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1 3 SCHWERPUNKTTHEMA Online publiziert: 26. Oktober 2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 Energiezelle der Zukunft – die Gewerbeimmobilie Marlene Bauer · Chantal Licht · Joachim Goldbeck uwf (2013) 21:265–270 DOI 10.1007/s00550-013-0296-x 1 Einleitung Allgemein stellt sich das Energiemanagement als äußerst statisch dar, da der Verbraucher keine Möglichkeit hat, zwischen verschiedenen Bezugsquellen wie Photovoltaik-, Wind-, oder anderen Energien zu wählen. Hat er sich für einen Energieträger zur Eigenstromnutzung entschieden, so nutzt er diesen für die Deckung seines Bedarfs und speist den restlichen Strom in das Netz ein. Zwangsläufig entsteht damit zu bestimmten Zeiten ein Über- oder Unterangebot an erneuerbaren Strom. Aufgrund des Optimierungspotentials kann derzeit noch nicht von einer erfolgreichen Integration der Erneuerbaren Energien in das Versorgungssystem aus- gegangen werden. Um diesen Schritt tatsächlich vollzie- hen zu können, müssen grundlegende Strukturen geändert werden. Veränderungen im Energiemarkt bieten nun die Chance, Gebäude als Energiezentrum der Zukunft in den Fokus zu rücken. 2 Kippmomente im Energiemarkt Über viele Jahrzehnte hinweg war der Strommarkt durch einige wenige große Produzenten und Netzbetreiber geprägt. Gesetzliche Regelungen der letzten Jahre, sowie die techni- sche Entwicklung bringen aktuell das bestehende System ins Wanken. Vier Kippmomente, die größtenteils bereits erreicht sind und nun eine Eigendynamik entwickeln, kön- nen identifiziert werden. Das erste Kippmoment rührt von der tendenziell größer werdenden Unwirtschaftlichkeit der konventionellen Groß- kraftwerke. Die Grenzkosten von Strom aus Sonne und Wind sind marginal und da nichts eingespart werden kann, wenn solche Kraftwerke abgeschaltet würden, werden sie als allererste Kraftwerke in den Strom Mix aufgenommen Zusammenfassung Die statische Stromversorgung der Vergangenheit – wenige zentrale Versorger und viele passive Leistungsempfänger – bekommt Risse. Es ist absehbar, dass sich dezentrale, erneuerbare und flexible Energiesysteme durchsetzen werden und sich eine neue Organisationsform etabliert. Einigkeit herrscht darüber, wie künftige Szenarien des Energieversorgungsmarktes aussehen sollen. Der politische Rahmen beschäftigt sich damit, wie die strategischen Ziele zur Energiewende definiert werden, die operative Planung zu deren Erreichen bleibt jedoch, speziell in Bezug auf einzelne Energieverbrauchseinheiten, unberücksichtigt. Während die Großzahl der Veröffentlichungen die neue Netzstruktur und den Kraftwerkspark im Auge hat, wird in diesem Artikel das Gewerbegebäude als Energiezentrum der Zukunft betrachtet. Die energetische Optimierung beginnt bei der Gebäude- und Verbrauchsplanung und wird im hochvernetzten Betrieb mit Leben gefüllt. M. Bauer () · J. Goldbeck · C. Licht Goldbeckstrasse 7, 69493 Hirschberg a.d. Bergstrasse, Deutschland E-Mail: [email protected] Marlene Bauer Chantal Licht Joachim Goldbeck

Energiezelle der Zukunft – die Gewerbeimmobilie

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Schwerpunktthema

Online publiziert: 26. Oktober 2013© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

Energiezelle der Zukunft – die Gewerbeimmobilie

Marlene Bauer · Chantal Licht · Joachim Goldbeck

uwf (2013) 21:265–270DOI 10.1007/s00550-013-0296-x

1 Einleitung

Allgemein stellt sich das Energiemanagement als äußerst statisch dar, da der Verbraucher keine Möglichkeit hat, zwischen verschiedenen Bezugsquellen wie Photovoltaik-, Wind-, oder anderen Energien zu wählen. Hat er sich für einen Energieträger zur Eigenstromnutzung entschieden, so nutzt er diesen für die Deckung seines Bedarfs und speist den restlichen Strom in das Netz ein. Zwangsläufig entsteht damit zu bestimmten Zeiten ein Über- oder Unterangebot an erneuerbaren Strom. Aufgrund des Optimierungspotentials kann derzeit noch nicht von einer erfolgreichen Integration der Erneuerbaren Energien in das Versorgungssystem aus-gegangen werden. Um diesen Schritt tatsächlich vollzie-hen zu können, müssen grundlegende Strukturen geändert werden. Veränderungen im Energiemarkt bieten nun die Chance, Gebäude als Energiezentrum der Zukunft in den Fokus zu rücken.

2 Kippmomente im Energiemarkt

Über viele Jahrzehnte hinweg war der Strommarkt durch einige wenige große Produzenten und Netzbetreiber geprägt. Gesetzliche Regelungen der letzten Jahre, sowie die techni-sche Entwicklung bringen aktuell das bestehende System ins Wanken. Vier Kippmomente, die größtenteils bereits erreicht sind und nun eine Eigendynamik entwickeln, kön-nen identifiziert werden.

Das erste Kippmoment rührt von der tendenziell größer werdenden Unwirtschaftlichkeit der konventionellen Groß-kraftwerke. Die Grenzkosten von Strom aus Sonne und Wind sind marginal und da nichts eingespart werden kann, wenn solche Kraftwerke abgeschaltet würden, werden sie als allererste Kraftwerke in den Strom Mix aufgenommen

Zusammenfassung Die statische Stromversorgung der Vergangenheit – wenige zentrale Versorger und viele passive Leistungsempfänger – bekommt Risse. Es ist absehbar, dass sich dezentrale, erneuerbare und flexible Energiesysteme durchsetzen werden und sich eine neue Organisationsform etabliert. Einigkeit herrscht darüber, wie künftige Szenarien des Energieversorgungsmarktes aussehen sollen. Der politische Rahmen beschäftigt sich damit, wie die strategischen Ziele zur Energiewende definiert werden, die operative Planung zu deren Erreichen bleibt jedoch, speziell in Bezug auf einzelne Energieverbrauchseinheiten, unberücksichtigt. Während die Großzahl der Veröffentlichungen die neue Netzstruktur und den Kraftwerkspark im Auge hat, wird in diesem Artikel das Gewerbegebäude als Energiezentrum der Zukunft betrachtet. Die energetische Optimierung beginnt bei der Gebäude- und Verbrauchsplanung und wird im hochvernetzten Betrieb mit Leben gefüllt.

M. Bauer () · J. Goldbeck · C. Licht Goldbeckstrasse 7, 69493 Hirschberg a.d. Bergstrasse, DeutschlandE-Mail: [email protected]

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(Merit Order Effekt, vgl. Abb. 1). Die teureren Kraftwerke kommen immer seltener zum Einsatz und die, die zum Ein-satz kommen, erwirtschaften einen geringeren Deckungs-beitrag. Es ist insbesondere tagsüber ein Absinken der Strompreise an der Börse zu verzeichnen – den Zeitpunk-ten, an denen bislang sehr auskömmlich verdient wurde. Ein dauerhafter Betrieb unter der Deckung der Vollkosten ist nicht wirtschaftlich darstellbar und es müssen Kraftwerke aus dem Betrieb genommen werden. Ob dies Braunkohle-kraftwerke oder Gaskraftwerke sind, hängt von gesetzlichen Regelungen, z. B. von CO2-Abgaben, ab.

Am Beispiel der Photovoltaik kann das zweite Kippmo-ment beobachtet werden. So konnten sich diese Anlagen trotz der empfindlichen Tarifkürzungen der letzten Jahre und der Novellierung des EEGs im April 2013, was eine weitere beschleunigte Senkung von staatlichen Förderun-gen zur Folge hatte, behaupten (vergl. Abb. 2). Die Anla-genkosten konnten von 2008 bis 2013 um 75 % gesenkt

werden (nach GOLDBECK Solar GmbH), sodass die Stromgestehungskosten inzwischen auch unter den gewerb-lichen Stromkosten liegen. Überzeugen können PV Anlagen somit durch das Prinzip der Eigenstromnutzung, bei dem vor allem Gewerbe- und Industrieanwendungen eine gute Übereinstimmung der Stromerzeugungs-, und Nutzungs-profile aufweisen.

Der Stromeigennutzugsgrad hängt von der firmenspezi-fischen Energienachfrage ab, wird aber idealerweise durch die Steuerung von flexiblen Lasten wie Kompressoren oder Batterieladestationen weiter gesteigert. Damit etabliert sich die Photovoltaik auch zukünftig perspektivisch ohne staat-liche Unterstützung im Energiemarkt.

Erneuerbare Energien stehen in der Kritik, das Stromnetz zu sehr zu belasten, da sie nicht regelbar sind. Inzwischen gibt es aber Blockheizkraftwerke (BHKW), die allein über die Stromproduktion wirtschaftlich betrieben werden kön-nen. Das dritte Kippmoment besteht darin, dass sich Gewerbe

Abb. 2 Effizienter Eigenver-brauch von Solarstrom. (Quelle: Viessmann 2013)

Abb. 1 Von links: Nuklear, Braunkohle, Steinkohle, Gas. Im rechten Bild treten EE in den Markt ein, der DB sinkt von 50€ auf 30€. Quelle: Eigene Darstellung, 2013

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det als negative Residuallast ungenutzt aus dem Markt aus, da das Angebot durch erneuerbare Energien stärker zunimmt als der Rückgang der fossilen vonstattengeht. Im flexiblen System wird nun davon ausgegangen, dass auf einen festen Must-run von 20 GW, der aus Biomasse erzeugt wird und dazu dient, das Netz bei Engpässen stabil zu halten, ver-zichtet wird. Nun verschiebt sich der Punkt der Nutzung der Erneuerbaren Energien auf bis zu 7000 h im Jahr. Ein wirk-lich effizientes Wirtschaften mit Erneuerbaren Energien ist folglich nur dann möglich, wenn auf den Einsatz fossiler Energien weitestgehend verzichtet wird (Schill 2013).

3 Das Gebäude der Zukunft

Die Projektierung neuer Gebäude muss sich dahingehend weiterentwickeln, dass nicht nur im Allgemeinen versucht wird, Energien einzusparen und selbst zu generieren, son-dern dass bereits in der Planung eines neuen Gebäudes ein umfassendes Konzept zur individuell optimierten Energie-bereitstellung entwickelt wird. Entscheidend ist, welche Arten der erneuerbaren Energien bzw. Energieeinspar-maßnahmen genutzt werden und wie groß deren jeweiliger Anteil an der Gesamtdeckung des Energiebedarfs ist. Zur Analyse dieser Verhältnisse muss berücksichtigt werden, welchen Zweck das spätere Gebäude erfüllen soll und in welcher Höhe der daraus resultierende Strom- und Wärme-bedarf im Tagesverlauf, im Wochenverlauf und im Jahres-verlauf liegt. Eine Produktionshalle, eine Lagerhalle oder ein Bürogebäude weisen unterschiedliche Energiebedarfs-profile auf. Abbildung 4 veranschaulicht das Lastprofil einer Logistikhalle an einem Arbeitstag im Mai. Die Spitzenlas-ten des normalen Tagesgeschäfts befinden sich zwischen 8 Uhr und 20 Uhr. Es wird deutlich, dass die zur Eigen-stromnutzung ausgelegte Photovoltaikanlage den Strom-bedarf fast ganztägig decken kann. Nachts, bei Ausbleiben des Photovoltaikstroms, muss der Strom über eine weitere Bezugsquelle entgegen genommen werden. Der Bau eines

und Industriebetriebe über die Kombination von PV und BHKWs dezentral, und autark wirtschaftlich mit Strom ver-sorgen können. Die Energie (Strom, Wärme, Kälte, Druck-luft, etc.), die nicht in der erzeugenden Einheit verbraucht wird, kann an Einheiten der lokalen Umgebung abgegeben/veräußert werden. Ein Verbraucher wäre somit gleichzei-tig Produzent, weshalb vom „Prosumer“ gesprochen wird. Aktuell werden Überkapazitäten, die der Erzeuger nicht selbst verbraucht, in das Netz eingespeist und vom Netz-anbieter vergütet. Kann der Strombedarf über den Einsatz erneuerbarer Energien gedeckt werden, so wird die Versor-gung aus konventionellen Energiequellen durch den Netzbe-treiber heruntergefahren. Eine Prognose der wetterbedingten Energieproduktion, sowie eine Prognose des Strombedarfs ermöglichen die Optimierung der Verbrauchersteuerung. Ein gasgetriebenes und steuerbares BHKW schließt die noch vorhandene Lücke zwischen Erzeugung und Verbrauch. Tre-ten Störungen im Netz auf, kann die Energieversorgung des Gebäudes durch das BHKW in Kombination mit vorhande-nen erneuerbaren Energien aufrechterhalten werden.

Ein viertes Kippmoment besteht darin, dass eine zuneh-mende Menge von steuerbaren Stromerzeugern und Lasten ein deutlich flexibleres Netz erzeugen. In einem solchen flexiblen Netz können deutlich mehr fluktuierende Lasten (Wind und Sonne) aufgenommen werden, auch ohne große Speicherkapazitäten. Unflexible Kraftwerksblöcke müss-ten sukzessive vom Netz genommen und durch flexible Kapazitäten ersetzt werden. Die Deutsche Energie-Agen-tur (DENA) stellte einen Zukunftsbericht zum Vollzug der Energiewende auf, in dem für die nächsten vierzig Jahre der Energieversorgungsmarkt mit seinen Chancen und Risiken prognostiziert wird. Darin wird davon ausgegangen, dass im Jahre 2050 der Versorgungsbedarf zu 80 % durch den Einsatz von erneuerbaren Energien gedeckt werden kann (DENA 2012). Abbildung 3 verdeutlicht, dass zu diesem Zeitpunkt bei weiterem Bestehen des unflexiblen Systems die Stromversorgung durch erneuerbare Energien nur zu ca. 1000 h im Jahr genutzt wird. Die restliche Produktion schei-

Abb. 3 Residuallast in ver-schiedenen Szenarien. (Quelle: Schill 2013)

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che Verteilung von Wind- bzw. Sonnenaufkommen erklären lässt (BBSR 2010).

Abbildung 5 veranschaulicht diese räumliche Verteilung, da im Jahre 2010 die installierten elektrischen Leistungen den regionsspezifischen Aufkommen besonders von Wind-, Sonnen- und Wasserenergie entsprechen. Somit zeigt bei-spielsweise Stuttgart einen höheren prozentualen Anteil an installierten Photovoltaikanlagen mit > 75 %, während bei vergleichbar großer Gesamtmegawattleistung die Wind-energie in Schwerin einen ähnlich hohen Prozentsatz auf-weist (BBSR 2010). Nach diesen natürlichen Gegebenheiten muss die Energieversorgung des Gebäudes ausgerichtet sein. Werden die Energiemengen, die durch erneuerbare Energien entstehen, entsprechend in der Umgebung ihres Erzeugungs-ortes verbraucht, so wird ihre Effizienz gesteigert, da lange Transportwege und somit Energieverluste vermieden werden.

4 Gebäudebetrieb und Netzbetrieb in der Zukunft

Grundlage für eine zukunftsgerichtete Weiterentwicklung des Energienetzes ist das häufig genannte Smart Grid. Zur Vereinfachung soll zwischen dem Smart Grid entsprechend dem häutigen Stromnetz und dem Smart Grid im Gebäude selbst unterschieden werden.

Das öffentliche Smart Grid soll Daten von Verbrauchern, Prognosen, Wetterprognosen, Netzzuständen etc. in der Zukunft sammeln und entsprechende Informationen an die einzelnen Netzteilnehmer weitergeben. „Smart“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Möglichkeiten zur präzi-sen Steuerung und Regelung der Netze bestehen, was mit einer vollen Ausnutzung der Netzkapazität einhergeht. Dar-aus resultiert eine bessere Verwertung der konventionellen Netzinfrastruktur und eine Verbesserung der Netzstabilität (BNetzA 2011).

gebäudeintegrierten BHKWs ermöglicht beispielsweise eine autarke Versorgung ohne notwendigen Stromzukauf.

Werden verschiedene energiebringende Komponenten, wie Photovoltaik oder BHKWs, nun individuell auf den Kunden im Gebäude integriert, entsteht ein wirtschaft-liches Gebäudeenergiekonzept, was dem Prosumer eine hohe Flexibilität in seinen Bezugsquellen zu jeder Tages- und Nachtzeit garantiert. Die Auswahl und Dimensionie-rung der optimalen Energiekomponenten eines Gebäudes hängen grundlegend auch davon ab, auf welchen Zeitraum der Bauherr die Energieversorgung optimieren möchte und welches Budget zur Verfügung steht. Eine Optimierung auf 5 Jahre ergibt eine andere Zusammenstellung der energeti-schen Maßnahmen, als eine Optimierung auf 20 Jahre. Ein langfristiges Interesse führt zwar zu einem teureren Bau, die Folgekosten und damit einhergehenden Risikopoten-ziale können aber nachhaltig gesenkt werden. Viele insti-tutionelle Investoren streben bereits heute die Absicherung der Nachhaltigkeit von Gebäuden über Zertifikate wie z. B. LEED (Leadership in Energy and Environmental Design) oder BREEAM (BRE Environmental Assessment Method) sowie des Zertifizierungssystems der Deutschen Gesell-schaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB), an.

Ebenso muss die geografische Lage mit ihren spezi-fischen Gegebenheiten, in der sich das Gebäude befindet, berücksichtigt werden. Ballungs- oder ländliche Räume, geologische Bedingungen, sowie die vorhandene Infrastruk-tur spielen hierbei weitere wichtige Rollen, um ein Gebäude möglichst energieeffizient und wirtschaftlich planen zu können. Für die Zusammenstellung und Art der erneuer-baren Energien müssen die Wetterbedingungen zusätzlich berücksichtigt werden. Nach dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung wird im Norden Deutschlands mehr Energie aus Windkraft gewonnen, wogegen Photovol-taik im Süden überwiegt, was sich durch die unterschiedli-

Abb. 4 Lastprofil einer Logistik-halle an einem Arbeitstag im Mai des Jahres 2013. (Quelle: eigene Darstellung)

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ellen Strompreis. Daraus wird errechnet, wann der beste Zeitpunkt ist, die Energie über einen bestimmten Träger zu beziehen. Lautet die Wettervorhersage beispielsweise, dass von 11 bis 14 Uhr eines Tages eine hohe Sonneneinstrah-lung zu erwarten ist, wird das BHKW herunter geregelt und das Gebäude bezieht für diesen Zeitraum all seine benötigte Energie über Photovoltaik, da dies die effizienteste Quelle aufgrund der günstigen Produktionskosten darstellt. Ist in dieser Zeit ein Stromüberschuss zu erwarten, können damit Speicher gefüllt werden (z. B. Drucklufttanks, Wärmepuffer, Wechselbatterien). Mit der Energiespeicherung in Form von BHKWs oder synthetischen Gasen (Power-to-Gas) lassen

Im Gebäude-Smart-Grid werden ebenfalls Energiedaten und Prognosen, so auch die o.g. Daten aus dem öffentlichen Netz gesammelt und ausgewertet. Über Algorithmen werden nun Steuerimpulse generiert. So wird je nach Außentempe-ratur und Prozessen, die im Gebäude vonstattengehen, ent-sprechende Wärmemengen benötigt. Diese Informationen werden an die Gebäudesteuerung weitergegeben, um Hei-zungen oder Maschinen dementsprechend zu regeln. Die in das Informationssystem integrierte Wettervorhersage teilt der Steuerung mit 6 h Vorlauf mit, in welcher Höhe Solar-energie bereitstehen oder Wärmeenergie benötigt wird. Das Kommunikationsnetz informiert ebenfalls über den aktu-

Abb. 5 Erneuerbare Energien im Raum. (Quelle: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, 2012)

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5 Schlussfolgerung

Dezentrale und erneuerbare Energiequellen erlauben heute schon eine wirtschaftliche Stromerzeugung. Ein Netzaus-bau ist dennoch als unumgänglich zu erachten, da hierüber Kapazitäten zwischen Netzteilnehmern ausgeglichen wer-den können. Durch neue Informations- und Kommunika-tionstechnologien sowie moderne Energiekomponenten wird die Flexibilität des Netzes deutlich gesteigert. So kön-nen erneuerbare Energien in Zukunft auch in sehr großen Anteilen in das Netz eingespeist werden, ohne dass enorme Aufwendungen in Speichertechnologien notwendig wer-den. Das Gewerbe- oder Industriegebäude als Energiever-braucher, -erzeuger und -speicher wird als aktives Element im Energiemarkt eine zentrale Position einnehmen.

Literatur

BBSR (2010) Erneuerbare Energien im Raum. http://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/Raumbeobachtung/AktuelleErgebnisse/Raument-wicklung/Erneuerbare/EE_im_Raum.html?nn=444204

BNetzA (2011) „Smart Grid“ und „Smart Market“: Eckpunktepapier der Bundesnetzagentur zu den Aspekten des sich verändernden Energie-versorgungssystems. http://www.bundesnetzagentur.de. Zugegriffen: 25. Sept. 2013.

DENA (2012) Integration der erneuerbaren Energien in den deutschen/europäischen Strommmarkt: Kurz:Integration EE. http://www.dena.de. Zugegriffen: 25. Sept. 2013.

Fraunhofer ESK (2011) Smart Grid Communications 2020: Fokus Deutschland. http://www.esk.fraunhofer.de

Schill (2013) Erneuerbare Energien: Überschüsse sind ein lösbares Problem. http://www.diw.de. Zugegriffen: 28. Sept. 2013.

Viessmann (2013) Energieeffizienter Eigenverbrauch von Solarstrom. http://viessmann.de. Zugegriffen: 30. Sept. 2013.

sich die Netze bei Netzkapazitätsengpässen stabiler betrei-ben (BNetzA 2011). Neben den regelmäßig eintreffenden neuen Statusmeldungen der automatischen Informations-quellen, fließen in die Optimierungsalgorithmen individu-elle Grundregeln in die Gebäudesteuerung ein. Hierzu zählt beispielsweise die gewünschte und die tolerierte Raum-temperatur des Nutzers aber auch seine Priorisierung von bestimmten Energieträgern. Die Gebäuderegelung verwer-tet diese Informationen und generiert Steuerimpulse zur Aktivierung bzw. Deaktivierung zum einen von Strom-, Wärme- und Kältequellen und zum anderen von Lasten. Geplant ist, diese virtuellen Kraftwerke weitestgehend über öffentliche Datennetze wie GPRS, UMTS oder DSL kom-munizieren zu lassen (Fraunhofer ESK 2011).

Die nächste Hierarchiestufe oberhalb eines Gebäudes könnte z. B. ein Gewerbegebiet sein. Im Falle einer Über- oder Unterdeckung des Strombedarfs eines Gebäudes speist dieses weder seinen Überschuss in das Netz des Großkraft-werkes ein, noch bezieht es darüber Strom im Falle einer Unterdeckung, sondern ist mit anderen energieproduzie-renden Gebäuden seiner Umgebung vernetzt, um sich mit deren Kapazitäten auszugleichen. Um dieses System zu stabilisieren, ist es wichtig, dass auch die Spannung, also der lokale Netzbedarf berücksichtigt wird. Der daraus ent-stehende Smart Market, die Vernetzung der einzelnen Ein-heiten, muss durch einen Ausbau des Informations- und Kommunikationsnetzes gestützt werden, damit die einzel-nen Zellen miteinander in Verbindung treten und sich regu-lieren können. Nach Einschätzung der Bundesnetzagentur spielt der Netzausbau zwar eine wichtige Rolle, soll jedoch durch die Entwicklung eines Smart Markets gemildert wer-den. Die deutsche Energie-Agentur sieht diese Entwicklung als real an und wird als „Netze der Zukunft“ beschrieben. Smart Grids und eventueller Einsatz von Speichern, eine kundennahe Spannungsregelung sowie eine verbesserte Möglichkeit des Lastenmanagements können den geforder-ten Netzausbau reduzieren (DENA 2012).