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ENTSCHEID
DER
BAU-, VERKEHRS- UND ENERGIEDIREKTION
RA Nr. 110/2009/93 Bern, 20. September 2010
AH
in der Beschwerdesache zwischen Frau Edith Leuenberger, Bützbergstrasse 103/2, 4900 Langenthal Beschwerdeführerin 1 Herrn Fritz Leuenberger, Bützbergstrasse 103/2, 4900 Langenthal Beschwerdeführer 2 Herrn Fritz Mühlethaler, Bützbergstrasse 97, 4900 Langenthal Beschwerdeführer 3 Frau Renate Niklaus, Bützbergstrasse 113, 4900 Langenthal Beschwerdeführerin 4 Herrn Thomas Niklaus, Bützbergstrasse 113, 4900 Langenthal Beschwerdeführer 5 Herrn Eugen Schulze, Klusstrasse 24, 4900 Langenthal Beschwerdeführer 6 Frau Silvia Schulze, Klusstrasse 24, 4900 Langenthal Beschwerdeführerin 7 Herrn Rolf Weber, Bützbergstrasse 109, 4900 Langenthal Beschwerdeführer 8 alle vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Erich Giesser, Effingerstrasse 16, Postfach 6417, 3001 Bern und Xhamia e Langenthalit IGGL, Bützbergstrasse 101a, 4900 Langenthal Beschwerdegegnerin vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Daniel Kettiger, Laupenstrasse 1, 3008 Bern sowie
2
Baubewilligungsbehörde der Stadt Langenthal, Präsidialamt, Jurastrasse 22, 4900 Langenthal betreffend die Verfügung der Baubewilligungsbehörde der Stadt Langenthal vom 30. Juni 2009 (Baugesuch Nr. 066-2006; Vereins- und Gebetsraum, Minarett und Kuppel)
I. Sachverhalt
1. Die Beschwerdegegnerin reichte am 12. Juni 2006 ein Baugesuch ein für die Ver-
grösserung des Vereins- und Gebetsraums, die Anpassung der Installationen, die Fassa-
densanierung, das Erstellen von Nasszellen und den Aufbau eines Minaretts und einer
Dachkuppel auf Parzelle Langenthal Grundbuchblatt Nr. 4927 an der Bützbergstrasse
101a. Die Parzelle liegt in der Wohnzone W3. Die Baubewilligungsbehörde von Langenthal
erteilte für das Vorhaben mit Gesamtentscheid vom 20. Dezember 2006 die Baubewilli-
gung. Die dagegen erhobene Beschwerde hiess die Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion
(BVE) am 16. April 2007 gut, weil die Vorinstanz den Sachverhalt ungenügend abgeklärt
hatte. Sie wies daher die Akten zurück zur Fortsetzung des Baubewilligungsverfahrens. Die
Baubewilligungsbehörde von Langenthal nahm weitere Abklärungen zur Zonenkonformität
und zur künftigen Lärmsituation vor. Mit Gesamtentscheid vom 30. Juni 2009 erteilte sie
die Baubewilligung.
2. Gegen diesen Entscheid haben die Beschwerdeführenden am 30. Juli 2009 Be-
schwerde bei der BVE erhoben. Sie beantragen die Aufhebung des Gesamtentscheides
vom 30. Juni 2009 und die Erteilung des Bauabschlags. Sie machen insbesondere geltend,
das Bauvorhaben sei nicht zonenkonform, führe zu übermässigen Immissionen, verletze
die Gestaltungsvorschriften, weise zu wenig Parkplätze und ungenügende Vorkehren für
Behinderte auf.
3. In ihrer Vernehmlassung vom 28. August 2009 beantragt die Vorinstanz, die Be-
schwerde sei vollumfänglich abzuweisen und der Gesamtbauentscheid sei zu bestätigen.
3
In ihrer Beschwerdeantwort vom 2. September 2009 beantragt die Beschwerdegegnerin,
auf die Beschwerde sei nicht einzutreten. Soweit darauf eingetreten werde, sei sie abzu-
weisen. Zur Begründung führt sie aus, die Beschwerdeführung sei missbräuchlich erfolgt.
Die Vorinstanz habe wiederholt Versammlungslokale kleinerer Glaubensgemeinschaften
als zonenkonform beurteilt. Die Rüge der ideellen Immissionen sei verspätet vorgebracht
worden. Das Minarett und die Kuppel stellten keine Beeinträchtigung des Ortsbildes dar.
4. Das Rechtsamt, das die Beschwerdeverfahren für die BVE leitet1, liess die Akten ver-
vollständigen und holte bei der Vorinstanz eine Liste aller Kultusbauten bzw. Versamm-
lungsräume von Glaubensgemeinschaften auf ihrem Gemeindegebiet ein. Es gab der Be-
schwerdegegnerin Gelegenheit, ihr Projekt im Rahmen einer Projektänderung behinder-
tengerecht auszugestalten oder zu begründen, warum dies unverhältnismässig sei. Zudem
führte es im Beisein der Parteien und dem zuständigen Strasseninspektor des Tiefbauamts
einen Augenschein mit Instruktionsverhandlung durch. Anschliessend stellte es den Ver-
fahrensbeteiligten mit Verfügung vom 11. November 2009 verschiedene Unterlagen sowie
das Protokoll des Augenscheins zu und gab der Beschwerdegegnerin Gelegenheit, für die
Anordnung der Parkfelder eine Projektänderung und nötigenfalls ein Ausnahmegesuch für
die Unterschreitung des Strassenabstands einzureichen. Gegen diese Verfügung erhob die
Beschwerdegegnerin Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragte, es sei festzustellen,
dass auf der Bauparzelle 20 Abstellplätze bewilligt seien. Mit Urteil vom 22. Januar 2010
trat das Verwaltungsgericht nicht auf die Beschwerde ein. Als das Rechtsamt wieder im
Besitz der Akten war, nahm es das Verfahren mit Verfügung vom 24. März 2010 wieder
auf. Die Beschwerdegegnerin reichte eine Projektänderung für die behindertengerechte
Ausgestaltung der Baute ein. Auf eine Projektänderung im Zusammenhang mit der Parkie-
rung verzichtete sie. Das Rechtsamt gab den Verfahrensbeteiligten Gelegenheit, zur Pro-
jektänderung und zum Ergebnis des Beweisverfahrens Stellung zu nehmen.
Auf die Rechtsschriften und Vorakten sowie auf das Ergebnis des Augenscheins wird, so-
weit für den Entscheid wesentlich, in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.
1 Art. 7 der Verordnung vom 18. Oktober 1995 über die Organisation und die Aufgaben der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion (OrV BVE; BSG 152.221.191)
4
II. Erwägungen
1. Sachurteilsvoraussetzungen
a) Die BVE ist für den Entscheid über die Beschwerde zuständig (Art. 40 Abs. 1 BauG2
in Verbindung mit Art. 11 Abs. 1 KoG3).
b) Die Beschwerdeführenden haben sich zulässigerweise als Einsprechende am Bau-
bewilligungsverfahren beteiligt (Art. 35 Abs. 2 Bst. a BauG). Sie sind zur Beschwerde im
Rahmen ihrer Einsprachegründe befugt (Art. 40 Abs. 2 BauG).
c) Die Beschwerde ist innert der Rechtsmittelfrist eingereicht worden (Art. 40 Abs. 1
BauG). Sie enthält einen Antrag und eine Begründung (Art. 32 Abs. 2 VRPG4).
2. Rechtsmissbrauch
a) Die Beschwerdegegnerin beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten. Zur
Begründung ihres Antrags bringt sie vor, durch die Beschwerdeeinreichung werde die
Rechtsmittelbehörde im Sinn von Art. 45 VRPG rechtsmissbräuchlich in Anspruch genom-
men, weil die Baubeschwerde primär oder zumindest in einem ihrer Hauptzwecke dem re-
ligiösen Kulturkampf diene und damit einem von der Bundesverfassung ausdrücklich ver-
pönten Ziel. Die eingereichte Baubeschwerde präsentiere sich formell und vordergründig
als Eingabe von Einsprechern, die mit der Abweisung ihrer Einsprachen bzw. mit der Ge-
samtbaubewilligung nicht einverstanden seien. Diese Bild entspreche nicht dem tatsächli-
chen Sachverhalt. Hinter der Baubeschwerde stünde das „Aktionskomitee Stopp Minarett“.
Es gehe den Hintermännern der vorliegenden Beschwerde nicht um die Anliegen und die
Betroffenheit der Beschwerdeführenden, sondern um den Kampf gegen den Islam.
b) Laut Art. 45 VRPG wird auf Eingaben, die querulatorischer oder rechtsmissbräuchli-
cher Prozessführung beruhen, nicht eingetreten. Rechtsmissbrauch darf im Zusammen-
hang mit dem Ausüben von Verfahrensrechten nur mit Zurückhaltung und unter Umstän-
2 Baugesetz vom 9. Juni 1985 (BauG; BSG 721.0) 3 Koordinationsgesetz vom 21. März 1994 (KoG; BSG 724.1) 4 Gesetz vom 23. Mai 1989 über die Verwaltungsrechtspflege (VRPG; BSG 155.21)
5
den angenommen werden, die keinerlei Zweifel erlauben. Das Ausschöpfen des Instan-
zenzuges ist erlaubt, selbst wenn ein Rechtmittel als aussichtslos erscheint. Von Rechts-
missbrauch muss aber gesprochen werden, wenn jemand Verfahrensrechte geradezu trö-
lerisch, das heisst auf reinen Zeitgewinn und nicht auf den Schutz berechtigter Interessen
bedacht, ausübt. Rechtsmissbräuchliches Vorgehen muss sich auch vorwerfen lassen, wer
unbekümmert um ein konkretes Rechtsschutzinteresse nach Möglichkeit jedes Rechtmittel
und jeden Rechtsbehelf ergreift mit dem Ziel, ein Verfahren zu blockieren, obwohl keine Er-
folgsaussichten bestehen. Rechtsmissbrauch liegt auch dann vor, wenn eine anwaltlich
vertretene Partei ohne Auseinandersetzung mit der Frage der Zulässigkeit ein Rechtsmittel
einlegt, das nach Gesetz und Rechtsprechung die vorgebrachten Rügen gar nicht zulässt,
oder sich zum Nachweis ihrer Rechtsbehauptungen auf erkennbar gefälschte Beweismittel
beruft. Rechtsmissbräuchlich sind ferner prozessuale Vorkehren die darauf abzielen, die
Behörden zu lähmen oder die einzig bezwecken, einer anderen Person zu schaden.5
c) Die Beschwerdeführenden wohnen in unmittelbarer Nähe des geplanten Vorhabens
und hatten sich bereits als Einsprechende am Vorverfahren beteiligt. Sie sind von mögli-
chen Auswirkungen des Vorhabens stärker betroffen als andere Personen. Sie haben ein
genügendes Rechtsschutzinteresse an der Beurteilung ihrer Beschwerde. Soweit die Be-
schwerde allgemein gehaltene Bemerkungen gegen Sakralbauten des Islams enthält, sind
diese im Beschwerdeverfahren unbeachtlich. Die vorgebrachten umweltschutz-, planungs-
und baurechtlichen Rügen erscheinen nicht von vornherein rechtsmissbräuchlich. Unter
diesen Umständen erweist sich die Rüge der Beschwerdegegnerin als unbegründet. Auf
die Beschwerde ist einzutreten.
3. Voraussetzungen einer Bewilligung
a) Bauvorhaben sind zu bewilligen, wenn sie den bau- und planungsrechtlichen Vor-
schriften und den nach anderen Gesetzen im Baubewilligungsverfahren zu prüfenden Vor-
schriften entsprechen, die öffentliche Ordnung nicht gefährden und wenn ihnen keine Hin-
dernisse der Planung im Sinne der Art. 36 und 62 BauG entgegenstehen. Andernfalls ist
das Gesuch abzuweisen und der Bauabschlag zu erteilen (Art. 2 Abs. 1 BauG und Art. 35
Abs. 1 BewD6). Diese Voraussetzungen gelten auch für Sakralbauten. Sie müssen mit den
5 Merkli/Aeschlimann/Herzog, Kommentar zum bernischen VRPG, 1997, Art. 45 N. 4, mit weiteren Hinweisen 6 Dekret vom 22. März 1994 über das Baubewilligungsverfahren (Baubewilligungsdekret, BewD; BSG 725.1)
6
Vorschriften des öffentlichen Bau- und Umweltrechts in Einklang stehen. Diese Vorschrif-
ten sind diskriminierungsfrei und religionsneutral anzuwenden.7
b) Wie die BVE in ihrem ersten Entscheid8 festgestellt hat, sprengen die geplanten Um-
bauarbeiten den Rahmen einer zeitgemässen Erneuerung im Sinn von Art. 3 Abs. 2 BauG.
Das Gebäude wird in seiner wesentlichen Charakteristik klar verändert. Die Baueingabe-
pläne vom 12. Mai 2006 zeigen, dass das (weltliche) Begegnungszentrum und die sanitä-
ren Einrichtungen im Untergeschoss mit dem Gebetsraum im Erdgeschoss, insbesondere
durch den Einbau der zwei Treppen, funktional zusammenhängen. Die Raumeinteilung im
Erdgeschoss ist auf die Raumeinteilung im Untergeschoss abgestimmt. Bei diesen Verän-
derungen handelt es sich um eine neubauähnliche Umgestaltung des Gebäudeinnern. Sol-
che Veränderungen sind nach Art. 1a BauG und Art. 4 ff. BewD baubewilligungspflichtig.9
Mit Ausnahme des Verkaufsgeschäfts im Erdgeschoss wird das ganze Gebäude als Kul-
tus- und Begegnungszentrum genutzt. Bisher wurde lediglich eine Fläche von circa 60 m2
als Gebetsraum bewilligt10 und genutzt. Die neubauähnliche Umgestaltung und die Neu-
konzeption als Kultus- und Begegnungszentrum sind von der Besitzstandsgarantie nicht
mehr gedeckt.11 Es ist demnach zu prüfen, ob das geplante islamische Kultus- und Begeg-
nungszentrum im Einklang mit den geltenden bau-, planungs- und umweltschutzrechtlichen
Bestimmungen steht.
c) Es ist Aufgabe der Baubewilligungsbehörde, ein Bauvorhaben von Amtes wegen ei-
ner umfassenden formellen und materiellen Prüfung zu unterziehen, das heisst, es auf sei-
ne Übereinstimmungen mit der gesetzlichen Ordnung zu überprüfen (Art. 38 BauG und
Art. 17 ff. BewD).12 Das gilt unabhängig davon, ob Einsprachen eingegangen sind oder
nicht. Liegen die zur Beurteilung eines Bauvorhabens notwendigen Unterlagen vor, schrei-
tet die Baubewilligungsbehörde unverzüglich zur Vorbereitung des Bauentscheids. Dazu
sind die massgebenden Verhältnisse und Fragen gründlich abzuklären.13
7 Wolf S. Seidel/Bernhard Waldmann, Sakralbauten im Lichte der Grundrechtsbindung und Grundrechtsverwirk-lichung, in: René Pahud de Mortanges/Jean-Baptiste Zufferey (Hrsg.), Bau und Umwandlung religiöser Gebäu-de, S. 94 8 BDE RA Nr. 110/2007/16 vom 16. April 2007 9 Aldo Zaugg/Peter Ludwig, Kommentar zum Baugesetz des Kantons Bern, 3. Aufl., Band I, Bern 2007, Art. 1 N. 20 10 Vgl. Bauentscheid der Baukommission Langenthal vom 4. Juni 1994 betreffend Nutzungsänderung von Büro- in Gebetsraum, Baugesuchsakten Baukontroll-Nr. 8245, pag. 055 11 BVR 1991 S. 262 12 Ruch, Kommentar RPG, Art. 22 Rz. 41 ff 13 Aldo Zaugg/Peter Ludwig, a.a.O., Art. 38/39 N. 9a
7
d) Die BVE besitzt als Beschwerdeinstanz volle Überprüfungsbefugnis. Sie prüft das
Bauvorhaben frei und kann den angefochtenen Entscheid von Amtes wegen abändern
oder aufheben, wenn er erhebliche Mängel aufweist. Sie ist also nicht an die Anträge der
Parteien gebunden. Soll der Bauentscheid in einem weiter gehenden Mass zum Nachteil
einer Partei abgeändert werden, als es von der Gegenseite verlangt worden ist, so ist der
betroffenen Partei zuvor davon Kenntnis und Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben
(Art. 40 Abs. 3 BauG).14
4. Anwendbares Recht
a) Während des hängigen Beschwerdeverfahrens ist die Minarettverbots-Initiative in der
Volksabstimmung vom 29. November 2009 angenommen worden. Es stellt sich daher die
Frage, welche Auswirkungen das auf das Verfahren hat.
Die Beschwerdeführenden vertreten in ihren Schlussbemerkungen die Auffassung, dass
das in die BV15 aufgenommene Minarettverbot sofort anwendbar sei. Das Minarett sei da-
her nicht bewilligungsfähig.
Demgegenüber ist die Beschwerdegegnerin der Meinung, Bauvorhaben seien nach dem
zum Zeitpunkt der Einreichung des Baugesuchs geltenden Rechts zu beurteilen. Daher
komme der neue Art. 72 Abs. 3 BV nicht zur Anwendung. Im Übrigen falle der geplante
kleine Turm nicht unter den Begriff des Minaretts im Sinne dieser Bestimmung. In einem
Aufsatz vertritt der Anwalt der Beschwerdegegnerin zudem die Auffassung, dass Art. 72
Abs. 3 BV nicht direkt anwendbar sei, sondern bloss eine Anweisung an den Gesetzgeber
enthalte, ein Minarettverbot zu erlassen.16
b) Laut Art. 36 Abs. 1 BauG sind Bauvorhaben nach dem zur Zeit der Einreichung des
Baugesuchs geltenden Recht zu beurteilen, soweit das Bundesrecht nichts anderes be-
stimmt. Diese Spezialbestimmung gilt nur für kantonales und kommunales Baurecht (Bau-
gesetz und dessen Ausführungserlasse), nicht aber für Bundesrecht oder andere kantonale
14 Aldo Zaugg/Peter Ludwig, a.a.O., Art. 40 N. 11 15 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV; SR 101) 16 Daniel Kettiger, Minarettverbot, Offene Fragen zur Umsetzung, in: Jusletter 1. März 2010
8
Gesetze.17 Aus dieser Bestimmung kann die Beschwerdegegnerin daher nichts zu ihren
Gunsten ableiten.
c) Laut Art. 195 BV tritt die ganz oder teilweise revidierte BV in Kraft, wenn sie von Volk
und Ständen angenommen ist. Der neue Art. 72 Abs. 3 BV ist daher am Tag der Annahme
in der Volksabstimmung in Kraft getreten.
Zum neuen Art. 72 Abs. 3 BV gibt es keine besonderen übergangsrechtlichen Regelungen.
Für Auswirkungen des neuen Verfassungsrechts auf hängige Verfahren gelten daher die
allgemeinen Grundsätze über die Anwendung neuen Rechts.18 Nach diesen beurteilt sich
die Rechtmässigkeit eines Verwaltungsaktes nach der Rechtslage am Tag des Entschei-
des. Tritt die Rechtsänderung während des erstinstanzlichen Verfahrens ein, so ist das
neue Recht anzuwenden. Tritt die Rechtsänderung erst während des Beschwerdeverfah-
rens ein, so kommt grundsätzlich das alte Recht zum Zug. Von dieser Regel gibt es zwei
Ausnahmen. Ist das neue Recht für die Gesuch stellende Person milder, so ist es anzu-
wenden. Ist das neue Recht strenger, so ist es einzig dann anzuwenden, wenn sich das
aus zwingenden Gründen aufdrängt.19 Das wurde in der Praxis bisher vor allem im Bereich
des Umweltrechts bejaht. Begründet wurde dies damit, dass die betreffenden Vorschriften
um der öffentlichen Ordnung willen bzw. zur Durchsetzung der erheblichen öffentlichen In-
teressen an einem wirksameren Schutz der Umwelt sofort anwendbar seien.20 Im vorlie-
genden Fall sind demgegenüber keine zwingenden Gründe ersichtlich, die eine sofortige
Anwendung des Bauverbots von Minaretten verlangen würden. Eine Abweichung vom
Grundsatz, dass das alte Recht anwendbar ist, erscheint daher als nicht gerechtfertigt. Zu-
dem findet die Anwendung des neuen Rechts auf jeden Fall im Grundsatz von Treu und
Glauben ihre Grenze. Danach ist die Anwendung des neuen Rechts rechtsmissbräuchlich,
wenn die Behörden das Verfahren ungebührlich lange verschleppt haben und wenn ohne
diese Verschleppung das alte Recht angewendet worden wäre.21 Im vorliegenden Fall kann
die überdurchschnittlich lange Verfahrensdauer22 nach den Akten kaum der Beschwerde-
17 Aldo Zaugg/Peter Ludwig, a.a.O., Art. 36 N. 2a mit Hinweisen 18 Biedermann, St. Galler Kommentar zu Art. 195, Rz. 14 19 Tschannen/Zimmerli/Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 24 Rz. 18 ff.; Häfelin/Müller/Uhlmann, Allge-meines Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2006, N. 325 ff.; Aldo Zaugg/Peter Ludwig, a.a.O., Art. 36 N. 1 20 BGE 123 II 359 E. 3, 119 Ib 174 E. 3 und 254 E. 9g, 21 Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., N. 328 22 Das erste Bewilligungsverfahren dauerte mehr als sechs Monate (ab Eingang Baugesuch am 12. Juni 2006 bis zum ersten Gesamtentscheid am 20. Dezember 2006), das zweite Bewilligungsverfahren dauerte mehr als zwei Jahre (ab Rechtskraft des BDE RA Nr. 110/2007/16 Mitte Mai 2007 bis zum zweiten Gesamtentscheid am 30. Juni 2009).
9
gegnerin angelastet werden. Daher steht einer Anwendung des neuen Rechts der Grund-
satz von Treu und Glauben entgegen.
d) Zusammenfassend ergibt sich, dass die Rechtmässigkeit des angefochtenen Ge-
samtentscheides gestützt auf die Rechtslage im Zeitpunkt seines Erlasses, d.h. am 30. Ju-
ni 2009, zu beurteilen ist. Bei diesem Ergebnis kann offen gelassen werden, ob es sich
beim geplanten Turm um ein Minarett im Sinne von Art. 72 Abs. 3 BV handelt. Ebenso we-
nig muss darüber befunden werden, ob diese Verfassungsbestimmung direkt anwendbar
ist und ob sie völkerrechtskonform ist.
5. Zonenkonformität
a) Die Beschwerdeführenden machen geltend, das Bauvorhaben sei in der Wohnzone
W3 nicht zonenkonform. Mit Ausnahme der Ladenfläche im Erdgeschoss solle neu das
ganze Gebäude als Kultus- und Begegnungszentrum für Muslime genutzt werden. Diese
neubauähnliche Umgestaltung und Neukonzeption sei nicht mehr von der Besitzstandsga-
rantie gedeckt. Es sei daher zu prüfen, ob das Bauvorhaben dem Zweck der Nutzungszone
entspreche. Die Nutzung für die Aktivitäten der Beschwerdegegnerin stelle weder Wohn-
nutzung noch nicht störendes Kleingewerbe bzw. Dienstleistung dar. Art. 34 GBR23 regle
vollständig und abschliessend, welche Nutzungen in der Zone W3 zulässig seien. Es be-
stehe daher weder Raum noch Anlass für eine Lückenfüllung. Aus der Glaubens- und Kul-
tusfreiheit könne die Beschwerdegegnerin keinen Anspruch ableiten, das geplante Kultus-
und Begegnungszentrum ohne Ausnahmebewilligung in der Wohnzone zu bauen. Dieses
sei nur zulässig, sofern der funktionale Zusammenhang zur Wohnnutzung vorhanden sei
und die abstrakte immissionsbezogene Beurteilung zum Resultat führe, dass die Nutzung
nicht zu übermässigen Belästigungen führe. Es sei offensichtlich, dass keine funktionale
Bindung des geplanten Kultus- und Begegnungszentrums an die Bedürfnisse der Wohnzo-
ne bestehe. Das Konzept der Beschwerdegegnerin sei zur Hauptsache auf Besucher aus-
gerichtet, die nicht im Quartier wohnen würden. Der Betrieb eines Kultus- und Begeg-
nungszentrums zeitige offensichtlich Einwirkungen auf die umliegenden Liegenschaften,
die mit dem ruhigen und gesunden Wohnen grundsätzlich nicht vereinbar seien. Das Bau-
vorhaben habe unzulässige ideelle Immissionen zur Folge. Insbesondere der Bau einer
23 Baureglement der Stadt Langenthal vom 30. November 2003 (GBR)
10
Kuppel und eines Minaretts würden eine Symbolkraft in Bezug auf den Islam beinhalten,
die bei der Nachbarschaft Unbehangen, Angst, Ablehnung und andere negative Gefühle
auslösen könne.
b) Die Beschwerdegegnerin weist darauf hin, dass im Rahmen der jüngsten Ortspla-
nungsrevision nur Grundstücke mit kirchlichen Bauten und Begegnungszentren der öffent-
lich-rechtlich anerkannten Landeskirchen einer Zone für öffentliche Nutzung zugewiesen
wurden, obwohl Langenthal über eine grosse Zahl von Kultusbauten anderer religiöser
Gruppierungen verfüge. Da es keine Hinweise auf ein qualifiziertes Schweigen des Ge-
setzgebers gebe, handle es sich um eine echte Gesetzeslücke im GBR von Langenthal.
Bei Kultusbauten sei bei der Auslegung der zonenspezifischen Regelung den Anliegen der
Kultusfreiheit besonders Rechnung zu tragen. Nach der Praxis der Langenthaler Baubewil-
ligungsbehörde seien offenbar wiederholt Versammlungslokale von kleineren Glaubens-
gemeinschaften in verschiednen Zonen als zonenkonform beurteilt und bewilligt worden.
Die Berechtigung der Rechtsfigur der ideellen Immission werde in der Lehre in grundsätzli-
cher Weise angezweifelt und die Anwendbarkeit auf religiöse Bauten verneint. Mit dem
Umbau erfolge keine massgebliche Änderung der Art und der Intensität der Nutzung. Das
Minarett führe insofern zu einer Veränderung, dass nun nach aussen ohne Weiteres wahr-
nehmbar werde, dass sich in dem Gebäude ein islamisches Kultus- und Begegnungszent-
rum befinde. Selbst wenn von einem islamischen Kultuszentrum ideelle Immissionen aus-
gehen würden, wäre es irrelevant, ob der Kultusbau von aussen als solcher erkennbar wä-
re; ein Minarett würde die ideellen Immissionen nicht verstärken.
c) Voraussetzung einer Baubewilligung ist unter anderem, dass das Bauvorhaben dem
Zweck der Nutzungszone entspricht (Art. 22 Abs. 2 Bst. a RPG24). Im Rahmen ihrer bau-
und planungsrechtlichen Zuständigkeiten sind Gemeinden und Kantone grundsätzlich be-
fugt, Bau- und Zonenvorschriften zu erlassen, sofern sie die bundesrechtlichen Schranken,
die sich insbesondere aus dem Bundesumweltrecht ergeben, beachten. Das Bundesge-
richt hat es für grundsätzlich möglich erachtet, ideelle Immissionen durch planungs- und
baurechtliche Vorschriften einzuschränken.25 Ausgeschlossen sind lediglich bau- oder pla-
nungsrechtliche Vorschriften zum Schutz der Bevölkerung vor Immissionen, die durch das
USG26 und die darauf gestützten Verordnungen abschliessend durch den Bund geregelt
24 Bundesgesetz vom 22. Juni 1979 über die Raumplanung (Raumplanungsgesetz, RPG; SR 700) 25 BGE 133 II 321 E. 4.3.4 26 Bundesgesetz vom 7. Oktober 1983 über den Umweltschutz (Umweltschutzgesetz, USG; SR 814.01)
11
sind.27 Hingegen ist es grundsätzlich Sache des kantonalen Bau- und Planungsrechts zu
bestimmen, welche Anlagen in einer Wohnzone zonenkonform sind und welche (ideellen)
Einwirkungen in der jeweiligen Wohnzone zulässig oder verboten sind.28
Laut Art. 24 Abs. 1 BauG dürfen Bauten und Anlagen nicht zu Einwirkungen auf die Nach-
barschaft führen, die der Zonenordnung widersprechen. Mit der zonengemässen Nutzung
verbundene Einwirkungen müssen gemäss Art. 89 Abs. 2 BauV29 geduldet werden. Die zu-
lässige bauliche Nutzung ist durch die baurechtliche Grundordnung der Gemeinen be-
stimmt (Art. 4 Abs. 1 BauG). Laut Zonenplan der Stadt Langenthal vom 30. November
2003 befindet sich die Bauparzelle in der Wohnzone W3. Sie ist der Empfindlichkeitsstufe
(ES) III nach Art. 43 Abs. 1 Bst. d LSV30 zugewiesen (Art. 35 Abs. 2 GBR). Die zulässige
Nutzung in den verschiedenen Wohnzonen ist in Art. 34 GBR wie folgt geregelt:
«1 Die Wohnzonen sind für Wohnnutzungen bestimmt. 2 Nicht störende Kleingewerbe und Dienstleistungen sind zulässig, in den Zonen W2/A, W2/B und W2/C jedoch nur bis zu einem Drittel der zulässigen Bruttogeschossfläche. 3 Verkaufsgeschäfte sind nur zulässig für den Verkauf von Gütern des täglichen Bedarfs und bis max. 300 m2 Verkaufsfläche. 4 In den Zonen W2/A und W2/B sind pro Gebäude höchstens zwei Wohnungen zulässig.»
Art. 34 GBR lässt religiöse Bauten wie das geplante Vorhaben weder explizit zu noch
schliesst er sie ausdrücklich aus. Die Bestimmung ist daher auszulegen.
d) Die Gemeinden sind in ihrer Ortsplanung im Rahmen der gesetzlichen Regelungen
und der übergeordneten Planung autonom (Art. 65 Abs. 1 BauG). Die Autonomie be-
schränkt sich nicht nur auf den Bereich der Rechtsetzung; insbesondere wo eine Gemein-
de zum Erlass von Rechtsnormen berechtigt ist, kommt ihr grundsätzlich auch bei der An-
wendung ihrer Regelung ein gewisser Beurteilungsspielraum zu. Es ist deshalb vorab Sa-
che der Gemeinde zu bestimmen, wie sie eine eigene Vorschrift verstanden haben will. Bei
der Auslegung von unbestimmten Rechtsbegriffen in eigenständigen kommunalen Vor-
schriften ist die Gemeinde aufgrund ihrer Doppelstellung als Gesetzgeberin und Rechts-
anwenderin in besonderem Mass dazu berufen, den Sinngehalt eines umstrittenen Begriffs
zu ermitteln. Wird die Anwendung einer von ihr erlassenen Bestimmung Gegenstand eines
Beschwerdeverfahrens, haben die Rechtsmittelinstanzen zu prüfen, ob die von der Ge-
27 BGE 126 II 399 E. 3c S. 403; 133 II 64 E. 5.2 S. 66 28 BGer 1A.120/2005 vom 31. Mai 2006 E. 8.1, mit weiteren Hinweisen 29 Bauverordnung vom 6. März 1985, BauV; BSG 721.1 30 Lärmschutz-Verordnung vom 15. Dezember 1986 (LSV; SR 814.41)
12
meinde geltend gemachte Auslegung rechtlich haltbar ist. Sie auferlegen sich mit andern
Worten eine gewisse Zurückhaltung gegenüber der Auffassung der Gemeinde, indem sie
sich der Prüfung enthalten, ob eine andere Bedeutung der umstrittenen Bestimmung eben-
falls möglich und rechtlich vertretbar wäre.31
Wenn die anerkannten Auslegungsmethoden kein eindeutiges Ergebnis zeitigen sowie bei
unbestimmten Gesetzesbegriffen ist die verfassungskonforme Auslegung heranzuziehen.
Einer Bestimmung ist derjenige Sinn zuzuordnen, der der verfassungsmässigen Ordnung
am besten entspricht. In Bezug auf die bau- und planungsrechtliche Behandlung von Kul-
tusbauten hat eine grundrechtskonforme Auslegung insbesondere dort zu erfolgen, wo
Generalklauseln oder unbestimmte Rechtsbegriffe die Zulässigkeit bestimmter Bauten re-
geln. Bei derartigen Bauvorhaben ist bei der Auslegung der zonenspezifischen Regelungen
auch den Anliegen der in Art. 15 BV verankerten Glaubens- und Gewissensfreiheit Rech-
nung zu tragen. Darüber hinaus vermittelt die Glaubens- und Gewissensfreiheit aber kei-
nen unbeschränkten Anspruch auf Erteilung einer Baubewilligung.32
e) Die Vorinstanz ist der Auffassung, das Bauvorhaben der Beschwerdegegnerin sei
zonenkonform. Im Gesamtentscheid hat sie dazu ausgeführt, explizite Gefässe für Kultus-
bauten seinen im Zonenplan nicht vorhanden. Aufgrund der baulichen und funktionalen Un-
terscheide von Kultusbauten und -räumen könnten keine generellen Aussagen zur Zonen-
konformität gemacht werden. Diese sei daher im Einzelfall gestützt auf die baurechtlichen
Vorschriften und unter Berücksichtigung der grundrechtlichrelevanten Ermessensausübung
zu beurteilen. Das betroffene Quartier sei nicht ein ausschliesslich mit Wohnbauten bebau-
tes, ruhiges Gebiet. Betreffend Lärmbelastung sei es ein aufgestuftes Gebiet (ES III statt
ES II). Westlich der Bauparzelle befinde sich eine neue Coop-Tankstelle mit Shop. Auf der
gegenüberliegenden Seite der stark frequentierten Bützbergstrasse liege eine grosse Ga-
rage mit Tankstelle und Autowaschanlage. Weiter werde das Baugebiet von einer Arbeits-
zone und der Überbauungsordnung (ÜO) Nr. 8 Wolfhusenfeld (Arbeitszone) begrenzt. Ein-
zig in südöstlicher Richtung befänden sich Wohnzonen W2 und W3, die in der ersten Bau-
tiefe zur Bützbergstrasse ebenfalls in die ES III aufgestuft worden seien. Im vom Bauge-
such betroffenen Gebäude bestehe bereits heute ein Gebetsraum mit einer Fläche von cir-
ca 70 m2,33 der am 4. Juli 1994 bewilligt wurde und seitdem von der Beschwerdegegnerin
31 BVR 2010 S. 113 E. 3.4 32 BVR 2010 S. 113 E. 3.3, mit weiteren Hinweisen 33 bzw. circa 60 m2 gemäss Bauentscheid der Baukommission Langenthal vom 4. Juni 1994 betreffend Nut-zungsänderung von Büro- in Gebetsraum (vgl. Baugesuchsakten Baukontroll-Nr. 8245, pag. 055)
13
betrieben werde. Im Erdgeschoss befinde sich ausserdem ein Gewerbebetrieb mit Lager-
fläche. Im Untergeschoss befinde sich ein Vereinslokal, das bis anhin durch den Fussball-
verein Circolo Sportivo AS Italica genutzt wurde. Diese Nutzung war am 14. Juni 1990 be-
willigt worden. Bisher habe weder die Nutzung der Gebetsräume noch die Vereinsnutzung
zu Beanstandungen aus der Nachbarschaft geführt. Die Beschwerdegegnerin beabsichti-
ge, den Gebetsraum durch die ursprüngliche Lagerfläche zu erweitern und den Erschlies-
sungsbereich neu zu gestalten. Es würden neue Nasszellen eingebaut und eine Verbin-
dung zum Vereinslokal im Untergeschoss geschaffen. Äusserlich wahrnehmbar sei insbe-
sondere der Aufbau eines Minaretts und einer Dachkuppel. Gemäss Betriebskonzept habe
die Beschwerdegegnerin 121 Mitglieder, wovon gut die Hälfte aus Langenthal selber
stamme. Die höchste Aufenthaltsdichte finde sich jeweils am Freitag während den Mittags-
stunden (circa 50 Personen). Während des Ramadans würden in der Zeit zwischen 19.00
und 21.30 Uhr 100 Personen erwartet. Im Aussenbereich und in der Umgebung der Lie-
genschaft würden keine Aktivitäten stattfinden. Die Küche im Vereinslokal diene aus-
schliesslich der Verpflegung der Vereinsmitglieder und deren Gäste. Es gebe keinen Alko-
holausschank und das Lokal sei nicht öffentlich zugänglich. Die islamischen Feiertage
(Fastenbrechen und Opferfest) würden nicht in den Räumlichkeiten an der Bützbergstrasse
durchgeführt. Mit dem Umbauprojekt werde keine Intensivierung der bisherigen Aktivitäten
bezweckt. Die Vorinstanz geht davon aus, dass weder die bestehende Nutzung durch die
Beschwerdegegnerin verändert werden soll noch dass mit einer intensiveren Nutzung als
durch den Sportverein zu rechnen sei. Daher beurteilt sie das Vorhaben als zonenkonform.
f) Nach dem Wortlaut von Art. 34 GBR sind in den Wohnzonen Wohnnutzungen, nicht
störendes Kleingewerbe, Dienstleistungen sowie Verkaufsgeschäfte für den Verkauf von
Gütern des täglichen Bedarfs zulässig. Was unter diesen Begriffen genau zu verstehen ist,
umschreibt das kommunale Recht nicht näher. Zwar trifft zu, dass ein religiöses Versamm-
lungsgebäude keine typische Wohn-, Gewerbe-, Dienstleistungs- oder Verkaufsnutzung
darstellt. Aus dem Wortlaut der Bestimmung folgt aber auch nicht die Unzulässigkeit des
geplanten Bauvorhabens. Die neuere bundesgerichtliche und bernische Rechtsprechung
hat religiöse Bauten unter gewissen Voraussetzungen als Gewerbebauten im baurechtli-
chen Sinn qualifiziert.34 So wurde etwa der Gemeindesaal einer evangelisch-freikirchlichen
Gemeinde in einer Wohn- und Gewerbezone unter dem Begriff eines „mässig störenden
Betriebs“ als zonenkonform erachtet.35 Ebenso wurde ein Versammlungs- und Schulungs-
34 BVR 2010 S. 113 E. 4.1, mit weiteren Hinweisen 35 BVR 2005 S. 334 E. 3c
14
lokal der Zeugen Jehovas in der Gewerbezone als zonenkonform beurteilt, da die Gemein-
de in ihrer bisherigen Praxis den Gewerbebegriff eher weit verstanden hatte.36 Aufgrund
der Vielfalt der kommunalen Bauvorschriften und der Verschiedenheit der Kultusbauten
lassen sich kaum allgemeingültige Aussagen über die Zonenkonformität dieser Bauten
machen. Das muss im Einzelfall aufgrund des konkreten Projekts und der anwendbaren
Vorschriften geklärt werden.37 Massgebend ist die konkrete Umschreibung der jeweiligen
Zonenvorschrift. Je nach dem wurden in der Praxis Kultusräume in Wohnzonen, Wohn-
und Gewerbezonen oder Gewerbe- und Industriezonen zugelassen oder untersagt.38 So
wurde beispielsweise das Vorhaben einer Laienbewegung der evangelisch-reformierten
Landeskirche, eine Liegenschaft in der Stadt Bern in der Wohnzone in ein Schulungs- und
Jugendzentrum umzuwandeln, nicht bewilligt. Die betreffende Wohnzone war allerdings
vorwiegend dem Wohnen vorbehalten. Nichtwohnnutzung war lediglich im Umfang von bis
zu 10 Prozent bzw. bei nachgewiesenem öffentlichem Interesse mit Bewilligung des Ge-
meinderates bis zu 50 Prozent erlaubt.39 Ob Kultusbauten in der Wohnzone bewilligt wer-
den können, hängt daher einerseits von den massgebenden Nutzungsvorschriften der
Gemeinden und andererseits vom konkreten Vorhaben ab.40
Anders als in der Wohnzone W2 kennt Art. 35 GBR in der Wohnzone W3 keine flächen-
mässigen Beschränkungen der Nutzung für Kleingewerbe und Dienstleistung. Das GBR
schreibt auch keinen funktionalen Zusammenhang der gewerblichen Nutzungen zur Wohn-
zone vor. Dem kommunalen Recht kann jedoch nicht entnommen werden, was alles unter
die Begriffe des nichtstörenden Kleingewerbes, der Dienstleistung und der Verkaufsge-
schäfte fällt. Der Wortlaut von Art. 34 GBR spricht für sich allein weder für noch gegen die
von der Vorinstanz vorgenommene Auslegung. Auch in der Mischzone (Art. 36 GBR) und
in der Kernzone (Art. 41 GBR) sind Wohnen, Gewerbe, Dienstleistungen und Verkaufsflä-
chen erlaubt. Die Arbeitszone ist für Industrie, Gewerbe, Dienstleistungen und Verkaufsge-
schäfte bestimmt (Art. 38 GBR). Für die Frage, ob die Auslegung der Vorinstanz haltbar ist,
ist daher vorab von Bedeutung, wie sie fraglichen Gemeindevorschriften bisher in der Pra-
xis verstanden und gehandhabt hat.
36 BVR 2010 S. 113 37 Regula Kiener/Mathias Kuhn, Die bau- und planungsrechtliche Behandlung von Kultusbauten im Lichte der Glaubens- und Gewissensfreiheit, S.620, in: ZBl 2003 S. 617 ff. 38 Peter Perren, „Zwischen Stuhl und Bank?“ Die Zonenkonformität ausgewählter Nutzungsarten, in: KPG-Bulletin 1/2004, S. 21 39 BVR 200 S. 268 40 Christoph Jäger, Kultusbauten im Planungs-, Bau- und Umweltschutzrecht, in: René Pahud de Mortan-ges/Jean-Baptiste Zufferey (Hrsg.), Bau und Umwandlung religiöser Gebäude, S. 123
15
Die Bauten der öffentlich-rechtlich anerkannten Landeskirchen sind heute der Zone für öf-
fentliche Nutzungen zugewiesen (Art. 50 GBR und Anhang I GBR). Im Zeitpunkt der Bau-
bewilligung befand sich aber beispielsweise das Zwinglihaus (Bäreggstrasse 11) in der
Wohnzone W3 und wurde dort als zonenkonform beurteilt. In der Wohnzone W3 als zo-
nenkonform bewilligt wurden auch die Versammlungsräume der Freien evangelischen
Gemeinde (Weissensteinstrasse 7) und der Zeugen Jehovas (St. Urbanstrasse 62a). Die
Neuapostolische Kirche (Talstrasse 26) und der Versammlungsraum der Evangelische
Gemeinschaft (wohl: Evangelisch-methodistische Kirche; Talstrasse 24) wurden in einer
Wohn- und Gewerbezone WG3 als zonenkonform bewilligt, diejenigen des Vineyards
(Marktgasse 34) und des evangelischen Gemeinschaftswerks (Lotzwilstrasse 10) wurden
in der Kernzone bewilligt. Mit einer Ausnahmebewilligung wurden einzig der Versamm-
lungsraum der Freien Christengemeinde (Gaswerkstrasse 48) sowie der Sikh-Tempel
(Dennliweg) bewilligt, und zwar in der Industriezone. Gemäss Praxis der Vorinstanz sind
also religiöse Bauvorhaben in allen Zonen, ausser der Industriezone zonenkonform. Sie
geht also von einem weiten Gewerbe- und Dienstleistungsbegriff aus. Die Vorschriften las-
sen dieses Verständnis zu. Die Praxis der Gemeinde ist daher haltbar. Sie entspricht zu-
dem Art. 35 BV, der in derartigen Fällen zur verfassungskonformen Auslegung verpflichtet.
Die Betriebskonzepte und Öffnungszeiten dieser Kultusbauten sind zwar nicht im Detail
bekannt. Insbesondere dürfte es sich bei den in der Liste der bestehenden Kultusnutzun-
gen in Langenthal enthaltenen Öffnungszeiten nicht um die bewilligten Betriebs- sondern
bloss um die Gottesdienstzeiten handeln. Wie beispielsweise der Homepage der reformier-
ten Kirchgemeinde Langenthal-Untersteckholz entnommen werden kann,41 finden auch zu
anderen Zeiten kirchliche Handlungen und Anlässe (bspw. Hochzeiten, Trauerfeiern, Seel-
sorge, kirchliche Unterweisung, Altersnachmittage usw.) statt. Zudem können die Räum-
lichkeiten für Konzerte, Vorträge oder anderen öffentliche Anlässe von Vereinen, Kultur-
schaffende oder Institutionen mit Bildungsangebot gemietet werden. Auch die Räumlichkei-
ten der freien evangelischen Gemeinde42, der evangelisch-methodistischen Kirche43 oder
des evangelischen Gemeinschaftswerks44 werden laut den im Internet abrufbaren Informa-
tionen mehr als nur zu den aufgeführten Öffnungszeiten genutzt. Obwohl die vorhandenen
Unterlagen lediglich einen groben Vergleich erlauben, kann doch gesagt werden, dass sich
das Vorhaben der Beschwerdegegnerin von den Besucherzahlen, den Räumlichkeiten und
41 http://www.kirche-langenthal.ch 42 http://www.feg-langenthal.ch 43 http://region.oberaargau.umc-europe.org/langenthal/htdocs/index.phtml 44 http://www.egw-langenthal.ch/
16
den Öffnungszeiten her im ähnlichen Rahmen wie die bereits bestehenden Kultusnutzun-
gen in Langenthal bewegt. Das Bauvorhaben ist daher zonenkonform.
g) An diesem Ergebnis ändert auch der Einwand, das Bauvorhaben führe zu übermäs-
sigen ideellen Immissionen, nichts. Darunter sind Einwirkungen zu verstehen, die das see-
lische Empfinden verletzen bzw. unangenehme Eindrücke erwecken und das ruhige und
angenehme Wohnen beeinträchtigen. Sie können die Nachbarschaft direkt belästigen oder
aber indirekte Wirkungen zeitigen, indem sie durch eine unästhetische oder sonst wie uner-
freuliche Umgebung die Wohnqualität (und sei es auch nur über den Ruf der Wohngegend)
beeinträchtigen.45 Die Praxis hat bisher vor allem Betriebe des Sexgewerbes unter dem Ti-
tel „ideelle Immissionen“ als unzulässig beurteilt46. Diese sind in der Regel aber auch mit
materiellen Immissionen (Lärm, unliebsame Begegnungen usw.) verbunden.47
Zwar mag die Vorstellung, dass in einem Nachbarhaus eine fremde Religionsgemeinschaft
einzieht, bei einzelnen Personen ein gewisses Unbehagen auslösen. Das lässt jedoch bei
Weitem nicht auf ein Konfliktpotenzial schliessen, das unter den massgeblichen psychi-
schen und moralischen Gesichtspunkten ein ruhiges und gesundes Wohnen beeinträchti-
gen oder gar verunmöglichen würde. Das blosse Unbehagen darüber, was im Inneren ei-
nes Raumes vor sich gehen könnte oder welche Personen ein Gebäude benutzen, darf im
Immissionsschutzrecht keine Rolle spielen. Zudem darf es aus grundrechtlicher Sicht keine
Handhabe bieten, um subjektive Ängste und Unbehangen, die eine stereotypische, herab-
würdigende Einstellung zu gewissen Personengruppen oder Handlungen zum Ausdruck
bringen, zum Durchbruch verhelfen.48
Die Beschwerdegegnerin nutzt bereits Räumlichkeiten im Gebäude zu ihren Zwecken. Der
bestehende Betrieb hat laut den Akten bisher keinen Anlass zu Beanstandungen gegeben.
Aufgrund des Betriebskonzepts sind keine nennenswerten Beeinträchtigungen der Wohn-
qualität zu erwarten. Das Bauvorhaben ist daher auch unter dem Gesichtspunkt der ideel-
len Immissionen zonenkonform.
45 siehe dazu: Bernhard Waldmann, a.a.O., S. 156 ff.; Aldo Zaugg/Peter Ludwig, a.a.O., Art. 24 N. 31, mit Hin-weisen; BGE 108 Ia 140 E. 5c/bb; BGer 1P.771 bzw. 773/2001 vom 5. Mai 2003, E. 9.2; BVR 2006 S. 86 E. 4, mit Hinweisen, 2005 S. 443 E. 4, 2001 S. 17 E. 3e/aa, 1990 S. 402 E. 3, mit Hinweisen 46 Bernhard Waldmann, a.a.O., S. 156 ff.; Aldo Zaugg/Peter Ludwig, a.a.O., Art. 24 N. 31, mit Hinweisen; BGer 1P.771 bzw. 773/2001 vom 5. Mai 2003, E. 9.2; BVR 2006 S. 86 E. 4, mit Hinweisen, 2005 S. 443 E. 4, 2001 S. 17 E. 3e/aa, 1990 S. 402 E. 3, mit Hinweisen 47 Bernhand Waldmann, a.a.O., S. 162 48 Bernhand Waldmann, a.a.O., S. 162
17
6. Lärmimmissionen
a) Die Beschwerdeführenden machen geltend, die Lärmprognose der Markwalder &
Partner AG genüge den Anforderungen nicht, da sie sich vorwiegend auf die rein technisch
zu verstehenden Planungs- und Immissionsgrenzwerte abstütze. Die LSV erfasse nicht nur
den technischen Lärm, sondern auch menschliche Lautäusserungen. Das Hauptproblem
bestehe im Lärm der an- und wegfahrenden Fahrzeuge und dem Lärm beim Verlassen
oder Einsteigen ins Fahrzeug. Die Lärmprognose verfüge nur über einen beschränkten
Aussagewert. Mangels Gesamtbeurteilung lasse sich keine abschliessende Beurteilung
machen. Die Grundlagen des Lärmgutachtens basierten ausschliesslich auf den Angaben
der Beschwerdegegnerin. Da das Glaubenszentrum nicht über genügend Parkplätze ver-
füge, komme es immer wieder zu Parkplatzsuchverkehr. Die vorgesehene Erweiterung
werde mit einer Vergrösserung der Teilnehmerzahl einhergehen. Es sei davon auszuge-
hen, dass das geplante Vorhaben in seiner Nachbarschaft zu mehr als nur geringfügigen
Störungen führen werde. Es sei nicht zu erwarten, dass die vorgeschlagenen Massnahmen
gemäss Fachbericht der Lärmschutzfachstelle der Kantonspolizei diesen Lärm wirksam
eindämmen könnten. Das Vorhaben führe zu mehr als höchstens geringfügigen Störungen
und verletze das USG und die LSV.
b) Die Belastungsgrenzwerte der Anhänge 3 bis 8 der LSV sind ausschliesslich auf Aus-
senlärm zugeschnitten und für die Erfassung von Lärm, der sich innerhalb eines Gebäudes
ausbreitet, nicht geeignet. Ebenso wenig sind die Grenzwerte auf Aussenlärm von Gast-
stätten etc. anwendbar. Fehlen Belastungsgrenzwerte, so beurteilt die Vollzugsbehörde die
Lärmimmissionen nach Art. 15 USG, unter Berücksichtigung der Art. 19 und 23 USG
(Art. 40 Abs. 3 LSV).49 Im Rahmen dieser Einzelfallbeurteilung sind der Charakter des
Lärms, Zeitpunkt und Häufigkeit seines Auftretens sowie die Lärmempfindlichkeit bzw.
Lärmvorbelastung zu berücksichtigen.50 Als grundsätzlich problematisch muss die "sinn-
gemässe" Anwendung von Grenzwerten, namentlich der Grenzwerte für Industrie- und
Gewerbelärm, beurteilt werden. Belastungsgrenzwerte setzen typisierbare Situationen vor-
aus, die sich auf einfache Weise durch akustische Beschreibungsgrössen zuverlässig er-
fassen lassen.51 Unter Umständen können fachlich genügend abgestützte ausländische
bzw. private Richtlinien eine Entscheidungshilfe bieten, sofern die Kriterien, auf welchen
49 BGE 126 II 300 E. 4c/aa S. 307; 123 II 74 E. 4a und b S. 82 f.; 118 Ib 590 E. 3b S. 596 50 BGE 123 II 74 E. 5a S. 86, 325 E. 4d/bb S. 335; URP 2001 S. 923, E. 4a). 51 BGE 123 II 325 E. 4d/bb S. 334 mit Hinweisen, 133 II 292 E. 3.3 S. 296
18
diese Unterlagen beruhen, mit denjenigen des schweizerischen Lärmschutzrechts verein-
bar sind.
Eine solche fachlich abgestützte Richtlinie stellt die Vollzugshilfe des "Cercle Bruit"52 dar.53
Diese Richtlinie ist nicht nur auf öffentliche Lokale mit Musikerzeugung zugeschnitten
(Ziff. 5.1. S1 der Vollzugshilfe), sondern umfasst alle Lärmimmissionen von Gaststätten,
einschliesslich Kundenverkehr, Parkplatzlärm und durch Verkehr erzeugten Lärm (Ziff. 5.2
S9, S10 und S11). Wie das Bundesgericht entschieden hat, berücksichtigt sie damit auch
den Lärm, der einem Jugendtreff immanent ist. 54 Die Vorgaben des "Cercle Bruit" sind da-
her auch für den vorliegend zu beurteilenden Fall einer Kultusbaute einschlägig.
c) Die Beschwerdegegnerin hat eine Lärmprognose erstellen lassen.55 Diese stützt sich
auf das Betriebskonzept der Beschwerdegegnerin vom 4. Februar 2008. Die Angaben zu
den Besucherzahlen und Besucherzeiten basieren auf den Erfahrungen des bereits als
Vereins- und Gebetsraum genutzten Gebäudes. Sie erscheinen glaubhaft und sind nicht zu
beanstanden. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Erweiterung der bisher genutz-
ten Fläche bei der Beschwerdegegnerin zu einer massiven Erhöhung der Mitgliederzahl
führen wird. Zudem umschreibt das Betriebskonzept den bewilligten Betrieb. Es wurde da-
her zum massgebenden und integrierenden Bestandteil des Gesamtentscheids erklärt.
Sollte der konkrete Betrieb wesentlich von dem im Betriebskonzept umschriebenen abwei-
chen, würde das eine Neubeurteilung im Rahmen eines Baubewilligungsverfahrens erfor-
dern.
d) Gemäss Lärmprognose wurden die Lärmquellen gestützt auf die spezifischen Lärm-
beurteilungsmethoden gemäss Vollzugshilfe des „Cercle Bruit“ beurteilt.56 Bei den internen
Schallquellen wurden die Lautsprecheranlagen in den Gebetsräumen, der Kundenlärm im
Gebäude und die technischen Anlagen berücksichtigt. Es stimmt zwar, dass die Belegung
des Gebetsraums der Frauen am Sonntag (11.00 - 13.00 Uhr ca. 7 Personen, 14.00 -
15.30 Uhr ca. 10 Personen) nicht erwähnt wird. Wie in der Einleitung zu Ziff. 5.2 ausgeführt
wird, sind für die Beurteilung des Kundenlärms im Gebäude neben dem Ramadan (ca. 100
52 Cercle bruit, Ermittlung und Beurteilung der Lärmbelastung durch den Betrieb öffentlicher Lokale Vollzugshil-fe vom 10. März 1999 (Änderung vom 30. März 2007), abrufbar unter http://www.laerm.ch 53 BGE 130 II 32 54 BGer 1A.180/2006 vom 9. August 2007 E. 5.8 55 Markwalder & Partner AG, Prüfung Aussenlärm, Kultus- und Begegnungszentrum Bützbergstrasse 101a, Lärmprognose vom 29. Mai 2008, Vorakten pag. 605 ff. (nachfolgend Lärmprognose). 56 Lärmprognose S. 2, Vorakten pag. 602
19
Personen) die Phasen zwischen 19.00 - 22.30 Uhr (ca. 5 - 10 Personen) sowie Freitagmit-
tag (ca. 50 Personen) und Sonntagmittag (25 Personen) von Bedeutung. Während diesen
Phasen sind die Belegung und der daraus resultierende Kundenlärm am höchsten. Dieser
Lärm wird durch die Schalldämmung der Fassaden und die Entfernung zu den Nachbarge-
bäuden derart gedämpft, dass nicht nur die Immissionsgrenzwerte, sondern auch die Pla-
nungswerte überall eingehalten werden können. Bei den externen Schallquellen wurden
das Kundenverhalten im Freien und Parkplatzlärm berücksichtigt. Da die Beschwerdegeg-
nerin sich mittels Dienstbarkeitsvertrag mit der Stadt Langenthal verpflichtet hat, auf eine
Beschallung im Aussenbereich zu verzichten, musste diese Lärmquelle nicht in die Beurtei-
lung einbezogen werden.
In einem umfassenden Fachbericht prüfte die Fachstelle Lärmakustik/Lasertechnik die
Lärmprognose. Sie verlangte, dass die Schalldämmung der Gebäudekuppel und des Eter-
nitdaches in die Berechnung mit einbezogen werde. Die Beschwerdegegnerin reichte da-
her eine Ergänzung der Lärmprognose vom 20. Januar 200957 ein. Darin wurden zusätzlich
das Eternitdach und die Kuppel näher untersucht. Ergebnis war, dass die Grenzwerte ge-
mäss Vollzugshilfe eingehalten werden und keine zusätzlichen Massnahmen zur Lärm-
dämmung nötig sind.
Die Fachstelle Lärmakustik/Lasertechnik hat gestützt auf ihre Prüfung verschiedene Aufla-
gen zur Lämminderung formuliert. Dabei hat sie insbesondere berücksichtigt, dass wäh-
rend des Ramadans mit Mehrverkehr und grösseren Besucherzahlen gerechnet werden
muss. Die Vorinstanz hat gestützt auf diesen Fachbericht insbesondere die Auflagen ge-
macht, dass bei speziellen Anlässen zur Eingrenzung des Suchverkehrs ein Parkdienst zu
organisieren ist, dass bei lauten Aktivitäten Fenster und Türen geschlossen bleiben müs-
sen sowie dass bei den Ausgängen in geeigneter Form darauf hinzuweisen ist, dass auf
die Bedürfnisse der Nachbarschaft Rücksicht zu nehmen ist.
e) Anders als die Beschwerdeführenden geltend machen, entspricht die Lärmprognose
den Anforderungen der Umweltschutzgesetzgebung. Die Lärmbelastung wurde umfassend
und sorgfältig abgeklärt und beurteilt. Mit den Auflagen im Gesamtentscheid wird hinrei-
chend sichergestellt, dass keine übermässigen Lärmimmissionen entstehen. Die Rüge ist
unbegründet.
57 Vorakten pag. 647 ff.
20
7. Dachaufbauten
a) Die Beschwerdeführenden machen geltend, das Bauvorhaben verletze Art. 25 GBR.
Diese Bestimmung verbiete bestimmte Bauformen ganz. Da weder Dachkuppel noch Mina-
rett zu den nach Art. 25 GBR zulässigen Dauaufbauten gehörten, dürften sie nicht bewilligt
werden.
Die Beschwerdegegnerin weist darauf hin, dass die Dachkuppel primär als Oberlicht diene
und kein religiöses Symbol sei.
b) Art. 24 und 25 GBR enthalten Vorschriften zu den Dachaufbauten und zur Dachges-
taltung. Laut Art. 24 Abs. 1 GBR sind grundsätzlich alle Dachformen zulässig. In Gebieten,
die eine einheitliche Dachgestaltung aufweisen, kann die Baubewilligungsbehörde bei Neu-
und Umbauten von Dächern eine Angleichung der Firstrichtung und Dachform verlangen.
Auf historische Baugruppen ist Rücksicht zu nehmen (Art. 24 Abs. 2 GBR). Art 24 Abs. 3
und 3 GBR enthalten Bestimmungen zu Lukarnen, Dacheinschnitten und Dachaufbauten.
Art. 25 GBR enthält die Regelungen für Attika- und Flachdachaufbauten. Er lautet wie folgt:
«Art. 25 1 Auf Flachdächern ist innerhalb des zulässigen Gebäudeprofils ein Attikageschoss zulässig (vgl. An-hang VI). 2 Auf Attika- und Flachdächern sind nur folgende Dachaufbauten gestattet: a) Rauch- und Lüftungskamine b) Oberlichter und Energieinstallationen c) Liftaufbauten bis zu einer Höhe von 1.50 m, gemessen ab oberkant Flachdach bis oberkant Abde-
ckung des Liftaufbaus.»
Von ihrer Funktion her bringt die Kuppel Licht in den Gebetsraum. Wie die Beschwerde-
gegnerin zu Recht ausführt, kann sie daher als Oberlicht im Sinn von Art. 25 Abs. 2 Bst. b
GBR qualifiziert werden.
c) Fraglich ist, ob die Bestimmung von Art. 25 GBR Raum lässt für ein Minarett. Für die
Auslegung dieser Gemeindevorschrift gilt das in Erwägung 4 Bst. d Ausgeführte. Es ist da-
her vorab Sache der Vorinstanz zu bestimmen, wie sie ihre eigene Vorschrift verstanden
haben will. Diese ist der Auffassung, das Minarett entspreche ihren Bauvorschriften. Es
handle sich nicht um eine Dachaufbaute, sondern eine nicht alltägliche Dachform. Gemäss
Art. 24 GBR seien grundsätzlich alle Dachformen zulässig. Zudem lässt sich dem ange-
fochtenen Entscheid entnehmen, dass das Minarett die zulässige Gebäudehöhe von 10 m
21
(Art. 22 in Verbindung mit Art. 31 GBR) nicht überschreitet.58 Daraus lässt sich schliessen,
dass nach der Auslegung der Vorinstanz die Vorschrift von Art. 25 GBR nicht die zulässi-
gen Bauformen der Dachaufbauten regelt. Sie soll viel mehr die Erstellung von hohen Auf-
bauten auf Flachdächern und Attikageschossen verhindern. Auf Gebäuden mit Flachdä-
chern dürfen nur die in Art. 25 Abs. 2 GBR erwähnten Dachaufbauten über die maximal er-
laubt Gebäudehöhe hinausragen. Sinn und Zweck der Bestimmung ist also die Begren-
zung der Gebäudehöhe. Dachaufbauten, die die maximale Gebäudehöhe nicht überschrei-
ten, werden von dieser Bestimmung nicht erfasst. Sie müssen einzig mit den Anforderun-
gen der Gestaltungsvorschriften in Einklang stehen. Diese Auslegung ist rechtlich haltbar.
Da das Minarett die maximale Gebäudehöhe von 10 m nicht überschreitet, ist es zulässig.
8. Dachgestaltung
a) Die Beschwerdeführenden machen geltend, sowohl das Minarett als auch die Dach-
kuppel präsentierten sich als eigentliche Fremdkörper die das Gesamtbild stören würden.
Das Bauvorhaben halte vor den Gestaltungsvorschriften von Art. 10, 24 und 45 GBR nicht
stand. Diese würden mit ihrem Regelungsgehalt über die kantonalen Vorschriften hinaus-
gehen und bestimmte Bauformen ganz verbieten. Dadurch, dass der angefochtene Ent-
scheid den Beschwerdeführenden keine Klarheit darüber gebracht habe, weshalb eine gu-
te Gesamtwirkung als gegeben erachtet werde, sei ihr Anspruch auf rechtliches Gehör ver-
letzt worden.
b) Gemäss Art. 38 Abs. 2 BauG und Art. 36 Abs. 1 BewD hat sich der Bauentscheid mit
den unerledigten Einsprachen auseinander zu setzen. Dabei sind die Tatsachen, Rechts-
sätze und Gründe zu nennen, auf die sich der Bauentscheid stützt (Art. 39 Abs. 1 BauG in
Verbindung mit Art. 52 Abs. 1 Bst. b VRPG). Die Begründung muss so abgefasst sein,
dass die Betroffenen den Entscheid sachgerecht anfechten können. Deshalb muss die Be-
hörde mindestens kurz die Überlegungen nennen, von denen sie sich hat leiten lassen und
auf die sie ihren Entscheid stützt. Sie muss sich dabei nicht ausdrücklich mit jeder Behaup-
tung zum Sachverhalt und jedem rechtlichen Einwand auseinandersetzen. Vielmehr kann
sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Gesichtspunkte beschränken. Ein Anspruch
auf eine ausführliche schriftliche Begründung besteht nicht.59 Umfang und Dichte der Be-
58 Vorakten pag. 654 59 BGE 112 Ia 107 E. 2b; BGE 123 I 31 E. 2c; BGE 126 I 97 E. 2b.
22
gründung können nicht abstrakt definiert, sondern müssen im Einzelfall festgelegt werden,
wobei der Verfügungsgegenstand, die Verfahrensumstände sowie die Interessen der Be-
troffenen zu berücksichtigen sind.60 Werden die für den Entscheid wesentlichen Gesichts-
punkte nicht einbezogen, wird der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.61 Es genügt
aber, dass die Begründung die Hauptüberlegungen zusammenfasst.62 Da Einsprachen
nicht Rechtsmittelfunktion haben, genügt es, wenn aus dem Bauentscheid hervorgeht, wa-
rum das geplante Bauvorhaben den Vorschriften entspricht.63
Die Vorinstanz hat zur Frage der Beeinträchtigung des Ortsbildes ausgeführt, die Baupar-
zelle sei im Bauinventar weder als Einzelobjekt noch als Baugruppe aufgeführt. Sie liege
auch nicht in einem Ortsbildschutz- oder Quartiererhaltungsgebiet. Sowohl das Minarett als
auch die Kuppel würden in schlichter Bauweise ausgeführt und veränderten das Erschei-
nungsbild des Quartiers nicht wesentlich. Das Bauvorhaben entspreche den baupolizeili-
chen Vorschriften und den in diesem Gebiet geltenden Ästhetikansprüchen. Zudem habe
die Baubewilligungsbehörde ein Gutachten der kantonalen Kommission zur Pflege der
Orts- und Landschaftsbilder (OLK) eingeholt. Dieses stelle ebenfalls keine Beeinträchti-
gung des Ortsbildes fest. Die Vorinstanz hat sich damit mit den Vorbringen der Einsprecher
und heutigen Beschwerdeführenden in genügender Form auseinandergesetzt und deren
Anspruch auf rechtliches Gehör nicht verletzt.
c) Bauten, Anlagen, Reklamen, Anschriften und Bemalungen dürfen Landschaften,
Orts- und Strassenbilder nicht beeinträchtigen (Art. 9 Abs. 1 BauG). Diese Vorschrift stellt
die „ästhetische Generalklausel“ im Sinne eines allgemeinen Beeinträchtigungsverbots dar.
Eine Beeinträchtigung liegt vor, wenn ein Bauvorhaben einen Gegensatz zur bestehenden
Überbauung schafft, der erheblich stört. Sie umfasst neben dem Schutz der Ortsbilder und
Landschaften in ihrer Gesamtheit auch den Schutz ihrer einzelnen Teile, also des Quartier-
und Strassenbildes, einzelner Bauten und Anlagen, Plätze, Durchgänge, Innenhöfe sowie
der für Ortsbild und Landschaft wesentlichen Alleen, Baumgruppen, Einzelbäume, Hecken
usw.64
60 Merkli/Aeschlimann/Herzog, a.a.O., Art. 52 N. 6 f. mit weiteren Hinweisen. 61 BVR 1993 S. 339 ff. 62 BGE 126 I 97 E. 2b, 112 Ia 109; BVR1994 S. 401. 63 VGE 12302/21303 vom 26.9.2002 E. 2 d/dd. Zum Ganzen: vgl. Aldo Zaugg/Peter Ludwig, a.a.O., Art. 38/39 N.19. 64 Aldo Zaugg/Peter Ludwig, a.a.O., Art. 9/10 N. 2
23
Die Gemeinden dürfen eigene Ästhetikvorschriften erlassen, die über die kantonalen Vor-
schriften hinausgehen können. Derartige Vorschriften müssen, um selbständige Bedeutung
zu erlangen, konkreter gefasst sein als die Anordnungen des kantonalen Rechts, sie dürfen
Letztere nicht bloss allgemein anders formulieren.65
Das Baureglement der Stadt Langenthal enthält insbesondere folgende Bestimmungen zur
Gestaltung von Bauten und Anlagen:
«Art. 10 1 Alle Bauten und Anlagen sind so zu gestalten, dass zusammen mit den bestehenden oder vorauszuse-henden Bauten eine gute Gesamtwirkung entsteht. Sie sollen sich gut in das Orts- und Landschaftsbild und in den Strassenraum einordnen und auf erhaltenswerte Eigenarten Rücksicht nehmen. 2 Die Stadt fördert die Bestrebungen zur Erhaltung und Erneuerung schutzwürdiger Bauten und Ortsbil-der. Zu diesem Zweck kann der Gemeinderat gemäss dem Reglement über die Erhaltung und Erneue-rung schutzwürdiger Bauten und Ortsbilder Beiträge ausrichten.»
«Art. 24 1 Grundsätzlich sind alle Dachformen zulässig. 2 In Gebieten, die eine einheitliche Dachgestaltung aufweisen, kann die Baubewilligungsbehörde bei Neu- und Umbauten von Dächern eine Angleichung der Firstrichtung und Dachform verlangen. Auf histo-rische Baugruppen ist Rücksicht zu nehmen. 3 Lukarnen und Dacheinschnitte sind nur auf einer Ebene zulässig und dürfen zusammen mit Dachflä-chenfenstern und andern Dachaufbauten nicht mehr als die Hälfte der Fassadenlänge des obersten Ge-schosses aufweisen. In einer 2. Ebene des Daches sind nur Dachflächenfenster (gemessen in der Dach-fläche) und Gauben (gemessen in der Ansicht) mit je höchstens 0.54 m2 Fläche gestattet. 4 Dachaufbauten und -einschnitte sowie technische Einrichtungen auf dem Dach (z.B. zur Energiegewin-nung und Lüftung) sind in Bezug auf Detailgestaltung und Materialwahl sehr gut ins Dach einzupassen.»
Art. 10 und 24 GBR gehen weiter als Art. 9 Abs. 1 BauG; ihnen kommt daher selbständige
Bedeutung zu. Aufgrund der Systematik handelt es sich bei Art. 45 GBR um eine Gestal-
tungsvorschrift für Bauten in der Kernzone. Da das umstrittene Bauvorhaben in der Wohn-
zone liegt, ist die Vorschrift hier nicht anwendbar.
d) Der Begriff der guten Gesamtwirkung stellt einen unbestimmten kommunalen Geset-
zesbegriff dar, bei dessen Auslegung die kommunalen Behörden einen gewissen Beurtei-
lungsspielraum haben. Jedoch dürfen auch an das Erfordernis der guten Gesamtwirkung
nicht unverhältnismässig hohe Ansprüche gestellt werden. Die gute Gesamtwirkung ist we-
der an geringen noch an besonders hohen architektonischen Qualitäten zu messen. Das
bedeutet bei durchschnittlichen örtlichen Gegebenheiten, dass das Mittelmass der Umge-
bung nicht gestört werden darf und sich eine neue Baute oder Anlage an den qualitativ
65 Aldo Zaugg/Peter Ludwig, Kommentar zum Baugesetz des Kantons Bern, 3. Auflage, Band I, Bern 2007, Art.°9/10 N. 4 und 13; BVR 2009 S. 328 E. 5.2 mit Hinweisen
24
hochwertigeren Bauten und Anlagen der Umgebung zu orientieren hat.66 Gestützt auf Vor-
schriften des allgemeinen Ortsbild- und Landschaftsschutzes dürfen in der Regel Art oder
Mass der nach der Zonenordnung zulässigen Nutzung nicht eingeschränkt werden67.
Bei der Beurteilung der Frage, ob sich ein Vorhaben gut ins Ortsbild einordnet, kommt es
nicht auf ein beliebiges subjektives Empfinden oder Gefühl an. Massgebend sind objektive,
systematische Kriterien. Es ist deshalb oft unumgänglich, dass die Behörden sich das
Fachwissen von Experten zunutze machen.68
e) Die Vorinstanz hat gestützt auf Art. 22 Abs. 1 Bst. a BewD einen Fachbericht der
OLK eingeholt.69 Diesem kann entnommen werden, dass sich das Ortsbild rund um das
geplante Vorhaben als heterogen präsentiert. Die Bützbergstrasse sei eine der beiden
Hauptzugangsachsen ins Stadtzentrum. Im Strassenraum stünden verschiedene grosse
Werbeträger wie Firmenlogos, Leuchtreklamen oder Fahnen, die in der Dimension mit dem
geplanten Bauvorhaben vergleichbar seien. In der Nähe des Vorhabens habe es weder ein
Ortsbildschutzgebiet noch geschützte Baugruppen oder geschützte Bauten. Mit der Kuppel
und dem Minarett werde das bereits heute als Versammlungs- und Gebetshaus genutzte
Gebäude als solches bezeichnet. Der architektonisch anspruchslose ehemalige Gewerbe-
bau werde der neuen Nutzung entsprechend gestalterisch angepasst. Die Kuppel und das
Minarett seien von der Bützbergstrasse zurückversetzt und träten im Strassenraum nicht
auffällig in Erscheinung. Da das Ortsbild bereits heute durch unterschiedlichste Bautypolo-
gien, Baustile und Architekturelemente geprägt sei, werde es durch die Kuppel und das
Minarett nicht beeinträchtigt. Die OLK kam deshalb zum Schluss, dass der Bewilligung aus
Sicht des Ortsbildschutzes nichts im Wege stehe.
Die BVE konnte sich am Augenschein davon überzeugen, dass das fragliche Ortsbild hete-
rogen ist und keine besonderen Qualitäten aufweist. Das Quartierbild weist im fraglichen
Bereich keinen besonderen Wert auf. Eine einheitliche Dachgestaltung ist nicht vorhanden.
An das Erfordernis der guten Gesamtwirkung dürfen daher keine hohen Anforderungen
gestellt werden. Es ist nicht umstritten, dass das Minarett und die Kuppel von den Quar-
tierstrassen und der Hauptstrasse aus gesehen werden können. Diese Tatsache sagt je-
66 Aldo Zaugg/Peter Ludwig, Kommentar zum Baugesetz des Kantons Bern, 3. Auflage, Band I, Bern 2007, Art. 9/10 N. 5; BVR 2009 S. 329 E. 5.3, BVR 2006 S. 491 E. 6.3.1 67 Aldo Zaugg/Peter Ludwig, Kommentar zum Baugesetz des Kantons Bern, 3. Auflage, Band I, Bern 2007, Art. 9/10 N. 15 mit Hinweisen 68 Aldo Zaugg/Peter Ludwig, a.a.O., Art. 9/10 N. 8 69 Fachbericht der OLK-Gruppe Emmental-Oberaargau vom 15. September 2006, Vorakten pag. 274 f.
25
doch nichts darüber aus, ob sie sich gut in das Quartierbild einordnen oder nicht. Auch der
Umstand, dass sie neue, eher exotisch anmutende Elemente darstellen, macht sie nicht
von vornherein zu ortsbildunverträglichen Dachaufbauten. Es kommt viel mehr darauf an,
wie sie aufgrund ihrer konkrete Ausgestaltung wirken. Diese ist nach der Beurteilung der
Vorinstanz eher schlicht und verändert das Erscheinungsbild des Quartiers nicht wesent-
lich. Die BVE kann sich daher der Auffassung der fachkundigen OLK und der für die Aus-
legung der Gemeindevorschriften zuständigen Vorinstanz anschliessen, wonach die Dach-
aufbauten ortsbildverträglich sind.
9. Autoabstellplätze
a) Die Beschwerdeführenden machen geltend, das Parkplatzangebot sei unzureichend.
Im ursprünglichen Parkplatznachweis würden 19 Parkplätze ausgewiesen. Im Betriebskon-
zept spreche die Beschwerdegegnerin lediglich von 18 Parkplätzen. Bei Veranstaltungen
komme es im gesamten Quartier immer wieder zu geradezu chaotischen Verhältnissen,
wobei auch private Parkplätze oder Einfahrten widerrechtlich beansprucht würden. Die Be-
schwerdegegnerin versäume es nachzuweisen, dass sie die im Betriebskonzept erwähnten
zusätzlichen Parkplätze benutzen dürfe. Baueingabeplan und Parkplatznachweisplan wür-
den nicht übereinstimmen. Insbesondere könne auf der Nordseite des Gebäudes 101a we-
gen der geplanten Rampe mit Treppe der Parkplatz Nr. 17 nicht realisiert werden. Auf der
Südseite des Gebäudes seien Eingänge geplant, deren Türen sich nach aussen öffnen
lassen müssten. Die Parkplätze vor diesen Türen (Nr. 1 und 3 bzw. 4) könnten daher nicht
benutzt werden. Zumindest die Parkplätze auf der Ostseite würden nicht den Normen und
Vorgaben des Schweizerischen Verbands der Strassen- und Verkehrsfachleute (VSS) ent-
sprechen. Eine sorgfältige Analyse der Pläne zeige somit auf, dass die von der Vorinstanz
errechnete minimal erforderliche Parkplatzzahl von 16 Autoabstellplätzen sowohl aus tat-
sächlichen als auch aus rechtlichen Gründen nicht zur Verfügung gestellt werden könne.
Zudem genüge der Minimalbedarf von 16 Parkplätzen nicht.
b) Wird durch die Erstellung, die Erweiterung, den Umbau oder die Zweckänderung von
Bauten und Anlagen ein Parkplatzbedarf verursacht, so ist dafür auf dem Grundstück oder
in seiner Nähe eine ausreichende Anzahl von Abstellplätzen für Motorfahrzeuge, Fahrräder
und Motorfahrräder zu errichten (Art. 16 Abs. 1 BauG). Die Eigentümer bestehender Bau-
ten und Anlagen können verpflichtet werden, nachträglich eine ausreichend Zahl von Ab-
26
stellplätzen zu schaffen, wenn es die Verhältnisse erfordern und erlauben und die Kosten
zumutbar sind (Art. 16 Abs. 2 BauG).
Die Anzahl der Abstellplätze für Motorfahrzeuge und Fahrräder sind gestützt auf Art. 49 ff.
BauV70 zu ermitteln. Die Anzahl der Abstellplätze wird durch eine Bandbreite begrenzt; in-
nerhalb dieser Bandbreite legt die gesuchstellende Partei die Anzahl fest (Art. 50 Abs. 1
BauV). Die Bandbreite umfasst insbesondere die Abstellplätze für die Motorfahrzeuge der
Beschäftigten, der Besucher und der Behinderten (Art. 50 Abs. 2 BauV). Für die Nicht-
wohnnutzung berechnet sich die Bandbreite grundsätzlich nach Art. 52 Abs. 1 BauV. Ist ei-
ne Nutzung nicht geregelt, ist die Bandbreite nach der voraussichtlichen Anzahl der Ar-
beitsplätze, der erwarteten Besucher oder einer anderen, zweckmässigen Bemessungs-
grundlage festzusetzen. Die Normen der VSS können ergänzend beigezogen werden
(Art. 52 Abs. 4 BauV).
Für Fahrräder und Motorfahrräder ist mindestens die gestützt auf Art. 54a Abs. 1 BauV be-
rechnete Anzahl Abstellplätze zu erstellen. Die Abstellplätze sind so anzulegen, dass sie
auf kurzem und sicherem Weg erreicht werden können. Wenigstens die Hälfte ist zu über-
dachen (Art. 54a Abs. 2 BauV).
In den Baugesuchsakten fehlt eine nachvollziehbare Parkplatzberechnung. Auch eine Be-
rechnung der anrechenbaren Bruttogeschossfläche (BGF) im Sinne von Art. 93 BauV liegt
nicht vor. Gemäss Baugesuch beträgt die bisherige BGF 562.95 m2 und die neue
BGF 572.96 m2. Die Vorinstanz berechnet die erforderliche Anzahl Autoabstellplätze dem-
gegenüber gestützt auf eine BGF von insgesamt 684 m2. Dabei weist sie eine BGF von
99 m2 der Nutzung „Arbeiten, Gewerbe, Dienstleistung“ und eine BGF von 585 m2 der Nut-
zung „Einkaufen, Freizeit, Kultur“ zu. Da diese Zahlen von keiner Seite bestritten werden,
stützt sich die BVE für die Beurteilung darauf ab. Welche Räume zu welcher Kategorie ge-
hören, wird im Entscheid zwar nicht dargelegt, die BVE geht aber davon aus, dass sich die
BGF vom 99 m2 auf das Colorama und die BGF von 585 m2 auf die Kultus- und Vereins-
nutzung bezieht. Warum die Vorinstanz ein Geschäft, das Farben und Lacke verkauft, der
Nutzung „Arbeiten, Gewerbe, Dienstleistung“ und nicht der Nutzung „Einkaufen, Freizeit,
Kultur“ zuweist, ist nicht nachvollziehbar. Würde man die gesamte BGF der Nutzung „Ein-
kaufen, Freizeit, Kultur“ zuweisen, würde die Bandbreite zwischen 18 und 32 Autoabstell-
70 Bauverordnung vom 6. März 1985 (BauV; BSG 721.1)
27
plätze betragen. Ob der Minimalbedarf 16 oder 18 Abstellplätze beträgt, kann offen gelas-
sen werden, da das nicht entscheidrelevant ist.
c) Die Vorinstanz und die Beschwerdegegnerin sind der Auffassung, dass genügend
Autoabstellplätze vorhanden sind. Gemäss Baugesuch hat es 18, gemäss Parkplatznach-
weis 19, bestehende Parkplätze. In ihrer Beschwerde ans Verwaltungsgericht spricht die
Beschwerdegegnerin sogar von 20 bewilligten Parkplätzen. Die Beschwergegnerin ist der
Auffassung, dass vier Parkplätze vor den Garagen sowie vier Parkplätze auf der Nordseite
und 12 Parkplätze auf der Ostseite des Gebäudes bewilligt sind. Zumindest sei auf dem
ganzen Umschwung eine Nutzung als Abstellplatz bewilligt. Sie beruft sich daher auf die
Besitzstandsgarantie nach Art. 3 BauG.
Aus den Baugesuchsunterlagen geht nicht hervor, welche Parkplätze bereits bestehend
und bewilligt sind und welche neu hinzukommen. Laut Art. 13 Bst. g BewD soll der Situati-
onsplan Aufschluss über die Zufahrt, die Abstellplätze für Fahrzeuge und, wo vorgeschrie-
ben (Art. 22 Abs. 2 und 23 BauG), den rollstuhlgängigen Zugang geben. Der Situationsplan
erfüllt diese Anforderungen nicht. Die BVE gab der Beschwerdegegnerin daher Gelegen-
heit, einen verbesserten Situationsplan einzureichen, aus dem insbesondere die Masse
(zahlenmässige Angabe der Länge und Breite) der Parkplätze klar ersichtlich sind und aus
dem hervorgeht, welche Parkplätze auf der Parzelle Nr. 4927 bewilligt und bestehend sind
(mit schwarzen Linien) und welche neu hinzukommen oder verändert werden (rote Linien).
Die Beschwerdegegnerin verzichtete darauf, die Parkplätze im Situationsplan einzuzeich-
nen und eine Projektänderung für die Parkplatzfeldanordnung einzureichen.
Die BVE holte bei der Vorinstanz die vorhandenen Akten betreffend die Bewilligung von
Abstellplätzen für Motorfahrzeuge auf der Parzelle Nr. 4927 ein. Die Baugesuchsakten für
das Wohn- und Geschäftshaus Bützbergstrasse 101 sind offenbar nicht mehr vorhanden
Das erste Dossier (Nr. 3175) betrifft ein Projektänderungsgesuch vom 12. Juni 1959 für
das sich im Bau befindliche Gebäude. Danach werden an das im Bau befindliche Mehrfa-
milienhaus vier Einstellräume für Personenwagen angebaut. Die im Kellergeschoss des
Anbaus vorgesehenen drei Einstellräume werden weggelassen und in einen Abstellraum
umgewandelt. Weitere Parkplätze sind in diesem Baubewilligungsverfahren weder bean-
tragt, noch bewilligt worden. Das zweite Dossier (Baukontroll-Nr. 7309) betrifft die Einrich-
tung eines Clublokals für eine Fussballmannschaft. Weder das Baugesuch vom 16. Januar
1989 noch die von der Baukommission Langenthal am 12. April 1989 gestempelten bewil-
28
ligten Pläne enthalten Angaben zu bereits bestehenden oder neu zu bewilligenden Park-
plätzen. Sowohl dem Leitblatt für die materielle Prüfung von Baugesuchen71 als auch der
Baubewilligung vom 14. Juni 1990 (Ziff. 2 der Erwägungen) 72 kann entnommen werden,
dass das Bauvorhaben vier Parkplätze erforderte. Da das Clublokal nur abends und über
das Wochenende offen war, betrachtete die Baubewilligungsbehörde die „ausreichend vor-
handenen bestehenden Autoabstellplätze im Sinne einer Mehrfachnutzung“ als genügend.
In den Akten befindet sich zwar eine Kopie des Situationsplans, in der insgesamt 16 Park-
plätze eingezeichnet sind, ob diese jemals bewilligt wurden, ist jedoch unbekannt. Das drit-
te Dossier (Baukontroll-Nr. 8245) betrifft die Nutzungsänderung von Büroräumen in einen
Gebetsraum. Weder das undatierte Baugesuch73 noch der von der Bauverwaltung Langen-
thal am 29. Juni 1994 gestempelte Situationsplan enthalten Angaben zu bereits bestehen-
den oder neu zu bewilligenden Parkplätzen. Dem Bauentscheid vom 4. Juli 1994 kann ent-
nommen werden, dass die Parkierung beim Güterbahnhof vorgesehen sei. Da kein grosser
Publikumsverkehr zu erwarten sei, könne auf ein Parkierungskonzept verzichtet werden.74
Im Ergebnis steht fest, dass eine formelle Baubewilligung für 16 oder gar 20 Parkplätze
nicht aktenkundig ist.
Bis zum Inkrafttreten des BauG 197075 bestand das bernische Baurecht fast ausschliess-
lich aus Gemeinderecht. Die Gemeinden waren ermächtigt, im Interesse des Verkehrs, der
Gesundheit, der Feuersicherheit, der soliden Erstellung und Instandhaltung von Bauten
sowie zur Verhütung von Verunstaltungen Vorschriften zu erlassen.76 Da das erste Bau-
regelement der Stadt Langenthal von 1962 stammt, ist es durchaus möglich, dass das
Erstellen von Parkplätzen im Zeitpunkt der Bewilligung des Wohn- und Geschäftshauses
an der Bützbergstrasse 101 Ende der 50iger Jahre nicht bewilligungspflichtig war. Auf kan-
tonaler Ebene brachte das SBG77 die ausdrückliche Bewilligungspflicht für Ein- und Aus-
fahrten (Art. 59 und Art. 71 SBG) sowie die Verpflichtung, die erforderlichen Parkplätze zu
schaffen (Art. 70 Abs. 1 SBG). Seit Inkrafttreten des BauG 1970 ist das Erstellen von Park-
plätzen baubewilligungspflichtig.78 Selbst wenn das Erstellen von Parkplätzen im Zeitpunkt
der Bewilligung des Wohn- und Geschäftshauses noch nicht baubewilligungspflichtig war
und der Umschwung des Gebäudes zulässigerweise zum Abstellen von Motorfahrzeugen
71 Baugesuchsakten Baukontroll-Nr. 7309, pag. 039 72 Baugesuchsakten Baukontroll-Nr. 7309, pag. 012 73 Baugesuchsakten Baukontroll-Nr. 8245, pag. 059 74 Baugesuchsakten Baukontroll-Nr. 8245, pag. 055 75 Baugesetz vom 7. Juni 1970 (BauG 1970) 76 Aldo Zaugg, Kommentar zum Baugesetz des Kanton Bern vom 7. Juni 1970, Einleitung N. 2 f. 77 Gesetz vom 2. Februar 1964 über Bau und Unterhalt der Strassen (Strassenbaugesetz, SBG) 78 Aldo Zaugg, a.a.O., Art. 1 N. 9
29
genutzt wurde, folgt daraus weder eine Bewilligung noch eine Bestandesgarantie für eine
bestimmte Anzahl Abstellplätze.
Die Besitzstandsgarantie besteht nur, soweit die bisherige Nutzung weitergeführt wird. Wie
in Erwägung 3 ausgeführt, plant die Beschwerdegegnerin eine neubauähnliche Umgestal-
tung des bestehenden Gebäudes und eine Neukonzeption als Kultus- und Begegnungs-
zentrum. Dieses hat daher in vollem Umfang dem geltenden Recht zu entsprechen. Das
gilt insbesondere für die Anzahl und Anordnung der Abstellplätze sowie für die Verkehrssi-
cherheit des Strassenanschlusses. Zudem schützt die Besitzstandsgarantie nicht die Nut-
zung als solche, sondern nur die für die Nutzung getätigte Investition. Die widerrechtlich
gewordene Nutzung ist somit nur insoweit geschützt, als bei ihrer Aufgabe oder Änderung
eine wesentliche bauliche Investition preisgegeben werden müsste. Das ist nicht der Fall
beim blossen Ablagern von Gegenständen und Stationieren von Fahrzeugen.79 Zudem gilt
im Verhältnis zwischen öffentlichen Strassen und dem benachbarten Grundeigentum die
Besitzstandsgarantie nur eingeschränkt. Wenn es die Verkehrssicherheit erfordert, müssen
Bauten und Anlagen angepasst werden (Art. 84 SG80). Selbst wenn der ganze Umschwung
grundsätzlich als Parkplatz genutzt werden dürfte, müssten die einzelnen Parkfelder und
die Ausfahrt auf die öffentlichen Strassen dem geltenden Recht entsprechen.
d) Nach Art. 21 Abs. 1 BauG sind Bauten und Anlagen so zu erstellen, zu betreiben und
zu unterhalten, dass weder Personen noch Sachen gefährdet werden. Bei der Erstellung
von Bauten und Anlagen sind die anerkannten Regeln der Baukunde einzuhalten. Perso-
nen und Sachen dürfen weder durch den Bauvorgang noch durch den Bestand oder Be-
treib von Bauten und Anlagen gefährdet werden (Art. 57 Abs. 1 BauV). Nach Art. 85 Abs. 1
SG bedürfen Zugänge, Zufahrten, Weganschlüsse und Einmündungen aller Art auf öffentli-
che Strassen, ihre Erweiterung und gesteigerte Benutzung der Bewilligung des zuständi-
gen Gemeinwesens. Dabei ist vorab zu beachten, dass die Verkehrssicherheit nicht beein-
trächtigt werden darf (Art. 73 Abs. 1 SG). Für die Beurteilung der Verkehrssicherheit und
der minimalen Abmessung von Parkfeldern können die einschlägigen Normen der Vereini-
gung Schweizerischer Strassenfachleute (VSS) herangezogen werden.81 Für die Bestim-
mung der Sichtweiten von privaten Ausfahrten in öffentliche Strassen sind die Normen VSS
SN 630 050 (Grundstückzufahrten) und VSS SN 640 273 (Sichtverhältnisse Knoten)
79 Aldo Zaugg/Peter Ludwig, a.a.O., Art. 3 N. 2a 80 Strassengesetz vom 4. Juni 2008 (SG; BSG 732.11) 81 Vgl. auch Aldo Zaugg/Peter Ludwig, Kommentar zum Baugesetz des Kantons Bern, 3. Aufl., Band I, Bern 2007, Art. 21 N.7
30
massgebend, für die Anordnung und Geometrie der Parkierungsanlagen ist auf die Norm
VSS SN 640 291a abzustellen.
Im vorliegenden Fall müssten die Senkrechtparkfelder mindestens eine Breite von 2.35 m
und eine Länge von 5.00 m aufweisen.82 Wie die Messungen anlässlich des Augenscheins
gezeigt haben, genügen die markierten Parkplätze auf der Süd- und Ostseite des Gebäu-
des diesen Anforderungen nicht. Die drei Parkplätze auf der Südseite sind mit einer Breite
von 2.20 m zu schmal, zumindest der strassennächste Parkplatz (Nr. 19) ist mit 4.50 m bis
zum Trottoirrand zu kurz. Es ist daher fraglich, ob auf der Südseite mehr als zwei normen-
konforme Parkplätze erstellt werden können. Die markierten 11 Parkplätze auf der Ostseite
weisen zwar mit 2.53 m eine genügende Breite auf, sie sind aber mit 4.15 m Länge bis zum
Trottoirrand deutlich zu kurz. Ob auf dieser Seite 12 Parkplätze mit normenkonformer Brei-
te möglich sind, ist fraglich, da diese eine Gesamtlänge von mindestens 29.1 m aufweisen
müssten (inklusive Breite des freizuhaltenden Fluchtweges bei der Fluchttreppe). Mögli-
cherweise könnten auf der Ostseite normenkonforme Schräg- oder Längsparkfelder ange-
ordnet werden. Allerdings könnten in diesem Fall deutlich weniger Parkplätze erstellt wer-
den.
Wie der Strasseninspektor am Augenschein ausgeführt hat, gibt es bei den Parkfeldern auf
der Ostseite ein weitaus grösseres Problem als die Dimensionierung der Parkfelder: Aus
Sicht der Verkehrssicherheit ist es problematisch, rückwärts über das Trottoir in eine Stras-
se zu fahren. Die Chasseralstrasse ist relativ stark befahren, da sie unter anderem zum
Güterbahnhof führt. Die zulässige Maximalgeschwindigkeit beträgt 50 km/h. Die Sichtweite
muss daher gemäss SN 640 273 mindestens 50 m betragen. Die in dieser Norm festgeleg-
ten Sichtweiten sind eine wichtige Minimalgrösse, die massgeblich zur Sicherheit aller
Strassenbenützer beiträgt. Es soll davon möglichst nicht abgewichen werden. Das Sicht-
feld ist von allen Hindernissen frei zu halten, die ein Motorfahrzeug oder ein leichtes Zwei-
rad verdecken könnten. Dies gilt nicht nur für Pflanzenwuchs, sondern auch für parkierte
Fahrzeuge. In der Regel genügt es, wenn das Sichtfeld zwischen 0.6 m und 3.0 m über die
Fahrbahnebene hindernisfrei ist.83 Es liegt auf der Hand, dass die nötige Sichtweite in Rich-
tung Bützbergstrasse nur dann gewährleistet ist, wenn sich auf dem Parkfeld auf der rech-
ten Seite kein anderes Fahrzeug befindet, dass die Sicht behindert.
82 SN 640 291a, Tab. 3 Minimale Abmessungen der Schräg- und Senkrechtparkfelder in Abhängigkeit der Kom-fortstufen, S. 13 83 Vgl. Ziffer 5 der VSS SN 640 273
31
Die Parkplätze auf der Nordseite sind ebenfalls nicht normenkonform. Gemäss SN 640 050
(Grundstückzufahrten) darf die Längsneigung auf den ersten 5 m im Anschlussbereich der
Strasse höchstens 8 % betragen. Das gleiche gilt für den Gefällsknick von der Fahrbahn
zur Zufahrt. Im vorliegenden Fall weist die Rampe gemäss den Projektplänen ein Gefäll
von 18 % auf. Die Zufahrt von diesen Parkplätzen auf die Strasse erfüllt die Anforderungen
an die Verkehrssicherheit nicht und kann daher nicht bewilligt werden. Allfällige Parkplätze
auf der Nordseite müssten daher als Längsparkfelder ausgestaltet werden. Dies wäre mit
weiteren baulichen Massnahmen verbunden.
Im Ergebnis steht fest, dass die Parkierung nicht dem geltenden Recht entspricht. Es ist
zudem fraglich, ob auf dem Baugrundstück genügend normenkonforme Parkplätze erstellt
werden können.
f) Eine Berechnung der erforderlichen Zahl Abstellplätze für Fahrräder und Motorfahr-
räder fehlt in den Akten. Je nach dem, welcher Nutzung das Colorama zugewiesen ist, be-
trägt die Mindestanzahl nach Berechnung der BVE 20 (d.h. zwei Abstellplätze für das Colo-
rama und 18 Abstellplätze für die Vereins- und Kultusnutzung) oder 21 Abstellplätze. Aus-
gewiesen sind bloss 11 Abstellplätze für Fahrräder und Motorfahrräder. Überdeckte Ab-
stellplätze sind keine vorgesehen. Besondere Verhältnisse, die eine derart massive Unter-
schreitung des Normbedarfes rechtfertigen würden, sind weder dargetan noch ersichtlich.
g) Zusammenfassend steht fest, dass die erforderliche Anzahl Abstellplätze für Motor-
fahrzeuge und Fahrräder nicht nachgewiesen ist. Das Parkplatzkonzept muss grundlegend
überarbeitet werden. Das gilt insbesondere für die Anzahl und Anordnung der Abstellplätze
sowie für die Verkehrssicherheit des Strassenanschlusses.
10. Ungenügende Vorkehren für Behinderte
a) Die Beschwerdeführenden machen geltend, die Beschwerdegegnerin sei dem Fach-
bericht des Vereins hindernisfreies Bauen Kanton Bern (VHBB) lediglich insoweit nachge-
kommen, als sie im überarbeiteten Parkplatznachweis einen Behindertenparkplatz ausge-
schieden hätten. Die übrigen Forderungen (rollstuhlgängige Zugänge und WC-Anlagen)
seien nicht erfüllt. Erstaunlich sei, dass die Vorinstanz diese Massnahmen lediglich als Ne-
benbestimmungen in den Gesamtentscheid aufgenommen habe, statt eine Projektände-
32
rung zu verlangen. Da sich Frauen und Männer nach islamischem Glauben getrennt von-
einander aufhalten müssten, bedürfe es zweier rollstuhlgängiger WC-Anlagen, die von al-
len Publikumsräumen aus erreichbar sein müssten. Aus dem gleiche Grund müssten auch
sämtliche Zugänge zu den getrennten Räumlichkeiten rollstuhlgängig gemacht werden.
b) Das Behindertengleichstellungsgesetz des Bundes (BehiG)84 bezweckt, Benachteili-
gungen, denen Menschen mit Behinderungen ausgesetzt sind, zu verhindern, zu verrin-
gern oder zu beseitigen (Art. 1 Abs. 1 BehiG). Unter anderem schreibt es deshalb vor, dass
öffentlich zugängliche Bauten und Anlagen einen behindertengerechten Zugang haben
müssen, sofern nach Inkrafttreten des BehiG eine Bewilligung für den Bau oder die Erneu-
erung der öffentlich zugänglichen Bereiche erteilt wird (Art. 3 Bst. a in Verbindung mit Art. 2
Abs. 3 BehiG). Weitergehende Bestimmungen der Kantone zu Gunsten der Menschen mit
Behinderungen sind zulässig, sie werden im Behindertengleichstellungsgesetz explizit vor-
behalten (Art. 4 BehiG).
Der bernische Gesetzgeber hat in Art. 22 und 23 BauG Bestimmungen zum hindernisfreien
Bauen aufgestellt. Für alle Bauten und Anlagen gilt Art. 22 BauG; diese Norm bestimmt,
dass alle Bauten und Anlagen nach Möglichkeit so zu gestalten sind, dass ihre Benützung
auch den Behinderten offen steht. Für Bauten und Anlagen mit Publikumsverkehr sieht
Art. 23 BauG weitergehende Massnahmen vor. So muss der Zugang von der Strasse zu
den Publikumsräumen rollstuhlgängig gestaltet werden (Art. 23 Abs. 1 Bst. a BauG). Zu-
dem sind Abstellplätze für Motorfahrzeuge der Behinderten vorzusehen und als solche zu
bezeichnen (Art. 23 Abs. 1 Bst. b BauG). Weiter ist bei der baulichen Gestaltung der für
das Publikum bestimmten Gebäudeteile auf die Bedürfnisse behinderter Gebäudebenützer
Rücksicht zu nehmen. Bestehende Publikumsbauten sind bei ihrer Erneuerung oder bei
wesentlichen Umbauten entsprechend anzupassen, sofern nicht unverhältnismässige Kos-
ten entstehen und keine überwiegenden Interessen (Ortsbildschutz, Denkmalpflege) ent-
gegenstehen (Art. 23 Abs. 3 BauG). Diese Vorschriften werden in den Art. 85 ff. BauV nä-
her ausgeführt. Zudem sind die Empfehlungen der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion
(JGK) über Vorkehren für Behinderte im Hochbau und im Strassenbau zu beachten (Art. 85
Abs. 3 BauV).
84 Bundesgesetz vom 13. Dezember 2002 über die Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Be-hinderungen (Behindertengleichstellungsgesetz, BehiG; SR 151.3).
33
c) Da nach den von der Vorinstanz bewilligten Projektplänen die Publikumsräume nicht
rollstuhlgängig erschlossen waren, gab die BVE der Beschwerdegegnerin Gelegenheit, ei-
ne Projektänderung einzureichen. Mit Eingabe vom 7. Mai 2010 reichte die Beschwerde-
gegnerin neue Pläne ein (Eingangsstempel Rechtsamt BVE vom 10. Mai 2010). Sie führte
aus, mit Ausnahme des grossen Versammlungsraums (Gebetsraum) werde die gesamte
Baute entsprechend dem Fachbericht des VHBB ausgestaltet. Dies habe zur Folge, dass
die Anordnung und Ausgestaltung der Nasszellen geändert werden müsse. Der grosse
Versammlungsraum diene ausschliesslich dem islamischen Gottesdienst und damit primär
dem Gebet. Nach den Vorschriften des Korans müssten Muslime vor dem Betreten einer
Moschee oder eines Gebetsraums die Schuhe ausziehen. Diese religiöse Vorschrift sei
streng zu befolgen. Sie habe einerseits einen rituellen Hintergrund und sei andererseits ei-
ne notwendige und sinnvolle Hygienemassnahme. Die Schuhe müssten ausserhalb des
Gebetsraumes bleiben, damit kein Schmutz eingeschleppt werde. Aus dem gleichen Grund
dürften keine Rollstühle in den Versammlungssaal gebracht werden. Selbstverständlich
könnten gehbehinderte Muslime am Gebet teilnehmen. Es sei eine religiöse Pflicht jedes
gläubigen Muslims, einen gehbehinderten Glaubensgenossen in den Gebetsraum hinein-
zutragen. Dort stehe ihm eine besondere Sitzgelegenheit an einem privilegierten Standort
zur Verfügung.
Laut Art. 43 Abs. 1 und 2 BewD85 können die Baugesuchsteller während der Hängigkeit ei-
nes Baubewilligungsverfahrens oder eines nachfolgenden Beschwerdeverfahrens vor der
BVE eine Projektänderung einreichen, ohne dass deshalb ein neues Baubewilligungsver-
fahren eingeleitet werden muss. Erfolgt die Projektänderung im Beschwerdeverfahren, sind
die Gemeinde, die Gegenpartei und die von der Projektänderung berührten Dritten anzuhö-
ren. Das Projekt ist in den Grundzügen gleichgeblieben und es werden keine Interessen
zusätzlich berührt. Das geänderte Bauprojekt tritt an die Stelle des ursprünglichen Pro-
jekts.86
d) Wie den Projektänderungsplänen entnommen werden kann, befinden sich die Haupt-
eingänge zu den Kultusräumen im Untergeschoss des heutigen Garagenanbaus. Ein-
gang 1 führt in den Eingangsbereich und zu den Nasszellen der Männer, Eingang 2 führt in
den Eingangsbereich und zu den Nasszellen der Frauen. Vom Eingangsbereich der Män-
ner führt eine Treppe entlang der Südfassade hinunter in das Untergeschoss des Gewer-
85 Dekret vom 22. März 1994 über das Baubewilligungsverfahren (Baubewilligungsdekret, BewD; BSG 725.13). 86 Aldo Zaugg/Peter Ludwig, a.a.O., Art. 32 N. 13c
34
bebaus. Bei dieser Treppe soll ein behindertengerechter Plattformtreppenlift installiert wer-
den. Im Untergeschoss des Gewerbebaus befinden sich drei Toiletten. Eine ist rollstuhl-
gängig. Dort befinden sich drei WCs und eine Dusche. Am Ende des Ganges befindet sich
eine Türe, die in den Eingangsbereich 3 führt. Von dort aus gelangt man in den Versamm-
lungsraum. Vom Eingangsbereich der Männer führt eine zweite Treppe entlang der Nord-
fassade hinauf in den Gebetsraum der Männer. Bei dieser Treppe soll ein behindertenge-
rechter Sitzlift installiert werden. Vom Eingangsbereich der Frauen führt eine Treppe hinauf
in den Gebetsraum der Frauen. Hier sind keine behindertengerechten Massnahmen vorge-
sehen. Der Gebetsraum der Frauen ist daher für Rollstuhlfahrerinnen vom Eingangsbe-
reich aus nicht zugänglich.
Laut Art. 86 Abs. 1 BauV gilt der Zugang zu einem Gebäude oder zu einer Anlage als roll-
stuhlgängig, wenn er eine ohne wesentlichen Widerstand befahrbare Oberfläche besitzt,
nicht mehr als 6 % Steigung und keine Stufen oder Schwellen aufweist; vorbehalten bleibt
der Einbau von Liften oder von Hebevorrichtungen für Rollstuhlfahrende. Zu den Eingän-
gen 1 und 2 auf der Südseite des Untergeschosses führt eine Rampe mit einer Steigung
von 18 % (vgl. Erwägung 9 e). Der Zugang zu diesen beiden Eingängen ist daher offen-
sichtlich nicht rollstuhlgängig. Beim Fluchtweg auf der Südseite des Gebäudes ist ein be-
hindertengerechter Plattformtreppenlift geplant. Diese Lösung entspricht an sich den Vor-
schriften, da der Vorplatz hier mehr oder wenig eben ist. Allerdings führt diese Fluchttüre
laut den Plänen direkt in den Gebetsraum der Männer, wo gemäss Angaben der Be-
schwerdegegnerin Rollstühle nicht erlaubt sind. Zudem muss davon ausgegangen werden,
dass dieser Zugang Frauen nicht offensteht. Selbst wenn dieser Zugang den Frauen of-
fensteht, kann den Plänen nicht entnommen werden, wie sie in ihren Gebetsraum gelan-
gen. Im Plan Erdgeschoss ist zwar auf der linken Seite der Fluchttüre eine kurze, als
Fluchtweg bezeichnete Treppe mit Sitzlift eingezeichnet, die möglicherweise vom Gebets-
raum der Männer in den Raum der Frauen führen könnte. Da die Treppe im Querschnitt
nicht eingezeichnet ist, kann allerdings nicht nachvollzogen werden, wohin sie führt.
Unklar ist auch die rollstuhlgängige Erschliessung des Versammlungsraumes im Unterge-
schoss. Die Aussentreppe, die zum Eingang 3 im Untergeschoss führt, verfügt nicht über
einen Treppenlift. Während vom Eingangsbereich der Männer eine rollstuhlgängige Zu-
gangsmöglichkeit über einen Plattformtreppenlift besteht, steht den Frauen, soweit aus den
Plänen ersichtlich, kein rollstuhlgängiger Zugang zum Versammlungsraum im Unterge-
schoss offen.
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e) Zusammenfassend steht fest, dass mit der Projektänderung nicht hinreichend nach-
gewiesen worden ist, dass das Vorhaben behindertengerecht erschlossen ist. Zu den
Haupteingängen führt keine rollstuhlgängige Rampe. Für die Männer ist das Gebäude nur
dann rollstuhlgängig, wenn sie entgegen den Ausführungen der Beschwerdegegnerin in ih-
rer Eingabe vom 7. Mai 2010 über die Fluchttüre an der Südfassade mit dem Rollstuhl di-
rekt von der Strasse in den Gebetsraum fahren dürften. Selbst wenn dieser Zugang auch
den Frauen offenstünde und von dort aus ein Treppenlift in den Gebetsraum der Frauen
führen würde, hätten sie keinen Zugang zu ihren Nasszellen. Ebenso wenig haben die
Frauen einen rollstuhlgängigen Zugang zum Versammlungsraum im Untergeschoss. Das
Vorhaben entspricht daher Art. 23 BauG nicht. Bei diesem Ergebnis kann offen gelassen
werden, ob der Einbau der Treppenlifte aus feuerpolizeilicher Sicht zulässig wäre oder
nicht.87
11. Ausnützungsziffer
a) In der Wohnzone W3 beträgt das zulässige Mass der Ausnützung 0.65 (Art. 26 in
Verbindung mit Art. 31 GBR). Die Ausnützungsziffer (AZ) ist die Verhältniszahl zwischen
der anrechenbaren Bruttogeschossfläche (BGF) und der anrechenbaren Landfläche
(Art. 93 Abs. 1 BauV). Als anrechenbare BGF gilt die Summe aller dem Wohnen oder dem
Gewerbe dienenden oder hierfür verwendbaren ober- und unterirdischen Geschossflächen
einschliesslich der Mauer- und Wandquerschnitte (Art. 93 Abs. 2 BauV).
b) Laut Baugesuch beträgt die anrechenbare BGF nach dem Umbau 572.96 m2, die an-
rechenbare Landfläche 656 m2. Die Ausnützungsziffer wird mit 0.65 angegeben. Da die
Vorinstanz im angefochtenen Entscheid von einer höheren anrechenbaren BGF ausgeht
(684 m2), sieht sich die BVE veranlasst, die AZ zu überprüfen. Wird die AZ gestützt auf die
Angaben der Beschwerdegegnerin berechnet, ergibt das einen Wert von 0.87. Nimmt man
die BGF gemäss Berechnung der Vorinstanz, beträgt die AZ sogar 1.04. Die AZ wird also
massiv überschritten.
87 Vgl. dazu Brandschutz-Erläuterungen der Gebäudeversicherung des Kantons Bern (GVB), Einbau Treppen-liste, BSE 3 Stand 01/2007, abrufbar unter http://www.gvb.ch/gvb/de/sichern/brandschutz/gesetze_und_vor-schriften.html
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12. Zusammenfassung
a) Im Ergebnis steht fest, dass das Vorhaben der Beschwerdegegnerin in verschiede-
nen Punkten nicht den massgebenden öffentlichrechtlichen Vorschriften entspricht. Es ist
zwar zonenkonform und hält die Lärmschutzvorschriften ein. Die geplanten Dachaufbauten
sind zulässig und ortsbildverträglich. Es sind aber weder genügend vorschriftskonforme
und verkehrssichere Abstellplätze für Motorfahrzeuge und Fahrräder nachgewiesen noch
entspricht das Vorhaben den Anforderungen des behindertengerechten Bauens. Zudem
wird die AZ massiv überschritten. Das Vorhaben ist daher nicht vollumfänglich bewilli-
gungsfähig.
b) Umfasst ein Baugesuch mehrere, voneinander trennbare Vorhaben, so ergibt sich
bereits gestützt auf das Verhältnismässigkeitsprinzip, dass die bewilligungsfähigen Teile zu
bewilligen und lediglich den nicht bewilligungsfähigen Teilen der Bauabschlag zu erteilen
ist. Da das Vorhaben aus verschiedenen, voneinander unabhängig realisierbaren Elemen-
ten besteht, ist zu prüfen, ob es zumindest teilweise bewilligt werden kann. Das Minarett
und die Kuppel sind für sich allein betrachtet zulässig. Ihre Erstellung hat weder Einfluss
auf die AZ noch auf die Abstellplätze. Die beiden Dachaufbauten stellen auch keine neu-
bauähnliche Umgestaltung dar und ziehen keine Pflicht nach sich, die Publikumsräume
den Vorschriften über die Vorkehren für Behinderte anzupassen. Aus diesem Grund wird
die Bewilligung für das Minarett und die Kuppel bestätigt. Im Übrigen wird die Beschwerde
gutgeheissen und dem Vorhaben der Bauabschlag erteilt.
13. Kosten
a) Die Verfahrenskosten im Beschwerdeverfahren bestehen aus einer Pauschalgebühr.
Für besondere Untersuchungen, Gutachten und dergleichen können zusätzliche Gebühren
erhoben werden (Art. 103 Abs. 1 VRPG). Die Pauschalgebühr wird festgesetzt auf
Fr. 2’400.00 (Art. 103 Abs. 2 VRPG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 2
GebV88). Für den Augenschein vom 27. Oktober 2009 wird eine zusätzliche Gebühr von
Fr. 300.00 erhoben (Art. 20 Abs. 1 GebV). Die Verfahrenskosten im Beschwerdeverfahren
betragen somit Fr. 2’700.00.
88 Verordnung vom 22. Februar 1995 über die Gebühren der Kantonsverwaltung (Gebührenverordnung, GebV; BSG 154.21)
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Nach Art. 108 Abs. 1 VRPG werden die Verfahrenskosten der unterliegenden Partei aufer-
legt, es sei denn, das prozessuale Verhalten einer Partei gebiete eine andere Verlegung
oder die besonderen Umstände rechtfertigten, keine Verfahrenskosten zu erheben. Im vor-
liegenden Fall dringen beide Parteien mit ihren Anträgen nicht vollständig durch. Die Ver-
fahrenskosten werden ihnen daher je zur Hälfte, ausmachend Fr. 1'850.00 pro Partei, auf-
erlegt.
b) Die unterliegende Partei hat der Gegenpartei die Parteikosten zu ersetzen, sofern
nicht deren prozessuales Verhalten oder die besonderen Umstände eine andere Teilung
oder Wettschlagung gebieten oder die Auflage der Parteikosten an das Gemeinwesen als
gerechtfertigt erscheint (Art. 108 Abs. 3 VRPG). Da beide Parteien zu gleichen Teilen ob-
siegen und unterliegen, trägt jede Partei ihre Parteikosten selber.
III. Entscheid
1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Für die Vergrösserung des bestehen-
den Vereins- und Gebetsraumes, die Fassadensanierung sowie das Erstellen neuer
Nasszellen wird der Bauabschlag erteilt.
Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen und der Gesamtentscheid der Baube-
willigungsbehörde Langenthal vom 30. Juni 2009 bestätigt.
2. Die Verfahrenskosten von insgesamt Fr. 2'700.00 werden den Beschwerdeführenden
und der Beschwerdegegnerin je zur Hälfte, ausmachend je Fr. 1'850.00, zur Bezah-
lung auferlegt.
Die Beschwerdeführenden haften bei ihrem Anteil solidarisch für den gesamten Be-
trag.
Zahlungseinladungen folgen, sobald dieser Entscheid in Rechtskraft erwachsen ist.
3. Jede Partei trägt ihre Parteikosten selber.
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IV. Eröffnung
- Herrn Rechtsanwalt Erich Giesser, mit Gerichtsurkunde
- Herrn Rechtsanwalt Daniel Kettiger, mit Gerichtsurkunde
- Baubewilligungsbehörde der Stadt Langenthal, Präsidialamt, eingeschrieben
- Regierungsstatthalteramt Oberaargau, zur Kenntnis
BAU-, VERKEHRS- UND
ENERGIEDIREKTION
Die Direktorin
B. Egger-Jenzer, Regierungsrätin
Rechtsmittelbelehrung
Dieser Entscheid kann innert 30 Tagen seit seiner Eröffnung mit Beschwerde beim Verwaltungsge-
richt des Kantons Bern, Speichergasse 12, 3011 Bern, angefochten werden. Eine allfällige Verwal-
tungsgerichtsbeschwerde, die mindestens in vier Exemplaren einzureichen ist, muss einen Antrag,
die Angabe von Tatsachen und Beweismitteln, eine Begründung sowie eine Unterschrift enthalten;
der angefochtene Entscheid und andere greifbare Beweismittel sind beizulegen.
Beilage: Kopie des Situationsplanes vom 22. Mai 2006
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