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In: Der Globusfreund 57/58, Wien, Internat. CoronelliGes. für Globen u. Instrumentenkunde 2010 Entwicklungsgeschichte digitaler Globen Andreas Riedl, Wien Zusammenfassung Dieser Beitrag behandelt die Entwicklung der Globen unter dem Einfluss der digitalen Informations- und Kommunikationstechnologien. Um den zukünftigen Anforderungen der Globenforschung gerecht zu werden, wurde einerseits im Jahr 2005 an der Universität Wien (Institut für Geographie und Regionalforschung) die Hyperglobe Research Group (HRG) gegründet sowie andererseits erstmalig an einer europäischen Forschungseinrichtung ein sphärisches Display (Durchmesser 1,5m) installiert. Vor allem die Möglichkeiten der Animation, Interaktivität und der 3D-Technologien stellen die treibende Kraft der Verbreitung digitaler Globen dar. Näher vorgestellt werden die daraus hervorgegangenen Variationen digitaler Globen und deren Anwendungsbereiche. Inwieweit das „Erlebnis“ digitaler Globus dazu beitragen wird den analogen Globus zu ersetzen, mag jeder für sich selbst abwägen. 1. Kategorien digitaler Globen Nach der über 500jährigen Geschichte des Globus (ältester erhaltener Globus: Erdapfel, M. Behaim, 1492), respektive 2200jährigen Geschichte (nur schriftliche Hinweise: Krates von Mallos, 200 v. Chr.), wurde im Zuge der technologischen Entwicklungen der letzten Dekade eine neue Epoche des Globus eingeleitet. Die Renaissance des Globus zeigt sich sowohl in der Vielfalt digitaler Globen als auch in deren alltäglicher Verwendung. Das Verbindende bei den digitalen Globen ist deren digitales Abbild. Die wesentlichen Differenzierungen ergeben sich aus der Beschaffenheit des Globenkörpers sowie der Ausprägung des Raumes, in welchem der Globus präsentiert wird. Eine allgemein gültige Definition für alle Kategorien von Globen unabhängig von deren Ausprägung lautet: „Ein Globus präsentiert ein maßstabgebundenes und strukturiertes Modell eines Himmelskörpers (bzw. der scheinbaren Himmelskugel) in seiner unverzerrten dreidimensionalen Ganzheit“ (Riedl, 2000, S. 17). Hinsichtlich deren Beschaffenheit können Globen durch folgende drei Parameter differenziert werden (Riedl, 2006): Die Art der Globenbildes (analog, digital) Die Beschaffenheit des Globenkörpers (materiell, virtuell) Die Ausprägung des Raumes in welchem der Globus wiedergegeben wird (real, virtuell) Aus den genannten Parametern lassen sich nachstehende vier realisierbare Kategorien von Globen ableiten: Abbild Raum Globenkörper Analoger Globus analog real materiell Virtueller Hyperglobus digital virtuell virtuell Taktiler Hyperglobus digital real materiell Hologlobus digital real virtuell Tab. 1: Kategorien von Globen hinsichtlich deren Beschaffenheit (erweitert nach Riedl 2000) 2. Virtuelle Hypergloben Virtuelle Hypergloben sind Globen deren digitales Globenbild auf einen virtuellen Körper im virtuellen Raum

Entwicklungsgeschichte digitaler Globen · Keyhole wurde in der Folge von Google übernommen und 2005 als „Google Earth“ unter earth.google.com veröffentlicht. Neben Goolge Earth

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In:  Der  Globusfreund  57/58,  Wien,  Internat.  Coronelli-­‐Ges.  für  Globen-­‐  u.  Instrumentenkunde  2010  

Entwicklungsgeschichte digitaler Globen

Andreas Riedl, Wien

Zusammenfassung

Dieser Beitrag behandelt die Entwicklung der Globen unter dem Einfluss der digitalen Informations- und Kommunikationstechnologien. Um den zukünftigen Anforderungen der Globenforschung gerecht zu werden, wurde einerseits im Jahr 2005 an der Universität Wien (Institut für Geographie und Regionalforschung) die Hyperglobe Research Group (HRG) gegründet sowie andererseits erstmalig an einer europäischen Forschungseinrichtung ein sphärisches Display (Durchmesser 1,5m) installiert. Vor allem die Möglichkeiten der Animation, Interaktivität und der 3D-Technologien stellen die treibende Kraft der Verbreitung digitaler Globen dar. Näher vorgestellt werden die daraus hervorgegangenen Variationen digitaler Globen und deren Anwendungsbereiche. Inwieweit das „Erlebnis“ digitaler Globus dazu beitragen wird den analogen Globus zu ersetzen, mag jeder für sich selbst abwägen.

1. Kategorien digitaler Globen

Nach der über 500jährigen Geschichte des Globus (ältester erhaltener Globus: Erdapfel, M. Behaim, 1492), respektive 2200jährigen Geschichte (nur schriftliche Hinweise: Krates von Mallos, 200 v. Chr.), wurde im Zuge der technologischen Entwicklungen der letzten Dekade eine neue Epoche des Globus eingeleitet. Die Renaissance des Globus zeigt sich sowohl in der Vielfalt digitaler Globen als auch in deren alltäglicher Verwendung. Das Verbindende bei den digitalen Globen ist deren digitales Abbild. Die wesentlichen Differenzierungen ergeben sich aus der Beschaffenheit des Globenkörpers sowie der Ausprägung des Raumes, in welchem der Globus präsentiert wird.

Eine allgemein gültige Definition für alle Kategorien von Globen unabhängig von deren Ausprägung lautet: „Ein Globus präsentiert ein maßstabgebundenes und strukturiertes Modell eines Himmelskörpers (bzw. der scheinbaren Himmelskugel) in seiner unverzerrten dreidimensionalen Ganzheit“ (Riedl, 2000, S. 17).

Hinsichtlich deren Beschaffenheit können Globen durch folgende drei Parameter differenziert werden (Riedl, 2006):

• Die Art der Globenbildes (analog, digital)

• Die Beschaffenheit des Globenkörpers (materiell, virtuell)

• Die Ausprägung des Raumes in welchem der Globus wiedergegeben wird (real, virtuell)

Aus den genannten Parametern lassen sich nachstehende vier realisierbare Kategorien von Globen ableiten:

Abbild Raum Globenkörper

Analoger Globus analog real materiell

Virtueller Hyperglobus digital virtuell virtuell

Taktiler Hyperglobus digital real materiell

Hologlobus digital real virtuell

Tab. 1: Kategorien von Globen hinsichtlich deren Beschaffenheit (erweitert nach Riedl 2000)

2. Virtuelle Hypergloben

Virtuelle Hypergloben sind Globen deren digitales Globenbild auf einen virtuellen Körper im virtuellen Raum

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abgebildet wird. In der Praxis entspricht dies einem digitalen Globus wiedergegeben auf einem Flachbildschirm. Der Wortteil „Hyper“ in Hyperglobus leitet sich von Hypermedia ab, also einem vernetzten und interaktivem Informationsmedium.

Als erster digitale Globus kann der Digitale Behaim Globus angesehen werden. Dieser wurde als „Nebenprodukt“ einer Diplomarbeit angefertigt, welche in Zusammenhang mit der Digitalisierung dieses ältesten erhaltenen Erdglobus anlässlich seines 500. Jahrestages erstellt wurde (vergleiche auch Halmer et al., 1992). (s. Abb. 1)

Abb.1: Der digitale Behaim Globus (www.ipf.tuwien.ac.at)

Als weiterer Pionier der virtuellen Hypergloben kann der 1996 bereitgestellte „Planet Earth“ angeführt werden. Er war der erste virtuelle Hyperglobus mit einer Echtzeit-Visualisierung. Diese zeigte einen virtuellen Globus mit der aktuellen Wettersituation in Form der Bewölkung. „Planet Earth“ wurde später in „EarthBrowser“ umbenannt und ist mit vielen weiteren Funktionen unter www.earthbrowser.com zugänglich. (s. Abb. 2)

Abb.2: Erster virtueller Hyperglobus mit Echtzeit Visualisierung (www.earthbrowser.com)

Mit digitalen Globen auf wissenschaftlicher Basis setzte sich - Ende der 1990er Jahre - als einer der Ersten der Autor dieses Beitrages auseinander. In dieser Arbeit (Riedl, 2000) wurde untersucht wie durch den Einsatz von Multimediatechnologien die Reduzierung oder gar Eliminierung bisher bestehender Nachteile analoger Globen möglich ist, dies jedoch bei gleichzeitiger Beibehaltung der Vorteile der Darstellung raumbezogener Sachverhalte auf dem Globus. Basierend auf den Ergebnissen dieser Untersuchung wurde der „Hyperglobus“ entwickelt. Dieser demonstrierte, wie der Globus wieder als zentraler Wissensvermittler globaler Sachverhalte fungieren kann. Dabei wurde aufgezeigt, wie sich ein umfassendes Spektrum an Fragestellungen auf anschauliche und verständliche Art und Weise beantworten lässt (Illustration der Erdgestalt, Auswirkungen der Erdachsenneigung, Wiedergabe dynamischer Phänomene, interaktive Kartometrie, Echtzeit-Darstellungen, Studium historischer Globen am virtuellen Abbild, etc...). Weitere Informationen zum „Hyperglobus“ sind unter www.hyperglobe.info abzurufen. (s. Abb. 3)

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Abb.3: Der „Hyperglobus“ (Riedl, 2000)

Dieser Pionierphase folgte eine Übergangsphase in welcher ein virtueller Hyperglobus fixer Bestand in elektronischen Atlanten wurde. Wie in Riedl (2004) ausgeführt, fungierte er jedoch weniger als Globus im eigentlichen Sinne, sondern diente vielmehr als Schnittstelle zu Weltkarten und großmaßstäbigeren kartographischen Darstellungsformen. Der Globus ließ sich meist frei drehen und erlaubte ein stufenloses Zoomen. Die Popularität der 3-dimensionalen Darstellung der Erde führte dazu, dass 2004 beinahe jeder elektronische Weltatlas einen virtuellen Hyperglobus als Interface-Element implementiert hatte.

Dieser Übergangsphase schloss sich die Reifephase an, in welcher versucht wurde, virtuelle Hypergloben auf eine breite Basis zu stellen. Etwa bei GIS-Softwareprodukten, z.B. ArcGlobe von ESRI (erste Implementierung in ArcGIS 9, 2004) oder beim Projekt 3map (3D Metanet Atlas Platform), einem offenen System dessen Ziel es war, die Erde und die auf ihr befindlichen Objekte über distributierte Datenbanken nahezu 1:1 als „Virtual Earth“ nachzubilden.

Der Durchbruch und die allgemeine Akzeptanz in der Verwendung eines digitalen Globus gelang schließlich der Firma Keyhole, mit dem gleichnamigen Produkt. Keyhole wurde in der Folge von Google übernommen und 2005 als „Google Earth“ unter earth.google.com veröffentlicht. Neben Goolge Earth fanden Virtual Earth von Microsoft (neuerdings bing maps3D genannt www.bing.com/maps) und World Wind der NASA (worldwind.arc.nasa.gov) eine große Verbreitung. Bei den drei Letztgenannten handelt es sich jedoch genau genommen nur bis zu einem gewissen Grad um digitale Globen. Im Gegensatz zu den Pionieren der digitalen Globen haben sie meist nicht mehr die Darstellung der Erde oder eines Himmelskörpers in seiner „Ganzheit“ zum Inhalt. Vielmehr dient hier ein digitaler Globus als Zugang zu großmaßstäbigen Darstellungen und lokalen Informationen. Diese sind meist noch mit vielfältigen Inhalten individueller Natur (z.B. georefernzierten Bildern, Texten, 3D-Objekten) angereichert. Dieser Wandel ist auch in deren Bezeichnung wiederzufinden. Wurde zu Beginn fast ausschließlich der Begriff „digitaler Globus“ verwendet, so setzen sich zunehmend die Bezeichnungen Geo-Browser oder Earth-Browser durch. Vertiefende Diskussionen hinsichtlich der Begriffe digitale Globen/Geo-Browser finden sich bei Beck (2006), Hruby (2009), Riedl (2008), Scheidl (2009), Schleicher (2008). Eine empirische Untersuchung zur Bedeutung des Globus im Standardwortschatz findet sich in Hruby et al. (2009).

3. Taktile Hypergloben

Taktile Hypergloben könnte man auch als „echte“ Nachfolger der analogen Globen bezeichnen. Bei ihnen handelt es sich um Globen im eigentlichen und unverfälschten Sinne. Dies ergibt sich aus ihrer Beschaffenheit, bei welcher ein digitales Bild auf einen physischen Globenkörper im realen Raum abgebildet wird. Das bedeutet, dass im Gegensatz zu virtuellen Hypergloben der Globuskörper - so wie bei analogen Globen - real existiert. Die 3-dimensionale Wahrnehmung erfolgt nicht durch eine Illusion, sondern durch die Geometrie des „Bildschirms“. Es handelt sich dabei um einen Bildschirm in Kugelform oder ein sogenanntes sphärisches Display. Ähnlich wie bei analogen Globen ist bei taktilen Hypergloben die Globenkugel zugleich Globenkörper und Visualisierungsgerät. „Taktil“ wird hier im Zusammenhang mit der Möglichkeit des „Berührens“ des Globenkörpers verwendet und nicht im haptischen Sinne, also der Informationsgewinnung

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durch Ertasten.

Taktile Hypergloben unterscheiden sich wesentlich hinsichtlich der Beschaffenheit des Globenkörpers (fest, aufblasbar) und des verwendeten Projektionssystems (Innenprojektion, Außenprojektion, Direkte Projektion). Eine ausführliche Beschreibung der unterschiedlichen Kategorien und der Funktionsweise sphärischer Displays sowie deren Vor- und Nachteile hinsichtlich Auflösungsvermögen, Bildqualität Systemvoraussetzungen, etc. findet sich in Riedl (2008) sowie Riedl & Kristen (2010).

Vorläufer taktiler Hypergloben waren Übergangsformen zwischen virtuellem und taktilem Hyperglobus oder eine Symbiose von analogem Globus und taktilen Hyperglobus (Riedl 2004):

• Zu ersterer Variante zählt das Projekt „TerraVision“. Ziel von TerraVision war es ein komplettes, virtuelles Abbild der Erde in einer beliebig detaillierten Auflösung mittels stilisiertem Globus bereit zu stellen. Bei Terra Vision erfolgt jedoch die Visualisierung nicht auf einem sphärischen Körper - wie dies für taktile Hypergloben notwendig wäre - sondern nur dessen Navigation. Mittels einer frei drehbar gelagerten Kugel von etwa 50 cm Durchmesser wird die durch den Benutzer an ihr vorgenommen Drehbewegung an die digitale Darstellung auf eine Projektionswand weitergeleitet.

• Als erster Vertreter taktiler Hypergloben kann der 1992 in Brasiliens National Institute for Space Research (Sao Paulo) installierte „GeoSphere“ Globus als Teil des „Earth Situation Room“ betrachtet werden. Der Globus mit einem Durchmesser von 2m war eine Mischung von analogem und digitalem Globus. Ein Projektionssystem im Inneren des Globenkörpers erlaubte die Abbildung unterschiedlicher Themen auf der transparenten Globenkugel. Zur damaligen Zeit konnten die Projektoren noch nicht im Dauerbetrieb geschaltet werden. Um dennoch auch im abgeschalteten Zustand ein Globenbild sehen zu können wurde ein halbtransparentes Satellitenbild auf der Kugeloberfläche aufgebracht. (s. Abb. 4)

• Ein weiteres Unikat eines taktilen Hyperglobus stellt der im Jahre 2000 in Bad Homburg (Deutschland) im Foyer der Firma Amadeus Germany (Anbieter von IT-Lösungen für die Reisebranche) installierte Globus der Firma ag4 dar. Das sphärische Display wird von einer Halbkugel aus Glas mit ca. 1,7 m Durchmesser gebildet. Das Globenbild selbst wird zunächst im Kellergeschoß auf eine etwa 11 m2 große LED-Videowand (zwischen)projiziert. Von der LED-Videowand im Keller erfolgt die Bildübertragung mittels 110000 Glasfaserleitungen auf die Globenhalbkugel im Eingangsbereich des Erdgeschoßes. Zur Veranschaulichung des „spirit“ von Amadeus wurde die Erde in 16 Klimazonen geteilt und als Globenbild visualisiert. Zusätzlich werden über 300 Destinationen (mittels blinkender Punktsignaturen) dargestellt. Wird eine der Destinationen am Globus selektiert verändert sich entsprechend der jeweiligen Klimazone der Farbton der Beleuchtung im Foyer (z.B. bei Wahl einer Destination in der Polregion erleuchtet das Foyer in einem „kühlen“ Blauton). Die Interaktion zwischen Benutzer (Handbewegung) und Globus wird mittels Videokamera und Bildanalysesoftware gesteuert. (s. Abb. 5)

Abb.4: GeoSphere - Erster taktiler Hypergloben (www.geosphere.com)

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Abb.5: ag4 Globus - Unikat eines taktilen Hyperglobus (www.ag4.de)

Das Jahr 2002 kann als Wendepunkt der taktilen Hypergloben gesehen werden, weg vom Unikat hin zu Klein(st)-Serien. In diesem Jahr wurden gleich drei neue Varianten auf den Markt gebracht. Jeder dieser Globen basiert auf einem unterschiedlichen patentierten Projektionsverfahren, wurde mehrfach verkauft, wird weiterentwickelt und ist weiterhin erhältlich:

• Die Firma ARC Science Simulation (www.arcscience.com, Loveland, Colorado, USA) stellte 2002 den „OmniGlobe“ vor. Er beruht auf einem spiegelbasierten Innenprojektionssystem, d.h. durch eine Öffnung an der Kugelunterseite wird via eines konvexen Spiegels das Globenbild auf die Innenseite der transluzenten Acrylglaskugel projiziert. OmniGloben wurden mit Durchmessern von 80cm, 1,5m und 2m installiert. In Europa, Nahen Osten und Teilen Asiens werden sie von der Firma Globoccess (www.globoccess.com, Hamburg Deutschland) vertrieben. (s. Abb. 6)

• Ebenfalls im Jahre 2002 brachte die Firma Global Imagination (www.globalimagination.com, Campbell, Kalifornien, USA) ihren „Magic Planet“ auf den Markt. Beim Magic Planet wird ein linsenbasiertes Innenprojektionssystem eingesetzt, d.h. die Projektion des Globenbildes erfolgt durch eine Öffnung an der Kugelunterseite mittels einer speziellen Weitwinkeloptik auf die Innenseite der transluzenten Acrylglaskugel. Magic Planet Globen werden ebenfalls in drei Größenstufen angeboten (41cm - 46cm, 61cm - 91.44cm, 1.219m - 1.828m). (s. Abb. 7)

• Weiters bot 2002 die National Oceanic and Atmospheric Administration - NOAA (sos.noaa.gov, Boulder, Colorado, USA) deren SOS (Science on a Sphere) System an. Dabei handelt es sich um ein Außenprojektionssystem, bei welchem üblicherweise vier – entlang des Kugeläquators angeordnete - Projektoren das Globenbild auf die Außenseite einer Projektionskugel abbildet. Die Kugeldurchmesser variieren üblicherweise zwischen 1,5m und 2m, erreichen aber auch 3m und mehr. (s. Abb. 8)

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Abb.6: OmniGlobe - Funktionsskizze (www.arcscience.com)

Abb.7: Magic Planet – transportabler „Tischglobus“ (Durchmesser 41 cm, www.globalimagination.com)

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Abb.8: SOS – Science on a Sphere Globus (Durchmesser 1,5 m, sos.noaa.gov)

Oben genannte Systeme verwenden einen festen Globenkörper (Hard Shell). Im Gegensatz dazu bietet die Firma Pufferfish (www.pufferfishdisplays.co.uk, Edinburgh, UK) das Produkt Puffersphere an, eine aufblasbare Ausführung eines taktilen Hyperglobus. Sie bilden quasi die Nachfolger der Faltgloben in deren digitaler Ausführung. Die Projektion erfolgt über eine linsenbasierte Innenprojektion auf eine unter Überdruck stehenden Kugel aus Kunststofffolie. Die Kugeldurchmesser variieren hier üblicherweise zwischen 2m und 5m. Der Vorteil des Systems besteht in der wesentlich einfacheren Transportierbarkeit. Infolgedessen werden diese vorwiegend bei kurzzeitigen Veranstaltungen (Messeauftritte, Konzerte etc.) verwendet. (s. Abb. 9)

Abb.9: Puffersphere – aufblasbarer taktiler Hyperglobus (Durchmesser 2 m, www.pufferfishdisplays.co.uk)

4. Hologloben

Die Kategorie der Hologloben (vergleiche Tab. 1) leitet sich aus einer dem Science-Fiction Genre entstammenden Idee ab. Sie ist eng verknüpft mit den Entwicklungen eines Holodisplays und befindet sich erst in einer frühen Entwicklungsphase. Bei diesem System wir ein Bild in den Raum projiziert, ohne

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Verwendung einer physischen Projektionsfläche. Das Bild schwebt quasi vor dem Betrachter in der Luft. Ein Zeitpunkt für einen brauchbaren Hologlobus ist noch nicht vorhersehbar. Pionier auf den Gebiet der Holo-/Heliodisplays ist die Firma IO2 Technology (www.io2technology.com, San Francisco, Kalifornien, USA)

5. Anwendungsbereiche

Der taktile Hyperglobus hatte zu Beginn meist die Funktion eines Attraktions- und Repräsentationsgegenstandes. Um dieses Einsatzfeld möglichst schnell zu erweitern und das wahre Potential eines Globus einem breiten Anwenderkreis zugänglich zu machen, wurde 2005 an der Universität Wien am Instituts für Geographie und Regionalforschung die Hyperglobe Research Group (HRG) gegründet (vgl. Riedl, 2009). Sie verfolgt das Ziel, den taktilen Hyperglobus zu einem Instrument der Wissensvermittlung globaler Sachverhalte zu machen. Eine Schlüsselfunktion zur Erreichung dieses Zieles wurde dabei der Art und Weise der Darbietung von globalen Themen zugesprochen. Hierzu wurde von der HRG die Entwicklung- und Abspielplattform „OmniSuite Pro“ entwickelt (vgl. Abb.10) . Weiterführende Informationen betreffend der softwaretechnischen Umsetzung können der Arbeit von Kristen (2010) entnommen werden.

Abb.10: Interfacebeispiel der Abspielplattform OmniSuite Pro

Um den Anwendern taktiler Hypergloben den Zugang zu globalen Themen zu erleichtern wurde auf Basis einer zuvor erstellten Themensystematik ein Katalog gebrauchsfertiger Themen erstellt. Dieser Themenkatalog der mit dem Hyperglobus erlebbaren Themen – der sogenannten „global Stories“ (vgl. Hruby et al. (2008) - beinhaltet unter anderen:

• Auswirkungen der Erde-Sonne Beziehung (Jahreszeiten, Tageszeiten, Zeitzonen)

• Erscheinungsbilder der Planetenoberfläche

• Themen zur Geologie wie etwa die Kontinentaldrift

• Klima und Ozeanographie

• Umweltschutz, Ökologie

• Bevölkerung, Geschichte, Kultur

• Verkehr

• Wirtschaft

• Staat, Macht, Militär

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• Extraterrestrische Themen (Universum, Sonne, Planeten, Monde)

• Historische Globenbilder

• Themen zu Werbung und Public Relations, Firmenpräsentationen

• Medienkünstlerische Visualisierungen

Insbesondere die Globalisierung, sowie die Notwendigkeit Sachverhalte von einem globalen Standpunkt aus zu betrachten, um diese erfassbar und interpretierbar zu machen, führt zu einem breiten Anwendungsbereich digitaler Globen. Vor allem der taktile Hyperglobus konnte wegen seiner idealen Verkörperung als „lebender Himmelskörper“ in den beiden letzten Jahren als unentbehrlicher Demonstrations- und Präsentationsgegenstand in vielen Einsatzfeldern Fuß fassen:

• Status- und Repräsentationsobjekt (Firmen Foyers, Hotel Lobbys)

• Messe- und Kongressveranstaltungen (Eye-Catcher)

• Öffentlichkeitsarbeit (Raumfahrt, Umweltschutz, Projektpräsentation, Fernsehsendungen)

• Werbeträger (Roadshows, Verkaufsveranstaltungen)

• Edutainment (Freizeitparks)

• Musealbereich (Naturhistorische Museen, Botanische Gärten)

• Didaktik (Science Center, Meteorologische Institute, Universitäten, Schulen)

• Globenbibliothek (Studium historischer Globen)

• Medienkunst (Konzerte, Videoinstallationen)

Abb.11: Taktiler Hyperglobus im Technorama (Durchmesser 1,5m, Science Center, Winterthur, Schweiz)

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6. Schlussbetrachtung

Aus den bisherigen Entwicklungen lässt sich schlussfolgern, dass sich die Geschichte des Globus im Zeitalter der Informationsgesellschaft zu wiederholen beginnt, nur in wesentlich schnellerem Tempo und auf vielfältigere Art und Weise. Es existiert ein signifikantes Spektrum an digitalen Globen im Allgemeinen und an taktilen Hypergloben im Besonderen. Von Letzteren wurden seit 2002 etwa 250 Stück in Betrieb genommen, davon ca. 80 im Jahr 2009.

Bei taktilen Hypergloben handelt es sich um real existierende Objekte, weshalb von ihnen eine besondere Faszination ausgeht. Ob dies dazu beitragen wird, dass sie sich früher oder später als eigentliche Nachfolger analoger Globen entpuppen, wird die Zukunft zeigen. Derzeit stellt diese Variante der Globen – wegen des Kostenfaktors – noch keine direkte Konkurrenz zu den analogen Globen dar. Doch darf davon ausgegangen werden, dass die Entwicklung hier ähnlich verlaufen wird wie bei analogen Karten. Diese werden zunehmend von den digitalen Produkten verdrängt (Straßenatlanten/Navigationssysteme, Stadtpläne/digitale Karten auf Mobiltelefonen und Smartphones). Wir werden vermutlich bei Globen einen ähnlichen Prozess in den kommenden Dekaden beobachten können. Noch spielt der Kostenfaktor eines Kugeldisplays eine große Rolle, die Vorteile hinsichtlich der Informationswiedergabe liegen jedoch auf der Hand und dem Globus sowie der Globenforschung steht eine blühende Zukunft bevor.

7. Literatur

A. Beck (2006): Google Earth and World Wind: remote sensing for the masses. In: Antiquity 80, 308 - http://antiquity.ac.uk/ProjGall/beck/

Florian Hruby, Jürgen Kristen, Andreas Riedl (2008): Global Stories on Tactile Hyperglobes - visualizing Global Change Research for Global Change Actors. In: Proceedings, Digital Earth Summit on Geoinformatics: Tools for Global Change Research, Potsdam, Germany, 2008.

Florian Hruby, Andreas Riedl, Tomberger Harald (2008): Virtual representations of antique globes – new ways of touching the untouchable. (revised). In: Int. Journal of Digital Earth, (1) 1, 2008, S. 107-118.

Florian Hruby, Ruth Miranda, Andreas Riedl (2009): Bad Globes & Better Globes - multilingual categorization of cartographic concepts exemplified by “map” and “globe” in English, German and Spanish. Proceedings, 24. ICA Cartographic Conference, 2009. Santiago, Chile, 2009.

Florian Hruby (2009): Der digitale Globus – Begriff und Bedeutung für die Geographie. In: Kriz K., Kainz W., Riedl A. (Hrsg.): Geokommunikation im Umfeld der Geographie. Wien, Institut für Geographie der Universität Wien, 2009 (=Wiener Schriften zur Geographie und Kartographie, Band 19)

Klimpfinger H (1993) Visualisierung von Oberflächen und Oberflächenveränderungen mit dem Softwarepaket IDL. Diplomarbeit, Techn. Univ., Wien.

Andreas Halmer, Karl Kraus, Franz Rottensteiner, Josef Tschannerl (1992). Die Bearbeitung des Behaim-Globus mit photogrammetrischen Methoden. In: Der Globusfreund, wissenschaftliche Zeitschrift für Globen und Instrumentenkunde 40/41. Wien 1992. S. 9 -19.

Jürgen Kristen (2010): 3D Grafikprogrammierung interaktiver kartographischer Echtzeit-Anwendungen - am Beispiel eines taktilen Hyperglobus. Wien, Univ. Wien, Dipl.Arb.(in Arbeit).

Jan Mokre (2008): Rund um den Globus : über Erd– und Himmelsgloben und ihre Darstellungen. Hrsg. von Peter E. Allmayer-Beck. – Wien : Bibliophile Ed., 2008. - 224 S.

Andreas Riedl (2000): Virtuelle Globen in der Geovisualisierung. Untersuchungen zum Einsatz von Multimediatechniken in der Geokommunikation (mit einem Nachwort „Globenforschung in Österreich“ v. Kretschmer I.). (= Wiener Schriften z. Geogr. u. Kartogr., 13). 158 S.

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Andreas Riedl (2004): Entwicklung und aktueller Stand digitaler Globen. In: Kainz W., Kriz K., Riedl A. (Hrsg.): Aspekte der Kartographie im Wandel der Zeit. Wien, Institut für Geographie der Universität Wien, 2004 (=Wiener Schriften zur Geographie und Kartographie, Band 16) S. 256 - 263.

Andreas Riedl (2005): MUGL - Multimediales Globenmuseum. In: Mitteilungen der Österreichischen Geographischen Gesellschaft, Bd. 147. Wien, 2005. S. 265 - 282.

Andreas Riedl (2006), Digital Globes. In: Cartwright W., Peterson M.P., Gartner G. (Hrsg.), Multimedia Cartography, Second Ed., Berlin – Heidelberg, Springer Verlag. S. 255–266

Andreas Riedl (2008): Entwicklung und Perspektiven von Taktilen Hypergloben. In: Mitteilungen der Österreichischen Geographischen Gesellschaft, Bd. 150. Wien, 2008, S. 340-356

Andreas Riedl (2009): Taktile Hypergloben - die nächste Stufe in der Globenevolution. In: Kriz K., Kainz W., Riedl A. (Hrsg.): Geokommunikation im Umfeld der Geographie. Wien, Institut für Geographie der Universität Wien, 2009 (=Wiener Schriften zur Geographie und Kartographie, Band 19)

Andreas Riedl, Jürgen Kristen (2010): Der Einsatz sphärischer Displays zur Visualisierung globaler Phänomene. Kartographische Nachrichten 60(3), (to be published)

Walter Scheidl (2009): Virtuelle Globen im Unterricht - Multiperspektivische Untersuchung des didaktischen Potenzials von Google Earth und NASA World Wind im Geographieunterricht Allgemeinbildender Höherer Schulen, Master Thesis, Donau Universität Krems, 127 S.

Yvonne Schleicher (2008): Geobrowser-Didaktik - ein Beitrag zur aktiven Erweiterung des topographischen Wissens. In: Jekel T., Koller A., Donert K. (Hrsg.), Learning with Geoinformation III - Lernen mit Geoinformation III, Wichmann, Heidelberg, S. 60–69

Alexander Schratt, Andreas Riedl (2005): The Potential of Three-Dimensional Display Technologies for the Visualization of Geo-Virtual Environments. In: Proceedings, 22. ICA Cartographic Conference, 2005. A Coruña, Spain

Über den Autor:

Mag. Dr. Andreas Riedl (*1965) ist Ass.-Prof. am Institut für Geographie und Regionalfroschung der Universität Wien und Initiator sowie Leiter der seit 2005 bestehenden Hyperglobe Research Group (HRG). Arbeitsschwerpunkte: digitale Globen und sphärische Displays. Multimediaeinsatz in der Geokommunikation, Angewandte Geoinformationsverarbeitung.

Adresse: Inst. f. Geographie und Regionalforschung, Universitätsstraße 7, 1010 Wien; Tel.: +43 1 4277 48642, Fax: +43 1 4277 48649, Web: http://homepage.univie.ac.at/andreas.riedl, E-Mail: [email protected]