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Paediatr Paedolog 2013 · 48:18–21 DOI 10.1007/s00608-013-0108-0 © Springer-Verlag Wien 2013 U. Kunze Institut für Sozialmedizin, Zentrum für Public Health, Medizinische Universität Wien, Wien Epidemiologie von  Alkohol, Rauchen und  illegalen Drogen in Europa Eine Vielzahl an Datenquellen ermöglicht einen umfassenden Blick auf die epidemi- ologische Situation von Alkohol, Rauchen und illegalen Drogen in Europa. Die un- terschiedlichen Erhebungsmethoden ma- chen die Vergleichbarkeit und damit die Interpretation der Daten allerdings teil- weise schwierig. Die Bezeichnung „legale Drogen“ be- schreibt, dass der Besitz, Konsum oder Handel ab einem bestimmten Alter ge- setzlich erlaubt ist. Diese Drogen sind in der Regel gesellschaftlich akzeptiert und werden oft verharmlost. Bezüglich der Wirkungsweise und den möglichen schadhaften Folgen sind sie genau wie die gesetzlich verbotenen sog. „illegalen Dro- gen“ zu bewerten. Drogen aller Art ver- ursachen psychische und/oder physische Abhängigkeit und stellen daher eine er- hebliche Gefahr dar. Alle Drogen haben eine wesentliche Wirkung, nämlich die Stimmung (positiv) zu beeinflussen, es entsteht in der Regel ein Wohlbefinden. Ein wesentliches Kri- terium von Drogen ist die Entstehung von Abhängigkeit, teils psychischer, teils phy- sischer, manchmal auch beider Formen. Alle legalen und illegalen Drogen erfüllen die primären Kriterien von Abhängigkeit, beispielsweise einen hohen und zwang- haften Konsum, bestimmte psychoaktive Effekte und drogenverstärktes Verhalten. Dazu kommen sekundäre Kriterien wie Toleranzentwicklung, körperliche Abhän- gigkeit, euphorisierender Effekt, Stereoty- pien, Nichtbeachtung der schädlichen Ef- fekte, Rückfälle nach Abstinenz und wie- derkehrendes heftiges Verlangen nach der Droge (engl. „craving“). Psychische Ab- hängigkeit wird von allen Drogen ausge- löst, von manchen sogar ausschließlich, ist im Gegensatz zur physischen Abhängig- keit nach dem Entzug bzw. der Entgiftung nicht vorüber und bedeutet für die Betrof- fenen meist einen lebenslangen Kampf ge- gen die Rückfälligkeit. Die Ursachen für Drogenkonsum sind überaus vielfältig und hängen von diversen Faktoren ab, z. B. vom Alter, Geschlecht oder sozioö- konomischen Status. Alkohol Österreich ist ein Land mit einer sog. „ge- störten Trinkkultur“, d. h., es existieren keine klaren Grenzen zwischen norma- lem und anormalem Alkoholkonsum, es gibt einen hohen und weitverbreiteten Al- koholkonsum mit unklaren Regeln und Grenzen (z. B. Wetttrinken, ausschließ- licher Konsum harter Alkoholika), lang andauerndes und riskantes Trinkverhal- ten wird lange Zeit nicht korrigiert, dann aber plötzlich stark kritisiert. Charakteri- stisch für eine gestörte Trinkkultur ist zu- dem eine hohe Zahl an Alkoholikern. Der durchschnittliche Alkoholkonsum in Österreich liegt für Männer bei 42 g/ Tag bzw. 19,3 l/Jahr, für Frauen bei 14 g/ Tag bzw. 6,6 l/Jahr. Männliche Alkoholi- ker trinken 226 g/Tag bzw. 104 l jährlich und weibliche Alkoholiker 130 g bzw. 60 l. Die Prävalenz von Alkoholikern liegt bei 5% (340.000 Personen >15 Jahre); unter Männern beträgt sie 7,5%, unter Frauen 2,5%. Die Gesamtlebenszeitpräva- lenz, d. h. die Zahl derjenigen, die die Er- krankung einmal in ihrem Leben durch- machen, liegt bei 10% (14% der Män- ner, 6% der Frauen). Etwa 10.000 Perso- nen erkranken jedes Jahr neu an Alkoho- lismus und etwa 7500 Todesfälle sind zu verzeichnen – das entspricht 10% der ge- samten Sterbefälle. Die Lebenserwartung eines Alkoholikers sinkt um 10–28 Jahre, die Zahl der verlorenen Lebensjahre liegt für Männer bei etwa 17 Jahren, für Frauen bei etwa 20 Jahren. Im internationalen Vergleich zeigt sich, dass der europäische Alkoholkon- sum mit >12,5 l reinem Alkohol pro Jahr mehr als doppelt so hoch wie der globa- le liegt. Der meiste Alkohol wird in den Industrieländern der Nordhalbkugel ge- trunken – und in Argentinien, Australien und Neuseeland. Am niedrigsten ist der Alkoholkon- sum in Ländern, in denen viele Men- schen aufgrund ihres islamischen Glau- bens abstinent leben – etwa in Nordafri- ka, dem Nahen Osten und Südasien. In- nerhalb der vergangenen 15 Jahre kam es zu einem Rückgang des Konsums im Westen und Süden Europas und zu einem Anstieg in Osteuropa, Skandinavien und Finnland, aber auch in Großbritannien und Irland. Die südeuropäischen Länder haben in den vergangenen 30–40 Jahren den Alkoholverbrauch mindestens hal- biert. Mögliche Gründe sind immer kür- zer werdende Mittagspausen und gestie- gene Preise. Der Eurobarometer ist eine in regel- mäßigen Abständen von der Europäi- schen Kommission in Auftrag gegebe- ne öffentliche Meinungsumfrage in den Ländern der Europäischen Union (EU). Es werden immer gleiche Standardfragen und wechselnde Fragen zu unterschied- Originalien 18 | Pädiatrie & Pädologie 6 · 2013

Epidemiologie von Alkohol, Rauchen und illegalen Drogen in Europa

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Paediatr Paedolog 2013 · 48:18–21DOI 10.1007/s00608-013-0108-0© Springer-Verlag Wien 2013

U. KunzeInstitut für Sozialmedizin, Zentrum für Public Health, Medizinische Universität Wien, Wien

Epidemiologie von Alkohol, Rauchen und illegalen Drogen in Europa

Eine Vielzahl an Datenquellen ermöglicht einen umfassenden Blick auf die epidemi-ologische Situation von Alkohol, Rauchen und illegalen Drogen in Europa. Die un-terschiedlichen Erhebungsmethoden ma-chen die Vergleichbarkeit und damit die Interpretation der Daten allerdings teil-weise schwierig.

Die Bezeichnung „legale Drogen“ be-schreibt, dass der Besitz, Konsum oder Handel ab einem bestimmten Alter ge-setzlich erlaubt ist. Diese Drogen sind in der Regel gesellschaftlich akzeptiert und werden oft verharmlost. Bezüglich der Wirkungsweise und den möglichen schadhaften Folgen sind sie genau wie die gesetzlich verbotenen sog. „illegalen Dro-gen“ zu bewerten. Drogen aller Art ver-ursachen psychische und/oder physische Abhängigkeit und stellen daher eine er-hebliche Gefahr dar.

Alle Drogen haben eine wesentliche Wirkung, nämlich die Stimmung (positiv) zu beeinflussen, es entsteht in der Regel ein Wohlbefinden. Ein wesentliches Kri-terium von Drogen ist die Entstehung von Abhängigkeit, teils psychischer, teils phy-sischer, manchmal auch beider Formen. Alle legalen und illegalen Drogen erfüllen die primären Kriterien von Abhängigkeit, beispielsweise einen hohen und zwang-haften Konsum, bestimmte psychoaktive Effekte und drogenverstärktes Verhalten. Dazu kommen sekundäre Kriterien wie Toleranzentwicklung, körperliche Abhän-gigkeit, euphorisierender Effekt, Stereoty-pien, Nichtbeachtung der schädlichen Ef-fekte, Rückfälle nach Abstinenz und wie-derkehrendes heftiges Verlangen nach der Droge (engl. „craving“). Psychische Ab-

hängigkeit wird von allen Drogen ausge-löst, von manchen sogar ausschließlich, ist im Gegensatz zur physischen Abhängig-keit nach dem Entzug bzw. der Entgiftung nicht vorüber und bedeutet für die Betrof-fenen meist einen lebenslangen Kampf ge-gen die Rückfälligkeit. Die Ursachen für Drogenkonsum sind überaus vielfältig und hängen von diversen Faktoren ab, z. B. vom Alter, Geschlecht oder sozioö-konomischen Status.

Alkohol

Österreich ist ein Land mit einer sog. „ge-störten Trinkkultur“, d. h., es existieren keine klaren Grenzen zwischen norma-lem und anormalem Alkoholkonsum, es gibt einen hohen und weitverbreiteten Al-koholkonsum mit unklaren Regeln und Grenzen (z. B. Wetttrinken, ausschließ-licher Konsum harter Alkoholika), lang andauerndes und riskantes Trinkverhal-ten wird lange Zeit nicht korrigiert, dann aber plötzlich stark kritisiert. Charakteri-stisch für eine gestörte Trinkkultur ist zu-dem eine hohe Zahl an Alkoholikern.

Der durchschnittliche Alkoholkonsum in Österreich liegt für Männer bei 42 g/Tag bzw. 19,3 l/Jahr, für Frauen bei 14 g/Tag bzw. 6,6 l/Jahr. Männliche Alkoholi-ker trinken 226 g/Tag bzw. 104 l jährlich und weibliche Alkoholiker 130 g bzw. 60 l.

Die Prävalenz von Alkoholikern liegt bei 5% (340.000 Personen >15 Jahre); unter Männern beträgt sie 7,5%, unter Frauen 2,5%. Die Gesamtlebenszeitpräva-lenz, d. h. die Zahl derjenigen, die die Er-krankung einmal in ihrem Leben durch-machen, liegt bei 10% (14% der Män-

ner, 6% der Frauen). Etwa 10.000 Perso-nen erkranken jedes Jahr neu an Alkoho-lismus und etwa 7500 Todesfälle sind zu verzeichnen – das entspricht 10% der ge-samten Sterbefälle. Die Lebenserwartung eines Alkoholikers sinkt um 10–28 Jahre, die Zahl der verlorenen Lebensjahre liegt für Männer bei etwa 17 Jahren, für Frauen bei etwa 20 Jahren.

Im internationalen Vergleich zeigt sich, dass der europäische Alkoholkon-sum mit >12,5 l reinem Alkohol pro Jahr mehr als doppelt so hoch wie der globa-le liegt. Der meiste Alkohol wird in den Industrieländern der Nordhalbkugel ge-trunken – und in Argentinien, Australien und Neuseeland.

Am niedrigsten ist der Alkoholkon-sum in Ländern, in denen viele Men-schen aufgrund ihres islamischen Glau-bens abstinent leben – etwa in Nordafri-ka, dem Nahen Osten und Südasien. In-nerhalb der vergangenen 15 Jahre kam es zu einem Rückgang des Konsums im Westen und Süden Europas und zu einem Anstieg in Osteuropa, Skandinavien und Finnland, aber auch in Großbritannien und Irland. Die südeuropäischen Länder haben in den vergangenen 30–40 Jahren den Alkoholverbrauch mindestens hal-biert. Mögliche Gründe sind immer kür-zer werdende Mittagspausen und gestie-gene Preise.

Der Eurobarometer ist eine in regel-mäßigen Abständen von der Europäi-schen Kommission in Auftrag gegebe-ne öffentliche Meinungsumfrage in den Ländern der Europäischen Union (EU). Es werden immer gleiche Standardfragen und wechselnde Fragen zu unterschied-

Originalien

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lichen Themen gestellt. Diese Umfragen dienen der Beobachtung und Herausbil-dung der Meinungsentwicklung in den Ländern der EU.

So zeigte eine Eurobarometer-Umfra-ge aus dem Jahr 2012, dass 76% der EU-Bürger in den letzten 12 Monaten Alko-hol getrunken haben. Italien nimmt bei der Frage nach „Alkoholkonsum inner-halb der letzten 30 Tage“ mit 94% den ersten Platz ein, Lettland steht mit 74% an letzter Stelle.

Allerdings ändert sich das Bild, wenn es um die Menge des getrunkenen Al-kohols geht: Hier nimmt Irland bei der Frage „Wie oft haben Sie in den vergan-genen 12 Monaten 5 Gläser oder mehr ge-trunken?“ mit der Antwort „Einmal oder mehrmals pro Woche“ mit 44% den ersten Platz ein, gefolgt von Rumänien, Deutsch-land und Österreich (36%).

Die Europäer sind sich der Gefahr durch Alkohol durchaus bewusst. Zwar kennt nur ein Drittel die offizielle Pro-millegrenze fürs Autofahren des eige-nen Landes, dafür sind 61% der Meinung, dass mehr als ein alkoholisches Getränk vor Fahrtantritt bereits zuviel ist. 97% sind sich über die Gefahr von Leberschä-

den bewusst, allerdings sind nur 67% über das erhöhte Krebsrisiko informiert.

Rauchen

Etwa ein Drittel der Europäer raucht, die Hälfte hat noch nie geraucht und knapp ein Viertel ist ehemaliger Raucher, 25% der Frauen und 35% der Männer rauchen. Die Prävalenzraten sind im Süden und Osten Europas deutlich höher, der EU-Schnitt liegt bei 28%. Die höchsten Prä-valenzen gibt es in Griechenland (40%), Bulgarien und Lettland (beide 36%), die niedrigsten in Schweden (13%), Portugal und der Slowakei (beide 23%). In Öster-reich liegt die Prävalenz laut einer aktuel-len repräsentativen Bevölkerungsumfra-ge aus dem Jahr 2012 bei 33% Aktivrau-chern, davon 38% Männer und 27% Frau-en. Die Prävalenz zeigt eine deutliche Al-tersabhängigkeit, bei den 15- bis 29-Jähri-gen ist mit 40% der höchste Raucheranteil zu verzeichnen, bei den 30- bis 39-Jähri-gen sind es 38%, dann sinkt der Anteil auf 23% bei den über 50-Jährigen. Ein Drit-tel der österreichischen Raucher ist stark nikotinabhängig. Zwischen 12.000 und 14.000 Menschen sterben infolge tabak-assoziierter Erkrankungen.

Rauchen ist das größte vermeidba-re Gesundheitsrisiko, sterben doch fast 700.000 Menschen infolge tabakassozi-ierter Erkrankungen in Europa. Im Ver-gleich dazu sterben 43.000 Menschen in-folge von Autounfällen, 38.400 durch ille-galen Drogenkonsum, 33.000 durch Sui-zid, 18.500 werden ermordet, 9300 ver-sterben an Aids und 5000 infolge von Arbeitsunfällen.

Bei Betrachtung der soziodemogra-fischen Aspekte zeigt sich folgendes Bild: Es rauchen mehr Männer, jüngere Alters-gruppen, Menschen mit geringerer Schul-bildung, Arbeitslose und Menschen mit niedrigem sozioökonomischem Status.

Es werden überwiegend Filterzigaret-ten geraucht, 8 von 10 rauchen täglich im Durchschnitt 14,4 Zigaretten (Österreich: 18,3). Nur 1% konsumiert ein anderes Ta-bakprodukt wie Wasserpfeife oder rauch-freien Tabak.

Drei von 10 Rauchern haben in den letzten 12 Monaten einen Versuch gestar-tet, das Rauchen aufzugeben, beinahe 50% haben dies mehr als einmal probiert. Die wichtigsten Motive für einen Rauchstopp sind die eigene Gesundheit (71%), Fami-lie, Partner und Freunde (52%), der Preis von Tabakwaren (47%), die Belastung für

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GHB

Benzodiazepine

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Methadon

MephedronButan Kh

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Anabolika

Ecstasy LS

D

Buprenorphin

Zauberpilze

EigenschädigungFremdschädigung

Abb. 1 9 Schadenspoten-zial geläufiger Drogen. [Nach Nutt 2010 [1]; die Rohdaten wurden aus Abb. 3 der Studie [2] abgelei-tet und gemäß der Studi-enmethodik gewichtet und normalisiert, um ein Abb. 2 der Studie vergleichbares Balkendiagramm zu erhal-ten; Quelle: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/6/6f/Drogen-schadenspotenzial-nutt-2010.svg. CC0 1.0 Univer-sal (CC0 1.0) Public Domain Dedication (no copyright)]

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die Nichtraucher (35%), der ärztliche Rat (21%), Rauchverbote in öffentlichen Ge-bäuden (20%), gesellschaftliche Missbilli-gung (19%), ein Rauchverbot am Arbeits-platz (16%) und Warnhinweise (14%).

Illegale Drogen

Drogen können nach unterschiedlichen Kriterien klassifiziert werden:FNach Stoffklasse aufgrund der che-

mischen Struktur (Alkaloide, Terpe-noide)

FNach Wirkung (Sedativa, Hypnotika, Stimulanzien u. a.)

FNach Herkunft (biogene Drogen pflanzlichen Ursprungs, aus Pilzen; halbsynthetische und synthetische Drogen)

FNach dem Schadenspotenzial.

Stark vereinfacht unterscheidet man sog. Upper (stimulierend), Downer (dämp-fend) und Halluzinogene (bewusstseins-verändernd). Die Übergänge sind je nach Substanz und Dosierung fließend.

Halbsynthetische Drogen werden aus-gehend von Naturstoffen hergestellt, z. B. Lysergsäurediethylamid (LSD) und Hero-in. Vollsynthetische Drogen werden oh-ne Zuhilfenahme eines natürlichen Aus-gangsstoffs vollsynthetisch hergestellt. Da-zu gehören viele ursprünglich als Medi-kament entworfene Substanzen sowie die meisten verkehrsfähigen Medikamente, z. B. Benzodiazepine und Amphetamine. Die Einnahme erfolgt meist oral, oft auch durch die Nase.

Eine interessante Studie unterzog Dro-gen einer Bewertung hinsichtlich ihres Schadenspotenzials. Die Autoren bewer-teten den physischen Schaden, das Aus-maß der Abhängigkeit sowie die Auswir-kungen auf Familie, Gemeinde und Ge-sellschaft (sozialer Schaden). Die Droge mit dem mit Abstand größten Schadens-potenzial ist Alkohol, gefolgt von Heroin und Crack. Tabak liegt in dieser Untersu-chung an der sechsten Stelle (.Abb. 1).

Der Konsum illegaler Drogen bleibt europaweit relativ stabil, der Konsum von Cannabis, Kokain und Heroin geht sogar zurück. Im Gegensatz dazu gibt es eine Fülle neuer synthetischer Drogen, die den Markt regelrecht überfluten. Seit 2005

wurden 164 neue Substanzen gemeldet, im Jahr 2011 waren es 49 und 2012 schon 73.

1,4 Mio. Europäer sind als problema-tische Opioidkonsumenten anzusehen. Drogeninduzierte Todesfälle machen 4% aller Todesfälle im Alter von 15–39 Jahren aus, wobei in drei Viertel der Fälle Opioi-de nachgewiesen werden.

Cannabis ist nach wie vor die am häu-figsten konsumierte Droge mit einer Le-benszeitprävalenz von fast 24% in Euro-pa. In den meisten europäischen Ländern ist der Konsum im Laufe der 1990er-Jah-re und nach der Jahrtausendwende ge-stiegen, doch möglicherweise tritt Euro-pa nun in eine neue Phase ein, denn die Daten weisen auf relativ stabile Tendenzen bei freilich weiterhin hohen Konsumraten hin. Das Bewusstsein für die Auswirkun-gen des langfristigen und weitverbreiteten Konsums ist allerdings durchaus gestiegen.

In Österreich betreiben 25.000–37.000 Personen einen problematischen Drogenkonsum, wobei sich ein zuneh-mender Missbrauch von Benzodiazepi-nen und Mephedron entwickelt. Die Can-nabis-Prävalenzraten liegen bei 30–40% unter jungen Erwachsenen. 2–4% konsu-mieren „Ecstasy“, Kokain und Ampheta-mine und 1–2% Opiate. Es zeigen sich kei-ne Hinweise auf eine „Cannabis kiffende Jugend“: 3% der 15-jährigen Schüler zäh-len zu „discontinued usern“ (Konsum zu-mindest 1-mal, aber im vergangenen Jahr nicht mehr), 4% sind „experimenters“ (1- bis 2-mal in den letzten 12 Monaten), 4% bezeichnen sich als „regular users“ (3- bis 39-mal pro Jahr).

Fazit für die Praxis

FDrogen aller Art verursachen psychi-sche und/oder physische Abhängig-keit und stellen daher eine erhebliche Gefahr dar. Die Ursachen für Drogen-konsum sind überaus vielfältig und hängen von diversen Faktoren ab, z. B. vom Alter, Geschlecht oder sozio-ökonomischen Status.

FDie Inzidenz des Alkoholismus liegt in Österreich bei etwa 10.000 Personen/Jahr, etwa 7500 Todesfälle sind zu ver-zeichnen (das entspricht 10% der ge-samten Sterbefälle). Die Lebenser-wartung von Alkoholikern sinkt um 10–28 Jahre, die Zahl der verlorenen 

Lebensjahre liegt für Männer bei et-wa 17 Jahren, für Frauen bei ungefähr 20 Jahren. Österreich gehört im eu-ropäischen Vergleich zu den Ländern mit den höchsten Konsumraten.

FIn Österreich liegt die Prävalenz bei 33% Aktivrauchern, 38% unter Män-nern und 27% unter Frauen. Ein Drit-tel der österreichischen Raucher ist stark nikotinabhängig. Rauchen ist das größte vermeidbare Gesundheits-risiko in Europa, sterben doch fast 700.000 Menschen jährlich infolge ta-bakassoziierter Erkrankungen. Die wichtigsten Motive für den Rauch-stopp sind die eigene Gesundheit; Fa-milie, Partner und Freunde sowie der Preis für Tabakwaren.

FIn Österreich betreiben 25.000–37.000 Personen einen problema-tischen Drogenkonsum. Die Canna-bis-Prävalenzraten liegen bei 30–40% unter jungen Erwachsenen; die-se Droge ist in Europa die am meisten konsumierte. Der Konsum illegaler Drogen bleibt europaweit relativ sta-bil, die Konsumraten von Cannabis, Kokain und Heroin gehen sogar zu-rück. Im Gegensatz dazu gibt es eine Fülle neuer synthetischer Drogen, die den Markt regelrecht überfluten.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. U. KunzeInstitut für Sozialmedizin, Zentrum für Public Health, Medizinische Universität WienKinderspitalgasse 15, 1090 WienÖ[email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt. U. Kunze gibt an, dass kein Inter-essenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

Weiterführende Literatur. Beim Verfasser

Literatur

1. Nutt DJ, King LA, Phillips LD (2010) Drug harms in the UK: a multicriteria decision analysis. Lancet 376:1558–1565

2. European Association for the Study of the Liver (EASL) (o J) Drug harms in the UK: a multicriteria decision analysis

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Originalien