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KOSTENk lEiTSCHRIFTFO.!!:P ______________________ C _ontrolling Br Management ACCOUNTING & SYSTEM-ANWENDUNGEN Ent\Nicklungstendenzen im Controlling - Controlling-Audits© - Ergebnisse 1991-2001 Mirko Waniczek Die Planung hat sich von der Pflichtaufgabe zum akzeptier- ten Bestandteil der Unterneh- menssteuerung entwickelt. Die Kosten- und Leistungs- rechnung muss neue Aufga- ben erfUlien und wird im tra- ditionellen Bereich entfeinert. Das Berichtswesen ist relativ zu den Anforderungen noch immer zu schwach ausgebaut. Das Controlling ist nach wie vor nicht optimal fUr die Zusammenarbeit mit dem Management konfiguriert. Die IT-Unterstiitzung hinkt den stetig steigenden Anfor- derungen hinterher. 336 Mag. Mirko Waniczek ist Untemehmensberater bei Contrast Management- Consulting GmbH sowie Trainer des bsterreichi- schen Controller-Instituts. Seit 2001 als Manager verantwortlich fur die Produktbereiche Control- ling und Kostenma- nagement. Contrast Management-Consulting GmbH, BillrothstraBe 4, A-1l90 Wien, Tel.: +43-1- 3686888-410, Fax: +43- 1-3686888-555, E-Mail: mirko.waniczek@ contrast. at Contrast Management-Consulting fiihrt seit 10 Jahren Evaluierungen von Controlling- System en nach der gemeinsam mit dem Osterreichischen Controller-Institut ent- wickelten Methode Controlling-Audit© durch. Der Controlling-Audit© ermoglicht den Unternehmen eine Beurteilung des Aus- baugrades des Controlling das Erkennen von Steuerungsdefiziten sowie die Ablei- tung eines Stufenplanes zur Entwicklung eines unternehmensindividuell konfigu- rierten "Balanced Controlling" I. Die verdichteten Ergebnisse der Eva- luierungsprojekte lassen sowohl Verande- rungen im Ausbaugrad des Controlling als auch gewandelte Anforderungen an das Controlling erkennen 2 . Untersuchungsmethode Die dokumentierten Analyseergebnisse werden nach den Kernaufgabengebieten des Controlling, i.e. Planung Kosten- und Leistungsrechnung und Berichtswesen so- wie bzgl. der Controlling-Organisation und -Institution ausgewertet und im Zeitverlauf qualitativ verglichen. Die Aspekte der IT- Unterstutzung im Controlling werden im Zusammenhang mit den jeweiligen Auf- gabengebieten behandelt. Der Ausbaugrad des strategischen Controlling wird auf- grund der primar operativen Ausrichtung des Controlling-Audits© nur an der Schnitt- stelle zur operativen Planung tangiert. Er- ganzende Aufgaben im Controlling, z. B. Investitionsbeurteilung, Projekt- oder Be- teiligungscontrolling und betriebswirt- schaftliche Sonderaufgaben, werden im Zuge dieses Artikels nicht behandelt. Tendenzaussagen "Alles Menschliche geht den Weg yom Pri- mitiven uber das Komplizierte zum Ein- fachen." (Antoine de Saint-Exupery) Fur das Controlling ware diese Ent- wicklung wunschenswert und lasst sich auch vermehrt, z. B. im Zuge der Diskus- sion der Entfeinerung der Instrumente oder der Harmonisierungsbestrebungen zwi- schen internem und extern em Rechnungs- wesen, feststellen. Die Analyse im Zeitverlauf zeigt: Die betriebswirtschaftliche Theorie und Praxis klaffen weit auseinander. Der Entwick- lungsstand der Instrumente ist in der Theo- rie wesentlich hOher als in der Praxis. Die praktische Umsetzung erfolgt mit deutli- chern Zeitverzug und erreicht nur in selte- nen Fallen eine idealtypische Auspragung. Viele Konzepte bestehen aus unterschied- lichen Grunden den "Praxistest" nicht (s. Pkt. 3). Folgende Aussagen sollen ein Licht auf die Erkenntnisse werfen und nachfolgend detaillierter erlautert werden: Die Planung hat sich von der Ptlicht- aufgabe zum akzeptierten Bestandteil der Unternehmenssteuerung entwickelt. • Die Kosten- und Leistungsrechnung muss neue Aufgaben erfiillen und wird im traditionellen Bereich entfeinert. I Unter "Balanced Controlling" wird hierbei ein in den Dimensionen Inhalte (monetar-nicht mone- tar), Perspektive (operativ-strategisch), Ressour- cen (Kosten-Nutzen) und Kommunikation (Con- trolling und Management) ausgewogen gestalte- tes Controllingsystem verstanden. 2 Der Untersuchung liegen 20 auswertbare Con- trolling-Audits v. a. osterreichischer Untemehmen zugrunde. Die GroBe dieser Unternehmen liegt zwischen 6 und 647 Mio. EUR Umsatz bzw. 70 und 7.400 Mitarbeiter. Ein Branchenschwer- punkt besteht nicht. krp-Kostenrechnungspraxis, 45. Jg., 2001, H. 6

Entwicklungstendenzen im Controlling — Controlling-Audits© — Ergebnisse 1991–2001

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KOSTENk RECH~~ lEiTSCHRIFTFO.!!:P ~ ______________________ C_ontrolling Br Management

ACCOUNTING & SYSTEM-ANWENDUNGEN

Ent\Nicklungstendenzen im Controlling -Controlling-Audits© - Ergebnisse 1991-2001

Mirko Waniczek

~ Die Planung hat sich von der Pflichtaufgabe zum akzeptier­ten Bestandteil der Unterneh­menssteuerung entwickelt. Die Kosten- und Leistungs­rechnung muss neue Aufga­ben erfUlien und wird im tra­ditionellen Bereich entfeinert.

~ Das Berichtswesen ist relativ zu den Anforderungen noch immer zu schwach ausgebaut.

~ Das Controlling ist nach wie vor nicht optimal fUr die Zusammenarbeit mit dem Management konfiguriert.

~ Die IT-Unterstiitzung hinkt den stetig steigenden Anfor­derungen hinterher.

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Mag. Mirko Waniczek ist Untemehmensberater bei Contrast Management­Consulting GmbH sowie Trainer des bsterreichi­schen Controller-Instituts. Seit 2001 als Manager verantwortlich fur die Produktbereiche Control­ling und Kostenma­nagement. Contrast Management-Consulting GmbH, BillrothstraBe 4, A-1l90 Wien, Tel.: +43-1-3686888-410, Fax: +43-1-3686888-555, E-Mail: mirko.waniczek@ contrast. at

Contrast Management-Consulting fiihrt seit 10 Jahren Evaluierungen von Controlling­System en nach der gemeinsam mit dem Osterreichischen Controller-Institut ent­wickelten Methode Controlling-Audit© durch.

Der Controlling-Audit© ermoglicht den Unternehmen eine Beurteilung des Aus­baugrades des Controlling das Erkennen von Steuerungsdefiziten sowie die Ablei­tung eines Stufenplanes zur Entwicklung eines unternehmensindividuell konfigu­rierten "Balanced Controlling" I.

Die verdichteten Ergebnisse der Eva­luierungsprojekte lassen sowohl Verande­rungen im Ausbaugrad des Controlling als auch gewandelte Anforderungen an das Controlling erkennen2.

Untersuchungsmethode

Die dokumentierten Analyseergebnisse werden nach den Kernaufgabengebieten des Controlling, i.e. Planung Kosten- und Leistungsrechnung und Berichtswesen so­wie bzgl. der Controlling-Organisation und -Institution ausgewertet und im Zeitverlauf qualitativ verglichen. Die Aspekte der IT­Unterstutzung im Controlling werden im Zusammenhang mit den jeweiligen Auf­gabengebieten behandelt. Der Ausbaugrad des strategischen Controlling wird auf­grund der primar operativen Ausrichtung des Controlling-Audits© nur an der Schnitt­stelle zur operativen Planung tangiert. Er­ganzende Aufgaben im Controlling, z. B. Investitionsbeurteilung, Projekt- oder Be­teiligungscontrolling und betriebswirt­schaftliche Sonderaufgaben, werden im Zuge dieses Artikels nicht behandelt.

Tendenzaussagen

"Alles Menschliche geht den Weg yom Pri­mitiven uber das Komplizierte zum Ein­fachen." (Antoine de Saint-Exupery)

Fur das Controlling ware diese Ent­wicklung wunschenswert und lasst sich auch vermehrt, z. B. im Zuge der Diskus­sion der Entfeinerung der Instrumente oder der Harmonisierungsbestrebungen zwi­schen internem und extern em Rechnungs­wesen, feststellen.

Die Analyse im Zeitverlauf zeigt: Die betriebswirtschaftliche Theorie und Praxis klaffen weit auseinander. Der Entwick­lungsstand der Instrumente ist in der Theo­rie wesentlich hOher als in der Praxis. Die praktische Umsetzung erfolgt mit deutli­chern Zeitverzug und erreicht nur in selte­nen Fallen eine idealtypische Auspragung. Viele Konzepte bestehen aus unterschied­lichen Grunden den "Praxistest" nicht (s. Pkt. 3).

Folgende Aussagen sollen ein Licht auf die Erkenntnisse werfen und nachfolgend detaillierter erlautert werden: • Die Planung hat sich von der Ptlicht­

aufgabe zum akzeptierten Bestandteil der Unternehmenssteuerung entwickelt.

• Die Kosten- und Leistungsrechnung muss neue Aufgaben erfiillen und wird im traditionellen Bereich entfeinert.

I Unter "Balanced Controlling" wird hierbei ein in den Dimensionen Inhalte (monetar-nicht mone­tar), Perspektive (operativ-strategisch), Ressour­cen (Kosten-Nutzen) und Kommunikation (Con­trolling und Management) ausgewogen gestalte­tes Controllingsystem verstanden.

2 Der Untersuchung liegen 20 auswertbare Con­trolling-Audits v. a. osterreichischer Untemehmen zugrunde. Die GroBe dieser Unternehmen liegt zwischen 6 und 647 Mio. EUR Umsatz bzw. 70 und 7.400 Mitarbeiter. Ein Branchenschwer­punkt besteht nicht.

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Entwicklungstendenzen im Controlling - Controlling Audits© - Ergebnisse 1991-2001

• Das Berichtswesen ist relativ zu den An­forderungen noch immer zu schwach ausgebaut.

• Das Controlling ist nach wie vor nicht optimal fiir die Zusammenarbeit mit dem Management konfiguriert.

• Die IT-Unterstutzung hinkt den stetig steigenden Anforderungen hinterher.

Entwicklungen in der Planung

Die Uberprufung des Ausbaugrades der strategischen Planung und deren Vernet­zung mit der operativen Planung ergibt ein emuchtemdes Bild. Die uberwiegende An­zahl der Untemehmen hat keine bzw. kei­ne formalisierte und dokumentierte stra­tegische Planung. Damit hangt automatisch das operative Steuerungsinstrumentarium "in der Luft". In den Audits der letzten 3 bis 5 Jahre l11sst sich eine Verbesserung er­kennen. Dies ist umso erfreulicher, als an­scheinend trotz turbulenterer Umwelt und hoherer Marktdynamik die strategische und operative Planungskultur und -qualitat steigt.

Die Integration der Planung, d. h. die Verknupfung der einzelnen Teilpl11ne (Ab­satz und Umsatz, Produktion, Einkauf, In­vestitionen, ... ) verbessert sich ebenfalls. Eine integrierte Planung im Sinne der Ver­knupfung von Leistungsbudget, Finanzplan und Planbilanz fehlt h1iufig, da nur das Leistungsbudget erstellt wird. Eine ausge­pragte Finanzplanung ist vergleichsweise am seltensten zu fmden.

Die Budgetierung erfolgt mittlerweile fast fl11chendeckend analytisch. Fortschrei­bungen reduzieren sich auf jene Bereiche, in denen sie zul11ssig sind (z. B. absehbare Personalkostensteigerungen bei gleich­bleibender Kapazitat). Die mangelnde Pla­nung nicht-monetarer Werte stellt noch im­mer eine Schwachstelle dar.

Die Detaillierung der Planung nahert sich einem handhabbaren Niveau. In der Absatzplanung werden meist Artikel­gruppen oder Vertriebskanale geplant, die Kostenplanung erfolgt kostenarten-(grup­pen-)weise auf Kostenstellen. In den ver­gangenen Jahren wurde zum einen zu de­tailliert (z. B. Planung aufEbene einzelner Artikel bei breitem Leistungsspektrum bzw. Sachkostenplanung auf Ebene der

Problemfelder Entwicklung Bewertung

Vernetzung strategischer Erst in den letzten Jahren verstarkt systematisch +

und operativer Planung vorhanden

Integration der Integration der Teilplane ab Mitte der gOer;

operativen Planung Integration Leistungsbudget-Finanzplan-Planbilanz + fehlt haufig noch

Budgetierung Kaum noch Fortschreibungen feststellbar;

(Datenherkunft) analytische Planung, allerdings primar monetarer ++ Werte, dominiert

Detaillierungsniveau Annaherung an eine "sinnvolle" Detaillierung,

+ allerdings Dominanz der Gesamtjahresplanung

Erwartungsrechnung Erwartungsrechnung fehlt oder wird zu pragmatisch -betrieben

Top-Down-Orientierung, Koordinationsprobleme Planungsprozess und zentrale KOrzungen nehmen ab; +

das Gegenstromprinzip wird verstl:lrkt angewendet

EDV-UnterstOtzung EDV-UnterstOtzung noch immer mangel haft -Abbildung 1: Uberblick Planung - Die Bewertung erfolgt nach folgendem Schema: ++

im Untersuchungszeitraum stark verbessert, + verbessert, ~ unverandert. Verschlechterungen wurden keine festgestellt. Die Bewertung versucht zwischenzeitlich gestiegene Anforderungen zu beriicksichtigen.

Einzelkostenarten bzw. Finanzbuchhal­tungskonten), zum anderen zu grob geplant (z. B. Kostenplanung von Kostenstellen­gruppen). Entwicklungsbedarf ist weiter­hin in der zeitlichen Detaillierung gegeben. Die Gesamtjahresplanung und damit die Praxis der Aliquotierung der Monatsplane dominiert.

Die Erwartungsrechnung setzt sich bis­lang noch nicht ausreichend durch. Unter dem Schlagwort "Forecasting" verstecken sich h1iufig simple Hochrechnungen oder Erganzungen der Istwerte mit dem Rest­plan, die die Qualitat der Untemehmens­steuerung nicht verbessem. Aus einem spurbaren Trend zur rollierenden Planung wird eine Verbesserung erwartet.

Der Planungsprozess scheint eine Ent­wicklung von einer zentral dominierten Planung uber eine Planung nach einem un­vollstandigen Gegenstromprinzip (nur ei­ne Schleife Top-down-Bottom-up bzw. nur Bottom-up) zu einer vollstandig iterativen Planung zu nehmen. Akzeptanzmindemde zentrale Kiirzungen werden seltener, bes­ser akzeptierte Knetungsgesprache dafiir hiiufiger umgesetzt.

In den vergangenen Jahren wurde eine Reihe von Standard-Tools zur EDV-tech­nischen Unterstiitzung der Planung ent­wickelt. Deren praktischer Einsatz lasst an Breite und Tiefe noch zu wunschen ubrig.

Die Planung ist noch immer und noch aus­gepragter als das Berichtswesen eine MS­Office-Domane (Excel oder Access). Da­ten werden vielfach in weiterer Folge uber Schnittstellen oder manuell in ERP-Lo­sungen ubertragen. Simulationen oder Sen­sitivitatsanalysen sind damit in der Praxis sehr selten bzw. auf enge Teilbereiche be­schrankt.

Entwicklungen in der Kosten- und Leistungs­rechnung

Die Kosten- und Leistungsrechnung spie­gelt am starksten Branchenspezifika wider. Die Analyseergebnisse sind daher mit be­sonderer Vorsicht zu interpretieren.

Die zu Beginn der 90er Jahre audi­tierten Untemehmen weisen einen einge­schrankten Funktionsumfang auf. Die Kostentragerrechnung war in der Regel nicht oder nur unzureichend ausgebaut. Diese Problematik trat Mufig im Zusam­menhang mit der Auspragungals Ist-Kos­tenrechnung auf. Die Kostentragerergeb­nisse waren - soweit vorhanden - damit fiir die Steuerung kaum brauchbar. In Ver­bindung mit der verbesserten Planungs-

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Mirko Waniczek

Problemfelder Entwicklung Bewertung

Funktionsumfang Kostenarten- und Kostenstellenrechnung als (Kostenarten, Kosten- Standard; Kostentragerrechnung haufig problema- + stellen, Kostentrager) tisch; kaum noch gravierende Strukturprobleme

Auspragung Plankostenrechnung setzt sich durch ++

(Ist-, Plankosten)

Kostenspaltung (Voll-, Kostenspaltung erfolgt meist pragmatisch +

Teilkosten)

Umlagen und interne 1m Regelfall unbefriedigend gelost -Leistungsverrechnung

Detaillierungsniveau Verstarkter Fokus auf Handhabbarkeit; abnehmende Bedeutung kalkulatorischer Kosten

+

EDV in der Regel kein Engpass mehr, aber EDV-Unterstutzung brachliegende Funktionalitaten feststellbar; +

noch immer heterogene Systemlandschaft

Abbildung 2: Uberblick Kosten- und Leistungsrechnung

Problemfelder Entwicklung Bewertung

Inhalte Wenig adressatengerecht; zu geringer Anteil nicht -monetarer Information

Frequenz Selektive Intervalle mit Schwerpunkt Monats-berichtswesen

+

Medium Papier noch zu selten substituiert -Kommunikation

Die Datensammlung dominiert noch immer gegenuber den wertschopfenden Tatigkeiten; -und Interpretation Abweichungsanalyse zu wenig intensiv

Erstellungsprozess Problematische Zeitnahe; durch Balanced Scorecard -wieder hoherer manueller Anteil

EDV-Unterstotzung Berichtswesen ist noch immer MS-Office-Domane -Abbildung 3: Uberblick Berichtswesen

kultur, daraus abgeleitet der Entwicklung in Richtung der Plankostenrechnung, wurden auch auf dem Gebiet der Kosten­tragerrechnung Fortschritte erzielt. Ange­sichts der Tatsache, dass die primar fUr Produktionsuntemehmen geeignete Grenz­plankostenrechnung als am hochsten aus­gebaute Form der Kosten- und Leistungs­rechnung bereits seit den frtihen 50er Jah­ren theoretisch fundiert ist, zeigt sich, wie sehr die Praxis bisweilen auch in der Um­setzung sinnvoller Instrumente zUrUck­hangt.

• Kostenarten, die detaillierter sind als Finanzbuchhaltungskonten,

In der Vergangenheit anzutreffende Strukturprobleme, etwa • zu aggregierte Kostenstellenstrukturen • Kostenstellenstrukturen, die nicht mit

der Organisationstruktur korrespondie­ren

• Kostenarten, die organisatorische Merk­male abbilden, oder

sind kaum noch anzutreffen. Es ist festzustellen, dass die Kosten­

spaltung nach wie vor pragmatisch ge­handhabt wird. Kosten werden entweder als 100 % fix oder 100 % variabel betrach­tet, eine analytische Spaltung und der Ein­satz von Variatoren sind auBert selten.

Einen Schwachpunkt, der auch im Zeit­verlaufkeine Verbesserung erkennen lasst, stellen Umlagen und interne Leistungsver­rechnungen dar. Folgende Probleme wer­den festgestellt: • Aus pragmatischen Grunden werden zu

haufig Umlagen anstelle von Leistungs­verrechnungen eingesetzt.

• In der Planung wird die vollstandige Entlastung der Kostenstellen unabhan­gig von der Kapazitats- und Auslas­tungssituation postuliert.

• Der Tarif als monetarer Wert der Leis­tung unterstiitzt das Steuerungsziel (z. B. Realisierung einer Profit-Center-Be­trachtung) nicht.

• Wesentliche Leistungsbeziehungen wer­den vemachlassigt

• Unwichtige bzw. vage Leistungsbezie­hungen ("Die Verwaltung ist fUr alle da.") werden abgebildet.

Gesamthaft betrachtet bewegt sich die Kosten- und Leistungsrechnung ahnlich der Planung auf ein sinnvoll handhabba­res Detaillierungsniveau zu. Enorm detail­lierte Konten- und Kostenartenplane oder Kostenstellenstrukturen werden entfeinert, wesentliche Kostenblocke dafUr intensiver analysiert. Die Bedeutung, die kalkulato­rischen Kosten beigemessen wird, nimmt abo Vielfach stellt der Einsatz kalkulato­rischer Abschreibungen unter alleiniger Veranderung des Abschreibungszeitrau­mes die einzige kalkulatorische Position dar.

War zu Beginn der 90er Jahre die EDV­Unterstiitzung haufig noch ein Engpass (z. B. unzulangliche Moglichkeiten zur Abbildung der Kostentragerrechnung), so gilt dies fUr die jiingere Vergangenheit nicht mehr. Es ist eher festzustellen, dass die im Bereich der Kosten- und Leistungsrech­nung im Allgemeinen gute Software­Unterstiitzung in den Untemehmen in zu geringem AusmaB genutzt wird. Die EDV­Landschaft ist meist noch immer sehr hete­rogen, d. h. die Kosten- und Leistungs­rechnung und in weiterer Folge das Be­richtswesen sind auf Daten aus einer Rei­he unterschiedlicher Vorsysteme angewie­sen.

Entwicklungen im Bereich Berichtswesen

Bei aller Vorsicht der Interpretation scheint es, als ob das Berichtswesen trotz einer be­reits in den 60er Jahren begonnenen MIS­Diskussion nach wie vor die groBten Schwachstellen in der Erftillung der An­forderungen hat.

Die Inhalte sind noch immer zu stark angebotsorientiert ("Welche Daten haben wir?") und zu wenig bedarfsorientiert ("Welche Daten werden benotigt?"). Es lassen sich, abgeleitet aus der Weiter­entwicklung der Kostenrechnung, Ver-

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Entwicklungstendenzen im Controlling - Controlling Audits~ - Ergebnisse 1991-2001

besserungen feststellen. Teilweise werden aber die verbesserten Basisdaten durch mangelhafte adressatengerechte Aufbe­reitung nicht genutzt. Unterschiedliche Berichtssichten, etwa nach Produkten oder Kunden, sind meist nur umsatz-, nicht aber DB-orientiert verfiigbar. Die Anforderungen sind, getrieben durch die Orientierung an einem mehrdimensiona­len Performance Management, deutlich tiber das Leistungsniveau des Berichts­wesens gestiegen.

War zu Beginn der 90er Jahre noch hiiu­fig ein Quartalsberichtswesen festzustel­len, so setzt sich mittlerweile der Monat als Standard-Frequenz durch. Das Berichtsin­tervall wird selektiver eingesetzt (z. B. tag­liche Umsatzstatistik, aber nur quartals­weise Bilanz).

Papier ist als Medium auBerhalb eines eingeschrankten Kreises an Power-Usern offensichtlich noch durch nichts zu erset­zen. Die Verteilung der Berichte wird durch E-Mail oder Web-Technologie moderni­siert, im Regelfall steht dam it noch keine Online-Analyse oder Moglichkeit zum ver­besserten Selbstcontrolling zur Verrugung.

Das groBte - und noch immer be­stehende - Manko im Berichtswesen ist die mangelnde Analyse und Interpretation der Abweichungen und die Kommuni­kation zwischen Controlling und Ma­nagement tiber die Berichtsinhalte. Das Controlling muss noch immer zu vie I Zeit rur unintelligente Tatigkeiten wie Daten­sammlung, -prtifung und -aufbereitung aufwenden. Ftir wertschOpfende Tatig­keiten, wie Abweichungsanalyse oder Be­ratung des Managements, bleibt meist zu wenig Zeit.

Der Erstellungsprozess ist meistens nur im Kernbereich, etwa dem reinen ErlOs­oder Kostenstellenberichtswesen, automa­tisiert. Das Mehr an Steuerungsrelevanz, das die Balanced Scorecard bietet, wird meist mit hoherem manuellen Erstellungs­aufwand erkauft.

Das Berichtswesen weist im Vergleich zur Planung eine bessere EDV-technische Unterstii tzung mit dezidierten Tools auf, dennoch ist MS-Excel als Werkzeug bzw. als Front-End tiber einem MIS-Tool domi­nant. Eine Gefahr ist in dem Wunsch nach Vollautomatisierung des Berichtswesens und einer unselektiven Selbstbedienung der Mitarbeiter im "Datensupermarkt" zu se­hen. Das Controlling wtirde dadurch von seinen Kunden abgeschnitten.

Problemfelder Entwicklung Bewertung

Organisatorische Controlling idR als eigenstandige organisatorische

Verankerung Einheit; verstarktes Dotted-Line-Prinzip bei ++

dezentralem Controlling

Aufgabenwahrnehmung "Untypische" Aufgabenverteilungen noch immer -feststellbar

Ressourcenausstattung Anforderungen wachsen starker als -Ressourcenausstattung

Zusammenarbeit von Management Das Partnering ist noch nicht optimal -und Controlling

Abbildung 4: Uberblick Organisation und Institution

Entwicklungen in der Organisation und Institutionalisierung

Die organisatorische Verankerung des Controlling ist in praktisch allen in den letzten 5 Jahren auditierten Unternehmen als gut zu bezeichnen. Vor ca. 10 Jahren war im Mittelstand ein hiiufig anzutreffen­des Bild, dass das Controlling ein organi-

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satorisches Anhiingsel anderer administra­tiver Abteilungen, meist des Finanz- und Rechnungswesens, darstellte. Auch die In­stallation und Anbindung dezentraler Con­trollingstellen ist in der Regel mittlerwei­Ie tiber ein Dotted-Line-Prinzip gut gelost.

Kritischer ist die Aufgabenwahrneh­mung zu sehen. Der Controller war fiiiher, meist aufgrund der internen Besetzung dieser Stelle, mit einer Reihe untypischer Aufgaben, z. B. im Bereich der allgemei-

nen Verwaltung, betraut. Solche Konstel­lationen sind nunmehr selten zu finden. Es lassen sich aber noch immer untypische Aufgabenwahrnehmungen feststellen, die daher rUhren, dass es einigen Unterneh­men noch nicht gelungen ist, aIle Con­trollingtatigkeiten auch im Controlling zu btindeln (z. B. eigene Planungsabteilun­gen oder auf Fachabteilungen verteiltes Berichtswesen).

Die Ressourcenausstattungerscheint im Allgemeinen als eher knapp bemessen. Dies bedeutet aber nicht, dass die Kosten­Nutzen-Relation aus Sicht des Manage­ments stimmt. Das Controlling leidet, wie beim Berichtswesen erwahnt, unter einer hohen Belastung mit nicht-wertschopfen­den und daher auch rur das Management wenig Nutzen stiftenden Tatigkeiten. Neue Anforderungen konnen vielfach nicht oder nur unzureichend befriedigt werden.

Die Zusammenarbeit von Management und Controlling erscheint verbesserungs­wtirdig. Mehrere Faktoren spiegeln sich hier wider: • Die EDV-Unterstiitzung lasst den er­

hofften Grad der Automatisierung von RoutineUltigkeiten (noch) nicht zu.

• Neue Anforderungen werden gestellt, ohne auf Altes verzichten zu wollen oder die Ressourcen aufzustocken.

• Ein falsch verstandenes Selbstcontrol­ling schneidet das Controlling von sei­nen Kunden abo

In bsterreich gibt es ein Sprichwort: "Beim Reden kommen die Leute zusammen." Diese Zielsetzung muss auch das Partne­ring zwischen Management und Control­ling verfolgen. Die intensive Diskussion des Berichtsergebnisses ist mindestens so wichtig wie die effiziente und effektive Verteilung der Information.

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Mirko Waniczek

Instrument Intensive Praktische theoretische Verbreitung Diskussion

seit

Prozess- Mitte BOer niedrig - mittel kosten-rechnung

Target Anfang gOer niedrig Costing

Life-Cycle- Anfang gOer niedrig Costing

Wert- Anfang gOer niedrig - mittel orientierte Ansatze

Balanced Mitte gOer mittel - hoch Scorecard

Einflussfaktoren auf die praktische Verbreitung

+ positiv - negativ

+ Steigendes Kostenbewusstsein in "indirekten" Bereichen

+ Steigende Bedeutung des Dienstleistungs-sektors

- Mangelnde EDV-technische Unterstotzung v. a. in Mittelstands-ERP-LOsungen

- Bedenken, 2 "parallele" Kostenrechnungs-systeme zu fiihren

- Problematische Kosten-Nutzen-Einschatzung im Mittelstand

- Theoriestreit verunsichert Praktiker

- Festhalten an alten Kalkulations-mechanismen

- Breite und Kurzlebigkeit des Leistungs-spektrums lassen Target Costing als zu aufwandig erscheinen

- Dominanz kurzfristiger Ergebnisoptimierung - Mangelndes Verstandnis fOr Barwert-

methoden - Probleme, das Life-Cycle-Stadium

zu beurteilen

+ Aligemeiner Trend zur Strategie-quantifizierung

+ Steigende Bedeutung der Finanzierung Ober Kapitalmarkte

- Dominanz kurzfristiger Ergebnisoptimierung - Polemische Offentliche Diskussion lasst

niedrige Akzeptanz im Gesamtunternehmen befOrchten

- Methodenvielfalt - Spezifische Eignung einzelner Methoden

+ Hohe intuitive Verstandlichkeit - Hohe Anforderungen an die Datenbereit-

stellung - Software-Investitionskosten

EDV-technische Unterstfitzung. ERP-Lo­sungen wie SAP Rl3 haben dieses Problem mittlerweile befriedigend gelost. Der Uber­gang von Prozessanalysen im Sinne von Einmalkostenrechnungen zu einem ver­mehrten permanenten Einsatz wird erwar­tet.

Die starkere Verbreitung von Target Costing und Life-Cycle-Costing ist derzeit noch offen. Injenen Branchen, fOr die die­se Konzepte entwickelt wurden (z. B. Au­tomobilindustrie) wird der Einsatz verfei­nert werden. Ein neuer Entwicklungsschub des Life-Cycle-Costing konnte aus dem verstarkten Einsatz von CRM-Systemen und der zunehmenden Kundenwertorien­tierung kommen.

Wertorientierte Ansatze, v. a. jene, die flir operative Zwecke, z. B. Vergfitungs­modelle geeignet sind (z. B. Economic Value Added), werden weiter an Bedeu­tung gewinnen.

Wurde eingangs der unterschiedliche Ausbaugrad bzw. Zeitverzug zwischen Theorie und Praxis angesprochen, so ist die Balanced Scorecard ein eindrucksvolles Gegenbeispiel fOr den berechtigten und ra­schen Erfolg eines praxistauglichen Steue­rungsinstrumentariums.

Fazit

Abbildung 5: Verbreitung neuerer Instrumente

Neue Anforderungen werden an das Con­trolling herangetragen und konnen nicht sofort zur Zufriedenheit der intemen Kun­den gelDst werden. Dies wird auch in Zu­kunft nicht anders sein. Die Controlling­Basis scheint in den Bereichen Planung und Kosten- und Leistungsrechnung zu­nehmend einen befriedigenden Stand zu erreichen. Handlungsbedarf ist in den Be­reichen Berichtswesen und Partnering mit dem Management gegeben. Es muss vor­rangiges Interesse des Controlling sein, diese Probleme zu lDsen, da die Leistung des Controlling primar an der Adressaten­gerechtheit des Berichtswesens gem essen wird.

"Moderne" I nstru mente

Wo bleiben aber die neuen Instrumente? Schlagworte wie "Balanced Scorecard", "Shareholder Value" oder "Prozesskosten­rechnung" dominierten die Diskussion der letzten Jahre. Die meisten dieser "moder­nen" Instrumente lassen sich in der der Un­tersuchung zugrundeliegenden Untemeh­menspraxis nur in Einzelfallen nachweisen. Dies mag daran liegen, dass die auditierten Untemehmen meist das Geflihl haben, ihr Controlling sei nicht ausreichend ausge-

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baut. Diese Untemehmen sind in der Re­gel keine Vorreiter im Einsatz neuerer In­strumente. Daruber hinaus eignen sich manche Instrumente erst ab einer gewissen UntemehmensgroBe oder in einzelnen Branchen.

Nachstehende Aufstellung versucht fiber diese Erklarungsansatze hinausgehend zu beleuchten, warum die praktische Umset­zung neuerer Controlling-Instrumente der theoretischen Diskussion hinterherhinkt bzw. die praktische Verbreitung unbefrie­digend ist.

Ein wesentliches Manko der Prozess­kostenrechnung war deren mangelnde

Der Controlling-Audit© stellt die Basis flir ein Leistungssteigerungsprojekt im Controlling dar, mit dem die Entwick­lungslficken zu einem "Balanced Control­ling" geschlossen werden.

Mirko Waniczek krp

krp-Kostenrechnungspraxis, 45. Jg., 2001, H. 6