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Entlebucher Anzeiger 23.01.2015

Entlebucher Anzeiger 23.01...2015/01/23  · nung 2015 vom Kurs von 1,20 Franken ausgegangen, und dieser stabile Kurs habe eine Sicherheit gegeben, die jetzt fehle. Bei der derzeitigen

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  • Entlebucher Anzeiger 23.01.2015

  • Entlebucher Anzeiger Freitag, 23. Januar 2015 – Nr. 6 11themaaktuell

    Neue alte Probleme mit starkem FrankenRegion: Die aufgehobene Euro-Untergrenze bringt Unsicherheiten für Exporteure

    Am Donnerstag letzter Wochehob die Schweizerische Natio-nalbank (SNB) überraschendden bis anhin geltendenMindestkurs von 1,20 Frankenpro Euro auf. Exportorien-tierte Branchen befürchteneinen Anstieg des Preisdrucks.Wie sehen Betriebe in derRegion die neue Situation? –Der EA recherchierte.

    Text und Bild Lukas Studer

    Die Aufgabe des Euro-Mindestkursesvon 1,20 Franken am 15. Januar hattedie meisten Unternehmen überrascht.Verschiedene exportorientierte Kon-zerne sehen sich unter Druck. Der EAhat fünf Betriebe um eine Einschät-zung der Situation gebeten. Nicht allehaben dabei mit den gleichen Schwie-rigkeiten zu kämpfen.

    Unsicherheit an den MärktenDie Müller Martini Maschinen & Anla-gen AG in Hasle, die auf die Herstel-lung von Maschinenteilen und Kom-ponenten spezialisiert ist, generiert ei-nen grossen Teil ihres Umsatzes ausdem Export. Der Betrieb werde dieveränderte Ausgangslage spüren, sagtGeschäftsleiter Herbert Wicki. Diesauch im Hinblick auf den indirektenExport: Die Firma liefert ihre Bauteilemehrheitlich an Schweizer Kunden,welche diese ihrerseits mitihren Maschinen ins Aus-land weiterverkaufen. Ge-raten diese Unternehmenunter Druck, wird das aufdie Müller Martini zu-rückfallen, beispielsweisemit einer Abnahme vonAufträgen.

    Mit Prognosen ist Her-bert Wicki vorsichtig. Zurzeit werdeanalysiert, was für Auswirkungen dieAufhebung der Untergrenze habenwird. Klar ist, dass momentan Unsi-cherheit besteht, da der Wechselkursnun den Schwankungen der Märkteausgesetzt ist, die nicht eingeschätztwerden können. Dies erschwere diePlanung. Man sei bei der Jahrespla-

    nung 2015 vom Kurs von 1,20 Frankenausgegangen, und dieser stabile Kurshabe eine Sicherheit gegeben, die jetztfehle. Bei der derzeitigen Währungssi-tuation verstärke sich der Preisdruckweiter, so Wicki. Die grosse Frage fürdie Zukunft sei: «Wo pendelt sich derEuro ein?»

    Allerdings sei der Euro eine wichti-ge Währung beim Beschaffen vonRohwaren – und hier bestehe momen-tan ein Vorteil, da diese nun günstigereingekauft werden können.

    Auch Druck von Schweizer KundenVon diesem Vorteil profitiert auch derGeschenkpapierhersteller Stewo Inter-national AG in Wolhusen. Geschäfts-führer Norbert Bucheli betont aller-dings, dass auch die tieferen Import-preise ein zweischneidiges Schwertseien. «Der Preisdruck beschränktsich nicht auf den internationalenMarkt. Wenn wir günstiger Rohmate-rialen im Ausland einkaufen, registrie-ren das unsere Schweizer Kunden»,sagt Bucheli. So wird auch im Inlandein Preisdruck entstehen, weil dieKunden vom Währungsgewinn profi-tieren wollen.

    Grundsätzlich seien die Auswirkun-gen des starken Frankens für die Stewonegativ. Der Export mache rund 75Prozent der Geschäfte aus, erklärt Bu-cheli. Davon gehe der grösste Teil inden Euro-Raum. Der tiefe Euroschränke somit die Wettbewerbsfähig-keit ein. Eine Prognose zur weiterenEntwicklung machen will der Ge-schäftsführer nicht. Die Auswirkungenfür das Unternehmen seien eher lang-

    fristiger Natur.Den Teufel malt Nor-

    bert Bucheli aber nicht andie Wand. Es gebe schonMöglichkeiten, die Aus-wirkungen des starkenFrankens zumindest et-was abzuschwächen. Einedavon sei die Auslagerungvon Einkaufsvolumen ins

    Ausland oder an Schweizer Lieferan-ten, die ihre Rechnungen in Euro stel-len. Zudem habe die Einführung desMindestkurses 2011 den Unterneh-men Zeit gegeben, sich auf eine erneu-te Stärkung des Frankens vorzuberei-ten. Allerdings sei diese Stärkung zumjetzigen Zeitpunkt überraschend ge-kommen.

    Mögliche Verluste beim ImportDie Agrokommerz AG mit Sitz in Mar-bach handelt mit Agrarprodukten, inerster Linie mit Rohstoffen für dieNahrungs- und Futtermittelindustrie.Das Unternehmen importiert die Wa-re und verkauft sie im Inland weiter.Wie Geschäftsleiter Hans Stettler aus-führt, ist seine Branche nicht im glei-chen Masse abhängig von Währungs-kursen wie andere. Dennoch, so Stett-ler: «Die Freigabe des Kurses führtkurzfristig zu einer starken Schwan-kung der Preise und bringt nun kurz-fristig erhebliche Kosten mit sich, so-wohl für die Handelsfirma wie auchfür die Kunden.» Das Problem für Ag-rokommerz ist, dass beim Ankauf derWare - der in Euro erfolgt - und demspäteren Verkauf Verluste entstehenkönnen. Je nach Veränderung desWechselkurses kauft das Unternehmen

    nämlich in Franken gerechnet Wareteurer ein, als es sie danach im Inlandverkauft.

    Ein zweiter Druck kann auf die in-ländische Produktion entstehen. EinBeispiel, das Stettler anführt, ist dieRapssaat. Der Preis für Raps im inlän-dischen Handel werde dem Import-preis von Rapsöl angepasst. Dieser Im-portpreis ist in Euro festgelegt. EinWechselkurs von 1,20 bedeute, dassder Raps teurer gehandelt wird alswenn die Währungen gleich viel wertseien. Der Importpreis von Rapsöl ver-ändere sich nämlich nur geringfügig,doch beim aktuellen Wechselkurs ist erin Franken umgerechnet tiefer alsbeim alten Kurs von 1,20.

    Massnahmen kommen zum TragenPaul Note, CEO der Geistlich PharmaAG, geht davon aus, dass der Frankeneine attraktive Währung bleiben wird.Geistlich Pharma AG ist auf Biomate-rialien für die Regeneration von Kno-chen, Knorpel und Gewebe speziali-siert und entwickelt und produziertMedizinprodukte und Arzneimittel.Die Forschung & Entwick-lung sowie die Produktion,dazu die Finanz- und Per-sonalabteilung befindensich in Wolhusen.«Der Exportanteil machtrund 95 Prozent des Um-satzes aus», erklärt Note.Die Geistlich Pharma AGhabe ihre direkte Abhän-gigkeit vom Euro schonvor 2011 reduziert. DieGründung von Tochterfirmen sei da-mals wie heute eine Massnahme dazu;die jüngste Tochterfirma wurde vorzwei Wochen in Australien eröffnet.Indirekt spüre das Unternehmen dieFolgen des starken Frankens aberschon, da die gesamte Fakturierung inSchweizerfranken erfolge.Es besteht ein Mechanismus zur Ab-schwächung der Verteuerung der Pro-dukte, welche von Währungsschwan-kungen ausgelöst wird. «Dieser kommtzum Tragen, wenn der Franken einebestimmte Stärke erreicht hat», bestä-tigt der CEO. Andernfalls wäre dieDistributionssituation des Unterneh-mens gefährdet. Die gesamte Verteue-rung werde der Mechanismus abernicht auffangen können.Note erklärt, dass nun das Aufrechter-halten der Konkurrenzfähigkeit unddas kontinuierliche Steigern der Effizi-enz wichtig sei. Durch Innovation seies möglich, die Preise zu verteidigen.

    «Druck kann Ansporn sein»Auf die Wichtigkeit von effizienzstei-gernden Massnahmen weist auch Ma-deleine Stöckli hin. In dieser Hinsichtkann die CFO der B. Braun Medical AGdem starken Franken auch etwas Posi-tives abgewinnen. «Verschärfte Rah-menbedingungen können ein Unter-nehmen auch zu Verbesserungen undEffizienzsteigerungen bringen», sagtsie. Solche habe man bereits 2011 ange-hen können, als die SNB die Euro-Un-tergrenze einführte. B. Braun habe da-mals Massnahmen ergriffen, die auchjetzt zum Tragen kämen. Mit der Auf-hebung der Untergrenze habe man ir-gendwann rechnen müssen. Natürlichsei die B. Braun Medical AG vom Wäh-rungskurs betroffen: Der Export macherund 60 Prozent der Verkäufe aus, wo-bei die Euro-Staaten der wichtigsteMarkt seien.

    «Was den Standort Escholzmatt be-trifft, so sind in erster Linie Investitio-nen in die automatisierte Produktionim Gange, die der weiteren Effizienz-steigerung dienen. Wir sind zudem da-bei zu analysieren, welche Rohstoffe

    und Dienstleistungenman künftig eher aus denEuroländern als aus derSchweiz beziehen will»,erklärt Stöckli.

    Der Konzern sei derAnsicht, dass die Schweizauch in der gegenwärti-gen Situation gute Rah-menbedingungen bieteund Stabilität garantiere,erklärt Madeleine Stöckli.

    Und fügt an: «Man ist bereit, notwendi-gerweise Gewinneinbussen in Kauf zunehmen, um die Vorteile des SchweizerStandortes weiter nutzen zu können.»

    In absehbarer Zeit plant die B.Braun Medical AG nicht, Veränderun-gen an der Personalplanung vorzuneh-men.

    Nach der Aufgabe des Mindestkurses von 1,20 Franken pro Euro halten sich die Währungen praktisch die Waage.

    Markante Euro-Bezüge bei den BankenRegion Die Aufhebung des Euro-Mindestkurses der Nationalbank hatdie Bevölkerung im Entlebuch zuden Banken gebracht. Der EA hatsich bei drei Banken in unserer Regi-on über die Reaktionen der Leute er-kundigt.

    Bei der Raiffeisenbank in Escholz-matt bestätigte Beat Portmann, Mit-glied der Bankleitung, den erhöhtenBedarf an Euro in den letzten Tagen.«Die Bankstelle in Escholzmatt hatteam Freitagabend zum Schalterschlusskeine Euro-Noten mehr.»

    Auch am Bankautomat der Raiff-eisenbank in Schüpfheim sei amWochenende der gesamte Eurobe-stand bezogen worden. Wie Port-mann ausführte, wurden die Noten-bestände auf den Bankstellen gene-rell zurückgefahren, da sich heuteviele Kunden die Fremdwährungs-beträge nach Hause bestellen kön-nen. Da könne es bei Extremsituati-onen wie dieser zu Engpässen kom-men, so Portmann.

    An die Bankschalter seien mehrLeute gekommen. Manche hättenEuro abgehoben, um beispielsweiseeine grössere Anschaffung zu planenoder die Reisekosten für den nächs-ten Urlaub abzusichern. Andere hät-ten sich über die Sachlage infor-miert. Laut Beat Portmann kam es

    zu vermehrten Eröffnungen von Eu-rokonti.

    «Die Euro-Bezüge in Sörenberghaben markant zugenommen», sagtPatrick Saxer, Zweigstellenleiter derLuzerner Kantonalbank in Sörenberg,gegenüber unserer Zeitung. Da dasDorf mitten in der Wintersaison undum diese Zeit generell gut besuchtsei, habe sich dies auch auf die Fre-quenzen am Bankschalter ausge-wirkt. Dank einem guten Bargeld-Management sei es aber nie zu einemgrösseren Euro-Engpassgekommen. «Grosse Be-stellungen von Euro ha-ben wir entgegengenom-men und tags darauf aus-geliefert», so Saxer.

    Manche Kunden hät-ten gesagt, dass sie dieseGelegenheit nutzen, umsich bereits jetzt für dienächsten Ferien im Euro-Raum einzudecken.

    Auch in Sörenbergwurden laut Auskunftvon Patrick Saxer einigeFremdwährungskonti in Euro eröff-net.

    «Es waren aber nicht auffallendmehr als sonst. Daher ist es schwierigzu sagen, ob dies eine unmittelbareAuswirkung auf die Aufhebung des

    Euro-Mindestkurses durch die Nati-onalbank ist», bemerkt Saxer.

    Von einer massiven Zunahme vonEuro-Bezügen am Schalter berichtetKilian Hodel, Bankstellenleiter derClientis EB Entlebucher Bank AG inSchüpfheim. Seit Donnerstag ver-gangener Woche werde der Eigenbe-stand an Euro-Noten laufend bewirt-schaftet, so Hodel.

    Durch den sehr tiefen Kurs sei derBezug von Euro-Noten auch sehr in-tensiv via Bankomat genutzt worden.

    Da man beim Automa-ten nur kleinere Notenbeziehen könne, konntees zwischenzeitlichschon dazu führen,dass der Bankomatvor-rat komplett aufge-braucht war.

    «Dieser Bestandwurde jeweils am fol-genden Werktag wiederaufgefüllt.» Aufgrundder Ausgangslagen sei-en vermehrt neue Eu-ro-Konti eröffnet und

    entsprechend Euro über den Devi-senmarkt gekauft worden. Über dieentsprechenden Fremdwährungs-konti können später Überweisungen,aber auch Barbezüge in Euro-Notengetätigt werden. [jur]

    kontext

    «Man ist bereit,notwendigerwei-se Gewinnein-bussen in Kauf zunehmen.»Madeleine Stöckli, CFO

    B. Braun Medical AG

    «Die Bankstellein Escholzmatthatte am Freitag-abend zum Schal-terschluss keineEuro-Notenmehr.»

    Peter Portmann,Raiffeisenbank in

    Escholzmatt

    «Die Frage ist:Wo pendelt sichder Euro ein?»

    Herbert Wicki,Geschäftsleiter Müller

    Martini AG

    EA-Umfragezum Thema EuroHaben Sie in den letzten Tagen Eu-ro am Bankschalter oder am Bank-automaten bezogen? – Auf derHomepage des Entlebucher Anzei-gers können Sie Ihre Meinung dazuabgeben. (www.entlebucher-anzei-ger.ch). Die Umfrage dauert bisMittwoch, 28. Januar, 12 Uhr. [EA]

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    ger.ch). Die Umfrage dauert bis Mittwoch, 28. Januar, 12 Uhr. [EA]

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