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Skript zur Vorlesung “Entscheidungs– und Kapitalmarkttheorie (I)” von Prof. Dr. Dr. Andreas L¨ offler, bearbeitet von Dr. J¨ org Laitenberger * letzte ¨ Anderung am 28. Oktober 2003 * Beachten Sie bitte, dass nicht nur dieses Skript, sondern auch ein Reader mit zus¨ atzlicher Literatur Grundlage der Vorlesung Entscheidungstheorie ist. N¨ ahere Hinweise erhalten Sie auf einem kleinen Handout zur Vorlesung, den Sie im Internet finden.

Entscheidungs Und Kapitalmarkttheorie 1

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Page 1: Entscheidungs Und Kapitalmarkttheorie 1

Skript zur Vorlesung“Entscheidungs– und Kapitalmarkttheorie (I)”

von Prof. Dr. Dr. Andreas Loffler,

bearbeitet von Dr. Jorg Laitenberger∗

letzte Anderung am 28. Oktober 2003

∗Beachten Sie bitte, dass nicht nur dieses Skript, sondern auch ein Reader mit zusatzlicher LiteraturGrundlage der Vorlesung Entscheidungstheorie ist. Nahere Hinweise erhalten Sie auf einem kleinenHandout zur Vorlesung, den Sie im Internet finden.

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Page 2: Entscheidungs Und Kapitalmarkttheorie 1

Inhaltsverzeichnis

1 Sicherheit 11.1 Das Grundmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Praferenzrelationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.3 Praferenzen im Mehrperiodenkontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61.4 Konsumglattung und die Bestimmung der Zinshohe . . . . . . . . . . . . . . 81.5 Separation von Konsum– und Investitionentscheidungen: das Fisher–Modell . 10

2 Unsicherheit 152.1 Erwartungsnutzentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

2.1.1 Das Grundmodell: mehrere Zustande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152.1.2 Petersburger Spiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162.1.3 Erwartungsnutzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182.1.4 Grad (Intensitat) der Risikoaversion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232.1.5 Ein einfaches Portfolioproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302.1.6 Stochastische Dominanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

2.2 µ-σ–Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402.2.1 Das Grundmodell: mehrere Basistitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402.2.2 Erwartungsnutzen und µ-σ–Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422.2.3 Die Axiome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462.2.4 Sattigung beim µ-σ–Kalkul . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492.2.5 Tobin–Separation (und Portfoliotheorie) . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

Literaturverzeichnis 54

II

Page 3: Entscheidungs Und Kapitalmarkttheorie 1

Inhaltsverzeichnis S. III

Definitionen, Annahmen, Satze

Die Liste enthalt eine Ubersicht uber die im Skript zu findenden Definitionen und Satze

Definition 2.1 Unabhangigkeitsaxiom 19Definition 2.2 Risikofreude, –aversion 23Definition 2.3 Markowitzpramie 24Definition 2.4 absolute Risikoaversion 25Definition 2.5 relative Risikoaversion 32Definition 2.6 Varianzaversion 46

Satz 1.1 Existenz Nutzenfunktion 2Satz 1.2 Intertemporaler Konsum 9Satz 1.3 Bestimmungsfaktoren fur den Zinssatz 10Satz 2.1 Erwartungsnutzen 19Satz 2.2 konkave Nutzenfunktion und Risikoaversion 23Satz 2.3 Approximation Markowitzpramie 24Satz 2.4 Charakt. fallende absolute Risikoaversion 26Satz 2.5 Charakt. konstante absolute Risikoaversion 26Satz 2.6 absolute RA und einfaches Portfolioproblem 30Satz 2.7 relative RA und einfaches Portfolioproblem 33Satz 2.8 Charakt. konstante relative Risikoaversion 33Satz 2.9 FSD 36

Satz 2.10 SSD 37Satz 2.11 einfache Kriterien fur SSD 38Satz 2.12 Kovarianzmatrix und redundante Titel 42Satz 2.13 Varianzaversion und µ–σ–Nutzen 47Satz 2.14 Tobin–Separation 52

c© Loffler/Laitenberger 2003

Page 4: Entscheidungs Und Kapitalmarkttheorie 1

1 Sicherheit

1.1 Das Grundmodell

Wir stellen das Grundmodell unter Sicherheit vor.

Wir wollen uns in dieser Vorlesung mit der Frage beschaftigen, wie Individuen in einer un-sicheren Umwelt entscheiden sollen. Dazu gehen wir zuerst auf ein Modell ein, bei dem dieUnsicherheit ausgeblendet wird. Wir betrachten also eine Welt unter Sicherheit. Dieser Weltwird von uns anhand eines formalen Modells dargestellt. Dieses formale Modell soll zweiAspekte widerspiegeln: Entscheidungen konnen mehrere Guter sowie mehrere Zeitpunkte, indenen diese Guter konsumiert werden, betreffen.

Es zeigt sich, dass wir beide Aspekte (“mehrere Guter”, “mehrere Zeitpunkte”) nicht in einemformalen Modell analysieren konnen. Statt dessen werden wir uns nur auf einen der beidenkonzentrieren. Gibt es in unserer Welt mehrere Guter, dann haben wir nur einen Zeitpunkt.Konnen wir dagegen in der Welt zwischen mehreren Zeitpunkten unterscheiden, dann werdenwir es der Einfachheit halber nur mit einem Gut zu tun haben. Wenden wir uns jetzt derersten Darstellung zu.

Es gebe in unserem Modell nur einen Zeitpunkt (“heute”), in dem Individuen handeln konnen.In derselben logischen Sekunde, in der ein Vertrag vereinbart wird, wird ebenfalls geliefert.Geliefert werden konnen S verschiedene physische Guter, deren Beschaffenheit uns hier weni-ger interessiert. Bezahlt wird in einer nicht naher beschriebenen Einheit. Da in diesem Modelldie Guter konsumiert werden, macht es wenig Sinn, dass eines der Guter Geld ist: Geldkann man schließlich nicht essen. Wenn es kein Geld gibt, gibt es auch keine Geldanlage unddemzufolge konnen wir nicht sagen, wie hoch ein (risikoloser) Zins ware. Ein Vertrag (auchWertpapier oder Portfolio) wird durch die Menge der Guter, die zu liefern sind, beschrieben.Wir verwenden hierfur die Vektorschreibweise und identifizieren Vertrag und Lieferung. Wirschreiben fur das Wertpapier X (sie werden grundsatzlich mit Großbuchstaben versehen, dieeinzelnen Eintrage erhalten einen Index)

X =

X1

X2...

XS

←− Menge an erstem Gut←− Menge an zweitem Gut

...←− Menge an S–tem Gut

Diese Schreibweise ist von Vorteil, weil wir die Elemente der Vektorraumrechnung nutzenkonnen. Wir konnen Vertrage zusammenlegen (die Zahlung entspricht jetzt der Summe derVektoren X +Y ), wir konnen Vertrage vervielfachen (hier ist das Produkt a ·X zu verwenden)und miteinander vergleichen. Dabei sagen wir X ≥ Y genau dann, wenn die Zahlung beimVertrag X von jedem Gut mehr oder wenigstens ebenso hoch ist wie beim Wertpapier Y .Ebenso gilt X = Y , wenn die Wertpapiere X und Y von jedem Gut die gleiche Menge liefern.Wir konnen auch von einem Grenzubergang sprechen: wir sagen limn Xn = X genau dann,

1

Page 5: Entscheidungs Und Kapitalmarkttheorie 1

1.2 Praferenzrelationen S. 2

wenn in den Vektoren Xn die Eintrage einer jeden Zeile gegen den entsprechenden Eintragin X konvergieren. Der Preis eines Vertrages X wird in der Literatur verschieden bezeichnet:hier werden wir p(X) schreiben.

1.2 Praferenzrelationen

In diesem Abschnitt soll ein Axiomensystem fur Praferenzen vorgestellt werden, aus dem sichdie Existenz einer Nutzenfunktion ableiten lasst.

Wir werden jetzt einen weiteren Weg kennen lernen, mit dem Nutzenfunktionen eingefuhrtwerden konnen. Wir werden dazu ein Axiomensystem an Praferenzen formulieren. Praferen-zen sind “besser als”–Relationen: ich finde das Portfolio X besser als den Titel Y . WelcheEigenschaften an diese Relationen benotigen wir, um daraus schlussfolgern zu konnen, dassder Investor sich so verhalt, als maximiere er eine Nutzenfunktion?

Wir werden im folgenden eine Praferenzrelation durch das Symbol X � Y beschreiben. DieseSchreibweise ist wie folgt zu interpretieren: “X ist besser oder mindestens ebenso gut wieY ”. Es gibt Lehrbucher, in denen diese Relation durch das Symbol � beschrieben wird.Wir werden hier also den Fall, dass X und Y gleichpraferiert sind (X ∼ Y ) mit in dasRelationssysmbol aufnehmen. Die folgenden Axiome sind nun hinreichend fur die Existenzeiner Nutzenfunktion.

Vergleichbarkeit es gilt X � Y oder Y � X.1

Transitivitat Wenn X � Y und Y � Z gilt, dann ist auch X � Z.

Stetigkeit Die Relation andert sich nicht, wenn ein Grenzubergang im Unendlichen erfolgt.Aus Xn � X folgt also limn→∞ Xn � X. Ebenso folgt aus Xn � X die Relationlimn→∞ Xn � X.

Man kann nun zeigen, dass die genannten drei Axiome in der Tat hinreichend fur die Dar-stellung einer Praferenz durch eine Nutzenfunktion sind. Das Beispiel der lexikographischenPraferenz zeigt auch, dass man auf die eher technisch anmutende Stetigkeitsforderung nichtverzichten kann.2

Satz 1.1 (Debreu, 1954) Eine Praferenzrelation � erfullt die oben genannten Axiome ge-nau dann, wenn es eine Nutzenfunktion U(x) derart gibt, dass die folgende Aussage gilt

X � Y ⇐⇒ U(X) ≥ U(Y ). (1.1)

Der Satz offenbart, dass die Nutzenfunktion U(X) selbst sehr wenig Einschrankungen besitzt.So konnten wir beispielsweise statt U(X) ohne weiteres ebenso eU(X) verwenden, denn es giltja

U(X) ≥ U(Y ) ⇐⇒ eU(X) ≥ eU(Y ).

1Hatten wir uns entschieden, die Relation X � Y (“X ist besser als Y ”) zu verstehen, musste das Axiom einwenig anders lauten. Wir hatten zu fordern, dass entweder X � Y , Y � X oder X ∼ Y gilt.

2Debreu bewies diesen Satz in der Arbeit Debreu (1954).

c© Loffler/Laitenberger 2003

Page 6: Entscheidungs Und Kapitalmarkttheorie 1

1.2 Praferenzrelationen S. 3

Man nennt daher die Darstellung der Nutzentheorie auch ordinal, weil die absolute Nutzenzahlkeine Rolle spielt. Vielmehr kommt es nur auf die Relationen der Nutzenwerte zueinander an.Wir wollen zuletzt zwei Beispiele von Praferenzrelationen betrachten.

Beispiel (lexikographische Ordnung): Wir betrachten die Guterbundel X und Y, diejeweils zwei Guter (Apfel und Birnen) enthalten.

X =(

X0

X1

), Y =

(Y0

Y1

).

X0 und Y0 zeigen Anzahl der Apfel und X1 und Y1 Anzahl der Birnen in den entsprechendenBundeln. Wir wollen sagen, dass Apfel grundsatzlich besser als Birnen sind. Die Praferenzre-lation wird von uns dazu wie folgt definiert:

X � Y :⇐⇒ X0 > Y0 oder (X0 = Y0 und X1 ≥ Y1).

Zur Erlauterung: der Investor achtet zuerst auf die Anzahl der Apfel. Sind sie in X großer alsin Y , so zieht er das Guterbundel X dem Bundel Y vor, unabhangig davon, wieviel Birnenin beiden Bundeln enthalten sind. Prufen wir die drei Axiome von Debreu.

1. Was ist mit dem Axiom der Vergleichbarkeit? Dieses Axiom ist dann erfullt, wenn belie-bige Guterbundel X und Y miteinander verglichen werden konnen. Bei den Guterbundelnsind nur die folgende Falle moglich:

• es gilt X0 > Y0 (“mehr Apfel in X”). Dann folgt sofort X � Y .

• Oder aber es gilt X0 < Y0 (“mehr Apfel in Y ”). Dann folgt aus der Definition derRelation sofort Y � X.

• Oder aber es gilt X0 = Y0 (“gleich viel Apfel in X und Y ”). Fur die Birnen mussdann entweder X1 ≥ Y1 gelten (und damit X � Y ) oder es ist X1 < Y1 und damitY � X.

Andere Falle sind nicht moglich. Da jeden Fall X � Y oder Y � X gilt, ist die Ver-gleichbarkeit gewahrleistet.3

2. Was ist mit dem Axiom der Transitivitat? Angenommen, es gilt X � Y und Y � Z.Dann haben wir die Relation X � Z zu beweisen. Dazu unterscheiden wir alle vierFalle, die aufgrund unserer Voraussetzung moglich sind.

Fall 1. Angenommen, es gilt X0 > Y0 und Y0 > Z0. Dann gilt X0 > Z0. Daraus folgtX � Z.

Fall 2. Angenommen, es gilt X0 = Y0 und X1 ≥ Y1 und Y0 = Z0 und Y1 ≥ Z1. Danngilt X0 = Y0 = Z0 und X1 ≥ Y1 ≥ Z1, also wieder X � Z.

Fall 3. Angenommen, es gilt X0 > Y0 und Y0 = Z0. Dann gilt X0 > Z0 und damitX � Z.

3Dem aufmerksamen Leser durfte nicht entgangen sein, dass bei gleichen Guterbundeln X = Y sowohl X � Yals auch Y � X gilt. Dies ist kein Widerspruch zur Vergleichbarkeit! Es hieß im Axiom ja nicht “entweder. . . oder”!

c© Loffler/Laitenberger 2003

Page 7: Entscheidungs Und Kapitalmarkttheorie 1

1.2 Praferenzrelationen S. 4

Fall 4. Angenommen, es gilt X0 = Y0, X1 ≥ Y1 und Y0 > Z0. Dann gilt X0 > Z0 unddamit X � Z.

3. Was ist mit dem Stetigkeitsaxiom? Da die beiden anderen Axiome erfullt sind, musshier das Problem liegen und wir erwarten, dass dieses Axiom nicht gelten wird. Dazugenugt es, ein Gegenbeispiel zu konstruieren. Wir betrachten folgendes Zahlenbeispiel.(

01

)�(

0,51

)�(

0,9991

)�(

10

).

Damit ist die Voraussetzung, die im Stetigkeitsaxiom formuliert wurde, erfullt. Dennochgilt

limn→∞

Xn =(

11

)� X =

(10

).

Die Stetigkeit ist nicht erfullt. Daraus folgt, dass keine Nutzenfunktion existiert. Wir haben,um das Beispiel etwas anschaulicher werden zu lassen, die Bessermenge in Abbildung 1.1eingezeichnet. Schraffiert sind diejenigen Punkte, die besser oder gleich gut dem GuterbundelX sind.

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X0

X1

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...

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.....

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.....

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.....

Bessermenge

X s....................

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Abbildung 1.1: Bessermenge fur eine Praferenz ohne Nutzenfunktion

Beispiel: Wir wollen ein zweites Beispiel betrachten. Wiederum haben wir zwei GuterbundelX und Y , die jeweils die Guter Apfel und Birnen besitzen. Im Unterschied zu vorherigemBeispiel wollen wir jetzt davon ausgehen, dass beide Guter vom Individuum substituiertwerden konnen: Apfel und Birnen sind gleich gut. Die Praferenz wird wie folgt definiert:

X � Y :⇐⇒ X0 + X1 ≥ Y0 + Y1. (1.2)

Der Investor zahlt hier nur die Gesamtzahl der Fruchte; das Bundel mit den meisten Fruchtenbevorzugt er. Wieder untersuchen wir die drei Axiome von Debreu.

1. Was ist mit dem Axiom der Vergleichbarkeit? Die Zahlen X0 + X1 und Y0 + Y1 sindimmer miteinander vergleichbar. Also gilt X � Y oder Y � X.

c© Loffler/Laitenberger 2003

Page 8: Entscheidungs Und Kapitalmarkttheorie 1

1.2 Praferenzrelationen S. 5

2. Auch die Transitivitat gilt. Wenn X � Y und Y � Z gilt, dann mussen die RelationenX0 + X1 ≥ Y0 + Y1 und Y0 + Y1 ≥ Z0 + Z1 gelten. Also ist X0 + X1 ≥ Z0 + Z1. Dasbedeutet aber X � Z. Das Axiom der Transitivitat ist erfullt.

3. Auch die Stetigkeit gilt (ohne Beweis).

Nach dem Satz von Debreu muss es mithin eine Nutzenfunktion geben. Wie sieht diese Nutzen-funktion aus? Dazu zeichnen wir die Indifferenzkurven der Relation. Auf der Indifferenzkurveliegen genau diejenigen Guterbundel Y , fur die X ∼ Y gilt. Dazu muss folgendes erfullt sein:

X ∼ Y ⇐⇒ (X � Y und Y � X)⇐⇒ (X0 + X1 ≥ Y0 + Y1 und Y0 + Y1 ≥ X0 + X1)⇐⇒ X0 + X1 = Y0 + Y1

⇐⇒ Y1 = X0 + X1 − Y0.

Dies ist die Gleichung einer Gerade mit dem Anstieg −1. Unsere Nutzenfunktion lautet daherU(X) = X0 + X1. Diese Darstellung der Nutzenfunktion hatten wir bereits in der Definiti-on der Relation (1.2) unmittelbar erkennen konnen. Die Abbildung 1.2 veranschaulicht dieBessermenge.

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X0

X1

...................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

Bessermenge

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Xs

Abbildung 1.2: Bessermenge des zweiten Beispiels

Wir werden im folgenden weitere Annahmen an die Nutzenfunktion unterstellen. So fordernwir etwa die Monotonie, das heißt mehr Guter sind auch besser. Ebenso werden wir die Qua-sikonkavitat und die Differenzierbarkeit voraussetzen.4 Die Quasikonkavitat soll sicherstellen,dass Optimallosungen immer eindeutig sind; die Differenzierbarkeit soll sicherstellen, dass wiruns des Differentialkalkuls bedienen konnen.

4Siehe dazu Mas-Colell (1985), S.69ff.

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Page 9: Entscheidungs Und Kapitalmarkttheorie 1

1.3 Praferenzen im Mehrperiodenkontext S. 6

1.3 Praferenzen im Mehrperiodenkontext

Das am Anfang vorgestellte Grundmodell kann auch ganzlich anders aufgefasst werden. Wirkonnten davon ausgehen, dass es nur ein einziges Gut gibt, welches jedoch nicht nur in einemZeitpunkt. sondern in mehreren Zeitpunkten geliefert werden kann. Wir wurden dann X2

nicht als die Menge an zweitem Gut, sondern als die Menge des Gutes im zweiten Zeitpunktinterpretieren konnen, ohne dass wir unser formales Modell entsprechend anpassen mussten.Der Vorteil liegt auf der Hand: da wir dasselbe formale Modell verwenden, mussen wir nureinmal beweisen und erhalten so zwei okonomischen Aussagen.

Diese zweite Interpretation wollen wir etwas genauer beschreiben. Der gesamte Handel findenicht in einem Zeitpunkt statt, vielmehr gibt es eine Gegenwart (“heute”) und S zukunftigeZeitpunkte. Vertrage werden heute abgeschlossen, geliefert wird in der Zukunft. Das lieferbareGut sei Geld. Ein Vertrag oder ein Wertpapier verspricht nicht verschiedene physische Guter,sondern Geld in den verschiedenen Zeitpunkten. Wir konnen dieselbe Schreibweise benutzen,mussen aber die Eintrage anders auffassen

X =

X1

X2...

XS

←− Menge an Geld in t = 1←− Menge an Geld in t = 2

...←− Menge an Geld in t = S

Jetzt macht es sehr wohl Sinn, von einem risikolosen Zins zu sprechen. Es gibt sogar verschie-dene Zinssatze (Kassa– und Terminzinssatze), auf die wir in der Arbitragetheorie eingehen.Wir verwenden an dieser Stelle statt der Schreibweise p(X) fur den Preis eines Wertpapieresauch die kurzere Form X0 (der Vektor wird gewissermaßen um eine Zeile “aufgeblaht”). DieseSchreibweise ist sinnvoll, wenn wir die Bezahlung bei Vertragsabschluss (im Zeitpunkt t = 0!)auch als eine “Lieferung” interpretieren. Fur den Fall S = 1 (nur ein zukunftiger Zeitpunkt)werden wir den risikolosen Zins mit der Variable rf bezeichnen.

In diesem Abschnitt wollen wir kurz untersuchen, welche zusatzliche Annahmen man an diePraferenzen machen kann, wenn es nur ein Konsumgut Xt in jeder Periode t gibt, dafuraber mehrere Perioden t = 1, . . . , S. Dass es nur ein Konsumgut gibt, ist naturlich einestark vereinfachende Annahme. Man kann sich aber vorstellen, dass dieses eine Konsumguteinfach Geld ist, mit dem man in jeder Periode seinen Konsum vieler verschiedenartigerProdukte bestreitet. Das funktioniert aber naturlich nur, wenn man die Annahme trifft, dassdie Preise der Produkte in allen Perioden gleich bleiben, da ansonsten offensichtlich die gleicheMenge Geld ganz verschiedene Produktallokationen ermoglicht, die wohl kaum den gleichenNutzenwert haben durften.

An Stelle eines Konsumportfolios sprechen wir in diesem Kontext auch von einem Konsum-strom. Wie wir am Anfang schon gesagt hatten, konnen wir den Konsumstrom einfach als einKonsumportfolio unseres ersten einperiodischen Modells auffassen und ansonsten alles gleichlassen. Man erhalt dann mit Satz (1.1) die Existenz einer Nutzenfunktion U(X1, . . . , XS).Wir wollen uberlegen, ob man im intertemporalen Kontext vielleicht zusatzliche vertretbareAnnahmen an die Praferenzen machen kann. Man betrachte als erstes das Axiom der Sepa-rabilitat. Dabei werde die Menge der Zeitpunkte t = 1, . . . , S in zwei disjunkte Teilmengenaufgeteilt: T1 und T2 mit T1 ∪ T2 = {1, . . . , S}.

Separabilitat Die Praferenzrelation fur die Verteilung des Konsums uber die Perioden in T1

c© Loffler/Laitenberger 2003

Page 10: Entscheidungs Und Kapitalmarkttheorie 1

1.3 Praferenzen im Mehrperiodenkontext S. 7

ist unabhangig vom Konsum in den Perioden in T2. Formal: es seien X und Y zweiKonsumstrome mit Xt = Yt zu allen Zeitpunkten t ∈ T2, sowie zwei Konsumstrome Xund Y , die ebenfalls Xt = Yt zu allen Zeitpunkten t ∈ T2. Außerdem sei Xs = Xs undYs = Ys zu allen Zeitpunkten s ∈ T1. Dann folgt aus X � Y die Praferenz X � Y .

Das Axiom der Separabilitat werde am folgenden Beispiel dargestellt:

t 1 2 3 4X X1 X2 X3 X4

Y X1 X2 Y3 Y4

X X1 X2 X3 X4

Y X1 X2 Y3 Y4

Die Konsumstrome X und Y sind in den Perioden 1 und 2 identisch. Wenn nun X gegenuberY praferiert wird, so impliziert das, dass auch X gegenuber Y praferiert wird, da auch X undY in den Perioden 1 und 2 identisch sind und in den anderen Perioden den Konsum von Xbzw. von Y bieten. Da X und Y in t = 1 und t = 2 identisch sind, muss die Entscheidungzwischen den beiden offensichtlich anhand des Konsums in t = 3 und in t = 4 festgemachtwerden. Hier ist aber aus der Vorliebe von X uber Y bereits die Praferenz festgelegt. Ob Siees vorziehen, heute weniger zu konsumieren und dafur spater mehr, hangt nicht davon ab,was sie in den letzten Jahren konsumiert haben.

Eine Konsequenz dieses Axioms ist, dass die Nutzenfunktion U zeitlich additiv sein muss, wasbedeutet, dass es Funktionen ut gibt, so dass

U(X1, . . . , XS) =S∑

t=1

ut(Xt).

Die zeitliche Separabilitat scheint eine recht plausible Annahme zu sein, jedenfalls erleich-tert es die Analyse ungemein. Allerdings schrankt es die Nutzenfunktion ein. BestimmtePhanomene, wie zum Beispiel Gewohnheitseffekte, konnen damit nicht erfasst werden. DieseGewohnheitseffekte (englisch ’habit formation’) werden seit einigen Jahren intensiv bei derAnalyse des Sparverhaltens intensiv diskutiert.5

Eine weitere hilfreiche und vertretbare Annahme an die Praferenzen bildet das Axiom derStationaritat. Man erlautert es am einfachsten im Kontext von Entscheidungen uber Kon-sumstrome uber unendlich viele Perioden, also t = 1, 2, . . .. Es betrifft die Art und Weise,wie sich die Praferenzen andern, wenn der Entscheidungstrager alter wird. Es wird dabeigefordert, dass

Stationaritat Die Rangordnung der Konsumstrome in zukunftigen Perioden ist in allen Peri-oden gleich. Formal: wenn zu einem Zeitpunkt t der Konsumstrom X = (Xt+1, Xt+2, . . .)dem Konsumstrom Y = (Yt+1, Yt+2, . . .) vorgezogen wird, dann wird zum Zeitpunkt t+1der Konsumstrom X = (Xt+2, Xt+3, . . .) mit Xt+2 = Xt+1, Xt+3 = Xt+2, usw.., demKonsumstrom Y = (Yt+2, Yt+3, . . .) mit Yt+2 = Yt+1, Yt+3 = Yt+2, usw.., vorgezogen.

5Wer mehr uber Gewohnheitseffekte und deren Anwendung auf das Sparverhalten wissen mochte, konsultiereConstantinides (1990).

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Page 11: Entscheidungs Und Kapitalmarkttheorie 1

1.4 Konsumglattung und die Bestimmung der Zinshohe S. 8

Mit den Axiomen der Separabilitat und der Stationaritat folgt, dass es ein β ∈ R und ei-ne Funktion u(·) gibt, so dass die Funktionen ut(Xt) = βtu(Xt). Die Nutzenfunktion uberintertemporalen Konsum schreibt sich dann

U(X1, . . . , XS) =S∑

t=1

βtu(Xt).

Das Axiom der Stationaritat wird manchmal auch Axiom der zeitlichen Konsistenz der Ent-scheidungen genannt, da es aquivalent zu der Annahme ist, dass ein rationaler Entscheiderseine Entscheidungen so trifft, dass er sie in spateren Perioden nicht revidiert. Es bedeu-tet, dass man eine Maßnahme, die man sich heute vornimmt, morgen durchzufuhren, auchtatsachlich durchgefuhrt wird. Angesichts der Erfahrungen Milliarden von Rauchern beimVersuch damit aufzuhoren, mag man an der Berechtigung dieses Axioms zweifeln, aber beiInvestitionsentscheidungen durfte es ganz gut hinkommen.

Zur Illustration, was passiert, wenn die Praferenzen nicht die Eigenschaft der Stationaritatbesitzen, betrachte man das folgende Problem. Sie konnen heute daruber entscheiden, morgenGeld eine Periode lang anzulegen zu einem festen Zinssatz rf . Heute in t = 1 werden Sie zurLosung dieses Problems das folgende Maximierungsproblem losen:

maxY

u1(E1) + u2(E2 − Y ) + u3(E3 + (1 + rf )Y ) + . . . ,

wobei Y den Sparbetrag und Et Ihr Einkommen in Periode t darstellt. Eine Periode spater,in t = 2, wenn der Zeitpunkt gekommen ist, zur Bank zu gehen, losen sie das Problem

maxY

u1(E2 − Y ) + u2(E3 + (1 + rf )Y ) + . . . .

Man erhalt in beiden Entscheidungsproblemen nur dann die gleiche Sparrate Y , wenn u2 =βu1 und u3 = βu2. In der Regel geht man davon aus, dass β < 1 ist, was zum Ausdruckbringt, dass die Gegenwart hoher gewertet wird als die Zukunft und die nahe Zukunft hoherals die ferne Zukunft.

1.4 Konsumglattung und die Bestimmung der Zinshohe

Wir wollen untersuchen, welchen Einfluss die Zeitpraferenzen auf die Zinshohe in einemMarktgleichgewicht haben.

Es gibt zwei Grunde dafur zu sparen: man spart, um seinen Konsum uber die verschiedenenPerioden zu verteilen, und man spart, um sein Vermogen durch Ausnutzen hoher Zinsratenzu erhohen. Wir wollen diese beiden Effekte in einem einfachen Modell untersuchen. Wirbetrachten ein Modell mit zwei Zeitpunkten, t = 1 und t = 2. Ein Investor habe die in-tertemporale Nutzenfunktion u(X1) + βu(X2). Der Investor verfuge uber Einkommen E1 int = 1 und E2 in t = 2. Daruber hinaus kann er zum sicheren Zinssatz rf sparen oder auchzum gleichen Zinssatz Kredite aufnehmen. Der Anlagebetrag werde mit Y bezeichnet. DasEntscheidungsproblem lautet:6

maxY

u(E1 − Y ) + βu(E2 + (1 + rf )Y ).

6Wenn der Konsument einen Kredit aufnimmt, dann ist Y negativ. Der Konsument hat dann in t = 2 denKredit zuruckzuzahlen.

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Page 12: Entscheidungs Und Kapitalmarkttheorie 1

1.4 Konsumglattung und die Bestimmung der Zinshohe S. 9

Die Bedingungen erster Ordnung dieses Problems lauten

−u′(E1 − Y ) + β(1 + rf )u′(E2 + (1 + rf )Y ) = 0.

Die Bedingungen zweiter Ordnung lauten

u′′(E1 − Y ) + β(1 + rf )2u′′(E2 + (1 + rf )Y ) < 0.

Die Bedingungen zweiter Ordnung sind nur dann erfullt, wenn u′′ < 0 ist, u also eine konkaveFunktion ist. Wenn u konvex ware, dann hatten wir es mit einem Minimum zu tun und esgabe uberhaupt kein Maximum. Der Konsument wurde versuchen so viel Konsum in einerPeriode zu konzentrieren wie moglich. Wenn man negativen Konsum ausschließt, wurde dasdazu fuhren, dass der Konsument sich gerade so weit verschuldet, dass er in t = 2 mit seinemEinkommen den Kredit zuruckzahlen kann und nichts mehr zum konsumieren ubrig bleibt.Das ist unwahrscheinlich und deshalb ist die Annahme einer konkaven Nutzenfunktion ganzvernunftig. Hier wird der Konsument versuchen weitgehend gleich hohen Konsum in beidenPerioden zu erreichen, er wird seinen Konsum glatten.

Die Bedingung erster Ordnung kann umgeformt werden:

u′(X1)u′(X2)

= β(1 + rf ). (1.3)

Da u′ eine fallende Funktion ist, ist der Bruch auf der linken Seite genau dann großer (kleiner)eins, wenn der Konsum zunimmt (abnimmt). Wir haben damit ein erstes Ergebnis:

Satz 1.2 Der Konsum ist genau dann zunehmend (abnehmend), wenn das Produkt aus β(1+rf ) großer (kleiner) eins ist.

Wenn β(1 + rf ) = 1 ist, dann ist der Konsum uber die Perioden konstant.

Als nachstes wollen wir einen ersten Versuch machen, zu verstehen, wie die Hohe des Zinssatzesrf in einer Marktwirtschaft zustande kommt. Da der Zins sich im Rahmen eines Marktgleich-gewichts, bei dem alle Marktteilnehmer zu bestimmten Preisen ihre Konsum– und Investi-tionentscheidungen treffen, so dass Angebot und Nachfrage sowohl auf den Gutermarkten alsauch auf den Finanzmarkten im Gleichgewicht sind, ist dies im Allgemeinen nicht so einfach.Zudem ist dies eigentlich erst Thema der Vorlesung ’Kapitalmarkttheorie’ im nachsten Se-mester. Trotzdem wollen wir in einem sehr einfachen Modell diese Frage jetzt schon einmalbeleuchten. Das Modell ist eine Vereinfachnung des (auch bereits sehr einfachen) Modells vonLucas (1978), der u.a. dafur den Nobelpreis bekommen hat.

Es gebe eine endliche Menge an identischen Konsumenten, die in den Perioden t = 1 undt = 2 leben. Sie haben alle die gleiche intertemporale Nutzenfunktion u(X1) + βu(X2). JederKonsument besitzt einen Baum, der in t = 1 E1 Fruchte und in t = 2 E2 Fruchte produziert.Die Wachstumsrate der Fruchteproduktion ist E2/E1 = 1 + g. Die Konsumenten konnen sichgegenseitig Fruchte verkaufen. Da alle Konsumenten ja gleich viele Fruchte besitzen und auchansonsten identisch sind, wusste man aber nicht weshalb sie das tun sollten. Außerdem soll esin t = 1 einen Kapitalmarkt geben, auf dem die Konsumenten Fruchte gegen das Versprechender Lieferung von Fruchten in t = 2 eintauschen konnen. Jemand der in t = 1 auf diesemKapitalmarkt Fruchte anbietet, legt also sozusagen Fruchte an und bekommt dafur in t = 2

c© Loffler/Laitenberger 2003

Page 13: Entscheidungs Und Kapitalmarkttheorie 1

1.5 Separation von Konsum– und Investitionentscheidungen: das Fisher–Modell S. 10

Zinsen in Form von Fruchten. Der Kapitalmarkt wird von einem sogenannten Market Makergeleitet. Dessen Job ist es, den geeigneten Zinssatz zu bestimmen, so dass das Angebot anFruchten gerade der Nachfrage entspricht. Da aber wieder alle Konsumenten identisch sind,wird im Gleichgewicht niemand Fruchte verleihen oder ausleihen. Fur jeden Konsumentenlautet also die Bedingung erster Ordnung (1.3):

u′(E1)u′(E1(1 + g))

= 1 + rf .

Man erkennt: wenn die Fruchteproduktion stagniert (g = 0), dann ist der Zinssatz geradeder Kehrwert der Zeitpraferenz β. Dieser Kehrwert wird auch als Maß der Ungeduld derKonsumenten bezeichnet. Spezifizieren wir die Nutzenfunktion zum Beispiel mit u(X) =ln(X), dann lautet die Bedingung erster Ordnung:

(1 + g) = 1 + rf .

Wir fassen zusammen:7

Satz 1.3 Der Zins steigt mit der Hohe des Wachstums und der Hohe der Ungeduld.

Ohne Wachstum ist der Zinssatz gerade gleich dem Kehrwert der Zeitpraferenz.

1.5 Separation von Konsum– und Investitionentscheidungen: dasFisher–Modell

In diesem Abschnitt soll das Fisher–Modell vorgestellt werden. Wir zeigen damit, dass furbestimmte Entscheidungen, die Kenntnis der Zeitpraferenzen gar nicht benotigt werden.

Wir wollen nun zeigen, wie wir mit Hilfe von Nutzenfunktionen im Fisher–Modell Entschei-dungen treffen. Es gebe in der Zukunft nur einen Zeitpunkt, der Investor tauscht Geld. Erbesitzt heute eine Erstausstattung an Geld, die wir mit X0 bezeichnen. Wir setzen voraus,dass der Investor Portfolios bildet, um seinen Geldbesitz heute X0 und morgen X1 zu opti-mieren. Es geht um eine optimale Umverteilung heutigen Geldbesitzes in die Zukunft. DasFisher–Modell8 betrachtet nun drei stilisierte Situationen.

Robinso-Crusoe–Welt. Wenn der Investor weder produzieren noch handeln kann, bleibt ihmgar nichts anderes ubrig als die Erstausstattung X0 = X0 sowie den zukunftigen BesitzX1 = 0 als optimal anzusehen.

Kapitalmarkt Es gibt jetzt einen perfekten Kapitalmarkt.9 Der Investor kann Geld am Kapi-talmarkt anlegen oder borgen. Die Geldanlage am Kapitalmarkt verzinst sich zu einem

7Das Ergebnis gilt auch fur andere Nutzenfunktionen. Die Herleitung ist dann allerdings etwas muhsamer.8Unser Fisher–Modell ist denkbar einfach. So kann man ohne Schwierigkeiten voraussetzen, dass der Investor

auch eine Erstausstattung an Geld morgen besitzt, neben Geld ein Gut gehandelt wird und dieses Guteiner Inflation ausgesetzt wird. Die zentralen Ergebnisse andern sich aber dadurch nicht.

9Der Kapitalmarkt ist perfekt genau dann, wenn Sollzinsen und Habenzinsen identisch sind, es kein Finan-zierungslimit gibt und der Markt keine Reibungsmoglichkeiten (Steuern, Transaktionskosten) besitzt.

c© Loffler/Laitenberger 2003

Page 14: Entscheidungs Und Kapitalmarkttheorie 1

1.5 Separation von Konsum– und Investitionentscheidungen: das Fisher–Modell S. 11

Zins rf . Wir wollen die Geldanlage, mit der der Investor sein optimales Portfolio her-stellt, mit dem Symbol M bezeichnen (die Schreibweise ist historisch gewachsen undorientiert sich an der Bedeutung “money”). Heute zahlt der Investor also den Preis M0,um morgen den Geldbetrag M1 zu erhalten. M kann auch negativ sein, in diesem Fallnimmt er einen Kredit auf.

Wollen wir das optimale Nutzenniveau ermitteln, so haben wir das folgende Maximie-rungsproblem zu losen

max U(X0, X1), s.t. X0 = X0 −M0, X1 = M1. (1.4)

Wir wissen, dass die Rendite am Kapitalmarkt rf betragt, also gilt

rf =M1

M0− 1. (1.5)

Setzen wir dies in die Maximierungsbedingung ein, dann erhalten wir durch Eliminierenvon M0

max U(X0, X1), s.t. 0 = X1 − (1 + rf )(X0 −X0).

Was haben wir bisher okonomisch gezeigt? Wir haben gezeigt, dass mit der Wahldes heutigen Besitzniveaus samtliche anderen Variablen des Problems (Geldanlage M0,zukunftiger Besitz X1) festgelegt sind. Dies scheint plausibel zu sein. Die Nebenbedin-gung wird auch Transaktionsgerade genannt, weil sie die Menge moglicher Transaktio-nen am Kapitalmarkt beschreibt. Unsere Maximierungsaufgabe lasst sich nun mit demKalkul von Lagrange losen. Dazu notieren wir die Lagrange–Funktion

L = U(X0, X1)− λ(X1 − (1 + rf )(X0 −X0)).

Die Nebenbedingungen erster Ordnung lauten nun10

0 =∂L∂λ

= X1 − (1 + rf )(X0 −X0)

0 =∂L∂X0

=∂U(X0, X1)

∂X0− λ(1 + rf )

0 =∂L∂X1

=∂U(X0, X1)

∂X1− λ

Die erste Gleichung ist notwendig, um das optimale Portfolio zu bestimmen, sie wirduns aber in diesem Abschnitt nicht interessieren. Wir setzen die dritte Gleichung in diezweite ein und erhalten

−(1 + rf ) = −∂U(X0,X1)

∂X0

∂U(X0,X1)∂X1

. (1.6)

10Wir ignorieren in diesem Abschnitt die Bedingungen zweiter Ordnung: es konnte also durchaus sein, dasswir hier kein Nutzenmaximum, sondern ein Nutzenminimum gefunden haben?! Wir werden im Verlauf derDiskussion sehen, wie man diesen Fall ausschließen kann. Im Moment ist er uns nicht wichtig.

c© Loffler/Laitenberger 2003

Page 15: Entscheidungs Und Kapitalmarkttheorie 1

1.5 Separation von Konsum– und Investitionentscheidungen: das Fisher–Modell S. 12

Der Term auf der rechten Seite wird als Grenzrate der Substitution bezeichnet.11 DieBedingung (1.6) besagt, dass im Optimum Grenzrate der Substitution und risikoloserZins plus eins ubereinstimmen mussen. Diese Bedingung konnen wir uns gut graphischveranschaulichen. Dazu tragen wir in einem Diagramm die Zahlungen X0 sowie X1

ein und berucksichtigen weiter die Nebenbedingung aus der Maximierung (1.4). DasErgebnis ist in Abbildung 1.3 zu sehen. Der Optimalpunkt ist derjenige, bei dem dieTangentiallinie der Indifferenzkurve (gerade der rechte Ausdruck in (1.6)) parallel andie Transaktionsgerade mit der Steigung −(1 + rf ) ist.

(1 + rf )X0

X1

X0

X0

-

6.....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

sU(X0, X1)

.......................................................................................................................................

Abbildung 1.3: Fisher–Modell mit Kapitalmarkt

Bisher haben wir die Frage, ob genau eine optimale Losung existiert, vernachlassigt.Dies wollen wir jetzt nachholen. Wurde es uns nicht gelingen, Bedingungen fur eineeindeutige optimale Losung zu formulieren, dann macht unsere gesamte Theorie wenigSinn: wir behaupten ja, Verhalten von Entscheidungstragern beschreiben zu konnen.Gabe es beispielsweise mehrere optimale Losungen, dann mussten wir erklaren, welcheder moglichen Portfolios der Entscheidungstrager nun letztendlich wahlt. Wir fragendaher, unter welchen Annahmen an die Nutzenfunktion das optimale Portfolio eindeutigbestimmt ist. Es zeigt sich, dass dazu die strikte Quasikonkavitat der Nutzenfunktion

11Dazu eine kurze Erlauterung. Unter der Grenzrate der Substitution versteht man diejenigen Mengen anzukunftigem Gut, auf die man verzichten muss, wenn wir eine (marginale) Einheit heutiges Gut zusatzlicherhalten und dennoch das Nutzenniveau nicht verandern wollen. Daraus ergibt sich folgende Rechnung

0 = dU(X0, X1) Nutzenniveau konstant

=∂U

∂X0dX0 +

∂U

∂X1dX1 totales Differential

dX1

dX0= −∂U/∂X0

∂U/∂X1, umstellen.

Der Ausdruck auf der linken Seite gibt die Mengen an X1 an, die als Kompensation fur dX0 mehr Geld int = 0 herhalten mussen. Dieser Ausdruck ist immer negativ, da man fur mehr X0 ja weniger X1 in Kaufnehmen wird.

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Page 16: Entscheidungs Und Kapitalmarkttheorie 1

1.5 Separation von Konsum– und Investitionentscheidungen: das Fisher–Modell S. 13

ausreichend ist. Eine Nutzenfunktion heißt strikt quasikonkav, wenn sie die folgendeEigenschaft besitzt:

• Wir wahlen zwei beliebige Punkte auf einer Indifferenzkurve und verbinde sie mit-einander.

• Die Nutzenfunktion ist strikt quasikonkav, wenn jeder Punkt auf der Verbindungs-linie besser als die beiden Ausgangspunkte ist.

Zur Veranschaulichung betrachten wir eine Situation wie in Abbildung 1.4. In diesemFall waren die beiden Portfolios (a0, a1) sowie (b0, b1) optimal, da die Indifferenzkurvetangential an der Budgetlinie verlauft. Offensichtlich ist die Nutzenfunktion nicht striktquasikonkav, denn die Portfolios der Verbindungslinie von (a0, a1) und (b0, b1) sind alleschlechter als (a0, a1) bzw. (b0, b1).

a1

b1

X1

a0 b0

X0

-

6.....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

ss

U(X0, X1)

................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

Abbildung 1.4: Zwei optimale Portfolios

Kapitalmarkt und Realinvestition Nun unterstellen wir die Existenz einer Realinvestitionmit der Anfangsausgabe I0 sowie der Auszahlung CF1 einen Zeitpunkt spater. DieseRealinvestition erscheint in diesem Modell als eine Art “Geldmaschine”, bei der keineRucksicht darauf genommen wird, ob hier ein Gut produziert wird.

Wir werden uns bei der Antwort auf die Frage, ob diese Realinvestition durchgefuhrtwerden sollte, nur an dem Nutzenniveau des Investors orientieren. Dazu fugen wir demMaximierungsproblem die Realinvestition hinzu und prufen, inwieweit sich das Nutzen-niveau des Investors erhoht. Wir haben

max U(X0, X1), s.t. X0 = X0 −M0 − I0, X1 = (1 + rf )M0 + CF1. (1.7)

Analog dem obigen Vorgehen konnen wir wieder M0 ausklammern; wir erhalten

max U(X0, X1), s.t. X1 = (1 + rf )(X0 −X0) + (1 + rf )(−I0 +CF1

1 + rf︸ ︷︷ ︸=NPV

).

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1.5 Separation von Konsum– und Investitionentscheidungen: das Fisher–Modell S. 14

Statt mit der ublichen mathematische Prozedur zu beginnen, genugt ein scharfer Blickauf unser Problem. Wir erkennen folgendes. Fur einen gegebenen Geldbesitz heute (alsoX0) ist, wenn der in der Klammer NPV genannte Ausdruck positiv ist, der Geldbesitzmorgen hoher. Mithin wird der Investor, egal wie seine konkrete Nutzenfunktion nungestaltet ist, die Investition immer dann vorziehen, wenn der Kapitalwert (NPV) großernull ist. Graphisch lasst sich dieses Verhalten dadurch plausibilisieren, dass ein positiverNPV die Transaktionsgerade nach oben verschiebt – und dort befinden sich ja geradedie hoheren Nutzenniveaus.

Das zuletzt erhaltene Resultat nennt man auch die Separierbarkeit von Investitions– undKonsumentscheidung. Ob sich eine Investitionsentscheidung lohnt oder wir sie besserunterlassen, hangt nicht mehr von der konkreten Form der Nutzenfunktion ab. Vielmehrist fur alle Investoren, die eine monotone Nutzenfunktion aufweisen, die Durchfuhrungder Investition vorteilhaft, falls der Kapitalwert positiv ist.

Betrachten wir ein weiteres Mal die Intepretation mit mehreren Zeitpunkten. Es sei ange-merkt, dass im Fisher–Modell die Bedingung eines positiven Zinses nicht aus den Modellan-nahmen folgt. Vielmehr konnte der Zins durchaus negativ sein. Erst, wenn man voraussetzt,dass das Geld auch ohne weitere Kosten gelagert werden konnte (dies bedeutet beispielsweiseauch keine Inflation und kein Wahrungstausch), ist nur ein Zins von null oder hoher denkbar.Dies kann man sich wie folgt klarmachen. Angenommen, es ware moglich, Geld kostenfrei zulagern und dennoch sei der Zins negativ. Dann wurde jeder Investor sich Geld borgen, diesesGeld lagern und wurde so in der Zukunft einen Extragewinn erzielen konnen.

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Page 18: Entscheidungs Und Kapitalmarkttheorie 1

2 Unsicherheit

2.1 Erwartungsnutzentheorie

2.1.1 Das Grundmodell: mehrere Zustande

Wir stellen das Grundmodell unter Unsicherheit vor. Es wird sehr starke Ahnlichkeit mit demGrundmodell aus em Abschnitt unter Sicherheit aufweisen.

Wir wollen nun ein Modell naher betrachten, das eine unsichere Zukunft zum Gegenstand ha-ben wird. Wie wird die Unsicherheit formal dargestellt? Wir unterscheiden zwei Zeitpunkte,die eine festgelegte Einheit (etwa ein Jahr) auseinanderliegen. Wahrend der heutige Zeitpunktsicher ist, soll die Zukunft unsicher sein. Wir setzen voraus, dass es insgesamt S einanderwechselseitig ausschließende Zustande in dieser Zukunft geben kann, die wir mit dem Indexs = 1, . . . , S (s steht fur “state”) bezeichnen. Wir gehen weiter davon aus, dass wir jedem Zu-stand s eine Wahrscheinlichkeit seines Eintretens zuordnen konnen. Diese Wahrscheinlichkeitbezeichnen wir mit qs, sie ist sinnvollerweise großer null und alle qs summieren sich naturlichzu eins. Da wir Wahrscheinlichkeiten der Zustande kennen, werden wir Erwartungswerte undKovarianzen berechnen konnen. Es gebe an unserem Markt insgesamt nur ein handelbaresGut, und dabei soll es sich um Geld handeln. Insofern hat unser Modell sehr starke Ahnlich-keit mit der zweiten Interpretation des Grundmodells aus dem vorigen Abschnitt, bei demebenfalls Geld zu verschiedenen Zeitpunkten in der Zukunft lieferbar war.

X =

X1

X2...

XS

←− Menge an Zahlung im ersten Zustand←− Menge an Zahlung im zweiten Zustand

...←− Menge an Zahlung im S–ten Zustand

Bevor wir mit dem inhaltlichen Teil beginnen, stellen wir folgende interessante Eigenschaftunseres Modelles fest. Wenn wir unser Grundmodell der Unsicherheit mit den Modellen ver-gleichen, die wir im vorigen Kapitel behandelt haben, dann haben sie eine grundlegendeformale Gemeinsamkeit. Wir konnten in einem Gedankenexperiment beispielsweise die ver-schieden lieferbaren Guter als Geld in verschiedenen Zustanden auffassen: Gut eins entsprichtalso einer Geldeinheit im ersten Zustand, Gut zwei einer Geldeinheit im zweiten Zustand usw.Insoweit konnten wir etwa die Axiomatik der Nutzenfunktionen ubernehmen, wenn uns an ei-ner Nutzenfunktion der Form U(X1, X2, . . . , XS) gelegen ware. Etwas mehr Aufmerksamkeitmussen wir der Frage widmen, was in unserem Modell jetzt ein risikoloser Titel sein soll.

Offensichtlich ist ein Wertpapier in dem Grundmodell der Unsicherheit genau dann risikolos,wenn es genau eine Geldeinheit in jedem Zustand auszahlt. Wir werden es auch durch eine

15

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2.1 Erwartungsnutzentheorie S. 16

fett gedruckte eins darstellen:

1 :=

11...1

.

Der Preis dieses Wertpapiers wird den risikolosen Zins determinieren, und es gilt

p(1) =1

1 + rf.

2.1.2 Petersburger Spiel

Wir betrachten ein beruhmtes Spiel, dessen Ergebnis als “Petersburger Paradox” in die Li-teratur eingegangen ist.1 Angenommen, man offeriert uns ein Spiel, das einmal durchgefuhrtwird. Um daran teilzunehmen, muss man einen Geldbetrag bezahlen, dessen Hohe vorerstunbekannt sei.

Hat man also den bisher unbekannten Teilnahmebetrag ermittelt, dann wirft der Spielleitereine Munze. Er tut dies so oft, bis auf der Munze “Zahl” erscheint. In Abhangigkeit von derAnzahl der notwendigen Wurfe gibt es fur den Teilnehmer des Spiels eine Auszahlung. Sieermittelt sich wie folgt

Anzahl der Wurfe Auszahlung(Zustand s) (Xs)1 Wurf 1 Geldeinheit2 Wurfe 2 Geldeinheiten3 Wurfe 4 Geldeinheiten4 Wurfe 8 Geldeinheiten5 Wurfe 16 Geldeinheiten...

...

Mit der Anzahl der notwendigen Wurfe verdoppelt sich die Auszahlung. Befragen wir denokonomisch nicht versierten Leser, welchen Eintrittspreis er als “fair” bezeichnen wurde, sowerden sehr selten Werte uber funf Geldeinheiten genannt. Wir wollen zuerst ermitteln, wiehoch die erwartete Auszahlung dieses Spieles ware.

Dazu haben wir in jeder moglichen Situation die Auszahlung mit der entsprechenden Wahr-scheinlichkeit zu multiplizieren. Dies fuhrt auf die folgende Rechnung

1 · 12

+ 2 · 122

+ 4 · 123

+ 8 · 124

+ · · ·

=12

+12

+12

+ · · ·

=∞

1Dieses Spiel ist durch die Arbeit Daniel Bernoullis beruhmt geworden. Eine Ubersetzung ist wieder kurzlicherschienen, siehe Bernoulli (1996).

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2.1 Erwartungsnutzentheorie S. 17

und dieses Ergebnis ist in der Tat paradox. Jeder “vernunftige” Mensch wurde fur die hiervorgestellte Lotterie nicht mehr als funf Geldeinheiten zahlen, obwohl sie offensichtlich eineunendlich hohe erwartete Auszahlung besitzt. Wird die Lotterie also oft genug gespielt, dannkonnte der Spieler im Durchschnitt unendlich reich werden. Und dennoch ist der “faire”Eintrittpreis des Spiels ganz offensichtlich ungleich der erwarteten Auszahlung. Wie kommtes zu diesem Paradox?

In der Literatur hat es um diese Frage eine erbitterte Auseinandersetzung gegeben, weildas Spiel ein Element der Unendlichkeit enthalt. So hat Cramer noch vor Daniel Bernoullivorgeschlagen, alle Auszahlungen ab dem 24.ten Wurf nicht mehr zu berucksichtigen (diesentsprache einer Auszahlung von ca. 8.4 Millionen). Und in der Tat scheint es ab einem be-stimmten Geldbetrag schlichtweg unmoglich, dass der Spielleiter abenteuerlich hohe Gewinneauszahlen konnte. Wiederholt man nun die Rechnung, so kommt man auf einen vernunftigenSpieleinsatz von etwa 12 Geldeinheiten und das Problem scheint gelost.

Nicht alle Okonomen haben diese Ansicht geteilt. Um klarzumachen, dass hinter dem Pe-tersburger Paradox mehr als nur ein Problem mit der Unendlichkeit steckt, wollen wir einweiteres Spiel vorschlagen. Wir bieten ein Spiel an, bei dem eine Munze einmal geworfenwird. Erhalten wir “Zahl”, dann verpflichten wir uns (oder wir verpflichten eine Bank), daszukunftige Gehalt des Spielers immer zu verdoppeln. Eine Bank sollte ohne weiteres dazuin der Lage sein. Als Eintrittspreis verlangen wir dagegen, dass im Falle von “Wappen” derSpieler sein gesamtes Gehalt uns (oder der Bank) zur Verfugung stellt. Hier liegt sicherlichkein Problem mit einer Unendlichkeit vor.2 Die erwartete Auszahlung entspricht genau demEintrittspreis des Spiels, dennoch wird niemand ein derartiges Spiel spielen.

Die beiden Beispiele verdeutlichen folgendes: entweder liegt der als “fair” empfundene Ein-trittspreis des Spiels deutlich unter der Auszahlung (siehe das Petersburger Paradox) oder,falls beide zusammenfallen (siehe unser Lohnverpfandungsspiel), werden wir dieses Spiel nichtspielen. Wenn p(X) den fairen Eintrittspreis des Spieles bezeichnet, so gilt

p(X) < E [X].

Dieses Ergebnis scheint der Intuition zu widersprechen, dass eine Investitionsentscheidungunter Unsicherheit sich einfach am Erwartungswert der Auszahlung orientiert. Wahrend dasPetersburger Spiel dieses Paradox durch die Verwendung eines unendlichen Spiels nicht deut-lich genug herausarbeitet, fallt es bei unserem Lohnverpfandungsspiel sofort auf.

Zuruck zum Petersburger Spiel. Wie loste Daniel Bernoulli das Paradox? Er argumentier-te, dass nicht die Auszahlung, sondern der Nutzen der Auszahlung fur einen Investor vonBedeutung ist. Der Nutzen aber, so postulierte er, verhalt sich diametral zu Hohe des Geld-betrages und er leitete eine Nutzenfunktion der Form u(x) = ln(x) ab. Dann mussen wir dieErgebnisrechnung wiederholen3

ln(1)2

+ln(2)22

+ln(4)23

+ · · · =∞∑

k=0

ln(2k)2k+1

= ln(2).

2Naturlich ist es unmoglich, sein gesamtes Gehalt zu verpfanden, das Sozialhilfeniveau muss ja gesichertwerden. Diese Details ignorieren wir jetzt großzugig.

3Der nun folgende Rechenschritt setzt in der letzten Zeile einen mathematischen Trick voraus, auf dessenDarstellung wir hier verzichten.

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2.1 Erwartungsnutzentheorie S. 18

In der ersten Zeile finden wir den Nutzen des Spieles, und wenn dieser Nutzen gleich demNutzen des Eintrittspreises sein soll, dann muss der faire Preis gerade zwei Geldeinheitenbetragen. Dieses Ergebnis ist plausibel.

2.1.3 Erwartungsnutzen

Wir konnen folgendes festhalten. Wenn ein Entscheidungstrager unter Unsicherheit entschei-det, sollte er sich aufgrund der Risikoaversion der Investoren nicht am Erwartungswert, son-dern am Erwartungsnutzen orientieren. Bevor wir uns der Frage zuwenden, welche Nutzen-funktionen denn uberhaupt plausibel sind, mussen wir folgende Frage aufwerfen. Wir habenim vorigen Kapitel großen Wert darauf gelegt, unsere Nutzenfunktionen immer auf Axiomezu begrunden. Eine solche Nutzenfunktion, die auf uns bekannten Axiomen beruht, wurdenwir mit

U(X1, X2, X3, . . .)

bezeichnen konnen. Die Erwartungsnutzentheorie aber verlangt, dass unsere Nutzenfunktioneine wesentlich speziellere Gestalt aufweist, genauer soll sie von der Form

U(X1, X2, X3, . . .) = q1 · u(X1) + q2 · u(X2) + q3 · u(X3) + . . . + qSu(XS) (2.1)

fur eine Funktion u(x) sein. Unter welchen (weiteren) Annahmen an die Praferenzen aberfolgt, dass wir es in der Tat mit einer Erwartungsnutzendarstellung zu tun haben?

Die Praferenzen mussen uber unsichere Ergebnisse definiert sein. Ein Guterbundel im Sin-ne von Mikro I soll nun eine Lotterie L sein, die mit Wahrscheinlichkeiten (q1, . . . , qS) mit∑S

s=1 qs = 1 die Auszahlungen (X1, . . . , XS) liefert. Um ein paar technischen Details aus demWeg zu gehen, wollen wir nur Lotterien mit endlich vielen moglichen Ergebnissen betrach-ten. Dies schließt allerdings bereits das Beispiel des Petersburger Spiels aus, bei dem es jadurchaus zu unendlich vielen Munzwurfen kommen kann.

Die Ergebnisse Xs konnen einfache Zahlungen oder bestimmte Ereignisse sein (eine Beforde-rung, eine gute Note o.a.). Besondere Bedeutung haben Lotterien deren Ergebnisse selbstwieder Lotterien sind. Eine Lotterie uber Lotterien ist aber im Grunde auch nur eine ein-fache Lotterie uber die Menge der Preise aller Lotterien, die die ursprungliche Lotterie alsErgebnisse lieferte. Sei zum Beispiel L′ die Lotterie, die mit Wahrscheinlichkeiten (p1, p2) dieErgebnisse (X1, X2) ergibt und L′′ die Lotterie, die mit Wahrscheilichkeiten (q1, q2) die Er-gebnisse (X2, X3) liefert. Dann ist die Lotterie L, die mit Wahrscheinlichkeiten (α, 1− α) alsErgebnisse die Lotterien L′ bzw. L′′ liefert, nichts anderes als eine Lotterie mit Wahrschein-lichkeiten (αp1, αp2+(1−α)q1, (1−α)q2) die Preise (X1, X2, X3) liefert. Die zusammengesetzteLotterie L schreiben wir

L = αL′ + (1− α)L′′.

Dabei benutzen in Anlehnung an die Literatur wir also das +–Zeichen, obwohl hier nichtsaddiert wird. Ich hoffe, das fuhrt nicht zu all zu viel Verwirrung...

Wir wollen aber annehmen. dass alle Marktteilnehmer dies erkennen und also nicht zwischenLotterien uber Lotterien und einfachen Lotterien unterscheiden.4 Daruber hinaus sollen die

4Bereits dies ist eine gewagte Annahme. In der Realitat verhalten sich die wenigsten Menschen derart. Wennman ihnen aber vorher die Aquivalenz der beiden Lotterien erlautert, wird diese Annahme in der Regelbefolgt.

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2.1 Erwartungsnutzentheorie S. 19

Standardaxiome der Vollstandigkeit, der Transitivitat und der Stetigkeit gelten. Das Stetig-keitsaxiom bezogen auf Lotterien bedeutet demnach, dass wenn fur Lotterien L, L′ und L′′

und fur Wahrscheinlichkeiten qn ∈ [0, 1] gilt, dass

qnL + (1− qn)L′ � L′′

dann gilt auch fur q = limn→∞ qn

qL + (1− q)L′ � L′′.

Damit ergibt sich immerhin schon die Existenz einer Nutzenfunktion U auf dem Raum derLotterien. Damit U aber die Form von (2.1) hat, wird ein weiteres Axiom benotigt, das sogenannte ’Unabhangigkeits–Axiom’:

Definition 2.1 Die Praferenz–Relation � genugt auf dem Raum der Lotterien dem Axiomder Unabhangigkeit, wenn fur alle Lotterien L, L′ und L′′ mit L � L′ und α ∈ [0, 1] gilt, dassauch

αL + (1− α)L′′ � αL′ + (1− α)L′′.

Mit anderen Worten, wenn eine Lotterie einer zweiten Lotterie vorgezogen wird, dann andertsich daran auch nichts, wenn beide Lotterien mit einer dritten verknupft werden. Dies istein vollkommen neues Axiom, das es in der bisherigen Nutzentheorie in Mikro I nicht gab.Dort konnte es eben sehr wohl sein, dass die Vorlieben fur Eis uber Spaghetti durchaus davonabhangig sein konnten, ob man dazu auch Tomatensoße bekam. Das soll beim Erwartungs-nutzen anders sein. Hier wird die Wahl einer Lotterie davon unabhangig sein, welche anderenLotterien gespielt werden.

Mit dem Unabhangigkeits–Axiom wird die Nutzenfunktion die additive Struktur von (2.1)haben:

Satz 2.1 (von Neumann/Morgenstern, 1944) Die Praferenzrelation � auf dem Raumder Lotterien genuge den Axiomen der Vollstandigkeit, der Transitivitat, der Stetigkeit und derUnabhangigkeit. Dann hat die zugehorige Nutzenfunktion U die Form einer Erwartungsnut-zenfunktion, das heißt, es existiert eine stetige Funktion u auf dem Raum der Ergebnisse, sodass fur alle Lotterien L mit Wahrscheinlichkeiten (q1, . . . , qS) und Ergebnissen (X1, . . . , XS)gilt:

U(L) =S∑

s=1

qsu(Xs).

Beweis: Wir beweisen den Satz vorerst fur den Fall, dass es eine beste Lotterie Lb und eine schlech-teste Lotterie Lw gibt, das heißt fur alle Lotterien L gilt:

Lb � L � Lw.

Man setzt U(Lb) = 1 und U(Lw) = 0. Fur eine beliebige Lotterie L setzt man U(L) = αl wobeiαl ∈ [0, 1] mit

αlLb + (1− αl)Lw ∼ L.

Wir mussen als erstes zeigen, dass U wohldefiniert ist, das heißt wir mussen die Existenz und dieEindeutigkeit von αl beweisen.

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2.1 Erwartungsnutzentheorie S. 20

Eindeutigkeit Dazu benutzen wir den folgendenHilfssatz: Fur je zwei Zahlen α und β in [0, 1] gilt

αLb + (1− α)Lw � βLb + (1− β)Lw genau dann wenn α > β. (2.2)

Dies ergibt sich aus dem Unabhangigkeits–Axiom (in der Fassung fur die strikte Praferenz �)wie folgt: da Lb � Lw folgt mit dem Unabhangigkeits–Axiom, dass fur beliebige Lotterien Lund 0 < γ < 1:

γLb + (1− γ)L � γLw + (1− γ)L.

Setzt man hier fur L die Lotterie δLb + (1− δ)Lw mit δ ∈ [0, 1] so erhalt man:

γLb + (1− γ)(δLb + (1− δ)Lw) � γLw + (1− γ)(δLb + (1− δ)Lw)

bzw.

(γ + (1− γ)δ)Lb + (1− γ)(1− δ)Lw � (1− γ)δLb + (γ + (1− γ)(1− β)Lw.

Da γ > 0 ist, bekommt man mit α = γ + (1− γ)δ und β = (1− γ)δ = α− γ das Ergebnis (2.2).Damit haben wir aber die Eindeutigkeit von αl gezeigt, da fur alle α 6= αl mit dem Hilfssatzoffensichtlich αLb + (1− α)Lw 6∼ αlLb + (1− αl)Lw sein muss.

Existenz Wegen der Vollstandigkeit der Praferenzrelation liegt jedes q ∈ [0, 1] in einer der Mengen{q ∈ [0, 1]|qLb + (1 − q)Lw � L} oder {q ∈ [0, 1]|qLb + (1 − q)Lw � L}. Sei qmin > 0 dasMinimum der ersten Menge und qmax < 1 das Maximum der zweiten Menge5. Mit unserenUberlegungen zur Eindeutigkeit wissen wir bereits, dass qmin ≥ qmax. Wenn qmin > qmax ware,dann gabe es Werte q ∈ [0, 1] mit qmin > q > qmax, die in keiner der beiden Mengen liegenwurden. Dies ist aber ein Widerspruch zur Vollstandigkeit der Praferenzrelation. Damit habenwir also qmin = qmax und damit die Existenz von αl = qmin = qmax.

Damit ist U(L) wohldefiniert. Wir mussen noch zeigen, dass U tatsachlich eine Erwartungsnutzen-funktion ist. Sei nun L eine beliebige Lotterie mit Wahrscheinlichkeiten (q1, . . . , qS) und Ergebnissen(X1, . . . , XS). Wenn S = 1, also L eine degenerierte Lotterie mit nur einem Ergebnis ist, dann istoffensichtlich mit der Definition u(X1) := U(L):

U(L) = 1 ∗ u(X1) = q1u(X1).

Sei nun S > 1. L1 bezeichne die degenerierte Lotterie mit einem sicheren Ergebnis von X1 und L−1

die Lotterie mit Wahrscheinlichkeiten ( q21−q1

, . . . , qS

1−q1) und Ergebnissen (X2, . . . , XS). Es gilt:

L = q1L1 + (1− q1)L−1.

Beachten Sie, dass L−1 nur S−1 mogliche Ergebnisse liefert. Nach der Konstruktion von U haben wir

L ∼ U(L)Lb + (1− U(L))Lw

L1 ∼ U(L1)Lb + (1− U(L1))Lw

L−1 ∼ U(L−1)Lb + (1− U(L−1))Lw.

Mit dem Unabhangigkeits–Axiom haben wir dann

q1L1 + (1− q1)L−1 ∼ q1(U(L1)Lb + (1− U(L1))Lw) + (1− q1)L−1

bzw.

q1(U(L1)Lb+(1−U(L1))Lw)+(1−q1)L−1 ∼ q1(U(L1)Lb+(1−U(L1))Lw)+(1−q1)(U(L−1)Lb+(1−U(L−1))Lw).

5Beide existieren, wegen der Stetigkeit der Praferenzrelation.

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2.1 Erwartungsnutzentheorie S. 21

Wird letzteres ausmultipliziert, erhalt man

L ∼ (q1U(L1) + (1− q1)U(L−1))Lb + (q1(1− U(L1)) + (1− q1)(1− U(L−1)))Lw.

Damit haben wir also gezeigt, dass U(L) = q1U(L1)+(1−q1)U(L−1). Man kann dieses Verfahren nunweiter auf L−1 anwenden indem ein weiteres Ergebnis gestrichen wird. Man setzt dies so lange fort bisnichts mehr zu streichen ist und erhalt dann schließlich

U(L) =S∑

s=1

qsU(Ls) =S∑

s=1

qsu(Xs).

Es bleibt noch zu zeigen, was passiert, wenn es keine beste und schlechteste Lotterie Lb und Lw gibt.Man greift sich dann zwei beliebige Lotterien heraus. Einzige Bedingung: eine muss besser als dieandere sein. Man nennt diese wieder Lb und Lw mit Lb � Lw. Fur Lotterien L mit Lb � L � Lw

geht man wie oben vor. Fur Lotterien L mit L � Lb zeigt man, dass es ein eindeutiges αl existiert mitαlL + (1−αl)Lw ∼ Lb und definiert U(L) = 1/αl. Fur Lotterien L mit L ≺ Lw zeigt man, dass es eineindeutiges αl gibt mit αlLb + (1 − αl)L ∼ Lw und definiert U(L) = −αl/(1 − αl). Naheres schlageman in den einschlagigen Lehrbuchern nach.

Sehr viele Ergebnisse in der Theorie der Kapitalmarkte basieren auf der Erwartungsnutzen-theorie. Es ware also schon, wenn die zu Grunde liegenden Axiome einigermaßen zutreffenwurden. Hier gilt leider wieder, was weiter oben zur Einschatzung von Lotterien auf Lotteriengesagt wurde. Viele Menschen handeln erst dann entsprechend des Unabhangigkeits–Axiom,wenn man sie explizit auf die Inkonsistenzen einer Abweichung hinweist. Ein beruhmtes Bei-spiel, fur Entscheidungen, die nicht mit dem Unabhangigkeits–Axiom zu vereinbaren sind, istdas so genannte Allais–Paradox6. Es gebe drei mogliche Preise:

Erster Preis Zweiter Preis Dritter Preise 27.500 e 24.000 e 0

Gefragt nach einer Entscheidung zwischen dem zweiten Preis mit Sicherheit oder einer Lot-terie L mit Wahrscheinlichkeiten (0, 33; 0, 66; 0, 01), entscheiden sich die meisten Menschenfur die sichere Zahlung. Geht die Entscheidung aber zwischen zwei Lotterien L′ mit Wahr-scheinlichkeiten (0; 0, 34; 0, 66) und L′′ mit Wahrscheinlichkeiten (0, 33; 0; 0, 67), dann ziehendie meisten Menschen L′′ vor. Dies widerspricht aber dem Erwartungsnutzenprinzip. WennSie bei der ersten Entscheidung die sichere Zahlung vorziehen, heißt das also

u(e 24.000) > 0, 33u(e 27.500) + 0, 66u(e 24.000) + 0, 01u(e 0).

Wenn Sie dies umstellen, ergibt sich

0, 34u(e 24.000) > 0, 33u(e 27.500) + 0, 01u(e 0).

Wenn Sie nun auf beiden Seiten 0, 66u(e 0) addieren, erhalten Sie

0, 34u(e 24.000) + 0, 66u(e 0) > 0, 33u(e 27.500) + 0, 67u(e 0).

An diesem Beispiel lasst sich die Bedeutung des Unabhangigkeitsaxiom recht gut demonstrie-ren. Der Verstoß gegen das Erwartungsnutzenprinzip ergibt sich aus einem Verstoß gegen das

6Nach Allais (1953).

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2.1 Erwartungsnutzentheorie S. 22

Unabhangigkeits–Axiom. Schauen Sie sich die Lotterien L1 ’e 24.000 mit Sicherheit’ und L2

’e 27.500 mit einer Wahrscheinlichkeit von 33/34 und e 0 mit einer Wahrscheinlichkeit von1/34’ an. Entweder Sie ziehen die sichere Zahlung vor oder nicht. Nehmen wir an Sie wurdendie sichere Zahlung vorziehen, also L1 � L2. Dann gilt also mit dem Unabhangigkeitsaxiomalso fur jede beliebige Lotterie L3 und 0 < α < 1:

αL1 + (1− α)L3 � αL2 + (1− α)L3.

Wenn Sie nun fur L3 die Lotterie L1 nehmen und α = 0, 34 dann erhalten Sie

L1 � 0, 34L2 + 0, 66L1.

Wenn Sie die Lotterie auf der rechten Seite ausmultiplizieren, dann erkennen Sie, dass dasgerade die Lotterie L aus dem Allais–Paradox ist. Die Entscheidung die sichere Zahlung derLotterie L2 vorzuziehen war also kompatibel mit der ersten Entscheidung im Allais–Paradox.

Genau so gut konnen Sie aber fur L3 die Lotterie ’e 0 mit Sicherheit’ einsetzen. Mit demgleichen α = 0, 34 wie gerade eben ergibt sich dann:

0, 34L1 + 0, 66L3 � 0, 34L2 + 0, 66L3.

Wenn Sie diese Lotterien ausmultiplizieren, erkennen Sie aber, dass dies bedeutet, dass Sie inder zweiten Entscheidung des Allais–Paradoxes L′ L′′ vorziehen mussten.

Sie haben vielleicht bemerkt, dass wir bei der Herleitung der Erwartungsnutzentheorie da-von ausgegangen sind, dass die Wahrscheinlichkeiten der Lotterien vorgegeben wurden. DieErwartungsnutzentheorie gibt uns eine Darstellung der Nutzenfunktion fur Entscheidungen,bei denen die Unsicherheit objektiv vorgegeben ist. Dies ist sicherlich bei Entscheidungen, beidenen es um einen Munzwurf oder die Ziehung der Lottozahlen geht, realistisch. Es gibt aberauch viele Situationen, bei denen man sich als Entscheider erst einmal uber die zu Grundeliegenden Wahrscheinlichkeiten Klarheit verschaffen muss. Wie sieht ein Axiomensystem aus,das sowohl zu jedem Zustand eine Wahrscheinlichkeit als auch eine zu diesen Wahrscheinlich-keiten konsistente Erwartungsnutzenfunktion liefert?

Leider ist diese Frage nicht ganz einfach zu beantworten. In der Literatur sind okonomischgut zu interpretierende Axiomensysteme fur den Fall bekannt, dass am Markt unendlichviele Zustande S = ∞ existieren.7 Fur den Fall endlich vieler Zustande S < ∞ ist dieDiskussion durchaus noch nicht abgeschlossen. Ein besonders eleganter Zugang stammt vonWakker (1984), dort genugt neben den im Kapitel uber Sicherheit genannten Annahmenein weiteres Axiom (es heißt “kardinale Koordinatenunabhangigkeit”, was die Sache nichteinfacher macht. . . ). Dieser Zugang hat aber den großen Nachteil, dass er okonomisch nursehr schwer zu verstehen ist. Wir verzichten daher auf eine Darstellung und wollen damit dieFragen um die Axiomatisierung der Erwartungsnutzentheorie beenden.

Wir wollen noch auf einen wichtigen Unterschied der Erwartungsnutzentheorie zur Nutzen-theorie unter Sicherheit hinweisen. Dort hatten wir erkannt (siehe S. 2), dass wir eine Nutzen-funktion immer monoton transformieren durfen und wieder eine Nutzenfunktion erhalten, diedie Rangordnung der Guterbundel des Investors widerspiegelt. Wir hatten diese Eigenschaftals Ordinalitat der Nutzenfunktion gekennzeichnet. Im Rahmen der Erwartungsnutzentheorie

7Das state–of–the–art System stammt von Savage (1972).

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2.1 Erwartungsnutzentheorie S. 23

ist diese Eigenschaft nicht mehr erfullt. Die einzigen Transformationen, die wir mit Nutzen-funktionen durchfuhren durfen, sind positiv lineare Transformationen (b > 0). Denn es gilt

E [u(X)] ≥ E [u(Z)] ⇐⇒ a + b E [u(X)] ≥ a + b E [u(Z)],⇐⇒ E [a + b · u(X)] ≥ E [a + b · u(Z)],

falls b > 0. Diese Eigenschaft werden wir als Kardinalitat der Erwartungsnutzentheorie be-zeichnen.

2.1.4 Grad (Intensitat) der Risikoaversion

Wir fragen, welche Nutzenfunktionen in einer okonomischen Theorie plausibel sind. Dazudefinieren wir den Grad oder die Intensitat der Risikoaversion und stellen fest, dass nur einefallende absolute Risikoaversion vertretbar ist.

Wir haben den vergangenen Abschnitten erkannt, dass in Entscheidungssituation unter Un-sicherheit immer Erwartungsnutzenfunktion verwendet werden sollten. Wir wollen uns jetztmit der Frage auseinandersetzen, welche Nutzenfunktionen dabei sinnvollerweise eingesetztwerden konnen. Wir gehen dabei wie folgt vor: wir vergleichen eine unsichere Situation miteiner sicheren Zahlung, die beide jedoch fur den Investor den gleichen Nutzen stiften sollen.

Sei also eine Lotterie X gegeben, die eine unsichere Auszahlung in der Zukunft generiert.Nach unseren bisherigen Ausfuhrungen wird dies beim Investor zu einem Nutzen in Hohe vonE [u(X)] fuhren.

Zuerst konnte man davon ausgehen, dass der Investor statt des unsicher ausgezahlten Geldbe-trages einen sicheren Geldbetrag in Hohe des Erwartungswertes erhalt. In diesem Fall wurdendem Investor also E [X] zustehen und dies hatte einen Nutzen in Hohe von u(E [X]) zur Folge.Der Investor ist aber risikoavers. Also mussen wir davon ausgehen, dass dieser Nutzenwertuber dem im vorigen Absatz ermittelten Niveau liegt: anderenfalls wurde ja der Investor eineunsichere Zahlung mit gleichem Erwartungswert vorziehen. Wir definieren also

Definition 2.2 Sei X eine unsichere Zahlung. Dann heißt ein Investor

risikoavers genau dann, wenn fur dessen Nutzenfunktion die Relation E [u(X)] < u(E [X])gilt,

risikofreudig genau dann, wenn E [u(X)] > u(E [X]) erfullt ist,

risikoneutral genau dann, wenn E [u(X)] = u(E [X]) gilt.

Wir haben naturlich zuerst die Frage zu beantworten, inwieweit wir bereits der Nutzenfunk-tion ansehen konnen, welches Risikoverhalten vorliegt. Wir konnen folgenden Satz beweisen.

Satz 2.2 Wenn die Nutzenfunktion u(x) konkav ist, dann ist der Investor risikoavers. Ist siekonvex, dann ist er risikofreudig. Ist sie linear, dann liegt Risikoneutralitat vor.

Beweis: Wir zeigen die Behauptung nur fur den Fall der Risikoaversion, die beiden anderen Fallekonnen analog erledigt werden.

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2.1 Erwartungsnutzentheorie S. 24

Die Behauptung des Satzes ist dann eine Folge der sogenannten Jensenschen Ungleichungen. Diesebehaupten, dass eine Funktion u(x) genau dann konkav ist, wenn fur beliebige Zahlen λs, Xs mit∑

s λs = 1 die folgende Ungleichung gilt

λ1u(X1) + λ2u(X2) + . . . + λSu(XS) < u(λ1X1 + . . . λSXS).

Wir mussen nun nur noch diese Ungleichung richtig interpretieren. Dazu setzen wir statt der λs aufder linken Seite die Wahrscheinlichkeiten der S Zustande ein. Die linke Seite ist dann nichts anderesals der Erwartungsnutzen E [u(X)], wahrend die rechte Seite genau u(E [X]) ergibt. Aber das war zuzeigen.

Wir hatten bereits in der Einleitung argumentiert, dass wir ein risikoaverses Verhalten furokonomisch plausibel halten. Daher werden wir im folgenden immer von konkaven Nutzen-funktionen ausgehen. Uns interessiert nun, wie hoch der Abschlag ist, den ein Investor inKauf nimmt, wenn er sich dennoch Risiko aussetzt. Dieser Abschlag wird auch Markowitz–Risikopramie genannt und wie folgt definiert.

Definition 2.3 (Markowitz) Die Risikopramie π fur die Ubernahme von Risiko X unterder Nutzenfunktion u(x) ist derjenige Betrag π, fur den die Gleichung

E [u(X)] = u(E [X]− π) (2.3)

erfullt wird. E [X]− π wird auch als das Sicherheitsaquivalent SA(X) von X bezeichnet.

Zuerst versuchen wir, eine Abschatzung fur die Hohe dieser Risikopramie herzuleiten. Es wirdsich zeigen, dass dies fur kleine Risiken in der Tat moglich ist.

Satz 2.3 Fur kleine Risiken gilt der Zusammenhang

π ≈ 12Var [X] ·

(−u′′(E [X])

u′(E [X])

). (2.4)

Die Große −u′′(x)u′(x) wird auch absolute Risikoaversion der Nutzenfunktion u(x) genannt.

Beweis: Um diesen Satz zu beweisen, verwenden wir eine Taylor–Approximation bis zur zweitenOrdnung

u(t) ≈ u(s) + u′(s)(t− s) +u′′(s)

2(t− s)2. (2.5)

Bei der Taylor–Approximation wird eine Nutzenfunktion u(t) durch die ersten drei Glieder der Tay-lorreihe ersetzt. Wir erhalten eine neue quadratische Funktion, die fur kleine Abweichungen |s− t| eindurchaus akzeptables Ergebnis liefern kann.

In einem ersten Schritt wenden wir die Approximation (2.5) fur jede der Großen t = Xs und s = E [X]an und erhalten

u(Xs) ≈ u(E [X]) + u′(E [X])(Xs − E [X]) +u′′(E [X])

2(Xs − E [X])2.

Wird nun der Erwartungswert gebildet (dazu multiplizieren wir jede der obenstehenden Abschatzungenmit der Wahrscheinlichkeit qs und addieren die S Gleichungen), so verbleibt

E [u(X)] ≈ u(E [X]) + 0 +u′′(E [X])

2Var [X].

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2.1 Erwartungsnutzentheorie S. 25

Diese Abschatzung konnen wir in die Definition der Markowitz–Pramie einsetzen. Wir erhalten

u(E [X]− π) = E [u(X)] ≈ u(E [X]) + 0 +u′′(E [X])

2Var [X].

In einem zweiten Schritt versuchen wir, uns der linken Seite zu nahern. Auch hier hilft eine Taylor–Approximation weiter. Wir approximieren hier mit t = E [X] − π und s = E [X] nur bis zur erstenStelle und dies fuhrt auf

u(E [X]) + u′(E [X])(−π) ≈ u(E [X]− π) ≈ u(E [X]) +u′′(E [X])

2Var [X].

Kurzen wir u(E [X]) und stellen geringfugig um, so erhalten wir die gewunschte Approximation.

Die Risikopramie ermittelt sich also in quadratischer Naherung aus dem Produkt der Varianzdes Risikos mit einem Term, der sich aus der zweiten und ersten Ableitung der Nutzenfunktionergibt. Dabei sind beide Ableitungen jeweils an der Stelle E [X] zu ermitteln.

Wir wollen nun einen Schritt weitergehen. Wir gehen davon aus, dass der Investor neben derriskanten Investition im Zeitpunkt t = 1 (also der Zukunft) ein sicheres Vermogen besitze.Dieses Vermogen betrage gerade w und damit ist das Portfolio der Approximation nicht X,sondern X + w · 1. Die Approximationsgleichung lautet, weil eine sichere Große die Varianzja nicht andert

π ≈ 12Var [X] ·

(−u′′(w + E [X])

u′(w + E [X])

).

Uns interessiert nun, inwieweit die Risikopramie sich mit dem Vermogen des Investors andert.Dazu betrachten wir die Approximation (2.4) ein weiteres Mal. Uns interessiert die Risiko-pramie π als eine Funktion des sicheren Vermogens w in der Zukunft. Angenommen, einEntscheidungstrager wird immer wohlhabender. Es scheint plausibel, dass er in einer solchenSituation selbstverstandlich bereit sein sollte, zumindest die bisherigen riskanten Situationeneinzugehen: die gerade definierte Risikopramie bei einem gleichbleibenden Risiko sollte sichalso nicht erhohen, wenn das Vermogen w wachst – vielmehr sollte sie fallen. Wurde nundie Approximation nicht nur ungefahr, sondern sogar exakt gelten, dann ließe sich dieser Zu-sammenhang wie folgt formal umsetzen. Da die linke Seite der Approximation ja in w fallensoll, muss dies auch fur die rechte Seite gelten. Die rechte Seite besteht aber aus der Varianzdes Risikos, die vom Vermogen ganzlich unabhangig ist, und dem Term, den wir die absoluteRisikoaversion genannt haben. Es bietet sich damit folgende Definition an.

Definition 2.4 Der Entscheidungstrager besitzt fallende (wachsende, konstante) absolute Ri-sikoaversion genau dann, wenn die absolute Risikoaversion

−u′′(t)u′(t)

eine fallende (wachsende, konstante) Funktion ist.

Und in der Tat lasst sich der folgende Satz beweisen. Allerdings fußt der Beweis nicht aufder Approximationsgleichung (2.4), da die Approximation nur eine Naherungsaussage uberdie Hohe der Risikopramie machen kann. Auf einen Beweis mussen wir verzichten, er ist zuaufwendig.8

8Man findet den Beweis beispielsweise bei Wolfstetter (1999), S.166f.

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2.1 Erwartungsnutzentheorie S. 26

Satz 2.4 Der Investor besitzt fallende absolute Risikoaversion (wachsende, konstante ARA)genau dann, wenn π im Vermogen w eine fallende (wachsende, konstante) Funktion ist.

Der Fall der konstanten absoluten Risikoaversion besitzt eine besondere Bedeutung. Abgese-hen von vielen okonomischen Modellen, in denen er Verwendung findet, wird er insbesonderebei der Berechnung von Versicherungspramien in der Praxis sehr oft benutzt. Eben weil dieHohe der Risikopramie nicht vom aktuellen Vermogen abhangig ist, lasst sich eine Versiche-rungspramie ermitteln, die nicht auf die personlichen Umstande des Versicherungsnehmerszuruckgreift. Wir werden in diesem Fall die einfacher zu zeigenden Beweise angeben.

Satz 2.5 Fur Nutzenfunktionen sind folgende drei Aussagen aquivalent

(i) die absolute Risikoaversion ist konstant,

(ii) die Nutzenfunktion ist u(x) = −e−ax,

(iii) die Risikopramie ist unabhangig vom Vermogen.

Beweis: Wir zeigen: (i) =⇒ (ii), (ii) =⇒ (iii) sowie (iii) =⇒ (i). Damit ist der Satz dann bewiesen.

Wir zeigen zuerst, dass aus der Aussage (i) die Aussage (ii) folgt. Die Risikoaversion war konstant,und die Konstante setzen wir gleich einer Variablen a

−u′′(t)u′(t)

= const. = a =⇒ −d(ln(u′(t))dt

= a Regeln Differentialr.

=⇒ ln(u′(t))− ln(u′(0)) =∫ t

0

−adt = −at integrieren

=⇒ ln(u′(t)) = −at + ln(u′(0))︸ ︷︷ ︸=c

vereinfachen

=⇒ u′(t) = ec−at Exponentialfunktion

=⇒ u(x)− u(0) =∫ x

0

ec−atdt = −1a

(ec−ax − ec

)integrieren.

Nun konnen wir zur Nutzenfunktion ohne Einschrankung u(0) addieren, sie mit der Zahl ae−c multipli-zieren und ebenso die Zahl 1 addieren: das Ergebnis ist weiterhin eine reprasentierende Nutzenfunktiondes Investors. Wir erhalten −e−ax und das war zu zeigen.

Im nachsten Schritt zeigen wir, wie aus der Teilaussage (ii) die Aussage (iii) folgt. Dazu nutzen wirdie Definition der Risikopramie sowie die funktionale Form der Nutzenfunktion aus. Es gilt fur denErwartungswert

E [u(w · 1 + X)] = u(w + E [X]− π) Definition π

S∑s=1

qsu(w + Xs) = u(w + E [X]− π) Berechnung Erwartungswert

S∑s=1

qse−a(w+Xs) = e−a(w+E [X]−π) Form der Nutzenfunktion

e−awS∑

s=1

qse−aXs = e−aw · e−a(E [X]−π) Ausklammern

S∑s=1

qse−aXs = e−a(E [X]−π) kurzen

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2.1 Erwartungsnutzentheorie S. 27

und die letzte Gleichung besagt nichts anderes als das die Hohe der Risikopramie ohne Kenntnis desVermogens berechnet werden kann.

Zuletzt wollten wir beweisen9, dass aus (iii) die Aussage (i) folgt. Wenn Aussage (iii) gilt, danninsbesondere auch fur kleine Risiken X mit E [X] = 0. Dann gilt aber mit (2.4):

π ≈ 12Var [X] ·

(−u′′(w)

u′(w)

).

Dies ist aber offensichtlich nur dann unabhangig vom Vermogen w, wenn u′′(w)u′(w) konstant ist. Das war

zu zeigen und damit sind wir am Ende des Beweises angelangt.

Beispiel 2.1 (Nachfrage nach Versicherungen) Eine Hausbesitzerin besitze ein Haus imWert von H. Daneben verfuge sie uber ein Barvermogen von W . Mit der Wahrscheinlichkeitq wird das Haus komplett abbrennen. Der Hausbesitzerin steht die Moglichkeit offen, sich zuversichern. Um eine Versicherung, die im Falle eines Feuers eine Entschadigung E zahlt, abzu-schließen, muss eine Versicherungspramie in Hohe von πE gezahlt werden.10 π ist die Pramieje Einheit der Versicherungssumme. Wie hoch sollte sich die Hausbesitzerin versichern? DasNutzenmaximierungsproblem hat folgende Form:

maxE

qu(W −H − πE + E) + (1− q)u(W − πE).

Die Bedingung erster Ordnung lautet:

qu′(W −H + (1− π)E∗)(1− π)− (1− q)u′(W − πE∗)π = 0

bzw.

u′(W −H + (1− π)E∗)u′(W − πE∗)

=1− q

q

π

1− π.

Im Falle eines Feuers macht die Versicherung einen Verlust in Hohe von πE − E. Wenn keinFeuer eintritt, macht sie einen Gewinn von πE. Der Erwartete Gewinn der Versicherung ist

(1− q)πE − q(1− π)E.

Bei einem harten Wettbewerb im Versicherungsmarkt wird die Versicherung einen Profit vonNull machen, das heißt

(1− q)πE − q(1− π)E = 0

woraus folgt: π = q. Eine derartige Versicherungspramie wird als aktuarisch faire Pramie be-zeichnet: die Kosten einer Versicherungspramie entsprechen gerade dem erwarteten Schaden.Wenn wir die faire Pramie in das Entscheidungsproblem der Hausbesitzerin einfugen, erhaltenwir

u′(W −H + (1− π)E∗) = u′(W − πE∗).

9Da wir den Beweis mit einer Approximation fuhren, ist dies naturlich kein mathematisch sauberer Beweis,aber uns genugt die Intuition, die dahinter steckt.

10Achtung: dies ist eine andere Pramie als die Risikopramie, die wir in 2.3 kennen gelernt haben.

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2.1 Erwartungsnutzentheorie S. 28

Wenn die Hausbesitzerin risikoavers ist, dann ist u′′ < 0 und u′ eine fallende Funktion. ObigeGleichung kann dann nur erfullt sein, wenn

W −H + (1− π)E∗ = W − πE∗

bzw. wenn E∗ = H. Wenn die Hausbesitzerin risikoavers ist, wird sie sich bei aktuarisch fairenVersicherungspramien immer vollstandig versichern!

Beispiel 2.2 (Wertpapierrenditen) Eine wichtige (wahrscheinlich die wichtigste) Anwen-dung der Entscheidungstheorie unter Unsicherheit betrifft die Erklarung von Wertpapierprei-sen oder -renditen an den Kapitalmarkten. Wertpapiere sind rein formal Vertrage zwischeneinem Kaufer, der heute einen Preis zahlt, und einem Verkaufer, der sich verpflichtet zueinem (oder mehreren) spateren Zeitpunkt(en) Zahlungen an den Kaufer zu leisten. Die be-kanntesten Sorten von Wertpapieren sind Aktien, die den Inhabern (den Kaufern) zukunftigeDividenden versprechen, und Anleihen, die den Inhabern zukunftige Zinszahlungen verspre-chen. Die Zahlungen aus Wertpapieren sind typischerweise unsicher. Dividenden richten sichnach den Gewinnen der Unternehmen, die in einer unsicheren Welt unsicher sind, und auchdie Zinszahlungen aus Anleihen sind in der Regel unsicher, wenn der Schuldner (der Verkauferder Anleihe) ausfallgefahrdet ist. Wenn man die Wertpapiere nicht mit dem Ziel erwirbt, siefur alle Zeiten zu behalten, sondern plant, sie zu einem spateren Zeitpunkt wieder zu ver-kaufen (was typischerweise der Fall sein durfte), kommt bei beiden genannten Gattungen dieUnsicherheit uber den zukunftig erzielbaren Verkaufspreis dazu.

Wir wollen nun untersuchen, wie die Konzepte des Erwartungsnutzens und der Risikoaversionsich auf die Nachfrage nach Wertpapieren auswirken. Betrachten Sie einen Investor, der seingesamtes Vermogen W am Kapitalmarkt anlegen mochte. Der Investor kann in ein risikolosesWertpapier investieren, das eine sichere Rendite von r0 bietet, und in n verschiedene unsichereWertpapiere, deren Renditen der Investor jeweils mit der Zufallsvariablen ri, i = 1, . . . , neinschatzt. Das heißt, beim Kauf des Wertpapiers i erhalt der Investor fur jeden eingesetztenGeldbetrag y eine spatere unsichere Ruckzahlung in Form einer Lotterie mit den Gewinneny(1 + ri). Wir bezeichnen den Anteil seines Vermogens, den der Investor in das Wertpapier iinvestiert, mit xi. Das zukunftige Vermogen des Investors ergibt sich also zu

X = W (n∑

i=0

xi(1 + ri)),

wobei∑n

i=0 xi = 1, wenn der Investor sein gesamtes Vermogen einsetzt (wovon wir ausgehen).Diese Gleichung stellen wir um:

X = W (x0(1 + r0) +n∑

i=1

xi(1 + ri))

= W ((1−n∑

i=1

xi)(1 + r0) +n∑

1=1

xi(1 + ri))

= W ((1 + r0) +n∑

1=1

xi(ri − r0)).

Damit haben die Entscheidungsvariable x0 aus unserem Investitionsproblem eliminiert. x0

ergibt sich mit Hilfe der Budgetidentitat automatisch, sobald wir die anderen xi ausgewahlt

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2.1 Erwartungsnutzentheorie S. 29

haben. Das Maximierungsproblem des Investors schreibt sich nun wie folgt:

maxx1,...,xn

E [u(W ((1 + r0) +n∑

1=1

xi(ri − r0)))],

wobei u die Erwartungsnutzenfunktion des Investors sei. Wir gehen davon aus, dass u zweimaldifferenzierbar ist und der Investor risikoavers, also u′ > 0 und u′′ < 0. Ableitung nach denEntscheidungsvariablen x1, . . . , xn ergibt n Bedingungen erster Ordnung:

E [u′(X∗)(ri − r0)] = 0, (2.6)

wobei X∗ das optimierte zukunftige Vermogen des Investors bezeichnet. Die Bedingungenzweiter Ordnung lauten

E [u′′(X∗)(ri − r0)2] < 0.

Sie sind immer erfullt, da (ri − r0)2 ≥ 0 und u′′ < 0 ist.

Die Bedingungen erster Ordnung (2.6) lauten umgeformt

E [u′(X∗)ri] = r0E [u′(X∗)]. (2.7)

Wir benutzen nun eine nutzliche Gleichung aus der Wahrcheinlichkeitstheorie. Es gilt namlichfur beliebige Zufallsvariablen Y und Z:

Cov [Y, Z] = E [Y Z]− E [Y ]E [Z].

Damit schreibt sich (2.7):

E [u′(X∗)ri] = Cov [u′(X∗), ri] + E [u′(X∗)]E [ri] = r0E [u′(X∗)],

oder

E [ri] = r0 −1

E [u′(X∗)]Cov [u′(X∗), ri]. (2.8)

Das heißt, die erwartete Rendite eines beliebigen Wertpapiers ergibt sich als Summe aus derRendite des risikolosen Wertpapiers und einer Risikopramie, die von der Kovarianz der Wert-papierrendite mit dem marginalen Nutzen aus dem zukunftigen Konsum abhangt. Da u′ einefallende Funktion ist (u′′ ist immer negativ), ist der marginale Nutzen bei hohen Realisatio-nen des zukunftigen Vermogens X niedriger als bei niedrigem Vermogen. Wertpapierrenditen,die positiv mit dem zukunftigen Vermogen korreliert sind (Cov [X∗, ri] > 0), sind tendenziellnegativ mit dem marginalen Nutzen daraus korreliert (Cov [u′(X∗), ri] < 0) und haben dahereine hohere erwartete Rendite als das risikolose Wertpapier.11 Bei diesen Wertpapieren wer-den Sie dafur kompensiert, dass Sie Risiko ubernehmen. Umgekehrt, wenn ri und X∗ negativkorreliert sind, dann wird die Wertpapierrendite niedriger sein als die Rendite des risikolosenWertpapiers. Dies sind Wertpapiere, mit denen Sie sich gegen kunftige Konsumunsicherheitenabsichern und die also den Charakter einer Versicherung aufweisen.

11Das gilt leider nicht immer. Man kann Beispiele konstruieren, bei denen diese Beziehung nicht gilt. Manmuss eine etwas strengere Annahme treffen als Cov [X∗, ri] > 0, die in der Fachwelt als ’positive (ne-gative) Abhangigkeit’ bezeichnet wird (Magill & Nermuth (1986)). In der Regel sind positive (negative)Abhangigkeit und positive (negative) Korrelation aquivalent.

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2.1 Erwartungsnutzentheorie S. 30

2.1.5 Ein einfaches Portfolioproblem

Wir untersuchen eine besonders einfache Entscheidungssituation: es gebe nur ein risikolo-ses und ein riskantes Wertpapier. Dann kann man in Abhangigkeit der Risikoaversion be-schreiben, wie sich die Zusammenstellung des optimalen Portfolios andert, wenn der Investorvermogender wird.

Im vergangenen Abschnitt haben wir gelernt, dass man Nutzenfunktionen anhand von Risi-kopramien unterscheiden kann. Fur diese Risikopramien konnten wir, falls die Risiken selbstklein sind, eine Abschatzung angeben. Man bezeichnet diese Art der Herangehensweise auchals ”lokale Theorie”, weil wir nur kleine Risiken in der Nahe von null untersucht haben. Esist auch moglich, eine ”globale Theorie” des Risikos zu entwickeln, und das soll in diesemAbschnitt geschehen.

Wir wollen das bisher gelernte auf ein einfaches Investitionsproblem anwenden, bei dem esnur zwei Wertpapiere gibt: der risikolose Titel 1 mit Preis p(1) und ein riskanter Titel X mitpositivem Preis p(X) > 0 und Var [X] > 0. Dem Investor stehe heute der Geldbetrag w zurVerfugung, mit dem er handeln kann. Damit lost er das folgende Problem:

maxm·p(1)+n·p(X)≤w

E [u(m1 + nX)]. (2.9)

Der Einfachheit halber wollen wir annehmen, dass p(1) = p(X) = 1 ist. Außerdem nehmen wiran, dass der Investor sein gesamtes Vermogen w investiert. Heutige Konsumentscheidungenspielen also bei der Investitionentscheidung keine Rolle. Weiterhin wollen wir nur unsichereWertpapiere X in Betracht ziehen, die eine hohere erwartete Rendite als das sichere Wert-papier haben, bei denen also E [X] > 1 ist. Ware E [X] < 1, dann konnten wir namlich mitY = 21 −X ein neues Wertpapier schaffen, das auch einen Preis von eins hat, und bei demE [Y ] = 2 ∗ 1 − E [X] > 1 ist. Der Fall E [X] = 1 ist nicht besonders spannend, da in diesemFall die Nachfrage nach X immer gleich Null ware.

Es gilt nun folgender Satz, der auf Arrow und Pratt zuruckgeht.12

Satz 2.6 Das optimale Portfolio aus (2.9) beim Einkommen w enthalte m? risikolose Titelund n? riskante Titel. Dann hat der Entscheidungstrager fallende (wachsende, konstante)absolute Risikoaversion genau dann, wenn n? eine wachsende (fallende, konstante) Funktionin w ist.

Beweis: Wir zeigen nur, dass aus fallender Risikoaversion ein steigendes n? folgt. Das ist der le-bensnachste Fall und die Beweise fur die anderen beiden Falle funktionieren genauso.

Wenn der Investor sein Budget ausschopft, dann ist m + n = w. Setzen wir dies in das Maximierungs-problem des Investors ein, so lautet dieses:

maxn

E [u(w − n + nX)].

Die Bedingungen erster und zweiter Ordnung dieses Problems lauten

E [u′(w + n?(X − 1))(X − 1)] = 0

bzw.

E [u′′(w + n?(X − 1))(X − 1)2] < 0.

12Siehe Pratt (1964).

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2.1 Erwartungsnutzentheorie S. 31

Aufgrund der Risikoaversion des Investors ist u′′ < 0 und also ist die Bedingung zweiter Ordnungimmer erfullt.

Kann das optimale n? negativ sein?13 Bei einem negativen n ergibt sich ein zukunftiges VermogenW = w + n(X − 1) = mit E [W ] = w + n(E [X] − 1) < w, da E [X] > 1 vorausgesetzt wurde, undVar [W ] = n2Var [X] > 0. Nach der Definition von Risikoaversion zieht der Investor dem VermogenW die sichere Zahlung E [W ] vor. Da der Investor außerdem ungesattigt ist, zieht er auch der sicherenZahlung E [W ] die hohere sichere Zahlung w vor. Dies kann er aber erreichen, wenn er einfach garnichts in das riskante Wertpapier investiert. Damit ist klar, dass n? ≥ 0.

An der Stelle n = 0 ist E [u′(w)(X − 1)] = u′(w)(E [X]− 1) und dies ist mit E [X] > 1 immer positiv,da u′(w) > 0. Damit kann das optimale n? auch nicht gleich Null sein. Damit bleibt also nur n? > 0ubrig.

Sei nun n?(w) der optimale Portfolioanteil im unsicheren Wertpapier in Abhangigkeit vom Vermogenw. Aufgrund der Bedingungen erster Ordnung gilt:

E [u′(w + n?(w)(X − 1))(X − 1)] ≡ 0.

Wird auf beiden Seiten nach w abgeleitet, erhalt man:

E [u′′(w + n?(w)(X − 1))(X − 1)(1 +dn?(w)

dw(X − 1))] ≡ 0

bzw.

dn?(w)dw

= − E [u′′(w + n?(w)(X − 1))(X − 1)]E [u′′(w + n?(w)(X − 1))(X − 1)2]

. (2.10)

Wieder ist aufgrund der Risikoaversion von u der Nenner immer negativ.

Entscheidend fur das Vorzeichen des Bruches ist also der Zahler. Es sei daran erinnert, dass dieser einErwartungswert ist, der sich auch wie folgt schreibt:

E [u′′(w + n?(w)(X − 1))(X − 1)] =S∑

s=1

qsu′′(w + n?(w)(Xs − 1))(Xs − 1).

Um das Vorzeichen des Zahlers zu ermitteln, sollte man also versuchen etwas uber den Wert jedeseinzelnen Summanden dieser Summe herauszufinden. Da die qs alle nichtnegativ sind, wollen wirversuchen, etwas uber jeden der Werte u′′(w+n?(w)(Xs−1))(Xs−1) herauszufinden. Zuerst betrachtenwir diejenigen Xs mit Xs ≥ 1. Da wir fallende Risikoaversion vorausgesetzt haben, gilt also fur Xs ≥ 1:

−u′′(w + n?(Xs − 1))u′(w + n?(Xs − 1))

≤ −u′′(w)u′(w)

,

oder umgestellt

u′′(w + n?(Xs − 1)) ≥ u′′(w)u′(w)

u′(w + n?(Xs − 1)).

Da Xs ≥ 1 gilt schließlich auch

u′′(w + n?(Xs − 1))(Xs − 1) ≥ u′′(w)u′(w)

u′(w + n?(Xs − 1))(Xs − 1). (2.11)

13Das wurde also einem so genannten Leerverkauf des riskanten Wertpapiers entsprechen, bei dem man einWertpapier, das man gar nicht besitzt, verkauft. Man verpflichtet sich dabei, alle Zahlungen des Wertpa-piers (Zinsen oder Dividenden) dem Kaufer zu leisten. Leerverkaufe sind fur institutionelle Handler nichtsungewohnliches, Hedge Funds verdienen einen Großteil ihres Geldes damit.

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2.1 Erwartungsnutzentheorie S. 32

Nun betrachten wir diejenigen Xs mit Xs < 1. Nun gilt wegen der fallenden Risikoaversion umgekehrt

−u′′(w + n?(Xs − 1))u′(w + n?(Xs − 1))

> −u′′(w)u′(w)

,

bzw.

u′′(w + n?(Xs − 1)) <u′′(w)u′(w)

u′(w + n?(Xs − 1)).

Und da Xs < 1 folgt Gleichung (2.11) auch in diesem Fall. Da Gleichung (2.11) fur alle Xs gilt, giltsie auch fur den Erwartungswert:

E [u′′(w + n?(X − 1))(X − 1)] ≥ u′′(w)u′(w)

E [u′(w + n?(X − 1))(X − 1)].

Da aber E [u′(w + n?(X − 1))(X − 1)] = 0 (dies ist die Bedingung erster Ordnung) folgt

E [u′′(w + n?(X − 1))(X − 1)] ≥ 0.

Damit haben wir aber gezeigt, dass der Zahler in (2.10) nichtnegativ ist und damit folgt, dass

dn?(w)dw

≥ 0.

Arrow hat aus diesem Satz den durchaus plausiblen Schluss gezogen, dass fur Nutzenfunktio-nen nur der Fall der fallenden absoluten Risikoaversion plausibel sein kann. Wir sind dieserForderung bereits in der lokalen Theorie begegnet und finden daher unsere dort getroffeneEinschatzung wiederum bestatigt. Aber wir mussen die auch in der lokalen Theorie aufge-worfene Frage hervorheben: die Tatsache, dass die absolute Risikoaversion fallt, schrankt dieMenge der moglichen Nutzenfunktionen nicht wesentlich ein. Wie konnen wir also eine hinrei-chend plausible Nutzenfunktion auswahlen? Wir wenden uns einer Definition zu, die ebenfallsauf Arrow und Pratt zuruckgeht und sich als hilfreich erweisen wird.

Definition 2.5 Fur eine Nutzenfunktion u(t) wird der Term

−tu′′(t)u′(t)

als die relative Risikoaversion der Nutzenfunktion bezeichnet. Insbesondere sprechen wir da-von, die Nutzenfunktion habe fallende (konstante, wachsende) relative Risikoaversion genaudann, wenn dieser Term fallt (konstant bleibt, wachst).

Bevor wir mit dem entscheidenden Resultat dieses Abschnittes fortfahren, wollen wir versu-chen, die relative Risikoaversion einer Nutzenfunktion inhaltlich zu interpretieren. Wir stellendie Definition etwas um und erhalten den folgenden Ausdruck

−tu′′(t)u′(t)

= −du′(t)u′(t)

dtt

.

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Page 36: Entscheidungs Und Kapitalmarkttheorie 1

2.1 Erwartungsnutzentheorie S. 33

Bei dem Term auf der rechten Seite handelt es sich um die aus der Literatur bekannte Vorge-hensweise, eine Elastizitat der Große u′(t), also dem Grenznutzen, zu ermitteln. Die relativeRisikoaversion einer Nutzenfunktion ist damit interpretierbar als die Elastizitat des Grenz-nutzens. Wir kehren nun zuruck zum einfachen Portfolioproblem und es gilt folgender Satz.14

Satz 2.7 Das optimale Portfolio aus (2.9) beim Einkommen w enthalte m? risikolose Titelund n? riskante Titel. Dann hat der Entscheidungstrager fallende (wachsende, konstante)relative Risikoaversion genau dann, wenn n?

w eine wachsende (fallende, konstante) Funktionin w ist.

Worin unterscheiden sich die Aussagen der Satze 2.6 sowie 2.7? Es handelt sich nur um einunscheinbares Detail: wahrend bei der fallenden absoluten Risikoaversion n? im Einkommenwachst, ist es bei der fallenden relativen Risikoaversion der Ausdruck n?

w . Inhaltlich lasst sichdieser Unterschied wie folgt beschreiben. Hat ein reicher werdender Investor eine fallendeabsolute Risikoaversion, so wird die Menge des riskanten Titels, die er halt, wachsen. Hatein reicher werdender Investor dagegen fallende relative Risikoaversion, so wird der Anteildes riskanten Titels am optimalen Gesamtportfolio wachsen. Und in der Tat: dieser Anteilermittelt sich ja aus dem Quotienten

n?p(X)w

=n?

wp(X)︸ ︷︷ ︸

>0

.

Man kann leicht zeigen, dass die Aussage, die relative Risikoaversion (RRA) sei fallend, we-sentlich starker ist als die Behauptung, die absolute Risikoaversion (ARA) falle. Wir wollendie bisherigen Erkenntnisse in einer tabellarischen Ubersicht zusammenfassen:

Menge riskanter Titel Anteil riskanter TitelARA fallt wachst mit Vermogen nicht eindeutigRRA fallt wachst mit Vermogen wachst mit Vermogen

Analog zum Satz 2.5 konnen wir die Funktionen mit konstanter relativer Risikoaversion ge-nauer charakterisieren.

Satz 2.8 Folgende Aussagen sind aquivalent:

(i) die Nutzenfunktion weist konstante relative Risikoaversion auf,

(ii) die Nutzenfunktionen hat die funktionale Form ln(x), xα−1α fur α ∈ (−∞, 1) \ {0},

(iii) Beim einfachen Portfolioproblem bleibt der Anteil am riskanten Titel im optimalen Port-folio konstant.

Beweis: Wir wollen nur die Aquivalenz der ersten beiden Behauptungen beweisen, auf den Beweisder Bedingung (iii) verzichten wir.

14Siehe Pratt (1964).

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Page 37: Entscheidungs Und Kapitalmarkttheorie 1

2.1 Erwartungsnutzentheorie S. 34

Die relative Risikoaversion war konstant, und die Konstante setzen wir gleich einer Variablen a

−tu′′(t)u′(t)

= const. = a =⇒ d(ln(u′(t))dt

= −a

tRegeln Differentialr.

=⇒ ln(u′(t))− ln(u′(1)) =∫ t

1

−a

tdt = −a ln(t) integrieren

=⇒ ln(u′(t)) = −a ln(t) + ln(u′(1))︸ ︷︷ ︸=ln(c)

vereinfachen

=⇒ u′(t) = ec−a ln(t) = ct−a Exponentialfunktion

=⇒ u(x)− u(1) =∫ x

1

ct−adt =

{c

1−a (x1−a − 1) a 6= 1c ln(x) a = 1

integrieren.

Analog dem anderen Beweisweg (kardinale Nutzentheorie!) erhalten wir wieder die Nutzenfunktionent1−a oder ln(x) und das war zu zeigen.

Jetzt wollen wir beweisen, dass aus (ii) die Aussage (i) folgt. Dies ist nun einfache Differentialrechnung.Wir beschranken uns auf den Fall ln(x)

u(x) = ln(x)

u′(x) = − 1x

u′′(x) =1x2

−xu′′(x)u′(x)

= 1

und damit sind wir am Ende angelangt.

Arrow hat in einer 1971 erschienen Arbeit behauptet, es sei durchaus plausibel anzuneh-men, die Nutzenfunktion von Individuen weise wachsende relative Risikoaversion auf. DieseBehauptung kann heute als widerlegt gelten. In der Literatur wurde dabei das Portfolio–Verhalten von Individuen untersucht und es die Ergebnisse weisen auf eine fallende relativeRisikoaversion hin.15 Meistens macht man aber mit einer Nutzenfunktion mit konstanter re-lativer Risikoaversion keinen großen Fehler, weshalb diese Funktionen in der Literatur sehrbeliebt sind. Ublicherweise arbeitet man mit der etwas anderen parametrische Darstellung

u(x, 1− α) =x1−α

1− α, α > 0, α 6= 1,

und es finden sich Belege fur ein α der Großenordnung zwischen 1 und 2.16

15Zum Beispiel weisen Kessler & Wolff (1991) nach, dass US–Haushalte mit niedrigem Einkommen einen un-proportional hohen Anteil an festverzinslichen Wertpapieren halten. Guiso, Jappelli & Terlizzese (1996)untersuchen die Zusammensetzung von Portfolios von italienischen Haushalten und stellen fallende relativeRisikoaversion fest. Ogaki & Zhang (1999) weisen fallende relative Risikoaversion anhand des Konsumver-haltens in Entwicklungslandern nach.

16Friend & Blume (1975) finden einen Koeffizienten α = 2, Kydland & Prescott (1982) untersuchten aggre-gierte Fluktuationen von Konsum und Investition, die vorliegenden Daten verwiesen auf einen Parameterα zwischen 1 und 2. Hildreth & Knowles (1982) analysierten das Verhalten von Bauern und erhielten einenParameter zwischen 1 und 2. Tobin & Dolde (1971) studierten das Sparverhalten in Lebenszyklus–Modellenmit Kreditrestriktionen, sie kamen auf einen Wert von 1,5. Neuere Arbeiten (Dalal & Arshanapalli (1993))haben diese Ergebnisse prinzipiell bestatigt.

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2.1 Erwartungsnutzentheorie S. 35

Wir sind damit an unserem Ausgangspunkt angelangt. Wir haben anhand des Petersbur-ger Spiels erkannt, dass nicht der Erwartungswert, sondern der Erwartungsnutzen den fairenPreis einer unsicheren Auszahlung bestimmt. Die Nutzenfunktionen haben wir sehr weit ein-schranken konnen: sie mussten konkav sein (wegen der Risikoaversion), weiter fallende absolu-te Risikoaversion aufweisen (damit die Risikopramie im Vermogen sinkt) und eine konstanterelative Risikoaversion aufweisen (damit der Anteil der riskanten Titel im optimalen Portfoliokonstant bleibt). Dann aber muss die verwendete Nutzenfunktion entweder der Logarithmusoder eine Wurzelfunktion sein.

2.1.6 Stochastische Dominanz

Wir werden in diesem Abschnitt zeigen, wie man Aussagen uber Vorteilhaftigkeit verschiede-ner Portfolios treffen kann, wenn man die Erwartungsnutzenfunktion nicht kennt.

Wir haben in den letzten Abschnitten erkannt, wie man anhand von Eigenschaften der Nut-zenfunktionen eines Investors Aussagen uber sein optimales Portfolio treffen kann. Wenn einInvestor risikoavers ist, so wird er beispielsweise eine risikolose Investition einer riskantenInvestition mit gleichem Erwartungswert vorziehen. Ebenso wissen wir, dass die Hohe der Ri-sikopramie von dem Koeffizienten der absoluten Risikoaversion abhangig ist. Wir haben aucherkannt, dass sich die absolute Risikoaversion eignet, um eine komparative Statik des opti-malen Portfolios beschreiben zu konnen. In allen Fallen sind wir in fast selbstverstandlicherWeise davon ausgegangen, dass wir hinreichend genaue Kenntnisse uber die Nutzenfunkti-on des Investors besitzen. Genau diese Selbstverstandlichkeit wollen wir in diesem Abschnittaufgeben. Sind wir in der Lage, einen Investor bei der Auswahl optimaler Portfolios auchdann zu beraten, wenn wir nicht wissen, wie seine Nutzenfunktion gestaltet ist? Konnen wirohne Kenntnis der Risikoaversion sagen, jeder Investor werde ein Portfolio einem anderenvorziehen? Die Antwort auf diese Frage bietet die Theorie der stochastischen Dominanz.

Wir werden nun dem Rahmen des Grundmodells nicht mehr in voller Strenge folgen. DieTheorie der stochastischen Dominanz wird ublicherweise in Modellen dargestellt, in denender Zustandsraum nicht endlich ist. Vielmehr betrachtet man die Verteilungsfunktionen derPortfolios. Zwar ware es moglich, alle Resultate auf unser Modell umzurechnen, wir wollenjedoch der besseren Vergleichbarkeit wegen darauf in der Vorlesung verzichten. Wir gehen alsoim folgenden davon aus, dass wir zu Portfolios X und Y die jeweiligen VerteilungsfunktionenFX(t) und FY (t) kennen.

Wenn wir unser Grundmodell zugrunde legen wurden, dann waren die Verteilungsfunktioneneinfach Treppenfunktionen, die sich schrittweise der 1 nahern. Ein Portfolio der Form

X =

11.53

bei jeweils gleichverteilten Zustanden hatte beispielsweise eine Verteilungsfunktion, wie inAbbildung 2.1) dargestellt.

Die Theorie der stochastischen Dominanz ist sehr weit ausgebaut. Wir werden uns in diesemRahmen nur auf die Dominanz erster und zweiter Ordnung beschranken. Ublicherweise solltenun eine Definition beide Begriffe erfolgen. Weil aber die stochastische Dominanz nicht in allenFallen leicht zu motivieren ist, wollen wir ausnahmsweise einmal mit dem Ergebnis, das wir

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Page 39: Entscheidungs Und Kapitalmarkttheorie 1

2.1 Erwartungsnutzentheorie S. 36

0.33

0.66

1

FX(t)

0 1 1.5 3

t

-

6

..........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

........

........

........

........

........

........

........

........

........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

Abbildung 2.1: Verteilungsfunktion im Grundmodell

erzielen wollen, beginnen. Uns interessieren Aussagen der folgenden Form: Wir wollen wissen,unter welchen Annahmen jeder Investor, der nur monotone Praferenzen habe, ein Portfolio Ximmer einem Portfolio Y vorziehen wird. Wenn beispielsweise X und Y risikolose Portfoliossind, und wenn weitergehend X eine hohere Auszahlung als Y aufweist, dann wird jederInvestor mit monotonen Praferenzen sinnvollerweise X dem Portfolio Y vorziehen. Wennaber sowohl X als auch Y nicht mehr sichere Zahlungen aufweisen, dann liegen die Dingekeinesfalls so einfach.

Betrachten wir dazu folgenden Fall. Wenn in jedem Zustand die Auszahlung von X hoherals die Auszahlung von Y ist, dann wird jeder Investor mit monotonen Praferenzen X demPortfolio Y vorziehen. Die Theorie der stochastischen Dominanz X �FSD Y schwacht nundiese Bedingung dahingehend ab, dass nicht mehr in jedem Zustand eine hohere Auszahlungvorliegen muss. Vielmehr muss nur noch die hohere Auszahlung immer mit hoherer Wahr-scheinlichkeit erfolgen. Um zu zeigen, dass hier tatsachlich ein allgemeinerer Zugang vorliegt,betrachten wir ein einfaches Beispiel mit zwei Zustanden und den Portfolios

X =(

31

), Y =

(12

), q1 = 90%, q2 = 10%.

Das Portfolio X weist im ersten Zustand eine hohere Zahlung als Y auf, nicht aber im zweitenZustand. Dennoch gilt, dass das Portfolio X hohere Zahlungen mit hoherer Wahrscheinlich-keit leisten wird: eine Geldeinheit wird jetzt nur mit 10% Wahrscheinlichkeit gezahlt, beimPortfolio Y waren es noch 90%.

Satz 2.9 Seien zwei Portfolios X und Y gegeben. Jeder Investor mit beliebiger, aber mono-toner Nutzenfunktion u, zieht X der Lotterie Y genau dann vor

E [u(X)] ≥ E [u(Y )],

wenn fur die Verteilungsfunktionen FX und FY die Ungleichung

∀t FX(t) ≤ FY (t)

erfullt ist.

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Page 40: Entscheidungs Und Kapitalmarkttheorie 1

2.1 Erwartungsnutzentheorie S. 37

Wir sagen in einem solchen Fall X dominiert das Portfolio Y im Sinne der stochastischenDominanz erster Ordnung (“first order stochastic dominance”, auch FSD abgekurzt) undschreiben dafur symbolisch X �FSD Y .

Wenden wir uns nun der Theorie der stochastischen Dominanz zweiter Ordnung (“secondorder stochastic dominance”, SSD) zu. Bei der FSD war es notwendig, dass eine Verteilungs-funktion immer unterhalb einer anderen Verteilungsfunktion verlief, um eine Entscheidung zutreffen. Es wird nun aber eine Vielzahl von Fallen geben, bei der die Verteilungsfunktioneneinander schneiden. Nach dem Kriterium der stochastischen Dominanz erster Ordnung istdann aber keine Entscheidung mehr moglich. Allerdings haben wir bei dem Kriterium nur In-vestoren betrachtet, bei denen wir wussten, dass sie monotone Nutzenfunktionen besitzen. Inder Entscheidungstheorie haben wir jedoch erkannt, dass typischerweise Investoren nicht mo-noton, sondern auch risikoavers sind. Die dazugehorigen Erwartungsnutzenfunktionen mussendann konkav sein. Wenn wir nun diese zusatzliche Information berucksichtigen, gelingt danneine Entscheidung auch bei sich schneidenden Verteilungsfunktionen?

Satz 2.10 Seien zwei Lotterien X und Y gegeben. Jeder Investor mit beliebiger, aber mono-toner und konkaver Nutzenfunktion u, zieht X der Lotterie Y genau dann vor

E [u(X)] ≥ E [u(Y )],

wenn fur die Verteilungsfunktionen FX und FY die Ungleichung

∀s∫ s

−∞FX(t)dt ≤

∫ s

−∞FY (t)dt

erfullt ist.

Wir sprechen in einem solchen Fall davon, dass X das Portfolio Y im Sinne der stochastischenDominanz zweiter Ordnung (“second order stochastic dominance”, auch SSD abgekurzt) do-miniert und schreiben dafur symbolisch X �SSD Y .

An dieser Stelle ware nun eine Intuition fur die Dominanz zweiter Ordnung zu geben. Leiderist eine Intuition in diesem Fall nicht ganz offensichtlich. Um wenigstens einen Versuch einerAnnaherung zu wagen, betrachten wir die folgende Situation. Angenommen, es ware einrisikoloses Portfolio X mit einer Auszahlung von µ Geldeinheiten gegeben und ein weiteresPortfolio Y habe denselben Erwartungswert, sei aber unsicher. Eine Auszahlung großer als 2µsei bei Y aber nicht moglich. Jeder risikoaverse Investor wird X dem Portfolio Y vorziehen.Daher erwarten wir, dass in diesem Fall auch eine stochastische Dominanz zweiter Ordnungvorliegt (im ubrigen schneiden sich die Verteilungsfunktionen, FSD ist also nicht gegeben!),und das werden wir jetzt zeigen.

Betrachten wir die Verteilungsfunktionen von X und Y . Da X risikolos ist, macht die Ver-teilungsfunktion an der Stelle µ einen Sprung von 0 zu 1. Die Verteilungsfunktion von Ydagegen wird sich eher schrittweise der 1 annahern und sie erst bei 2µ erreichen, so wie inder Abbildung 2.2 angedeutet.

Wir wollen nun in einer anderen Abbildung das Integral der Differenz der Verteilungsfunk-tionen

∫ t0 FY (s) − FX(s) ds in Abhangigkeit von t eintragen. Wir halten zunachst fest, dass

fur t = 0 dieses Integral sinnvollerweise null ist. Man kann nun durch nicht umfangreicheUberlegungen zeigen, dass fur t ≥ 2µ ebenfalls das Integral null wird, da die Flachen unter

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Page 41: Entscheidungs Und Kapitalmarkttheorie 1

2.1 Erwartungsnutzentheorie S. 38

0

1

F (t)

t→ µ 2µ

Zahlung t

FX

FY

-

6

.......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

................................................................

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............................

............................

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......................................................

..................................

....................................

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Abbildung 2.2: Ein Versuch einer Intuition fur SSD

beiden Verteilungsfunktionen identischen Inhalt aufweisen.17 Entscheidend ist nun die folgen-de Uberlegung: wenn t links von dem Mittelwert µ liegt, dann ist offensichtlich die DifferenzFY − FX = FY − 0 immer positiv und das Integral

∫ t0 FY (s) − FX(s) ds wird daher immer

positiv sein. Ein moglicher Funktionsverlauf ist in der Abbildung 2.3 durchgehend gezeichnet.Sobald t den Wert µ durchstoßt, wird die Differenz FY − FX = FY − 1 dagegen immer ne-gativ. Das Integral kann also in diesem Bereich nur kleiner werden (monoton fallen). Jedochwissen wir bereits, dass fur t = 2µ (nach Betrachtung aller moglichen Auszahlungswerte) alsgroßtmoglicher Wert des Integrals die null erreicht wird. Demnach kann der Funktionsverlaufzwischen der durchgehenden Linie und dem Nullpunkt nur in der Weise verlaufen, wie er inder gestrichelten Linie dargestellt ist, und damit bleibt also das Integral immer nichtnegativ.In der Tat liegt hier stochastische Dominanz zweiter Ordnung vor.

Die SSD ist haufig schwer zu prufen und daher formulieren wir drei einfachere Kriterien.

Satz 2.11 (einfachere Kriterien fur SSD) Wenn X dem Portfolio Y im Sinne der FSDvorgezogen wird (also X �FSD Y ), dann auch im Sinne der SSD (also X �SSD Y ).

Angenommen, X und Y seien stetige nichtnegative Zufallsvariablen und die Verteilungs-funktionen FX und FY schneiden sich genau in einem Punkt (man spricht von der

17Die Flache unter einer Verteilungsfunktion 1 − FY auf einem endlichen Intervall ist gerade gleich demErwartungswert der Zufallsvariablen (dies beweist man durch partielle Integration)∫ 2µ

0

1− FY (t)dt = E [Y ] = E [X].

Diese Gleichung gilt aber auch fur X und damit haben dann die Gesamtflachen unter FX und unter FY

identischen Flacheninhalt, weil X und Y identischen Erwartungswert besaßen:∫ 2µ

0

FY − FX dt =

∫ 2µ

0

1− FX dt−∫ 2µ

0

1− FY dt

= E [Y ]− E [X] = 0.

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Page 42: Entscheidungs Und Kapitalmarkttheorie 1

2.1 Erwartungsnutzentheorie S. 39

t→ µ 2µ

Zahlung t

∫ t0 FY − FXdt

-

6

..................................

..................................

.................................................................

.............................................................

................................................

..................................

..................................

...................................................................................................

................

........ ........ ........ ........ ........ ........................................................................................................ ........ ........ ........ ........ ........ ...................................

Abbildung 2.3: Das Integral∫ t0 FY − FXdt

“single–crossing property”). Des weiteren sei FX(t) ≤ FY (t) fur kleine t. Dann giltX �SSD Y genau dann, wenn E [X] ≥ E [Y ].

Angenommen, Y ergibt sich aus X und einem Storterm, also einer weiteren Lotterie ε, wobeider bedingte Erwartungswert von ε, gegeben dass man X bereits kennt, nicht positiv ist.Also

Y = X + ε mit E [ε|X] ≤ 0.

Dann gilt: X �SSD Y .

Beweis: Die ersten beiden Behauptungen sind einfach und bleiben daher Ihnen als Ubungsaufgabenuberlassen. Die dritte Behauptung ergibt sich durch Anwendung der Jensen’schen Ungleichung:

E [u(Y )] = E [E [u(X + ε)|X]] ≤ E [u(X + E [ε|X])] ≤ E [u(X)].

Beispiel 2.3 (Der Nutzen von Portfoliodiversifikation) Sie haben sicherlich schon ein-mal den Rat bekommen, beim investieren nicht alles ’auf ein Pferd zu setzen’, sondern IhreInvestitionen auf verschiedene Wertpapiere zu streuen. Das hat viele gute intuitive Grunde.Wenn zwei Wertpapiere negativ miteinander korreliert sind, dann konnen Sie einen Teil des Ri-sikos des einen Wertpapiers durch den Kauf des anderen Wertpapiers eliminieren.18 Aber auchwenn Sie in unabhangige Wertpapiere investieren, senken Sie Ihr Risiko.19 Wir wollen nun un-tersuchen, wie das mit dem Konzept der stochastischen Dominanz zusammen hangt. Betrach-ten Sie zwei unabhangige und gleich verteilte Lotterien X und Y . Sie konnen Ihr Vermogenbeliebig auf die beiden Lotterien aufteilen. Es bezeichne αx den Anteil des Vermogens, den Sie18Dies folgt aus grundlegenster Wahrscheindlichkeitstheorie, da E [X +Y ] = E [X]+E [Y ], aber Var [X +Y ] =

Var [X] + Var [Y ] + 2Cov [X, Y ].19Das ist wieder elementare Wahrscheinlichkeitstheorie: wenn E [X] = E [Y ] und Var [X] = Var [Y ], dann ist

E [ 12X + 1

2Y ] = 1

2E [X] + 1

2E [Y ]=E [X] aber Var [ 1

2X + 1

2Y ] = 1

4Var [X] + 1

4Var [Y ] = 1

2Var [X].

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Page 43: Entscheidungs Und Kapitalmarkttheorie 1

2.2 µ-σ–Theorie S. 40

auf X setzen, und αy den Anteil, den Sie auf Y setzen. Da Sie nicht mehr einsetzen konnen, alswas Sie besitzen, ist αx +αy = 1. Wir zeigen nun, dass die Gleichverteilung Ihres Vermogens,(αx, αy) = (1

2 , 12) alle anderen Verteilungen im Sinne der stochastischen Dominanz zweiter

Ordnung dominiert.Beweis: Wir bezeichnen die perfekte Diversifikation mit A, also A = 1

2X + 12Y . Betrachten Sie nun

irgendeine andere Diversifikationsstrategie B = αxX + αyY . Es gilt

B = A + (αx −12)X + (αy −

12)Y.

Wir zeigen nun, dass der hintere Term (αx− 12 )X+(αy− 1

2 )Y ein reiner Storterm ist, also bei gegebenenA einen Erwartungswert von Null besitzt. Es gilt:

E [(αx −12)X + (αy −

12)Y |A] = (αx −

12)E [X|A] + (αy −

12)E [Y |A].

Da X und Y identisch und gleichverteilt sind, ist E [X|A] = E [Y |A]. Wir bezeichnen diesen Wert mitk. Es folgt

E [(αx −12)X + (αy −

12)Y |A] = k((αx −

12) + (αy −

12)) = k(αx + αy − 1) = 0.

2.2 µ-σ–Theorie

2.2.1 Das Grundmodell: mehrere Basistitel

Wir stellen das Grundmodell unter Unsicherheit fur die µ-σ–Theorie vor.

Wir hatten fur die Theorie des Erwartungsnutzens von einem Grundmodell Gebrauch ge-macht, bei dem die Zahlungen eines Portfolios in jedem Zustand zugrunde liegen. Wir konntenauch im Falle der µ-σ–Theorie dieses Grundmodell verwenden, allerdings ist dies in der Li-teratur unublich. Die µ-σ–Theorie hat weitestgehend Verwendung nur in der Portfoliotheorieund der Auswahl optimaler Kapitalmarktanlagen gefunden, und dort liegt der Fokus wenigerauf den Zahlungen als auf der Art und Weise, wie ein optimales Portfolio zusammenzustellenist. Daher werden wir das Modell etwas verandern. Wir gehen davon aus, dass an einem Marktinsgesamt S Wertpapiere oder Basistitel gehandelt werden. Diese Basistitel mogen Zahlungenin der Zukunft versprechen, die wir mit Y s bezeichnen wollen. Die Zahlungen sind im all-gemeinen unsicher und daher formal Zufallsvariablen. Der Erwartungswert der Zahlung dess–ten Basistitels werde mit E [Y s] bezeichnet, die Kovarianz der Zahlungen des s–ten und desr–ten Basistitels mit Cov [Y s, Y r].

Unter einem Portfolio verstehen wir eine Zusammenstellung von S Basistiteln, wir bezeichnendieses Portfolio mit X. Diese Zusammenstellung erfolgt noch in der Gegenwart, aber dieStruktur des Portfolios andert sich bis zur Zukunft morgen nicht mehr. Die Eintrage in demPortfoliovektor sind wie folgt zu interpretieren:20

20Der Leser beachte: bei Xs handelt es sich im Grundmodell des Erwartungsnutzens um eine Zahlung desTitels X im Zustand s. Hier steht Xs fur die Menge des Titels Y s im Portfolio X!

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Page 44: Entscheidungs Und Kapitalmarkttheorie 1

2.2 µ-σ–Theorie S. 41

X =

X1

X2...

XS

←− Menge erstes Wertpapier←− Menge zweites Wertpapier

...←− Menge S–tes Wertpapier

Bevor wir mit unserer Analyse fortfahren, mussen wir auf einen ersten wichtigen Unterschiedzum Grundmodell des Erwartungsnutzens hinweisen. Dort bedeutete ein negativer Eintragin einem Wertpapier, dass dieser Titel negative Gutermengen zahlte – und der Inhaber zuliefern hatte. Hier bedeutet ein negativer Eintrag, dass der Inhaber des Assets beispielsweise−3 Titel eines Basistitels besitzt. Was soll das heißen?

Ein positiver Eintrag hieß, der Investor erhalt die mit dem Wertpapier verbundenen Dividen-denzahlungen der nachsten Periode. Ein negativer Eintrag kann also nur bedeuten, dass erdiese Dividendenzahlungen selbst zu liefern hat – oder anders gesagt, dass er in der Zukunftdas Wertpapier nicht besitzen, sondern selbst liefern muss. Diese Situation kann realisti-scherweise so verstanden werden, dass der Investor sich heute das Asset borgt und es einenZeitpunkt spater wieder zuruckgeben muss. Diesen Vorgang bezeichnet man als Leerverkauf,er wird in Deutschland von Privatpersonen derzeit eher selten praktiziert. Fur institutionelleAnleger existiert ein standardisiertes Verfahren (unter Einbeziehung eines clearing houses),mit dem diese Leerverkaufe abgewickelt werden.

Wir benotigen fur den Fortgang der Untersuchungen noch eine Reihe von Annahmen. Sowerden wir unterstellen, dass unter den genannten S Wertpapieren ein Titel sei, der risikolosist. Der Einfachheit halber sei dies der erste Titel. Hier entsteht also ein wichtiger Unterschiedzum vorigen Grundmodell. Der risikolose Titel wird jetzt durch (1, 0, . . . , 0) beschrieben; imGrundmodell der Erwartungsnutzentheorie war es dagegen (1, 1, . . . , 1).

Des weiteren wollen wir annehmen, dass sich unter dem riskanten Titeln nur soviele Assetswie unbedingt notig befinden mogen. Wann ist ein Titel uberflussig? Ein Titel ist offensicht-lich genau dann uberflussig, wenn seine Zahlungen durch ein geschickt zusammengestelltesPortfolio aus den verbleibenden S−1 Titel dupliziert werden konnen. Betrachten wir der Ein-fachheit halber den S–ten Basistitel und unterstellen, dass die verbleibenden S − 1 ebenfallseine Zahlung in der Hohe realisieren konnen, die der Zahlung des S–ten Titels entspricht. Mitgeeigneten Mengen X1, X2, . . . der Wertpapiere gilt dann aber

Y S = X1 · Y 1 + X2 · Y 2 + · · ·+ XS−1 · Y S−1

oder umgestellt

0 = X1 · Y 1 + X2 · Y 2 + · · ·+ XS−1 · Y S−1 + XS︸︷︷︸=−1

·Y S . (2.12)

Wenn also ein Titel (in unserem Beispiel der S–te) nachgebaut werden kann, dann kanninsbesondere auch ein Portfolio ohne Zahlungsverpflichtungen (“Nullportfolio”) aus den S−1riskanten Basistiteln und dem risikolosen Titel erzeugt werden.21

Wie kann man uberprufen, ob es in einer Menge von Basistiteln duplizierbare Portfolios gibt?Man wird ja schlecht dem Anwender vorschlagen, alle moglichen Portfolios X auf Gultigkeit21Man sagt auch, die Wertpapierzahlungen seien linear abhangig, wenn eine Relation der Form (2.12) gilt.

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Page 45: Entscheidungs Und Kapitalmarkttheorie 1

2.2 µ-σ–Theorie S. 42

der Beziehung (2.12) zu uberprufen. Es gilt folgender Zusammenhang, auf dessen Beweis wirverzichten.

Satz 2.12 Unter S Basistiteln sind keine Titel uberflussig genau dann, wenn die Kovarianz–Matrix aus den riskanten Titeln

Cov [Y 2, Y 2] Cov [Y 2, Y 3] · · · Cov [Y 2, Y S ]Cov [Y 3, Y 2] Cov [Y 3, Y 3] · · · Cov [Y 3, Y S ]

......

...Cov [Y S , Y 2] Cov [Y S , Y 3] · · · Cov [Y S , Y S ]

eine von null verschiedene Determinante hat.

Diese Bedingung garantiert, dass man mit den riskanten kein Portfolio zusammenstellen kann,dass risikolos ist, bei dem sich also die Risiken der riskanten Titel gegenseitig aufheben. Waredas der Fall liesse sich mit dem risikolosen Titel schließlich das Nullportfolio erreichen.

2.2.2 Erwartungsnutzen und µ-σ–Theorie

Wie begrundet man, dass eine Nutzenfunktion nur vom Erwartungswert und der Varianzabhangig ist? Vielleicht handelt es sich ja um einen Spezialfall des Erwartungsnutzens? Daswollen wir hier nachprufen.

Wir wollen nun eine weitere Theorie kennenlernen, mit der Entscheidungen unter Unsicherheitgetroffen werden. Sie geht auf die Arbeit von Markowitz (1952) zuruck, der dafur mit demNobelpreis geehrt wurde.

In der Erwartungsnutzentheorie ist es notwendig, die Zahlungen eines Portfolios in jedemZustand zu kennen: daraus werden die die entsprechenden Nutzenniveaus ermittelt. Von die-sen Nutzenniveaus ist der Erwartungswert zu berechnen und diese Erwartungswert bildet dieGrundlage fur die Entscheidung. Markowitz schlug nun vor, diese Rechenverfahren zu ver-einfachen. Der Ertrag eines Wertpapieres soll durch den Erwartungswert, das Risiko dagegeneinfach durch die Varianz abgebildet werden. Je besser der Erwartungswert, desto besser furden Entscheidungstrager. Je hoher die Varianz, desto unangenehmer fur den Entscheidungs-trager. Dieses Risikomaß hat den unbestrittenen Vorteil, dass es sehr leicht zu implementierenist und es hat sich denn auch in der modernen Finanzmarkttheorie (im Gegensatz zum Er-wartungsnutzen) auf breiter Front in der Praxis durchgesetzt.

Die Nutzenfunktion ist daher von der Gestalt

V (E [X],Var [X]).

V ist eine beliebige Funktion, die in der ersten Variable strikt monoton wachsend und inder zweiten strikt monton fallend ist. Wenn ein Entscheidungstrager diese Nutzenfunktionbenutzen soll, mussen wir im Vorfeld folgende Frage klaren. Wir sind immer davon ausgegan-gen, dass Praferenzen Nutzenfunktionen bestimmen. Wir haben diese Vorgehensweise (mehroder weniger erfolgreich) verfolgt, um den Erwartungsnutzen zu begrunden. Also sollten wirklaren, welche Axiome notwendig sind, um zu einer Nutzenfunktion zu kommen, die in derTat nur noch vom Erwartungswert und der Varianz einer Zahlung abhangig ist. Wir solltenalso mit Praferenzen und nicht mit Nutzenfunktionen beginnen.

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2.2 µ-σ–Theorie S. 43

In der Literatur hat man bisher eine Antwort auf diese Frage umgangen. Vielmehr wurdeversucht, den µ-σ–Nutzen auf der Erwartungswerttheorie zu begrunden. Wir wollen dieseMoglichkeiten kurz darstellen; wir werden sehen, dass insbesondere im finanzwirtschaftlichenKalkul diese Zugange eher fragwurdig sind. Es sind bis heute drei Spezialfalle bekannt, indenen diese Vereinbarkeit gelingt.

1.Fall: quadratischer Nutzen Markowitz, der Begrunder des µ-σ–Modells, bemerkte bereits,dass unter der Annahme einer quadratischen Nutzenfunktion die Vereinbarkeit beiderModelle gelingt. Es gilt namlich mit geeigneten reellen Konstanten a, b (a > 0) und derNutzenfunktion

u(t) := −at2 + bt (2.13)

der Zusammenhang

E [u(X)] = E [−aX2 + bX]

= −aVar [X]− aE [X]2 + bE [X] =: V (E [X],Var [X]). (2.14)

Ein Entscheidungstrager, der seine Erwartungsnutzenfunktion maximiert, verhalt sichgleichzeitig wie ein Investor, der den Forderungen des µ-σ–Modells gehorcht.

Allerdings hat der Zugang (2.14) eine Reihe schwerwiegender Nachteile. Zum erstenist die Nutzenfunktion nicht monoton im Erwartungswert. Zeichnet man diese Nutzen-funktion fur genugend große Werte E [X] (genauer fur E [X] > b

2a), dann sinkt derNutzen mit steigendem Erwartungswert. Dieses Ergebnis ist naturlich sehr unplausi-bel. Es wurde bedeuten, dass ein Entscheidungstrager unter Umstanden ein Portfolioablehnt, weil es zu hohe erwartete Zahlungen verspricht!

Weiter zeigt sich eine Schwierigkeit dieses Zuganges, auf die Arrow (1971) verwiesen hat.Arrow zeigte, dass ein Entscheidungstrager mit quadratischer Nutzenfunktion immerwachsende absolute Risikoaversion aufweist. Das konnen wir sehr einfach nachrechnen:

ARA(t) = −u′′(t)u′(t)

= − −2a

−2at + b=

1b2a − t

.

Zeichnet man diese Funktion, so ergibt sich eine Darstellung wie in Abbildung 2.4 an-gedeutet. Wir erkennen, dass (mit Ausnahme der Polstelle) die absolute Risikoaversionimmer wachsend ist. Dies bedeutet aber, dass ein solcher Entscheidungstrager bei hoher-em Vermogen immer eine sinkende Nachfrage nach riskanten Titel aufweist. Ein solchesVerhalten ist ebenfalls sehr unplausibel.

Zusammenfassend bleibt zu sagen, dass eine bestimmte quadratische Nutzenfunktionzwar zum µ-σ Modell fuhrt, dieser Weg aber mit schwerwiegenden Nachteilen behaftetist.

2.Fall: normalverteilte Ruckflusse Eine zweite Moglichkeit, den Erwartungsnutzen und denµ-σ Kalkul miteinander zu vereinen, besteht durch die Annahme eines Kontinuumsan zukunftigen Umweltsituationen. Weiter wird vorausgesetzt, dass die Nutzenfunktion

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2.2 µ-σ–Theorie S. 44

b2a

-

6

ARA(t)

t...............................................................................................................

..............................................................................................

...........................................

..................................................................................................................

.....................................................................................................................................................

..................................................

.......................................................................................................................

.......................

Abbildung 2.4: ARA fur quadratische Nutzenfunktionen

u(t) analytisch ist (sich also fur alle t ∈ R in eine Taylor–Reihe entwickeln lasst) unddass sie strikt monoton und strikt konkav ist. Die Basistitel seien multivariat normal-verteilt.22 Dann lasst sich beweisen, dass ein Entscheidungstrager, der sich gemaß demErwartungsnutzen verhalt, ebenfalls den Anforderungen des µ-σ–Modells genugt.Beweis: Zum Beweis der Vereinbarkeit von Erwartungsnutzen und µ-σ Kalkul entwickeln wirdie Nutzenfunktion u(t) an der Stelle E [X] und erhalten

u(t) = u(E [X]) +∞∑

k=1

u(k)(E [X])(t− E [X])k

k!. (2.15)

Setzen wir nun fur t die Realisationen der Zielgroße X(ωs) ein und bilden den Erwartungswert,dann erhalten wir

E [u(X)] = u(E [X]) +∞∑

k=1

u(k)

k!E [(X − E [X])k]. (2.16)

Nun waren die Basistitel normalverteilt, mithin sind es auch die Portfolios aus den Basistiteln.23

Die zentralen Momente einer Normalverteilung aber konnen berechnet werden, es gilt

E [(X − E [X])k] =

{0 wenn k ungerade,1 · 3 · 5 · · · (k − 1) ·Var [X]k−1 wenn k gerade.

(2.17)

Setzt man dieses Ergebnis in die Gleichung (2.16) ein, dann erkennt man, dass der Entschei-dungstrager eine Funktion maximiert, deren Zielgroße in der Tat nur von Erwartungswert undVarianz des Portfolios abhangig ist:24

E [u(X)] = u(E [X]) +∞∑

k=1

u(2k)(E [X])1 · 3 · · · (2k − 1) ·Var [X]2k−1

(2k)!

=: V (E [X],Var [X]).

22Zur Definition siehe zum Beispiel Bronstein, Semendjajew, Musiol & Muhlig (1993), S. 203.23Dies folgt aus der Annahme der linearen Unabhangigkeit der Basistitel. Die Summe von normalverteilten

Zufallsvariablen und das Produkt mit reellen Zahlen sind wieder normalverteilt, siehe Bronstein et al.(1993), S. 712.

24Dabei bezeichne u(2k) die 2k–te Ableitung der Funktion u.

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2.2 µ-σ–Theorie S. 45

Man kann nun zeigen, dass die Zielgrosse E [u(X)] strikt monoton wachsend im Erwartungswertund strikt monoton fallend in der Varianz des Portfolios ist. Wir verzichten hier auf einen Beweis.

Die Annahme der Normalverteilung impliziert, dass die Basistitel mit nichtverschwin-dender Wahrscheinlichkeit beliebig hohe negative Ruckflusse aufweisen. Eine ganze Rei-he von Wertpapieren (zum Beispiel Aktien) aber, die durchaus als Anwendungsbeispielfur Basistitel in Frage kommen, konnen keine negativen Ruckflusse erzielen. Wir sindder Auffassung, dass durch diese Implikationen keine ausreichende Realitatsnahe desZuganges mehr gegeben ist.

3.Fall: lineare Risikoklassen Eine dritte Moglichkeit, beide Modelle miteinander zu vereinen,geht auf Meyer (1987) und Schneeweiß (1967) sowie (in Unkenntnis dieser Arbeiten) aufLajeri & Nielsen (1994) zuruck.25

Beim Ansatz der linearen Risikoklassen folgt man den bisher vorgestellten Annahmen.Im Gegensatz dazu wird aber unterstellt, dass es nur einen riskanten Basistitel Y2 (undnicht mehrere linear unabhangige) gibt. Dieser Titel habe einen Erwartungswert E [Y2] =0 und eine Varianz Var [Y2] = 1. Des weiteren existiere wieder ein risikoloses Asset Y1

mit einem Erwartungswert von 1. Die Strategien des Entscheidungstragers sind wiederPortfolios aus den beiden Wertpapieren, haben also die Ruckflusse

X = X1Y1 + X2Y

2. (2.18)

Der Erwartungsnutzen dieser Ruckflusse ergibt sich aus

E [u(X)] = E [u(X1 · Y 1 + X2 · Y 2)]. (2.19)

Andererseits kann man den Erwartungswert und die Varianz der vom Entscheidungs-trager zu bildenden Portfolios direkt bilden:

E [X] = X1, Var [X] = X22 .

Beide Gleichungen konnen leicht nach den Koeffizienten X1 und X2 aufgelost werden.Setzen wir dies in die Darstellung (2.19) ein, so erhalten wir die folgende Darstellungdes Erwartungsnutzens eines Portfolios X:26

E [u(X)] = E[u(E [X] · Y 1 +

√Var [X] · Y 2

)]=: V (E [X],Var [X]). (2.20)

Die letzte Gleichung besagt gerade, dass der Erwartungsnutzen eines Portfolios X nurvom Erwartungswert E [X] und der Varianz Var [X] dieses Portfolios abhangig ist. Alle

25Tobin außerte 1958 die Behauptung, das von Markowitz formulierte µ-σ–Modell lasse sich fur alle diejeni-gen Verteilungen aus dem Erwartungsnutzen ableiten, die zweiparametrig seien. Diese Behauptung erwiessich als fehlerhaft, wie zuerst von Schneeweiß (1967) und Samuelson (1967) erkannt wurde. Schneeweißwar der erste, der explizit zwischen den hier zu behandelnden linearen Risikoklassen und anderen Zwei–Parameterklassen unterschied. Nur fur die linearen Risikoklassen ließ sich die Vereinbarkeit beider Modellebeweisen.

26Das risikolose Asset zahle gerade eine Geldeinheit und kann daher beim Faktor E [X] weggelassen werden.

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2.2 µ-σ–Theorie S. 46

anderen Variablen sind konstant, da sie sich aus den Basistiteln Y 1, Y 2 ergeben. Auchdieser Zugang fuhrt zum µ-σ–Modell.

So elegant dieser Weg ist, er hat folgenden Nachteil. Betrachten wir als Anwendungs-fall die Nutzenfunktion ln(t). Angenommen, es gebe in der Zukunft nur zwei Zustandeund der Einfachheit halber mogen beide mit gleicher Wahrscheinlichkeit auftreten. Esgebe weiter nur einen riskanten Basistitel Y 2. Dieser Basistitel Y 2 habe in den beidenZustanden die Realisationen ±1. Man errechnet sofort einen Erwartungswert des Ruck-flusses von E [Y 2] = 0 und eine Varianz Var [Y 2] = 1. Jetzt wollen wir Portfolios ausdem risikolosen Titel sowie dem riskanten Basistitel bilden. Dies ist naturlich immermoglich, aber es gelingt uns nur in bestimmten Fallen, einen Erwartungsnutzen furdiese Portfolios zu errechnen. Beim Erwartungsnutzen mussen ja die Nutzenwerte derZustande mit den Wahrscheinlichkeiten gewichtet werden, die einzelnen Summandensind dann zu addieren. Betrachten wir aber den Zustand, in dem Y 2 gerade den Wert-1 annimmt, der Einfachheit halber moge dies der erste Zustand sein. Wenn wir jeweilseinen Basistitel Y 2 und ein risikoloses Asset Y 1 halten, bekommen wir in der Zukunfteine Zahlung in Hohe von null

Y 11 + Y 2

1 = 1 + (−1) = 0.

Wir hatten nun den Nutzenwert dieser Zahlung zu ermitteln: aber ln(0) ist nicht defi-niert! Es ist schlichtweg nicht moglich, den Erwartungsnutzen des Portfolios Y 1 + Y 2

zu bestimmen, weil in einem Zustand der Wert der Nutzenfunktion undefiniert ist. EinZugang zum µ-σ–Kalkul, bei dem wir einige Portfolios ausblenden mussen, kann unsaber nicht uberzeugen.

Fassen wir die vorangegangenen Uberlegungen zusammen. Es ist uns nicht gelungen, das µ-σ–Modell dem Erwartungsnutzen unterzuordnen. Vielmehr haben alle diesbezuglichen Versucheschwerwiegende Nachteile. Wir vertreten daher die Ansicht, dass es sich beim Erwartungsnut-zen und dem µ-σ–Modell um zwei verschiedene Arten der Modellierung von Risiko handelt.Diese Sichtweise hat setzt sich erst sehr zogerlich in der Finanzierung durch.27

2.2.3 Die Axiome

Wir haben vergeblich versucht, den µ-σ–Kalkul auf dem Erwartungsnutzen zu begrunden. Des-halb werden wir jetzt einen anderen Weg gehen und Axiome angeben, die auf µ-σ–Funktionenfuhren.

Wir definieren zwei Begriffe, die auf Duffie (1988) zuruckgehen:

Definition 2.6 Die Praferenz � heißt strikt varianzavers genau dann, wenn gilt

∀X, Z 6= 0 Cov (X, Z) = E (Z) = 0 =⇒ X � X + Z,

27Einige Arbeiten, die unsere Sicht teilen, sind zum Beispiel: “A mean–variance framework is justified if theclass of distributions is suitably restricted; for example, if they are all normal. The capital asset pricingmodel is also justified in a continuous time model where uncertainty is generated by diffusion processes. Butmore generally the specification of mean–variance utility functions is an ad hoc functional form specificationthat is adopted for reasons of tractability” Epstein (1985), S. 945 oder “In the present paper, mean–variancebehavior is treated not as a special case of expected utility maximization but as an alternative, normaldistributions being a special case of both” Lajeri & Nielsen (1994), S. 4.

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2.2 µ-σ–Theorie S. 47

Die Praferenz � heißt strikt monoton im risikolosen Titel Y 1 genau dann, wenn gilt

∀t > 0, X X + t · Y 1 � X.

Versuchen wir zuerst, den okonomischen Gehalt beider Begriffe zu verstehen. Monotonie ver-langt, dass bei Addition des risikolosen Portfolios der Nutzen eines Investors wachst. Alsounterstellt die zweite Bedingung, dass der Entscheidungstrager keine Sattigung im risikolo-sen Titel aufweist. Etwas komplizierter scheint die Interpretation der ersten Bedingung. DasPortfolio Z in der Definition 2.6 kann als ein reiner Storterm von X aufgefasst werden. DennZ besitzt verschwindenden Erwartungswert und erhoht wegen

Var [X + Z] = Var [X] + Var [Z] + 2Cov (X, Z)︸ ︷︷ ︸=0

> Var [X]

nur die Varianz des Portfolios. Also verlangt die Varianzaversion, dass ein Investor die Ad-dition reiner Storterme zu seinem Portfolio ablehnt. Die Nutzenfunktion des Investors wirdnun durch den folgenden Satz charakterisiert.28

Satz 2.13 Es gebe mindestens zwei riskante und unkorrelierte Wertpapiere. Es sei einePraferenzrelation � gegeben. Eine Praferenz erfullt die strikte Varianzaversion und strikteMonotonie im risikolosen Wertpapier genau dann, wenn es eine reprasentierende Nutzen-funktion U(X) gibt, die nur von Mittelwert und Standardabweichung des Portfolios abhangt:

U(X) = V (E [X],Var [X]),

wobei V in der ersten Variablen strikt monoton wachsend und in der zweiten Variablen striktmonoton fallend ist.

Sind die Annahmen an die Praferenzen erfullt, dann maximiert der Investor eine Nutzenfunk-tion, welche nur vom Erwartungswert und der Varianz einer Zufallsvariable abhangt.

Man kann die µ-σ–Nutzenfunktionen sehr anschaulich in einem µ-Var –Diagramm darstellen,bei dem jeder Punkt des Diagramms ein Porfolio darstellt mit einer bestimmten Kombina-tion aus einem Wert der Varianz und einem Erwartungswert. Wie sehen in einem solchenDiagramm die Indifferenzkurven einer µ-σ–Nutzenfunktion aus? Dazu sucht man diejenigenPunkte in dem Diagramm, bei denen sich der Wert der Nutzenfunktion nicht verandert:

V (µ, σ2) = C.

Eine Indifferenzkurve ist dann durch einen funktionalen Zusammenhang µ(σ2) gegeben. Vor-ausgesetzt die Nutzenfuktion ist ausreichend differenzierbar, dann ergibt sich fur die Steigungder Indifferenzkurve ein positiver Wert. Dies sieht man wie folgt: ableiten von

V (µ(σ2), σ2) = C

ergibt

dV

dσ2=

∂V

∂µ

∂µ

∂σ2+

∂V

∂σ2= 0.

28Zum Beweis siehe Loffler (1996).

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2.2 µ-σ–Theorie S. 48

Durch umstellen sieht man, dass

∂µ

∂σ2= −

∂V∂σ2

∂V∂µ

> 0

da ∂V∂µ > 0 und ∂V

∂σ2 < 0. Wenn wir nun zusatzlich fordern, dass die Nutzenfunktion des

Investors quasikonkav ist, dann kann man sogar zeigen, dass ∂2µ∂(σ2)2

> 0 ist, und also dassdie Indifferenzkurven immer starker steigende Kurven sind wie in der folgenden Graphikdargestellt:

-

σ2

........................................................

........................................

........................................................................................................................................................

Abbildung 2.5: Indifferenzkurve einer µ–σ–Nutzenfunktion

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2.2 µ-σ–Theorie S. 49

2.2.4 Sattigung beim µ-σ–Kalkul

Damit haben wir nicht gerechnet: wir zeigen, dass mehr nicht unbedingt besser ist, wenn derInvestor eine µ-σ–Nutzenfunktion besitzt.

Wir wollen in diesem Abschnitt auf eine Eigenschaft der µ-σ–Nutzenfunktionen hinweisen,die erst in der neueren Literatur bemerkt wurde.29 Dazu betrachten wir einen Investor, dereine Erwartungsnutzenfunktion besitze. Diesem Investor werde ein Portfolio angeboten, dasin jedem Zustand entweder null oder einen (moglicherweise kleinen) positiven Betrag aus-zahle. Wir konnen diese Situation auch dadurch beschreiben, dass dem Investor eventuelletwas geschenkt werde. Es ist fur uns selbstverstandlich, dass jeder Investor dieses Geschenkannehmen wird. Fur den mathematischen Kalkul des Erwartungsnutzens kann diese Eigen-schaft auch bewiesen werden, worauf wir aber hier verzichten wollen. Beim µ-σ–Kalkul istdies anders.

Bevor wir in die Details einsteigen, schauen wir uns die Motivation aus einem anderen Blick-winkel an. Dazu gehen wir zuruck zur Definition der strikten Monotonie im risikolosen Asset.Unser Vorgehen in diesem Abschnitt kann als Versuch gewertet werden, diese strikte Mono-tonie auf den Fall zu verallgemeinern, bei dem einem Investor nur ein Portfolio mit einernichtnegativen Auszahlung offeriert wird. Sei Z ein solches Portfolio, also es gelte Z ≥ 0. Giltfur eine Praferenz, die von einer µ-σ–Nutzenfunktion reprasentiert wird, dann immer

X ≺ X + Z?

Wir werden jetzt ein Beispiel konstruieren, bei dem diese elementare Eigenschaft verletzt ist.Bevor wir in die Mathematik einsteigen, soll aber die Intuition des Resultates vorweggenom-men werden. Wenn man zu einem beliebigen Portfolio X ein Z ≥ 0 hinzufugt, so erhoht dassicherlich den Erwartungswert und wird damit vom Investor gern gesehen. Leider aber bestehtdie Moglichkeit, dass ebenso die Varianz steigt. Wenn nun die Varianz starker als der Erwar-tungswert wachst (und dies hangt sowohl von Z als auch von der Nutzenfunktion ab), dannsinkt der Nutzen und der Investor lehnt dieses Portfolio ab. Diese Eigenschaft ist offensichtlichunerwunscht, aber dennoch Ergebnis einer gedankenlosen Anwendung der µ-σ–Theorie.

Es gebe zwei zukunftige Zustande der Welt, die beide gleich wahrscheinlich seien. Der Investorhabe zuerst nichts, X = 0. Seine Nutzenfunktion sei

V (E [X],Var [X]) = E [X]−Var [X].

Nun offerieren wir dem Investor ein Portfolio, bei dem im Zustand eins eine Zahlung von2t Geldeinheiten erfolgt, wahrend im Zustand zwei nichts gezahlt wird. Intuitiv wurden wirerwarten, dass der Investor dieses Portfolio besser als X findet. Doch rechnen wir besser nach:

V (E [X + Z],Var [X + Z]) = E [X + Z]−Var [X + Z]= E [Z]−Var [Z]

= t− t2.

Fur Werte von t aus dem Intervall [0, 1] steigt der Wert der Nutzenfunktion in der Tat uberV (E [X],Var [X]) = 0 und daher gilt auch X ≺ X + Z. Wenn jedoch t den Wert von einsubersteigt, steigt die Varianz zu stark an und es gilt

V (E [X],Var [X]) > V (E [X + Z],Var [X + Z]) =⇒ X � X + Z.

29Beispielsweise Nielsen (1987).

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2.2 µ-σ–Theorie S. 50

Wenn wir dem Investor “zuviel” schenken, lehnt er dieses Geschenk wegen der zu hohenVarianz ab! Eine solche Eigenschaft wird auch als Sattigung bezeichnet und stellt eine derunangenehmen Begleiterscheinungen der µ-σ–Theorie dar.

2.2.5 Tobin–Separation (und Portfoliotheorie)

Wir zeigen eine wichtige Eigenschaft der µ-σ–Praferenzen: das optimale Portfolio setzt sichaus dem risikolosen Asset und einem vom Investor unabhangigen Portfolio zusammen.

Wir betrachten nun einen Investor, der eine µ-σ–Nutzenfunktion besitzt und sein Vermogenw maximieren mochte. Dieser Investor lost das folgende Problem

max V (E [X],Var [X]), s.t. p(X) ≤ w.

Zuerst konnen wir folgendes feststellen. Wir haben bisher immer angenommen, dass ein risi-koloser Titel Y 1 gehandelt wird. Wenn der Investor sein Budget nicht ausschopfen sollte (alsowenn p(X) < w gilt), dann kann der Investor von dem verbleibenden Restbetrag risikoloseAssets kaufen. Dieser Kauf wird den Erwartungswert erhohen, aber die Varianz unverandertlassen. Das heißt aber nichts anderes, als das der Gesamtnutzen steigt. Damit konnen wirschlussfolgern, dass wir genauso gut das Maximierungsproblem losen konnen, bei dem dasBudget ausgeschopft wird

max V (E [X],Var [X]), s.t. p(X) = w.

Um diese Maximierungsaufgabe zu bewaltigen, bestehen nun mehrere Moglichkeiten. Wirwerden hier den klassischen Weg verfolgen und den Lagrangeansatz verwenden. Dazu bildenwir die Lagrangefunktion in der Variable X und erhalten

L = V (E [X],Var [X])− λ(p(X)− w).

Diese Funktion muss nun nach X abgeleitet werden und da X ein Vektor ist, scheint dieseAufgabe auf den ersten Blick nicht gerade einfach. Bevor wir mit der Rechnung fortfahrenkonnen, mussen wir uns weiter eines Resultates bedienen, dass aus der Arbitragefreiheit desMarktes stammt. Dieses Ergebnis wird in einer anderen Veranstaltung prazise hergeleitet, wirwerden es hier nur veranschaulichen.

Wir wissen, dass X die Zusammenstellung eines Portfolios des Investors beschreibt. Wir setzennun voraus, dass der Preis dieses Portfolios sich aus der Summe der Einzelteile zusammen-setzt30, genauer nehmen wir an, dass folgender Zusammenhang gilt

p(X) =S∑

s=1

Xs · p(Y s).

Setzen wir dies in unsere Lagrangefunktion ein und berucksichtigen die Art und Weise, in derErwartungswerte und Varianzen ermittelt werden, so erhalten wir

L = V( S∑

s=1

XsE [Y s]︸ ︷︷ ︸=E [X]

,

S∑s=1

S∑r=1

XsXrCov [Y s, Y r]︸ ︷︷ ︸=Var [X]

)− λ

(S∑

s=1

Xsp(Y s)− w

)

30Dieses Ergebnis heißt Wertaddivitatstheorem und wird in der Veranstaltung zur Kapitalmarkttheorie be-handelt.

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2.2 µ-σ–Theorie S. 51

und diese Formulierung hat den Vorteil, dass wir nun Ableitungen nach den Zahlen Xs bildenkonnen. Vorher berucksichtigen wir, dass der risikolose Titel zwar zu einem hoheren Erwar-tungswert beitragt, aber keine Wirkungen auf die Varianz besitzt. Mithin verkurzt sich dieletzte Maximierungsaufgabe zu

L = V( S∑

s=1

XsE [Y s],S∑

s=2

S∑r=2

XsXrCov [Y s, Y r])− λ

(S∑

s=1

Xsp(Y s)− w

)(2.21)

Leiten wir diese Gleichung zuerst nach der ersten Variable X1, also der nachgefragten Mengean risikolosen Titeln ab, dann ergibt sich31

0 =∂L∂X1

= Vµ(E [X],Var [X]) ·d∑S

s=1 XsE [Y s]dX1

− λp(Y 1)

= Vµ(E [X],Var [X]) · E [Y 1]− λp(Y 1)

was auf den folgenden Ausdruck fur den Parameter λ fuhrt

λ = Vµ(E [X],Var [X]) · E [Y 1]p(Y 1)︸ ︷︷ ︸=1+rf

. (2.22)

Die Ableitungen nach der s–ten Variable (fur s > 1) ergeben dagegen32

0 =∂L∂Xs

=∂V (E [X],Var [X])

∂Xs− λp(Y s)

= Vµ(E [X],Var [X]) ·∂∑S

s=1 XsE [Y s]∂Xs

+

+ Vσ2(E [X],Var [X]) ·∂∑S

s=2

∑Sr=2 XsXrCov [Y s, Y r]

∂Xs− λp(Y s)

= Vµ(E [X],Var [X]) E [Y s] + Vσ2(E [X],Var [X]) 2S∑

r=2

XrCov [Y s, Y r]− λp(Y s).

31Wir benutzen hier und im nachsten Schritt die Grundregel des totalen Differentials. Danach gilt fur einebeliebige Funktion f(x, y) immer

df(x, y)

dz= fx

dx

dz+ fy

dy

dz.

Fur die Ableitung von V nach der ersten Variablen schreiben wir Vµ, fur die Ableitung nach der zweitenVariablen Vσ2 .

32Der folgende Schritt enthalt eine Ableitung nach einer Doppelsumme, und das ist etwas ungewohnlich. Ineiner Aufgabe zeigen wir anhand eines Beispiels fur S = 3, dass die Ableitung in der Tat dem im Skriptgenannten Ausdruck entspricht.

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2.2 µ-σ–Theorie S. 52

Wir setzen die Gleichung (2.22) ein und erhalten

0 = Vµ(E [X],Var [X]) E [Y s] + Vσ2(E [X],Var [X]) 2S∑

r=2

XrCov [Y s, Y r]−

− (1 + rf )Vµ(E [X],Var [X]) · p(Y s)

0 = E [Y s]− (1 + rf )p(Y s) + 2Vσ2(E [X],Var [X])Vµ(E [X],Var [X])

S∑r=2

XrCov [Y s, Y r] (2.23)

Wir wollen diese Bedingung vorerst nicht weiter umformen. Da wir fur jedes s = 2, . . . , S eineAbleitung bilden konnen, haben wir es insgesamt mit S − 1 Gleichungen zu tun. Wir mussenuns klarmachen, dass sich diese Gleichungen in einer wesentlich kompakteren Form schreibenlassen. In allen Fallen gehen die Unbekannten X2, . . . , XS linear ein. Dies lasst vermuten,man konne die Gleichungen (2.23) als ein lineares Gleichungssystem formulieren. Und in derTat erkennt man bei genauerer Betrachtung, dass die S − 1 Gleichungen sich in folgenderMatrixschreibweise darstellen lassen (1 + rf )p(Y 2)− E [Y 2]

...(1 + rf )p(Y S)− E [Y S ]

= 2Vσ2(E [X],Var [X])Vµ(E [X],Var [X])

Cov [Y 2, Y 2] Cov [Y 2, Y S ]...

...Cov [Y S , Y 2] Cov [Y S , Y S ]

· X2

...XS

Die Unbekannten Parameter X2, . . . , XS stehen auf der rechten Seite und alle anderen Varia-blen sind bekannt. Die Gleichung lasst sich losen, wenn die Kovarianzmatrix invertierbar ist.Aber genau das hatten wir in der Einleitung vorausgesetzt (siehe Seite 42). Damit besitzt dasGleichungssystem eine eindeutige Losung

2Vσ2(E [X],Var [X])Vµ(E [X],Var [X])

X2...

XS

=

Cov [Y 2, Y 2] Cov [Y 2, Y S ]...

...Cov [Y S , Y 2] Cov [Y S , Y S ]

−1

·

(1 + rf )p(Y 2)− E [Y 2]...

(1 + rf )p(Y S)− E [Y S ]

Was konnen wir uber die Losung dieses Gleichungssystems aussagen? Es scheint keine generel-le Aussage moglich, da wir doch nichts genaueres uber die Nutzenfunktion V wissen. Dennocherlaubt ein genauerer Blick auf die letzte Gleichung folgenden Schluss. Wir erkennen, dassauf der rechten Seite ausschließlich Großen zu finden sind, die nicht von der Nutzenfunktionabhangig sind. Vielmehr stehen dort nur Großen, die von den Basistiteln bestimmt werden.Das bedeutet aber, dass die rechte Seite der Gleichung fur alle Investoren identisch ist, wennsie identische Erwartungen und identische Kovarianzmatrizen besitzen.

Die Nutzenfunktion weiter geht nur auf der linken Seite ein, und der Term Vσ2 (E [X],Var [X])

Vµ(E [X],Var [X]) isteine Zahl. Daher ist auch das relative Verhaltnis von Xs : Xr nicht von der Nutzenfunktionabhangig. Wir konnen unsere Erkenntnis in folgendem Satz zusammenfassen, der auf JamesTobin zuruckgeht.

Satz 2.14 (Tobin–Separation) Angenommen ein Investor maximiere eine µ-σ–Nutzen-funktion. Dann haben die riskanten Titel in seinem optimalen Portfolio ein Verhaltnis zu-einander, das nicht von der Nutzenfunktion und auch nicht von seinem Einkommen abhangt.Dieses Portfolio wird auch Preisportfolio genannt.

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2.2 µ-σ–Theorie S. 53

Wir konnten dieses Ergebnis wie folgt zusammenfassen. Jeder µ-σ–Investor wird, das wissenwir bereits ohne genauere Kenntnis seiner Nutzenfunktion und seines Vermogens, zwei Port-folios erwerben: den risikolosen Titel und ein riskantes Portfolio, dessen Zusammensetzungwir bereits ermitteln konnen. Um nun zu bestimmen, wieviel er von dem risikolosen Titel undwieviel von dem riskanten Portfolio erwirbt, mussen wir sowohl die Nutzenfunktion als auchdas Vermogen kennen.

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