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DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000 3 2 DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000 Die CDU ist im Umbruch. Seit Monaten halten uns finanzielle Unregelmäßigkeiten und Machen- schaften in Atem, die von Einzelnen in der ehema- ligen Führung der Partei verursacht wurden. Das Fehlverhalten weniger hat die CDU in die größte Krise seit ihrem Bestehen gestürzt hat. Die neue Parteiführung hat seit Anbeginn der Affäre alles daran gesetzt, die Tatbestände offenzulegen. Stän- dig wechselnde Sachverhalte und das Schweigen der Verursacher bestimmen die Probleme, die das Management einer solchen Krise hat. Dabei sind auch Wolfgang Schäuble Fehler un- terlaufen, die seine öffentliche Glaubwürdigkeit in Zweifel gezogen haben. Er hat seine Kandidaturen zum Partei und Fraktionsvorsitz zurückgezogen, um damit der CDU den Weg zu einem unbelasteten Neubeginn frei zu machen. Aus Sicht der Jungen Union ist dieser Rückzug eine Mahnung an die CDU, einen qualitativen strukturellen und personellen Neuanfang zu wagen. Es ist schmerzlich, dass mit Wolfgang Schäuble ein integerer und herausragen- der Christdemokrat die Konsequenzen für die Krise der CDU übernimmt, während deren Verursacher im Hintergrund unbehelligt schweigen. Für die erheb- lichen Leistungen und Verdienste, die er sich in der CDU für unser Land erworben hat, gehört Wolfgang Schäuble unser Dank. Für den entschlossenen Schritt und seine darin beinhaltete Mahnung zum Aufbruch und Erneuerung zollen wir ihm Respekt. Die Junge Union wird auf dem kommenden Par- teitag im April erste deutliche Schritte hin zu einer programmatischen, strukturellen und personellen Erneuerung einfordern. Hier haben wir vorgearbei- tet. Das ist die Stunde der Jungen in der Union. Wir werden sie nutzen. Die Christdemokratie bleibt das faszinierendste politische Projekt des neuen Jahr- tausends. Deshalb ist die CDU so wichtig. Es geht in den nächsten Wochen und Monaten darum, für un- sere Ideale einzutreten und mit einer erneuerten Par- tei wieder um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zu kämpfen. Nur Mut! Wir bleiben am Ball. Hildegard Müller Bundesvorsitzende der Jungen Union Deutschlands die Zeiten sind bitter für die Union. Sprachlos staunt man über immer neue Meldungen von schwarzen Koffern, Spenden, Konten. Resignierend muss man zur Kenntnis nehmen, wie langjährige identitäts- stiftende Personen und Idole aber auch neue Hoff- nungsträger Risse bekommen oder gar zerbröseln. Zurück bleibt Wut und Unverständnis. Selbstmitleid und Resignation hilft jedoch nicht weiter. Neben der notwendigen Erneuerung in der Union – und da hilft nicht nur der Austausch von Köpfen – müssen auch wieder Inhalte in den Vor- dergrund. Die Schröder-Regierung muss zurück auf den Boden der Realitäten. Ohne echte Oppo- sition können sie derzeit fröhlich ihre falsche Poli- tik durchsetzen. Der vermeintliche Höhenflug der Rot-Grünen Regierungstruppe wird sich schnell als ein kurzes Zwischenhoch herausstellen, wenn erst wieder rich- tig Opposition durch die Union betrieben wird. Ein zurück zur Tagesordnung darf es aber nicht sein. Nur wenn die Union es schafft, sich deutlich zu erneu- ern, kann verlorenes Vertrauen und verlorene Glaub- würdigkeit wieder zurückgewonnen werden. Hier muss auch und gerade die Junge Union Far- be bekennen und ohne falsche Demut vor den „al- ten Hasen“ mitmischen. Gerade jetzt sollte man sich nicht verstecken, sondern offensiv nach vorne ge- hen und die Union mitgestalten. Neben der Affäre rund ums Geld geht es in die- sem Heft im Schwerpunktthema um Studium und Hochschule. Sind unsere Unis noch zeitgemäß? Gehört privaten Eliteunis die Zukunft? Ist die heuti- ge Massenuniversität weg von den ursprünglichen Bildungsidealen eines Alexander von Humboldt und nur noch reine Ausbildungsstelle für den späteren Beruf? Worauf legt die Wirtschaft bei Einstellungen wert? Wie werde ich für meinen potentiellen Ar- beitgeber interessant? Wir bleiben dran! Euer Urban Windelen Mahnung zur Erneuerung Liebe Leser, impressum Herausgeber: Bundesvorstand Junge Union Deutschlands, Inselstraße 1b, 10179 Berlin Tel. (0 30) 27 87 87-0, Fax (0 30) 27 87 87- 20, Email: [email protected], Homepage: http://www.junge-union.de Redaktionsbüro: DIE ENTSCHEIDUNG, Inselstraße 1b, 10179 Berlin Tel. (0 30) 27 87 87-0, Fax (0 30) 27 87 87- 20, Tel. (02 28) 544- 933, Fax (02 28) 9 10 73 83, Email: [email protected], Homepage: http://www.entscheidung.de Redaktioneller Beirat: Michael Hahn (Bundesgeschaftsführer), Catrin Hannken (Mitglied im Bundesvorstand) Harald Schmitt (Mitglied im Bundesvorstand) Chefredakteur: Urban Windelen Chef vom Dienst: Franz-Josef Gemein Redaktion: Berlin: Andrea Brieger, Georg Milde, Vas- silios Theodossiou, Stephan Titze, Kristin Vorpahl Aus den Ländern: Roberto Fleißner, Torsten Geiling, Peter Meyer, Olaf Klaukien, Christian Müller, Stefan Löwer, Volker Nies, Michael Panse, Markus Pösen- trup, Nicolai Schenk, Andreas Schwegel, Jan-Gernot Wichert, Henryk Wichmann, Sebastian Wolff Rubriken: Christine Loerke, Lifestyle, Ralf Pötter, ENTSCHEIDUNG online, Dr. Andreas Püttmann, Schwerpunkt, Heiko Rottmann, Portrait, aktiv, Ralf Weidner, CDU Verlag: Weiss Verlag GmbH & Co. KG, Industriestraße, Postfach 30, 52153 Monschau-Imgenbroich Tel. (0 24 72) 82- 0, Fax (0 24 72) 8 22 29. Druck: Weiss Druck Layout & Satz: Union Betriebs-GmbH, Bonn Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung von Herausgeber und Re- daktion wieder. Keine Haftung für unverlangt ein- gesandte Manuskripte und Bilder. Erscheinungs- weise monatlich. Gefördert durch das Bundesmini- sterium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Titelfoto und grafische Beratung: Frank Ossenbrink Bildnachweis: JU-Archiv, UBG, dpa, Darchinger, Becker & Bredel, BMVg. »Aufsteigen kann man nur gegen den Wind« Hildegard Müller spricht mit der ENTSCHEIDUNG über die derzeitigen Probleme der CDU und die daraus resultierende Chance für neue Inhalte und mehr Transparenz von Urban Windelen Seite 4 Kleiner Krisen-Katechismus für gebeutelte Christdemokraten von Andreas Püttmann Schwerpunktthema Dem Volk aufs Maul geschaut von Kristin Vorpahl Bücher News Hierzulande Aktiv Momente Expo 2000: Mensch – Natur – Technik Die Junge Union ist auf der Weltausstellung aktiv mit dabei! Gesucht sind Helfer und gute Ideen für die Kinder- und Jugendplatt- form im Big Tipi. von Frank Thole Seite 24 Holzmann – Zwangs- arbeiterentschädigung – Bündnis für Arbeit Die Luftnummern des Strahlemann Schröder. Durch Schaumschlägerei zum Zwischenhoch. von Tanja Gönner Seite 26 6 7 20 22 30 27 33 36

ENTSCHEIDUNG 03-2000

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Ausgabe 3/2000 des JU-Mitgliedermagazins DIE ENTSCHEIDUNG

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Page 1: ENTSCHEIDUNG 03-2000

DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000 32 DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000

Die CDU ist im Umbruch. Seit Monaten halten

uns finanzielle Unregelmäßigkeiten und Machen-

schaften in Atem, die von Einzelnen in der ehema-

ligen Führung der Partei verursacht wurden. Das

Fehlverhalten weniger hat die CDU in die größte

Krise seit ihrem Bestehen gestürzt hat. Die neue

Parteiführung hat seit Anbeginn der Affäre alles

daran gesetzt, die Tatbestände offenzulegen. Stän-

dig wechselnde Sachverhalte und das Schweigen

der Verursacher bestimmen die Probleme, die das

Management einer solchen Krise hat.

Dabei sind auch Wolfgang Schäuble Fehler un-

terlaufen, die seine öffentliche Glaubwürdigkeit in

Zweifel gezogen haben. Er hat seine Kandidaturen

zum Partei und Fraktionsvorsitz zurückgezogen,

um damit der CDU den Weg zu einem unbelasteten

Neubeginn frei zu machen. Aus Sicht der Jungen

Union ist dieser Rückzug eine Mahnung an die CDU,

einen qualitativen strukturellen und personellen

Neuanfang zu wagen. Es ist schmerzlich, dass mit

Wolfgang Schäuble ein integerer und herausragen-

der Christdemokrat die Konsequenzen für die Krise

der CDU übernimmt, während deren Verursacher im

Hintergrund unbehelligt schweigen. Für die erheb-

lichen Leistungen und Verdienste, die er sich in der

CDU für unser Land erworben hat, gehört Wolfgang

Schäuble unser Dank. Für den entschlossenen Schritt

und seine darin beinhaltete Mahnung zum Aufbruch

und Erneuerung zollen wir ihm Respekt.

Die Junge Union wird auf dem kommenden Par-

teitag im April erste deutliche Schritte hin zu einer

programmatischen, strukturellen und personellen

Erneuerung einfordern. Hier haben wir vorgearbei-

tet. Das ist die Stunde der Jungen in der Union. Wir

werden sie nutzen. Die Christdemokratie bleibt das

faszinierendste politische Projekt des neuen Jahr-

tausends. Deshalb ist die CDU so wichtig. Es geht in

den nächsten Wochen und Monaten darum, für un-

sere Ideale einzutreten und mit einer erneuerten Par-

tei wieder um das Vertrauen der Bürgerinnen und

Bürger zu kämpfen. Nur Mut! Wir bleiben am Ball.

Hildegard MüllerBundesvorsitzende der Jungen Union Deutschlands

die Zeiten sind bitter für die Union. Sprachlos staunt

man über immer neue Meldungen von schwarzen

Koffern, Spenden, Konten. Resignierend muss man

zur Kenntnis nehmen, wie langjährige identitäts-

stiftende Personen und Idole aber auch neue Hoff-

nungsträger Risse bekommen oder gar zerbröseln.

Zurück bleibt Wut und Unverständnis.

Selbstmitleid und Resignation hilft jedoch nicht

weiter. Neben der notwendigen Erneuerung in der

Union – und da hilft nicht nur der Austausch von

Köpfen – müssen auch wieder Inhalte in den Vor-

dergrund. Die Schröder-Regierung muss zurück

auf den Boden der Realitäten. Ohne echte Oppo-

sition können sie derzeit fröhlich ihre falsche Poli-

tik durchsetzen.

Der vermeintliche Höhenflug der Rot-Grünen

Regierungstruppe wird sich schnell als ein kurzes

Zwischenhoch herausstellen, wenn erst wieder rich-

tig Opposition durch die Union betrieben wird. Ein

zurück zur Tagesordnung darf es aber nicht sein. Nur

wenn die Union es schafft, sich deutlich zu erneu-

ern, kann verlorenes Vertrauen und verlorene Glaub-

würdigkeit wieder zurückgewonnen werden.

Hier muss auch und gerade die Junge Union Far-

be bekennen und ohne falsche Demut vor den „al-

ten Hasen“ mitmischen. Gerade jetzt sollte man sich

nicht verstecken, sondern offensiv nach vorne ge-

hen und die Union mitgestalten.

Neben der Affäre rund ums Geld geht es in die-

sem Heft im Schwerpunktthema um Studium und

Hochschule. Sind unsere Unis noch zeitgemäß?

Gehört privaten Eliteunis die Zukunft? Ist die heuti-

ge Massenuniversität weg von den ursprünglichen

Bildungsidealen eines Alexander von Humboldt und

nur noch reine Ausbildungsstelle für den späteren

Beruf? Worauf legt die Wirtschaft bei Einstellungen

wert? Wie werde ich für meinen potentiellen Ar-

beitgeber interessant? Wir bleiben dran!

Euer

Urban Windelen

MahnungzurErneuerung

Liebe Leser,

impressumHerausgeber:Bundesvorstand Junge Union Deutschlands, Inselstraße 1b, 10179 Berlin Tel. (0 30) 27 87 87-0, Fax (0 30) 27 87 87- 20,Email: [email protected], Homepage: http://www.junge-union.de

Redaktionsbüro:DIE ENTSCHEIDUNG, Inselstraße 1b, 10179 Berlin Tel. (0 30) 27 87 87-0, Fax (0 30) 27 87 87- 20,Tel. (02 28) 544- 933, Fax (02 28) 9 10 73 83,Email: [email protected],Homepage: http://www.entscheidung.de

Redaktioneller Beirat:Michael Hahn (Bundesgeschaftsführer), Catrin Hannken (Mitglied im Bundesvorstand)Harald Schmitt (Mitglied im Bundesvorstand)

Chefredakteur: Urban Windelen

Chef vom Dienst: Franz-Josef Gemein

Redaktion: Berlin: Andrea Brieger, Georg Milde, Vas-silios Theodossiou, Stephan Titze, Kristin VorpahlAus den Ländern: Roberto Fleißner, Torsten Geiling,Peter Meyer, Olaf Klaukien, Christian Müller, StefanLöwer, Volker Nies, Michael Panse, Markus Pösen-trup, Nicolai Schenk, Andreas Schwegel, Jan-Gernot

Wichert, Henryk Wichmann, Sebastian WolffRubriken: Christine Loerke, Lifestyle, Ralf Pötter,ENTSCHEIDUNG online, Dr. Andreas Püttmann,Schwerpunkt, Heiko Rottmann, Portrait, aktiv,Ralf Weidner, CDU

Verlag:Weiss Verlag GmbH & Co. KG, Industriestraße,Postfach 30, 52153 Monschau-ImgenbroichTel. (0 24 72) 82- 0, Fax (0 24 72) 8 22 29.

Druck: Weiss Druck

Layout & Satz: Union Betriebs-GmbH, Bonn

Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nichtunbedingt die Meinung von Herausgeber und Re-daktion wieder. Keine Haftung für unverlangt ein-gesandte Manuskripte und Bilder. Erscheinungs-weise monatlich. Gefördert durch das Bundesmini-sterium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Titelfoto und grafische Beratung:Frank Ossenbrink

Bildnachweis:JU-Archiv, UBG, dpa, Darchinger,Becker & Bredel, BMVg.

»Aufsteigen kann mannur gegen den Wind«Hildegard Müller sprichtmit der ENTSCHEIDUNGüber die derzeitigenProbleme der CDU und diedaraus resultierendeChance für neue Inhalteund mehr Transparenzvon Urban Windelen

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Kleiner Krisen-Katechismus fürgebeutelte Christdemokratenvon Andreas Püttmann

Schwerpunktthema

Dem Volk aufs Maul geschautvon Kristin Vorpahl

Bücher

News

Hierzulande

Aktiv

Momente

Expo 2000:Mensch – Natur – TechnikDie Junge Union ist auf derWeltausstellung aktiv mitdabei! Gesucht sind Helferund gute Ideen für dieKinder- und Jugendplatt-form im Big Tipi.von Frank Thole

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Holzmann – Zwangs-arbeiterentschädigung –Bündnis für ArbeitDie Luftnummern desStrahlemann Schröder.Durch Schaumschlägereizum Zwischenhoch.von Tanja Gönner

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Page 2: ENTSCHEIDUNG 03-2000

setze steht, kein Ehrenwort ist. Er hat an den Ge-

setzen und der innerparteilichen Demokratie vor-

bei gehandelt.

ENTSCHEIDUNG: Soll Helmut Kohl für sein Verhal-

ten, das der Partei ja großen Schaden zugefügt hat, zur

Verantwortung gezogen werden? Und wenn ja, wie?

Müller: Helmut Kohl gefährdet sein Lebenswerk

selber viel mehr, wenn er weiter nicht redet, als das

die Partei jemals könnte. Aber auch wir werden das

weitere Vorgehen sorgsam weiter prüfen.

ENTSCHEIDUNG: Durch die CDU geht offensichtlich

eine Konfliktlinie – während die Einen an Kohl hängen

und ihn als Teil ihrer Identität betrachten, drängen die

Anderen auf einen endgültigen Bruch und einen Neuan-

fang. Welche Position nimmt die Vorsitzende der Jungen

Union ein?

Müller: Natürlich fällt es uns Jungen etwas leich-

ter sich von einer Ära zu lösen, die man selber gar

nicht so aktiv mitgestaltet hat. Aber auch bei den

Älteren sehe ich eine zunehmend differenziertere

Betrachtung, die sich, wie Norbert Blüm, frei-

machen und sagen, daß sie Kohls Verhalten nicht

akzeptieren können.

ENTSCHEIDUNG: Wandelt sich die CDU?

Müller: Ja, die Union befindet sich mitten im Prozeß

der Erneuerung. Die Identität der Partei, das Werte-

konstrukt der Union, auch die Rechtsstaatlichkeit

sind wichtiger als blinde Loyalität zu Helmut Kohl.

Aufbruch und Erneuerung sind richtig und notwen-

dig. Die CDU wird deshalb nicht neu erfunden, aber

weiterentwickelt werden müssen.

ENTSCHEIDUNG: Wolfgang Schäuble will auf dem

Parteitag im April nicht wieder als Vorsitzender kandi-

dieren. War dieser Schritt überfällig?

Müller: Zunächst einmal finde ich es unschön,

wenn man so unmittelbar zur Tagesordnung über-

geht, als wäre nichts geschehen. Wolfgang Schäuble

hat mit seinem Rückzug die Konsequenzen für eine

Krise übernommen, die er nicht verursacht hat.

Wenn so ein herausragender und integrer Politiker

seine Ämter zur Verfügung stellt, weil er in einen

Strudel geraten ist, den andere verschuldet haben,

dann bleibt da ein Stück Bitterkeit. Ich finde es an-

gemessen, Wolfgang Schäuble zu danken, für sein

großes Engagement. Er hat sich bei der Gestaltung

unseres Landes hohe Verdienste erworben und als

Parteivorsitzender hat er einen wesentlichen Bei-

trag zur Siegesserie der Union bei den Wahlen im

letzten Jahr geleistet. Das bleibt und dafür schul-

den wir ihm Respekt und Dank. Mit seinem Rück-

zug hat er den Weg für einen unbelasteten Neube-

ginn freigemacht. Das müssen wir als Chance aber

auch als Mahnung verstehen.

DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000 5

aktuell

ENTSCHEIDUNG: Was würdest Du im Moment einem Jugend-

lichen sagen, warum er in die Junge Union/CDU eintreten soll?

Müller: Wer sich nicht einmischt, muß aushalten, was an-

dere anrichten. Deshalb ist es gerade jetzt wichtig, in die Po-

litik zu gehen. Darüber hinaus werden zur Zeit viel zu viele

wichtige Themen aus Sicht der jungen Generation immer

weiter verschoben und nicht konsequent genug angegan-

gen. Bei der Rente beispielsweise findet nur eine Reparatur-

politk, keine Visionspolitik statt.

ENTSCHEIDUNG: Siehst Du die Gefahr, daß die gegenwärtige

Parteispendenaffäre das Interesse speziell der jungen Menschen

an Parteien und an der Politik dauerhaft beschädigt?

Müller: Natürlich weiß ich, daß wir sehr um das Ver-

trauen der Menschen zu kämpfen haben. Das wird

nicht von heute auf morgen gehen und ein sehr

langwieriger Prozeß werden. Aber gerade wir

Jungen können und werden um das Vertrauen

der Menschen kämpfen.

ENTSCHEIDUNG: Bist Du – nach allem was pas-

siert ist, persönlich von Helmut Kohl enttäuscht?

Müller: Ja, vor allem weil er der Partei bei

der Aufklärung nicht hilft.

ENTSCHEIDUNG: Kannst Du sein Ver-

halten verstehen?

Müller: Ich kann mir’s nicht er-

klären, weil für mich ein Eh-

renwort, das außerhalb der Ge-

4 DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000

Als eine der ersten hat die Vorsitzende der Jungen Union

Deutschlands eine »rückhaltlose Aufklärung ohne Ansehen von Personen«

gefordert. DIE ENTSCHEIDUNG fragt sie nach

den Chancen und Perspektiven der CDU nach dem Rückzug von

Wolfgang Schäuble.

kann man nur

aktuell

»Aufsteigengegen den

Wind«URBAN WINDELEN

Kleiner Krisen-Katechismus fürgebeutelte Christdemokraten

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von Andreas Püttmann

Meinungsumfragen, Straßeninter-views und das eigene mulmige Ge-fühl vor den Abendnachrichten las-sen keinen Zweifel: Mandatsträger,Mitglieder und Anhänger der CDUsind von den Ereignissen der letz-ten Monate schockiert, frustriert,desorientiert und in ihrer alltägli-chen Umgebung einem gewaltigenmoralischen Rechtfertigungsdruck,bisweilen auch Häme ausgesetzt.Doch in der emotional aufgeheiz-ten Atmosphäre gilt es klaren Kopfzu behalten, zu differenzieren undden »Trittbrettfahrern« berechtig-ter Empörung ihre Heuchelei undDemagogie nicht durchgehen zulassen. Dabei erscheinen folgendeFragen besonders wichtig:

Können wir uns jetzt überhauptnoch mit Themen wie Rechtsstaat-lichkeit oder Wertorientierung andie Öffentlichkeit wagen?

Aber ja. Stellten wir solche Themenjetzt verschämt zurück, täten wir ge-nau das, was man Helmut Kohl vor-wirft: Personen und Sache zu sehr zuverquicken. Die Botschaft ist immergrößer als der Bote. Das Gedankengutder Union wird nicht dadurch diskre-ditiert, dass wenige eigene Repräsen-tanten dagegen verstießen.

Und wenn schon Verallgemeinerung,dann bitte nicht nur auf unsere Parteioder die Parteien insgesamt bezo-gen, sondern auf unsere ganze Wohl-standsgesellschaft, über der durchauseine gewisse »Fäulnis« (Claus Jacobi inder »Welt am Sonntag«) liegt. Steuer-hinterziehung, Versicherungsbetrug,Schwarzfahren, Sozialkassenmiß-brauch, Subventionsbetrug, »Privati-sierung« von Büromaterial und ande-re Formen von »Alltagskriminalität«lassen statistisch und demoskopischkeinen Zweifel daran, dass die Krisedes Rechtsbewußtseins ein Massen-phänomen ist.

Wertorientierung darf insofern keinepolitische Lyrik für Sonntagsredensein, sondern muss durch geistige An-strengung, Überzeugungsarbeit – inWorten und Taten – und praktischeMaßnahmen in allen gesellschaftli-chen Bereichen durchgesetzt werden.Werteverwirklichung bedarf dabeistets eines Dreiklangs von Tugenden(Individualethik), Normen und Institu-tionen (Sozialethik).

Ist das »C« der CDU nundiskreditiert?

Keineswegs! Das Grundsatzprogrammunserer Partei konstatiert im Eingangs-teil unter der Überschrift: »Wer wirsind«: »Jeder Mensch ist Irrtum undSchuld ausgesetzt« – ohne hinzuzufü-gen: »außer in der CDU«. So paradox esklingt: Das Trauerspiel von Rechtsbruch,Dummheit, Lüge, Intrige, Feigheit undSelbstgerechtigkeit bestätigt unser rea-listisches christliches Menschenbild mitseiner anthropologischen Skepsis, under verdeutlicht die Notwendigkeit stär-kerer christlicher Wertorientierung.Denn insgesamt sind gläubige Christen– nach sozialwissenschaftlichen Studien– gesetzestreuere Bürger. Zugleich bie-tet die christliche Ethik auch das Know-How einer gründlichen Schuldbewälti-gung. Die Läuterung erfolgt in der Rei-henfolge: Einsicht – Reue – Bekenntnis– Buße – Vorsatz der Besserung undSchaffung der (strukturellen) Voraus-setzungen dafür, dass man wenigerleicht in Versuchung gerät. Zur christ-lichen Ethik gehören freilich auch dieMäßigung im Urteil und die Nachsichtmit dem bußfertigen Sünder.

Dürfen wir andere Parteienund ihr Gebaren jetzt nicht mehrattackieren?

Durchaus doch. Glogowski, Schleußer,Rau und Co und ihre schwarze Kassenamens West-LB zeugen in gewisserWeise vom gleichen »l’etat c’est moi«-Bewußtsein wie es der »Ewige Kanz-ler« offenbar entwickelt hatte. DemGenossenfilz in NRW im Mai den Gar-aus zu machen, das ist geradezu diestaatsethische Verantwortung der»Neuen CDU im Westen«. Und selbstwenn es die alte wäre: Ob Kritik be-rechtigt ist oder nicht, hängt nicht vommoralischen Glanz des Kritikers ab,sondern von seiner korrekten Wirk-lichkeitsbeschreibung und stringentenArgumentation. Allerdings steigt sei-ne Überzeugungskraft mit der Au-thentizität, der Übereinstimmung vonForderung und Vorbild.

Ist Politik doch ein»schmutziges Geschäft«?

Im Prinzip nein. Zunächst weil jedesVolk in Freiheit die Politiker bekommt,die es verdient. Das gleiche gilt übrigensfür Journalisten, Manager, TV-Promisu.s.w. Der moralische Zustand einerGesellschaft spiegelt sich früher oderspäter in jeder ihrer Berufsgruppen wi-der. Allerdings fallen unter dem E

Page 3: ENTSCHEIDUNG 03-2000

ENTSCHEIDUNG: Wer soll denn jetzt die Füh-

rung übernehmen?

Müller: Die Junge Union hat lange Zeit für mehr

Beteiligung der Mitglieder gekämpft. Deshab

finde ich es richtig, dass auf den Regionalkonfe-

renzen zunächst einmal in die Basis reingehört

werden soll. Wenn wir uns jetzt zu voreilig auf

Namen festlegen, dann ist der Sack wieder zu.

Wo sich die Junge Union positioniert und wen

sie favorisiert, das will ich erst mit dem Bundes-

vorstand und den Landesverbänden diskutieren,

ehe ich mich öffentlich äußere. Ich wünsche mir

generell, daß wir auf dem Parteitag in Essen eine

breitere Mischung der Generationen erreichen.

Es müssen sehr viel mehr jüngere Kräfte her. Ich

will mit Freunden aus der Jungen Union gezielt

daran gehen, den CDU-Vorstand zu verjüngen.

und ein Führungsteam zusammenstellen. Die

Partei braucht dringend frischen Wind.

ENTSCHEIDUNG: Was muß sich denn, abgese-

hen von den Personen, inhaltlich und strukturell

in der CDU ändern, damit die Partei wieder glaub-

würdig wird?

Müller: Inhaltlich fordern wir eine Agenda der

Zukunft, das heißt, es muß aus Sicht der jungen

Generation geschaut werden, wie weit die bishe-

rigen Politik-Entwürfe reichen. Geht das schon

weit genug oder müssen wir die Themen noch

mutiger angehen? Es

gibt viele Themen, die

aus Sicht der Jungen

auch die CDU noch

nicht konsequent genug

besetzt, da muß inhalt-

lich noch einiges gelei-

stet werden. Bei den Themen darf man nicht nur

auf den nächsten Wahltermin blicken, sondern

muß sich fragen, was hat das, was wir heute tun

oder nicht tun, für Auswirkungen in 30 Jahren.

Diese Zukunftsfähigkeit hat die CDU immer

stark gemacht. Die müssen wir wieder gewin-

nen, weil wir in den letzten 16 Jahren zu

sehr Regierungstätigkeit verteidigt und

zu wenig nach vorne gedacht haben.

ENTSCHEIDUNG: ... und strukturell?

Müller: Da gibt es zahlreiche Forderun-

gen, die Junge Union hat in den letzten

Jahren ja schon konsequent an diesem

Thema gearbeitet. Wir müssen endlich

den Mut haben, mehr Mitgliederbeteili-

gung möglich zu machen. Wir werden

dadurch als Partei nicht nur spannen-

der, sondern auch transparenter in den

Entscheidungen. Also, z. B. Urwahl des

Parteivorsitzenden, klare Aufgabenver-

teilung im Präsidium. Dann definieren

sich auch die entsprechenden Perso-

nen. Wir kommen im Moment viel zu

sehr über Personen zu Themen statt

umgekehrt. Wir müssen zuerst klare in-

haltliche Aussagen treffen und dann

schauen, wer dieses Thema glaubwür-

dig vertritt. Auf jeden Fall wird die Jun-

ge Union viele Forderungen nach struk-

turellen Veränderungen auf dem Esse-

ner Parteitag einbringen.

ENTSCHEIDUNG: Die Krise also auch

als Chance?

Müller: Ja, auf jeden Fall. Ein chine-

sisches Sprichwort sagt: »Aufsteigen

kann man nur gegen den Wind.« Ich

habe mir die Krise nicht gewünscht,

aber nun versuche ich aus Sicht der

jungen Generation, das Beste daraus zu

machen und die Krise dazu zu nutzen,

in etlichen Bereichen neu anzufangen.

Wir müssen uns in den Wind stellen

und kämpfen. Mehr Transparenz, mehr

Diskussionskultur, das ist die Chance.

Und sie ist insbesondere für die junge

Generation in der Union. K

6 DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000

aktuell

Kleiner Krisen-Katechismus/Teil 2

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Flutlicht der permanenten öffentlichenBeobachtung und der vielfältig insti-tutionalisierten Kontrolle Fehler undschmutzige Tricks leichter auf. Außer-dem birgt der Umgang mit Macht –zentrale Kategorie der Politik – spezifi-sche Versuchungen, denen sich nurstarke Charaktere gewachsen zeigen.

Damit ist die Frage nach der Rekrutie-rung unseres politischen Nachwuchsesals Achillesferse der Demokratie ge-stellt. Die Verflüchtigung fester Grund-überzeugungen als Ergebnis der Sä-kularisierung und Entideologisierungverringert tendenziell den Anteil der»Überzeugungstäter« und Pflichtethi-ker und erhöht die Repräsentanz vongeltungssüchtigen Profilneurotikern,interessenegoistischen Händelsuchernund aalglatten Anpassern. Zudemtragen die Erfolgskriterien der Fern-sehdemokratie zu einem Vorrang derKommunikationskompetenz vor derSachkompetenz, der Wirkung vor derSubstanz, des augenscheinlichen Gut-menschentums vor der echten Cha-rakterfestigkeit bei.

Welches politische Personalbrauchen wir jetzt amdringlichsten? Innerlich unabhängige Köpfe mit Zi-vilcourage und Distanz zu sich selbst.Die CDU muss ihre kritischen Geisterpflegen, und zwar nicht die pseudo-kritischen, die sich stets grosser Me-dienresonanz gewiss sein können, weilihr Dissens zum Parteiestablishmentdurch Konsens mit dem Zeitgeist kom-pensiert wird, sondern ihre echtenQuerdenker: die Verkünder unange-nehmer Wahrheiten (auch für dasVolk), die prinzipienstarken, beharrli-chen Gestalter mit Einsamkeitsfähig-keit, die Leidenschaftlichen mit Au-genmaß, die sachorientierten Kämp-fer, die nicht immer gleich fragen:»Was bringt mir das?«, weil sie ihrenLebenssinn in einer tieferen Wirklich-keit verankert wissen, aus der sie mo-ralische Maßstäbe beziehen, die inmanchen Situationen auch Verzichtauf Geld und Geltung gebieten undein beherztes: »Mit mir nicht«.Eine Inschrift im Rathaus zu Ingolstadtbringt es auf den Punkt:

»Was andere meinen auch zumeinen, ist nicht schwer.

Nur immer anders als die andernmeinen, auch nicht sehr.

Weißt Du aus eigener Kraft,mit mutig stillem Wagen

Dort ehrlich ja, hier ehrlichnein zu sagen,

Gleich ob dich alle loben oderkeiner, Dann bist Du einer.«

»Aufbruch undErneuerung

sind richtig undnotwendig.«

◆ Zukunft der Arbeit: Der Faktor Bildungvon Markus Blume Seite 8

◆ Ich war noch niemals in New Yorkvon Andrea Ullrich Seite 10

◆ Marketing in eigener Sachevon Georg Milde Seite 12

◆ Klein und fein oder große weite Welt?von Andrea Ullrich Seite 14

◆ Hasta luego Alemañavon Kristin Vorpahl Seite 15

◆ Privat oder staatlich? Das ist die Frage!von Jan-Hendrik Klaps Seite 16

◆ Von München bis Kielvon Mark Blue Seite 18

◆ Studiengebühren als Heilmittel?von Katrin Schweins & Wolfgang Sticker Seite 19

Schwerpunktthema:

Page 4: ENTSCHEIDUNG 03-2000

E Schule muß auch das Handwerkszeug der Zukunft vermitteln:

Medienkompetenz, erweiterte Fremdsprachenkenntnisse, Fähigkeit

zum lebenslangen und autodidaktischen Lernen.

E Bildung hört nicht nach der Schule auf. Die schulische, berufliche

und universitäre Ausbildung muß im Sinne des lebenslangen Ler-

nens besser aufeinander abgestimmt werden. Während an der Schu-

le die basic skills vermittelt werden, kann man sich in Uni und Beruf

– auch lebenslang – modulartig aktuelles Fachwissen aneignen.

Bildungsvision 21: Vernetzte Bildung

Das Ausbildungssystem darf nicht isoliert von anderen gesell-

schaftlichen (Sub-)Systemen betrachtet werden. Im Gegenteil: Erst

im gegenseitigen Austausch wird man der neuen Struktur des Wis-

sens gerecht und kann Synergien fördern.

Wer einen Blick in die »Zukunft der Bildung« wagt, dem zeigt sich

vielleicht folgendes Bild:

E Virtualität: Bildung ist nicht mehr an eine Einrichtung gebunden,

sondern kann modular wahrgenommen werden. Jeder kann sich

seine Ausbildungsinhalte von verschiedenen Bildungs- und For-

schungseinrichtungen zusammenstellen. Bildung wandelt sich da-

mit mehr und mehr vom Push- zum Pull-Faktor.

E Multimedia: Lernen geschieht künftig

auf verschiedenen Kanälen. Zum klas-

sischen Frontalunterricht treten didak-

tisch aufbereitete, multimediale Inhalte.

E Interdisziplinarität: Die fortschreiten-

de Spezialisierung in den Ausbildungen

und Berufsbildern macht wegen der

Wissensdynamik in diesen Bereichen

gerade die Vermittlung von Methoden-

und Grundwissen immer wichtiger. Die

fachübergreifende Zusammenarbeit wird

durch gemeinsame Kollegs und Projek-

te gefördert.

E Theorie und Praxis: Grundlagen sind

das eine, Anwendungsorientierung das

andere. Auf allen Ausbildungsstufen

müssen praxisrelevante Inhalte in Ko-

operation mit Unternehmen und Ver-

bänden mit einbezogen werden.

E Technik und Ethik: Die neuen Mög-

lichkeiten im medizinischen, biologi-

schen und technischen Bereich wer-

den mittels ethischer Folgenabschät-

zung auf ihre gesellschaftlichen Auswir-

kungen hin untersucht. Wissenschafts-

ethik ist fester Bestandteil der univer-

sitären Ausbildung.

E Mobilität und Internationalität: Aus-

bildung endet nicht länger an nationa-

len Grenzen. Das spielerische Erlernen

von Fremdsprachen in der Grundschu-

le, europäische Austauschprogramme

schon während der Schulzeit und regel-

mäßige Auslandsaufenthalte sind Regel

statt Ausnahme.

E Gemeinsamer Profit, geteilte Kosten:

Der Staat kann nicht allein für die Aus-

bildung aufkommen. Wer von fach-

lich besonders gut ausgebildeten Bür-

gern profitiert – wie beispielsweise die

Wirtschaft von Hochschulabgängern –,

beteiligt sich auch an den Kosten.

Weiterführende Ausbildungseinrich-

tungen wie Hochschulen werden in

privatrechtlicher Form mit Staat als

Hauptanteilseigner geführt. Eventuell

beteiligte Unternehmen nutzen die

Hochschulen dann auch zur Weiterbil-

dung ihrer Mitarbeiter. Zur Verbesse-

rung der finanziellen Ausstattungen

von Ausbildungseinrichtungen trägt

auch die stiftungsfreundlichere Ge-

setzgebung bei.

Wenn diese Vision Realität werden

sollte, dann besitzt Deutschland die Ex-

portschlager des 21. Jahrhunderts: Wis-

sen und Bildung. K

DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000 9

uni: job oder flop?

Die Vorboten für den Wandel am Ar-

beitsmarkt sehen wir seit Mitte der

siebziger Jahre: der Beschäftigungsrück-

gang in den traditionellen Industriebe-

reichen und damit einhergehend die

zunehmend verfestigte, strukturelle Ar-

beitslosigkeit. Die landläufige Diagnose

scheint auf der Hand zu liegen: »Es gibt

nicht genug Arbeit. – Also müssen wir die

vorhandene Arbeit besser verteilen!«

Dies ist aus zwei Gründen falsch. Er-

stens: Ökonomisch gesehen heißt Ar-

beitslosigkeit nur, daß zu einem be-

stimmten Preis (nämlich dem gegen-

wärtigen Lohnniveau) nicht genug Ar-

beit (durch die Unternehmen) nachge-

fragt wird. Es gäbe grundsätzlich genug

Arbeit, nur eben nicht zu den Bedin-

gungen, wie sie auf unserem relativ un-

flexiblen Arbeitsmarkt durch feste Ta-

riflöhne und weitgehende Kündigungs-

schutzbestimmungen vorgegeben sind.

Zweitens: Das gesamte Arbeitsvolumen

ist nur im sekundären Sektor zurückge-

gangen. Im Dienstleistungsbereich ent-

stehen täglich neue Jobs.

Bildung ist soziale Vorsorge

Die obige Diagnose regt aber zumin-

dest zum Nachdenken an. Wenn es in

den traditionellen Arbeitsbereichen we-

niger gutbezahlte Arbeit gibt, muß man

sich über neue Formen der Arbeit und

deren Anerkennung Gedanken ma-

chen, beispielsweise über die Familien-

und Bürgerarbeit. Ebenso werden neue

Berufsbilder wie die des »Wissensar-

beiters« (knowledge worker) entstehen.

Also: Es gibt genug Arbeit – nur eben

andere als bisher. Entscheidend bei der

Diskussion über die Zukunft der Arbeit,

die Sicherheit der sozialen Netze und

8 DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000

uni: job oder flop?

Nach jüngsten Schätzungen werden in 20 Jahren nur noch 10

Prozent der Erwerbsfähigen in einem dauerhaften Arbeitsver-

hältnis stehen. Tätigkeiten, die keine besondere Qualifizierung

erfordern, sollen dann weitgehend automatisiert sein. Der

Staat muß deshalb – auch im Hinblick auf den globalen Wettbe-

werb – ein vitales Interesse an möglichst vielen hochqualifizier-

ten Bürgern haben. Bildungspolitik wird damit zur zentralen

Aufgabe der Gesellschaftspolitik in den nächsten Jahren.

Zukunft

der

D

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Arbeit:

Bildungspolitik als zentrale Aufgabe der Politikdie Stabilität unserer Gesellschaft sind mindestens zwei Dinge: die

Faktoren Kapital/Vermögen und Wissen/Bildung. Aus Sicht des Staa-

tes kommt dabei den Investitionen in Bildung und Forschung die

größte Bedeutung zu, weil nur hier ohne weitreichende negative Al-

lokationseffekte angesetzt werden kann. Nur wer in Zukunft möglichst

hochqualifiziert, also optimal ausgebildet ist, wird am Arbeitsmarkt

auch nachgefragt. In einem rohstoffarmen Land sind die human res-

sources zudem ein Trumpf im globalen Standortwettbewerb. Konse-

quenterweise müßten die Staatsausgaben für Bildung und Forschung

dramatisch gesteigert werden. Leider ist es aber noch immer opportu-

ner, Kohle zu subventionieren als in Bildung zu investieren. Dabei ist

eine gute Ausbildung die beste Vorsorge gegen Arbeitslosigkeit.

Anforderungen an die Bildungspolitik

In unserer zunehmend vernetzten Gesellschaft verändern sich Art

und Weise sowie Geschwindigkeit, wie Informationen beschafft und

zu Wissen verarbeitet werden. Das läßt sich am besten am Schlagwort

von der Dynamik oder der »Halbwertszeit des Wissens« (fünf Jahre)

und der Forderung nach »vernetztem Denken« ablesen. Für die Bil-

dungspolitik heißt das: Ausbildung ist künftig mehr als Schule, Studi-

um und berufliche Bildung. Optimale Bildung bedeutet:

E Jeder Bürger soll leistungsorientiert, aber nach unterschiedlicher

Begabung differenziert ausgebildet werden. Gesamtschulkonzepte

sind deshalb ein Griff in die Mottenkiste der 68er.

MARKUS BLUME

Page 5: ENTSCHEIDUNG 03-2000

ist in der glücklichen Lage, eines der begehrten Sti-

pendien des Deutschen Akademischen Austausch-

dienstes, kurz DAAD, bekommen zu haben. Dieser

übernimmt in aller Regel wenn nicht alles, so doch

den Löwenanteil der Studiengebühren für seine

Stipendiaten. Dennoch ist das Auslandsstudium

für Angelika ein teurer Spaß. »Ich habe nicht mit

einem derart hohen Pfundkurs gerechnet«, klagt

sie. »Zum Glück haben meine Eltern verstanden,

wie sehr mich das hier weiterbringt. Wenn sie

nicht für die Differenz auf meinem Konto aufkom-

men würden, ja, dann...«

Studiengebühren muß Andrea in Trient nicht be-

zahlen, aber auch sie ist auf ein Stipendium ange-

wiesen, weil sie daheim ihre Wohnung nicht aufge-

ben wollte. In ihrem Fall kommt das Cusanus-Werk

für einen Teil der Kosten auf, da Andrea Stipendia-

tin in der Begabtenförderung der katholischen Stif-

tung ist. Auch die politischen Stiftungen, etwa die

Konrad-Adenauer-Stiftung, legen ihren Stipendia-

ten während des Auslandsaufenthalts ein paar hun-

dert Mark monatlich drauf. Dafür sind die Stipen-

diaten ihren Geldgebern allerdings auch Rechen-

schaft schuldig. »Ich muss dem Cusanus-Werk de-

tailliert berichten«, erklärt Andrea, »welche Ver-

anstaltungen ich besuche und welche Leistungen

mir in Deutschland anerkannt werden. Das ist

manchmal gar nicht so einfach!«

Amerika, du hast es besser?

Vom finanziellen Standpunkt aus ist Amerika,

der Wunschtraum so vieler Studenten, ohne ein

Stipendium irgendwelcher Art fast nicht zu ma-

chen. Außerdem haben die anglophonen Länder

neben den horrenden Gebühren noch einen weite-

ren Nachteil: den Studienaufbau. Ein deutscher

Hauptstudiumsstudent hätte in England oder

Amerika den Bacherlor-Titel vermutlich schon er-

worben und würde im Masters-Programm weiter-

studieren. Aber da die deutsche Zwischenprüfung

nicht als berufsbefähigender Abschluss anerkannt

wird, müssen die Austauschteilnehmer meistens

an den »undergraduate studies« teilnehmen, mit

deutlich jüngeren Kommilitonen. Karsten,

der in Kalifornien studiert hat, beklagt die

Folgen: »Vernünftige Leute waren im Se-

mester eigentlich nicht zu finden. Die mei-

sten waren gerade achtzehn und haben

hauptsächlich die Nächte durchgemacht.

Es hat ein wenig gedauert, bis ich richtige

Freunde gefunden habe. In dieser Hinsicht

ist Amerika nicht so der Hit.«

Vor die eigene Haustür schauen!

Also: Warum in die Ferne schweifen?

Sieh’, das Gute liegt so nah: vierzehn weite-

re EU-Länder nämlich, die es studien-tech-

nisch zu erforschen gilt. Das ist zumindest

die Devise des European Community Ac-

tion Scheme for the Mobility of University

Students, kurz ERASMUS.

Auch dieses Programm vergibt Stipen-

dien, die über die Heimatuniversität relativ

leicht zu ergattern sind und noch einen

unschätzbaren Vorteil haben: dem Stu-

denten bleiben eine Menge bürokratischer

Formalitäten erspart, da die Universitä-

ten solche Dinge in Verträgen festgelegt

haben. Da sind dann Herkules-Arbeiten

wie der Antrag auf eine Aufenthaltsgeneh-

migung in Italien (für EU-Bürger – man

bedenke!) eher kabarettistische Beilagen

für’s Tagebuch.

Aber was hat die Studenten am meisten

beeindruckt? »Ich hätte vor der Abreise nie

gedacht, dass ich mich irgendwo anders so

wohlfühlen und mich so schnell einleben

könnte«, sagt Christiane nach ihrem Jahr in

Montpellier. »Dieses Gefühl, über seinen

Schatten gesprungen zu sein und sich zu

beweisen, dass man sich in völlig anderer

Umgebung behaupten kann – das wiegt

kein Stipendium auf!« K

DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000 11

uni: job oder flop?

»Z eugnisse? Erstklassig. Werdegang? Hochinteressant.

Arbeitshaltung? Hochmotiviert. So weit ausgezeich-

net! Aber eines würde mich noch interessieren: Waren Sie ei-

gentlich schon einmal für längere Zeit im Ausland?« Betrete-

nes Schweigen. Darauf ist der Kandidat nicht vorbereitet. Der

Arbeitgeber lächelt bedauernd – und stellt den anderen Be-

werber ein. Der war nämlich schon je ein halbes Jahr in Lon-

don und in Paris, hat in Mailand und in Buenos Aires studiert

und in Kuala Lumpur ein dreimonatiges Praktikum gemacht.

Man sieht, die Prioritäten sind eindeutig.

Auch das Lebensgefühl spielt mit

Dieser Fall ist natürlich überzogen. Und doch trifft er im

Kern ein Phänomen, vor dem heutzutage kein ambitionierter

Student mehr die Augen verschließen kann. Im Zeitalter der

Globalisierung zählt die Auslandserfahrung mitunter ebenso

viel wie das Examen mit Auszeichnung. Dabei ist es nicht so

sehr die perfekte Beherrschung einer fremden Sprache, die

den Auslandsaufenthalt für den Arbeitgeber so interessant

macht, obwohl Sprachkenntnisse immer sehr gern gesehen

sind. Zum begehrten Kandidaten wird der Bewerber viel-

mehr durch die Tatsache, dass er sich in einer ihm fremden

Umgebung mit fremden Sitten, fremder Sprache und unbe-

kannten Menschen organisiert und zurechtgefunden hat und

vermutlich bereit und in der Lage wäre, dieses Beispiel an fle-

xiblem Verhalten jederzeit zu wiederholen. Diese Tatsache ist

Semester für Semester Motor für vieltausende Studenten in

aller Welt, sich dem »Abenteuer Ausland« zu stellen.

Natürlich spielen bei vielen auch andere Dinge eine Rolle.

Tag für Tag nach dem Lernen einen Kaffee auf dem Montmar-

tre in Paris zu trinken, sonntags in Sankt Peter in Rom zur Mes-

se zu gehen, die Mitternachtssonne vor der Haustür zu haben

oder vielleicht sogar einmal für eine englische Eliteuni im Ru-

derboot auf der Themse sein Letztes zu geben – das sind alles

Dinge, für die es sich lohnt, eine Zeit lang darauf angewiesen

zu sein, sich von Null an neue Kontakte aufzubauen und mit

dem Partner nur via e-Mail oder Telefon zu turteln.

Etliche Studenten zögern mit der Entscheidung für das

Ausland vor allem, weil sie fürchten, Zeit zu verlieren. Sicher,

die deutschen Absolventen sind im europäischen Vergleich

nicht eben die jüngsten, aber obiges Beispiel sollte eigentlich

angedeutet haben, dass Regelstudienzeiten nicht unbedingt

10 DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000

uni: job oder flop?

New YorkAuslandsstudien werden immer mehr zur Regel

Ich war nochniemals in

ANDREA ULLRICH

das wichtigste Einstellungskriterium sind. Da es außerdem an

vielen Hochschulen möglich ist, sich Studienleistungen, die

an der ausländischen Hochschule erworben wurden, auch an

der Heimatuni anerkennen zu lassen, ist das Zeitargument

ein wenig in den Hintergrund gerückt. Objektiv mag man

zwar noch ein wenig langsamer sein als einige andere, aber

der subjektive Erfahrungsgewinn macht die ohnehin gerin-

gen Zeitverluste mehr als wett.

Die Finanzen - schon eher ein Problem!

Ein anderes Problem, das weitaus schwerer wiegt, ist die Fi-

nanzierung. In vielen Ländern ist der Lebensunterhalt teurer

als in Deutschland und hinzu kommen erheblich höhere Te-

lefonkosten als gewöhnlich. Außerdem wollen auch Zug-

oder Flugtickets bezahlt werden. Den weitaus größten Posten

bilden jedoch die Studiengebühren einigen Ländern.

Angelika studiert momentan an der St-Andrews Universi-

ty in Schottland und gibt freimütig zu, dass sie es sich nicht

leisten könnte, wie die anderen UK- oder EU-Studenten

mehr als 8000 Mark für ein Studienjahr zu zahlen. Aber sie

Wer sich heutzutage auf dem Arbeitsmarkt be-haupten will, der braucht mehr als nur einenguten berufsbefähigenden Abschluß. Berufser-fahrung und Flexibilität sind ebenso gefragt wiebeispielsweise Fremdsprachenkenntnisse. Undgerade die letzte Eigenschaften kann nirgendsso gut trainiert werden wie im Ausland. Doches gibt noch andere Gründe, warum immer häu-figer Studenten ihrer Heimathochschule eineZeitlang den Rücken kehren.

Page 6: ENTSCHEIDUNG 03-2000

fahren transparent, rational und nach-

vollziehbar sind und tatsächlich eine be-

sondere Ausbildung der Besten zulassen,

so ist dies im Sinne einer begabungsori-

entierten Förderung zu begrüßen.«

Im Zuge der neuen Anforderungen

werden sich auch die Studieninhalte

verändern. Schon im Jahr 2005 wird die

Hälfte aller Studenten virtuelle Angebo-

te nutzen – das Online-Studium weicht

der klassischen Alma Mater. Private Un-

ternehmen und Hochschulnetzwerke

werden sich vor allem praxisnahen und

lukrativen Studieninhalten widmen.

So ist es auch die Praxisnähe, die bei

der Auswahl von Bewerbern bei großen

Unternehmen eine zentrale Stellung

einnimmt. Eine Befragung des Instituts

der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln

ergab, dass Plätze für Traineeprogram-

me in erster Linie aufgrund absolvierter

Praktika und eines zielgerichteten Le-

benslaufes vergeben werden. Erst da-

nach folgen die Studienschwerpunkte

und die Studiendauer, während The-

ma der Diplomarbeit und Doktortitel

hintere Plätze einnehmen. Beruhigend

für alle Nicht-Absolventen von Elite-

Hochschulen: Der Ruf der besuchten

Universität steht erst an 15. Stelle der

Auswahlkriterien. K

Bereits heute ist es nicht mehr üblich, ein Leben lang bei ei-

nem Unternehmen zu arbeiten. Das traditionelle »Life-

long Employment« weicht flexiblen Arbeitsformen, die hin-

sichtlich ihrer Dauer und ihres Inhaltes begrenzt sind. »Die

eigene berufliche Weiterqualifizierung wird immer wichti-

ger; der Mitarbeiter und Mensch wird immer mehr zum ‘Un-

ternehmer seiner eigenen Arbeitskraft’«, so Gert Stuerzebe-

cher (Bertelsmann AG). So sind alleine ein abgeschlossenes

Studium oder eine Ausbildung bei einem renommierten Un-

ternehmen kein Garant mehr für einen erfolgreichen Beruf-

seinstieg und eine lebenslange Karriere – der Markt ist hart

umkämpft und die Ansprüche der Unternehmen steigen.

Vorbei sind auch die Zeiten, als Juristen und Betriebswirte ei-

nen Großteil des Führungsnachwuchses stellten. Stattdessen

sind zunehmend Generalisten gefragt, deren Studieninhalte

nur von nachrangiger Bedeutung sind. Stuerzebecher: »Im-

mer mehr Unternehmen erkennen, wie wichtig eine poten-

tialorientierte Managemententwicklung wird. Von daher ist

das Wissen von Geistes- und Sozialwissenschaftlern, Natur-

wissenschaftlern oder Ingenieuren gerade in der Kombina-

tion besonders vielversprechend.«

Karriere durch Privatunis?

Auch innerhalb der Unternehmensstrukturen

sind Veränderungen im Gange. »Abbau von Hier-

archien verbunden mit Flexibilität bezüglich Ar-

beitszeit und Arbeitsort«, beschreibt Frank Naeve

(Deutsche Lufthansa AG) den Wandel der kom-

menden Jahrzehnte.

Eine Frage, die sich mit Blick auf die Rekrutierung

des Führungsnachwuchses stellt, gilt der Rolle der

Privatuniversitäten, die auch in Deutschland immer

stärkeren Zulauf verzeichnen: Werden die Chefeta-

gen des 21. Jahrhunderts bevorzugt mit Absolven-

ten von WHU und Co. besetzt? Maren Peters (Volks-

wagen AG), verneint: »Führungspositionen werden

intern nach einer praxisorientierten Bewährungs-

zeit besetzt. Dadurch wird die Chancengleichheit

für alle garantiert.« Anderer Ansicht ist Gert Stuer-

zebecher, der den Begriff »Elite« positiv sieht, im

Sinne von besonderen Fähigkeiten, Verantwor-

tungsbewusstsein und Unternehmergeist: »Wenn

Elite-Universitäten entstehen, deren Auswahlver-

12 DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000

Der Arbeitsmarkt verändert sich. Noch vor einigen Jahren waren

Begriffe wie »lebenslanges Lernen« oder »Halbwertzeit des Wissens« eher

unbekannt, ebenso wie »Employability« und »Softskills«.

Die Berufe der Zukunft werden sich in ihren Anforderungen deutlich von

den bisherigen unterscheiden.

Nachgefragt1. Wie sollen Studenten ihre Studienzeit gestal-ten, um bei Bewerbungen nach dem Studiumbessere Erfolgsaussichten zu haben?

Bertelsmann AG, Gert Stuerzebecher: Im Stu-dium (und insbesondere am Anfang des Stu-diums) sollte man ausprobieren, lernen, dannaber auch einen Zielfokus entwickeln und sichschliesslich für eine spätere praktische Tätigkeitqualifizieren. Die setzt voraus, nicht nur »Theo-rie« zu pauken, sondern das theoretisch gelern-te in unterschiedlichen Kontexten zu erproben,also Praktika im In- und Ausland, in verschiede-nen Sektoren wie Wirtschaft oder öffentlichemLeben. Effizienz und Zielorientierung sind dabeiwichtig, sollten aber nicht ein breites, die Inte-ressen- und Begabungsschwerpunkte ausschöp-fendes »Studium generale« verhindern.

Volkswagen AG, Maren Peters: Empfehlenswertist es, während der gesamten Studienzeit Prakti-ka zu absolvieren, um so erste berufliche Erfahrun-gen zu gewinnen. Weiter empfiehlt es sich, einmehrwöchiges Praktikum oder ein ganzes Studien-semester im Ausland zu verbringen, um so inter-nationale Erfahrungen sammeln zu können.

Deutsche Lufthansa AG, Frank Naeve: Manmuss Marktnischen finden, Zusatzqualifikatio-nen während des Studiums erwerben und früh-zeitig Kontakte mit möglichen Arbeitgebernaufnehmen. Eine zielorientierte Studienwahlund -durchführung ist wichtig und sie musslogisch nachvollziehbar sein. Aber auch außer-universitäres Engagement ist hier zu nennen.

2. Was ist hinsichtlich Praktika und Auslands-aufenthalten zu beachten?

Bertelsmann AG, Gert Stuerzebecher: Praktika sindwichtig für die »Einjustierung« auf die Realität, siegeben die Möglichkeit, Wissen und Fähigkeiten zutransferieren und insbesondere auszuloten, obein potentiell interessantes künftiges Betätigungs-feld tatsächlich zu einem passt. Auslandsaufent-halte, sei es durch Studium oder durch Praktika,sind nicht mehr Luxus, sondern notwendig. Dortlernt man, sich auf Neues flexibel einzustellen, an-dere Kulturen, Kommunikationsweisen und Ge-bräuche werden erfahrbar, insbesondere lerntman auch über sich selbst und die eigene Herkunftmehr, als wenn man immer in seinem angestamm-ten geographischen Bezugsrahmen verbleibt.

Volkswagen AG, Maren Peters: Mindestens einPraktikum sollte mit einer Zeitdauer von mehrals drei Monaten absolviert werden. Für die Er-weiterung der eigenen Sprachkompetenz undfür die Sammlung von internationalen Erfahrun-gen bewährt sich immer ein Auslandsaufenthalt.

Deutsche Lufthansa AG, Frank Naeve: Auf In-halte achten! Man sollte genügend Zeit einpla-nen, damit Projekte abgeschlossen werden kön-nen. Zu beachten sind die Vorlaufzeiten bei derBewerbung. Gut ist auch, sich abzuheben vonMitbewerbern durch eine besondere Länder-oder Praktikawahl (USA hat jeder)

3. Die Rolle des »außeruniversitären Engage-ments« spielt bei Bewerbungen zunehmendeine wichtige Rolle. Auf welche Details achtenSie diesbezüglich bei Bewerbungen?

Bertelsmann AG, Gert Stuerzebecher: Wir sindaktiven, initiativen und eigenständigen Men-schen interessiert, die ihren Beitrag bei derSchaffung der Medienwelt der Zukunft leistenwollen. Hinweise auf solche unabhängigen Per-sönlichkeiten und »Macher-Naturen« lassen sichbereits aus biographischen Informationen ge-winnen, sofern es sich um »echtes« Engagement

handelt. Dieses Engagement kann selbstver-ständlich die verschiedensten Facetten haben.

Volkswagen AG, Maren Peters: Der Bewerberzeigt durch sein außeruniversitäres Engagement,dass er vielseitig interessiert und qualifiziert ist.In welche Richtung das Engagement geht, istnicht entscheidend.

Deutsche Lufthansa AG, Frank Naeve: Die Über-nahme von Führungsverantwortung, kreativeund innovative Ideen sind gefragt. Auch sozialesEngagement bringt einen weiter.

4. Die Wirkung der Bewerbungsunterlagen sindvon entscheidender Bedeutung für das weite-re Bewerbungsverfahren. Welche Mängelentdecken Sie häufig in diesen Unterlagen?

Bertelsmann AG, Gert Stuerzebecher: Die Be-werbungsunterlage ist oft der erste Kontaktzwischen Unternehmen und Bewerber, diesemersten Eindruck kommt daher besondere Be-deutung zu. Es sollte sich von selbst verstehen,dass Bewerbungsunterlagen in fehlerfreiemDeutsch abgefasst werden – leider ist dies oftnicht so! Massenbewerbungen, in denen nichts-sagende Anschreiben an die »Sehr geehrten Da-men und Herren« gerichtet werden, führen inden seltensten Fällen zum Erfolg. Zu empfehlenist, sich in seinem Bewerbungsverfahren auf diewirklich Erfolg versprechenden Adressen zukonzentrieren und durch sorgfältige RechercheAnsprechpartner und mögliche Einstiegsoptio-nen zu identifizieren. Sodann sollten Anschrei-ben und Lebenslauf auf die in Frage stehendeAufgabe kommunikativ abgestimmt werden.

Volkswagen AG, Maren Peters: HäufigsterMangel ist, dass der Bewerber nur vage Berufs-vorstellungen in der Bewerbung angibt unddadurch schwierig einzuordnen ist.

Deutsche Lufthansa AG, Frank Naeve: Prinzipielllässt sich sagen, dass die Qualität der Bewerbungs-unterlagen durch entsprechende Trainings undunzählige Veröffentlichungen so hoch ist, dasszumindest im Führungsnachwuchsbereich keineBewerbungen eingehen, die tatsächlich aufgrundvon Mängeln aus dem Auswahlprozess fallen.

5. Wie kann sich ein Bewerber in seiner Bewer-bung von seinen Mitbewerbern positiv abheben?

Bertelsmann AG, Gert Stuerzebecher: Indemdeutlich wird, warum dieser Bewerber geradezu diesem Unternehmen möchte und warum ersich genau für diese Aufgabe interessiert. DurchAnschreiben und Lebenslauf, die Eindruck ma-chen, ohne dabei hyperaktiv, überoriginell oderaufdringlich zu sein. Je mehr man im Vorfeldüber ein Unternehmen und eine zu besetzendeStelle weiss, desto besser. Wenn man einer Be-werbung eine entsprechend sorgfältige Recher-che anmerkt und die Unterlagen in diesem Zu-sammenhang »Sinn machen«, kommt es eigent-lich immer zum Vorstellungsgespräch.

Volkswagen AG, Maren Peters: Der Bewerberschafft es, in seinen Unterlagen in knapperForm ein relativ klares Bild von sich und seinenWünschen zu zeichnen. Sehr wichtig ist es her-auszustellen, welche besonderen spezifischenQualifikationen er hat, die ihn gerade für die-ses Unternehmen interessant machen.

Deutsche Lufthansa AG, Frank Naeve: Vor Ein-sendung der Bewerbung sollte bereits Kontaktaufgenommen werden. Wichtig ist, die eigenePersönlichkeit in der Bewerbung zu skizzieren,wichtig vor allem in Hinblick auf die größerwerdende Bedeutung von Softskills.

Neue Berufspro-

file verändern die

Anforderungen

an die Bewerber

GEORG MILDE

MARKETING

in eigener Sache

Page 7: ENTSCHEIDUNG 03-2000

Das rechte Maß an Anonymität

Allzu viel Überschaubarkeit möchten viele Studenten aber

auch wieder nicht. In kleineren Städten mit großen Unis wie

Heidelberg oder Freiburg oder auch Bonn ist ja aufgrund der

Studentenzahl noch ein gewisser Grad an Privatsphäre und

Anonymität gesichert. Aber wenn eine wirklich kleine Stadt

mit einer – vielleicht sogar besonders guten – kleinen Hoch-

schule zur Wahl steht, tun sich etliche junge Menschen

schwer damit. Christine hat an der Detmolder Musikhoch-

schule klassische Gitarre studiert und bewirbt sich jetzt in

Berlin auf einen Studienplatz an der Musikhochschule Hanns

Eisler. »Mir ist klar«, sagt sie, »dass es hier in Berlin mit orga-

nisatorischen Dingen wie Räumen zum Üben oder ähnli-

chem nicht so gut aussieht wie in Detmold, aber eine so fami-

liäre Atmosphäre wie dort möchte ich nicht nochmal haben;

denn wenn man am Abend mit jemandem ausgeht, weiss es

am nächsten Morgen schon die halbe Hochschule.«

Massenuniversitäten – ein zweischneidiges Schwert

Neben den bisher geschilderten Fällen gibt es aber auch et-

liche angehende Studenten, die ihre Ortswahl vom Fach ab-

hängig machen. Dabei haben bei den sogenannten Orchideen-

fächern wie Kurdologie, Indogermanistik oder Musikethnolo-

gie natürlich die großen Städte Vorrang. Abgesehen davon,

dass viele vergleichbare Fächer schon an mittelgroßen Univer-

sitäten gar nicht angeboten werden, bieten die Großstädte ei-

nen weiteren Vorteil. Wer beispielsweise in Berlin für Musik-

wissenschaft immatrikuliert ist, kann an Instituten von vier ver-

schiedenen Hochschulen Leistungsnachweise erwerben: an den

drei Universitäten und an der Hochschu-

le der Künste. Das gilt, je nach Studien-

angebot, auch für andere Fächer.

Andererseits sind Studienanfänger ge-

rade bei einer solchen Vielfalt an mögli-

chen Fächern, Kombinationen und Ex-

tra-Angeboten verstärkt auf Kontakte

zu älteren Semestern und deren Start-

hilfe angewiesen. Dieser Punkt geht wie-

der eindeutig an die kleineren Univer-

sitäten: Das Kennenlernen ist erheblich

einfacher, wenn man zum Beispiel in

der Mensa immer wieder über die sel-

ben Leute stolpert. Darüber hinaus ist

die Anonymität an den Massenuniver-

sitäten wohl auch mit verantwortlich

dafür, dass die studentische Politik dort

ein (meist linksradikales) Schattenda-

sein führt. Wahlen oder Versammlun-

gen gehen einfach in der Masse unter.

Der Geheimtipp: Die Fachhochschule

Gerade diese Negativa haben in den

letzten Jahren einen anderen Trend

deutlich verstärkt: den Gang zur Fach-

hochschule. Nähe zum Alltag, Praxisbe-

zogenheit, gute Lernbedingungen und

auch kürzere Studienzeiten sind die

Pluspunkte, mit denen diese Einrich-

tungen werben. Hinzu kommt, dass der

Studienablauf klar vorgegeben wird

und die Studenten deshalb weniger Zeit

verlieren. Außerdem: Überqualifikati-

on und fehlende Praxis machen Univer-

sitätsabsolventen in Deutschland immer

stärker zu schaffen. Auf dem Arbeits-

markt sind Spezialisierung und Effizi-

enz gefragt. Deshalb ziehen gerade klei-

ne und mittlere Betriebe immer häufi-

ger Fachhochschulabsolventen denUni-

versitätskollegen vor. Kleinere Hoch-

schulstandorte gerade in den Neuen

Ländern haben diese Tendenz genutzt

und so erfreuen sich beispielsweise die

Fachhochschule in Neubrandenburg,

aber auch die TU Cottbus, wachsender

Beliebtheit. Die anfängliche »Ost-pho-

bie« bei Studienanfängern aus dem Alt-

bundesgebiet hat stark nachgelassen.

Sabine aus Stuttgart fühlt sich in Neu-

brandenburg sehr wohl: »Ich weiss nicht

wieso, aber irgendwie ist der Studienall-

tag hier nicht so miefig und eingefahren

wie an vielen Unis im Westen, wo alles

seit Jahrzenten den selben Gang geht.

Hier herrscht sowas wie Aufbruchsstim-

mung und das motiviert!« K

DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000 15

uni: job oder flop?

Bei nicht wenigen Studenten läuft die Wahl des Studienor-

tes letztendlich auf die gute alte Heimatstadt hinaus. Wer

sich jedoch seine »letzte Freiheit vor dem Berufsalltag« (so die

landläufige Meinung über das Studentendasein) nach indivi-

duellen Vorlieben gestalten möchte, der hat fast unbegrenzte

Wahlmöglichkeiten, was Stadt und Lehranstalt angeht. Ein-

mal Großstadtluft schnuppern oder einmal aus der Anonym-

ität der Metropole fliehen und sich nur unter seinesgleichen

wiederfinden, einmal wo ganz anders hinziehen. Das sind die

eigentlichen Beweggründe für die allermeisten, die mit der

Immatrikulation auch den Wohnort wechseln.

Metropolen – noch immer aktuell

Dabei üben nach wie vor die ganz großen unter den Uni-

versitätsstädten eine enorme Anziehungskraft aus. Juliane,

die an der Freien Universität in Berlin Politologie studiert, er-

klärt ihre Uniwahl so: »Für mich – ich komme vom Land aus

Niedersachsen – ist das eine unheimlich tolle Erfahrung, in so

einer riesigen Stadt zu wohnen. Immer und überall ist etwas

los und es ist ganz egal, worauf ich gerade Lust habe: Irgend-

wo wird bestimmt ein entsprechendes Event angeboten. Das

ist einfach klasse!« Tatsächlich ist es vor allem das Kulturan-

gebot, das Städte wie Hamburg, Berlin und München als Stu-

dienstandorte attraktiv macht. Die Studienbedingungen hin-

gegen, vor allem für die großen Fächer wie Jura oder Medi-

zin, werden häufig in den kleineren Städten für besser gehal-

ten als in den Metropolen.

Großstädter zieht es »in die Provinz«

Bei vielen gebürtigen Großstädtern liegen typische Univer-

sitätsstädte wie Marburg oder Heidelberg im Trend. Clemens

aus Berlin hat der Zentralen Vergabestelle für Studienplätze

gerade mitgeteilt, dass sein Erstwunsch für das Betriebswirt-

schaftsstudium Freiburg heisst. »Ich wollte eben mal raus aus

der Großstadt. In einer Stadt zu wohnen, die zum großen Teil

aus Studenten besteht und die überschaubar ist und wo man

eben in der Mittagspause auch ohne Verabredung jemandem

über den Weg laufen kann, das muss doch nett sein.«

14 DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000

uni: job oder flop?

Tübingen oder Berlin? Hamburg oder Frei-

burg? München? Heidelberg? Oder vielleicht

sogar Neubrandenburg? Studienanfänger

von heute sehen sich schon vor Beginn der ei-

gentlichen Plackerei mit einer folgenschweren

Entscheidung konfrontiert: der Wahl ihrer

zukünftigen akademischen Ausbildungsstät-

te. »Warum machst du dir so viele Gedanken?«

bekommt da manch einer von seinen Eltern

zu hören. »Ist es denn nicht völlig gleich, ob

du in Frankfurt am Main oder an der Oder

studierst? Bleib doch lieber zuhause, das ist

doch viel einfacher für uns alle.«Klein

und fein oder

großeweite

Welt

Kleinund fein oder

großeweite

Welt

Die Wahl des richtigen Studienortesist schwerer, als es scheint

ANDREA ULLRICH

Hasta luego Alemaña

Praktika, gerade die im Ausland,sind wichtig für uns Studenten, diewir orientierungslos auf den Ar-beitsmarkt zustolpern. In manchenStudiengängen gehören sie zumPflichtprogramm. BWLern stehenin dieser Hinsicht alle Türen offen.Auch finanziell. Wir Geistes- undSozialwissenschaftsstudis haben esda schon schwerer. Uns bleibt oftnur der müßige Gang zum Akade-mischen Auslandsamt, um wenig-stens noch einen Fahrtkostenzu-schuss vom DAAD zu ergattern.

Das klappt dann meist aufgrundabsurder Unterlageneinreichungs-fristen (»Was? Aber da wusste ichnoch gar nichts von meinen Plä-nen!«) oder unzureichenderSprachkenntnisse sowieso nicht.Andererseits ist es auch nicht dasschlechteste, ein unbezahltesPraktikum zu machen, aber ebennur solange wie man sich nichtzu Frohndiensten á la kopieren

im Akkord abkommandierenlässt. Das liegt aber bei jedemselbst. Das Wichtigste ist nämlich,dass man selbst vom Praktikumetwas hat. Fachlich und vor al-lem menschlich.

Daher mache ich mich nun aufnach Bogotá (»Mädchen, ist dasnicht zu gefährlich?«), um mich inder Behördenorganisation he-rumzutreiben. Nebenbei soll eineHausarbeit über das kolumbiani-sche Rentensystem herauskom-men. Hört sich nicht so umwer-fend an? Ist es aber. Gerade in denOECD-Ländern können wir uns inSachen Rente ja nicht mehr insFäustchen lachen. Das Praktikumist selbst organisiert und wird, dasist wichtig, von der Uni als solchesanerkannt. Möglichkeiten gibtes viele, man muss bloß genauwissen, was man wo will.

Kristin Vorpahl

Page 8: ENTSCHEIDUNG 03-2000

mesterferien. Die Studenten haben an ihrer Universität aber

auch einen nicht zu unterschätzenden Vorteil: Sie lernen in

Kleingruppen und in einem fast großfamiliären Umfeld und

– für viele ihrer Kollegen an den staatlichen Hochschulen

nicht so angenehm – sie haben Anwesenheitspflicht für die

Veranstaltungen. Die Belohnung nach diesem nicht zu un-

terschätzenden Lern- und Prüfungsmarathon ist eine lukrati-

ve Anstellung in einem Unternehmen, die man allerdings an-

gesichts der eventuell selbst zu tilgenden Studiengebühren in

Höhe von 15.700 Mark pro Studienjahr auch benötigt.

Bildung statt Ausbildung?

Der Kampf für Absolventen einer unserer staatlichen Hoch-

schulen um einen Arbeitsplatz ist mitunter härter und länger

als für Absolventen privater Hochschulen. Dadurch, daß staat-

liche Hochschulen nicht ausschließlich am Markt orientiert

ausbilden müssen, kommt es zu einem teilweise Überangebot

von Absolventen, wie an der heutigen Juristenschwemme zu

erkennen ist. Die staatlichen Hochschulen haben den Vorteil,

nicht in erster Linie an dem Erfolg ihrer Studenten in der »Ar-

beitswelt« gemessen zu werden. Sie können sich, wie der Prä-

sident der Universität Witten-Herdecke (UWH), der Philo-

soph Walther Zimmerli sagt, unabhängig von den Marktchan-

cen überlegen, was die Inhalte ihrer Ausbildung sein sollen.

Die staatlichen Universitäten dürfen sich aber auch gar nicht

auf das Spiel einlassen, Privathochschulen zu imitieren. Sie

spielen in einer anderen Liga, unter anderem deswegen, weil

sie sich staatlich finanzieren – auch wenn fast alle Privatuni-

versitäten auf staatliche Zuschüssen angewiesen sind.

Wettbewerb der Zuschüsse

In den staatlichen Zuschüssen für Privathochschulen sieht

Professor Dr. Klaus Landfried, Präsident der Hochschulrek-

torenkonferenz (HRK), auch einen der wesentlichen Kri-

tikpunkte an diesem Hochschulmodell. Er merkte im Rah-

men seines Jahresberichtes vor dem 187. HRK-Plenum an,

daß man die umfangreiche finanzielle Förderung einiger

neugegründeter »Privatuniversitäten« durch einige Bun-

desländer, begleitet von Mittelkürzun-

gen und Personalabbau an staatlichen

Hochschulen, die immerhin 98 Prozent

aller Studenten in der Bundesrepublik

ausbilden, mit Besorgnis betrachten

muß. Zu Recht. Wie ist es zu erklären,

daß Länder, die ein Verbot von Studien-

gebühren im Hochschulrahmengesetz

fordern, gleichzeitig von den geplanten

Studentenzahlen her betrachtet kleine

private Hochschulen mit für ihre Größe relativ hohen Inve-

stitionsmitteln unterstützen und ihnen jährliche Studienge-

bühren von bis zu 20.000 Mark gestatten? Zumal noch mit

Subventionen aus Steuermitteln für den laufenden Betrieb

zu rechnen ist. Eine solche Subventionierung kann jedoch in

eine »Zwei-Klassen-Gesellschaft« von Hochschulen führen,

die nicht begründet ist. Private Einrichtungen machen we-

der besondere Angebote, die die staatlichen Hochschulen

nicht machen, noch sind private Hochschulen pro Absolvent

kostengünstiger als die staatlichen. Somit sollten

private Hochschulen prinzipiell auch privat finan-

ziert werden.

Reformen staatlicher Hochschulen

Die Freiheit von Forschung und Lehre staatli-

cher Hochschulen darf hingegen nicht dazu

führen, daß es keinerlei Reformen gibt. So ist wohl

die Verwaltung eine der größten Geisseln unserer

staatlichen Hochschulausbildung. Viele talentierte

Akademiker gehen heute ins Ausland, auch weil

sie sich dort freier und von Bürokratie ungebunde-

ner ihrer Forschung widmen können. Auch muß

man sich überlegen, an welchem Rad man drehen

muß, um bei unseren überlaufenen Universitäten

noch einen vernünftigen Lehrbetrieb zu gewähr-

leisten. Liegt eine Schwäche hauptsächlich bei den

Herren Professoren, die sich lieber ihren Publika-

tionen widmen, anstatt sich intensiver um ihre

Studenten zu kümmern oder ist es nicht eher so,

daß es auch viel zu viele junge Menschen mit

Hochschulzugangsberechtigung gibt?

Erst wurde das Abitur sozialisiert und dann be-

schwert man sich, daß es zu viele Studenten gibt

und die Universitäten hoffnungslos überlaufen sind.

So studierten 1950 nur 3 Prozent eines Altersjahr-

ganges, 1999 waren es schon 30 Prozent. Da darf es

nicht überraschen, wenn in den 70er-Jahren auf ei-

nen Professor 22 Studenten kamen und es jetzt 57

Studenten je Professor im Durchschnitt sind. Auch

kann es nicht sein, daß es an der Universität Stutt-

gart 1996 einen Sturm der Entrüstung gab, als die

damalige Rektorin, Frau Professor Heide Ziegler,

mit einer Briefaktion alle Studenten, die mehr als

achtzehn Fachsemester immatrikuliert waren, zum

Abschluß oder zur Exmatrikulation drängen wollte.

Hier muß ein vernünftiger Riegel vorgeschoben

werden, damit Bummelstudenten nicht die Studi-

enplätze für Nachrückende blockieren.

Wie geht’s weiter?

Es kann weder die private noch die staatliche

Universität für sich in Anspruch nehmen, die voll-

kommene Hochschulart zu sein. Ist die private Uni-

versität in der Lage sich verhältnismäßig schnell

auf sich verändernde Anforderungsprofile einzu-

stellen und ihre Studenten haben ein kurzes Stu-

dium, so ist der Vorteil der staatlichen Universi-

tät in ihrer Unabhängigkeit und in der Vielfalt ih-

res Lehrangebotes zu sehen. So ist nicht das Ein-

heitsmodell die Lösung, sondern eine große Viel-

falt, in der die privaten Universitäten als ein

»Leuchtfeuer« gelten können. K

DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000 17

uni: job oder flop?

Es gibt einen Hauptunterschied zwischen privaten Hoch-

schulen und staatlichen Hochschulen: Die privaten müs-

sen sich am Markt behaupten! Sie sind dem Gesetz von Ange-

bot und Nachfrage unterworfen. Ist ihr Produkt schlecht, so

wird es nicht gekauft, wie in jedem produzierenden Gewerbe.

Nur das in diesem Fall das Produkt die ausgebildeten jungen

Akademiker sind, die sich gegen die Konkurrenz von den

staatlichen Hochschulen durchsetzen müssen. Dieser Kampf

um das Bestehen am Markt zwingt die privaten Universitäten,

sich ihre Studenten auszuwählen. Ein Privileg, um das sie

manch staatliche Hochschule beneidet. Nur wenn sie auch

gutes »Material« erhalten, können sie leichter gute »Produk-

te« daraus formen. Es müssen motivierte Studenten sein.

Erwartungsdruck

So verlangt die European Business School (ebs), Schloß

Reichertshausen, eine private wissenschaftliche Universität

für Betriebswirtschaftlehre, etwa 55 Klausuren, Seminar und

Projektarbeiten in vier bis fünf Jahren, zudem noch einen

praktischen Ausbildungsteil in Form von Praktika in den Se-

16 DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000

uni: job oder flop?

In die Diskussion um eine Reform der

bundesdeutschen Hochschulen drängen

sie sich die Privaten immer stärker auf. Sie

haben den Ruf Kaderschmieden zu sein;

teuer, exklusiv, anspruchsvoll und karrie-

refördernd. Private Hochschulen nach US-

amerikanischem Vorbild. Meist sind sie

wirtschaftorientiert, dazu konzipiert, den

Nachwuchs für die Vorstandsetagen durch

hartes Studium verbunden mit »Auslands-

einsätzen« zu trimmen. Es stellt sich die

Frage, ob die private Hochschule das Bil-

dungsmodell der Zukunft ist.

Was bringen private Hochschulen?

Privat oderstaatlich?

Das istdie Frage

JAN-HENDRIK KLAPS

»Die Freiheit vonForschung und

Lehre staatlicherHochschulen darf

nicht dazu führen,dass es keinerleiReformen gibt.«

Page 9: ENTSCHEIDUNG 03-2000

Hier bietet sich gleichzeitig die

Chance, die Hochschulfinanzie-

rung grundlegend zu reformieren, um

die Studienbedingungen erheblich zu

verbessern: Eine Lehre mit überfüllten

Hörsälen, schlechten Veranstaltungen,

fehlender Betreuung, leeren Bibliothe-

ken, gekürzten Studiengängen, unbe-

setzten Lehrstühlen und vielen admi-

nistrativen Hürden einer großen Ver-

waltung darf nicht die Norm sein.

Die Fragestellung war: Wie kann

man Anreize schaffen, dass sich die Stu-

dienbedingungen grundlegend verbes-

sern, dass Studieren an deutschen Hoch-

schulen wieder Spaß macht, dass die

Professoren sich für ihre Studenten in-

teressieren, die Ausstattung stimmt etc.

? Das derzeitige System bietet diese An-

reize nicht, das bekommen wir als Stu-

denten jeden Tag zu spüren.

Um hier eine grundlegende Verbesse-

rung zu erreichen, müssen Marktmecha-

nismen stärker genutzt und Leistungs-

anreize erzeugt werden. Dabei sollen Stu-

denten stärker an den Kosten ihrer Aus-

bildung beteiligt werden. Die Nachteile

der sozialen Diskriminierung und Ab-

schreckung müssen vermieden werden.

Folgende Anforderungen haben wir an

ein Studienbeitragsmodell gestellt:

E Das System soll Anreize zu effizien-

tem Handeln für Hochschulen, Studen-

ten und Staat schaffen

E Durch die Steuerung durch Nachfra-

ge nach Bildung soll Wettbewerb zwi-

schen den Hochschulen entstehen

E Der Mittelzufluss aus den Studien-

beiträgen muss direkt und sofort an die

Hochschulen erfolgen. Die Einführung

von Studienbeiträgen ist also ein unmit-

telbarer Beitrag zur Behebung der Un-

terfinanzierung an den Hochschulen

E Das System muss Chancengerechtig-

keit herstellen und sozialverträglich sein.

Sozialverträglichkeit bedeutet nicht, dass

nur die Kinder wohlhabender Eltern

zahlen müssen, sondern dass alle Stu-

dierenden, egal welcher Herkunft, in die

Lage versetzt werden, Studienbeiträge

zu zahlen (durch Darlehensaufnahme

mit staatlicher Bürgschaft und einkom-

mensabhängiger Rückzahlung)

E Das Modell darf zu keinen weiteren

staatlichen Belastungen führen. Das be-

deutet, dass das Modell auch in Zeiten

knapper Kassen des Landes Berlin um-

gesetzt werden kann.

E Die Rückzahlung soll in Abhängig-

keit vom späteren Lebenseinkommen

erfolgen.

Der Stifterverband der Deutschen

Wissenschaft und das Centrum für

Hochschulentwicklung haben 1998

gemeinsam ein Studienbeitragsmodell

entwickelt, das diesen Ansprüchen in

hohem Maße genügt. Darin ist vorge-

sehen, dass etwa 20-30 Prozent der

Ausbildungskosten (Kosten der Lehre)

von den Studenten in Form von Studi-

enbeiträgen selbst aufgebracht werden

(ca. 200 bis 1000 Mark pro Semester

für Wirtschaftswissenschaftler). Um die

Beiträge zahlen zu können, müssen vie-

le Studenten einen Kredit aufnehmen,

der in Abhängigkeit vom späteren Le-

benseinkommen zurückgezahlt werden

soll. Nur, wer später über ein entspre-

chend hohes Einkommen verfügt, muss

den Kredit zurückzahlen. Der Studien-

beitrag wird pro Semester erhoben – die

letztendliche Darlehenshöhe ist damit

von der Studiendauer abhängig. Die

verbleibenden 70-80 Prozent der Aus-

bildungskosten soll auch weiterhin der

Staat tragen. Allerdings sind hier Bil-

dungsgutscheine die beste Form. Auch

hier erfolgt eine Umstellung der bisher

angebotsorientierten hin zu einer nach-

frageorientierten Finanzierung. Der Wert

eines Bildungsgutscheins ergibt sich aus

den durchschnittlichen Kosten eines

Studiengangs pro Semester minus des

Anteils der Studienbeiträge. Das Land

gibt diese Gutscheine an jeden Hoch-

schulzugangsberechtigten aus. Der Stu-

dent löst die Gutscheine an der Hoch-

schule seiner Wahl ein und diese wie-

derum holt sich das Geld vom Land.

Grundsätzlich muss jeder Student den

Studienbeitrag zahlen. Diese Beiträge

fließen direkt an die Hochschule (am

besten an die Fakultät), an der der be-

treffende Student immatrikuliert ist. Das

führt unmittelbar zu einer Anbieter-

Nachfrager-Beziehung zwischen Student

und Hochschule und damit zu erhebli-

chem Wettbewerb der Hochschulen um

die Gunst der Studenten: Wären viele

Studenten unzufrieden mit dem Lehr-

angebot einer Uni und wollten wechseln,

würde das heute niemanden stören – im

Gegenteil: damit nähme die Arbeit für

Professoren und Mitarbeiter ab und es

gäbe nicht einmal Sanktionen wegen der

schlechten Lehre. Würden mit diesen

Studenten jedoch auch Beiträge und Bil-

dungsgutscheine wegfallen, könnte das

die Universitäten empfindlich treffen.

Andersherum: Mit der Gunst der Stu-

denten wächst auch die Ausstattung.

In der Bildungspolitik müssen neue

Wege beschritten werden. Wenn der

echte große Wurf mit einer strukturel-

len, tiefgreifenden Reform der Hoch-

schulen nicht den Bildungspolitikern

(insbesondere in den Bundesländern)

gelingen wird, dann werden die Finanz-

politiker »reformieren«; und das wäre

verheerend für den Hochschul- und Bil-

dungsstandort Deutschland. K

DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000 19

uni: job oder flop?

Das 4. Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengeset-

zes sieht bessere Möglichkeiten zum Transfer von be-

reits erbrachten Studienleistungen vor – z.B. der Teilnahme

an Vorlesungen, dem Erbringen von Hausarbeiten, Semi-

nararbeiten etc. Bislang zählte nur, ob man bestanden oder

eben nicht bestanden hat. Das bereits vor zwei Jahren einge-

führte Credit Point System gibt die Möglichkeit, für eben sol-

che Studienleistungen Punkte zu vergeben, von denen man

am Ende des jeweiligen Studienabschnittes eine Mindestan-

zahl haben muß. Aber das Wechseln der Hochschule oder

des Studienfaches wird erheblich erleichtert.

Einige Beispiele: Ein Student...

E ...aus München gelangt zur An(Ein-!)sicht, daß es in

Schleswig-Holstein viel schöner ist. Aus München zieht er

weg und studiert ab sofort an der Christian-Albrechts-Univer-

sität zu Kiel – ohne European Credit Point System ist die An-

erkennung guter Leistungen eine reine Ermessenssache der

jeweiligen Fakultät, mit dem European Credit Point System

kann man auf bereits erworbenen Punkten aufbauen.

E ...der BWL studiert, meint, daß er mit seinem Studienfach

nicht die richtige Wahl getroffen hat. Er entscheidet sich, Jura

zu studieren und bricht BWL ab. Ohne das Credit Point Sy-

stem muß er alle Studieninhalte der Rechtswissenschaften

durchlaufen – mit dem Credit Point System kann er z.B. im

Abschnitt Wirtschaftsrecht bereits erarbeitete Punkte auf den-

selben Abschnitt im Jura-Studium anrechnen lassen und um-

geht somit eine Wiederholung von bereits gelerntem Stoff.

E ...der in nahezu allen Hausarbeiten, Semi-

naren oder sonstigen Prüfungen gute, durch-

schnittliche oder ausreichende Leistungen

bringt, hat bei der Abschlußprüfung einen

schlechten Tag und fällt in der Prüfung durch.

Das ECPS modularisiert das Studium hin-

gegen: Wer im jeweiligen Studienabschnit-

te die ausreichende Punktzahl erreicht hat,

braucht am Ende des Studiums nicht den ge-

samten gelernten Stoff zu wiederholen und

abgeprüft zu werden.

Dadurch, daß dieses Credit Point System auch

im europäischen Ausland praktiziert wird, wer-

den Wechsel an Hochschulen im europäischen

Ausland wesentlich attraktiver.

Freizügigkeit erhalten,Vergleichbarkeit herstellen

Eines muß man jedoch beachten: Das bislang

eher freizügig gestaltete Studium, wo man von

der Teilnahme an Vorlesungen bis hin zur An-

zahl der Semester nahezu alles selbst entschei-

den konnte, wird verpflichtender. Es findet al-

so eine Art »Verschulung« statt. Die Mindest-

punktanzahl muß nun einmal erreicht wer-

den. Drunter geht es nicht.

Neben den vielen Vereinfachungen, die das

ECPS bringt, erhält man durch diese Art des

Studiums auch eine Möglichkeit zum Ver-

gleich der erbrachten Leistungen in einem

Fach – das, was an den Schulen also das Zen-

tralabitur bringen soll, ist an den Hochschu-

len bereits möglich. Ob nun ein Schüler oder

ein Student – wer Leistung bringt, muß auch

wissen können und dürfen, wie gut er im Ver-

gleich zu anderen ist. K

18 DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000

uni: job oder flop?Hamburg, München, Berlin – oder doch lie-

ber im Ausland? Für Abiturienten gestaltet

sich die Frage nach dem richtigen Studienort

häufig sehr schwierig. Der berufliche Vorteil

eines Studiums im Ausland aber auch Uni-

Rankings und der Ruf einer Hochschule spie-

len in die Entscheidung hinein. Neu ist das

Wechseln von Hochschulen keinesfalls. Neu

aber ist die Möglichkeit, bereits erbrachte

Studienleistungen bei einem Wechsel der

Hochschule – bei gleichen Inhalten sogar des

Studienfaches – anrechnen zu lassen.

Die Vergleichbarkeit von Bildungs-

abschlüssen durch das European Credit

Point System (ECPS)

Von MünchenbisKiel MARK BLUE

»Warum fordern Studenten Studiengebühren?« wurden wir als Teil-

nehmer eines Seminars an der Universität oft von unseren Kommilito-

nen gefragt. Der Grund ist offensichtlich: Die Studiensituation an den

Hochschulen ist seit langem nicht zufriedenstellend. Und für die Zukunft

muss ein Modell gefunden werden, das die Ausstattung der Hochschu-

len unabhängig von der Finanzlage der Länder sicherstellt.

KATRIN SCHWEINS, WOLFGANG STRICKER

Studiengebühren alsHeilmittel

Page 10: ENTSCHEIDUNG 03-2000

lifestyle

Börsenspekulation via Internet ruft

mittlerweile auch den deutschen

Pioniergeist auf den Plan. Wer nicht

selbst eine E-Firma an den Markt

bringt, der investiert eben. Die ameri-

kanischen Kids haben es vorgemacht.

Und dann gibt es natürlich noch die

jungen Feuilletonisten, die sich gegen-

seitig hochloben, um die Missgunst

der alten Revierwölfe ertragen zu kön-

nen. Benjamin von Stukkard-Barre

zum Beispiel, der Vorzeige-Zeitungs-

mann der jungen Journalistengilde

möbelt derzeit das Image der FAZ auf.

Er und all die anderen des neuen Ber-

lin puschen sich selbst zum Medien-

event und ernten dafür oft mehr als

nur Spott. Alles toll und Sonnen-

schein, aber wo bleiben die, die E-Mail

für Emaille halten und bei yahoo an

die Flintstones denken? Diejenigen

also, denen schlaue Werbeleute zum

Abonnement eines bekannten Wo-

chenmagazins raten, um ihr Wissen

aufzubessern?

Wundermedium TV

Die Antwort hierauf gibt das letzte

Fernsehjahrzehnt. Das Fernsehen gilt

bisweilen als das einzige Medium in der

Gesellschaft, dass sich noch richtig ba-

sisnah gibt. Programmchefs wissen, dass

sie nur Erfolg haben, wenn sie machen,

was dem Publikum gefällt. Und dem er-

lauchten Publikum in seiner ganzen

Masse gefällt nun einmal die Welt der

Volksmusik in all ihren Facetten ebenso

wie die Daily Soap. Aber das Leben der

meisten Menschen entspricht selten

den Traumwelten, die ihnen da unter-

gejubelt werden. Und, das wird immer

wieder betont, das Leben schreibt nun

einmal die besten Geschichten. Auf die-

sen Trichter sind die Erfinder der Talks-

hows schon vor Jahren gekommen.

Meiser, Kiesbauer & Co.

Einmal im Fernsehen sein, dass wün-

schen sich die vielen Menschen, die

sonst eher nicht im Rampenlicht der

Öffentlichkeit stehen. Aber wie man

diesen geheimen Wünschen nach-

kommt und damit so richtig volksnah

agiert, mussten sich auch Kogel, Thoma

und Co. erst in Amerika abgucken. Dort

wuchsen die Talkshows wie Pilze aus

dem Boden. Die Ikone Oprah Winfrey

beispielsweise eroberte die Herzen ihrer

Zuschauerinnen, als sie ihren Diät-Hor-

ror breittrat. Millionen übergewichtiger

Amerikanerinnen kämpften Oprahs

schweren Kampf mit – und gewannen

ihn mit ihr. Winfrey, die mittlerweile zu

den reichsten Frauen Amerikas gehört,

kann aber nicht zu den Talkerinnen der

Neuzeit gezählt werden. In ihre Fuß-

stapfen, mit ähnlichem Abspeck-Kum-

mer, trat auch die niedliche Ricky Lake.

Sie war als schwer übergewichtige Tee-

nagerin im Musical-Film »Hairspray«

zu Ruhm gekommen.

Quotenerfolg

Je mehr Talkmaster auf den Plan tra-

ten, desto größer wurde natürlich auch

die Konkurrenz. Mitte der 90er entfach-

te ein regelrechter Kampf um Publikum

und Themen. Je brutaler, gemeiner und

absurder die zwischenmenschlichen Be-

ziehungen, desto quotenträchtiger.

20 DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000

lifestyle Talkshows am Nachmittagerobern die Gesellschaft

Das letzte Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts steht für Wis-

sensgesellschaft. In der Wissensgesellschaft kann nur be-

stehen, wer sich gut ausgebildet in den High-Tech-Kosmos

integriert und sich hier geschmeidig wie ein Delfin zwi-

schen den Anforderungen des Business-Lebens bewegt. In

den schlappen 80ern genügte es noch, einen reichen Papa

vorzuweisen, um in die Hochetagen der Eliten zu gelan-

gen. Im frischen 21. Jahrhundert ist das anders.

Dem Volk aufsgeschautMaul

KRISTIN VORPAHL

In Deutschland wurde der angegrau-

te Hans Meiser als einer der ersten von

RTL im Nachmittagsprogramm plaziert,

um sich die Krankheitsgeschichten und

Familiendramen des Volkes anzuhören.

Damals baute man noch auf das ältere

Publikum als Quotenbringer, heute

wissen die Macher, dass auch die Ju-

gend ihre Nachmittage gerne vor der

Glotze verbringt. Meiser talkt trotzdem

weiter, aber anders: je älter er wird, de-

sto frech-frivoler werden seine The-

men. Vergessen sind die Zeiten, in de-

nen Margarete Schreinemakers uns zur

Schlafenszeit gemeinsam mit ihren Gä-

sten die Ohren volljaulte. Im Gegensatz

zu Oprah verschwand sie – nach einem

Steuerskandal – in der Versenkung.

Während Meiser beharrlich den se-

riösen Obertalker mimt, lauern die

schicken Mittzwanziger schon in den

Vorsprech-Castings. Nachdem sich vor

einigen Jahren auch Brillenfee Ilona

Christen – sie galt als weibliches Pendant

zu Meiser – nicht mehr mit der Fernseh-

basis auseinandersetzen wollte, sorgte

der Auftritt von Arabella Kiesbauer bei

Pro7 schon länger für ansehnliche Ein-

schaltquoten. Seitdem kann sich das

Publikum immer neuer und vor allem

jüngerer und ausgefallener Talkmaster

erfreuen. Doch langsam geht den Talk-

mastern die Puste aus. Denn auf kon-

ventionellem Talkweg lässt sich mit der

Einschaltquote kein Blumentopf mehr

gewinnen. Die Gäste sind oft dieselben

und die Shows scheinen die Themen zu

vererben. Was gestern noch bei And-

reas Türck heißgeredet wurde, findet

morgen schon regen Diskussionsbedarf

bei Bärbel Schäfer und umgekehrt.

Nutznießer Talkgast

Manche Talkgäste scheinen sogar auf

den Geschmack gekommen zu sein und

gelten bereits als Bestandteil des Talk-

show-Jet-Set-Lebens. Sie nennen sich

Talkshow-Hopper, hüpfen also von Show

zu Show. Fällt das der unangenehmen

Basis auf, dann kriegen die Hüpfer schon

mal Talk-Verbot. Dann ist Schluss mit

dem schönen Leben in den Großstadt-

Hotels und den paar Hundert Mark Ent-

schädigung. Dass die meisten Shows von

der Zuschauerschaft allerdings nicht all-

zu ernst genommen werden sollten,

liegt damit auf der Hand. So machte

kürzlich ein junger Zivildienstleistender

ein ungewöhnliches Eingeständnis bei

Sonja in Hamburg. Besagter Jungzivi

machte glauben, er sei arbeitslos, weil er

einem anderen Bedürftigen seinen Ar-

beitsplatz frei machen wolle.

Mehr Action

Eins ist klar: Abwechslung wird nicht

lange auf sich warten lassen. Geht man

davon aus, dass sich die Amerikaner ih-

res Fernseh-Vorsprungs von einer hal-

ben Dekade sicher sein können, dann

wird es im nächsten Jahr Zeit für mehr

Action auf deutschen Talkbühnen. Im

fernen Amerika waren schon Mitte der

Neunziger zahlreiche Ordner und Bo-

dygards pro Show notwendig, um die

angestachelten Gäste im Zaum zu hal-

ten. Nicht selten will da ein betrogener

Freund seinem Rivalen und der Ange-

beteten gleichzeitig an die Kehle.

Eine Goldgrube für Psychologen

Im Anschluss an die Show machen

sich naive Gäste oft Vorwürfe. Sie be-

dauern, ihr Intimleben landesweit kund-

getan zu haben und trauen sich kaum

noch auf die Straße. In den USA setzte

sich die angestaute Wut auf den Liebha-

ber schon mal nach der Show in einem

Mord fort. Schon fast Gewohnheit sind

die anschließenden und regelmäßigen

Besuche auf der Couch eines Speziali-

sten. Da ergeben sich auch für Psycholo-

gen in Deutschland ganz neue Berufsper-

spektiven. Vielleicht finden sie dann ja

auch heraus, was Menschen dazu bringt,

sich in Talkshows zu postieren.

Analysehilfe könnte ihnen hierbei die

schier unerträgliche Michael-Stich-Ehe-

frau Jessica behilflich sein. Die perfekte

Klischee-Blondine lockt die wahren Fans

auch am Samstag noch einmal vor die

Mattscheibe. Sie quakt die sogenannten

Talk-Highlights der Woche in kompri-

mierter Form vor. Die Kritiken sind ver-

herrend, aber das Publikum fährt darauf

ab. Aber solange sie keine Karriere in

Richtung Samstag-Abend-Show macht,

können auch die Kritiker beruhigt sein.

Gatte Michael soll – glaubt man Ankün-

digungen – auch bald ins TV-Business

einrücken. Darüber lästerte die geistreiche

Süddeutsche Zeitung schon mal prophy-

laktisch ab. Aber so könnte das Publikum

wenigstens einmal einen Elite-Angehö-

rigen hautnah erleben. Das wäre ja qua-

si so, als ob der FAZ-Chef Frank Schirr-

macher den Tigerenten-Club moderierte

oder die kecke Verona Feldbusch sich an

Reich-Ranicki auf seinem Sofa imLitera-

rischen Quartett ankuscheln würde. Es

ist wohl gerechtfertigt, dass Talkshows

die Gemüter der Menschen erregen,

denn jede einzelne ist eine Glosse wert.

Aber damit würden die Damen und Her-

ren Schreiberlinge gewaltig zur Ausbrei-

tung dieses Phänomens beitragen. K

DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000 21

Page 11: ENTSCHEIDUNG 03-2000

DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000 23

bücher

22 DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000

bücher

K O L U M N E

BundesländerVASSILIOS THEODOSSIOU

5. Das Land Brandenburg

Brandenburg ist – um es einfach zu

sagen – der Landkreis der Stadt Berlin.

Die Trennung der Stadt Berlin von

ihrem Umland ist das wohl offensicht-

lichste Ergebnis der Grenzziehungen

bei der Länderbildung nach 1945. Hi-

storisch ist das heutige Land Branden-

burg der letzte Rest des 1947 aufgelö-

sten Landes Preußen, dessen Haupt-

stadt jedoch nicht Potsdam, sondern

eben gerade Berlin war. Jedoch: Die

Geschichte Brandenburgs mit der Ge-

schichte Preußens gleichzusetzen wäre

hingegen grundfalsch: In der branden-

burgischen Mark, der Landschaft also

zwischen Elbe und Oder sowie Havel

und Spree, die oft als »des Heiligen Rö-

mischen Reichs Streusandbüchse« be-

zeichnet wurde, entwickelte sich erst

seit dem 15. Jahrhundert unter der

Herrschaft der Hohenzollern zu einem

der preußischen Stammlande.

Eigenständigkeitsabstimmung

Als Eckpunkte der brandenburgi-

schen Geschichte sind vor allem terri-

toriale Veränderungen zu nennen: In

der Folge des Wiener Kongresses ver-

lor Brandenburg 1815 die Altmark,

die heute mehrheitlich zu Sachsen-

Anhalt gehört und gewann die Nie-

derlausitz hinzu, nach dem zweiten

Weltkrieg gingen schließlich alle Ge-

biete östlich von Oder und Neiße, ins-

besondere die Neumark verloren. Sei

1990 ist Brandenburg zum ersten Mal

eigenständiges Land. Wie lange die-

ser Zustand noch anhalten wird, wer-

den wohl in absehbarer Zeit die Wäh-

ler in Brandenburg und Berlin zu be-

schließen haben. K

Tip: Ingo Materna/Wolfgang Ribbe:

Geschichte in Daten – Brandenburg,

Koehler & Amelang, München 1995,

ca. 29,90 DM

Wer kann schon noch die 10 Gebote aus dem Stehgreif

aufsagen. Oder die drei Furien? Alles, was man eigent-

lich wissen sollte, aber immer wieder vergißt findet sich in ei-

nem neuen Sammelband, einer wahren Fundgrube für alle

Fans populärer Listenbücher.

6, 12, 14, 24, 66, …

Nach Zahlen geordnet, kann man sich hier fundiert und

unterhaltsam über alles informieren, was mit Zahlen & Ge-

schichte zu tun hat. So erfährt man alles über die 12 Apostel,

die 14 Punkte Wilsons, die 18 inoffiziellen homerischen Titel

im Ulysses von James Joyce oder die 24 Buchstaben des grie-

chischen Alphabets. Insgesamt 66 Texte bilden eine verg-

nügliche Kulturgeschichte der etwas anderen Art. (vt) K

Peter D’Epiro/Mary Desmond Pinkowish: 7 Weltwunder,

3 Furien und 64 andere Fragen, auf die Sie keine Antwort wissen,

ca. 448 S., Piper Verlag, München 1999, 44,00 DM

Lesen nach Zahlen

Ralf Bönt zählt zweifelsohne zu den be-

gabteren jungen deutschen Autoren. Er

wohnt, wie es sich gehört, in Berlin, wahr-

scheinlich, wie es sich gehört, in »Prenzel-

berg« und kauft Samstags beim Italiener um

die Ecke Antipasti, die zwar viel zu teuer sind –

aber man gönnt sich ja sonst nichts. Doch er

hat einen Makel: Er kommt aus Bielefeld. Das

ist in Prenzelberg so uncool, daß man entwe-

der einen Roman schreiben oder auswandern

muß. Bönt hat sich für den Roman entschie-

den und läßt seinen Helden Icks (warum ei-

gentlich nicht Icke?) von Berlin nach Bielefeld

reisen, auch wenn ihm – ist es ihm irgendwie

peinlich? – das Wort »Bielefeld« auf 170 Sei-

ten nicht einmal aus der Feder kommt.

Provinz-Vergangenheit

Es ist eine Reise in die Provinz und in die Ver-

gangenheit des Protagonisten, weg von all dem,

von dem er meint, daß es sein Leben lebens-

wert macht. Er besichtigt eine ihm fremd ge-

wordene Welt, deren Piefigkeit er wahrnimmt,

über die er sich aber auch nicht hinwegsetzen

kann, da sie ein Teil seiner eigenen Biographie

ist. Am Ende des Buches hat Bönt es geschafft:

Man hält Bielefeld mindestens für einen Vor-

ort von Wladiwostok und beneidet Icks um

sein Flugticket nach New York. Kein Buch für

Freunde von Ostwestfahlen-Lippe. (vt) K

Ralf Bönt: Icks. Roman,

Piper Verlag München 2000, 29,80 DM

Back to Bielefeld

Wer war Monsieur Kir, dessen königli-

cher Aperitif die Zierde jeder Speise-

karte ist? Gab es eine »Margeritha«, lebte

sie in Italien und mochte sie Pizza? Und was

hatte Lord Sandwich mit belegten Broten

zu tun? Diesen zentralen Fragen der west-

lichen Zivilisation widmet sich ein kleiner

Band, der den Leser zu einer Reise durch

die Geschichte von Speisen einlädt.

Speisefolge

Auch Deutsche hinterließen auf der Spei-

sekarte ihre Spuren: Fürst Pückler, der ein

Eis in den (damaligen) deutschen Farben

schwarz-weiß-rot kreierte oder Reichskanz-

ler Bismarck mit dem zugehörigen Hering.

Ein kulinarisches Lesevergnügen. (vt) K

Marcel Grauls: Lord Sandwich und Nellie

Melba. Wie berühmte Persönlichkeiten

auf der Speisekarte landeten, Kabel Verlag,

München 1999, 29,80 DM

Royal oderordinaire

»Dem deutschen Volke« steht über dem Eingangspor-

tal des Reichstagsgebäudes und keine Inschrift

könnte unpassender sein: Für Touristen aus allen Ländern

der Welt ist der Sitz des Bundestages mit seiner begehba-

ren Kuppel schon längst zur Hauptsehenswürdigkeit des

neuen Berlins geworden, weit vor dem Potsdamer Platz

oder der Nofretete. In einem hübsch bebilderten, etwas

offiziös daherkommenden Sammelband melden sich zum

Abschluß der Umbauten am ehrwürdigen Gebäude noch-

mal alle Gestalter zu Wort: So findet Sir Norman Foster, von

dem vor allem der Entwurf für die Kuppel stammt, daß

der Reichstag »ein optimistisches Zeichen für ein moder-

nes Deutschland« sei. Beiträge über die »Kunst am Bau«

des Reichstages und die Arbeit der Bundesbaugesellschaft

runden den Band ab, der vom FAZ Redakteur Heinrich We-

fing herausgegeben wird. (vt) K

Heinrich Wefing (Hrsg.): Dem deutschen Volke.

Der Bundestag im Berliner Reichstagsgebäude. Bouvier Verlag,

Bonn 1999, 68,00 DM

Kuppeltexte

Ein Jahrtausend wird besichtigt. Und wenn der Besucher

die »Frankfurter Allgemeine« ist, kann man sogar sicher

sein von knipsenden Touristenrudeln und Ballermannpau-

schalisten verschont zu bleiben. Das ganze Jahr 1999 hin-

durch hat die FAZ einmal im Monat in ihrer samstäglichen

Tiefdruckbeilage »Bilder und Zeiten« Schriftsteller, Wissen-

schaftler und Journalisten je ein Jahrhundert porträtieren

lassen, vom Wetterbericht bis zur Kunst. Ergänzt um eine

Chronik und einen bunten Schuber sind diese Beiträge nun

in Buch-, genauergesagt im Heftchenformat, erschienen. Das

hübsche Potpourri liest sich nicht immer ganz leicht. Den Au-

toren ging es erkenntlich nicht um eine Einführung in die Ge-

schichte der Jahrhunderte anhand der Eckdaten, sondern um

eine Reflexion der wichtigsten intellektuellen Strömungen

der Zeit aus heutiger Sicht. Doch auch diese, manchmal etwas

anstrengende und abgehobene Darstellungsweise, läßt für je-

des Jahrhundert ein konzises Gesamtbild entstehen, daß

mehr vermittelt als Zahlen und Fakten. (vt) K

Michael Jeismann (Hrsg.): Das Jahrtausend. C. H. Beck Verlag,

München 2000, 11 Bände, zusammen im Schuber 68,00 DM,

einzeln je Band 6,80 DM

Per aspera ad astra

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Page 12: ENTSCHEIDUNG 03-2000

Der JU-Bundesvorstand hat auf seiner letz-

ten Sitzung die folgenden Themenbereiche

vorgeschlagen, die kinder- und jugendspezi-

fisch aufbereitet und ansprechend präsentiert

werden könnten:

E Leben Formen Geben (Familie, Partnerschaf-

ten, Formen des Zusammenlebens)

E Aus- u. Weiterbildung, Forschung und Umwelt

E demokratische Beteiligungsmöglichkeiten von

Kindern und Jugendlichen

E Generationengerechtigkeit (Rente, Verschul-

dung)

E Europa

E sonstige Themen/Veranstaltungsmöglichkei-

ten wie z.B. Menschenrecht, Umfrageaktion,

Graffitiwettbewerb, Spiele, Sportevents usw.

Ideenwettbewerb: Auf gute Ideenkommt es an!

Natürlich hat sich der Bundesvorstand zu

den genannten Themen intensiv Gedanken

gemacht und Präsentationsmöglichkeiten aus-

gearbeitet. Ganz bewusst jedoch möchten wir

auch in den Verband »horchen« und hören,

was Ihr für Vorschläge habt. Auf gute Ideen

kommt es an, wenn wir auf der Expo Erfolg

haben und den Zugang zu vielen jungen Men-

schen finden wollen.

In der Gestaltung der Themen ist wichtig,

dass man sich die Zielgruppe vor Augen hält:

Wir gehen davon aus, dass vor allem die Alter-

sklasse 12 bis 18 das Big Tipi in der Woche »Demokratie

erleben!« besuchen wird. Aufgrund der Tatsache, daß die

Konkurrenz auf der Weltausstellung nicht schläft, er-

scheint uns eine attraktive und pfiffige Darstellung unse-

res Programms auch unter Einsatz neuester technischer

Hilfsmittel sehr viel Mühe wert. Wir setzen deshalb auf

Eure aktive Unterstützung. Bitte wendet Euch mit Euren

Vorschläge direkt an die Bundesgeschäftsstelle. Für Eure

ideenreiche Mitarbeit winkt auch das ein oder andere at-

traktive Dankeschön.

Helfer gesucht

Allerdings brauchen wir nicht nur viele gute Ideen, wir

brauchen auch viele engagierte JU-Mitglieder, die auf der Ex-

po mit anpacken wollen. Vom 26. Juni bis zum 2. Juli 2000

suchen wir deshalb vierzig engagierte Interessierte, die bereit

sind, eine Woche lang im Big Tipi sowohl an der organisatori-

schen Arbeit wie auch an der Gestaltung und Präsentation

des politischen Programms mitzuwirken. Täglich werden

zwei Schichten gefahren, so dass für jeden Helfer und jede

Helferin genügend Zeit bleibt, sich »nach der getanen Arbeit«

auf der Expo umzutun. Für die Helfer ist selbstverständlich

der Zutritt zur Expo gratis, Übernachtung und Verpflegung

werden ebenso gestellt. Es ist wohl nicht zuviel versprochen,

von einem einmaligen Erlebnis zu sprechen, die Weltausstel-

lung auf die Art und Weise zu erleben. Ein größerer Kreis in-

teressierte JUler aus dem Bereich der Jungen Union Nieder-

sachsen hat sich bereits gefunden und trifft sich regelmäßig

zum Expo-Stammtisch, doch wären wir für weitere Unter-

stützung dankbar. Interessierte melden sich bitte umgehend

in der Bundesgeschäftsstelle. K

Frank Thole ist Mitglied im Bundesvorstand und zuständig für die

Koordinierung des Engagements der Jungen Union auf der Expo

DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000 25

aktuell

Die Kinder- und Jugendplattform ist der Zusammen-

schluß des größen Teils der Träger der Jugend- und Kin-

derarbeit in Deutschland, die sich im Dezember 1996 zum

Zweck des gemeinsamen Engagements bei der Weltaus-

stellung Expo 2000 in Hannover gegründet hat. Als Darstel-

lungsort für die Kinder- und Jugendplattform hat man ein

großes Indianerzelt, ein Big Tipi, ausgewählt. Im Einklang

mit der Natur zu leben, diese Sehnsucht junger Menschen

wird durch das Big Tipi symbolisiert. Gleichzeitig weckt es

Erinnerungen an Zeltlager, Feriencamps, Urlaub und Ju-

gendfreizeiten, also Erlebnisse, die einen engen Bezug zur

Jugendarbeit aufweisen. Das Big Tipi wurde daher als geeig-

neter Begegnungsort für Kinder und Jugendliche aus aller

Welt auf der Expo 2000 gewählt.

Eine Woche lang »Demokratie erleben!«

Neben dem Bundesforum Kinder- und Jugendreisen, der

Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung, dem Deut-

schen Jugendherbergswerk, der Deutschen Sportjugend

und dem Deutschen Bundesjugendring, der die Kinder- und

Jugendplattform koordiniert und die Finanzierung sicher-

stellt, erhalten die politischen Jugendorganisationen (JU,

Jusos und Julis) vom 26. Juni bis 2. Juli 2000 die Möglich-

keit, eine Woche unter dem Motto »Demokratie erleben!«

gemeinsam ein entsprechendes Programm zu gestalten, was

vor dem Hintergrund des großen zu erwartenden Besuche-

randrangs ohne Zweifel eine große Chance darstellt.

»Demokratie erleben!« ist das Motto der Woche, die die

politischen Jugendorganisationen im Rahmen der Expo im

Big Tipi gestalten, und das sich genauso wie das generelle

Motto der Expo »Mensch – Natur – Technik« in den The-

men und Aktionen wiederfinden muss. Demokratie erle-

ben, hierzu gehört, sich über Demokratie zu informieren,

Demokratie zu erfahren und Demokratie selbst zu ge-

stalten. Es muß deutlich werden, dass Demokratie nicht

immer nur die anderen sind und dass sich politisches Enga-

gement lohnt. Es muss das Bewusstsein für Verantwortung

geweckt werden.

Die Themen

Bis Ende Januar 2000 geht es darum, sich mit den Jusos

und den Julis auf fünf Themen und ihre Präsentation zu

einigen, die dann jeweils einen Tag lang als Progamm aus-

gestaltet werden können. Die zwei verbleibenden Tage sol-

len offen bleiben: zur Reflexion, Zusammenfassung oder

auch Fortsetzung z.B. von Umfrageaktionen oder eines

Graffitiwettbewerbs.

24 DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000

MENSCH – NATUR – TECHNIKOhne die Junge Union darf die Expo

2000 natürlich nicht stattfinden: Des-

halb sind wir auf der Weltausstellung

in Hannover vom 26. Juni bis zum

2. Juli 2000 selbstredend aktiv mit

von der Partie. Gemeinsam mit den

Jusos und den Julis wird im Rahmen

der Kinder- und Jugendplattform

eine Woche lang unter dem Motto

»Demokratie erleben!« in einem

großen Indianerzelt ein Programm

gestaltet, das insbesondere den jun-

gen Expo-Besuchern Politik näher-

bringen und Interesse wecken soll.

Kinder- und Jugendplattform im Big Tipi:Helfer und gute Ideen gesucht!

Die Junge Union ist auf derWeltausstellung aktiv mit dabei!

FRANK THOLE

Page 13: ENTSCHEIDUNG 03-2000

DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000 27

news

Alle drei aufgeführten Vorkomm-

nisse waren jedoch nichts anderes

als Schaumschlägerei. Es ist Schröder

gelungen, diese Ereignisse jeweils me-

diengerecht zu inzenieren.

1. Holzmann

Schröder ließ sich als der Retter des

Holzmann-Konzerns feiern. Diese Ret-

tung war angeblich möglich, weil die

Kreditanstalt für Wiederaufbau

250 Millionen Mark zur Ver-

fügung stellte und der

Staat eine Beihilfe von

150 Mio. Mark bei-

steuert. Damit wurde

das Insolvenzverfah-

ren abgewendet.

Fakt ist allerdings,

dass die Sanierung des

Holzmann-Konzerns nach

wie vor in der Schwebe ist.

Zum einen gibt es nach wie vor Pro-

bleme hinsichtlich des ursprünglich zu-

gesagten Beitrags der Arbeitnehmer.

Hier streiten sich Betriebsrat und Ge-

werkschaft darüber, wie der Beitrag er-

bracht werden kann, ohne dass dadurch

der Tarifvertrag unterlaufen wird.

Die Frage, ob die vom Staat zugesag-

ten Hilfen tatsächlich fließen können,

hängt letztlich von der Entscheidung der

EU ab. Nach den bisherigen Ent-

scheidungen des Wettbewerbs-

kommissars Monti, ist davon

auszugehen, dass dies als un-

zulässige Staatsbeihillfe an-

gesehen werden wird.

Des weiteren ist festzuhalten, dass bei

dem Sanierungskonzept derzeit 4.500

Arbeitsplätze zur Disposition stehen.

Für den Fall des Insolvenzverfahrens

gab es ebenfalls ein Konzept, bei dem

3.500 Arbeitsplätze abgebaut werden

sollten. Aufgrund des neuen Insolvenz-

rechtes wäre es durchaus möglich ge-

wesen, eine Sanierung im Insolvenz-

verfahren zu erreichen, die weniger Ar-

beitsplätze und weniger Staatsgelder

gekostet hätte. Und es wäre notwendig

gewesen, dass der Staat in dieser Weise

in den Lauf der Wirtschaft eingreift.

2. Zwangsarbeiterentschädigung

Die Verhandlungen drohten zu schei-

tern, weil die angebotene Summe nicht

ausreichte. Es war bald klar, dass eine

zweistellige Milliardensumme angebo-

ten werden muß. Da die deutsche Wirt-

schaft nicht bereit war, den ihr oblie-

genden Obulus entsprechend zu er-

hören, mußten für eine Einigung der

Staatsanteil erhöht werden. Hier konn-

te Wirtschaftsmann Schröder seine

Freunde nicht von einer höheren Be-

teiligung überzeugen. Er versuchte es

nicht einmal, sondern wollte die Ange-

legenheit vom Tisch haben.

Der absolute Hohn ist jedoch der Ge-

setzentwurf der Bundesre-

gierung zur Verteilung

der zur Verfügung

stehenden Gelder.

Hier versucht die

Bundesregie-

rung den Emp-

fängern vorzuschreiben, wie das Geld

verteilt werden soll. Dass die Betrof-

fenen hiergegen protestieren und den

gesamten Komplex in Frage stellen, ist

daher nur logisch.

3. Bündnis für Arbeit

Die größte Schaumschlägerei war aber

der angebliche Durchbruch beim Bünd-

nis für Arbeit. Etwa vier Wochen nach

diesem Erfolg erinnert sich schon gar

niemand mehr, was eigentlich Inhalt

war. Die Tarifparteien halten sich in im

anstehenden Tarifkampf in keiner Wei-

se mehr an die Abmachungen, jeder

sieht seine Position durch die wachs-

weichen, nichtssagenden Formulierun-

gen bestätigt. Die Forderungen der Ge-

werkschaften in den anstehenden Tarif-

verhandlungen zeigen, dass kein einzi-

ger Schritt nach vorne getan wurde. Die

Rente mit 60 ist ebenso wenig vom

Tisch wie die reine Lohnrunde. Für den

Abbau der Arbeitslosigkeit wurde eben-

so wenig etwas erreicht, wie für eine

strukturelle Änderung im Tarifsystem.

Alle drei Beispiele zeigen auf, dass

Schröder nicht in der Lage ist, Politik

mit Substanz zu machen. Es genügt

ihm, wenn er als Strahlemann vor den

Kameras stehen kann. Die Bezeich-

nung Schröders in der Werbung der

Jungen Union im Bundestagswahl-

kampf 98 als Schaumschläger hat sich

voll und ganz bewahrheitet. K

Tanja Gönner ist stellvertretende

Bundesvorsitzende der Jungen Union

26 DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000

aktuell

Die Luftnummern desStrahlemann Schröder

TANJA GÖNNER

Im November fing der Aufschwung der Regierung mit der angeblichen Rettung des

Holzmann-Konzerns durch Schröder an. Seit dem hat er mit der scheinbaren Lösung bei

der Zwangsarbeiterentschädigung, aber auch mit dem angeblichen Durchbruch beim

Bündnis für Arbeit jeweils für kurze Zeit Schlagzeilen positiver Art gemacht.

Bündnis für ArbeitZwangsarbeiterentschädigung –

Holzmann –18 . M Ä R Z 19 9 0

Gedächnishilfe

Was war am 18. März 1990? Schon verges-

sen? Am 18. März 1990 fanden die er-

sten freien Volkskammerwahlen in der DDR

statt. Der Zusammenschluss der bürgerlich-de-

mokratischen Kräfte der Mitte, die »Allianz für

Deutschland«, deren Ziel die Wiedererlangung

der staatlichen Einheit der Deutschen war, er-

reichte mit 48, 15 Prozent der Stimmen einen

überwältigenden Sieg.

Zeitreise 1990

Auf solche und andere wichtige Ereignisse

vor zehn Jahren weist die Konrad-Adenauer-

Stiftung im Internet regelmäßig hin und stellt

Material bereit. Das Kalendarium zum Verei-

nigungsjahr 1990 soll wichtige Etappen der

Vollendung der deutschen Einheit in Erinne-

rung rufen. Darüber hinaus werden Hinter-

grundinfos, Situationsberichte und neueste

Analysen geboten sowie Hinweise auf interes-

sante Veröffentlichungen und andere Info-

quellen gegeben.

Geht mit auf eine Zeitreise zurück zu den

dramatischen Ereignissen des Jahres 1990! Erst

in der Vergegenwärtigung des Vergangenen

wird das bis heute Erreichte deutlich sichtbar.

(www.kas.de) K

K O M P L E T T

Neu in der Bgst

Die Bundesgeschäftsstelle der Jungen

Union ist wieder komplett. Astrid

Patsch ist die Nachfolgerin von Andrea

Fisch als Internationale Referentin.

Astrid Patsch, 29, kommt aus Bayern

und ist seit 1. Februar bei uns in Berlin.

In Passau, Perugia, Kairo und Beirut

hat sie Politikwissenschaften, Jura, Ge-

schichte und Sprachen studiert und ar-

beitet noch an einer Promotion im Be-

reich Internationale Politik – Nahost.

Bevor Astrid nach Berlin kam, leitete sie

ein Projekt zur Achtung von Menschen-

rechten und Stärkung von Zivilgesell-

schaft im Libanon, das in Zusammen-

Z E I T R E I S E

Faszinierend

Science-Fiction ist »in«: »Star Trek«, »Baby-

lon 5«, »Stargate«, »Star Wars« oder »Akte X«

heißen die SF-Serien und -Filme, die Millionen

von Zuschauern vor die Glotzen locken und ei-

ne regelrechte Fankultur begründet haben. Ist

SF nur ein trivialer Zeitvertreib, oder steckt mehr

dahinter? Die Karl-Arnold-Stiftung veranstal-

tet vom 07.04.-09.04.2000 ein Seminar zum

Thema: »Faszinierend«: Science Fiction.

Im Seminar sollen sowohl soziologische und

ethische, als auch wissenschaftliche Fragestel-

lungen aufgegriffen und diskutiert werden: Wel-

ches Menschenbild und welche gesellschaftspo-

litischen Entwürfe werden präsentiert? Welche

Konflikte werden konstruiert und wie werden

sie gelöst? Wie realistisch sind die technischen

Prognosen – Reisen mit Überlichtgeschwindig-

keit, Außerirdisches Leben, Künstliche Intelli-

genz? Handelt es sich um wissenschaftlichen

Unsinn oder um realistische Visionen? Woher

kommt überhaupt die Faszination vieler Men-

schen für dieses Genre? K

Infos und Anmeldungen bei: Karl-Arnold-Stiftung

e.V., Venner Str. 55, 53177 Bonn,

Tel.: 02 28/3 82 07-60, Fax: 02 28/3 82 07-44,

e-mail: [email protected]

arbeit mit Partnern aus Deutschland,

Frankreich Jordanien und Libanon

durchgeführt wurde. »Das ist es«, sagte

sich Astrid, als sie die Stellenausschrei-

bung der JU las. Schnell hat es geklappt

und sie meint: »Zwischenzeitlich habe

ich mich schon recht gut eingearbeitet

und freue mich auf die Arbeit und den

Austausch mit Euch. Je mehr Impulse

von Euch kommen, desto besser wird

unsere gemeinsame Arbeit laufen!« K

Zu erreichen ist Astrid über:

[email protected] oder

Tel. 0 30-27 87 87-16

Page 14: ENTSCHEIDUNG 03-2000

DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000 29

news

28 DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000

news

Der Wandel von der Industrie- in die

Informationsgesellschaft ist in aller

Munde. Sei es Internet, Email, WAP,

Richtfunk, DAB oder all die anderen

Wortkreationen hinter denen sich neue

faszinierende Chancen verbergen. Das

Fernsehen und die Presse bringen Inter-

netinfos am laufenden Band. Sendungen

wie Tomorrow-News auf nt-v haben

sich durchgesetzt. Die Menschen sind

an der Nutzung dieser Kommunikati-

onsmöglichkeiten sehr interessiert.

Kosten senken – Zugang erleichtern

Nicht alles verändert sich. Denn auch

in der Informationsgesellschaft wer-

den Bildung und Ausbildung wichtige

Schlüsselqualifikationen bleiben. Hin-

zu kommt aber das Wissen darüber,

sich Informationen zugänglich zu ma-

chen und damit verantwortlich umzu-

gehen (Medienkompetenz). Eng ver-

bunden ist damit die Nutzung des Inter-

net. Egal, ob Angebot oder Nachfrage

und ohne Übertreibung: das Internet

wächst explosionsartig. Eine Explosion

ist aber ein unkontrollierter Vorgang,

der Schaden verursachen kann. Des-

halb ist in diesem Bereich auch die Poli-

tik gefragt. Denn die Politik kann Vor-

aussetzungen schaffen und Rahmenbe-

dingungen setzen, damit sich das In-

ternet schnell verbreitet – so geschehen

in Skandinavien und den USA. Die Po-

litik kann (und muss) dafür sorgen, daß

die gesamte Gesellschaft in diesen Wan-

del integriert ist. Und: ein Mißbrauch

des Internet muß zurückgedrängt und

vermieden werden.

Internetpolitik wird sich zu einem

selbständigen Politikbereich emanzi-

pieren. Nicht zuletzt deshalb müssen

sich die Parteien damit beschäftigen –

je früher desto besser. Der Bundesvor-

stand der Jungen Union hat auf seiner

Januarsitzung in München das The-

ma Internet bereits eingehend disku-

tiert und anschließend den Beschluß

»Herausforderung Internet. Chancen

nutzen, Risiken begrenzen« einstim-

mig verabschiedet. Um das Internetan-

gebot mit kriminellen Inhalten zu redu-

zieren, setzt der JU-Bundesvorstand an-

gesichts der globalen Architektur des

Internet mehr auf Selbstregulierung als

auf staatliche Überwachung. Deutsch-

land müsse auch den Rückstand in

puncto Internetverbreitung gegenüber

Staaten wie den USA und Finnland

dringend wettmachen. Auf diesem Weg

sind die vergleichsweise hohen Online-

kosten ein großes Hindernis. Deshalb

müssen dringend die Kosten im Tele-

fonnahbereich gesenkt werden.

Politik transparent gestalten

Politik und Verwaltung sollten auch

ihrer Vorbildfunktion gerecht werden.

Die Politik könne über eine konsequen-

te Nutzung des Internet transparenter

werden und neue Möglichkeiten der de-

mokratischen Beteiligung erzeugen. Weil

bereits 50 Prozent der Internet-Nutzer

einfache Behördengänge vom eigenen

PC aus erledigen wollen, sei es Aufgabe

der Verwaltung, entsprechende und si-

chere Verfahren anzubieten (Quelle:

ACTA’99, Demoskopie Allensbach). Das

JU-Internetpapier enthält konkrete Vor-

schläge, die nach Ansicht des Bundes-

vorstands dringend politisch umgesetzt

werden müssen. Der Beschluß liegt zum

Download auf der Homepage der Jun-

gen Union (www.junge-union.de). Bei-

gefügt sind weiterführende Links und

Hintergrundmaterial.

Internetpolitik ist ein originäres The-

ma für die Junge Union. Es ist eine Her-

ausforderung für alle Ebenen der Jun-

gen Union – von der Kommunal- bis

zur Bundespolitik. Die Jugend von

heute will die neuen Medien nutzen.

Keine Altersgruppe beteiligt sich so

stark im Internet. Dieser Entwicklung

trägt auch der nächste Deutschlandtag

im Oktober Rechnung. Er wird unter

dem Zeichen der Medienpolitik statt-

finden. »Internet-Politiker« müssen

die jüngeren sein. Denn mit Internet

verbindet man eben in erster Linie kei-

ne Fünfziger. Die Junge Union sollte

diese neuen Chancen nutzen! K

Daniel Walther ist Mitglied im

Bundesvorstand der Jungen Union und

dort zuständig für neue Medien.

N E U E M E D I E N

Internet – Aufgaben der PolitikDANIEL WALTHER

Ob Kinder zum Glücks- oder zum Störfall werden, ent-

scheidet nicht zuletzt die Politik über die Rahmenbe-

dingungen, die sie für Familien setzt. Derzeit sind sämtliche

wirtschaftlichen, steuerlichen und rentenrechtlichen – also

aktuelle und langfristige – Anreize zugunsten von Kinderlo-

sen ausgerichtet, so dass sich diejenigen, die sich ihren Kin-

derwunsch dennoch erfüllen, heftigen strukturellen

Benachteiligungen gegenübersehen.

Solange die Bedingungen so bleiben, wie sie sind,

wird die Kinderlosigkeit weiterhin drastisch zuneh-

men, mit allen Folgen für Gesellschaft und Solidarsy-

steme. In der Talkrunde entwickelte sich schnell eine

differenzierte Diskussion um die Frage, warum gerade

in Deutschland, einem Land mit hohem Wohlstands-

niveau, Kinderwünsche immer seltener und zögerli-

cher umgesetzt werden.

Die wissenschaftliche Analyse, von Prof. Wassillios

Fthenakis vom Staatsinstitut für Frühpädagogik, Mün-

chen, verband sich mit anschaulicher Beleuchtung le-

benspraktischer Probleme und Fragestellungen von

Dr. Susanne Mayer, DIE ZEIT, zu einem Gesamtbild,

das die zentralen Anforderungen politischer Gestal-

tung für Familien nachdrücklich verdeutlichte.

Begünstigung familiär Ungebundener

Auch die sich anschließende Diskussion im fach-

kundigen Plenum bestätigte den Befund, dass nur

durch eine »kopernikanische Wende« (Fthenakis)

im Verständnis der (Familien-) Politik zugunsten ei-

nes expliziten Ansatzes ein nachhaltiger und effekti-

ver Prozess in Gang gesetzt werden wird, der die fort-

schreitende, den gesellschaftlichen Zusammenhalt

und die Solidarsysteme bedrohende Polarisierung

zwischen Familiensektor und Kinderlosen einzu-

dämmen vermag. Auch Dorothea Störr-Ritter und Christine

Henry-Huthmacher unterstrichen, dass die derzeitige – auch

von Rot-Grün nicht in Frage gestellte – strukturelle wirt-

schaftliche Begünstigung familiär Ungebundener auf dem

Arbeitsmarkt, in Steuer- und Rentengesetzgebung keinen

Anreiz bieten kann, Kinder in die Welt zu setzen. Eine Sta-

bilisierung der Familie durch äußere Rahmenbedingungen

bleibt somit aus, eine weitreichende gesellschaftliche Ent-

solidarisierung zeichnet sich ab.

Stabilisierung von innen

Positive Leitbilder, die Erwerbstätigkeit und Kindererzie-

hung miteinander verbinden, sind nicht erkennbar. Eine

wesentliche Rolle spielt dabei nach Einschätzung von Ft-

henakis die bislang ausgebliebene Emanzipation der Männer

und die damit verbundenen Konflikte

in den Partnerschaften über Rollener-

wartungen und Arbeitsteilung. An die-

ser Stelle empfiehlt er die Stärkung der

binnenfamiliären Kompetenzen und

Bewältigungsmechanismen durch Fa-

milienbildung. Ohne ein auf diesem

Wege vermitteltes positives, Familie

und Beruf integrierendes Leitbild für

Partnerschaft und Elternschaft sei kei-

ne Stabilisierung der Familie von in-

nen zu erwarten. Die Aufgabenstel-

lung für die Familienpolitik war nach

der Talkrunde allen klar. Es wäre zu

wünschen, dass es bald entsprechende

Konkretisierungen in den politischen

Programmen zu lesen gäbe. K

Sabine Fritzen-Herkenhoff,

Abteilung Frauen und Familienpolitik

der Konrad-Adenauer-Stiftung

F A M I L I E N P O L I T I K

Glücksfall oder Störfall Kind?SABINE FRITZEN-HERKENHOFF

Page 15: ENTSCHEIDUNG 03-2000

DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000 31

hierzulande

30 DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000

hierzulande

Essen (her). – »Wir dürfen unsere Par-

tei nicht spalten lassen.« – Diesen ener-

gischen Appell richtete Landesvorsit-

zender Jürgen Rüttgers jetzt angesichts

der augenblicklichen »Finanz-Affäre«

der CDU an die Delegierten von JU und

Frauen Union im Rahmen eines ge-

meinsamen NRW-Tages der beiden Ver-

einigungen in Essen.

Neben dem eigentlichen Thema (Be-

rufliche Zukunftschancen für junge

Frauen und Männer) bestimmte die

Diskussion um Spenden an die Union

zwangsläufig die Debatte. JU-Landes-

vorsitzender Ralf Brauksiepe zeigte sich

den Delegierten gegenüber fassungslos

über den Umgang Helmut Kohls mit

seiner Partei, während Gastrednerin

Rita Süßmuth die augenblickliche Krise

zugleich als Chance für einen Neube-

ginn verstanden wissen wollte.

»NRW braucht nach 30 Jahrenden Wechsel«

Ministerpräsidenten-Aspirant Rütt-

gers wartete im Verlauf der Tagung –

genauso wie Landtags-Fraktionschef

Laurenz Meyer – mit direkten Informa-

tionen über die Finanzaffäre aus Bun-

des- und Landesvorstand für die Dele-

gierten aus mehr als 50 Landkreisen

auf. Meyer, der auch Landesschatzmei-

ster der NRW-CDU ist, versicherte den

JU- und FU-Mitgliedern zudem, dass

die Christdemokraten an Rhein und

Ruhr keine Gelder von »Schwarzkon-

ten« erhalten hätten.

Zielgruppen ansprechen

Bekräftigt wurde er darin auch von

CDU-Landeschef Jürgen Rüttgers. Der

Parteivorsitzende forderte eine unein-

geschränkte Aufklärung der Finanzaf-

färe. Rüttgers bedauerte, dass durch die

Diskussion das vielfältige Engagement

zahlreicher CDU-Kommunalpolitiker

beschädigt worden sei. Er appellierte

trotz der augenblicklichen Lage an die

Aktiven von JU und FU gerade durch

ihr lokales Engagement zu einem posi-

tiven Bild der Christdemokraten und

zum Gewinn der Landtagswahl im Mai

ihren Beitrag zu leisten. Nordrhein-

Westfalen brauche nach mehr als 30

Jahren SPD-Regierung einen Wechsel.

Dies werde Tag für Tag allein schon in

der Schul- und Verkehrspolitik deut-

lich. Entsprechend formulierten die

Delegierten von FU und JU ansch-

ließend auch eine Resolution, in der sie

unter anderem bessere technische und

personelle Ausstattungen der Schulen

in NRW forderten.

Im gleichen Atemzug forderten die

Delegierten für junge Frauen und Män-

ner gleiche Chancen im Schul- und

Berufsleben, schließlich stand die ge-

meinsame Tagung unter dem Motto

»Powertag – Jungen und Mädchen, ge-

meinsam unschlagbar«. »Wenn man

Strukturen verändern, Zukunftschan-

cen für junge Frauen verbessern möch-

te, geht das nur im partnerschaftlichen

Miteinander«, erklärte Regina van

Dinther, Landesvorsitzende der Frauen

Union. Vor allem junge Frauen sieht die

Landtagsabgeordnete als Zielgruppe der

Union. Sie fühlten sich Meinungsum-

fragen zufolge leider nicht so stark wie

erhofft durch die CDU angesprochen.

Umso erfreuter zeigten sich JU-Lan-

deschef Ralf Brauksiepe und der Esse-

ner JU-Ratsherr Thomas Kufen (neben

Christian Jostes aus Ostwestfalen-Lippe

einer der Spitzenkandidaten der JU zur

Landtagswahl), neben den 700 Delegier-

ten auch zahlreiche Essener Schülerin-

nen in der »Zeche Zollverein« begrüßen

zu können. Diese beteiligten sich auf

dem Podium sogleich an einer Diskussi-

onsrunde, in die auch die JU-Bundes-

vorsitzende Hildegard Müller eingriff.

Markt der Möglichkeiten

Aber nicht nur mit Worten wollten

JU und FU die Zukunftschancen junger

Frauen in den Vordergrund ihrer Politik

stellen. Ein »Markt der Möglichkeiten«

auf dem ehemaligen Industrieareal, auf

dem unter anderem die Deutsche Tele-

kom mit einer Jobbörse vertreten war,

unterstrichen schließlich den Einsatz

von JU und FU für gleiche Chancen von

Frauen und Männern. K

E S S E N

Rüttgers macht Delegierten von JU undFrauen-Union in Essen MutHEIKO ROTTMANN

Lohne, Landkreis Vechta (ar). Das The-

ma »Zukunft« prägte den Landestag

der Jungen Union Oldenburg Ende

1999 in Lohne (Landkreis Vechta). Auf

dem Programm: Landesvorstandswah-

len, »Müller« im Doppelpack (Peter

Müller und Hildegard Müller) und das

Thesenpapier »Wir sind die Zukunft!«.

Neue Mannschaft

Neuer Landesvorsitzender ist Neid-

hard Varnhorn (Vechta). Die über 100

Delegierten wählten Varnhorn zum

Nachfolger von Frank Thole, der nach

vierjähriger Amtszeit aus beruflichen

Gründen nicht erneut kandidierte. Zu

Varnhorns Stellvertretern ernannten

die Mitglieder Jens Nacke (Wiefel-

stede) und Björn Thümler (Berne).

Stephan Theiß (Schortens) ist neuer

Schatzmeister. Das Amt des Landesge-

schäftsführers übernahm Stefan Kuhn

(Großenkneten). Andreas Rühmkorf

(Oldenburg) ist neuer Landespresse-

sprecher. Beisitzer wurden Simone

Blömer (Dinklage), Sonja Büsing (Els-

fleth), Ralf Dasenbrock (Vechta), Claus

Holzenkamp (Cloppenburg), Nora Kab-

be (Oldenburg), Lars Schmidt-Berg

(Westerstede) und Alexander Voß-

mann (Cloppenburg).

Mut zur Zukunft

Als Stargast sprach am Samstag der

saarländische Ministerpräsident Peter

Müller zum Thema »Mut zur Zukunft«.

Müller setzte sich für mehr Freiheit,

Leistungsbereitschaft und gesellschaft-

liches Engagement aus. So kündigte er

an, daß die neue saarländische Lan-

desregierung »mindestens

doppelt so viele Vorschrif-

ten abschafft, als sie neue

einführt«. Deutschland

brauche mehr »Mut zur

Leistung«: »Leistungsge-

rechtigkeit geht vor Ver-

teilungsgerechtigkeit«, er-

klärte Müller unter dem

Beifall der 130 Zuschauer.

»Wir sind die Zukunft«

Der scheidende Landes-

vorsitzende Frank Thole

konnte auf eine erfolg-

reiche Mitgliederentwick-

lung im Landesverband

zurückblicken: »Wir ha-

ben die 2000-Mitglieder

Schallmauer von unten nach oben

durchbrochen. Das ist der Erfolg einer

guten Arbeit. Von Politikverdrossen-

heit kann bei uns keine

Rede sein«.

Am Sonntag verab-

schiedeten die Delegier-

ten den Leitantrag »Wir

sind die Zukunft!«. Hierin

hat die Oldenburger JU

ihre Aussagen zu mehre-

ren Politikfeldern zusam-

mengestellt und gebün-

delt. So setzt sie sich für

mehr Leistung und Eigen-

verantwortung, für besse-

re Zukunftschancen der

jungen Generation und

Werteerhaltung ein.

Ehrengast am Sonntag

war die JU Bundesvorsit-

zende Hildegard Müller.

Sie diskutierte in einer Talkrunde »Die

Reise in die Zukunft beginnt« mit Ver-

tretern verschiedener Jugendverbände

aus der Region, so zum Beispiel der

Landjugend und des Naturschutzbun-

des. Die Teilnehmer bewegten sich da-

bei in einem fiktiven Zukunftsraum

und tauschten ihre Ideen und Ansich-

ten zur Zukunft aus.

»Feste feiern und feste arbeiten« die-

ses JU Motto nahmen auch die De-

legierten in Lohne für sich in Anspruch

– und feierten in ausgelassener Stim-

mung am Samstagabend bis in die

frühen Morgenstunden. Also ein Wo-

chenende als Mix aus Politik und Spaß,

Arbeit und Vergnügen, Diskussion

und Information. K

O L D E N B U R G

Neidhard Varnhorn neuerLandesvorsitzender

Ein Ferkel bekommt traditionell der scheidende Oldenburger Landes-vorsitzende geschenkt. v.l.: Der neue Vorsitzende Neidhard Varnhorn,Frank Thole (bisheriger Vorsitzender)

Ein Ferkel bekommt traditionell der scheidende Oldenburger Landes-vorsitzende geschenkt. v.l.: Der neue Vorsitzende Neidhard Varnhorn,Frank Thole (bisheriger Vorsitzender)

Stargast des Landestages war Peter Müller, saarländischerMinisterpräsident, hier mit Neidhard VarnhornStargast des Landestages war Peter Müller, saarländischerMinisterpräsident, hier mit Neidhard Varnhorn

Page 16: ENTSCHEIDUNG 03-2000

DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000 33

aktiv

32 DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000

hierzulande

Die JU-Bezirksreform in Berlin

Berlin. 12 aus 23? Sollte uns das neue Jahrtausend etwa ein

neues Lottosystem beschert haben, und wir werden doch

noch alle zum Millionär? Nein, ganz so gut hat es das Schick-

sal nun wiederum nicht mit uns gemeint. Im Gegenteil, 12 aus

23 steht eher für kalkulierte Einsparungen als für den großen

Geldsegen. Berlin verfügt momentan noch über 23 Bezirke.

Doch die Zahl 23 wird bald der Vergangenheit angehören,

wenn die Bezirke ab dem Jahr 2001 zusammengelegt werden.

Ganze 12 werden nach der Reform noch übrig bleiben.

Berlin war ja schon immer ein bißchen anders, so auch im

verwaltungsrechtlichen Sinne. Denn die Zeiten, in denen der

Berliner Bezirk Schöneberg eine Stadt des Landkreises Tel-

tow war, sind ja schon lange

vorbei. Gab es also im Gegen-

satz zu Berlin in den Ländern

nach 1949 Gemeinden und

Landkreise, so gibt es in Ber-

lin keines von beidem. Die

Berliner Bezirke sind als or-

ganisatorische Verwaltungs-

einheiten der Stadt anzuse-

hen, die rechtlich und wirt-

schaftlich abhängig sind. Le-

diglich drei Bereiche gehören

zu den originären Aufgaben

der Bezirke: Der eigene Haus-

halt, der Flächennutzungsplan sowie der Bebauungsplan.

Beim Haushalt muß man allerdings schon die Einschränkung

machen, daß es sich hierbei um einen sogenannten Global-

haushalt handelt und der Bezirk nur die Möglichkeit hat, das

Geld selbständig auf die einzelnen Haushaltstitel zu verteilen.

Reform tat not.

Die Berliner Bezirksreform, die nach der Wende von dem

damaligen Berliner Innensenator Dieter Heckelmann (CDU)

auf die Agenda gesetzt wurde, ist jedoch keine Berliner Ei-

genart. Denn diese Reform haben die Alten Bundesländer

schon in den 70er Jahren mit ihren Gemeindegebietsrefor-

men hinter sich gebracht. Da wurden zum Beispiel in Mün-

chen die Landkreise Bad Tölz und Wolfratshausen zum Land-

kreis Bad Tölz/Wolfratshausen zusammengelegt. Auf eigen-

willige Namenskreationen wie etwa Tölfratshausen verzich-

tete man in diesem Zusammenhang wohl lieber. Bei der

Phase der Gemeindegebietsreform hatte man jedoch insofern

aktive Gestaltungsmöglichkeiten, als man zum Beispiel zwi-

schen dem Bratwurst- und dem Tortenkonzept wählen

konnte. Wurde das Umland Münchens beispielsweise kreis-

förmig um die bayerische Hauptstadt neu zugeschnitten, also

bratwurstartig um die Stadt herum angeordnet,

entschied man sich in Brandenburg in Bezug

auf die deutsche Hauptstadt für das Tortenkon-

zept. Das heißt, die Landkreise wurden drei-

ecksartig um Berlin herum zusammengelegt.

Nachwendezeit ist Reformzeit

Berlin ereilte die Verwaltungsreform erst

nach der Wende, weil die Hauptstadt durch den

Vier-Mächte-Status in alliierte Zonen aufgeteilt

war. Als Innensenator Heckelmann dieses The-

ma anschob, brach in Berlin keinesfalls jubeln-

der Beifall aus. Denn eine derartige Reform

soll ja zu Einsparungen in

der Verwaltung führen. Das

heißt, weniger Abgeordnete

in den Bezirksverordneten-

versammlungen (Parlamen-

te der Bezirke), weniger Be-

zirksbürgermeister, weniger

Amtsleiter, weniger Ver-

waltungsangestellte usw.

Auch auf Parteiebene führt

diese Reform zu personeller

Verschlankung. Gibt es zur

Zeit beispielsweise für die Be-

zirke Steglitz und Zehlendorf

noch zwei Kreisvorsitzende, so wird es ab dem

Jahr 2001 nur noch einen für beide geben.

Die Jungen gehen vor

Die Junge Union Berlin hat sich davon nicht

abschrecken lassen. Sie hat auf den letzten tur-

nusgemäßen Hauptversammlungen bereits die

Fusion der jeweiligen Kreisverbände beschlossen

und auch nur noch jeweils einen Kreisvorsit-

zenden gewählt. Die einzige Ausnahme in die-

sem Bereich machen die Bezirke Hohenschön-

hausen und Lichtenberg, die sich noch vor der

»Zwangsehe« geziert haben. Sie werden sich

erst im Jahr 2001, wenn der offizielle Startschuß

für die Reform fällt, vereinigen. Gleiches gilt für

alle CDU-Kreisverbände. Hier haben es die Jun-

gen den Alten also vorgemacht, daß eine Reform

gar nicht so schmerzhaft ist, wenn man den rich-

tigen Weg erst einmal eingeschlagen hat. K

Alexa Reinck ist Pressesprecherin der

Jungen Union Berlin

B E R L I N

12 aus 23 – Torte oder Bratwurst?ALEXA REINCK

B Ö B L I N G E N

Gegen das VergessenHolzgerlingen (NL). Prominenten Besuch hatte der Jugendge-

meinderat der Stadt Holzgerlingen und die Junge Union Kreis-

verband Böblingen bei dem gemeinsamen Themenabend über

die deutsche NS Vergangenheit. Dr. Michel Friedmann, Mitglied

des Zentralrates der Juden in Deutschland und Moderator ei-

ner bekannten Politiktalkshow kam in die Burg Kalteneck nach

Holzgerlingen.

Friedmann, dessen Eltern den Holocaust nur durch Oskar

Schindlers berühmte Liste überlebten, kämpfte in seiner Rede

vehement für die Entschädigung für NS Zwangsarbeiter und da-

gegen, daß die Greuel des Nazi Regimes vergessen werden. In ei-

ner packenden Rede appellierte er an die Jugendlichen, sich

nicht von Ihren Träumen und ihrem Engagement abbringen zu

lassen. Er hoffte, daß die Jugendlichen aus der Geschichte ler-

nen, um heute in politischen Fragen Stellung zu nehmen. Um

den Jugendlichen dies zu vermitteln, darum sei er nach Holzger-

lingen gekommen. »Ich glaube an Sie«, so Friedmann zu den

Holzgerlinger Jugendlichen.

In der anschließenden Diskussion, die von Jugendreferent Ro-

land Kaiser geleitet wurde, äußerten sich Zeitzeugen wie auch in-

teressierte Jugendliche. »Die eigene Biographie nicht zu verschö-

nen«, dies forderte Friedmann von den Zeitzeu-

gen. »Warum haben Sie es zugelassen. Es mußte

nicht zu Hitler und zum Zweiten Weltkrieg kom-

men, ich bin nicht bereit, Milde walten zu lassen«,

donnerte er in den Saal. »Zeigen Sie wo Sie stehen,

ich möchte mit Ihnen streiten«, so Friedmann

zu einem Fragesteller. Der voll besetzte Saal der

Burg Kalteneck, die Mischung aus Zeitzeugen und

interessierten Jugendlichen, dies zeigt, daß in

Deutschland solche Diskussionen öfter und inten-

siver geführt werden müssen. K

O L D E N B U R G / A M M E R L A N D

»Die übertönen einfach alles«Oldenburg (ar). Aufmerksamkeit, Ver-

wunderung, Staunen – Wie dem Mo-

derator vom Offenen Kanal Oldenburg

erging es vielen beim Kramermarkts-

umzug 1999. Der Grund: Ein Wagen

fiel aus der Reihe. Die Junge Union und

die Diskothek »Twister Dance« aus San-

de präsentierten sich mit einem eige-

nen Wagen beim Umzug zum traditio-

nellen Oldenburger Jahrmarkt »Kra-

mermarkt«. Länger, lauter, auffallen-

der als die anderen. »Die übertönen

einfach alles«, kommentierte der stau-

nende Moderator die Vorstellung.

Genau das war auch Ziel der JU und

des »Twister Dance«. Aus dem Rah-

men fallen und den Umzug verjüngen.

Der Beitrag sollte vor allem die jugend-

lichen Besucher ansprechen.

Neue Wege gehen

Auf dem Wagen stieg die große Party.

50 Leute tanzten auf dem insgesamt

knapp 20 Meter langen Festwagen.

Möglich gemacht hatte diese Großvor-

stellung zum einen die Unterstützung

eines Oldenburger Autohauses. Darüber

hinaus stieg die Diskothek »Twister

Dance« aus Sande mit ein, stellte »DJ’s«,

Anlagen, Musik und »Gogo-Girls«.

Mit dem Wagen wollten die JU Ver-

bände neue Wege gehen. »Warum soll-

ten wir das nicht auch mal machen?«

hatten sich die JUler gefragt. »Spaß ha-

ben, die jungen Leute ansprechen und

zeigen, daß Engagement nicht in Hin-

terzimmern geschieht, sondern raus

auf die Straße zu den Jugendlichen

geht«, erklären sie ihre Motive. Ziel sei

es, zu zeigen, daß Politik vor Ort passie-

re und unmittelbar sei. K

Page 17: ENTSCHEIDUNG 03-2000

DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000 35

aktiv

34 DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000

aktiv

M Ü N C H E N

JU goes onlineMünchen (eB/ots). »JU goes online«: Als einer der

ersten Verbände der CSU hat die Junge Union

in München jetzt ein eigenes Online-Informati-

onsforum eingerichtet. Auf »www.eCircle.de«,

der nach eigenen Angaben größten deutsch-

sprachigen Internet-Diskussions- und Meinungs-

plattform, finden Anhänger und Mitglieder seit

kurzem aktuelle Infos rund um Aktivitäten und

Aktionen des CSU-Nachwuchses der bayeri-

schen Landeshauptstadt.

Information leicht gemacht

Wie jedes der mehreren tausend Einzelforen,

in denen auf »www.eCircle.de« über nahezu al-

le Themen des Lebens – neben politischen auch

wissenschaftliche, kulturelle, gesellschaftliche

und private – diskutiert und informiert wird,

hat der eCircle der Jungen Union München

eine eigene E-Mail-Adresse. Sie lautet: »ju-ne-

[email protected]«. Dort kann jeder Interessierte

die Informationen und Meinungen des Münch-

ner CSU-Nachwuchses als Newsletter abonnie-

ren, so dass er laufend über neue Aktionen und

Meinungen informiert wird. »Noch nie konnten

wir Informationen so einfach, schnell und kom-

fortabel an unsere Mitglieder und Anhänger

weiterleiten wie über die eCircle.de-Plattform«,

freut sich verständlicherweise Joachim Haedke

von der Münchner JU über den neuesten Mit-

glieder-Service seines Heimatverbandes. K

S O E S T

Mit neuemSchwung zumWahlsieg

Soest (DB). Bereits seit Anfang Dezember hat der

Kreisverband der JU in Soest einen neuen Vor-

stand. Der Werler Martin Topp löste nach gut fünf

Jahren den Lippstädter Michael Herma an der Spit-

ze ab. Topp ist 23 Jahre alt und hat sich bei der Wahl

gegen einen Gegenkandidaten souverän mit 87 zu

12 Stimmen durchgesetzt. Des weiteren wurden

zwei neue Stellvertreter gewählt. Zum einen wur-

de dies das langjährige Kreisvorstandsmitglied Tho-

mas Kerstin und zum anderen Dennis Hanke.

Werner und Eckard

Der neugewählte Kreisvorstand traf sich kurz

nach der Wahl zu einer Klausurtagung, auf der das

Landtagswahlkonzept erarbeitet wurde. Schwer-

punkte will der KV vor allem in den Bereichen Ver-

kehrspolitik sowie Schule und Bildung setzen. Ver-

schiedene, von der JU angeregte Veranstaltungen,

trafen auf reges Interesse bei den heimischen Land-

tagskandidaten. So soll zum Beispiel der Film

»Werner Beinhart« gezeigt werden, da die Vorna-

men der Kandidaten »Werner« und »Eckard« lau-

ten. Zu Beginn des Jahres stand auch eine Kon-

ferenz mit verschieden anderen Kreisverbänden

in Billerbeck (bei Münster, Westf.) an. An dieser

Klausurtagung nahm auch der Landesvorsitzende

der JU NRW, Dr. Ralf Brauksiepe teil. K

W A L L M E N R O T H

Thesen zur CDUSpendenaffäre

Wallmenroth/Scheuerfeld. Die Pressemeldungen nehmen immer

erschreckendere Ausmaße an. Die ganze Weite der Spenden-

affäre ist scheinbar immer noch nicht entdeckt, täglich kommt

Neues hinzu. Die CDU Führung reagiert darauf überrascht.

Keiner hat angeblich etwas gewußt, nur bei genauerem Nach-

fragen wird hin und wieder mal etwas zugegeben. Der Verdacht

liegt nahe, dass diese Affäre sehr weit in die Tiefen der Bun-

des-CDU hineingeht.

Das Schweigen von Kohl und seien Helfern verschlimmert die

Sache dramatisch. Dagegen sollte die CDU massiv vorgehen.

Wolfang Schäuble hat das in seinen Reden zum Ausdruck ge-

bracht. Nur die Handlung fehlt.

Daher fordern wir:

1. Die ganze CDU sollte in diesen Tagen die Führung auffordern,

Aufklärung zu betreiben. Es kann nicht sein, dass ein gesamter

Bundesvorstand jahrelang nichts von Anderkonten gewußt hat.

2. »Jeder der was weiß soll es auch sagen.« Dieser, von Wolfgang

Schäuble ausgesprochene Satz muß uneingeschränkt befolgt wer-

den. Außerdem sollten die, die etwas wissen, auch alles sagen.

3. Solange keine Klarheit herrscht, sollte bezüglich jeder Füh-

rungskraft in der CDU untersucht werden, inwiefern sie Einfluß

auf die schwarzen Konten hatte.

4. Wenn Verstöße personell zugeordnet werden können, dann

muß auch mit aller Deutlichkeit die personelle Konsequenz ge-

zogen werden. Dies gilt für Parteifunktionen ebenso wie für

Mandate in den Parlamenten. Die CDU sollte die Betreffenden in

aller Klarheit zur Rückgabe ihres Mandats auffordern.

5. Wer sich von den Verursachern der Affäre nicht deutlich di-

stanziert sondern diese vielleicht noch unterstützt, darf in unse-

rer Partei kein Vertrauen mehr bekommen! Wir fordern die De-

legierten auf, ihre Stimme in diesem Bewusstsein zu vergeben.

6. In Anbetracht der Tragweite der aktuellen Vorfälle halten wir

es für angemessen, dass sich die CDU auch rechtliche Schritte

gegen die betreffenden Person vorbehält, wenn diese weiterhin

eine Aufklärung verzögern.

7. Wer jetzt die nötige Aufklärung verzögert oder zu verhindern

sucht, kann keine Verantwortung in und für die CDU mehr

übernehmen.

8. Wirksame interne Kontrollmechanismen müssen geschaf-

fen werden. Daher treten wir für Amtszeitbegrenzungen in Par-

tei und Staat ein.

Wir sollten alles versuchen, um aus der stark gefährdeten CDU

wieder eine ehrliche Partei zu machen, so wie sie sich selbst be-

schreibt. »Freiheit in Verantwortung« gilt jetzt mehr denn je. Die

Schuldigen müssen zur Verantwortung gezogen werden! Bitte

diskutiert unsere Thesen und helft mit, die Partei zu erneuern!

Schreibt uns Eure Meinung, an [email protected] ! K

M A R B U R G

So sieht die JU Marburg-Biedenkopf die Riege der Schröder-Regierung. Im Hinblick auf die derzeitige Regierungspolitikvielleicht ein treffenderer Slogan als die wahrheitswidrigeBehauptung, sie wären bereit unser Land zu regieren.

G R Ä V E N W I E S B A C H

Kühnste Erwartungenübertroffen

Grävenwiesbach (eB/her). So viel Hilfsbereitschaft hatten die Mitglie-

der der Jungen Union im hessischen Grävenwiesbach nicht erwartet:

Mehr als 100 Geschenkpakete für Kinder in Rumänien kamen inner-

halb von nur zwei Wochen zusammen. Unter den Spenden befanden

sich neben Kleidern, Schulbedarf, Spielzeug, auch Möbel und medizi-

nisches Material.

Spendenfeuerwerk

Das übertraf dann doch die kühnsten Erwartungen, da die jungen

Christdemokraten schon fürchteten, dass die Notlagen in Rumänien

durch allerlei andere Katastrophen in Vergessenheit geraten würden.

So zeigte sich JU-Vorsitzender Christian Lewalter über das Ergebnis

des Spendenaufrufs umso erfreuter: »An sich wären wir bereits froh

gewesen, wenigstens ein paar Kindern eine kleine Freude bereiten zu

können, aber das es ein solches Spendenfeuerwerk gibt, hätten wir

niemals zu hoffen gewagt.« Neben den zahlreichen und großzügi-

gen Spenden aus den Reihen der Bevölkerung hatten auch Sachspen-

den, zum Beispiel von einem Schuhmarkt aus Oberursel, zum Gelin-

gen der Aktion beigetragen.

Zielort der Spenden war das heutige Timisoara (früher Temeswar).

Dort befindet sich ein Kinderdorf mit angeschlossenem Waisenhaus,

das unterstützt werden soll. Kurz nach der Revolution in Rumänien

vor zehn Jahren hatte die Stadt durch die schlechten Zustände in ihren

Kinderheimen europaweit traurige Aufmerksamkeit erlangt. K

U E C K E R - R A N D O W - K R E I S

Sport statt Diskussion –JU lud zum »Volleytik«

Uecker-Randow-Kreis (eB). Dass in der Politik nicht nur trocken debat-

tiert wird, bewiesen jetzt sechs Mannschaften im brandenburgischen

Uecker-Randow-Kreis. Zur »Volleytik« trafen sich Mitglieder der Jun-

gen Union, der CDU, Jugendliche vom Pasewalker Club »Fly In«, die Ju-

gendmannschaft der Freiwilligen Feuerwehr aus Krugsdorf sowie Ju-

gendliche aus dem Jugendclub in Jatznick.

»Wir möchten der Öffentlichkeit einfach zeigen, dass wir untereinan-

der auch Spass haben können«, erklärte Rüdiger Behrendt, Kreisvorsit-

zender der Jungen Union. Bereits 1998 habe es ein ähnliches Volley-

ballturnier gegeben. Die Idee dazu wurde am Stammtisch der jungen

Christdemokraten geboren. Künftig soll das Turnier zur Tradition wer-

den. Allerdings möchten sich die JU-Mitglieder dann auch gern mit

ihren politischen Gegnern sportlich messen, wie Rüdiger Behrendt

hofft: »Wir würden uns freuen, wenn die anderen Parteien auch eine

Mannschaft aufstellen würden.« K

Der neue Kreisvorstand: Charles Wisst, Martin Topp, Dennis Hanke,Alice Neuhäuser, Jörg Blöming, Daniel Brügger, LandtagskandidatWerner Lohn und Thomas Kersting.

Der neue Kreisvorstand: Charles Wisst, Martin Topp, Dennis Hanke,Alice Neuhäuser, Jörg Blöming, Daniel Brügger, LandtagskandidatWerner Lohn und Thomas Kersting.