5
Enzymatische Funktionalisierung von Kollagen für medizinische Anwendungen Dr. Michaela Schröpfer 1) , Dr. Michael Meyer 1 , Prof. Dr. Wolfgang Frieß 2 , Prof. Dr. Georg Gübitz 3 , Dr. Gre- gory Nolens 4 1 Forschungsinstitut für Leder und Kunststoffbahnen Freiberg/ Sachsen - FILK, Deutschland 2 Ludwig-Maximilians Universität München, Department Pharmazie, Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie, Deutschland 3 Technische Universität Graz, Institut für Umweltbiotechnologie, Österreich 4 Centexbel, Belgian Texti le Research Centre, Verviers, Belgien Hintergrund Als signifikanter Faseranteil vieler Körperstrukturen erfreut sich Kollagen sehr großer Beliebtheit im Sinne eines Biomaterials für parenterale Arzneistoffträger, Wundheilung, poröse Gerüste für zelluläres Wachstum und Ausgangsmaterial für das Tissue Engineering. Neben hervorragender Biokompatibilität und Bioabbaubarkeit weisen viele kollagenbasierte Materialien leider auch Nachteil e auf. So zeigen sie vor allem in der feuchten Umgebung bei Körpertemperatur einen signifikanten Verlust an mechanischer Stabilität. Infolge der starken Wasseraufnahme durch das hydrophile Polymer werden wiederum inkorporierte Arzneistoffe rasch abgegeben. Abbildung 1: Durch enzymatische Funktionalisierung können Kollagenfasern untereinander querver- netzt und Signalproteine kovalent gebunden werden.

Enzymatische Funktionalisierung von Kollagen für medizinische … · 2014-09-08 · sinase, verschiedene Laccasen und Galactoseoxidase; als Substratmoleküle dienten Catechin, Chlorogensäure

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Enzymatische Funktionalisierung von Kollagen für medizinische … · 2014-09-08 · sinase, verschiedene Laccasen und Galactoseoxidase; als Substratmoleküle dienten Catechin, Chlorogensäure

Enzymatische Funktionalisierung von Kollagen für medizinische Anwendungen

Dr. Michaela Schröpfer1), Dr. Michael Meyer1, Prof. Dr. Wolfgang Frieß2, Prof. Dr. Georg Gübitz3, Dr. Gre-gory Nolens4

1 Forschungsinstitut für Leder und Kunststoffbahnen Freiberg/Sachsen - FILK, Deutschland2 Ludwig-Maximilians Universität München, Department Pharmazie, Pharmazeutische Technologie undBiopharmazie, Deutschland3 Technische Universität Graz, Institut für Umweltbiotechnologie, Österreich4 Centexbel, Belgian Textile Research Centre, Verviers, Belgien

Hintergrund

Als signifikanter Faseranteil vieler Körperstrukturen erfreut sich Kollagen sehr großer Beliebtheitim Sinne eines Biomaterials für parenterale Arzneistoffträger, Wundheilung, poröse Gerüste fürzelluläres Wachstum und Ausgangsmaterial für das Tissue Engineering. Neben hervorragenderBiokompatibilität und Bioabbaubarkeit weisen viele kollagenbasierte Materialien leider auchNachteile auf. So zeigen sie vor allem in der feuchten Umgebung bei Körpertemperatur einensignifikanten Verlust an mechanischer Stabilität. Infolge der starken Wasseraufnahme durch dashydrophile Polymer werden wiederum inkorporierte Arzneistoffe rasch abgegeben.

Abbildung 1: Durch enzymatische Funktionalisierung können Kollagenfasern untereinander querver-netzt und Signalproteine kovalent gebunden werden.

Page 2: Enzymatische Funktionalisierung von Kollagen für medizinische … · 2014-09-08 · sinase, verschiedene Laccasen und Galactoseoxidase; als Substratmoleküle dienten Catechin, Chlorogensäure

Diese Nachteile können zumindest teilweise durch enzymatische Modifikationen des Kollagen-materials für medizinische Anwendungen aufgehoben werden. Die Enzyme sollten dabei Quer-vernetzungen im Kollagen induzieren, welche dem Material eine höhere Widerstandsfähigkeitgegenüber thermischem, mechanischem und enzymatischem Abbau verleihen. Als zweites Zielsollten globuläre Signalproteine, speziell Zytokine, kovalent an kollagenes Material gekoppeltwerden (s. Abbildung 1). Dies ist von Vorteil, wenn für biomedizinische Zwecke nicht nur einbloßer Volumenersatz des humanen Gewebes angestrebt wird, sondern auch die körpereigeneGeweberegeneration durch die entsprechenden Zytokine angeregt werden soll. Durch die kova-lente Koppelung wird eine lokale Fixierung erreicht, der den unter normalen Umständen schnel-len Abtransport verhindert und das Zytokin vor Inaktivierung durch körpereigene Abbauprozessebewahrt. Dennoch muss das Zytokin noch in der Lage sein, im gekoppelten Zustand seine Wir-kung an Rezeptoren zu entfalten (s. Abbildung 2).

Abbildung 2: Angewendet im Bereich des Tissue Engineerings dient das quervernetze und funktionali-sierte Kollagenmaterial als Träger für die Geweberegeneration.

Die üblicherweise benutzten chemischen Vernetzer, wie z.B. Aldehyde oder 1-Ethyl-3-[3-dimethylaminopropyl]carbodiimidhydrochlorid (EDC oder EDAC), können toxisch wirken, wennsie nach durchgeführter Reaktion nicht vollständig aus dem Material entfernt werden, bevor sieam und im Patienten angewendet werden oder falls sie im Zuge des chemischen Abbaus derMaterialien im Körper wieder abgegeben werden. Entsprechende Risiken sind für vieleVernetzer bekannt und eine Freisetzung gebundener toxischer Bestandteile im Zuge deskollagenolytischen Abbaus wird vielfach diskutiert. Durch eine enzymkatalysierte Vernetzungvon Kollagen könnten diese Probleme eliminiert werden. Im Zuge des Projektes wurde folglichnach Enzymen gesucht, welche in der Lage sind, Modifikationen oder Quervernetzungen anKollagen zu induzieren.

Page 3: Enzymatische Funktionalisierung von Kollagen für medizinische … · 2014-09-08 · sinase, verschiedene Laccasen und Galactoseoxidase; als Substratmoleküle dienten Catechin, Chlorogensäure

Untersuchungsergebnisse

Vernetzung des KollagensFür die Aktivierung des Kollagens wurden Enzyme aus der Klasse der Oxidoreduktasen, speziellMono- und Polyphenoloxidasen, ausgewählt. Diese katalysieren die Oxidation bestimmter Ami-nosäuren im Kollagen, z.B. Tyrosin, zu reaktiven Gruppen, z.B. o-Chinonen, welche dann mitnukleophilen Aminosäuren zu kovalenten Quervernetzungen reagieren können. Des Weiterenwurden Substratmoleküle eingesetzt, die von den entsprechenden Enzymen zu reaktiven Sub-stanzen oxidiert werden und als Quervernetzer fungieren können. Ausgewählt wurden Tyro-sinase, verschiedene Laccasen und Galactoseoxidase; als Substratmoleküle dienten Catechin,Chlorogensäure und Galactose, als kollagene Matrix säurelösliches Rinderkollagen sowie ge-mahlenes Schweinekollagen. Eine kovalente Quervernetzung des Kollagens wurde nach Be-handlung des Kollagens mit Tyrosinase aus Agaricus bisporus und Laccase aus Agaricusbisporus nachgewiesen. Wesentlich stärkere Vernetzungseffekte konnten durch die Behandlungmit enzymatisch oxidierten Substratmolekülen detektiert werden.

Ankopplung von Wachstumsfaktoren an KollagenAn die kollagenbasierten Materialien angekoppelt wurden der vascular endothelial growth factor(VEGF) als Wachstumsfaktor für endotheliales Zellwachstum und der transforming growth factorß (TGFβ), welcher die Differenzierung von Fibroblasten stimuliert.Für die durchgeführten Funktionalisierungsversuche wurde VEGF an säurelösliches Kollagen,katalysiert durch Tyrosinase, gekoppelt. Nach Optimierung der Versuchsbedingungen wurdeeine totale Kopplungseffizienz von über 55% erreicht (0,565 mol VEGF pro mol säurelöslichesKollagen); ca. 30% des VEGF waren kovalent an das Kollagen gebunden und gut 25% nicht-kovalent, also lose im Kollagennetzwerk, eingeschlossen. Trotz der kovalenten Ankopplungblieb die biologische Aktivität des VEGF erhalten. Erste Proliferationsexperimente mit humanenEndothelzellen (HUVECs) zeigten, dass der VEGF-spezifische Rezeptor auf den HUVEC Zellenaktiviert wurde. Die Zellen zeigten außerdem ein verbessertes Überleben auf dem funktionali-sierten säurelöslichen Kollagen und wiesen eine erhöhte Proliferationsrate auf als Zellen, welcheauf unbehandeltem Kollagen wuchsen. Durch Aufreinigung konnte die vollständige Entfernungder Tyrosinase nach erfolgter Koppelung gewährleistet werden, um Nebenreaktionen im huma-nen Gewebe nach Transplantation oder Immunreaktionen auf das Protein Tyrosinase vorzubeu-gen.

Elektrospinnen von KollagenFür ein gut funktionierendes Zellträgersystem mit definierter gesteuerter Aktivierung durch Wirk-stoffe sind Matrices mit definierten Porenstrukturen notwendig. Solche porösen Vliese könnenz.B. durch Gefriertrocknung erhalten werden. Eine interessante Alternative ist das Elektrospin-nen unabhängig davon ob das Kollagenmaterial zusätzlich quervernetzt wurde oder Signalprote-ine angekoppelt wurden.Nach Optimierung der Geräte- und Verfahrensparameter war es möglich, aus einer wässrigenLösung von gemahlenem Schweinekollagen mit maximal 8% Kollagen bzw. von säurelöslichemRinderkollagen mit maximal 4% Kollagen unter Zusatz von Polyethylenglycol und Tween 20nicht denaturierte Kollagenfasern zu gewinnen (s. Abbildung 3). Aus dem säurelöslichen Rinder-kollagen wurden weiterhin Kollagenfasern auf Aluminiumfolie und auf gewirkten bioresorbierba-ren Polypropylenfasern gesponnen (s. Abbildung 4).

Page 4: Enzymatische Funktionalisierung von Kollagen für medizinische … · 2014-09-08 · sinase, verschiedene Laccasen und Galactoseoxidase; als Substratmoleküle dienten Catechin, Chlorogensäure

Abbildung 3: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme von auf Aluminiumfolie elektrogesponnenKollagenfasern (Vergrößerung : 1.000x (links), 10.000x (rechts))

Abbildung 4: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme von auf gewirkten bioresorbierbaren Poly-propylenmembranen elektrogesponnenen Kollagenfasern (Vergrößerung: 50x (links),200x (rechts))

Produktideen

Auf Basis der Untersuchungsergebnisse sind grundsätzlich folgende pharmazeutisch-medizini-schen Produkte vorstellbar:

Kollagenvliese elektrogesponnene Kollagenvliese durch enzymatische Vernetzung stabilisierte Kollagenvliese elektrogesponnene und durch enzymatische Vernetzung stabilisierte Kollagenvliese

Page 5: Enzymatische Funktionalisierung von Kollagen für medizinische … · 2014-09-08 · sinase, verschiedene Laccasen und Galactoseoxidase; als Substratmoleküle dienten Catechin, Chlorogensäure

mit bioaktiven Proteinen (z.B. Zytokinen) dekorierte Kollagenvliese mit bioaktiven Proteinen (z.B. Zytokinen) dekorierte und durch enzymatische Vernetzung

stabilisierte Kollagenvliese mit bioaktiven Proteinen (z.B. Zytokinen) dekorierte und durch enzymatische Vernetzung

stabilisierte Kollagenvliese mit bioaktiven Proteinen (z.B. Zytokinen) dekorierte, elektrogesponnene und durch en-

zymatische Vernetzung stabilisierte Kollagenvliese

Diese Materialien können beispielsweise als Wundauflagen oder bei einem gewünschten Ge-webewachstum als Teil von Knochenimplantaten Verwendung finden, wobei abzuklären bleibt,inwieweit die erzeugten Materialien den Medizinprodukten oder Arzneimitteln zuzuordnen sind.

Um die genannten Materialien zu erzielen bedarf es weiterer Forschung. Diese kann sowohlgemeinschaftlich und vorwettbewerblich zu Klärung weiterer Grundsatzfragen als auch spezi-fisch für einzelne Firmen oder Firmengruppen, gegebenenfalls unter Einbeziehung externer For-schungsstellen, zur Entwicklung spezieller Produkte jeweils unter Einbeziehung von Fördermit-teln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) erfolgen. Im erstgenannten Fallkann hierfür das Förderprogramm „Industrielle Gemeinschaftsforschung (IGF)“ der AiF e.V. Ar-beitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke“ über die For-schungsvereinigung der Arzneimittel-Hersteller e.V. (FAH) als die Forschungsprojekte beantra-gender Institution angewendet werden. Im zweitgenannten Fall ermöglicht das Programm „Zent-rales Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM)“ eine direkte Förderung der Unternehmen, wobeije nach Auslegung des Forschungskonsortiums eine Beantragung der Geldmittel über die AiFProjekt GmbH, die VDI/VDE Innovation + Technik GmbH oder die EuroNorm GmbH erfolgt.