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Entwicklungsstörungen Schizophrenie und psychotische Störungen Bipolare Störungen Depressive Störungen Angststörungen Zwangsstörungen Trauma – und Stress bezogene Störungen Dissoziative Störungen Somatoforme Störungen Ess- und Fütterstörungen Ausscheidungsstörungen Schlaf und Schlaf-rhythmusstörungen Sexuelle Dysfunktionen Substanz-bezogene und Suchtstörungen Persönlichkeitsstörungem Neurokognitive Störungen …… Die diagnostischen Regelwerke unterscheiden fast 500 verschiedene Diagnosen psychischer Störungen DSM-5 legt eindeutige Grenzen zu normalen Variationen fest, grenzt Störungen voneinander ab. DSM-5 Diagnosen mit ihren ICD-Codes bedeuten immer zumindestens die Notwendigkeit einer Abklärung, Diagnosik und ggf. Therapie!

Entwicklungsstörungen Schizophrenie und psychotische Störungen Bipolare Störungen Depressive Störungen Angststörungen Zwangsstörungen Trauma – und Stress

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Entwicklungsstörungen Schizophrenie und psychotische Störungen Bipolare Störungen Depressive StörungenAngststörungen ZwangsstörungenTrauma – und Stress bezogene StörungenDissoziative StörungenSomatoforme StörungenEss- und FütterstörungenAusscheidungsstörungenSchlaf und Schlaf-rhythmusstörungenSexuelle DysfunktionenSubstanz-bezogene und SuchtstörungenPersönlichkeitsstörungemNeurokognitive Störungen……

Die diagnostischen Regelwerke unterscheiden fast 500 verschiedene Diagnosen psychischer Störungen

DSM-5 legt eindeutige Grenzen zu normalen Variationen fest, grenzt Störungen

voneinander ab.

DSM-5 Diagnosen mit ihren ICD-Codes bedeuten immer zumindestens die Notwendigkeit einer

Abklärung, Diagnosik und ggf. Therapie!

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Krankheitsbegriffe sind problematisch & werden unterschiedlich benutzt:• Krankheit = etwas unnormales was einer Erklärung bedarf (z.B. normal: Muskelkater; traurig

sein: Trauer nach Tod versus unnormal: Schmerzen ohne Verletzung, Angst/Panik ohne Bedrohung)• Krankheit ist das, was der Betroffene fühlt (Kranksein = was man fühlt; versus Krankheit = was

man hat)• Krankenrolle (Status als „Behinderter)• Krankheit ist – was ein Arzt diagnostiziert – für Krankheit hält

Je nach Perspektive kann Krankheit etwas anderes bedeuten:• Ein biologisch veränderter Zustand des Körpers (z.B. Krebs)• Das Erleben von Unwohlsein oder Beeinträchtigung („ich kann einfach nicht mehr..!“)• Eine zugeschriebene Krankenrolle mit Ansprüchen und Privilegien (z.B.

Frühberentung)• Das was Ärzte diagnostizieren (Diagnose)

Deshalb benutzen wir einen neutralen Begriff „psychische Störung“ und definieren psychische Störungen deskriptiv und operationalisiert in den diagnostischen Regelwerken (DSM und ICD)

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Was sind psychische Störungen? Fazit

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Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.

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• „An individual's ability to enjoy life and procure a balance between life activities and efforts to achieve psychological resilience“ (Positive Psychology).

• Mental health is an expression of our emotions and signifies a successful adaptation to a range of demands (Health psychology).

• WHO = "the individual realizes his or her own abilities, can cope with the normal stresses of life, can work productively and fruitfully, and is able to make a contribution to his or her community".

• Field of Global Mental Health: = 'the area of study, research and practice that places a priority on improving mental health and achieving equity in mental health for all people worldwide'.

Mental health = Abwesenheit psychischer Störungen?

Was ist psychische Gesundheit?

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Psychische Gesundheit (=„Mental health“) – keine eineindeutige (konsensbasierte) „offizielle“ Definition

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Was sind psychische Störungen?(1) Psychische Gesundheit = Abwesenheit von Krankheit?

Wittchen (2011), S. 29

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Gesundheit ist ... (Parsons, 1967)

... der „Zustand optimaler Leistungsfähigkeit eines Individuums für die wirksame Erfüllung der Rollen und Aufgaben, für die es sozialisiert worden ist.“

Gesund ist ... (Becker, 1995)

... die leistungsfähige Person, ... die ihren normalen Rollenerwartungen optimal nachkommt, die die Alltagsanforderungen zu bewältigen vermag; der nicht die besondere Rolle des Kranken zugeschrieben werden muss.

Gesundheit Gesundsein Rolle des Gesunden

Was sind psychische Störungen? Medizinsoziologische Überlegungen

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• “The state or condition of being well; welfare; happiness; prosperity”

• "Two complementary conceptualisations (Daniel Kahneman): 1. the experience of well-being, as typically captured by measures of positive effect, pleasure

and happiness, and their opposites negative effect, misery or distress; 2. “evaluative” approach captures judgments of overall life satisfaction or fulfilment in selected

domains such as autonomy, personal growth and achievement of purposes in life.”

• “Well-being reflects individuals’ perception and evaluation of their own lives in terms of their affective states, psychological and social functioning” (Keyes and Lopez, 2007).

• From a health perspective, the concept and measure of well-being goes beyond the concept of health considered as the mere presence or absence of illness or disability. Well-being incorporates also the impact of positive health and functioning which has typically received little attention in health sciences. From both a policy and a health perspective, well-being at any stage in life is an important outcome in and of itself.

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Was sind psychische Störungen?

„Well-Being“ Perspektiven

Marta Miret, ROAMER kick off meeting, Nov 17th 2011, Barcelona

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• Wohl, Wohlbefinden, Wohlergehen, Wohlgefühl

• Wissenschaftlich schwer zu definieren

• Missverständlich - wird auch über den Bereich der (psychischen) Gesundheit hinaus verwendet– Entwicklung– Gesundheitsversorgung– Politik

• Häufig Teil der Evaluation von Wohlstand und Lebenszufriedenheit von Individuen oder Gesellschaften

Was sind psychische Störungen?Unterschiedliche Termini – gleiche Bedeutung?

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„Well-Being“ – ist problematisch zu definieren

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• Nicholas Sarkozy: “The Commission on the Measurement of Economic Performance and Social Progress” to identify the limits of GDP as an indicator of economic performance and social progress. – The authors: “the time is ripe for our measurement system to

shift emphasis from measuring economic production to measuring people’s well-being. And measures of well-being should be put in a context of sustainability.”

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Was sind psychische Störungen?

„Well-Being“ - a social and political priority

• Well-being is an emergent social and political prioirity in Europe identified by the policy makers.

• David Cameron has recently asked the Office for National Statistics to devise ways of measuring well-being in addition to tracking economic growth: “we will start measuring our progress as a country not just by how our economy is growing, but by how our lives are improving; not just by our standard of living, but by our quality of life”.

Marta Miret, ROAMER kick off meeting, Nov 17th 2011, Barcelona

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Mental well beingMinimal mental illness

Liegt Well-being auf der gleichen Dimension wie mental health / mental illness?

Gibt es mental well-beeing? Was ist dann non-mental well-being?

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Grundsatzprobleme

? Eine Dimension?

Minimal mental illness

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Gesundheit ist offensichtlich ein idealtypischer Begriff, der sich einer befriedigenden Gesamtdefinition entzieht

Sinnvoll ist wissenschaftlich allenfalls, bestimmte wohl definierte funktionale Aspekte zu unterscheiden, z.B. -subjektives Wohlbefinden-Funktionieren in Rollenbereichen-Ausmaß erfolgreichen Coping-Lebensqualität-…

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Was sind psychische Störungen?(1) Psychische Gesundheit = Abwesenheit von Krankheit?

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Die formal korrekte Ableitung einer Diagnose setzt eine umfassende Ermittlung der Beschwerden und Zeichen sowie von als Symptomen etablierten Beschwerden komplexen voraus; letztere werden auch als Psychopathologie (Lehre von den Symptomen) bezeichnet.

Symptomkomplexe bei allen psychischen Störungen umfassen:

• Affekte und Emotionen (z.B. ängstlich, verzweifelt, bedrückt etc.)

• Kognitive Funktionen einfacher (Aufmerksamkeit) und höherer Ordnung (z.B. exekutive Funktionen) (z.B. cold and hot cognitions: unlogische Gedankenketten – formal; wahnhaft, unrealistisch negativ)

• Verhalten (aggressiv, verlangsamt, wiederholtes Händewaschen, Vermeidung)

• Körperliche Funktionen und Empfindungen (müde, kurzatmig, Herzrasen)

Was definieren wir psychische Störungen in DSM und ICD?(2) vom Symptom zur Störungsdiagnose

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Die Diagnose von Krankheiten (Arzt/Psychotherapeut) erfordert entsprechend einen systematisches diagnostischen Prozess

… um Krankheitsdiagnosen (DSM/ICD-10) zuzuweisen

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Symptomkomplexe bei allen psychischen Störungen umfassen

Was sind psychische Störungen(2) vom Symptom zur Störung

Verhalten: z.B. Flucht vor oder Vermeidung von Angst-auslösenden Situationen

Kognition (Denken): z.B. Befürchtung die Kontrolle zu verlieren, oder sterben zu müssen

Biopsychologische Ebene: z.B. Herzrasen, Schwitzen, Atemnot

Emotion (Fühlen):z.B. ängstlich, bedrückt sein

Angst

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Für alle psychischen Störungen gibt es hinreichend bestätigte „Vulnerabilitäts-Stressmodelle“ zu Beginn und

Verlauf

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GeburtPsychische Störungen nach ihrem Erstauftretensalter

Childhood/adolescenceMental retardationHyperkinetische St./ADHDBetragensstörungenEntwicklungsstörungenPhobienAnorexia nervosaEinige Formen der Epilepsie

Späte AdoleszenzSubstanzstörungenPanik, Zwang, PTSDAffektive StörungenSomatoforme St.SchizophrenienBulimia nervosaPersonalichkeitsst.

Old age

Hohes Alter

AdulthoodAlcohol dependenceDepression

Erwachsenenalter (20-50. LJ.) AlkoholabhängigkeitDepressionGeneralisierte Angstst.SchlafstörungenMultiple SkleroseTraumatic brain injuryGehirntumoreNeuromuskuläre St.

Höheres LebensalterSchlaganfälleParkinsonerkrankungDementielle Erkr.Schlafstörungen (subkl.) Angst und Depression„Multimorbidität“

Daraus ergeben sich ein Vielzahl unterschiedlicher Störungsformen (Diagnosen)

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Was sind psychische Störungen?(3) Klassifikation – Ziele und Nutzen

Wittchen (2011), S. 39

• Reliabilität und Validität (vergleichbare wie bei anderen medizinischen Diagnosen)

• Nutzen und Anwendbarkeit (normal-pathologisch, Kommunikation, Forschung, Behandlung, Prognose)

• International akzeptiert und implementiert in Forschung und Praxis

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• Bis in die 1980 Jahre hinein waren (< DSM-III und ICD-10) waren diagnostische Systeme vor allem „psychiatrische“ Klassifikationssysteme

• d.h., das Regelwerk war eine „Kunst“ - und nur Psychiater konnten diese adäquat anwenden...

• … da sie relativ breiten Interpretationsspielraum in der Terminologie, wenige explizite Definitionen und eine Unzahl ungeprüfter theoretischer Annahmen enthielten (Neurose vs. Psychose, endogen vs. reaktiv)

• Deshalb gab es unzählige „Schulen“!

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Was sind psychische Störungen?(3) Klassifikation – historische Hintergründe

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Was sind psychische Störungen?(3) Klassifikation – historische Hintergründe

Mängel dieser traditionellen Klassifikationssysteme

• Geringe Re-test Reliabilität

• Geringe Interrater-Übereinstimmungen (z.B. zwischen „Schulen“, Ländern, Institutionen)

• Fehlende prognostische und therapeutische Validität

• Stigmatisierungsgefahr

• Fehlende Bindung an Forschungskriterien ( fehlender Transfer!!)

• Fehlende gemeinsame Sprache für verschiedentlich beteiligte Disziplinen und Berufsgruppen

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Die „Validierung“ von diagnostischen Kategorien (Robins & Guze, 1970)

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Was sind psychische Störungen?(3) Klassifikation – historische Hintergründe

Eli Robins

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Die „Validierung“ von diagnostischen Kategorien (Robins & Guze, 1970): Die Definition und Abgrenzung von Störungen untereinander erfordert den Nachweis von klinisch und ststaistisch bedeutsamen Unterschieden hinsichtlich:

• Zuverlässige und eindeutige Deskription von Merkmalen• Sowie charakteristischen Merkmalen (Symptom/Beschwerdencluster (= Syndrom)

• Das Vorliegen passender labortechnischer und experimenteller Befunde• Den Nachweis eines typischen Verlaufs• Nachweis eines einheitlichen Ansprechens auf Therapie• Familiengenetische Assoziationen

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Was sind psychische Störungen?(3) Klassifikation – historische Hintergründe

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• Es gibt aktuell 2 international gebräuchliche Klassifikations-Systeme: • Das DSM-IV (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders)

und • Die ICD-10 (International Classification of Diseases)

• Sie unterscheiden sich hinsichtlich der Nomenklatur und den Diagnosenbezeichnungen geringfügig

• Aber das DSM-IV ist konsistenter, und wesentlich expliziter und ausführlicher als ICD-10 und bezieht sich ausschließlich auf psychische Störungen

• ICD-10 ist zur Klassifikation aller Krankheiten und Störungen sowie Anlässe in der Gesundheitsversorgung konzipiert

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Was sind psychische Störungen?(3) Klassifikation – HEUTE

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Was sind psychische Störungen(3) Klassifikation - DSM

• Multiaxiales System mit 5 Achsen

• Alle Diagnosen werden mehr oder weniger eindeutig beschrieben (explizit und operationalisiert),

• mit ihren zwingend erforderlichen

• und optionalen Merkmalen

• nach Ähnlichkeit oder Kernmerkmalen gruppiert

• und ausführlicher kommentiert.

Die detaillierte Kenntnis des DSM-IV-TR ist für die Prüfung in Klinischer Psychologie (zumindest im Diplom-/Master Psychologie) verpflichtend!

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Was sind psychische Störungen(3) Klassifikation - DSM

Wittchen (2011), S. 44

Depressive Episode, Soziale Phobie

Selbstunsichere Persönlichkeitsstörung, geistige Behinderungen

Körperliche Erkrankungen, Z.n. Operationen

Beruf, Soziales Umfeld, Delinquenz etc.

GAF 0-100

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Was sind psychische Störungen?(3) Klassifikation – DSM-IV Kriterien für die

Episode einer Major Depression

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A Mind. 5 der folgenden Symptome bestehen während derselben 2-Wochen-Periode und stellen eine Änderung gegenüber der vorher bestehenden Leistungsfähigkeit dar; mind. 1 der Symptoms ist (1) entweder depressive Verstimmung oder (2) Verlust an Interesse oder Freude. Beachte: Symptome die eindeutige auf einen medizinischen Krankheitsfaktor zurückgehen, oder stimmungsinkongruente Wahnphänomene oder Halluzinationen werden nicht berücksichtigt.

1.Depressive Verstimmung an fast allen Tagen, für die meiste Zeit des Tages, vom Betroffenen selbst berichtet (z.B. fühlt sich traurig oder leer) oder von anderen beobachtet (z.B. erscheint den Tränen nahe). Beachte: Kann bei Kindern oder Jugendlichen auch reizbare Stimmung sein.

2.Deutlich vermindertes Interesse oder Freude an allen oder fast allen Aktivitäten, an fast allen Tagen, für die meiste Zeit des Tages (entweder nach subjektivem Ermessen oder von anderen beobachtet.3.Deutlicher Gewichtsverlust ohne Diät; oder Gewichtszunahme (>5% des Körpergewichts in 1 Monat); oder verminderter oder gesteigerter Appetit an fast allen Tagen. Beachte: Bei Kindern ist das Ausbleiben der zu erwartenden Gewichtszunahme zu berücksichtigen.

4.Schlaflosigkeit oder vermehrter Schlaf an fast allen Tagen

5.Psychomotorische Unruhe oder Verlangsamung an fast allen Tagen (durch andere beobachtbar, nicht nur das subjektive Gefühl von Rastlosigkeit oder Verlangsamung).

6.Müdigkeit oder Energieverlust an fast allen Tagen.

7.Gefühle von Wertlosigkeit oder übermäßige oder unangemessene Schuldgefühle (die auch wahnhaftes Ausmaß annehmen können) an fast allen Tagen (nicht nur Selbstvorwürfe oder Schuldgefühle wegen des Krankseins).

8.Verminderte Fähigkeit zu denken oder sich zu konzentrieren oder verringerte Entscheidungsfähigkeit an fast allen Tagen (entweder nach subjektivem Ermessen oder von anderen beobachtet).

9.Wiederkehrende Gedanken an den Tod (nicht nur Angst vor dem Sterben), wiederkehrende Suizidvorstellungen ohne genauen Plan, tatsächlicher Suizidversuch oder genaue Planung des Suizids.

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Was sind psychische Störungen?(3) Klassifikation – DSM-IV Kriterien für die

Episode einer Major Depression

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B Die Symptome erfüllen nicht die Kriterien einer gemischten Episode.

C Die Symptome verursachen in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen.

D Die Symnptome gehen nicht auf die direkte körperliche Wirkung einer Substanz (z.B. Droge, Medikament) oder eines medizinischen Krankheitsfaktors (z.B. Hypothyreose) zurück.

E Die Symptome können nicht besser durch Einfache Trauer erklärt werden, d.h. nach dem Verlust einer geliebten Person dauern die Symptome länger als zwei Monate an, oder sie sind durch deutliche Funktionsbeeinträchtigungen, krankhafte Wertlosigkeitsvorstellungen, Suizidgedanken, psychotische Symptome oder psychomotorische Verlangsamung charakterisiert.

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A Ausgeprägte und anhaltende Angst vor einer oder mehreren sozialen oder Leistungssituationen in denen die Person -mit unbekannten Personen konfrontiert ist -von anderen Personen negativ beurteilt werden könnte Die Betroffenen befürchten, ein Verhalten (oder Angstsymptome) zu zeigen, das als demütigend oder als peinlich bewertet werden könnte.

B Konfrontation mit der gefürchteten sozialen Situation ruft fast immer eine unmittelbare Angstreaktion hervor, die das Erscheinungsbild einer Panikattacke annehmen kann.

C Die Person erkennt, dass das Verhalten übertrieben oder unbegründet ist.

D Die gefürchteten sozialen oder Leistungssituationen werden vermieden oder nur unter intensiver Angst oder Unwohlsein ertragen.

E Das Vermeidungsverhalten, die ängstliche Erwartungshaltung oder das starke Unbehagen in den gefürchtete sozialen oder Leistungssituationen beeinträchtigen deutlich die normale Lebensführung der Person, ihre berufliche (oder schulische) Leistung oder soziale Aktivitäten oder Beziehungen, oder die Phobie verursacht erhebliches Leiden.

F Bei Personen unter 18 Jahren hält die Phobie mindestens 6 Monate an.

G Angst oder Vermeidung geht nicht auf die direkte körperliche Wirkung einer Substanz oder eines medizinischen Krankheitsfaktors zurück und kann nicht besser durch eine andere psychische Störung erklärt werden.

H Fall ein medizinischer Krankheitsfaktor oder eine andere psychische Störung vorliegen, so stehen dies nicht in Zusammenhang mit der unter Kriterium A beschriebenen Angst.

Was sind psychische Störungen?(3) Klassifikation – DSM-IV Kriterien für eine Soziale Phobie

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Was sind psychische Störungen(3) Klassifikation - DSM

Beschreibung der Diagnosen in DSM umfasst • Hauptmerkmale• Nebenmerkmale• Differentialdiagnose

• Alter bei Beginn• Verlauf• Behinderungen• Prädisponierende Faktoren• Prävalenz• Geschlechtsverteilung

• Familiäre Häufung• Ansprechen auf Therapie

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Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.

Wie werden psychische Störungen klassifiziert? - Die ICDWie werden psychische Störungen klassifiziert? - Die ICD

• Seit den 40er Jahren koordiniert die Weltgesundheitsorganisation die Nomenklatur und diagnostische Klassifikation aller Erkrankungen (International Classification of Diseases – Revisionen ICD-1 bis 10)

• Ein Kapitel ist den psychischen Störungen (früher psychiatrische Erkrankungen und Verhaltensauffälligkeiten) vorbehalten

– Jede als klinisch bedeutsame Krankheit und Störung wird mit einer Nummer versehen. Früher numerisch z.B. 300.0 = Angstneurose, seit 1990 alphanumerisch (z.B. F für psychische Störung + Nummer, z.B. F41. für Andere Angststörungen. An den nachfolgenden Stellen können Unterformen kodiert werden, z.B. F41.1)

– Die Aktualisierung erfolgt alle 10-15 Jahre in einem langjährigen Expertenkonsensus-Prozess in dem alle Länder mitwirken und alle Länder sich einverstanden erklären müssen, d.h. – die ICD ändert sich in Abhängigkeit vom Erkenntnisprozess und dem internationalen Expertenkonsensus

• Aber die ICD ist eine reine Nomenklatur, gibt also keine expliziten Kriterien an, deshalb ist sie nicht zuverlässig. Deshalb wurde seit 1980 das DSM als für Forschung und Klinik verbindliches detailliertes, ICD kompatibles Werk eingeführt.

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Die ICD hat viele Facetten

Familie von ICD-10-Manualen, z. B.:• blaues Buch: grobe Charakteristik für die klinische Anwendung),• Grünes Buch: ICD-10-Forschungskriterien für Forschungszwecke• Braunes Buch: cross-over mit DSM-IV-TR• ICF: Classification of Functioning, Disability and Health (ICF; nicht

in deutscher Sprache),• ICHI: Classification of Health Interventions (nicht in deutscher

Sprache)

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Sie regelt international die NomenklaturFür statistische Zwecke

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Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.

Gliederung der ICD-10 (1/2)Gliederung der ICD-10 (1/2)

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F00-F09 Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen

F10-F19 Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen

F20-F29 Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen

F30-F39 Affektive Störungen

F40-F48 Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen

F50-F59 Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren

F60-F69 Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen

F70-F79 Intelligenzminderung

F80-F89 Entwicklungsstörungen

F90-F98 Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend

F99 Nicht näher bezeichnete psychische Störungen

Was sind psychische Störungen?ICD-10

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Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.

Diagnostische Klassifikation psychischer Störungen für Diagnostische Klassifikation psychischer Störungen für PsychologenPsychologen

Lerne das DSM Manual, um die expliziten Kriterien für psychische Störungen und ihre Ableitung zu kennenSetze dazu diagnostische Interviews ein, um die Zuverlässigkeit zu erhöhenVerschlüssele dann, über die ICD-F Nummern das Störungsbild

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Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.

Wie gehe ich bei psychischen Störungen vor?Wie gehe ich bei psychischen Störungen vor?

Ein praktikabler integrativer Ansatz

Von der Beobachtung über Befunderhebung zur diagnostischen Klassifikation psychischer Störungen

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So geht es leider nicht!

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Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.

Formen der Diagnostik bei psychischen StörungenFormen der Diagnostik bei psychischen Störungen

Klassifikatorische Diagnostik = Zuweisung von Diagnosen zum Symptomkomplex der Person

Die Regeln hierfür sind in der sogenannten Psychopathologie (der Lehre von psychischen Störungsphänomenen) festgelegt!

Funktionale Diagnostik = Bedingungsanalyse zur Mikroplanung der Indikation und Therapie

Prozessdiagnostik = Verlaufsmessung und Adaptation

Strukturdiagnostik = Zuweisung zu Typen von Behandlungskonstrukten

Diagnostisches Verhalten (z.B. Gesprächsführung)

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Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.

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Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.

Klassifikatorische Diagnostik bei psychischen Störungen Klassifikatorische Diagnostik bei psychischen Störungen auf der Grundlage der Psychopathologie: Definitionauf der Grundlage der Psychopathologie: Definition

Bestimmte Verhaltensaspekte (z.B. Klagen und Beschwerden des Patienten („sein Leiden“) physiologisch, verhaltensbezogen, kognitiv-affektiv) werden

über diagnostische Konventionen (= Nomenklatur/ Glossar) als diagnostisch relevante Symptome definiert

und dann aufgrund der Störungslehre (Nosologie) zunächst in Syndromenund dann über Zusatzannahmen (diagnostische Hierarchien/Differentialdiagnostik) zu Diagnosen verarbeitet.

Je besser und differenzierter die Merkmale und Kriterien explizit beschrieben sind, umso zuverlässiger sind sie beurteilbar!

Klassifikationssysteme sind nie ideal! (Konsensus)

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Dimensionen und Kriterien nach denen diagnostische Dimensionen und Kriterien nach denen diagnostische Kategorien gebildet werden könnenKategorien gebildet werden können

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Explizite BeschreibungExplizite BeschreibungWas differenziert Beschwerden von Symptomen?Was differenziert Beschwerden von Symptomen?

Statt dem unscharfen Begriff „klinisch relevanter“ Beschwerde ist es besser, die klinische Bedeutsamkeit zu spezifizieren - Kriterien:

Grad der Beeinträchtigung Schweregrad des LeidensPersistenzDauer

Merke! Die meisten psychopathologischen Merkmale sind dimensionalen Charakters

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Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.

Der klassifikatorisch-diagnostische ProzessDer klassifikatorisch-diagnostische Prozess

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Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.

Merke die Regel 1:Merke die Regel 1:Diagnosen sind Konstrukte!Diagnosen sind Konstrukte!

Menschen HABEN nicht eine psychische Störung,

sondern...

sie erfüllen die Kriterien einer psychischen Störung!

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Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.

Video-BeispielVideo-BeispielInduzierte PanikattackeInduzierte Panikattacke

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Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.

Angststörungen in DSM-IVAngststörungen in DSM-IV

PanikattackeAgoraphobiePanikstörung mit/ohne Agoraphobie Agoraphobie ohne Panikstörung in der VorgeschichteSpezifische PhobieSoziale PhobieZwangsstörungenPosttraumatische BelastungsstörungenAkute BelastungsstörungenGeneralisierte Angststörung aufgrund eines Medizinischen KrankheitsfaktorSubstanzinduzierte AngststörungNicht Näher Bezeichnete Angststörung

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Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.

Diagnostische Kriterien für die PanikattackeDiagnostische Kriterien für die Panikattacke

Beachte: Eine Panikattacke ist keine codierbare Störung. Codiert wird eine spezifische Diagnose, innerhalb der die Panikattacken auftreten.

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Diagnostische Kriterien Diagnostische Kriterien für die Panikstörungfür die Panikstörung

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Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.

Fallbeispiel: Eine Frau ohne eigenes LebenFallbeispiel: Eine Frau ohne eigenes Leben

Frau R. ist eine 34-jährige ledige Frau die zur Untersuchung kommt, weil sie seit dem Tod ihrer Mutter vor 3 Monaten nicht mehr zurechtkommt. Sie hatte immer bei den Eltern gelebt und seit dem Tod ihres Vaters vor 20 Jahren war die Beziehung zwischen ihr und ihrer Mutter besonders eng. Frau R. war schon immer schüchtern und hatte in sozialen Beziehungen Angst davor, barsch abgeurteilt, ausgelacht oder beschämt zu werden. Aus diesem Grunde hatte sie es ihrer Mutter überlassen, Dinge für sie zu erledigen oder sich für sie um Sozialkontakte zu kümmern. Ihre Mutter nahm alle Haushaltsangelegenheiten in die Hand, kümmerte sich um Handwerker, wählte ihre Kleidung aus und plante ihren Urlaub. Frau R. trifft keine Verabredungen und ist immer zu schüchtern gewesen, um auf Parties oder zu Verabredungen zu gehen, welche die Bekannten der Mutter für sie arrangiert hatten. Nie hatte Frau R. irgendeine Art von Romanze. Frau R. hat einen guten Freund, den sie seit der Volksschule kennt, und den sie als ihr sehr ähnlich beschreibt. An Wochenenden gehen sie in Secondhand‑Buchläden oder ins Kino. Außer diesem einen nahen Freund beschränkten sich Frau R's soziale Kontakte ausschließlich auf die Freunde der Mutter, die regelmäßig zum Kartenspielen kamen.Frau R. besuchte die Fachhochschule am Ort und nahm nach ihrem Abschluss in Bibliothekswissenschaften eine Stelle in der Stadtbibliothek an, die Freunde der Mutter Ihr besorgt hatten. Sie äußert große Unzufriedenheit in ihrer derzeitigen Arbeit, sehe sich aber außerstande, Vorstellungsgespräche zu führen, um eine neue Arbeitsstelle zu finden.

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Fallbeispiel: Eine Managerin im Kampf mit der Panik IFallbeispiel: Eine Managerin im Kampf mit der Panik IFrau B. ist eine 27-jährige Managerin, die seit 3 Jahren an Panikattacken leidet. Ihre erste Panikattacke trat plötzlich zu Hause beim Fernsehen auf. Etwa 3 Monate vorher war ihr Großvater väterlicherseits gestorben, und einen Monat vorher hatte sie ihre Hochzeit angekündigt. Bei Beginn der Panikattacke fühlte sie eine Art elektrischer Strom den Rücken hinaufschießen und erlebte intensive Angst. Ihr Herz raste, ihre Hände kribbelten und sie war völlig außer Atem. Es war ihr heiß, zittrig, sie war durcheinander und fest davon überzeugt, einen Schlaganfall zu bekommen und bald zu sterben.Obwohl sie kaum sprechen konnte, rief Frau B. sofort ihren Hausarzt an. Als der Hausarzt sie 10 Minuten später zurückrief, war ihre intensive Angst vorüber und die anderen Beschwerden hatten abgenommen, jedoch fühlte sie sich noch immer schwach und voller Angst. Eine anschließende gründliche körperliche Untersuchung ergab, dass sie eine gesunde junge Frau war mit niedrigem Blutdruck (100/60) und einem normalen Ruhepuls von 78 Schlägen/Minute. Festgestellt wurde ein leichtes Herzgeräusch. Echokardiographisch wurde ein Mitralklappenprolaps diagnostiziert. Die Laborwerte waren bis auf einen leicht erniedrigten Bicarbonatspiegel im Plasma unauffällig.Im Verlauf der nächsten Wochen hatte die Patientin fünf weitere Panikanfälle, die unerwartet in verschiedenen Situationen auftraten. Charakteristisch für diese Anfälle war das plötzlich einsetzende Gefühl, entlang der Wirbelsäule „elektrisiert" worden zu sein, Herzrasen, Benommenheit, Kribbeln in den Fingern, Angst verrückt zu werden, und ein Gefühl der Unwirklichkeit.Frau B. lies sich mit Benzodiazepinen behandeln, weigerte sich aber, den vom Hausarzt empfohlenen Psychiater aufzusuchen. Sie war davon überzeugt, dass Psychiater ihrer Mutter, die an einer Agoraphobie litt, nie geholfen hatten und ihr auch nicht helfen könnten und der Gang zum Psychiater der Beweis dafür wäre, dass sie tatsächlich „durchgedreht" ist. Um nicht zuzulassen, dass ihre Beschwerden ihr Leben beeinträchtigen, zwang sie sich weiter zur Arbeit zu gehen. ...

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Fallbeispiel: Eine Managerin im Kampf mit der Panik IIFallbeispiel: Eine Managerin im Kampf mit der Panik IIEinige Wochen später traten die Attacken zunehmend seltener und schwächer auf, aber Frau B. hatte im Verlauf der nächsten zwei Jahre mehrmals im Monat Panikattacken, die meistens auftraten, wenn sie in einem überfüllten Bus oder der U‑Bahn fuhr, auf einem Trimmrad saß, vor einer schwierigen zwischenmenschlichen Situation stand, oder nachts entspannt im Bett lag. Nachts wachte sie manchmal mitten in einer Panikattacke auf.Nachdem sie in der Arbeit befördert worden war, traten die Panikattacken wieder häufiger, bis zu mehrmals wöchentlich auf. Oft verbrachte sie 14 Stunden in der Arbeit, merkte aber zunehmend wie die Angst sie unsicher machte und ihre Leistung beeinträchtigte. Sie machte sich ständig Sorgen, dass ihre Leistungseinbußen bemerkt würden und sie gekündigt werde. Sie konnte ihren Chef nicht ausstehen und glaubte, dass er sie auch nicht leiden könne, wenngleich er ihre Beförderung vorgeschlagen hatte. Trotzdem sie sich in vollen Läden, Kinos und Restaurants oft unwohl fühlte, zwang sich Frau B. dorthin zu gehen; allerdings vermied sie es, mit der U‑Bahn und allein mit dem Auto durch ein Tunnel zu fahren.Frau B. arbeitet äußerst gewissenhaft und nimmt ihren Beruf sehr ernst. Im Umgang mit Kollegen ist sie freundlich aber distanziert und verachtet andere, die weniger sorgfältig sind und ihre Zeit mit Klatsch und Tratsch verschwenden oder ihre Privatangelegenheiten in der Arbeit erledigen. Obwohl sie verlobt ist und einige Freundinnen hat, ist sie eigentlich isoliert und trifft sich lieber mit niemand, aus Angst kritisiert und abgelehnt oder mit den Problemen anderer überlastet zu werden.Frau B. kommt zur Beratung, weil sich die Beschwerden verschlimmert haben, und ihr Verlobter etwas über neue Behandlungsmethoden für Panikstörungen gelesen hat. Am diagnostischen Gespräch scheint sie dennoch nur ungern teilzunehmen. Vorsichtig und misstrauisch beantwortet sie Fragen häufig mit „Wieso wollen Sie das wissen?". Auf Kritik scheint sie empfindlich zu reagieren und befürchtet, dass das Reden über ihre Probleme mit einem Therapeuten ihre Angst nur noch schlimmer macht.

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DifferentialdiagnostikDifferentialdiagnostikBeispiele aus DSM-IVBeispiele aus DSM-IV

Es gibt über 500 Diagnosen!

Gibt es logische und vereinfachte Handlungsanweisungen?

Ja - die DSM-IV Entscheidungsbäume

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Fallbeispiel: Eine Frau ohne eigenes LebenFallbeispiel: Eine Frau ohne eigenes Leben

Achse I: 300.23 Soziale PhobieV 62.82 Trauerfall

Achse II: 301.82 Vermeidend- selbstunsichere Persönlichkeitsstörung

301.6 dependente Persönlichkeitsstörung

Achse III: Gastritis, rezidivierend

Achse IV: Tod der Mutter

Achse V: GAF=60 (derzeit); 70(höchster Wert im vergangenen Jahr)

DSM-IV Diagnose (ICD-10 s. S. 253)

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Fallbeispiel: Eine Managerin im Kampf mit der PanikFallbeispiel: Eine Managerin im Kampf mit der Panik

Achse I: 300.01 Panikstörung ohne Agoraphobie

Achse II: Vermeidend- selbstunsichere und zwanghaftePersönlichkeitszüge

Achse III: 424.0 möglicher Mitralklappenprolaps

Achse IV: berufliche Beförderung, bevorstehende Heirat

Achse V: GAF=60 (derzeit); 85 (höchster Wert im vergangenen Jahr)

DSM-IV Diagnose (ICD-10 s. S. 240)

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Differentialdiagnose für Angststörungen (1/3)Differentialdiagnose für Angststörungen (1/3) Entscheidungsbäume zur Differentialdiagnose aus dem DSM-IV, S. 786-787

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Zum Umgang mit der neuen DiagnostikZum Umgang mit der neuen DiagnostikWie kann man das lernen?Wie kann man das lernen?

Kaufen: Buch oder PC-Version (Hogrefe)

Lesen: Einführung und Text zu häufigen Diagnosen

Durcharbeiten: Flussdiagramme zur Differentialdiagnostik

Überprüfen: mittels Fällen und Fallgeschichten (DSM-IV Fallbuch)

Einsatz von Instrumenten: DIA-X, CIDI, DIPS u.a.

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Warum ist eine formalisierte und standardisierte Diagnostik Warum ist eine formalisierte und standardisierte Diagnostik notwendig?notwendig?

Um reliable Diagnosen zu erstellen

Um besser kommunizieren zu können

Um sicherer den Patienten aufzuklären

Weil eine unstrukturierte klassifikatorische Diagnostik zu unsicher ist

Weil keiner die Diagnostik im Kopf hat

Qualitätssicherung

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Kritische Aspekte IKritische Aspekte I

Die klassifikatorische Diagnostik und ihre in den Klassifikationssystemen kodifizierten Regeln sind abhängig von wissenschaftlichen (Grundlagenforschung und klinische Forschung) und politischen Entscheidungen (Versicherung, Berufe)

Deshalb ändern sie sich auch mehr oder weniger in den Revisionen, die ca. alle 10 Jahre erfolgen

Sie sind also keine absolut feststehenden Konstrukte, sondern vorübergehende Konstruktionen

Es gibt Grenzen: Alle akuten schweren Störungen, die eine geordnete Kommunikation unmöglich machen (akute Psychosen, Demenz etc.)

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Kritische Aspekte IIKritische Aspekte II

Klassifikatorische Diagnostik ersetzt nicht Strukturdiagnostik (Persönlichkeit), Prozessdiagnostik (Verlauf) und verfahrensspezifische funktionale Diagnostik

Allerdings gibt es für viele Diagnosen eine direkte Beziehung zwischen Diagnose und differentieller Therapie-Indikation (Panikstörung, Agoraphobie, Soziale Phobie)

Die DSM-Diagnosen sind das Bindeglied zur wissenschaftlichen Literatur (Kommunikation)

Formalisierte (Instrumenten-)Diagnostik ist wegen des Umfangs moderner Klassifikationssysteme angeraten

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Diagnose = Therapie?Diagnose = Therapie?

Nein - die Indikation einer Therapie ist von vielen Rahmenbedingungen abhängig:

Zeit, Wissen und Können der TherapeutInnenKosten und MöglichkeitenFlankierende MaßnahmenKomorbidität und SchweregradKooperation

Aber: für viele Diagnosen stimmt diese Relation (z.B. Panikstörung)

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Prüfungsschwerpunkte IPrüfungsschwerpunkte I(Kapitel 1 und 2 des Lehrbuchs)

1. Was ist der Unterschied zwischen Klinischer Psychologie und Psychotherapie?

2. Was sind die wesentlichen Merkmale der neurobiologischen Perspektive bei psychischen Störungen?

3. Warum wird die Verhaltenstherapie als „genuin psychologisches Verfahren“ eingeordnet?

4. Was sind die wesentlichen Bausteine des Vulnerabilitäts- Stress-Modells?

5. Was verstehen wir unter einer operationalisierten Diagnostik? Erläutern Sie dis an einem Beispiel!

6. Auf welchen Grunddimensionen und nach welchen Merkmalen lassen sich psychische Störungen definieren?

7. Welche Arten von Diagnostik unterscheiden wir in der Klinischen Psychologie?

8. Was verstehen wir unter Differenzialdiagnostik?

9. Welche Achsen differenziert das DSM-IV im Rahmen der umfassenden Klassifikation?

10. Welches sind die allgemeinen und spezifischen Kriterien einer DSM-IV Persönlichkeitsstörung?

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Was sind psychische Störungen eigentlich?

Die Definition des Klassifikationssystems

DSM-IV TR