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26 KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 14. JAHRGANG. Nr. I 5. JANUAR 1935 ENTSTEHUNG UND VERHUTUNG DER SILIKOSE*. Als wichtigstes, sch~idlich wirkendes Mineral gilt nach den Aus- ffihrungen des l~neralogen UDLUFT bisher der Quarz, der als feinster Staub an den verschiedensten Arbeitspl~itzen in die Lungen der Arbeiter gelangt. Doch sind daneben noch einige andere Mineralien als gef~hrdend bekannt, z. B. Asbest. Neue englische Untersuchurl- gen haben aber gezeigt, dab einem Glimmermineral, dem Sericif, die gr6Bte Wichtigkeit zuzukommen scheint. Von Bedeutung ist das Verhalten der Mineralien gegenfiber den Einflfissen der Ver- witterung. Die den Verwitterungseinflfissen gegentiber stabilen Mineralien werden auch dann, wenn sie in die Luftwege and Lungen geraten, stabil sein und k6nnen dann mechanisch sch~idigend wirken, w~hrend andere, nicht stabile entweder durch L6sung beseitigt werden oder chemisch sch~idigen k6nnen. Sericit ist eines der unter den gegebenen Verh~iltnissen stabilsten Mineralien und datum wegen seiuer Hiiufigkeit und Form mit besonderer Sorgfalt zu behandeln. Zu vergleichbaren Staubmessungen ist unbedingt die Aus- arbeitung ether stets gleichmkgig arbeitenden Standardapparatur erforderlich. Eine derartige hat J6TTEN, Mfinster, in Yersuchen mit SARTORIUS und H. P. GRUBE ausgearbeitet, die darauf beruht, dab mittels ether Luftstrahlpumpe yon stets gleichbleibender Gr6Be und Durchmesser, die mit PreBluft betrieben wird, immer die gleiche Menge Staubluft angesaugt wird, aus der einmal gravimetrisch dutch Fapierfllter der Staub aufgefangen und andererseits dutch Aufschleuderung auf Glasplattchen eine Ausz~hlung der einzelnen Staubteilchen erm6glicht wird. Hierbei l~Bt sich auch die Gr6Be der letzteren im Mikroskop mit Zatflnetz feststellen. Zu einer ge- naueren Gr6Benanteilbestimmung der einzelnen Staubteilchen wird die 14ohnsche Pipettanalyse empfohlen. Zur qualitativen Staubanalyse, die sich hauptsltchlich mit der Bestimmung der freien krystallimschen Kiesels~iure zu besch~iftigen hat, genfigt der einfache chemische Aufschlul3 mit Salzs~ure, vie er bisher meistens vorgenommen wurde, nicht, sondern daneben ist noch die Phasenanalyse mit den einzelnen Staub.Gewichtsfraktionen, die mikroskopische Untersuchung auf verschiedene Krystallformen und Doppelbrechung und schlieBlich die R6ntgenoskopie erforderlich. REICHMANN u n d SCI-IiJRMANN, Bochum, haben gemeinsam an Hand yon Untersuchungen der Gesteinshauer im Ruhrgebiet die Entwicklung der Silikose innerhalb der Jab_re 1929 _ I934 verfolgt. Die Verbreltung der Sihkose bei den noch t~tigen Gesteinshauern ist gering. Etwa 90 % batten keme Silikose, tier Rest fast nur leichte Ver~nderungen. Bis zur Entstehung einer leichten Silikose (l~6rner- stadium) k6nnen fiber 2o Arbeitsjahre vergehen. Die Entstehung der Silikose ist weitgehend unabh~ngig yore Lebensalter. Es ist aber nicht wahrscheinlich, dab bet genfigend langer Gesteinshauer- t~tigkeit die Bildung auch nut leichter silikotiseher Lungenver~nde- rungen ausbleibt, weshalb sich der dispositionelle Faktor bet den Gesteinshauern des Ruhrgebiets hauptsXchlich nur hinsichtlich des Entwicklungstempos der Silikose auswirken kann. An dem Material der Sektion II der Iinappschafts-Berufs- genossenschaft wurde yon REICHMANN auch die Weiterentwicklung der Silikose ins schwere Stadium verfolgt. Das Charakteristisehe ist, dab das veranderte Lungengewebe schrumpft und dadurch zu Ver- zerrungen und Verziehungen besonders der Brustorgane ffihrt. Aus rund 50o Fi~llen yon schwerer Silikose ergab sich im Durchschnitt eine Gestemsarbeitszeit yon i8 Jahren bis zum Beginn der schweren Silikose. Von etwa der gleichen Anzahl an schwerer Silikose Ver- storbenen waren 63,7% einer begleitenden Tuberkulose und 36,3% der Erlahmung des rechten Herzens erlegen. Unter den Gesteins- hauern, die durch ihre schwere Silikose nahezu v611ig, d. h. zu 9O--lOO% arbeitsunfkhig waren, starben sogar 7o% an Tuber- kulose. Unter den gleichen Arbeitsbedingungen kommt es bet manchen Arbeitern relativ frfih, bet anderen sehr sp~t oder gar mcht zum Auftreten silikotiseher Erscheinungen. Ats eine der Ur- sachen hierffir land LEHMANN, Dortmund, die Beschaffenheit bzw. die Funktion der oberen Luftwege als Staubfilter. Aus speziellen Untersuchungen fiber die Filtelwcirkung der Nase ergab sich, dal3 besonders gut filternde Nasen 60 und mehr Prozent des Staubes abfangen k6nnen, w~hrend durch andere fast der gauze Staub hin- durchgeht. Dazwischen bestehen alle ?Jbergiinge. Das Staub- bindungsverm6gen ist far jeden einzelnen eine verh~ltnism~lgig konstante Gr6Be, so dab es m6glieh schein%, durcli entsprechende Messungen Zahlen zu gewinnen, die fflr die einzelnen Individuen charakteristisch sind. Um zu prfifen, ob das auf diese Vqeise be- stimmte Staubbindungsverm6gen der Nase eine IBedeutung ffir die Entstehung der Lungensilikose hat, wurden an mehreren hundert Bergleuten ulid an anderen silikosegefiihrdeten Arbeitern Unter- * Nach einem Bericht tiber die yon der DeutschenGesellsehaftfur Gewerbehygiene veranstaltete Tagung (Boehum, 8. bis io. November x934). suchungen durchgeffihrt. In den h6chsten Altersklassen, d. h. bei Bergleuten, die mehr als i6 Jahre vor Stein gearbeitet batten, wlesen die Gesundgebliebenen mit ganz wenigen Ausnahmen ein aus- gesprochen gutes Staubbindungsverm6gen auf, wlihrend die Mehr- zahl der an Silikose Erkrankten schlecht filternde Nasen batten. In den jfingeren Altersklassen f~illt auf, dab alle frfihzeitig Er- krankten sich durch ein schlechtes Staubbindungsverm6gen der Nase auszeichnen. Mundatmer erkranken in der Regel, da sie yon der Filterwirkung ihrer Nase keinen Gebrauch machen. Die Erfahrungen yon DI I3IASI fiber die Beziehungen zwischen Silikose und Tuberkulose zeigen, dab es eine unter Umst~nden bis zu den schwersten Ver~nderungen fortschreitende reine Silikose gibt, die nichts mit einer Tuberkulose zu tun hat. Dieser Ansicht haben sich in den letzten Jahren framer mehr Forscher angesehlossen. Neben einer Silikose finder sich aber h~ufig eine Tuberkulose; bet den schweren F~illen der Silikose in etwa 65%. Silikotische und tuberkul6se Ver~nderungen k6nnen in der Lunge getrennt neben- einander bestehen oder sich eng miteinander verbmden in Form der Tuberkulo-Silikose bzw. Siliko-Tuberkulose. Derartige Misch- formen entwlckeln sich in einem Tell der F~lle dann, wenn in einer uberall schon Steinstaub enthaltenden Lunge tuberkul6se Ver- knderungen auftreten. Die Tuberkulo-Silikose stellt ein besonderes Krankheitsbild dar. Gew6hnlich ffihrt der Zerfall tuberknlo- silikotischer Ver~inderungen zutetzs zu einer frischen zum Tode ffihrenden Tuberkulose. Auf die Zahl der Tuberkuloseerkrankungen in dlesen Berufen sind neben der Steinstaubeinatmung, wie B6HNE, Bochum, hervor- hebt, noch andere Umstltnde yon Bedeutung. Gfinstige wirtschaft- liche Lage und gesundheitsgem~iBe Lebensweise z. B. l~Bt die Zahl der Tuberkuloseerkrankungen sinken; kommt die Tuberkulose in der Gesamtbev61kerung eines Industriebezirkes nur selten vor, so bleiben auch die staubgeflihrdeten Industriearbeiter mehr davon verschont. Der Zeitpunkt, in der eine Tuberkulose zur Silikose hinzutritt, l~il3t sich mitunter durch R6ntgenuntersuchung er- kennen. Der Verlauf der Tuberkulose in der silikotischen Lunge ist meist ein anderer als in einer bis dahin gesunden Lunge. Tuber- kulose und Steinstaub zusammen bewdrken oft in der erkrankten Lunge die ]Entstehung grol3er Verdichtungsherde, sog. tuberkulo- silikotischer Schwielen, die zun&chst bet ihren Trligern nicht die sonst fflr Tuberkulose kennzeichnenden Krankheitserscheinungen hervorrufen, sondern verborgen verlaufen, sich aber allmahHch wetter ausdehnen, schlieBlich zerfallen und yon diesem Augenblick an der Ausbreitung der Tuberkulose in der Lunge freien Spielranm lassen. Tuberkulose und Silikose sind in der erkrankten Lunge oft so eug miteinander verbunden, dag eine scharfe rgumliche Trennung nicht moglich ist. Beide zusammen bilden vielfaeh eine Krankheits- emheit. I)er Endausgang der Verbindung einer Tuberkulose mit eiuer erheblichen Silikose ist fast framer ungflnstig. Ob die Tuber- kulose bet einem an Tuberkulose und Silikose erkraukten Arbeiter die Folge der Steinstaubatmung ist, l&Bt sich im EinzeKall oft nieht entscheiden. Dem Berlcht yon HARTMANN, Berlin, fiber ,#Die Verhi2tung yon Silikoseerkrankungen in der Porzetlanindus~ie", ist zu entnehmen: Die haupts~chlichsten Rohstoffe, aus denen Porzetlan hergestellt wird, sind Kaolin, Feldspat und Quarz. I)a die grobe Porzellan- masse Kiesels~ure enth~ilt und sich bet der Porzellanherstellung die Entstehung yon Staub nicht vermeiden laBt, ist ffir die in dieser Industrie BesehMtigten die M6glichkeit der Entstehung yon Silikose- erkrankungen gegeben. Die T6pferei-Berufsgenossenschaft hat in ihren am I. April 1934. in Kraft getretenen neuen Unfallverhfitungs- vorschriften besondere Vorschriften zur Verhfitung yon Silikose- erkrankungen in Porzellanbetrieben erlassen. Die beste u maBuahme ist ein m6glichst weitgehendes Feuchtarbeiten; wo dies nicht m6glich ist, mfissen Vorrichtungen zur Abffihrung des gesund- heitssch~dliehen Staubes getroffen werden. Solehe Arbeiteu, bet denen sieh die Entwicklung yon Staub nicht oder nicht immer ver- meiden laBt, stud insbesondere das Mablen der Rohstoffe, das Ver- putzen und Abstauben der Rohware, das Glasurputzen und unter Umst~nden das Schleifen. Weitere wesentliche Verhfitungs- maBnahmen sind eine st~iudige Reinhaltung und m6glichst h~.uflge S~iuberung der Betriebe. In einigen Fallen ist auch das Tragen yon Atemschutzger~ten erforderlich. Durch recht h~iufige Betriebs- flberwachuug verbunden mit Belehrung am Arbeitsplatz muB er- reicht werden, dab die Auffassung Allgemeingut wird, dab Stanb und Unsauberkeit mit ihren Folgen nieht Sehicksal, sondern Nach- l~ssigkeit stud. Auch nach der Auffassung yon LXMM]~RT, Berlin, steht man bezfiglich der Staublungenerkrankungen auf dem Gebiete der Medizin, so auch auf dem Gebiete der Techuik der Krankheits- verhfitung ether Reihe yon ungel6sten Problemen gegenflber. Die

Entstehung und Verhütung der Silikose

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Page 1: Entstehung und Verhütung der Silikose

26 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 14. J A H R G A N G . Nr . I 5. JANUAR 1935

ENTSTEHUNG UND VERHUTUNG DER SILIKOSE*.

Als wichtigstes, sch~idlich wirkendes Mineral gilt nach den Aus- ffihrungen des l~neralogen UDLUFT bisher der Quarz, der als feinster Staub an den verschiedensten Arbeitspl~itzen in die Lungen der Arbeiter gelangt. Doch sind daneben noch einige andere Mineralien als gef~hrdend bekannt, z. B. Asbest. Neue englische Untersuchurl- gen haben aber gezeigt, dab einem Glimmermineral, dem Sericif, die gr6Bte Wichtigkeit zuzukommen scheint. Von Bedeutung ist das Verhalten der Mineralien gegenfiber den Einflfissen der Ver- witterung. Die den Verwitterungseinflfissen gegentiber stabilen Mineralien werden auch dann, wenn sie in die Luftwege and Lungen geraten, stabil sein und k6nnen dann mechanisch sch~idigend wirken, w~hrend andere, nicht stabile entweder durch L6sung beseitigt werden oder chemisch sch~idigen k6nnen. Sericit ist eines der unter den gegebenen Verh~iltnissen stabilsten Mineralien und datum wegen seiuer Hiiufigkeit und Form mit besonderer Sorgfalt zu behandeln.

Zu vergleichbaren Staubmessungen ist unbedingt die Aus- arbeitung ether stets gleichmkgig arbeitenden Standardapparatur erforderlich. Eine derartige hat J6TTEN, Mfinster, in Yersuchen mit SARTORIUS und H. P. GRUBE ausgearbeitet, die darauf beruht, dab mittels ether Luftstrahlpumpe yon stets gleichbleibender Gr6Be und Durchmesser, die mit PreBluft betrieben wird, immer die gleiche Menge Staubluft angesaugt wird, aus der einmal gravimetrisch dutch Fapierfllter der Staub aufgefangen und andererseits dutch Aufschleuderung auf Glasplattchen eine Ausz~hlung der einzelnen Staubteilchen erm6glicht wird. Hierbei l~Bt sich auch die Gr6Be der letzteren im Mikroskop mit Zatflnetz feststellen. Zu einer ge- naueren Gr6Benanteilbestimmung der einzelnen Staubteilchen wird die 14ohnsche Pipettanalyse empfohlen.

Zur qualitativen Staubanalyse, die sich hauptsltchlich mit der Bestimmung der freien krystallimschen Kiesels~iure zu besch~iftigen hat, genfigt der einfache chemische Aufschlul3 mit Salzs~ure, v ie er bisher meistens vorgenommen wurde, nicht, sondern daneben ist noch die Phasenanalyse mit den einzelnen Staub.Gewichtsfraktionen, die mikroskopische Untersuchung auf verschiedene Krystallformen und Doppelbrechung und schlieBlich die R6ntgenoskopie erforderlich.

REICHMANN und SCI-IiJRMANN, Bochum, haben gemeinsam an Hand yon Untersuchungen der Gesteinshauer im Ruhrgebiet die Entwicklung der Silikose innerhalb der Jab_re 1929 _ I934 verfolgt. Die Verbreltung der Sihkose bei den noch t~tigen Gesteinshauern ist gering. Etwa 90 % bat ten keme Silikose, tier Rest fast nur leichte Ver~nderungen. Bis zur Entstehung einer leichten Silikose (l~6rner- stadium) k6nnen fiber 2o Arbeitsjahre vergehen. Die Ents tehung der Silikose ist weitgehend unabh~ngig yore Lebensalter. Es ist aber nicht wahrscheinlich, dab bet genfigend langer Gesteinshauer- t~tigkeit die Bildung auch nut leichter silikotiseher Lungenver~nde- rungen ausbleibt, weshalb sich der dispositionelle Faktor bet den Gesteinshauern des Ruhrgebiets hauptsXchlich nur hinsichtlich des Entwicklungstempos der Silikose auswirken kann.

An dem Material der Sektion II der Iinappschafts-Berufs- genossenschaft wurde yon REICHMANN auch die Weiterentwicklung der Silikose ins schwere Stadium verfolgt. Das Charakteristisehe ist, dab das veranderte Lungengewebe schrumpft und dadurch zu Ver- zerrungen und Verziehungen besonders der Brustorgane ffihrt. Aus rund 50o Fi~llen yon schwerer Silikose ergab sich im Durchschnitt eine Gestemsarbeitszeit yon i8 Jahren bis zum Beginn der schweren Silikose. Von etwa der gleichen Anzahl an schwerer Silikose Ver- storbenen waren 63,7% einer begleitenden Tuberkulose und 36,3% der Erlahmung des rechten Herzens erlegen. Unter den Gesteins- hauern, die durch ihre schwere Silikose nahezu v611ig, d. h. zu 9O--lOO% arbeitsunfkhig waren, starben sogar 7o% an Tuber- kulose.

Unter den gleichen Arbeitsbedingungen kommt es bet manchen Arbeitern relativ frfih, bet anderen sehr sp~t oder gar mcht zum Auftreten silikotiseher Erscheinungen. Ats eine der Ur- sachen hierffir land LEHMANN, Dortmund, die Beschaffenheit bzw. die Funktion der oberen Luftwege als Staubfilter. Aus speziellen Untersuchungen fiber die Filtelwcirkung der Nase ergab sich, dal3 besonders gut filternde Nasen 60 und mehr Prozent des Staubes abfangen k6nnen, w~hrend durch andere fast der gauze Staub hin- durchgeht. Dazwischen bestehen alle ?Jbergiinge. Das Staub- bindungsverm6gen ist far jeden einzelnen eine verh~ltnism~lgig konstante Gr6Be, so dab es m6glieh schein%, durcli entsprechende Messungen Zahlen zu gewinnen, die fflr die einzelnen Individuen charakteristisch sind. Um zu prfifen, ob das auf diese Vqeise be- s t immte Staubbindungsverm6gen der Nase eine IBedeutung ffir die Entstehung der Lungensilikose hat, wurden an mehreren hundert Bergleuten ulid an anderen silikosegefiihrdeten Arbeitern Unter-

* Nach einem Bericht tiber die yon der Deutschen Gesellsehaft fur Gewerbehygiene veranstaltete Tagung (Boehum, 8. bis io. November x934).

suchungen durchgeffihrt. In den h6chsten Altersklassen, d. h. bei Bergleuten, die mehr als i6 Jahre vor Stein gearbeitet batten, wlesen die Gesundgebliebenen mit ganz wenigen Ausnahmen ein aus- gesprochen gutes Staubbindungsverm6gen auf, wlihrend die Mehr- zahl der an Silikose Erkrankten schlecht filternde Nasen batten. In den jfingeren Altersklassen f~illt auf, dab alle frfihzeitig Er- krankten sich durch ein schlechtes Staubbindungsverm6gen der Nase auszeichnen. Mundatmer erkranken in der Regel, da sie yon der Filterwirkung ihrer Nase keinen Gebrauch machen.

Die Erfahrungen yon DI I3IASI fiber die Beziehungen zwischen Silikose und Tuberkulose zeigen, dab es eine unter Umst~nden bis zu den schwersten Ver~nderungen fortschreitende reine Silikose gibt, die nichts mit einer Tuberkulose zu tun hat. Dieser Ansicht haben sich in den letzten Jahren framer mehr Forscher angesehlossen. Neben einer Silikose finder sich aber h~ufig eine Tuberkulose; bet den schweren F~illen der Silikose in etwa 65%. Silikotische und tuberkul6se Ver~nderungen k6nnen in der Lunge getrennt neben- einander bestehen oder sich eng miteinander verbmden in Form der Tuberkulo-Silikose bzw. Siliko-Tuberkulose. Derartige Misch- formen entwlckeln sich in einem Tell der F~lle dann, wenn in einer uberall schon Steinstaub enthaltenden Lunge tuberkul6se Ver- knderungen auftreten. Die Tuberkulo-Silikose stellt ein besonderes Krankheitsbild dar. Gew6hnlich ffihrt der Zerfall tuberknlo- silikotischer Ver~inderungen zutetzs zu einer frischen zum Tode ffihrenden Tuberkulose.

Auf die Zahl der Tuberkuloseerkrankungen in dlesen Berufen sind neben der Steinstaubeinatmung, wie B6HNE, Bochum, hervor- hebt, noch andere Umstltnde yon Bedeutung. Gfinstige wirtschaft- liche Lage und gesundheitsgem~iBe Lebensweise z. B. l~Bt die Zahl der Tuberkuloseerkrankungen sinken; kommt die Tuberkulose in der Gesamtbev61kerung eines Industriebezirkes nur selten vor, so bleiben auch die staubgeflihrdeten Industriearbeiter mehr davon verschont. Der Zeitpunkt, in der eine Tuberkulose zur Silikose hinzutritt , l~il3t sich mitunter durch R6ntgenuntersuchung er- kennen. Der Verlauf der Tuberkulose in der silikotischen Lunge ist meist ein anderer als in einer bis dahin gesunden Lunge. Tuber- kulose und Steinstaub zusammen bewdrken oft in der erkrankten Lunge die ]Entstehung grol3er Verdichtungsherde, sog. tuberkulo- silikotischer Schwielen, die zun&chst bet ihren Trligern nicht die sonst fflr Tuberkulose kennzeichnenden Krankheitserscheinungen hervorrufen, sondern verborgen verlaufen, sich aber allmahHch wetter ausdehnen, schlieBlich zerfallen und yon diesem Augenblick an der Ausbreitung der Tuberkulose in der Lunge freien Spielranm lassen. Tuberkulose und Silikose sind in der erkrankten Lunge oft so eug miteinander verbunden, dag eine scharfe rgumliche Trennung nicht moglich ist. Beide zusammen bilden vielfaeh eine Krankheits- emheit. I)er Endausgang der Verbindung einer Tuberkulose mit eiuer erheblichen Silikose ist fast framer ungflnstig. Ob die Tuber- kulose bet einem an Tuberkulose und Silikose erkraukten Arbeiter die Folge der Steinstaubatmung ist, l&Bt sich im EinzeKall oft nieht entscheiden.

Dem Berlcht yon HARTMANN, Berlin, fiber ,#Die Verhi2tung yon Silikoseerkrankungen in der Porzetlanindus~ie", ist zu entnehmen: Die haupts~chlichsten Rohstoffe, aus denen Porzetlan hergestellt wird, sind Kaolin, Feldspat und Quarz. I)a die grobe Porzellan- masse Kiesels~ure enth~ilt und sich bet der Porzellanherstellung die Entstehung yon Staub nicht vermeiden laBt, ist ffir die in dieser Industrie BesehMtigten die M6glichkeit der Ents tehung yon Silikose- erkrankungen gegeben. Die T6pferei-Berufsgenossenschaft hat in ihren am I. April 1934. in Kraft getretenen neuen Unfallverhfitungs- vorschriften besondere Vorschriften zur Verhfitung yon Silikose- erkrankungen in Porzellanbetrieben erlassen. Die beste u maBuahme ist ein m6glichst weitgehendes Feuchtarbeiten; wo dies nicht m6glich ist, mfissen Vorrichtungen zur Abffihrung des gesund- heitssch~dliehen Staubes getroffen werden. Solehe Arbeiteu, bet denen sieh die Entwicklung yon Staub nicht oder nicht immer ver- meiden laBt, stud insbesondere das Mablen der Rohstoffe, das Ver- putzen und Abstauben der Rohware, das Glasurputzen und unter Umst~nden das Schleifen. Weitere wesentliche Verhfitungs- maBnahmen sind eine st~iudige Reinhaltung und m6glichst h~.uflge S~iuberung der Betriebe. In einigen Fallen ist auch das Tragen yon Atemschutzger~ten erforderlich. Durch recht h~iufige Betriebs- flberwachuug verbunden mit Belehrung am Arbeitsplatz muB er- reicht werden, dab die Auffassung Allgemeingut wird, dab Stanb und Unsauberkeit mit ihren Folgen nieht Sehicksal, sondern Nach- l~ssigkeit stud.

Auch nach der Auffassung yon LXMM]~RT, Berlin, steht man bezfiglich der Staublungenerkrankungen auf dem Gebiete der Medizin, so auch auf dem Gebiete der Techuik der Krankheits- verhfitung ether Reihe yon ungel6sten Problemen gegenflber. Die

Page 2: Entstehung und Verhütung der Silikose

5. JANUAR x935 I<LINISCHE W O C H E N S C H

Staublungenerkrankung fordert iortlaufend in der Industrie der Steine und Erden zahlreiche Opfer. Die yon den ]Berufsgenossen- schaften dieser Industriezweige allj~hrlich aufzubringenden Ent- sch~digungen betragen zur Zeit etwa 1 Million Reichsmark. Zur Verhfitung der Erkrankungen sind d~e verschiedensten Wege be- schri t ten worden, t3ei der Gewinnung sncht man den Bohrstaub durch ~rasserspulung, Schaumbildung und dutch Masken yon den Atmungsorganen der Arbeiter abzuhalten. ]Bet den Zerkleinerungs- und Mahlanlagen sind Ummantelung stauberzeugender Maschinen, gute Belfiftung, Staubabsaugung und Berieselung die wichtigsten Hilfsmittel. Der Wind, die natfirliehe Luftbewegung, kann in weit- reichendem Mal3e ffir die Ents taubung dieser Anlagen nutzbar ge- macht werden. In Steinhauereien and Steinmetzereien geht man in der Hauptsache mit Arbeitsplatzges;taltung und mit Remhaltung gegen die Staubbildung und Staubeiawirkung vor. Vorbeugende MaBnahmen, die sich auf den Arbeiter selbst beziehen, stud: J~rzt- liche Untersuchung der Arbeiter vor der Einstellung in die staub- gefahrdeten ]Betriebe, regelm~Bige Nachuntersuchung, Ausmerzung yon Tuberkulosekranken und sonst Anf~lligen und Wechsel der Arbeiter in den verschiedensten Teilen der ]Betriebe, besonders zwischen Arbeitspl~tzen bet der wenig gef~hrlichen Gewinnung im Freien und zwischen solchen in den Zerkleinerungs- und Weiter- verarbeitungsanlagen.

IJber die in Schleifereibetrieben and Anlagen yon Sandstrahl- gebl~sen eingerichteten Sehutzvorrichtungen zur Bekkmpfung der Staublungenerkrankung berichtete SYEZZ~ZETZ, DfisseldorL Die M6glichkeit d e r Erkrankungsverhfitung ist bier auBerordenflich beschrXnkt. Die Arbeit am GroBschleifstein ist verh~ltnism~tBig schwer and verbietet daher das Tragen yon Masken oder Schutz- helmen, die bet der schweren Arbeit schnell zur Ermfidung ifihren, auBerdem abet, wie z. t3. bet den Helmen - - eine genaue Beobach- tung des Werkstfiekes unm6glich machen. Als einziges Mittel der ]Beseitigung der Gefahr besteht daher nut die M6glichkeit, die Ent - s tehung des gef~hrlichen quarzhaltigen Staubes ganz zu vermeiden. Seit Jahren sind daher ]3estrebungen im Gange, den quarzhaltigen Naturstein dutch ktinstliehe Steine zu ersetzen. Durch Eignungs- prfifungen vor Arbeitsaufnahme, die in regelm~Bigen Zeitraumen wiederholt werden sol1, und durch die Einihhrung der Kunststeine sollen die Erkrankungen ant ein Minimum zurhckgeffihrt werden.

Die zweite Erkrankungsm6gtichkeit in den ]3etrieben der Eisen- und Stahlindustrie durch Quarzstaub entsteht beim Arbeiten mit Sandstrahlgebl~sen. Diese werden haupts~ehlich in den Giel3ereien benuizt, um den den Gugstficken anhaftenden Formsand zu be- seitigen, weiterhin abet auch, um sonstige Eisenteile an iliren Ober- flachen zu s~ubern. Die Eisen- und Stahl-]Berufsgenossenschaften

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haben sich in den letzten Jahren ganz besonders mit SchutzmaB- nahmen gegen die Staubgefahr beim Sandstrahlgebl~tse befal3t nnd neben der Vervollkommnung der allgemeinen Staubabsaugung an den verschiedensten Apparaten, wie Drehtisch, Gebl~setrommeln, Putzh~usern u. dergl., die yon der Industrie an nnd ifir sich schon eingeleitet wurde, haben sie der Frage der ]Bescbaffung einwandfreier Staubschutzhelme ihr besonderes Augenmerk gewidmet Eine neue Ausffihrungsiorm wurde vorgeffihrt. Weiterhin wird Ifir die an Sandstrahlgebl~sen Arbeitenden eine Xrztliche Eignungsprfifung und eine regelmaBige Nachuntersuchung vorgesehen werden. AuBer diesen Mitteln sind seit Jahren Bestrebungen im Gange, die Quarz- sandgebl~se dnrch Geblfise, die mit feinem StahlMes arbeiten, zn ersetzen.

Yon ZIERVOGEL, Bochum, wurde hingewiesen auf die 2. Yer- ordnung des Reichsarbeitsministers vom I i . Februar 1929 fiber die Ausdehnung der Unfallversicherung auf ]Berufskrankheiten. Die sehweren Staublnngenerkrankungen sind, sofern sie u. a. im ]Betriebe des Bergbaues entstanden sind, in die Liste der ent- sch~digungspflichtigen ]Berufskrankheiten aufgenommen worden. Vom Standpunkt der Gesunderhaltung der ]3erglente aus ist es ge- boten, in erster Linie die t~rankheitsursache, d. h. den bet der Arbeit entstehenden Gesteinsstaub, soweit wie m6glich zu ver- mindern, damit die Erkranknngen weitgehend eingeschr/~nkt werden k6nnen.

F fir den Steinkohlenbergbau Westfalens hat deshalb die Sek- tion II der Knappschafts-Berufsgenossenschaft eine Prfifstelle er- richter, auf der alle an sie gelangenden neuen Vorrichtungen ffir Gesteinsstaubbek~mpfung erprobt werden. Aus dieser Erprobung ist zun~chst das sog. Schaumverfahren der Minimax A.G., Berlin, als wirksames und brauchbares Verfahren hervorgegangen. Ob- gleich Jhm auch noch gewisse M~ngel anhMten, ist seine Einfflhrung bis heute so welt gediehen, dab auf rd. I IoZechen rd. 3ooApparate der Bek~mpfung des Gesteinsstaubes in horizontalen Strecken dienen.

Nebenher ging die Erprobung anderer Staubschutzverfahren im praktischen ]Bergbaubetriebe. So wurde ant einer gr6Beren An- zahl yon Zechen untersucht, .ob und inwieweit die Yerwendung yon Spritzwasser sich zur Unsch~dlichmachung des Gesteinsstaubes in horizontalen Gesteinsbetrieben eignet. Desgtelchen wurde die ]Benutzung yon Spfilschaum und Spfilwasser unter Verwendung yon t tohlbohrern beim Niederbringen kleinerer Schkchte (sog. Blind- scb~ehte oder Gesenke) erprobt. Aller Voraussicht nach s teht zn erwarten, dal3 sich auch mit diesem Verfahren eine wesentliche ]Be- k~mpfung des Gesteinsstaubes erreichen l~fit.

Es ist beabsichtigt, dm Vortr~ge in einer Sonderschrift ztlsaramenzufassen. Vor- aussichtlich wird die Veroffentlichung Anfang dieses Jahres erfolgen.

REFERATENTEIL. BUCHBESPRECHUNGEN.

Wege zur Verhiitung der Entstehung und Ausbreitung der Krebs- krankheit. Von B. FISCHER-WASELS. VIII. , 75 S. ]Berlin: Julius Springer 1934. RM. 2.7o.

Was fiber den augenblicklichen Stand der IZrebsforschung zu sagen ist, kann k a u m in k~rzerer Form wiedergegeben werden als im vorliegenden Werkchen des bekannten Verf. Nach dem einleiten- den Kapltel aber das Wesen (Ursachen und Ents tehnng des Krebses) wendet er sich den VerhfitungsmaBnahmen zu, und zwar nicht nur der Verh~atung der Neuentstehung b6sartiger Gew~ehse, son dern auch von Rezidiven und Metastasen nach Entfernung und t3estrahlung. Seine Magnahmen zielen nicht nut auf die Ver- hinderung der lokalen Krebsbereitschaft (der Enis tehung des Krebskeimes), sondern auch darauf lain, die Stoffwechsetvor- g~nge normal zu erhalten oder die gestellten in normale Bahnen zu lenken. - - Die BekXmpfung der Allgemeindisposition zur Ver- besserung yon Operation und BestrahIung bestfinde darin, die Atmungsvorgknge im ganzen I(6rper anzuregen, die Gi~rungs- vorg~.nge m6glichst zu unterdrfickeu, die Alkalose zu bekkmpfen and vor allem die Abwehrkr~fte des ~5rpers zu st~rken. Damit wird wohl jeder Kenner des Krebses einverstanden sein. Eine andere Frage ist es abet, ob FlSCHBRS Vorschl~ge, solche prophylaktische MaBnahmen auch auf Gesunde auszudehnen, wie alle Mteren Leute and alle erblich ]Belasteten, fiberhaupt anwendbar sind. Uber die Vorschl~ge allgemein hygienischer Natur, wie verntmftige Lebens- weise, k6rperliche Bewegung, richtige Ernkhrung, Freflichtb~der, H6henkuren stellt n~mhch FISCHER folgendes Programm einer , ,Konstitutionstherapie" auf: Zueker-, Kochsalz-, Wasser-, Vitamin 13-, Cholesterin- nnd Alkalien-arme, saute Nahrung zwecks Steige- rung der AbwehrkrXfte, Beigabe yon MilzprXparaten zur Nahrung, auBerdem noch 1[~, oder z/~j~thrlich 3malige intralnuskul~tre Injek- tlonen yon Milzpr~paraten in Abstftnden yon 3 Tagen; ferner

zwecks Anregung der Milzt~tigkeit: heiBe SchwitzbAder, lokale Erw~rmung (Diathermie) und Rontgenbestrahlung der Milz mit gerlngen Strahlendosen. DaB ein solches Lebensprogramm ge- eignet ist, Neurasteniker und Hypochonder zu erzeugen, unterIiegt wohl keinem Zweifel. Die Frage ist nur, ob F.s vom grunenTische aus gemaehten Vorschl~ge, deren theoretisehe ]Begrfindung nicht bezweifelt werden soll, tats~chlich Krebs zu verhfiten verm6gen.

T~UTSCHLAENDER, Mannheim.

Ergebnisse der experimentellen Krebsforschung und Krebs- therapie. Von F. BLUMENTHAL. IX, 183 S. Leiden: A. W. Sijtho~i's Uitgeversmaatschappij N. V. 1934. Geh. F1. 4.25, geb. FI. 5.50.

Das Buch des frfiheren Direktors des Berliner Krebsinsti tuts (jetzt in ]Belgard) bringt in 2o sehr ungleichen Kapiteln eine Zu- sammenstellung der Ergebnisse der ,,experimentellen Krebs- forschung" am Tier und der darans abgeleiteten Heilversuche am Menschen. Alles, was jemals in einen Organismus zur Erzengung einer bSsartigen Geschwulst oder zur Heil~ng einer b6sartigen Geschwulst eingespritzt worden ist, finder sich bier sorgf~ltig zusammengestellt. Insbesondere ist das ]3uch eine Fundgrube ifir all die zahlreichen ,,I~:rebserreger", die jemals aufgefunden worden sind. Hier wie in anderen Teilen des Buches 1st zu den zalillosen Angaben der Literatur kaum kritiseh Steliung genommen. Wir freuen uns, dab wenigstens betont wird (S. 33): ,,Die recht auff~llige Tatsache des Fehlens tumorerzeugender Eigenschaften findet sich auek bet den tierisehen Krebsparasiten" (!). Bet den Hefepilzen wird allerdings - - im Gegensatz zu anderen experimen- tellen Forschern - - der Antagonismus zwischen diesen und dem Tumorwachstum festgestellt, und daher werden beim Rectum- carcinom Zuckerklystiere empfohlen, denen Hefe zugesetzt ist