner Position macht, da er in der Regel nicht mit seinen Futures oder Short Options in eine Liefersituation geraten will. Ein solcher Plan ist unbedingt vor Eingehen der Position zu erstellen, da zu diesem Zeitpunkt der «Kopf noch frei» ist. Man kann dann noch nüchtern die Situation beurteilen und Handlungsanweisungen festlegen. Ist die Position erst einmal eröffnet, ist man nicht mehr frei von Gefühlen (Hoffnung, Angst) oder Einflüssen und Eindrücken vom Marktgeschehen. Wer sich ein derartiges Grundkonzept zurechtgelegt hat, kann dem Markt gelassen entgegensehen. Er ist nicht auf Impulsentscheidungen angewiesen, die unter Druck entstehen und sich eher als falsch denn als richtig erweisen, selten aber gut überlegt sind.

Festzulegen sind ausserdem die Mindestgrenze und die Obergrenze der für die Spekulation einzusetzenden Mittel. Das absolute Minimum sind der Optionspreis oder der Margin-Einschuss und die Provision für einen Kontrakt. Das absolute Maximum ist das Gesamtvermögen des Investors. Beide Grenzen sind jedoch für eine überlegte Spekulation unsinnig. Ein Investor, der nur den absoluten Mindestbetrag zur Verfügung hat, sollte auf Spekulationen in Termingeschäften verzichten. Denn falls der Kurs sich entgegen der Erwartung entwickelt, bringt er sich sehr schnell aufgrund der Hebelwirkung in eine gefährliche Situation: Er muss seine Position entweder selbst liquidieren, um einen gewissen Prozentsatz seines Einschusses zu retten, oder es kommt zur Zwangsliquidierung, wenn nicht rechtzeitig der erforderliche Nachschuss (Margin Call) erfüllt wird. Es sollte deshalb zur Spekulation mindestens so viel freies Kapital zur Verfügung stehen, um gegebenenfalls jederzeit die zusätzlich geforderten Sicherheitsleistungen erbringen zu können. Aus diesem Blickwinkel ist auch eine Spekulation auf Kredit zu sehen. Termingeschäfte mit ihrer grossen Hebelwirkung sollten keinesfalls durch Kredite finanziert werden.

Merke: Eine Grundregel des Geldmanagements lautet, nicht mehr als 20% des frei verfügbaren Kapitals für Spe ku-lationszwecke zu verwenden. Hiervon sollte höchstens die Hälfte als Einschuss auf eingegangene Positionen geleistet werden. Die andere Hälfte stellt die Reserve für eventuelle Nachschussverpflichtungen oder «Verbilligungen» dar. Eine zweite Grundregel besagt, dass häufige kleine Einsätze mit grösserer Wahrscheinlichkeit per saldo zu einem Gesamtgewinn führen als wenige grosse Einsätze.

3.5 Kursmuster und Formationen

Der Charttechniker wertet die Art und Weise aus, wie sich die Kursbewegungen abspielen. Wie sind die entstehenden zyklischen Zwischenhochpunkte und Zwischentiefpunkte relativ zueinander angeordnet? Werden kurzfristige Konsolidierungen schnell wieder gekauft? Auf welchem Kursniveau wird wieder gekauft? Können sich neue Hochs ausbilden als Zeichen zunehmenden Kaufdrucks? Wie viele Zwischentiefs entstehen in einer Kurszone? Werden bisherige Zwischentiefs unterboten? Wenn ja, mit welcher Vehemenz? Ein Unterbieten markanter Zwischentiefs spricht für nachgebenden Kaufdruck und es spricht dafür, dass die Käufer nicht mehr bereit sind, Rücklauftiefs zu verteidigen. Insofern sind solche Konstellationen ein Hinweis für einen möglicherweise entstehenden Trendwechsel von aufwärts auf abwärts. Da sich aktive Marktteilnehmer immer präzise im Kursgeschehen orientieren müssen und ihre Stop-Loss-Absicherungen je nach Richtung der getätigten Transaktionen unterhalb oder oberhalb wichtiger Hochs und Tiefs platzieren, können Sie selbst erkennen, in welchen Kurszonen gestaffelt Stop-Loss-Orders im Markt liegen. Die Kenntnis solche Kumulationspunkte von Stop-Loss-Orders kann für Ihr eigenes Trading von grosser Bedeutung sein.

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Der Terminus Formation wird bei uns synonym verwendet mit der Begrifflichkeit Kursmuster oder Pattern. Formationen beschreiben spezielle, klar definierte Konstellationen der Anordnung von Zwischentiefs und -hochs zueinander.

3.5.1 Formationen professionell getradet

In den meisten Charts ist ersichtlich, dass die Preise nicht auf der Stelle drehen. Vielmehr bilden die Kurse klar definierbare Trading Ranges (deutsch: Handelsspannen), bevor Trend Reversals (deutsch: Trendwenden) einsetzen. Abbildung 1 zeigt ein solches Beispiel.

Abbildung 1: Trading Range, die zum Reversal führt. Der Preis bildet eine Rallye, setzt sich zunächst in einer Trading Range fest, fällt aus der Trading Range und bildet ein Reversal.

Im linken Teil der Abbildung 1 bildet der Kurs eine Rallye aus und verliert an Upside Momentum (deutsch: svw. Aufwärtsdynamik), bevor es zur Auseinandersetzung zwischen Käufern und Verkäufern kommt. Oft ist es in solchen Fällen möglich, zwei horizontale Trendlinien, die Top und Bottom (deutsch: Boden) der Trading Range markieren, zu konstruieren. Jedes Mal, wenn die Preise an die obere Begrenzung der Trading Range, die Angebotslinie, laufen, werden die Käufer aufgrund des höheren Preises ängstlich und der Verkaufsdruck erhöht sich. Danach, wenn der Kurs auf die untere Begrenzung der Trading Range, die Nachfragelinie, fällt, werden Käufer angezogen; aber Verkäufer, welche natürlich einen höheren Verkaufspreis anstreben, nehmen ihre Angebote zurück, sodass der Preis bounced (deutsch: abprallt). Eventuell gewinnen die Verkäufer diese Auseinandersetzung, wenn der Preis signifikant unter die untere Begrenzung der Trading Range fallen sollte. Die Preisaktivität, die den Uptrend (deutsch: Aufwärtstrend) vom Downtrend (deutsch: Abwärtstrend) trennt, findet zwischen den zwei parallelen Linien statt und bildet das bekannte Rectangle (deutsch: Rechteck) aus.

Die Unterscheidung zwischen Reversal- und Continuation-Patterns-Chartformationen treten in zwei verschiedenen Erscheinungen auf, nämlich als Reversal- und Continuation-Patterns (deutsch: Umkehr- und Fortsetzungsformationen). In der Abbildung 1 sehen wir ein Reversal von einem Uptrend zu einem Downtrend. Umgekehrt könnten wir uns auch ein Reversal von einem Downtrend zu einem Uptrend vorstellen.

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Abbildung 2: Fortsetzung. Anstelle eines Reversal des Trends, wie in Abbildung 1 dargestellt, bildet sich eine Fortsetzungs- beziehungsweise Konsolidierungsformation, bevor sich der Trend fortsetzt. Abbildung 2 stellt ein Continuation, oder Consolidation Pattern (deutsch: Konsolidierungsformation) dar. Der Preis bildet ein Rechteck, welches eine temporäre «Haltestelle» in einem sich fortsetzenden Uptrend darstellt. Während das Rechteck ausgebildet wird, gibt es durch den Kursverlauf in dieser Formation keinen Hinweis darauf, in welcher Richtung sich das Breakout (deutsch: Ausbruch) vollziehen wird. Andere Tools, wie zum Beispiel Indikatoren, könnten hier zwar Hinweise für die vermeintliche Ausbruchsrichtung geben, aber das normale technische Prinzip ist, anzunehmen, dass der vorhergehende Trend noch in Kraft ist – so lange bis das Gegenteil sichtbar wird. Ein Trend ist schliesslich ein Trend. Dies bedeutet, dass, wenn wir ein Rechteck beobachten wir, annehmen sollten, dass es sich eher um eine Fortsetzungsformation als um eine Umkehrformation handelt, und zwar so lange, bis der Chart etwas anderes indiziert.

Die Prinzipien der Interpretation Bevor wir uns andere Arten von Formationen ansehen, untersuchen wir einige der interpretativen Prinzipien, welche wir auf alle unsere Formationen anwenden können:

• Die Signifikanz einer einzelnen Formation. Die Wichtigkeit einer bestimmten Formation ist vor allem eine Funktion ihrer Grösse und Tiefe. Stellen wir uns vor, dass der Kapitän eines Öltankers sich dazu entscheidet, den Kurs zu ändern; dann wird das sehr wahrscheinlich länger dauern, als wenn ein Autofahrer eine andere Richtung einschlägt. Das gleiche Prinzip gilt für die Märkte.

• Grösse. Je mehr Zeit die Formation benötigt, um sich auszubilden, desto länger wird der neue Trend wahrscheinlich dauern. Denken wir daran, dass die eben beschriebene Trading Range, die von dem Rechteck reflektiert wird, ein wahres Schlachtfeld zwischen Käufern und Verkäufern ist. Je länger dieser Kampf bis zu seinem Ende andauert, desto grösser ist der Sieg, der davongetragen wird – nämlich die anstehende Preisbewegung.

• Tiefe. Der zweite Faktor, der die Signifikanz einer Formation bestimmt, ist die Tiefe beziehungsweise die Distanz vom Botton bis Top der Formation. Die Bedeutung der Tiefe wird am deutlichsten, wenn wir zur Kurszielbestimmung einer Formation, zu unserem zweiten Prinzip der Interpretation, übergehen.

• Kurszielbemessung. Die Kurszielbemessung einer Formation wird durchgeführt, indem wir zunächst die vertikale Distanz zwischen Top und Bottom der Formation bemessen und diese Distanz vom Breakout Point (deutsch: Ausbruchspunkt) an projizieren, siehe Abbildung 3. Falls der Ausbruch nach unten erfolgt, wird das Kursziel nach unten projiziert und falls der Ausbruch nach oben erfolgt, wird das Kursziel nach oben projiziert.

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Abbildung 3: Kurszielbemessung. Die Tiefe einer Konsolidierung – die Differenz zwischen Top und Bottom – lässt durch Projektion an den Breakout Point ein Kursziel annehmen.

Für längerfristige Charts spielt die Wahl der Skalierung der Preisachse eine sehr wichtige Rolle. Eine arithmetische Skalierung reflektiert denselben Preisbetrag für jede identische vertikale Distanz. So repräsentiert zum Beispiel ein Zentimeter 10 Euro. Eine logarithmische Skalierung hingegen repräsentiert die gleiche proportionale Distanz. In diesem Fall würde beispielsweise jeder Zentimeter eine zehnprozentige Preisbewegung repräsentieren, egal wo er im Chart auftritt.

In den Abbildungen 4 und 5 sehen wir ein Beispiel einer Kurszielbemessung für zwei Rechtecke , die sich beide in einer Range zwischen 4 und 10 formen.

Abbildung 4: Arithmetische Skalierung. Bei dieser Skalierung führt unser Kursziel im Beispiel unter null. In diesem Fall sollten wir eine logarithmische Skalierung bevorzugen.

Die Kurszielbemessung in Abbildung 4 ist insofern absurd, als dass sie ein Kursziel im negativen Bereich projiziert.

Abbildung 5: Logarithmische Skalierung. Das Problem, das wir in Abbildung 4 betrachten können, existiert bei dieser Skalierung nicht mehr. Bei längerfristigen Charts sollte man zur logarithmischen Skalierung tendieren.

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Das Kursziel im logarithmischen Chart ist weitaus realistischer, weil sich die Kurszielprojektion auf proportionale Swings stützt. Der Unterschied zwischen der arithmetischen und der logarithmischen Skalierung ist nicht immer so signifikant wie im Beispiel der Abbildungen 4 und 5. Dies gilt insbesondere für kurzfristige Charts, aber es ist sehr empfehlenswert,eine logarithmische Skalierung für längerfristige Charts zu wählen – so kann die oben beschriebene Verzerrung in Abbildung 4 vermieden werden. Volumenbegleitung von Formationen. Bis jetzt haben wir nur den Preis beschrieben. Die Volumenbegleitung ist aber auch wichtig. Eine Regel besagt, dass das Volumen am höchsten ist, wenn die linke Seite einer Formation ausgebildet wird. Umgekehrt ist das Volumen am niedrigsten, während sich die rechte Seite der Formation bildet. Dies bedeutet aber nicht, dass jeder nachfolgende Handelstag von einem niedrigeren und noch niedrigeren Volumen begleitet wird. Sondern hier geht es um den gesamten Trend des Volumens, wie in Abbildung 6 schematisch dargestellt.

Abbildung 6: Volumenbegleitung einer Konsolidierung (Schema). Typischerweise fällt das Volumen während einer Konsolidierung. Käufer und Verkäufer befinden sich während der Formationsausbildung in einem Gleichgewicht. Beim Breakout steigt das Volumen gewöhnlich.

Vergegenwärtigen wir uns, dass Käufer und Verkäufer bei ihrer gemeinsamen Schlacht quasi eingeschlossen sind, während sich die Formation ausbildet. Nach einer gewissen Zeit ist das Pattern soweit, dass es bald vollendet wird. Die Balance zwischen Angebot und Nachfrage ist zu diesem Zeitpunkt gleich, so dass es relativ einfach für die eine oder andere Seite ist, die Oberhand zu behalten. Jede Transaktion hat einen Käufer und einen Verkäufer, sodass sowohl Angebot und Nachfrage als auch der Clearing-Preis jederzeit gleich sind. Dem Volumen kommt bei einem Upside Breakout eine entscheidende Bedeutung zu, weil das Volumen normalerweise mit dem Trend geht. Ein Upside Breakout, das nicht von einer expandierenden Aktivität begleitet wird, ist suspekt, denn es besitzt keine Kaufkraft, um einen anhaltenden Trend zu unterstützen. In Abbildung 6 sehen wir, dass der Volumentrend anfängt zu steigen, wenn der Preis seine Ausbruchsrallye beginnt. Das eigentliche Level des Volumens mag eventuell nicht spektakulär sein, jedoch sollte eine definitive Veränderung des vorherigen abwärtsgerichteten Trends offensichtlich sein. Downside Breakouts (auch «Breakdowns» genannt) sind ein ganz anderes Thema, denn der Preis kann durch einen Mangel an Nachfrage sehr leicht zusammenbrechen. Das Volumen kann bei einem Downside Breakout sowohl niedrig als auch hoch sein. Ein niedriges Volumen ist normal, denn das Volumen geht mit dem Trend. Wenn Preise fallen, ist es wahrscheinlich, dass sich auch das Volumen zusammenzieht. Ein expandierendes Volumen und fallende Preise hingegen reflektieren «schwache Hände» und einen stärkeren Angebotsdruck, was darauf hindeutet, dass ein Downside Breakout nahe bevorstehen sollte.

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Valides Breakout? Wenn wir auf unsere Chartbeispiele sehen, dann stellen wir fest, dass sich der Preis gewöhnlich aus der Formation bewegt, sowohl nach unten als auch nach oben. Aber wie entscheiden wir, ob es sich um ein gültiges Breakout handelt? In den vergangenen Jahren, als Marktteilnehmer Positionen für Wochen oder Monate hielten, war es allgemein akzeptiert, dass eine Bewegung, die den Preis 3% aus den Formationsbegrenzungen führte, ein valides Breakout sei. In den heutigen schnellen Intraday-Charts kann sich eine solche Regel jedoch nicht lange halten, denn nur allzu oft «überlegt» es sich der Preis nach der beschriebenen 3%-Bewegung wieder anders und kehrt um. Leider gibt es keine unumstösslichen und schnell anzuwendenden Regeln in den schnellen Märkten von heute, weil die Gültigkeit eines Breakouts nur mit Erfahrung und dem Urteil der Erfahrung beurteilt werden kann. Ein marginales Breakout, bei dem sich der Preis lediglich nur ein bisschen von seinem Ausbruchspunkt bewegt, muss sich erst noch als valide beweisen. Einige Trader verlangen, dass der Preis für zwei aufeinanderfolgende Handelstage über beziehungsweise unter der Formation schliesst – erst dann gehen sie den Trade ein. [Im Falle des intraday Tradings liesse sich ein solcher Zeitraum auf ungefähr zwei Fünf-Minuten- oder 30-Minuten-Bars übertragen (je nach Tradingstil)]. Falls der Preis ausbrechen sollte, es aber nicht schaffen sollte, ausserhalb der Formation zu bleiben, so müssen wir definitiv die Gültigkeit des Ausbruchs in Zweifel ziehen. Unter solchen Umständen ist es zwingend notwendig, den schon vor dem Trade entworfenen «Fluchtplan» einzuhalten. Das heisst, dass wir vorzeitig ein Stop unter ein Minor Low, welches vor dem ungültigen Ausbruch in Erscheinung getreten ist, siehe Abbildung 7, gesetzt haben, für den Fall, dass sich das Breakout als nicht gültig erweisen sollte. Denn es ist unsinnig, ein Breakout als gültig zu betrachten, wenn der Preis nach dem Breakout wieder innerhalb der Formationsgrenzen gehandelt wird.

Abbildung 7: Verlustbegrenzung. Auf einem falschen Breakout sollte man nicht lange sitzen bleiben. Wir platzieren sofort (wenn nicht schon vorher geschehen) einen Stop unter ein Minor Low/High vor dem Aufwärtsbreak/Abwärtsbreak.

Falls diese Art des «Fluchtplans» ein zu grosses Risiko darstellen sollte, können wir dem ungültigen Breakout auch mit der 50%-Regel zu Leibe rücken. Nach dem ungültigen Upside Breakout, siehe Abbildung 8, würde die Position geschlossen werden, wenn der Preis die Mitte des Patterns durchkreuzt.

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Abbildung 8: Eine andere Stop-Regel. Falls ein Breakout die Hälfte der Konsolidierungstiefe unterschreitet, ist es an der Zeit, die Position zu schliessen.

Auf Retracements vorbereitet sein

Die meisten Trader kaufen den Markt bei einem Upside Breakout, weil sie erwarten, dass das Kursziel schnell erreicht wird. In vielen Fällen jedoch bildet der Preis ein Retracement. Diese Retracement-Bewegung stellt eine zweite Gelegenheit dar, um zu kaufen – und zwar unter viel ruhigeren und kontrollierteren Bedingungen als jene, welche während des Breakouts vorherrschten. Oftmals ist es möglich, eine kurze Downtrend-Linie einzuzeichnen, welche die Minor Retracement Peaks miteinander verbindet, siehe Abbildung 9. Wenn diese Linie verletzt wird, wie zum Beispiel am Punkt «X» in Abbildung 9, dann wird ein Kaufsignal generiert. Diese Retracements können nicht nur bei Upside Breakouts entstehen, sondern auch bei Downside Breakouts.

Abbildung 9: Oft kommt es nach Breakouts zu Retracements. Dabei kann es vorkommen, dass die Begrenzung der Trading Range noch einmal getestet wird. Die Retracements bilden oft ein Pattern. In diesem Beispiel können wir eine kleine Trendlinie über die Minor Retracement Peaks einzeichnen. Der Ausbruch signalisiert einen Entry Point (siehe «X»).

3.5.2 Steigende Dreiecke

Oft fragt man sich bei lang anhaltenden volatilen Kurskorrekturen, ob diese eine grosse Trendwende nach unten oder aber eine anschliessende Fortsetzung einer Aufwärtsbewegung nach oben signalisieren. Massgeblich ist die Art und Weise, wie sich die Korrektur abspielt. Zeigen sich Konturen einer bullischen oder einer bärischen Formation? Im Folgenden wird Ihnen mit dem steigenden Dreieck eine bullische Formation erläutert. Bei einem steigenden Dreieck handelt es sich um ein Korrekturmuster, das eine positive charttechnische Signalwirkung hat.

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Dreiecke bilden Konsolidierungsformationen innerhalb der übergeordneten Trendbewegungen. Diese können Hinweise auf eine Fortsetzung der übergeordneten Bewegung bieten, aber auch einen bevorstehenden Trendwechsel ankündigen. In der folgenden Abbildung ist ein steigendes Dreieck dargestellt.

Hier erreicht der Kursverlauf innerhalb einer Aufwärtsbewegung einen Hochpunkt und geht in eine Konsolidierung über. Nach einem Zwischentief reicht der aufgebaute Kaufdruck nicht mehr aus, um das vorherige Hoch zu überwinden, und der Kursverlauf prallt daran nach unten ab. Kann während der folgenden Konsolidierung ein markantes Zwischentief gebildet werden, welches sich oberhalb des Vorgängertiefs befindet, ist das steigende Dreieck definiert. Spekulieren kann der Trader dann auf eine bevorstehende weitere Aufwärtsbewegung. Im Dreieck wird ersichtlich, dass das Aufkommen von Kaufdruck im Markt jeweils früher erfolgt. Der an der starken Widerstandslinie aufkommende Verkaufsdruck beendet diese Bewegungen aber wieder. Innerhalb der enger werdenden Kursspanne wird während der laufenden Konsolidierung Druck aufgebaut, der sich mit einem Ausbruch daraus in einer stärkeren trendierenden Bewegung entladen sollte. Das jeweils frühere Aufkommen des Kaufdruckes deutet hier einen Kursusbruch nach oben, und damit ein Signal für einen Aufbau von Longpositionen an. Aus dieser Konsolidierungsformation kann der Trader darüber hinaus ein Kursziel für die folgende Aufwärtsbewegung ableiten. Dafür wird die grösste Ausdehnung innerhalb des Dreiecks, in der Abbildung mit A bezeichnet, auf die Widerstandslinie aufgesetzt. Klassisch erfolgt der Einstieg in eine neue Longposition während der über die Widerstandslinie laufenden Ausbruchsbewegung. Eine Absicherung der Position wird dann unterhalb der verlängerten Unterkante der Dreiecksformation platziert. Aus Sicht des Chance-Risiko-Verhältnisses stellt diese Variante des Einstieges, in der Abbildung 9 mit Punkt 1 bezeichnet, die ungünstigste dar. Zu diesem Zeitpunkt, nach einer von der Dreiecksunterkante erfolgten Aufwärtsbewegung, liegt häufig bereits ein überkaufter Zustand vor, der anfällig für eine bald folgende Konsolidierung ist. Darüber hinaus ist die Entfernung des klassischen Stop-Loss sehr hoch im Vergleich zum sich bietenden Kurspotenzial. Da sich mit der Bildung eines steigenden Dreiecks eine bevorstehende Aufwärtsbewegung bereits andeutet, kann ein Einstieg in die Formation auch bei einer weiteren Bestätigung der Aufwärtstrendlinie erfolgen. Hier liegt das klassische Stop-Loss relativ eng, hingegen bietet sich umfassendes Kurspotenzial, welches sich aus der Formation bereits ermitteln lässt. Ebenso ist ein Einstieg im Punkt 3 bei günstigem Chance-Risiko-Verhältnis möglich. In diesem Fall ist bereits ein Ausbruch aus der Dreiecksformation erfolgt und es läuft eine Pullback-Bewegung, zurück auf die gebrochene Dreiecksoberkante. Prallt der Kurs dort nach oben ab, kann der Trader die Auflösung des Dreiecks nach oben als bestätigt betrachten. Die Wahrscheinlichkeit einer fortgesetzten Aufwärtsbewegung wird dadurch erhöht, und es kann eine relativ enge Absicherung der Position bereits unter der Dreiecksoberkante erfolgen, da diese jetzt nicht mehr gebrochen werden darf. Dieses Prinzip eines steigenden Dreiecks lässt sich vollständig umkehren. Für den Fall, dass der Kursverlauf über einer definierten Unterstützung eine Abwärtstrendlinie bildet, handelt es sich spiegelbildlich um ein fallendes Dreieck. Der hier jeweils früher aufkommende Verkaufsdruck deutet letztlich eine folgende Abwärtsbewegung bei einem Bruch der Unterstützung an. Diese Formation können Sie spiegelbildlich wie ein steigendes Dreieck behandeln.

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Bei den ersten vier Beispielen zeigt sich, wie bereits zum Prinzip der Dreiecksformation beschrieben, dass es sinnvoll ist, eine Konsolidierung nach dem Kursausbruch abzuwarten. Diese führt zu einem Abbau des charttechnisch eher überkauften Zustands zum Zeitpunkt des Kursausbruchs. Darüber hinaus kann dann eine Tradeabsicherung enger erfolgen, da das Stop-Loss sinnvoll auf höherem Niveau gesetzt werden kann als im Falle einer erst gestarteten Ausbruchsbewegung. Auch wird das Kaufsignal bei einem Rückfall auf die Dreiecksoberkante, und wieder anziehenden Notierungen, bestätigt, was die Nachhaltigkeit des Signals und damit die Trefferquote erhöht.

In den beiden letzten Beispielen geht es zum einen um ein aktuell ausgelöstes steigendes Dreieck, darüber hinaus um eine Dreiecksformation, bei der es bisher nicht zu dem entsprechenden Kaufsignal gekommen ist.

Beispiel 1: BoeingBei Boeing kam es Ende 2004 zur Ausbildung einer steigenden Dreiecksformation. Der Ausbruch daraus konnte direkt gehandelt werden, da bereits unterhalb der Dreiecksoberkante eine Konsolidierung lief und der Anstieg dann bei starkem Volumenanstieg erfolgte. Die anschliessende Konsolidierung bot aber ebenfalls noch eine Möglichkeit zur Positionierung.

Beispiel 2: DellAuch bei Dell kam es 2004 zur Ausbildung einer steigenden Dreiecksformation. Die Aktie brach daraus dynamisch aus, bildete einen Rücksetzer auf die Dreiecksoberkante und explodierte anschliessend zum Kursziel.

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Beispiel 3: Lam ResearchDie Aktie bildete eine Dreiecksformation bis Herbst 2005 aus und brach dann mit einem Volumenschub daraus nach oben aus. Zwei Rücksetzer auf die Oberkante, welche auf Schlusskursbasis nicht mehr durchbrochen wurde, boten Einstiegsmöglichkeiten.

Beispiel 4: SBA CommunicationsDie Aktie bildete eine steigende Dreiecksformation im bestehenden Aufwärtstrend aus und brach daraus Anfang Oktober aus. Der dynamische Anstieg von der Dreiecksoberkante konnte gekauft werden, was wir auch im Aktien-Premium-Trader getan haben. Ein Erreichen des Kurszieles steht noch aus, die Aktie dürfte dieses aber noch erreichen.

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Beispiel 5: Akamai Hier kommt es aktuell zu einer Ausbruchsbewegung aus einer steigenden Dreiecksformation unterhalb des bisherigen Rallyehochs. Erkennbar ist das stark erhöhte Volumen, welches das generierte Kaufsignal stützt. Bei Akamai könnte der Anleger dieses Kaufsignal direkt handeln, da das Dreieck sehr flach verläuft. Die Entwicklung bleibt zu beobachten.

Beispiel 6: ENI ENI befindet sich im übergeordneten Aufwärtstrend in einer langfristigen steigenden Dreiecksformation. Ein Ausbruch über 25,17 Euro sollte ein Kaufsignal auslösen, welches aber noch aussteht. Die Konsolidierung unterhalb der Dreiecksunterkante legt im Falle eines Ausbruchs einen direkten Einstieg nahe.

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3.5.3 Symmetrische Dreiecke

Neben den seltener identifizierbaren steigenden und fallenden Dreiecken kommt es innerhalb des Marktes während der Konsolidierungsphasen häufiger zur Ausbildung einer symmetrischen Dreiecksformation. Das Schema eines symmetrischen Dreiecks ist in nachfolgender Abbildung dargestellt.

Prinzip einer symmetrischen Dreiecksformation mit Varianten der Einstiegs- und Ausstiegspunkte

Hier bildet der Markt auch zunächst einen Extrempunkt und konsolidiert diese Bewegung aus. Die folgende Bewegung in der ursprünglichen Trendrichtung erreicht das Vorgängerhoch aber nicht mehr. Wird der Kursverlauf dann vor Erreichen des ersten Konsolidierungspunktes wieder aufgefangen, ist ein symmetrisches Dreieck definiert. Eine exakte Symmetrie der Formation ist natürlich nicht erforderlich, die Trendlinien sollten nur nicht in extrem abweichendem Winkel konvergieren. Im Gegensatz zu steigenden oder fallenden Dreiecken gibt der eigentliche Aufbau der Formation keinen Hinweis auf die folgende Ausbruchsbewegung. Eine Wiederaufnahme der vor der Dreieckskonsolidierung gelaufenen Bewegung ist dabei aber wahrscheinlicher. Auch in einem symmetrischen Dreieck wird Druck aufgebaut, der sich bei der Auflösung der Formation entlädt. Das theoretische Kurspotenzial ermittelt sich aus der grössten Ausdehnung innerhalb des Dreiecks, in Abbildung 10 mit A bezeichnet. Diese wird vom Ausbruchspunkt in der jeweiligen Richtung abgetragen. Die möglichen Einstiegsvarianten, hier am Beispiel einer nach oben aufgelösten symmetrischen Dreiecksformation, sind ähnlich wie bei einem steigenden Dreieck. Neben den hier bereits beschriebenen Nachteilen im klassischen Ausbruchpunkt 1 kommt hinzu, dass der Kurs oberhalb der gebrochenen Dreiecksoberkante wieder zurückfallen kann, ohne das eigentliche Kaufsignal zu negieren. Auch hier bietet sich der Aufbau einer Longposition im Punkt 2 an, wenn der Kursverlauf nach dem erfolgten Ausbruch auf der Dreiecksoberkante wieder nach oben abprallen kann. Ebenfalls möglich ist der Einstieg in Punkt 3, nach einer Bestätigung der Dreiecksunterkante, wobei die Richtung der Ausbruchsbewegung aus der Formation nicht klar ersichtlich ist. Kommt es dann zu einer Auflösung der Dreiecksformation in der Richtung des zuvor herrschenden Trends, kann darüber hinaus ein weiteres theoretisches Kursziel anhand der Ausdehnung der zuvor durchlaufenen Trendbewegung, in der Abbildung 10 mit B bezeichnet, ermittelt werden. Die gleiche Ausdehnung der Bewegung kann, ausgehend vom Tiefpunkt der Dreiecksformation, nach oben projiziert werden. Während es sich bei den eben beschriebenen Dreiecken vorwiegend um Trendfortsetzungsformationen handelt, sollen im Folgenden Trendwendeformationen betrachtet werden.

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3.5.4 Schulter-Kopf-Formationen

Hierbei handelt es sich um eines der bekanntesten und bei Tradern beliebtesten Kursmuster. Zunächst möchten wir Ihnen die klassische Darstellung erläutern. Es gibt unterschiedlichste Auflösungsmuster. Gerade in der Vergangenheit war es so, dass es sich bei Schulter-Kopf-Formationen (kurz SKS) um Trendwendemuster handelt. Mit der zunehmenden Popularität der charttechnischen Analyse haben sich jedoch weitere Auflösungsmuster herauskristallisiert. Eine SKS kann durchaus auch im Sinne einer Fortsetzungsformation Wirkung zeigen. Zunächst aber die Beschreibung der klassischen SKS-Formation und ihrer Trendwendefunktion.

Eine klassische Trendwendeformation ist die SKS-Formation, die einen Trendwechsel hin zu einer Abwärtsbewegung einleitet. Der Kursverlauf erreicht hier zunächst ein Hoch, bezeichnet in Abbildung 11 mit dem linken S, und geht dann in eine Konsolidierung über. Während der folgenden Rallye kommt es innerhalb der noch intakten Aufwärtsbewegung zur Ausbildung eines höheren Hochs (K), die anschliessende Konsolidierung erreicht dann allerdings das Kursniveau des vorangegangenen Tiefs. Exakt muss dieses nicht erreicht werden, tendenziell sollte sich das zweite Konsolidierungstief aber auf der Höhe des ersten befinden.

Abbildung 11: Prinzip einer Schulter-Kopf-Schulter-SKS-Trendwendeformation mit Varianten der Einstiegs- und Ausstiegspunkte

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Kann sich der Kursverlauf jetzt nicht mehr nachhaltig nach oben absetzen, kommt es mit einem weiteren Zwischenhoch, in der Abbildung mit dem rechten S bezeichnet, zur Ausbildung einer Schulter-Kopf-Schulter-Trendwendeformation (kurz: SKS-Formation). Die dabei entscheidende charttechnische Marke ist die Nackenlinie, die in der Abbildung 11 schwarz eingezeichnet ist. Ein Verkaufssignal wird ausgelöst, wenn diese Nackenlinie nach unten gebrochen wird. Das theoretische Kurspotenzial entspricht auch bei einer SKS-Formation der grössten Ausdehnung innerhalb der Formation, die aber hier vom Ausbruchspunkt an der Nackenlinie nach unten abgetragen wird. Ein klassischer Einstieg, in eine Shortposition, erfolgt bei einem Bruch der Nackenlinie. Wie bereits bei den Dreiecken beschrieben, ist dieser Punkt aber der ungünstigste. Zum Zeitpunkt des Bruchs der Nackenlinie weist der Kursverlauf einen wahrscheinlich bereits überverkauften Zustand auf. Dieser kann zunächst nochmals eine Gegenbewegung nach oben einleiten und somit eine eingegangene Tradingposition sofort in Gefahr bringen. Es bietet sich für den Trader auch hier an, erst eine Bestätigung der Auflösung der SKS-Formation abzuwarten und diese zum Einstieg zu nutzen. Wird eine Position direkt in Punkt 1 aufgebaut, ist darüber hinaus sinnvoll Stop-Loss, in der Abbildung als Stop 1 bezeichnet, gemessen am vorhandenen Kurspotenzial relativ weit entfernt. Kommt es zu einer Bestätigung der Ausbruchsbewegung durch einen Rücksetzer des Kurses an die gebrochene Nackenlinie, kann, wenn der Kursverlauf hier wieder nach unten abdreht, eine enger abgesicherte Shortposition eingegangen werden. Das Stop-Loss, in der Abbildung als Stop 2 bezeichnet, kann im Verhältnis zum vorhandenen Kurspotenzial sinnvoll eng über der Nackenlinie platziert werden. Wenn Sie zunächst auf eine Ausbruchsbestätigung warten, besteht die Gefahr, einige Trades zu verpassen, die direkt in Richtung des theoretischen Kurszieles laufen. Die bei einem Einstieg in Punkt 2 gegebene günstige enge Absicherungsmöglichkeit wiegt die verpassten Trades allerdings mehr als auf. Genauso wie die in Abbildung 11 dargestellte SKS-Formation eine Topbildung des Kursverlaufs zeigt und eine Abwärtsbewegung einleiten sollte, kommt es spiegelbildlich auch zu in dieser Form angeordneten Bodenformationen. Diese inversen SKS-Formationen generieren bei einem Ausbruch über die Nackenlinie dann ein entsprechendes Kaufsignal und können durch den Trader ansonsten nach dem gleichen Schema behandelt werden. Weitere einfach identifizierbare Trendwendeformationen sind die Doppeltops und die Doppelböden.

3.5.5 Doppeltop und Doppelboden

Die Ausbildung eines Doppeltops ist ähnlich der Ausbildung einer SKS-Formation. Hier erreicht der Kursverlauf nach einer ersten Konsolidierung das Hoch des vorherigen Anstieges ebenfalls, kann aber nicht weiter nach oben ausbrechen. Es kommt dann zu einem weiteren Rückfall auf das zuvor gebildete Zwischentief, welches jetzt die entscheidende Unterstützung darstellt.

Abbildung 12: Prinzip einer Doppeltop-Trendwendeformation mit Varianten der Einstiegs- und Ausstiegspunkte

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Wird diese in der Abbildung 12 schwarz dargestellte Unterstützung nach unten gebrochen, löst der Kursverlauf ein Verkaufssignal aus. Der zu diesem Zeitpunkt erfolgende klassische Einstieg in eine Shortposition ist auch bei einem Doppeltop der ungünstigere. Aufgrund des wahrscheinlich überverkauften Zustands wird eine Gegenbewegung nach oben schneller möglich, die die eingegangene Shortposition sofort in Gefahr bringt. Das Stop-Loss, in der Abbildung als Stop 1 gekennzeichnet, kann sinnvoll erst im Bereich der Hälfte der Höhe der Formation festgelegt werden und liegt damit im Verhältnis zum sich bietenden theoretischen Kurspotenzial noch relativ weit entfernt. Um das durch die Formationshöhe ermittelte und am Ausbruchspunkt abgetragene Kurspotenzial zu handeln, kann der Trader auch bei einer Doppeltopformation zuerst eine Gegenbewegung abwarten. Der Kursausbruch nach unten sollte vom Kursverlauf durch ein Scheitern an der gebrochenen Unterstützung bestätigt werden, sodass sich anschliessend eine Shortposition eingehen lässt. In diesem Fall kann das Stop-Loss zur Absicherung der eingegangenen Position eng über dem Hoch der Gegenbewegung gesetzt werden. Eine Doppeltopformation leitet bei einer Bestätigung eine Abwärtsbewegung ein. Bildet der Kurs einen spiegelbildlichen Verlauf, handelt es sich um eine Doppelbodenformation, die eine Aufwärtsbewegung einleiten kann. Neben den beschriebenen Doppeltop- und Doppelbodenformationen bildet der Markt auch Dreifachtop- und Dreifachbodenformationen aus. Deren Aufbau ist ähnlich, nur kommt es im Falle eines Dreifachtops zu einem weiteren erfolglosen Ausbruchsversuch über das Hoch der zu diesem Zeitpunkt potenziellen Doppeltopformation. Wird anschliessend die Unterstützung der Formation durchbrochen, erschliesst sich auch in diesem Fall theoretisches Kurspotenzial in der Höhe der grössten Ausdehnung innerhalb der Formation. Dreifachtops und Dreifachböden sind weitaus seltener im Markt zu finden als die Doppeltops und Doppelböden, weisen aber bei einer bestätigten Auflösung eine höhere Trefferwahrscheinlichkeit auf.

Gemeinsamkeiten der Formationen im Bezug zum Trend

Das Grundprinzip der bisher beschriebenen Formationen ist ähnlich und lässt sich mit dem anfänglich betrachteten Konzept eines Trends verbinden. Um beim Beispiel eines Aufwärtstrends zu bleiben, ist dieser intakt, sofern es jeweils zur Ausbildung höherer Hochs und höherer Tiefs kommt. Von einem Trendwechsel ist erst dann auszugehen, wenn der Kursverlauf ein Vorgängertief nach unten durchbricht. Dabei ist nicht entscheidend, ob zuvor ein neues Hoch erreicht wurde oder der Markt in einer Handelsspanne, wie im Falle der Ausbildung eines Doppel- oder Dreifachtops, gefangen wurde. Auch bei einer SKS-Trendwendeformation kommt es nicht zu einem Trendwechsel, bevor das Niveau eines zuvor gebildeten Zwischentiefs nach unten gebrochen wird. Das in der beschriebenen rechten Schulter gebildete niedrigere Zwischentief ist zu diesem Zeitpunkt noch kein Kriterium. Auch ein Dreieck unterbricht während der Phase der Ausbildung der Formation die vorherrschende Trendbewegung nicht. Während es bei einem steigenden und auch bei einem symmetrischen Dreieck zur Ausbildung von tieferen Zwischentiefs kommt, ist das auch bei einem fallenden Dreieck erst dann der Fall, wenn der Ausbruch aus der Formation nach unten erfolgt. Dieser Ausbruch leitet dann wie bei einer SKS-Formation und einem Doppeltop den Trendwechsel hin zu einer Abwärtsbewegung ein. Auch das sich erschliessende theoretische Kurspotenzial ist bei den beschriebenen Formationen jeweils ähnlich. Es ermittelt sich durch die grösste Ausdehnung innerhalb der Formation, die vom Ausbruchspunkt abgetragen wird. Der Trader kann zur Ermittlung des sich aus der Formation ergebenden Kurspotenzials davon ausgehen, dass sich der innerhalb der jeweiligen Konsolidierung aufgebaute Druck im selben Umfang nach erfolgtem Ausbruch wieder entlädt. Dabei stellt das so ermittelte Kurspotenzial nicht das Maximum der zu erwartenden Bewegung dar, sondern kann als Anhaltspunkt für die Ermittlung des Chance-Risiko-Verhältnisses genutzt werden.

3.5.6 Flagge und Wimpel

Bei Flaggen und Wimpeln handelt es sich um Fortsetzungsmuster. Beide werden als Kursmuster bzw. Pattern definiert. Die Begrifflichkeit «Formation» wird nicht verwendet. Das hängt mit ihrer preislichen und zeitlichen Ausdehnung zusammen. Flaggen und Wimpel sind relativ gesehen zu dem Kursgeschehen, in das sie eingebettet sind, «klein» und entstehen in der Regel recht schnell. Beide sind verlässliche Signalgeber und kündigen in der Regel eine Fortsetzung des vorherrschenden Trends an. Neben den beschriebenen Formationen, die im mittelfristigen Bezug auf bevorstehende Trendwechsel hinweisen können oder den übergeordneten Trend bestätigen, können vor allem die sich im kurzfristigen Zeitfenster bildenden Konsolidierungsformationen für das Timing des Einstieges genutzt werden. Dabei geht es im Folgenden um Flaggen und Wimpel, die für den Trader sehr gute Einstiegsmöglichkeiten in die bestehenden Trendbewegungen bieten. Dargestellt sind diese als Schema in Abbildung 13 als Konsolidierungsmuster innerhalb einer Aufwärtsbewegung.

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Abbildung 13: Prinzip einer Flagge und eines Wimpels im Aufwärtstrend

Die Flagge im klassischen Sinne ist ein abwärts gerichteter Trendkanal, in dem die vorangegangene Trendbewegung korrigiert wird. Bei einer übergeordneten Aufwärtsbewegung im mittelfristigen Zeitfenster, mehrere Wochen bis Monate, sollte eine Flagge in einem Zeitraum von fünf bis zwölf Handelstagen ausgebildet werden, anschliessend wird die übergeordnete Aufwärtsbewegung fortgesetzt. Die zeitliche Ausdehnung dieser Konsolidierung kann aber nicht zu eng eingegrenzt werden und muss immer in Bezug zur aktuellen Marktbewegung gebracht werden. Während es bei den bisher betrachteten übergeordneten Formationen für den Trader sinnvoll war, erst einen Rücksetzer auf das Ausbruchsniveau der Formation abzuwarten, ist das bei einer Flagge nicht der Fall. Wenn der Ausbruch über die Oberkante des Trendkanals erfolgt, können Sie sofort eine Position in der Richtung des übergeordneten Trends eingehen. Diese wird dann unter dem Tief der Flagge durch eine dort gesetztes Stop-Loss abgesichert. Einen Hinweis auf das sich erschliessende Potenzial der nachfolgenden Kursbewegung in Trendrichtung bietet die vorangegangene Trendbewegung. Deren Ausdehnung wird ausgehend vom Tief der Flagge nach oben projiziert, bildet dann aber auch nur einen Anhaltspunkt für das Kurspotenzial. Ein klassischer Wimpel ist, wie in Abbildung 13 rechts dargestellt, eine symmetrische Dreiecksformation in einem untergeordneten Zeitfenster. Auch diese Konsolidierungsformation dient dem Kursverlauf, im Falle einer Aufwärtsbewegung, zum Abbau des überkauften Extremzustands. Eine trendbestätigende Auflösung dieser Formationen in der Richtung des zuvor etablierten Trends ist wahrscheinlicher. Der Kursverlauf kann auch den Kursverlauf des Konsolidierungsmusters fortsetzen und eine Trendwende vollziehen, die Erwartungshaltung des Traders sollte aber in Richtung des zuvor etablierten Trends gehen. So bietet sich Ihnen die Möglichkeit, sich bereits innerhalb der Konsolidierungsformation zu positionieren. Für die Ausdehnung der folgenden Bewegung in Trendrichtung bietet auch bei einem Wimpel die vorangegangene Bewegung einen Hinweis, die in ihrer 100%-Ausdehnung auf das Tief der Konsolidierungsformation gesetzt wird. Die Absicherung einer in Richtung des übergeordneten Trends eingegangenen Position erfolgt wieder unter dem Tiefpunkt der Konsolidierung mit einem Stop-Loss.

Entscheidend ist bei einer Flagge oder einem Wimpel für den Trader aber nicht die klassische Idealform. Das Grundprinzip ist der Abbau eines Extremzustandes auf möglichst hohem Niveau. Wenn der Markt nach einer Rallye einen Extrempunkt erreicht hat, an dem der Kaufdruck abgeebbt ist, folgt eine Korrektur, in der das Gleichgewicht der Marktkräfte wiederhergestellt wird. Gewinnmitnahmen setzen ein, die den Kursverlauf nach unten drücken. Ebenso gehen bärisch eingestellte Marktteilnehmer neue Shortpositionen ein. Wenn es dabei nicht zu einem starken Rückfall in Bezug zur vorangegangenen Aufwärtsbewegung kommt, ist dies ein Zeichen von Stärke. Hat sich der Markt dann stabilisiert und genügend Kraft geschöpft, kann die ursprüngliche Aufwärtsbewegung mit dem Ausbruch aus der Konsolidierung in Richtung neuer Hochs fortgesetzt werden. Eine durch einen klassischen Trendkanal gebildete Flagge ist hier nicht wirklich notwendig. Laufen die beiden erkennbaren Trendlinien aufeinander zu, können Sie diese Tatsache umso bullischer werten, da die Rücksetzer innerhalb der Flagge jeweils

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früher aufgefangen werden können. Statt eines symmetrischen Dreiecks kann der Markt als Wimpelkonsolidierung auch ein steigendes Dreieck bilden, was bullischer im Sinne einer Fortsetzung der Rallye zu werten wäre. Es ist aber auch ein fallendes Dreieck möglich. Entscheidend ist der Abbau des Extremzustands auf hohem Niveau, der in einem Ausbruch aus der Formation in Trendrichtung mündet.

3.5.7 Schmetterlingsformation

Eine weniger bekannte und etwas schwieriger zu erkennende Formation ist die Schmetterlingsformation.

Neben den bekannten Bullen und Bären, von denen andauernd die Rede ist, existieren in der Charttechnik noch weitere Wesen aus der Tierwelt. Eines davon ist der Schmetterling. Dieser Schmetterling beschreibt eine Chartformation, die sowohl Bullen als auch Bären in Verzückung geraten lassen kann.

Im Folgenden eine Beschreibung dieser etwas komplexeren Formation, die neben den klassischen Formationen wie Doppeltops, Schulter-Kopf-Formationen, Rounding Tops, Keilformationen, Dreiecken, Diamanten usw. eine relevante Rolle spielt.

In der Abbildung 1 sehen Sie ein Chart eines Schmetterlings mit bärischer Indikation am Beispiel des E-Mini S&P 500 in einem 30-Minuten-Intervall am 24. Juli 2003.

Der Name «Schmetterling» ergibt sich aus der Chartformation (zwei an ihrer Spitze gegenüberliegende Dreiecke). Die Preisschwünge, aus denen sich die Chartformation zusammensetzt, harmonisieren in uns bekannten mathematischen Relationen untereinander.

Und zwar wie folgt:

• Der zweite Preisschwung korrigiert den ersten Preisschwung um 78,6% (siehe dazu die Lektion «Fibonacci-Preiskorrekturen).

• Der dritte Preisschwung korrigiert den zweiten Preisschwung um 70,7% (siehe dazu die Lektion «Quadratwurzel-2-Preisprojektionen»… 1 dividiert durch Quadratwurzel aus 2 = 0,707)

• Der vierte Preisschwung extensiert den dritten Preisschwung um 161,8% und ist gleichzeitig so gross wie der erste Preisschwung.

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Dazu kommt noch, dass er den ersten Preisschwung um 127,2% extensiert. Auch dieser Verhältniswert ist uns noch aus der Lektion «Fibonacci-Preisextensionen» bekannt (Quadratwurzel aus 1,618).

Nachdem die bärische Schmetterlingsformation beendet ist, bildet der Preis zunächst einen Wimpel, der den zu erwartenden Abwärtsschwung bremst. Doch beim Ausbruch entsteht dann das Abwärtsmomentum. Und an solchen momentumgetriebenen Preisschwüngen nach Vollendung des Patterns können Sie selbstverständlich sehr gut partizipieren. Die einzelnen mathematischen Beziehungen der Preisschwünge müssen nicht unbedingt so lauten wie in dem oben angegebenen Beispiel. Idealerweise lauten sie wie in den folgenden Abbildungen 2 und 3. Wichtig bleibt aber, dass Sie die Verhältniswerte nutzen, die in vorangegangenen Lektionen erläutert wurden.

Ideal ist es, wenn der Punkt B eine 78,6%-Fibonacci-Preiskorrektur von XA ist, so wie in unserem praktischen Beispiel, siehe Abbildung 1.

Achten Sie also darauf, dass die angegebenen mathematischen Beziehungen der Preisschwünge untereinander gegeben sind. Alle müssen miteinander harmonisieren. Wenn dann die Formation vollendet ist, sollten Sie auf eine Preisumkehr warten, welche die Formation bestätigt. Das kann beispielsweise das Unterschreiten des Vortagestiefs sein. Oder auch das Unterschreiten eines Schwungtiefs in einem kleineren Zeitintervall. Oder das Überkreuzen zweier gleitender Durchschnitte (z.B. MA 8 und 13) in einem niedrigeren Zeitintervall. Benutzen Sie eine Einstiegsstrategie, mit der Sie vertraut sind.

Geben Sie Ihr Stop-Loss knapp über den Schwung-Hochpunkt des letzten Preisschwunges. Das minimale Preisziel beträgt 127,2% des letzten Preisschwunges der Formation. Oft wird das Preisziel auch nach einer 161,8%-Fibonacci-Preisextension des letzten Peisschwunges erreicht.

Die Formation kann natürlich auch auf dem Kopf stehen, wie im Schema der Abbildung 1 dargestellt. In diesem Fall sprechen wir von einem Schmetterling mit bullischer Indikation, kurz einem «bullischen Schmetterling».

Die Schmetterlingsformation indiziert Trendumkehrungen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit und ist ein einfaches Muster, das es zu entdecken gilt.

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3.6 Risikomanagement und Money Management

Um langfristig in den Märkten zu bestehen, ist es unumgänglich, sich mit dem Thema Money Management und Risikomanagement zu beschäftigen.

Über kleinere Nebenkonten können Sie gerne hochgehebelt und spekulativ den Markt handeln und versuchen, gehebelt eine grössere Bewegung mitzunehmen. Wenn das gelingt, dann hat dies unter anderem auch mit viel Glück zu tun oder aber die dahinterstehende Signallage ergibt sich wirklich nur sehr selten.

Ansonsten möchten wir Ihnen eindringlich raten, Ihre Hauptkonten mit einem adäquaten Risikomanagement- und Money-Management-Regime zu handeln. Ohne die Kenntnis der in den folgenden Artikeln erläuterten Hintergründe zum Thema Money Management werden Sie an der Börse keinen Erfolg haben. Oder besser positiv formuliert: Wenn Sie die folgenden Grundsätze des Money Management beachten und konsequent anwenden, werden Sie eine gute Chance auf Erfolg an der Börse haben.

3.6.1 Grundsätze des Risikomanagements

Zentrale Eckpunkte eines Anlageplans, sei es der Anlageplan eines Investors oder eines Traders, sind:

1. Der Einstieg: Auf welchem Kursniveau steige ich ein? Wann, zu welchem Zeitpunkt, steige ich ein? 2. Risikomanagement: Auf welchem Kursniveau sichere ich mich Stop-Loss ab? 3. Der Ausstieg: Auf welchem Kursniveau kann ich Gewinne mitnehmen? Wo liegen Kurszielbereiche? 4. Moneymanagement: Mit wie viel gehe ich in den Markt rein? Mit wie viel kann ich beispielsweise eine

Aktienposition kaufen?

Die nun folgende Artikelserie befasst sich mit Punkt 4, mit professionellem Money Management.

Über einen kurzfristigen Zeitraum lassen sich sicherlich mit wenigen gut laufenden Trades bei grösseren Risiken hohe Gewinne erzielen. Langfristig ist aber unumgänglich, dass es während des Investierens und Tradings auch zu Verlustpositionen und Phasen einer Häufung von Verlusttrades kommt. Werden in solchen Phasen hohe Risiken eingegangen, dann sind zuvor aufgelaufene Gewinne schnell aufgebraucht, gegebenenfalls laufen sogar in der Summe schnell hohe Verluste auf.

Kommt es zu grösseren Verlusten, gerät der Anleger immer stärker unter Druck, da er die Verluste möglichst schnell wieder aufholen möchte. In solchen Zwangslagen lässt sich nicht durchdacht anlegen und der Anleger läuft Gefahr, nicht mehr rational zu handeln. Er erhöht sein Risiko. Er versucht, mit der Brechstange die angelaufenen Verluste wettzumachen. Die Folge ist ein Teufelskreis, die Verluste nehmen immer weiter zu. Im schlimmsten Fall kapituliert der Anleger am Ende und steht der Vernichtung des gesamten Kapitals gegenüber.

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Money Management und Risikomanagement ist deshalb für das Trading von entscheidender Bedeutung, um eine solche Situation gar nicht erst entstehen zu lassen oder ihr zumindest nachhaltig entgegenwirken zu können. Ziel ist dabei zunächst vorrangig der Kapitalerhalt und darauf aufbauend eine über einen mittelfristigen Zeitraum stabile positive Performanceentwicklung.

Risiken begrenzen

Je grösser der einmal angelaufene Verlust, desto grösser anschliessend der Aufwand, um eben diesen Verlust wieder aufzuholen. Einen Verlust von 10% wieder wettzumachen, erfordert einen Kursgewinn von 11%. Das ist noch vertretbar und akzeptabel. Einen Verlust von 25% wieder aufzuholen, verlangt Ihnen schon mehr ab; nämlich 33%. Sie sehen, Sie dürfen möglichst nicht zu sehr in die Defensive geraten.

Warum es entscheidend ist, den Fokus zunächst auf den Kapitalerhalt auszurichten und erst anschliessend auf die mögliche Gewinnentiwicklung, das stellt die abgebildete Tabelle dar. In der linken Spalte sind Werte für einen möglichen Drawdown des Tradingkapitals dargestellt, also der mögliche prozentuale Verlust des Anfangskapitals bzw. des zu einem beliebigen Zeitpunkt erreichten Depotwertes. Die prozentuale Angabe auf der rechten Seite stellt dann dar, wie viel Gewinn notwendig ist, um nach einem solchen Drawdown wenigstens den Ausgangswert des Depotkapitals wieder zu erreichen.

Links sehen Sie also, wie viel Ihr Kapital im Falle eines Verlustes geschrumpft ist, und rechts sehen Sie, um wie viel Ihr Depot bzw. Ihr Kapital wieder ansteigen muss, um den Verlust wieder aufzuholen. Um also auf Breakeven zu kommen.

Während der Drawdown in der linken Spalte jeweils linear darstellbar ist, entwickelt sich die rechte Spalte dazu geometrisch. Das bedeutet, dass immer ein prozentual höherer Gewinn nötig ist, bezogen auf das noch verfügbare Kapital, als zuvor verloren wurde. Solange dieser Verlust noch klein ist, im einstelligen Bereich, solange wirkt sich dieser höher notwendige Gewinn noch nicht drastisch aus. Lässt der Trader aber einen grösseren Verlust zu, dann wirkt sich der Unterschied schnell dramatisch aus.

Ergo: Sie dürften keine bzw. nur geringe Verluste zulassen. «Verluste begrenzen» darf nicht zu einem Lippenbekenntnis werden. Lassen Sie Verluste zu, geraten Sie schnell in die Defensive. Sie sind dann nur noch damit beschäftigt, etwaig angelaufene Verluste wieder aufholen zu müssen.

Und wie begrenzt man Verluste? Das ist eine Kunst für sich. Man begrenzt Verluste, indem man beispielsweise via Charttechnik sinnvolle Stop-Loss-Niveaus sondiert. Das Stop-Loss darf nicht zu eng gewählt werden, um nicht ständig in Serie ausgestoppt zu werden. Es darf aber auch nicht zu weit gesetzt werden, damit die Position nicht zu stark gegen einen läuft. Der Anleger begrenzt Verluste, indem er im vornherein eine sinnvolle Positionsgrösse berechnet. Er kauft also nach einer eigentlich einfachen Formel, die in einem der folgenden Artikel vorgestellt wird, Aktien. Wichtig ist, dass man sich konsequent an diese Formel hält. Mit dieser Formel und mit dieser Vorgehensweise bestimmt er letzten Endes sein Risiko und sein Verlustpotenzial.

Aufgelaufener Kapitalverlust

Notwendiger Kursgewinn

5% 5%

10% 11%

15% 18%

20% 25%

25% 33%

30% 43%

50% 100%

75% 300%

90% 900%

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Aber noch mal zurück zu der Tabelle

Ein Drawdown von 5% bedeutet, dass nur knapp über 5% anschliessend wieder gewonnen werden müssen, um das Ausgangskapital wieder zu erreichen.

Auch bei einem Drawdown von 10% ist der Unterschied noch nicht sehr gross. Hier muss eine ähnliche Grössenordnung, nämlich rund 11% Gewinn erzielt werden, um das Kapital wieder hereinzuholen.

Kommt es aber zu Verlusten von 20%, dann sind bereits 25% Gewinn nötig, bei einem zwischenzeitlichen Verlust von 30% müssen bereits anschliessend 43% Gewinn, erzielt werden, nur um wieder zum Ausgangskapital zu kommen.

Hinzu kommt in diesem Fall die Tatsache, dass nach einem solchen Drawdown das Depot insgesamt natürlich geschrumpft ist, was den Anteil der Transaktionskosten erhöht. Darüber hinaus wird es für den Trader auch schwieriger, mental mit dem Verlust umzugehen, was das Trading beeinflusst. Ein grosser Drawdown kann dazu führen, dass höhere Risiken eingegangen werden, um den Verlust wieder aufzuholen. Dies wiederum führt dann aber eher zu weiteren Verlusten, was das Ziel schnell in noch weitere Ferne rücken lässt.

Ist der Trader erst einmal in der Drawdown-Falle gefangen, dann kann es sehr schwer werden, dort wieder herauszukommen. Bei einem Drawdown von 50% oder mehr muss das verbliebene Kapital im Anschluss bereits wenigstens verdoppelt werden, was schwierig werden dürfte. Dies vor allem, da der Tradingansatz scheinbar nicht funktioniert. Darüber hinaus ist dann, wenn es mit viel Disziplin und Zeit gelingt, einen solchen Drawdown wieder herauszuholen, in der Summe noch nichts gewonnen. Denn nur das Ausgangskapital ist wiederhergestellt.

Entscheidend ist es, von vornherein alles daran zu setzen, einen grossen Drawdown erst gar nicht entstehen zu lassen. Das Trading kommt auf lange Sicht nie ohne Verlusttrades aus. Es gibt Phasen mit grösseren Gewinnserien, aber auch Phasen mit Verlustserien.

Ziel ist dabei, den Drawdown innerhalb einer Verlustphase möglichst gering zu halten. Dieser sollte sich möglichst im einstelligen Bereich bewegen. Dort ist im Allgemeinen nur etwas mehr als der prozentual zuvor aufgelaufene Verlust nötig, um wieder am Ausgangskapital anzukommen.

Wie lässt sich ein grösserer Drawdown nun vermeiden?

Um das Gesamtrisiko gering zu halten und nicht Gefahr zu laufen, einen sich stark summierenden Verlust auflaufen zu lassen, muss der Anleger das einzelne Risiko jeder eingegangenen Position betrachten und dieses individuell nach klaren Regeln begrenzen. Voraussetzung für alle weiteren Überlegungen und Grundvoraussetzung für das Trading überhaupt ist das Vorhandensein von Stop-Loss-Marken. Es muss bei jeder Tradingposition im Vorfeld ein Niveau festgelegt werden, welches dazu führt, dass bedingungslos aus dem Trade ausgestiegen wird.

Trefferquote

Ist die Trefferquote wirklich entscheidend? – Nein, ist sie nicht!

Der erste Blick, wenn es darum geht, Trading zu beurteilen, geht im Allgemeinen in Richtung der Trefferquote. Das Ziel ist es dabei natürlich, möglichst häufig richtig zu liegen. Dies zeigt sich auch häufig bei der Erstellung und Optimierung von Handelssystemen. Generiert das erstellte System nur wenige Verlusttrades und einen hohen Anteil an Gewinntrades, dann kommt es zu einer glatten und stabilen Kapitalkurve, welche einen stetigen Performancegewinn verspricht. Häufig stellt sich dieser Gewinn dann aber bei sich ändernden Marktverhältnissen nicht ein und die Trefferquote sinkt massiv unter den Erwartungswert. Allein auf die Trefferquote kommt es dann aber auch bei Trading nicht an. Gelingt es beispielsweise, eine Trefferquote von 70% zu erreichen, das bedeutet, dass nur 3 von 10 Trades im Verlust enden, dann ist das ein äusserst guter Wert. Entscheidend ist aber darüber hinaus die Frage, wie viel mit

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den sieben Gewinntrades denn gewonnen und mit den drei Verlusttrades verloren wird. Dabei kommt das Chance-Risiko-Verhältnis, kurz CRV, ins Spiel.

Was sagt das Chance-Risiko-Verhältnis überhaupt aus?

Es ist der Quotient zwischen dem erwarteten Gewinn, sofern das Tradeziel erreicht wird, und dem erwarteten oder riskierten Verlust, sofern der Trade nicht in die erwartete Richtung läuft und ausgestoppt wird. Liegt dieses Chance-Risiko-Verhältnis nun bei 0,5 – das würde bedeuten, dass für den Gewinn von einem Euro gleich zwei Euro riskiert werden – dann hilft auch eine so hohe Trefferquote von 70% auf Dauer nicht weiter. Die sich summierende Erwartungshaltung lässt sich für dieses Beispiel einfach errechnen.

Bei 70% Trefferquote enden sieben von zehn Trades im Plus und drei im Minus. Riskiert man nun für jeden Trade zwei Euro, um ein Euro zu gewinnen, dann bedeutet das, dass 7 × 1 Euro = 7 Euro gewonnen und 3 × 2 Euro = 6 Euro verloren werden. Es bleibt also dauerhaft nur ein Euro in diesem Beispiel übrig. Berücksichtigt man nun noch Transaktionskosten, so kann auch aus diesem Euro weder ein Gewinn noch ein Verlust werden.

Es kommt also darauf an, dass die eigene Trefferquote und das Chance-Risiko-Verhältnis in einem gesunden Verhältnis zueinander stehen, um auf der Gewinnerseite zu bleiben.

Die nachfolgende Tabelle zeigt auf, wie hoch die Trefferquote sein muss, um das Kapital bei einem gegebenen CRV einfach nur konstant zu erhalten. Transaktionskosten sind dabei nicht berücksichtigt:

CRV von 1,00 notwendige Trefferquote: 50%. CRV von 1,50 notwendige Trefferquote: 40%. CRV von 2,00 notwendige Trefferquote: 33%. CRV von 3,00 notwendige Trefferquote: 25%. CRV von 5,00 notwendige Trefferquote: 17%.

Was stellen diese Verhältnisse dar?

Es sind die Grenzbereiche, die darüber entscheiden, ob das Eingehen eines Trades überhaupt sinnvoll ist. Alles, was darunterliegt, beispielsweise ein Trade mit einer erwarteten Trefferwahrscheinlichkeit von 40% bei einem Chance-Risiko-Verhältnis von 1,00, muss gar nicht erst eröffnet werden. Auf Dauer lässt ein solcher Trade, auch wenn er im Gewinn endet, den Depotwert statistisch garantiert gegen null tendieren.

Diese Verhältnisse zeigen aber vor allem auch, dass es nicht nötig ist, eine extrem hohe Trefferquote zu haben. Es muss nur jeder dritte Trade so laufen wie geplant, um bei einem CRV von 2,0 das Kapital zu erhalten. Alles, was darüber liegt, führt das Depot auf längere Sicht in den Gewinn.

Besonders trendfolgende Handelsansätze haben häufig das Problem einer geringeren Trefferquote. Seitwärtsphasen der Märkte, die unweigerlich auftreten, führen vermehrt zu Fehltrades. Dafür bietet sich aber, sofern an einem auftretenden Trend dann nachhaltig partizipiert wird, im Gegenzug ein häufig sehr hohes CRV. Auch wenn es zwischenzeitlich in diesem Fall zur Anhäufung kleinerer Verluste kommt, lässt sich mit einem CRV von 3,0 und einer Trefferquote oberhalb von 30%, besser 40%, dauerhaft ein hoher Gewinn erzielen. Ein CRV von 5,0 oder höher bedingt, wie die Tabelle zeigt, nur noch eine geringe Trefferquote, um auf der Gewinnerseite zu liegen. Allerdings lassen sich solch hohe CRV-Trading-Set-ups im Allgemeinen nur sehr schwer erreichen.

Innerhalb des Tradings kommt es zu Phasen mit häufigen Gewinntrades und Phasen, in denen vermehrt Verlusttrades auflaufen. Um dauerhaft eine stabile Performance zu erzielen, genügt bereits eine Trefferquote von «nur» 50%, sofern bei jedem Trade im Schnitt ein CRV von 2,0 angestrebt wird. Um wieder auf das Beispiel von zehn Trades zurückzukommen, würde dies bedeuten: Fünf Trades enden im Gewinn mit jeweils 2 Euro = 10 Euro. Fünf Trades enden im Verlust mit jeweils 1 Euro = 5 Euro. Es bleiben also komfortable fünf Euro übrig.

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Nun lässt sich sicherlich behaupten, eine Trefferquote von 50% wäre kein Problem. Die Märkte können nur entweder vom betrachteten Punkt aus steigen oder fallen. Mehr geht nicht. Insofern müsste bereits eine Trefferquote von 50% möglich sein, wenn man einfach nur eine Münze oder mit verbundenen Augen auf ein Dartboard wirft. Das alleine genügt dann aber letztlich doch nicht ganz. Denn es geht bei der Trefferquote nicht darum, ob es steigt oder nicht, sondern darum, ob das Tradeziel erreicht wird, bevor der Markt das Stop-Loss berührt. Nur dann, wenn zwei Euro gewonnen wurden, ohne dass zwischenzeitlich ein Euro Verlust zu Buche steht, dann kann von dem CRV von 2,0 gesprochen werden, welches man mit der Trefferquote ins Verhältnis setzen kann.

Was soll dieses Beispiel zeigen?

Es kommt nicht nur auf die Trefferquote beim Trading an. Das Entscheidende ist es nicht, so oft wie irgend möglich richtig zu liegen und viele positive Trades zu generieren. Die Frage, ob das Depot auf Dauer, nicht nur auf Sicht der nächsten zehn Trades, konstant zulegen kann, ist nicht allein die Frage, wie oft man richtig liegt. Entscheidend ist, dass die Gewinne in den Fällen, in denen die Markteinschätzung richtig war, grösser sind als die Verluste in den Fällen, in denen der Markt falsch eingeschätzt wurde. Dazu gilt es, das Chance-Risiko-Verhältnis der einzugehenden Position abzuschätzen und sich die Frage zu stellen, ob die erwartete Erfolgsquote diesen Trade überhaupt rechtfertigt.

3.6.2 Positionsgrösse

Um das Gesamtrisiko zu begrenzen, ist es erforderlich, das Risiko für eine jede Einzelposition in klaren Grenzen zu halten. Dafür sollten, je Position nicht mehr als maximal 2% des zur Verfügung stehenden Kapitals riskiert werden. Dies würde zulassen, dass bei fünf aufeinanderfolgenden Fehltrades der Drawdown insgesamt nicht unter 10% zurückfällt. Diese Grössenordnung für das Risiko bietet sich aber nur an, sofern es sich um unterschiedliche Märkte handelt, in denen Positionen eröffnet werden. Beispielsweise gleichzeitig Positionen im Aktienmarkt, in Rohstoffen und Devisen. Werden aber von einem Trader nur die Aktienmärkte gehandelt, dann bietet es sich an, das Einzelrisiko einer Position nochmals zu reduzieren auf 1% des verfügbaren Kapitals. So kann auch eine grössere Verlustserie von 10 kompletten Fehltrades mit einem akzeptablen Drawdown überstanden werden.

Nur 1% des verfügbaren Kapitals zu riskieren, bedeutet nicht, nur 1% des Depotkapitals für den Trade aufzuwenden. Es geht bei diesem 1% um das Risiko der Position, also um den Betrag, der im Verlustfall des Trading-Set-ups nicht mehr verfügbar sein wird. Die Frage ist letztlich, wie viel kann in einem Trade an Kapital eingesetzt werden, wie viele Stücke können gekauft werden? Am nachfolgenden Beispiel lässt sich dies einfach nachvollziehen:

Angenommen wird ein Depotkapital von 10 000 Euro. Das Tradesetup schreibt vor, dass eine Position in einer Aktie bei einem Stand von 100,00 Euro eröffnet wird und das Stop-Loss bei 97,00 Euro festgelegt wird. Das Vorhandensein eines Stop-Loss-Niveaus, und das bedingungslose Einhalten dieses Stop-Loss, ist Grundvoraussetzung für das Money Management und damit für das Trading. Das Kursziel dieser Tradingposition liegt bei 110,00 Euro, was aber für die Berechnung der Positionsgrösse nicht von Bedeutung ist.

Wenn 1% des verfügbaren Kapitals riskiert werden kann, dann sind dies bei einem 10 000-Euro-Depot genau 100 Euro. Mehr soll im Falle eines Fehltrades mit der Position möglichst nicht verloren werden. Das Risiko einer einzelnen Aktie beläuft sich auf die Spanne zwischen dem Einstiegskurs und dem Stop-Loss. Das wären in diesem Fall 100,00 Euro − 97,00 Euro = 3,00 Euro. Nun muss noch bedacht werden, dass Transaktionskosten anfallen und darüber hinaus nicht unbedingt die idealen Einstiegs- und Ausstiegskurse tatsächlich erreicht werden. Für diesen Anteil an Slippage und Transaktionskosten werden nochmals 0,70% festgelegt. Diese Zahl kann je nach Broker und Liquidität des gehandelten Wertpapiers stark variieren. Werden zusätzlich 0,70% angesetzt, dann entspricht dies bei einem Einstiegskurs von 100,00 Euro nochmals 0,70 Euro. Es ermittelt sich somit ein Gesamtrisiko je gehandelte Aktie von 3,00 Euro + 0,70 Euro = 3,70 Euro. Dieses Risiko bezieht sich auf genau ein Stück. Riskiert werden können insgesamt aber 100,00 Euro. Es lässt sich somit ermitteln, dass 100,00 Euro / 3,70 Euro = 27 Stück gekauft werden können.

Die Positionsgrösse für das angenommene Tradingkonto bei einem Risiko von 1% je Position und dem dargestellten Trading-Set-up beläuft sich also auf 27 Stück. Das Kapital, welches damit bewegt wird, errechnet sich zu 27 × 100 Euro Einstiegskurs = 2,700 Euro.

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1% entspricht in diesem Fall 200 Euro riskiertem Kapital. Die Entfernung zum Stop-Loss beträgt: 119,55 − 114,10 = 5,45 Euro. Für Gebühren und Slippage werden 0,40% angesetzt, was bei einem Einstiegskurs von 19,55 Euro einem Wert von 0,48 Euro entspricht. Das Gesamtrisiko beläuft sich somit auf 5,93 Euro. Gekauft werden können somit 200,00 Euro / 5,93 Euro = abgerundet 33 Stücke. Ein Kapital von 33 Stück × 119,55 Euro = 3945 Euro wird bewegt in dieser Position. Verloren werden nicht mehr als 200 Euro, wenn die Aktie direkt durch das Stop-Loss fällt.

3.6.3 Korrelierende Märkte

Ein häufig vernachlässigtes Problem bei der Ermittlung des Kapitalrisikos der Position ist die Korrelation der unterschiedlich gehandelten Märkte oder der verschiedenen Aktien. Die Aktienmärkte entwickeln sich beispielsweise insgesamt übergeordnet einheitlich. Kommt es zu einer umfassenden mittelfristigen Rallye im deutschen Aktienindex DAX, entwickeln sich die meisten der darin enthaltenen Papiere positiv. Einige Aktien steigen stärker, einige steigen weniger stark, die wenigsten darin enthaltenen Aktien werden aber während der Rallye eine negative Kursentwicklung aufweisen. Genauso verhält es sich auch eine Ebene höher. Wie in den vergangenen Jahren erfolgt, entwickeln sich die europäischen Märkte tendenziell in Anlehnung an den US-Markt. Wenn Dow Jones und S&P 500 einbrechen, können sich dieser Entwicklung DAX und Eurostoxx ebenfalls kaum entziehen. Korrelationen gibt es darüber hinaus auch in allen anderen Märkten. Wenn der Ölpreis-Future nachhaltig steigt, springen tendenziell auch die Futures für Benzin und Heizöl an. Einem steigenden Goldpreis kann sich auch der Preis für Silber und Platin übergeordnet kaum entziehen, ebenso entwickelt sich Sojabohnenöl tendenziell genauso wie Sojabohnenmehl. Auch über die verschiedenen beispielhaft benannten Marktsegmente hinaus entwickeln sich teilweise über lange Zeiträume wichtige Korrelationen. Im folgenden Beispiel ist die Entwicklung des Goldpreises der vergangenen Jahre der Entwicklung des Währungspaares EUR/USD (Euro gegenüber dem US- Dollar) im gleichen Zeitraum gegenübergestellt.

An einem konkreten Beispiel, welches nachfolgend abgebildet ist, stellt sich diese Berechnung wie folgt dar. Angenommen werden ein Tradingkonto von 20 000 Euro und das nachfolgend dargestellte Trade-Set-up für die Aktie von Salzgitter. Der Kursverlauf konnte über eine bei 118,75 Euro liegende Widerstandsmarke ausbrechen und soll gekauft werden mit einem Ziel bei 130,45 Euro und anschliessend 140,00 Euro. Das Stop-Loss wird unter der Tageskerze platziert, welche sich ausserhalb des kurzfristigen Aufwärtstrends befand. Dies wäre bei 114,10 Euro der Fall. Der Einstieg erfolgt zum aktuellen Kurs, also bei 119,55 Euro, riskiert werden sollte nicht mehr als 1% des Depotwertes.

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Erkennbar ist hier über einen Zeitraum von Mai 2001 bis Mai 2005 eine tendenziell enge Korrelation dieser beiden völlig unterschiedlichen Märkte. Während der Goldpreis sich, ausgehend von einem Kursniveau um 250 US-Dollar, erholen konnte und in diesem Zeitraum bis auf 450 US-Dollar anstieg, gab es im Währungspaar Euro/US-Dollar eine umfassende Rallye aus dem Bereich 0,85 US-Dollar bis auf 1,35 US-Dollar. Erkennbar ist, dass auch die mittelfristigen Kursbewegungen tendenziell ähnlich abgelaufen sind. Mittelfristige Hochs und Tiefs wurden in beiden Märkten zu annähernd gleichen Zeitpunkten ausgebildet. Seit Mai 2005 bricht diese Korrelation jetzt aber auf. Der Goldpreis kann die Rallye auf neue Hochs fortsetzen, während das Währungspaar sich in einer umfassenden Korrektur befindet. Im Zeitraum der Korrelation der beiden Märkte konnte der Trader eine Position bei Gold nicht eingehen, ohne auf die Entwicklung beim Währungspaar Euro/US-Dollar zu achten. Das Aufbrechen der Korrelation bedeutet jetzt nicht zwangsläufig, dass sich die Märkte weiter gegensätzlich bewegen werden, die weitere Kursentwicklung dürfte jetzt aber unabhängiger voneinander sein. Der Trader muss die beiden Märkte jetzt in jedem Fall nicht mehr zwingend in Bezug zueinander setzen. Korrelationen gibt es darüber hinaus vor allem auch im kleineren Kreis der unterschiedlichen Marktsegmente und Sektoren des Aktienmarktes. Diese müssen für Tradingentscheidungen gerade bei Aktien zwingend berücksichtigt werden. Am folgenden Beispiel in Abbildung 25 ist die Entwicklung der Aktien von DaimlerChrysler, Volkswagen und BMW dargestellt. Diese Wertpapiere sind alle im Deutschen Aktienindex DAX enthalten und kommen aus dem Automobilsektor.

Hier wird eine starke Korrelation der verschiedenen Aktien sofort erkennbar. Im September 2001 kam es zu einem massiven Einbruch in allen dargestellten Wertpapieren, anschliessend konnten sich die Papiere deutlich erholen, um von März bis Mai 2002 neue Zwischenhochs auszubilden. Die folgende Abwärtsbewegung, in der die mittelfristigen Hochs und Tiefs bei allen Papieren zu einem nahezu gleichen Zeitpunkt ausgebildet wurden, führte bei allen Aktien auf ein neues Tief. Nach einer Erholung fällt die Aktie von Volkswagen seit Januar 2004 aus der Korrelation, DaimlerChrysler und BMW bewegen sich aber weiter im Einklang. Die Ausdehnung der jeweiligen Auf- und Abwärtsbewegungen ist bei allen Aktien unterschiedlich. Während DaimlerChrysler sich nach dem Tief von 2001 um 104% erholen konnte, stieg die Aktie von BMW sogar um über 120% an. Beide Aktien verloren

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anschliessend wieder rund 57% an Wert. Die Tendenz der Bewegungen ist hingegen bei allen Aktien sehr ähnlich. Gehen Sie nun eine Tradingposition aufgrund eines vorliegenden Trade-Set-ups in einer dieser Aktien ein, legen Sie ein Stop-Loss fest und ermitteln den Kapitaleinsatz, der möglich ist, um das von Ihnen festgelegte Verlustrisiko in Bezug zum Gesamtkapital nicht zu überschreiten. Eine weitere Tradingposition in diesem Sektor kann dann aber zum selben Zeitpunkt nicht mehr eingegangen werden. Wenn Sie zum gleichen Zeitpunkt die Aktie von DaimlerChrysler und die Aktie von Volkswagen mit einem jeweils ähnlich hohen kalkulierten Verlustrisiko kaufen würden, verdoppelt sich das Risiko sofort. Im Tradingkonto dürfte sich ein solcher Trade in der Summe wie ein einzelner Trade bei erhöhtem Verlustrisiko verhalten. Das Risiko für den Kapitalerhalt im Falle einer solchen Position wurde bereits genannt. Wenn Sie sich aufgrund eines vorliegenden Trade-Set-ups in diesem Sektor positionieren wollen, bieten sich mehrere Möglichkeiten.

Tradingpositionen werden in mehreren Aktien eingegangen, der Kapitalansatz wird aber für jede Aktie so herabgesetzt, dass das Gesamtrisiko dieser Positionen das maximal kalkulierte Risiko einer Einzelposition nicht übersteigt. Der Kapitaleinsatz wird beispielsweise bei einem Kauf von zwei Aktien so angepasst, dass in jeder Aktienposition nur 0,5% des Tradingkapitals riskiert werden. Es erfolgt der Aufbau einer Tradingposition mit der vollen Positionsgrösse zunächst nur in einer Aktie. Läuft diese in den Gewinn, kann das schützende Stop-Loss zur Absicherung nachgezogen werden. Jetzt ist der Aufbau einer weiteren Position in einer korrelierenden Aktie möglich, wobei das Gesamtrisiko der beiden Positionen das Risiko einer Einzelposition dann nicht mehr übersteigt. Bei weiteren geplanten Positionen in korrelierenden Aktien oder Märkten wird wie zuvor verfahren. Eine neue Position wird erst dann hinzugekauft, wenn die bestehenden Positionen so abgesichert werden können, dass das Risiko insgesamt nicht über das Einzelrisiko steigt. Neben der Möglichkeit, das Stop-Loss nachzuziehen, können Sie auch Gewinne bei zuerst eingegangenen Positionen realisieren, um in andere Positionen aus diesem Sektor einzusteigen. Es ist aber nicht notwendig, nur eine Tradingposition innerhalb des eigenen Depots aufzubauen. Sofern das Tradingkapital auf mehrere, nicht direkt korrelierende Märkte verteilt wird, kann das Gesamtrisiko natürlich deutlich erhöht werden. Beispielsweise können Sie innerhalb des Aktienmarktes bei einer erwarteten Rallye eine der relativ stärksten Aktien aus dem Automobilsektor, aus dem Finanzsektor, dem Pharma-, dem Biotech- und dem Halbleitersektor aufbauen. Vorausgesetzt, es liegt auch in der entsprechenden Einzelaktie ein günstiges Set-up vor. Wenn der Markt sich nicht wie erwartet positiv entwickelt, sondern anschliessend stark einbricht, werden sich dem ab einem bestimmten Zeitpunkt auch die stärksten Aktien nicht mehr entziehen können. Es ist aber nicht wahrscheinlich, dass alle Sektoren gleich stark unter Druck geraten. Es bietet sich beispielsweise gerade im Pharmasektor häufig eine positive Performance, wenn der Gesamtmarkt negativ tendiert. Dies bedeutet natürlich auch, dass bei steigendem Markt nicht zwingend alle eingegangenen Positionen steigen werden. Haben Sie aber günstige charttechnische Set-ups genutzt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, insgesamt eine positive Performance zu erreichen. Darüber hinaus bietet sich die Möglichkeit einer weiteren Streuung der Positionierung auf gänzlich nicht korrelierende Märkte. Eine weitere Position kann in den Rohstoffmärkten, eine weitere in einem bestimmten Währungspaar aufgebaut werden. Insgesamt sollten sich die verschiedenen Positionen bei jeweils günstigem Einzel-Set-up gegenseitig stützen können. Gewinne im Devisenmarkt können dann gegebenenfalls Verluste aus Aktienpositionen auffangen, sodass das Gesamtrisiko und auch die Schwankung des Tradingkontos gedämpft werden. Auch dieser Fall bedingt allerdings ein Festhalten an den grundsätzlichen Kriterien, Trades möglichst nur bei einem Chance-Risiko-Verhältnis von wenigstens zwei und einem Einzelpositionsrisiko nicht weit oberhalb von 1% einzugehen.

3.6.4 Gesamtrisiko des Portfolios

Sicherheit, das ist Risikomanagement. Sicherheit, das ist Money Management.

Die Tatsache, dass nur 1% des Depotkapitals je Position riskiert werden soll, bedeutet nicht, dass das Risiko insgesamt nicht höher gewählt werden kann. Als Faustregel kann gelten, dass das Depot insgesamt keinem höheren Risiko als 10% des Gesamtkapitals ausgesetzt wird. Dies gewährleistet, dass auch bei unvorhergesehenen Ereignissen der Verlust in einer Dimension bleibt, welche anschliessend wieder durch das Trading kompensiert werden kann. Kommt es zu einem Drawdown von 10%, dann sind 11% anschliessend nötig, um das Ausgangskapital wieder zu erreichen. Zu beachten ist aber, dass das Risiko einer Tradingposition höher ausfallen kann, als es bis zum Punkt des Stop-Loss der Fall ist. Dies ist dann der Fall, wenn es zu einem unerwarteten Ereignis über Nacht kommt, welches in einem grossen Gap (Kurslücke) resultiert. Ein solches Gap kann deutlich ausserhalb einer Stop-Loss-Schwelle liegen. Ein solches Gap ist unvorhersehbar und kann auch in jeder Grössenordnung auftauchen.

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Riskiert der Trader nun beispielsweise innerhalb von zehn Positionen jeweils 1%, dann läge das Gesamtrisiko mit 10% im Rahmen, angenommen, der Stop-Loss-Punkt liegt jeweils 5% unter dem Einstiegskurs. Das bedeutet, bewegen sich alle Trades 5% entgegen der Erwartung, dann kommt es zum maximalen Verlust von 10% auf das Gesamtkapital. Kommt es nun aber beispielsweise durch einen Quartalsbericht bei einer Aktie zu einem Gap von 50% am Folgetag, dies wäre sehr viel, ist aber nicht unrealistisch, dann würde diese Position die 50% / 5% = zehnfach Spanne ausserhalb des Stop-Loss eröffnen. Dies bedeutet dann auch einen Verlust, welcher zehnfach so hoch ist wie im Vorfeld riskiert. Der Trader verliert also nicht nur 1% in diese Positionen, sondern gleich 10% auf das Gesamtkapital. Neun Positionen, welche jeweils ein Risiko von 1% besitzen, laufen dann aber noch weiter, sodass das Gesamtrisiko für den maximalen aktuellen Drawdown auf 19% ansteigt. Es bietet sich deshalb an, das offene Risiko der laufenden Positionen nicht über 5% anwachsen zu lassen. Bei extremen Gaps in Ausnahmesituationen lassen sich dann Verluste oberhalb von 10% des Depotkapitals nicht ausschliessen, die Wahrscheinlichkeit dafür sinkt aber bereits deutlich.

Ungünstig ist das Ausschöpfen des vollen Risikos auch, sofern der Grossteil der laufenden Positionen im selben Markt eröffnet wird. Werden beispielsweise zehn Aktienpositionen in derselben Traderichtung mit einem Risiko von jeweils 1% eingegangen, dann liegt das Gesamtrisiko bei 10%. Kommt es dann innerhalb des Gesamtmarktes zu einer starken Kursreaktion entgegen der Traderichtung, dann werden sehr wahrscheinlich fast alle Tradingpositionen in die Verlustrichtung laufen. Das maximal akzeptierte Risiko von 10% kann dann innerhalb eines einzigen starken Schubes innerhalb des Gesamtmarktes bereits ausgeschöpft werden. Wird das Risiko hingegen begrenzt auf einen Gesamtwert von 5%, dann wird dieses auch bei einer unerwartet starken Marktbewegung in der «falschen» Richtung nicht zu einem grösseren Verlust als 5% führen. In diesem Fall kann der Trader in Ruhe eine Neueinschätzung des Marktes vornehmen oder die aktuelle Tradingstrategie überdenken, ohne bereits den maximal akzeptierten Drawdown ausgeschöpft zu haben.

Die Grösse des bewegten Kapitals darf nicht ausser Acht gelassen werden, auch wenn die Grösse einer Position über das Risiko je Trade bestimmt wird. Zu beachten ist dies vor allem bei engen Stop-Loss-Niveaus. Innerhalb der ersten Beispielrechnung unter Punkt 3 wurde von einem Stop-Loss-Niveau ausgegangen, welches 3% vom Einstiegskurs entfernt gewählt wurde bei einem Risiko für die Position von 1%. Es wurde errechnet, dass dabei 2700 Euro oder 27% des Depotkapitals bewegt werden konnten. Handelt es sich dabei um eine Aktienposition, dann ist der Grenzbereich für die Positionsgrösse in diesem Fall schon erreicht. Als Faustregel lässt sich festhalten, dass nicht mehr als 25–30% des verfügbaren Kapitals in einer Tradingposition bewegt werden sollte. Der Grund dafür ist wieder das Risiko eines Gaps. Während innerhalb des offiziellen Handels ein Stop-Loss vor grösseren Verlusten schützt, und so auch grosse Tradingpositionen bei klar definiertem Risiko geschlossen werden können, ist dies ausserhalb der Handelszeiten nicht der Fall. Eine Positionsgrösse, welche 25% des verfügbaren Kapitals bewegt, bedeutet auch bei einem Gap von 50% am Folgetag einen Verlust von maximal 12,5%. Ein Gap in der Grössenordnung von 50% ist zwar ein seltener Fall, aber nie auszuschliessen. Wird nun das Stop-Loss aus dem vorgenannten Beispiel auf 99 Euro angehoben, dann ergibt sich das folgende Szenario.

Riskiert wird 1% vom Depotkapital, also 100 Euro. In einer Aktie werden 100,00 − 99,00 = 1 Euro riskiert. Mit einem Anteil von 0,70 Euro für Kosten und Slippage liegt das Risiko bei 1,70 Euro. 100,000 / 1,70 = 58 Stücke können in diesem Fall gekauft werden. Bewegt wird mit dieser Position ein Wert von 58 × 100,00 Euro = 5800 Euro oder 58% des verfügbaren Kapitals. Kommt es jetzt zu einem extremen Gap von 50%, dann werden über Nacht 2900 Euro verloren. 29% beträgt der Drawdown dann bereits durch nur eine Position. Ein solcher Drawdown ist nicht mehr akzeptabel. Die Konsequenz daraus lautet, dass das Risiko für die Position reduziert werden muss. In diesem Fall wird andersherum gerechnet. Maximal 25% des Depotwertes sollen bewegt werden, was 2500 Euro entspricht. Der Trader kann also nur 25 Stücke kaufen. Bei einem Risiko je Stück von 1,70 Euro ermittelt sich ein Risiko für diese Position auf 42,50 Euro oder rund 0,43%. Wie hoch dieser tatsächliche Wert ist, das ist letztlich nicht entscheidend. Wichtig ist es vor allem, dass das Risiko für ein unerwartet grosses Gap auch für das Gesamtkapital tragbar ist.

3.6.5 Risikodefinition von Einzelpositionen

Bevor eine Tradingposition eröffnet wird, ist es entscheidend, das eingegangene Risiko klar abzugrenzen und festzulegen. Dies geschieht durch das Setzen eines Stop-Loss für die Position. Der Punkt für das Stop-Loss kann aufgrund der charttechnischen Situation festgelegt werden, bei einer Longposition beispielsweise unterhalb des

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letzten Minor-Low, oder auch an einer statistisch ermittelten Entfernung zum Einstiegspunkt festgemacht werden. Entscheidend ist für das Trading mittelfristig, dass ein solches Stop-Loss existiert. Ohne einen Punkt, der den Trader zum Aussteigen zwingt, sofern die Position nicht in die erwartete Richtung läuft, sind auf Dauer hohe Verluste unvermeidlich.

Ob dieses Stop-Loss nur gedanklich gesetzt wird, um bei einem bestimmten Kursniveau die Position dann manuell glattzustellen, oder ob dieses fest beim Broker als Order platziert wird, ist von Trader zu Trader unterschiedlich. Ein festes Stop-Loss bietet natürlich den Nachteil, dass bei einer kleinen Intradaybewegung die Position ungünstig verlassen wird, nur um anschliessend zu sehen, dass der Trade dann doch wie favorisiert anläuft. Solche Bären- oder Bullenfallen an markanten Kursniveaus sind letztlich nie zu vermeiden. Das ist dann aber auch schon der einzige Vorteil eines nicht fest als Order platzierten Stopps. Genau genommen ist dieser Vorteil bei einem mental gesetzten Stop-Loss auch gar nicht vorhanden. Der Trader müsste eigentlich auch manuell an dem vorher definierten Punkt glattgestellt haben, an dem die direkt platzierte Order zum Ausstieg zwang. War das nicht der Fall, dann kommt es bei einer möglichen Bären- oder Bullenfalle zwar nicht zur Auflösung der Position, dies spricht aber eher für mangelnde Disziplin des Traders, welcher sich nicht an den Tradingplan gehalten hat. Vor allem aber führt ein mental gesetztes Stop-Loss irgendwann, vor allem bei schnellen dynamischen Bewegungen durch das Stop-Niveau, zu grösseren Problemen. Wenn es dadurch dazu kommt, dass plötzlich höhere Verluste auflaufen, als vorher akzeptiert werden, dann kann der Trader in die psychologische Falle geraten, den Verlusten beim Grösserwerden zuzusehen. Dies ist besonders bei gehebeltem Trading für das Depot eine bedrohliche Situation und hat den Effekt, als würde von vornherein kein Stop-Loss existieren.

Es lässt sich also nur Money Management und Risikomanagement innerhalb des Tradings umsetzen, wenn der Trader in der Lage ist, ein Stopp-Niveau für seine Position im Vorfeld festzulegen und sich auch daran zu halten. Darauf basierend lässt sich dann für ein realistisches Kursziel das Chance-Risiko-Potenzial ermitteln, um zu entscheiden, ob die Position überhaupt eingegangen werden sollte. Über die Spanne zwischen Einstiegspunkt und Stop-Loss kann dann letztlich das zu bewegende Kapital, die Anzahl der zu handelnden Stücke, bestimmt werden. Hierbei wird das Risiko einer einzelnen Aktie oder eines einzelnen Kontraktres vom Einstiegspunkt bis zum Stop-Loss ermittelt. Die durch das Depotkapital gegebene und davon riskierte Kapitalgrösse wird dann durch das Einzelrisiko dividiert und der Trader erhält die Stückzahl, die in diesem Trade gehandelt werden kann.

3.6.6 Berücksichtigung von Gaps/Slippage

Wie bereits unter den vorangegangenen Punkten mehrfach beschrieben, sollte zur Eingrenzung des Risikos bedacht werden, dass es jederzeit zu einem Gap, einer Kurslücke gegenüber dem Vortag, kommen kann. Solche Gaps lassen sich im Vorfeld nicht einkalkulieren. In der nachfolgenden Abbildung ist die Aktie von Research in Motion dargestellt. Erkennbar ist hier in einem Zeitraum von nur sechs Monaten eine Reihe von nicht unerheblichen Gaps. Um solche Gaps beim Trading zu vermeiden, bietet es sich an, Positionen nicht über den Quartalsbericht hinaus zu halten oder zumindest zu diesem Zeitpunkt zu reduzieren. Wie das Beispiel zeigt, kam es aber ausserhalb der Quartalsberichte ebenfalls zu deutlichen Kurslücken.

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Das Problem, welches diese Kurslücken darstellen, ist, dass der Trader keine Möglichkeit hat, darauf zu reagieren. Hätte beispielsweise bei Research in Motion eine Shortposition Anfang Oktober bestanden, dann wäre das Stop-Loss sicherlich über dem September-Kurshoch bei 101 US-Dollar platziert worden. Darauf basiert dann auch die Berechnung des Risikos, somit die Höhe des Kapitaleinsatzes. Der Trader hatte dann aber mit einem Gap-up auf 108 US-Dollar nicht die Möglichkeit, diese Tradingposition zum Stopp-Kurs zu verlassen. Erst der Ausstieg zu 108 US-Dollar wäre möglich gewesen. Dies stellt eine nicht unerhebliche Erhöhung des Kursverlustes einer einzelnen Position dar.

Anhand eines Rechenbeispiels an diesem Fall lässt sich das sehr gut verdeutlichen. Eingegangen wurde eine Shortposition nach einem Hoch bei 101 US-Dollar. Der Einstieg erfolgte zu 97 US-Dollar mit einem Kapitalrisiko von 1% gegenüber dem Depot. Dieses Kapitalrisiko basiert auf einer Entfernung des Einstieges zum Stop-Loss von 4 US-Dollar. Der Ausstieg konnte nun aber nur zu 108 US-Dollar erfolgen. Damit kommt es nicht zu einem Verlust von 4 US-Dollar, dieser erhöht sich auf 108 − 97 = 11 US-Dollar. Der Verlust im Bezug zum Depot beträgt dann also 11 US-Dollar / 4 US-Dollar = das 2,75 fache des vorher kalkulierten Verlustes.Zu bedenken ist, dass Gaps noch deutlich grösser ausfallen können. Wenn dann noch eine Tradingposition besteht, die aufgrund eines sehr engen Stop-Loss gegenüber dem Einstieg eine sehr hohe Kapitalgewichtung hat, dann können im ungünstigen Fall auch 10% des Depotkapitals und mehr verloren werden. Dies sollte bei der Positions-grösse in jedem Fall zusätzlich berücksichtigt werden. Eine Position darf deshalb nicht grösser gewählt werden als maximal 25% des Depotwertes, wenn dieser Trade über Nacht gehalten werden soll. Da zwangsläufig ein Gap zu irgendeinem Zeitpunkt beim Trading Over Night auftauchen wird, bietet es sich an, dafür einen kleinen Prozentsatz des Risikos von vornherein zu reservieren. Einen guten Wert dafür stellt die Grössenordnung von 0,2% je Trade dar.

Neben diesem Risiko hat der Trader in jedem Fall Transaktionskosten zu tragen, welche in ihrer Höhe vom Broker abhängen. Darüber hinaus ist es nicht gesichert, dass die tatsächliche Ausführung einer Order dem Wert entspricht, welcher idealisiert durch das Trading-Set-up gegeben ist. Für diesen Anteil an Slippage und Transaktionskosten bietet es sich an, nochmals 0,3% zu reservieren. Dadurch kommt es letztlich zu einer Vergrösserung des zu kalkulierenden Risikos und zu einer Verschiebung des Chance/Risiko-Potenzials in die ungünstige Richtung.

Wie stellt sich die Berechnung der Positionsgrösse unter Berücksichtigung der benannten Risikofaktoren nun endgültig dar? Dazu bietet es sich an, das ursprüngliche Beispiel zur Berechnung der Grösse einer Position noch einmal zu konkretisieren. Angenommen werden wieder ein Depotkapital von 10 000 Euro und ein Risiko für die Position von 1%, was 100 Euro entspricht. Der Einstieg soll bei 100 Euro erfolgen und das Stop-Loss wird bei 97 Euro gesetzt bei einem Kursziel von 10 Euro. Das Einzelrisiko für den Trade liegt bei 100 − 97 = 3 Euro. Hinzu kommen nun 0,2% (0,20 Euro) für das allgemeine Gap-Risiko und 0,3% (0,30 Euro) für Transaktionskosten und Slippage. Beides bezogen auf den Einstiegskurs. Damit erhöht sich das Risiko für eine einzelne Aktie auf 3,00 + 0,20 + 0,30 = 3,50 Euro. Gekauft werden können entsprechend 100,00/3,50 = 28 Stücke. Ein Kapital von anfänglich 2800 Euro wird bewegt. Das Chance-Risiko-Verhältnis liegt somit bei 10,00/3,50 = 2,85 und kann als günstig angesehen werden. Selbstverständlich ist nicht bei jedem Trade ein Gap zu erwarten. Es ist jedoch unvermeidlich, mit einem Gap auf absehbare Zeit konfrontiert zu werden. Deshalb wird das Risiko eines Gaps auf jede Tradingposition auf der Risikoseite bereits im Vorfeld aufgeteilt. Ist das Chance/Risiko-Verhältnis auch dann noch günstig, oberhalb von 2,0, dann kann die Position eingegangen werden.

3.6.7 Diversifizierung

Eine der wesentlichen Anlagestrategien, sofern es nicht nur um Intradayhandel oder kurzfristig orientiertes Swingtrading geht, ist die Diversifizierung.

Wie bereits beschrieben, kommt es bei einer Reihe von Basiswerten zu einer Korrelation. Aktien eines Sektors bewegen sich kurzfristig, mehr oder weniger stark ausgeprägt, in derselben Richtung. Auch innerhalb des Gesamtmarktes sind Korrelationen vorhanden. Fällt beispielsweise der Dow Jones stark zurück, dann fällt auch der DAX und umgekehrt. Der Preis für Silber entwickelt sich tendenziell so, wie der Goldpreis und die Goldminenaktien steigen, auch besonders dann, wenn es im Goldpreis zu einem starken Anstieg kommt. Eine Korrelation gab es in den vergangenen Jahren auch beispielsweise zwischen dem Währungspaar Euro gegenüber dem US-Dollar und Gold sowie dem Währungspaar Euro gegenüber dem japanischen Yen und dem Dow Jones.

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Was bedeutet das für den Handel?

Wenn mehrere Tradingpositionen eröffnet werden, sollten diese auf die bereits bestehenden Positionen jeweils abgestimmt werden. Hält der Trader beispielsweise eine oder zwei Tradingpositionen in Goldaktien, welche bis zum Stop-Loss noch jeweils ein Risiko von 1% aufweisen, dann kann keine weitere Position in diesem Sektor eröffnet werden. Auch dann nicht, wenn sich bei der zuletzt betrachteten Position ein klares Chartbild für einen Einstieg bietet. Es muss gewartet werden, bis die bestehenden Positionen so weit durch das Nachziehen von Stopps abgesichert werden können, dass das Risiko insgesamt wieder unter dem maximal akzeptierten Risiko liegt. Ist dann ein weiterer Positionsaufbau im gleichen Sektor möglich aufgrund eines sich bietenden Chart-Set-ups, dann kann eine neue Position hinzugekauft werden. Diese Vorgehensweise ist trendfolgend und führt dazu, dass an einem sich etablierenden Trend in zunehmendem Masse partizipiert wird. Dadurch kommt es zu einer Erhöhung der Gewichtung nur dann, wenn der Trend anhält und Positionen in den Gewinn laufen. Dreht der Trend hingegen, und die zuerst in einem Sektor eröffneten Positionen laufen nicht in den Gewinn, dann sind die daraus resultierenden Verluste begrenzt aufgrund der zunächst geringeren Gewichtung.

Auch innerhalb des Marktes bietet die Methode nacheinander aufgebauter Positionen insgesamt einen Vorteil. Darüber hinaus lässt sich das Risiko dann noch auf mehrere Sektoren aufteilen. Wird eine allgemeine Aufwärtsbewegung innerhalb des Technologiesektors erwartet, dann können beispielsweise zunächst zwei Positionen im Internet- und Softwaresektor in relativ starken Aktien eröffnet werden. Laufen diese an, dann kommt eine weitere Position im Computersektor hinzu und wenn diese in den Gewinn läuft, dann wird eine weitere Tradingposition im Telekomsektor eröffnet. So lässt sich das Risiko auf mehrere Positionen aufteilen. Der Trader läuft damit nicht Gefahr, auf dem Sektor festzusitzen, der gerade nicht mitläuft. Darüber hinaus erfolgt wieder ein stückweiser Einstieg, sodass das Risiko konstant, die Gewichtung bei etabliertem Trend aber grösser wird. Die Partizipation an der erwarteten Bewegung ist dadurch dann aber keinesfalls eingeschränkt.

3.6.8 Trading Strategie – die «3:1-Regel»

Wenn Sie den DAX regelmässig gehebelt traden, sollten Sie sich einige funktionierende Strategien erarbeiten. Die Strategien können vielfältiger Art sein. Sie können von Formationen, Trends und Trendkanälen abgeleitet werden, anhand der Volatilität erarbeitet werden oder beispielsweise durch eine Kombination von Indikatoren und/oder gleitenden Durchschnitten generiert werden. Aber auch eine reine Ableitung bezogen auf die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Gewinn- oder Verlustfalls ist denkbar. Darum soll es im Folgenden gehen.

Erläutert wird die sogenannte «3:1-Regel». Die «3:1-Regel» ist eine reine «Money-Management-Strategie. Sie bezieht sich zunächst darauf, dass Sie als Trader ohne weitere Hinzunahme von Entscheidungskriterien eine statistische 50:50-Chance haben, einen Gewinn oder einen Verlust zu erzielen. Diese 50:50-Chance lässt sich durch versierten Einsatz charttechnischer Methoden unter Umständen verbessern auf ein Verhältnis von 60:40, viel mehr ist nicht drin. Bleiben wir bei der wahrscheinlicheren Version, dass jeder zweite. Trade einen Gewinn erwirtschaftet von beispielsweise +10% und der Folgetrade jeweils in einem typischen −10%-Stopp endet, so ergibt sich eine unbefriedigende Kapitalkurve für das Depot. Die Kapitalkurve geht im Zickzack hin und her und ein nachhaltiger Kapitalzuwachs ist nur schwer möglich. Durch die Transaktionskosten und weitere Abzüge würde die Kapitalkurve sogar Stück für Stück ins Minus abdriften (siehe Grafik 1).

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Den wirklich grossen Schritt in die gewünschte Richtung machen Sie erst mit dem Zusatz der «3:1-Regel»! Hierbei gehen Sie nur Positionen ein, bei denen das von Ihnen ermittelte Kursziel mindestens dreimal so weit entfernt ist wie das sinnvolle Stopplevel. Da im ersten Abschnitt von einem −10%-Stopp ausgegangen wurde, ist somit mindestens ein +30%-Ziel anzustreben. Konstellationen, bei denen dieses Verhältnis nicht erreicht wird, lassen Sie einfach weg, auch wenn es schwerfällt. Suchen Sie beispielsweise im DAX ein 60-Punkte-Ziel bei einem zu erwartenden 20-Punkte-Risiko oder eine 90-Punkte-Chance bei einem 30-Punkte-Stopp. Nur wenn diese «3:1»-Bedingung erfüllt ist, lassen Sie sich auf einen Trade ein. Dies hat nun umgehend folgenden Vorteil: Sie müssen bei dieser Vorgehensweise nur einen von vier Trades an das Gewinnziel führen und Ihr Depot wäre bereits in der Waage. Statistisch dürften Sie aber Chancen haben sogar bei jedem zweiten Trade zu gewinnen. Sie erinnern sich (siehe oben). Was passiert nun mit der Kapitalkurve? Sehen Sie selbst, die Kapitalkurve legt systematisch zu, selbst wenn unterstellt wird, dass es zwischenzeitlich sogar mal eine doppelte «Flaute» gibt.

Um diesen Effekt zu erzielen, müssen Sie natürlich eine nicht ganz einfache Bedingung einhalten: Sie dürfen Trades im Gewinnfall nicht vorzeitig schliessen, sondern ausschliesslich am +30%-Ziel oder am −10%-Stopp in den Trade eingreifen. Psychologisch gesehen, ist das in der Praxis nicht leicht, aber dennoch zwingend notwendig.

Fazit: Wenn Sie über dieses einfache Prinzip in Ruhe nachdenken und es verinnerlichen, haben Sie gute bzw. verbesserte Chancen, Ihren Depotwert nachhaltig zu steigern.

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