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forschung wiener klinisches magazin 10 © Springer-Verlag 6/2012 Epigenetik in der Onkologie Von Gen-Umwelt Interaktionen zu neuen Medikamenten E. Schirghuber, F. Klepsch, J. Colinge, St. Kubicek* Epigenetik befasst sich mit vererbbaren Chromatinstrukturen und Genexpres- sionsmustern, die nicht auf Alterationen im Genom selbst beruhen. Epigenetische Pro- zesse steuern dabei die Entstehung der über 200 unterschiedlichen Zelltypen im menschlichen Körper, welche alle idente genetische Information tragen. Dieselben Vorgänge tragen zur Initiierung und zum Verlauf von Krebserkrankungen bei, auch wenn solche immer mit Veränderungen der DNA Sequenz verbunden sind. Wir be- schreiben das Wechselspiel zwischen Ge- netik und Epigenetik und zeigen, dass Ver- änderungen in der Chromatinstruktur und Genexpression Ursache, Mediator und Konsequenz von genomischen Instabilitä- ten sein können. Chromatin-modifizie- rende Enzyme sind demnach potentielle Targets für die Entwicklung neuer era- peutika. Substanzen für zwei Enzymklas- sen - Histon-Deacetylasen und DNA-Me- thyltransferasen - sind bereits in der Onkologie zugelassen und eine Vielzahl neuer Wirkstoffe ist momentan in präklini- scher und klinischer Entwicklung. Einleitung Der menschliche Körper besteht aus mehr als 200 unterschiedlichen Zelltypen, die alle, mit Ausnahme bestimmter Immun- und Keimzellen, eine idente DNA Sequenz aufweisen. Die einzelnen Zelltypen unter- scheiden sich dadurch, dass jeweils ein unterschiedliches Subset von nur rund 50 Prozent der 23.000 Gene aktiv ist. Die spezi- fischen Genexpressionsmuster bestimmen die Funktion und Proliferationsrate der Zel- len. Die Grundlagen der vererbbaren Ver- änderungen der Genexpression, welche bei gleichbleibender DNA Sequenz auftre- ten, fallen in das Feld der Epigenetik (1). In der Onkologie ist lange bekannt, dass die Aktivierung von Protoonkogenen und/ oder der Verlust von Tumorsuppressorge- nen zu neoplastischer Transformation führt und die Missregulierung eben dieser Gene zur Entstehung und der Aggressivität von Tumoren beiträgt. Die Fehlregulierung kann dabei auf genetischem Wege erfolgen, z.B. durch Mutationen, Amplifikationen, Deletionen, Translokationen oder Verän- derungen im Chromosomensatz, aber auch durch epigenetische Prozesse. Wir be- schreiben das Wechselspiel zwischen Ge- netik und Epigenetik und zeigen, dass epigenetische Veränderungen geneti- sche Instabilitäten auslösen können onkogene genetische Veränderungen direkt die Gene der epigenetischen Faktoren betreffen können Modifikation der Chromatinstruktur ein Mechanismus der Tumorigenität sein kann. Epigenetische Mechanismen kontrollieren die Genexpression Im Zellkern liegt die zirka zwei Meter lange DNA als Chromatin hochorganisiert vor. Die kleinste Organisationseinheit ist dabei ein Nukleosom, um welches 146 Basenpaare der DNA wie ein Faden um eine Spule gewickelt werden (2). Ein solches Nukleosom besteht dabei aus einem Oktamer aus jeweils zwei Kopien der Histone H3, H4, H2A und H2B (2). Es existieren verschiedene Histonvarian- ten, die entweder replikations- oder tran- skriptionsabhängig inkorporiert werden oder an speziellen genomischen Loci, wie z.B. am Centromer sitzen (3). Epigenetische Mechanismen kontrollieren Genexpressi- onsmuster, indem sie die Chromatinstruktur verändern, sodass die DNA und die darauf kodierten Gene für den Transkriptionsappa- rat mehr oder weniger zugänglich sind. Ins- gesamt werden vier Gruppen der epigeneti- schen Modulierung unterschieden (Abb. 1): DNA-Methylierung, Histon-Modifikationen, Chromatin-Remodellierung und nicht-ko- dierende RNAs (1). Im direktesten Regulationsmechanis- mus wird die DNA selbst modifiziert, wobei DNA-Methyltransferasen (DNMTs) Methyl- gruppen auf Cytosine übertragen. Die dar- aus resultierenden 5-Methylcytosine (5mC) treten im Menschen ausschließlich an CpG Dinukleotiden auf. Diese Modifikation wird in bestimmten Entwicklungsstadien von den de novo Enzymen DNMT3A und DNMT3B etabliert. Anschließend stellt DNMT1 sicher, dass die Methylierung wäh- rend der Replikation auf den neu syntheti- sierten Tochterstrang vererbt wird. Proteine, welche aufgrund ihrer Methylbindungsdo- mäne 5mC erkennen, werden rekrutiert und reprimieren die Expression zugrundeliegen- der Gene. Lange galt DNA Methylierung als stabile Modifikation, die nur mittels DNA Reparaturmechanismen, wie der Exzision einer ganzen Base, verändert werden kann (4). Kürzlich wurden jedoch TET Enzyme (Ten-eleven translocation TET1-3) identifi- ziert, die die Methylgruppe zu 5-Hydroxy- Abb. 1: Epigenetische Mechanismen kontrollieren die Gentranskription. DNA-Methylierung (1), Histon-Modifikation (2), Chromatin-Remodellierung (3) und nicht-kodierende RNAs (4) sind epigenetische Mechanismen. DNA-Methylierung und post-translationale Histon-Modifikationen, wie Acetylierung (Ac), Methylierung (Me) oder Phosphorylierung (Ph) beeinflussen die Chromatinstruktur. Verschiedene Enzyme modifizieren Chromatin: Histon-Acetyltransferasen (HAT), Histon-Deacetylasen (HDAC), Histon-Methyltransferasen (HMT), Histon-Demethylasen (HDM), Kinasen (K), Protein-Phos- phatasen (PPT), DNA-Methyltransferasen (DNMT). Die Euchromatinstruktur erlaubt Transkription von Genen im Vergleich zur kompakteren repressiven Heterochromatinstruktur. Abb.: © Stefan Kubicek * Dr. Erika Schirghuber DI (FH) Freya Klepsch Dr. Jacques Colinge Dr. Stefan Kubicek CeMM Research Center for Molecular Medicine of the Austrian Academy of Sciences, Wien s00740-012-0059-2

Epigenetik in der Onkologie

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Epigenetik in der Onkologie

Von Gen-Umwelt Interaktionen zu neuen Medikamenten

E. Schirghuber, F. Klepsch, J. Colinge, St. Kubicek*

Epigenetik befasst sich mit vererbbaren Chromatinstrukturen und Genexpres­sionsmustern, die nicht auf Alterationen im Genom selbst beruhen. Epigenetische Pro­zesse steuern dabei die Entstehung der über 200 unterschiedlichen Zelltypen im menschlichen Körper, welche alle idente genetische Information tragen. Dieselben Vorgänge tragen zur Initiierung und zum Verlauf von Krebserkrankungen bei, auch wenn solche immer mit Veränderungen der DNA Sequenz verbunden sind. Wir be­schreiben das Wechselspiel zwischen Ge­netik und Epigenetik und zeigen, dass Ver­änderungen in der Chromatinstruktur und Genexpression Ursache, Mediator und Konsequenz von genomischen Instabilitä­ten sein können. Chromatin­modifizie­rende Enzyme sind demnach potentielle Targets für die Entwicklung neuer Thera­peutika. Substanzen für zwei Enzymklas­sen ­ Histon­Deacetylasen und DNA­Me­thyltransferasen ­ sind bereits in der Onkologie zugelassen und eine Vielzahl neuer Wirkstoffe ist momentan in präklini­scher und klinischer Entwicklung.

Einleitung

Der menschliche Körper besteht aus mehr als 200 unterschiedlichen Zelltypen, die alle, mit Ausnahme bestimmter Immun- und Keimzellen, eine idente DNA Sequenz aufweisen. Die einzelnen Zelltypen unter-scheiden sich dadurch, dass jeweils ein unterschiedliches Subset von nur rund 50 Prozent der 23.000 Gene aktiv ist. Die spezi-fischen Genexpressionsmuster bestimmen die Funktion und Proliferationsrate der Zel-len. Die Grundlagen der vererbbaren Ver-änderungen der Genexpression, welche bei gleichbleibender DNA Sequenz auftre-ten, fallen in das Feld der Epigenetik (1). In der Onkologie ist lange bekannt, dass die Aktivierung von Protoonkogenen und/oder der Verlust von Tumorsuppressorge-nen zu neoplastischer Transformation

führt und die Missregulierung eben dieser Gene zur Entstehung und der Aggressivität von Tumoren beiträgt. Die Fehlregulierung kann dabei auf genetischem Wege erfolgen, z.B. durch Mutationen, Amplifikationen, Deletionen, Translokationen oder Verän-derungen im Chromosomensatz, aber auch durch epigenetische Prozesse. Wir be-schreiben das Wechselspiel zwischen Ge-netik und Epigenetik und zeigen, dass ■■ epigenetische Veränderungen geneti-

sche Instabilitäten auslösen können■■ onkogene genetische Veränderungen

direkt die Gene der epigenetischen Faktoren betreffen können

■■ Modifikation der Chromatinstruktur ein Mechanismus der Tumorigenität sein kann.

Epigenetische Mechanismen kontrollieren die Genexpression

Im Zellkern liegt die zirka zwei Meter lange DNA als Chromatin hochorganisiert vor. Die kleinste Organisationseinheit ist dabei ein Nukleosom, um welches 146 Basenpaare der DNA wie ein Faden um eine Spule gewickelt werden (2). Ein solches Nukleosom besteht dabei aus einem Oktamer aus jeweils zwei Kopien der Histone H3, H4, H2A und H2B (2). Es existieren verschiedene Histonvarian-ten, die entweder replikations- oder tran-skriptionsabhängig inkorporiert werden oder an speziellen genomischen Loci, wie

z.B. am Centromer sitzen (3). Epigenetische Mechanismen kontrollieren Genexpressi-onsmuster, indem sie die Chromatinstruktur verändern, sodass die DNA und die darauf kodierten Gene für den Transkriptionsappa-rat mehr oder weniger zugänglich sind. Ins-gesamt werden vier Gruppen der epigeneti-schen Modulierung unterschieden (Abb. 1): DNA-Methylierung, Histon-Modifikationen, Chromatin-Remodellierung und nicht-ko-dierende RNAs (1).

Im direktesten Regulationsmechanis-mus wird die DNA selbst modifiziert, wobei DNA-Methyltransferasen (DNMTs) Methyl-gruppen auf Cytosine übertragen. Die dar-aus resultierenden 5-Methylcytosine (5mC) treten im Menschen ausschließlich an CpG Dinukleotiden auf. Diese Modifikation wird in bestimmten Entwicklungsstadien von den de novo Enzymen DNMT3A und DNMT3B etabliert. Anschließend stellt DNMT1 sicher, dass die Methylierung wäh-rend der Replikation auf den neu syntheti-sierten Tochterstrang vererbt wird. Proteine, welche aufgrund ihrer Methylbindungsdo-mäne 5mC erkennen, werden rekrutiert und reprimieren die Expression zugrundeliegen-der Gene. Lange galt DNA Methylierung als stabile Modifikation, die nur mittels DNA Reparaturmechanismen, wie der Exzision einer ganzen Base, verändert werden kann (4). Kürzlich wurden jedoch TET Enzyme (Ten-eleven translocation TET1-3) identifi-ziert, die die Methylgruppe zu 5-Hydroxy-

Abb. 1: Epigenetische Mechanismen kontrollieren die Gentranskription. DNA-Methylierung (1), Histon-Modifikation (2), Chromatin-Remodellierung (3) und nicht-kodierende RNAs (4) sind epigenetische Mechanismen. DNA-Methylierung und post-translationale Histon-Modifikationen, wie Acetylierung (Ac), Methylierung (Me) oder Phosphorylierung (Ph) beeinflussen die Chromatinstruktur. Verschiedene Enzyme modifizieren Chromatin: Histon-Acetyltransferasen (HAT), Histon-Deacetylasen (HDAC), Histon-Methyltransferasen (HMT), Histon-Demethylasen (HDM), Kinasen (K), Protein-Phos-phatasen (PPT), DNA-Methyltransferasen (DNMT). Die Euchromatinstruktur erlaubt Transkription von Genen im Vergleich zur kompakteren repressiven Heterochromatinstruktur.

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* Dr. Erika Schirghuber DI (FH) Freya Klepsch Dr. Jacques Colinge Dr. Stefan Kubicek CeMM Research Center for Molecular Medicine of the Austrian Academy of Sciences, Wien

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Abb. 2: Epigenetische Ursachen der Krebsentstehung. Epigenetische Merkmale von Krebszellen sind globale DNA Hypomethylierung, sowie lokale DNA Hypermethylierung von Promotoren, wodurch es zur Reaktivierung von Heterochromatin und endogenen Viren, der Aktivierung von Onkogenen oder Repression von Tumorsuppressoren kommen kann. Weiters sind Defekte der Histon-Inkorporation/Nukleosom-Remodellierung, Fehlrekrutierung der Histon-Modifizierungen oder Fehlregulierung der Histon-Modifikationen mit Krebsentstehungen assoziiert. Ebenso können der Verlust des Imprintings, sowie unbalanzierte Kofaktoren Krebs verursachen.

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methyl-, 5-Formyl- und 5-Carboxy-Cytosin oxidieren (5, 6). Interessanterweise finden sich die unterschiedlichen Cytosinmodifi-kationen in definierten genomischen Berei-chen. Dies deutet auf eine weitere regulato-rische Rolle hin (7).

Neben der DNA-Methylierung tragen die Histonvarianten und zumindest 16 verschie-dene posttranslationale Histon-Modifikatio-nen zur Regulierung der Gen expression bei. Diese inkludieren die Methylierung (me) von Lysinen (K) und Argininen (R), die Ace-tylierung (ac) von Lysinen, und die Phospho-rylierung (ph) von Serinen (S), Threoninen (T) und Tyrosinen (Y) (8). Durch unter-schiedliche Kombinationsmöglichkeiten können unzählige Chromatinzustände ko-diert werden (9, 10). Die Histon-Modifikatio-nen und -Varianten beeinflussen elektrosta-tische Wechselwirkungen zwischen negativ geladener DNA und positiv geladenen Histo-nen und regeln so direkt die Zugänglichkeit der DNA. In den meisten Fällen funktionie-ren sie aber über die Rekrutierung spezieller Proteine, die die Chromatinstruktur verän-dern und die Transkription beeinflussen. Während Euchromatin transkriptionell aktiv ist, besteht Heterochromatin aus konden-sierten Bereichen, welche inaktiv sind. Mehr als 400 epigenetische Proteine katalysieren oder binden spezifisch verschiedene Histon-Modifikationen (11). Diese Faktoren sind sehr selektiv bezüglich ihrer Substrate, Pro-dukte und Interaktionspartner. So generiert z.B. die MLL Subfamilie der Histon-Methyl-transferasen ausschließlich Histon H3 Lysin 4 Tri-Methylierung (H3K4me3).

Neben Histon-Modifikationen spielt auch die genaue Position der Nukleosomen eine bedeutende Rolle. Ein charakteristisches Merkmal von aktiven Genen ist das Fehlen eines Nukleosoms direkt an der Position des Transkriptionsstarts. ATP-abhängige Chro-matin-Remodellierung verändert die Zu-gänglichkeit der DNA, indem Nukleosomen repositioniert werden. Dadurch können ak-tive und inaktive Zustände der Genexpres-sion ineinander übergeführt werden (12).

Nicht-kodierende RNAs (ncRNAs) sind eine weitere wichtige Gruppe epigenetischer Modulatoren, welche in cis, d.h. am selben Chromosom von dem sie transkribiert wer-den, oder in trans, d.h. an einem anderen Chromosom, als microRNAs (miRNAs) oder lange nicht-kodierende RNAs (lncRNAs) wir-ken. Die ncRNAs sind für die Repression re-petitiver Sequenzen und die zufällige Inakti-vierung eines der beiden X Chromosomen in weiblichen Zellen verantwortlich, sowie für das Imprinting, wobei von bestimmten Ge-nen jeweils entweder das väterliche oder das mütterliche Allel aktiv ist.

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Epigenetische Merkmale von Krebszellen

Zehn Merkmale von Krebszellen wurden umfassend von Hanahan und Weinberg definiert (13, 14): ■■ die Stimulation ihres eigenen Wachs-

tums■■ die Resistenz gegenüber inhibitori-

schen Signalen■■ die Resistenz gegenüber Apoptose■■ die Stimulation der Angiogenese■■ das unlimitierte Teilungspotential■■ der invasive Phänotyp zu Ausprägung

von Metastasen■■ anormale metabolische Signaltrans-

duktionswege■■ Evasion des Immunsystems■■ Chromosomenanomalien ■■ Entzündung.

Viele dieser Merkmale können letzt-endlich auf Fehlregulierung der Genex-pression zurückgeführt werden. Epigene-tische Prozesse können dabei Auslöser der genetischen Veränderungen, Mediatoren

des Effekts oder Konsequenz der genomi-schen Veränderung sein (Abb. 2).

Epigenetik wird oft als Vermittler zwi-schen Genen und Umwelt definiert, und laut Spiegel sogar als Möglichkeit, über seine Gene „siegen zu können“ (15). Dass Um-welteinflüsse Krebs auslösen können, ist lang bekannt. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um kanzerogene oder muta-gene Stoffe, die direkt DNA Veränderungen auslösen (z.B. DNA Interchalatoren, alkylie-rende Substanzen, Tabak, Strahlung), lang-anhaltende Entzündungen verursachen (z.B. Asbest) oder um Viren, welche oft bei-des tun (z.B. Hepatitis C Virus, Human Pa-pilloma Virus). Obwohl externe Faktoren auslösend sind, handelt es sich bei den oben genannten Fällen nicht um „epigenetische Krebsfälle“, da meist direkt ein potentes On-kogen genetisch aktiviert wird.

Die Beispiele zeigen, dass Lebensweise und Umwelteinflüsse Krebserkrankungen verursachen können. Aber kann auch der Verzicht auf bestimmte Nahrungsmittel Krebs auslösen? Bei Vitaminen und Antioxi-

dantien wird eine entsprechende präventive Wirkung vermutet, aber der Beweis ist schwierig und klinische Studien zeigen unter-schiedliche Ergebnisse. Zumindest im Nage-tiermodell wurde aber gezeigt, dass der Ver-zicht auf Methyldonoren wie Folat hepatozelluläre Karzinome auslösen kann (16, 17). Diese Methyldonoren sind wichtig, um die zellulären Speicher von S-Adenosyl-Methionin (SAM) wieder aufzuladen, dem Kofaktor aller DNA- und Histon-Methyltrans-ferasen.

Eines der epigenetischen Kennzeichen von Krebserkrankungen ist genomweite DNA Hypomethylierung, wohingegen ein-zelne Tumorsuppressoren durch lokale Hy-permethylierung reprimiert werden (18). Globale Hypomethylierung, die in Folge ver-ringerter Mengen des Methyldonors SAM auftreten kann, wurde mit erhöhter genomi-scher Instabilität assoziiert. Das bedeutet, dass eine Mangelernährung zu globalen Veränderungen der Chromatin-Modifika-tionen führen kann, welche genomische In-stabilitäten, genetische Defekte und letzt-

Abb. 3: Netzwerk epigenetischer Faktoren. Die Netzwerkelemente repräsentieren Proteine, wobei die Verbindungslinien Protein-Protein-Interaktionen darstellen; epigenetische Faktoren sind oval, assoziierte Proteine eckig dargestellt. Der Farbcode spiegelt die Mutationshäufigkeiten wider, die aufgrund der Daten der COSMIC (Catalogue of Somatic Mutations in Cancer) Datenbank (Stand Nov. 2012; www.sanger.ac.uk/genetics/CGP/cosmic/) berechnet wurde. Um Häufigkeiten unabhängig der Genlänge zu erhalten, wurden die Werte mittels Proteinlänge korrigiert. Damit nur statistisch aussagekräftige Werte mit einbezogen wurden, wurde für jene Gene, von denen es weniger als 100 Einträge in der COSMIC Datenbank gab, die Mutationshäufigkeit nicht berechnet. Die Größe der Netzwerkelemente hängt von der Anzahl der Bindungspartner ab. (grau, k.A)

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endlich Krebs auslösen. Die Abhängigkeit der Aktivität chromatin-

modifizierender Enzyme von ihren Kofakto-ren ermöglicht es der Zelle, direkt basierend auf ihrem metabolischen Zustand in die Ge-nexpressionsmuster einzugreifen (19). So wird in embryonalen Stammzellen ein signi-fikanter Anteil des oben erwähnten Methy-lierungs-Kofaktors SAM aus Threonin gebil-det. Verringerte Zufuhr von Threonin führt zur Abnahme der SAM Konzentration, Re-duktion der Histon-Methylierung, Modu-lierung der Genexpression und dadurch zur Differenzierung dieser Zellen (20). Andere wichtige Kofaktoren chromatin-modifizie-render Enzyme sind Adenosintriphosphat (ATP) (Histon-Kinasen, Remodeler), Acetyl Coenzym A (Acetyl-CoA) (Histon-Acetyl-transferasen), Nikotinamidadenindinukleo-tid (NAD) (Sirtuins) und Flavinadenindinuk-leotid (FAD) (LSD1/2), sowie alpha-Ketoglutarat (jmjC Demethylasen, TET Hydroxylasen). Diese Auflistung zeigt, dass alle wichtigen metabolischen Prozesse in der Zelle direkte Auswirkungen auf das Chromatin haben.

Ein illustratives Beispiel für das Zusam-menspiel genetischer und epigenetischer Veränderungen im Verlauf von Krebs-erkrankungen ist das Enzym Isocitrat De-hydrogenase 1 (IDH1). Dieses Enzym kata-lysiert die oxidative Decarboxylierung von Isocitrat zu alpha-Ketoglutarat, dem Kofak-tor der etwa 30 Histon-Demethylasen der jmjC Familie und anderer Hydroxylasen wie den TET Proteinen, die der DNA Me-thylierung entgegenwirken. Kolorektalkar-zinome, sowie mehr als 70 Prozent der se-kundären Gliome (21) und mehr als zehn Prozent der Akuten Myeloischen Leukä-mien (AML) (22) weisen Mutationen in IDH1 auf. Die Mutationen in IDH1 führen zu verringertem Umsatz zum alpha-Keto-glutarat, aber gleichzeitig wird 2-Hydroxy-glutarat als komplett neuer Metabolit gene-riert (23), ein potenter Inhibitor der Hydroxylasen (24). Dies führt zu globalen Veränderungen in DNA und Histon-Methy-lierungsmustern, welche im Mausmodell mit Tumorbildung assoziiert sind (25, 26). Bei den IDH1 Mutationen handelt es sich also um einen Fall, wo zwar eine genetische Veränderung Auslöser der Krebserkrankung ist, diese aber erst indirekt über ihren Effekt auf die Chromatinstruktur wirkt.

Sequenzierungsprojekte haben eine Vielzahl an genetischen Veränderungen in den etwa 400 epigenetischen Faktoren de-tektiert (27-31). Dabei sind die Mutations-raten in einigen dieser Gene durchwegs mit denen in klassischen Tumorsuppres-sorgenen vergleichbar (Abb. 3). Oft findet

man Mutationen in mehreren Interak-tionspartnern desselben Chromatin-Komplexes, was auf eine funktionelle Rolle hindeutet. Typischerweise weist eine Krebszelle, je nach Tumorart zwi-schen zehn und 1000 Mutationen in prote-in-kodierenden Genen auf. Diese hohe Zahl erlaubt keine einfache Abtrennung zwischen zufälligen Veränderungen, die keine Auswirkung auf den Verlauf der Er-krankung haben (bystander mutations), und den Auslösern (driver mutations). Die meisten der Mutationen haben keinen Einfluss auf die Funktion der Proteine oder führen zu deren Inaktivierung. Im Fall von Tumorsuppressorgenen kann ein Verlust bedeutenden Einfluss auf den Krankheitsverlauf haben. Es ist aber un-möglich direkt gegen das Fehlen eines Proteins Substanzen zu entwickeln.

Anders verhält es sich mit jenen Fällen, in denen ein Funktionsgewinn (gain of func-tion) oder eine Aktivierung infolge einer Translokation erfolgt. Einerseits deuten sol-che Ereignisse aufgrund ihrer Seltenheit da-rauf hin, dass die zugrunde liegenden Chro-matinproteine als Protoonkogene fungieren, andererseits sind sie therapeutisch nutzbar. Daher fokussieren wir uns im Folgenden ausschließlich auf solche Beispiele.

Eine wichtige Klasse von Methyltransfe-rasen sind die MLL Proteine, die die Bildung von H3K4me3 katalysieren. Diese Modifika-tion findet sich spezifisch an den Promoto-ren aller aktiver Gene. In mehr als 70 Prozent der pädiatrischen Leukämien und etwa zehn Prozent der AML Fälle bei Erwachse-nen tritt eine Translokation des Histon-Me-thyltransferase Gens MLL auf (32). Dadurch entstandene Fusionsproteine verlieren die katalytische Methyltransferasedomäne und rekrutieren stattdessen andere Chromatin-proteine, welche falsche Modifikationen wie

H3K79me, Acetylierung oder Arginin Me-thylierung setzen. Für einige der assoziier-ten Proteine, wie der H3K79-spezifischen Methyltransferase DOT1L, konnte gezeigt werden, dass deren Inhibierung das Wachs-tum der Krebszellen hemmt (33) .

Faktoren, welche Histon-Modifikationen lesen und zu deren biologischen Funktio-nen führen, sind ebenso genetisch verän-dert: In AML treten z.B. Translokationen mit PHD Domän-Proteinen auf, welche H3K4 Methylierung erkennen (34). Ähnlich wie bei den MLL Fusionspartnern scheint es ir-relevant, mit welchem Protein NUP98 fusio-niert, solange die Funktion der H3K4me Bindung erhalten bleibt. Als Wirkmechanis-mus dieser Fusionsproteine wird vermutet, dass sie stark an H3K4 methylierte Histone binden und diese damit für Demethylasen unzugänglich werden. Die Entfernung der H3K4 Methylierung an den Promotoren von Stammzellgenen ist aber essentiell, um diese Gene im Differenzierungsprozess zu reprimieren. Da dies durch die PHD Trans-lokationen verhindert wird, bleiben die Zel-len in einem proliferierenden Stammzellsta-dium, das zur Leukämie entartet.

Während H3K4 Methylierung stark mit aktiver Transkription assoziiert ist, findet sich H3K27 Methylierung an inaktiven Ge-nen. Einzig in Stammzellen vor der Diffe-renzierung befinden sich sowohl H3K4 als auch H3K27 Methylierung am selben Pro-moter. Überexpression der H3K27-spezifi-schen Methyltransferase EZH2 ist mit schlechter Prognose in Prostata- und Brust-krebs korreliert (35). Kürzlich wurden akti-vierende Mutationen beschrieben, die in 22 Prozent der Fälle von diffusem großzelligen B-Zell-Lymphom (DLBCL) auftreten (36). Die Mutation von Tyrosin 641 in der kataly-tischen SET Domäne führt dazu, dass we-sentlich mehr H3K27 Tri-Methylierung

Abb. 4: Zugelassene epigenetische Therapeutika. Die HDAC Inhibitoren Vorinostat/SAHA und Romidepsin sind für kutanes T-Zell Lymphom zugelassen, Valproinsäure und Phenylbutyrat für neurologische Anwendungen. Die beiden DNA-Methyltransferase-Inhibitoren werden im myelodys-plastischen Syndrom eingesetzt.

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statt Di-Methylierung gebildet wird (37). Die drei Beispiele lassen vermuten, dass

Verlust von H3K4 Methylierung und er-höhte H3K27 Methylierung mit der Entste-hung von Leukämien einhergeht. Daraus folgt aber nicht unbedingt, dass H3K4 Me-thyltransferasen und H3K27 Demethylasen Tumorsuppressoren sind, und H3K4 De-methylasen und H3K27 Methyltransfera-sen Protoonkogene. Andere Beispiele zei-gen, dass auch EZH2 als Tumorsuppressor fungieren kann und lassen vermuten, dass die Zelltyp-spezifische Balance zwischen methylierten und unmethylierten Zustän-den eine entscheidende Rolle spielt.

Äquivalent zu PHD Domänen, die me-thylierte Histone erkennen, binden Bro-

modomänen (BRD) spezifisch an acety-lierte Lysine. Besonderes Interesse besteht dabei an der BET Subfamilie, da Translo-kationen von BRD3 und BRD4 im NUT-Midline Karzinom auftreten (38).

Neben den direkten Mutationen und Translokationen in den chromatin-modifi-zierenden Faktoren, treten auch eine Reihe weiterer Effekte in Krebszellen auf, die alle ihre Wirkungen auf der Chromatinebene haben. Missregulierungen von ncRNAs sind mit vielen Tumorerkrankungen assoziiert (39). Verlust des Imprintings führt zu einer Reihe von entwicklungsbiologischen Defek-ten, wie Beckwith-Wiedemann Syndrom, Angelman Syndrom und Prader-Willi Syn-drom. Beckwith-Wiedemann Syndrom geht

mit einem hohen Risiko für Wilms Tumore einher und Prader-Willi Patienten haben ein erhöhtes Risiko für hämatologische Erkran-kungen. Neben diesen Keimbahnmutatio-nen kommt es aber häufig in Krebs zu einem Verlust des Imprintings über epigenetische oder genetische Mechanismen.

Chromatin als therapeutisches Target in der Onkologie

Zugelassene epigenetische Inhibitoren

Chromatin-modifizierende Enzyme sind ideale Ziele für die Entwicklung spezifi-scher und klinisch relevanter Inhibitoren, um krankheitsbedingte epigenetische Ver-änderungen zu modulieren (11, 40-45).

Als erste epigenetische Medikamente in der Onkologie wurden Histon-Deacetylase (HDAC) Inhibitoren zugelassen (Abb. 4). Aufgrund der Beobachtung, dass Leu-kämiezellen bei hohen Konzentrationen des Lösungsmittels DMSO differenzieren, ge-lang es Paul Marks in mehr als 20 Jahren For-schungsarbeit die Inhibierung der HDACs als Wirkmechanismus zu finden, SAHA als potenteres DMSO Analogon zu identifizie-ren und klinische Wirksamkeit zu zeigen (46). SAHA (Vorinostat) ist seit 2006 als Me-dikament für die Behandlung von kutanem T-Zell Lymphom zugelassen. Drei Jahre spä-ter wurde ein weiterer HDAC Inhibitor, FK228 (Romidepsin/Depsipeptide), für die-selbe Indikation zugelassen (47). Daneben sind Phenylbutyrat und Valproinsäure als neurologisch wirksame HDAC Inhibitoren zugelassen und noch mehr als 20 weitere HDAC Inhibitoren befinden sich in klini-scher Entwicklung (Abb. 5).

Chemisch fallen diese in drei große Gruppen: Hydroxamsäuren (z.B. SAHA), cyclische Peptide (z.B. FK228) und Benza-mide (z.B. MS275) (48). Trotz der chemi-schen Diversität inhibieren alle klinischen Substanzen HDAC1-3, sowie in unter-schiedlichem Ausmaß HDAC6 und HDAC8 (49). Auch die zellulären Effekte der unterschiedlichen Substanzen sind ähnlich und führen zu einem dramati-schen Anstieg der globalen Acetylierung von Lysinen. Die dadurch verursachten Genexpressionsveränderungen fallen da-bei in zwei Cluster: spezifisch für die Klassen Hydroxamsäuren/cyclische Pep-tide oder Benzamide (50). Aufgrund pleiotroper Effekte ist es schwierig, den genauen Wirkmechanismus der HDAC Inhibitoren zu identifizieren, denn Reak-tivierung von Tumorsuppressorgenen, DNA Schädigungen und Inhibierung von Reparaturmechanismen, Induktion von

Abb. 5: Neue epigenetische Therapieansätze. Mehr als 20 verschiedene neue HDAC Inhibitoren befinden sich momentan in klinischer Entwicklung. Außerdem werden spezifische Substanzen für Histon-Methyltransferasen, Demethylasen und Bromodomänen entwickelt. Die Tabelle zeigt Substanznamen, chemische Struktur, Targetprotein und Entwicklungsstufe.

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Apoptose, sowie Blockierung des Zellzyk-lus, der Mitose, der Angiogenese und der Zellmigration werden alle als mögliche Ursachen der anti-proliferativen Wirkung der HDAC Inhibitoren beschrieben.

DNA-Methyltransferase Inhibitoren sind die zweite Klasse klinisch zugelasse-ner Substanzen. 5-Azacytidine (Azaciti-dine/Vidaza) und 5-Aza-2‘-Deoxycytidine (Decitabine) (51) sind für die Behandlung des myelodisplastischen Syndroms (MDS) zugelassen und sind mangels Alternativen erste Wahl bei Hochrisikopatienten. Diese Nukleosidanaloga werden anstelle nor-maler Cytosine in die DNA und RNA ein-gebaut. Durch 5-Aza-Verbindungen sind DNMTs permanent inhibiert, da sie kova-lent an die DNA gebunden werden. Wäh-rend der Replikation oder Transkription führt dies allerdings zu Strangbrüchen und der Aktivierung von DNA-Reparatur-mechanismen. In MDS zeigen niedrige Konzentrationen langfristig Therapie-erfolge. Inwiefern diese durch direkte DNA-Methylierungsveränderungen oder durch niedergradige DNA-Schädigungen verursacht werden, ist unklar. Da diese Substanzen ebenso in RNA eingebaut wer-den, sind Ribosomen-Defekte, Verluste der tRNA Funktionen und Inhibierung der Translation weitere ungewünschte Fol-gen. Ähnlich den momentan zugelasse-nen HDAC Inhibitoren zeigen also auch die DNMT Inhibitoren pleiotrope Effekte. Zudem sind die Wirkmechanismen nicht vollständig geklärt.

Die oben beschriebenen Daten machen klar, dass es sich bei den momentan verfüg-baren DNMT und HDAC Inhibitoren um nicht zielgerichtete Therapien handelt. Alle vier Substanzen sind innerhalb ihrer jeweili-gen Enzymklasse relativ unspezifisch und verursachen breite zelluläre Effekte, die mit globalen Expressionsveränderungen ein-hergehen. Damit ähneln diese Substanzen vielmehr klassischen Chemotherapeutika als zielgerichteten Molekülen. Um beste Therapieoptionen für individuelle Krebsbe-handlungen vorherzusagen, bedarf es spezi-fischerer, Subklassen-selektiver DNMT und HDAC Inhibitoren (48).

Neue epigenetische Therapieansätze

Die gegenwärtigen Projekte in der epigene-tischen Wirkstoffforschung versuchen einerseits bessere HDAC und DNMT Inhi-bitoren zu finden und andererseits die neuen Targetklassen zu erschließen. Für HDACs steht dabei die Entwicklung spezi-fischerer Substanzen im Mittelpunkt, die nur einzelne Enzyme inhibieren. Für

DNMTs werden kompetitiv wirkende Che-mikalien gesucht, die nicht ins Genom ein-gebaut werden und damit keine DNA Schä-digungen verursachen. Bei den neuen Targets liegt besonders großes Interesse auf den Methyltransferasen und Demethyla-sen (Abb. 5).

Dennoch wurden mit JQ-1 (52) und I-BET (53) die ersten hochspezifischen epi-genetischen Inhibitor im Jahr 2010 nicht für Histon-Methylierung sondern für die nicht-enzymatischen Chromatinproteine der BET Bromodomän Familie beschrie-ben. Diese niedermolekularen Verbin-dungen wurden im Rahmen der chemi-schen Biologie entwickelt und finden nun potentielle Anwendungen in NUT-Mid-line Karzinomen mit BRD3/4 Transloka-tionen, sowie einer Reihe von hämatologi-schen Erkrankungen wie MLL, AML, Multiplem Myelom und Burkitt’s Lym-phom (54-57). Beide Inhibitoren verrin-gern die Transkription und Aktivität des Onkogens MYC, welches lange als „un-druggable“ galt.

Als erster spezifischer Inhibitor einer Histon-Methyltransferase wurde BIX-01294 beschrieben (58). Diese Substanz und das ähnliche, verbesserte Molekül UNC0638 (59) inhibieren G9a und GLP. Beide binden im Gegensatz zu den meis-ten anderen HMTase Inhibitoren nicht in der SAM Bindungstasche, sondern sind kompetitiv mit dem Substratpeptid. Da die etwa 50 Methyltransferasen im menschlichen Genom alle unterschiedli-che Substrate jedoch denselben Kofaktor SAM verwenden, ermöglichen solche Substanzen höhere Selektivität bei gerin-gerer chemischer Optimierung. Dass aber auch die SAM Bindungstasche erfolgreich zur Inhibitorentwickung genutzt werden kann, wurde kürzlich für EZH2 gezeigt. Bekannte aktivierende Mutationen sowie Amplifikationen machen dieses seit lan-gem zu einem favorisierten epigeneti-schen Target (60). Die Assayentwicklung für EZH2 war allerdings lange Zeit limitie-rend, denn das Enzym ist nur im Komplex mit seinen Bindungspartnern EED und SUZ12 aktiv und bevorzugt nukleosomale Substrate gegenüber freien Peptiden (35). Kürzlich wurden zwei chemisch sehr ähn-liche Substanzen unterschiedlicher kon-kurrierender Unternehmen beschrieben: GSK126 (61) und EPZ005687 (62). Beide Substanzen inhibieren EZH2 im niedrigen nanomolaren Bereich und sind hochse-lektiv gegenüber anderen Methyltransfe-rasen. In zellulären Systemen sind diese Substanzen selektiv toxisch in diffus groß-zelligem B-Zell-Lymphomlinien mit akti-

vierenden EZH2 Mutationen. Durch die Substanzen werden erhöhte H3K27me3 Modifikationen in diesen Zellen reduziert, und die Expression zahlreicher Tran-skripte hochreguliert. Auch wenn der Me-chanismus der Abhängigkeit dieser Zellen von überaktivem EZH2 nicht restlos ge-klärt ist, machen die geringen Toxizitäten und das Ansprechen der Tumoren im Xe-nograft Mausmodell EZH2 Inhibitoren zu hervorragenden Kandidaten für klinische Studien (McCabe et al., 2012). Weitere HMT Inhibitor Programme konzentrieren sich auf DOT1L, einem Bindungspartner in MLL Translokationen, und WHSC1, für welches Translokationen im Multiplen Myelom auftreten (60).

Neben Histon-Methyltransferasen sind auch die Histon-Demethylasen im Fokus der Medikamentenentwicklung. Bioche-misch nutzen diese Enzyme zwei unter-schiedliche Mechanismen. Die Proteine LSD1 und 2 entfernen Methylierung in einem Amin-Oxidase Mechanismus und sind damit eng mit den neurologischen Targets MAO-A und -B verwandt. Es konnte gezeigt werden, dass klinisch verwendete MAO Inhibitoren auch LSD1 inhibieren. Aus Gründen der fehlenden Spezifität und geringen Aktivität werden diese aber nicht klinisch für LSD1-abhängige Tumoren ver-wendet. Die größere Demethylase Familie zeichnet sich durch die katalytische jmjC Domäne aus und verwendet einen Eisen- und alpha-Ketoglutarat-Mechanismus. Damit kann im Gegensatz zu LSD1/2 auch Tri-Methylierung entfernt werden.

Erste unspezifische Substanzen für jmjC Demethylasen mit ähnlich breiten Wirkungsspektren wie von HDAC Inhibi-toren sind verfügbar (63). Darüber hinaus wurde erstmals die spezifische Substanz GSK-J4 für die Klasse der H3K27-selekti-ven Demethylasen JMJD3/UTX beschrie-ben (64). Diese Enzymklasse ist mit Tu-morsuppressorfunktion assoziiert (65). Als biologische Wirkung des Inhibitors wurde die Hemmung der Cytokinproduk-tion in Makrophagen beschrieben. Aus der onkologischen Perspektive wären da-her spezifische Substanzen für die H3K4 Demethylasen der JARID Familie und die H3K9 Enzyme JMJD2A-D klinisch relevan-ter, welche auch in den nächsten Jahren zu erwarten sind.

Auch für viele weitere chromatin-mo-difizierende Enzyme werden Substanzen entwickelt. Diese finden sich aber in einem frühen Stadium mit geringer Akti-vität und Selektiviät. Eine Ausnahme stel-len die Inhibitoren und Aktivatoren der Histon-Deacetylasen der Sirtuin Familie

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dar, die mit dem Hauptaugenmerk auf metabolische Erkrankungen und Alte-rung weiter entwickelt werden. Darüber hinaus sind Histon-Acetyltransferasen, Histon-Methyl-Binder, Chromatin-Re-modeller und nicht-kodierende RNAs Ziele von Projekten in der akademi-schen-chemischen Biologie und indus-triellen Forschungs- und Entwicklungs-programmen (27, 42, 44, 48).

Epigenetik in der Diagnostik

Biomarker sind mit der Entstehung und dem Fortschreiten von Krebserkrankungen assoziiert und sind essentiell für die korrekte Diagnose und Therapieentscheidung (66, 67). Vor allem DNA-Methylierungsanalysen mittels Bisulfit-Sequenzierung haben sich im epigenetischen Bereich etabliert, was auf die technische Machbarkeit, schnell und ro-bust Profile aus kleinen Probenmengen zu generieren, zurückzuführen ist. DNA Pro-motermethylierung von O6-Methylguanine DNA-Methyltransferase MGMT ist ein viel-genutzter Biomarker zur Vorhersage des

Therapieerfolges von Gliomen auf alkylie-rende Chemotherapeutika (68). Die Mög-lichkeit, solche DNA-Methylierungsanaly-sen mittels „Next Generation Sequencing“ (NGS) in einem genomweiten Kontext durchzuführen, hat weitere Biomarker für verschiedene Krebsarten etabliert. Insbe-sondere ermöglicht die Verfügbarkeit von DNA-Methylierungsprofilen tausender Zell-linien und Tumorbiopsien (69) die korrela-tive Identifizierung des Ursprungs soge-nannter „tumors of unknown origin“.

Verglichen mit DNA-Methylierung er-fordert die genomweite Lokalisierung von Histon-Modifikationen größere Proben-mengen und durch die Vielzahl verschie-dener Modifikationen auch wesentlich mehr Analysen. Diese werden vor allem als Chromatin-Immunopräzipitationsstudien gekoppelt an NGS (ChIP-Seq) durchge-führt, welche kostspielig sind. Im diagnos-tischen Bereich werden daher typischer-weise nur globale Veränderungen in der Häufigkeit der Histon-Modifikationen als Biomarker verwendet: Im Prostatakarzi-nom treten z.B. Veränderungen der

H3K4me2 und H3K18ac Mengen auf, wel-che mit höherem Relapse-Risiko assoziiert sind (70). Ähnliche Korrelationen wurden für Lungen-, Blasen und Nierentumore festgestellt und auch Veränderungen in miRNA Expression wurden als epigeneti-sche Biomarker vorgeschlagen (67, 71).

Weiters lassen sich Veränderungen in den Kofaktoren der chromatin-modifizie-renden Enzyme als Biomarker nutzen. So konnte gezeigt werden, dass der Onkome-tabolit 2-Hydroxyglutarat im Blut von Pa-tienten mit IDH Mutationen in 100-fach erhöhter Konzentration nachgewiesen werden kann (72).

Es ist zu erwarten, dass die Verfügbar-keit von immer größeren und kompletteren Datensätzen zum Epigenom von norma-lem und verändertem Gewebe im Rahmen internationaler Konsortien (NIH Roadmap Epigenomics Mapping Consortium, BLUE-PRINT, International Human Epigenome Consortium IHEC) in den nächsten Jahren die Zahl der validierten, epigenetischen Biomarker deutlich ansteigen lässt. Im Wei-teren eignen sich Mutationen und Translo-

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kationen der Chromatingene für diagnosti-sche Zwecke mit Standardmethoden.

Zukunft epigenetischer Therapien

Momentan wird Chromatin hauptsächlich als Target für onkologische Anwendungen favorisiert. Das liegt daran, dass epigeneti-sche Prozesse in allen Zelltypen ablaufen und in der Onkologie geringere therapeuti-sche Fenster zu Effekten auf normalen Ge-weben akzeptabel sind. Aus diesem Grund konnten auch die sehr unspezifischen HDAC und DNMT Inhibitoren zugelassen werden. Next Generation Substanzen, die epigenetische Prozesse beeinflussen, zei-gen spezifische zelluläre Effekte und trans-kriptionelle Veränderungen nur weniger Gene. Daher ist zu erwarten, dass solche Substanzen, die epigenetische Prozesse be-einflussen, auch für weitere Erkrankungen Anwendung finden.

Der Bromodomänen Inhibitor RVX-208 befindet sich bereits jetzt in klinischen Stu-dien zur Behandlung von Arteriosklerose (73). Dabei ist der gewünschte Wirkmecha-

nismus die Hochregulierung von ApoA-I, welches über HDL zu erhöhtem Abbau von arteriosklerotischen Plaques in den Blutge-fäßen führen soll. Für einen anderen Bro-modomänen Inhibitor, JQ-1, wurde gezeigt, dass er zusätzlich zu BRD3/4 auch das testis-spezifische BET Protein BRDT inhibiert und damit im Mausmodell zu reversibler Inferti-lität führt (74). Die Effekte dieser Substanz-klasse auf das Zellwachstum und die Im-munbiologie schließen aber eher aus, dass sich die momentan verfügbaren Substanzen als Kontrazeptiva für Männer etablieren werden. Sollte es aber möglich sein, Mole-küle zu entwickeln, die BRDT, aber nicht BRD3/4 inhibieren, so wären auch solche Anwendungen denkbar. Ebenso könnten die immunmodulatorischen Effekte der Bromodomänen, Methyltransferase und Demethylase Inhibitoren therapeutische Anwendung finden (53, 64).

Als wahre epigenetische Modulatoren versprechen Inhibitoren von Chromatin-Pro-teinen auch Anwendungen im Bereich der regenerativen Medizin: Im Sinne der Defini-tion der Epigenetik sollten solche Faktoren

permanente, vererbbare Veränderungen der Genexpression hervorrufen. Noch immer ist unklar, ob dabei tatsächlich die Histon-Modi-fikationen oder die Präsenz der Enzyme wäh-rend der Replikation ausschlaggebend sind. Diese grundlegende Fragestellung sollte in den nächsten Jahren durch den Einsatz von niedermolekularen Substanzen beantwortet werden. Wenn tatsächlich Veränderungen der Histon-Modifikationen im Sinne eines Histon-Kodes ausreichen, um Genexpressi-onsmuster permanent zu verändern, dann sollte es auch möglich sein, nur mithilfe von Chemikalien Zelltypen permanent ineinan-der umzuwandeln. Schon jetzt ist bekannt, dass Chromatin und Epigenetik eine bedeu-tende Rolle bei der Reprogrammierung in in-duzierte pluripotente Stammzellen spielen (75). Weitere Anwendungen zur Gewinnung Patienten-spezifischer, therapeutisch bedeu-tender Zelltypen, wie Insulin-produzierende Betazellen, Dopamin-produzierende Ner-venzellen oder Herzmuskelzellen aus ande-ren Zelltypen sind denkbar.

In der Onkologie werden in den nächs-ten Jahren immer mehr hochaktive Inhibito-

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ren für Chromatinproteine zur Verfügung stehen. Zusätzlich zu sehr zielgerichteten Anwendungen basierend auf Biomarkern werden solche Substanzen auch immer mehr in Kombinationstherapien zum Ein-satz kommen. In einer Reihe von Modell-organismen wurden Chromatinfaktoren als „Hubs“ identifiziert, die mit vielen anderen Genen in synthetisch-letaler Interaktion ste-hen (76). Das bedeutet, dass Chromatingene viele verschiedene Signaltransduktions-wege verknüpfen und damit besonders ho-hes Potential für Kombinationstherapien mit anderen Therapeutika haben. Schon heute befinden sich die bereits zugelasse-nen HDAC und DNMT Inhibitoren in Hun-derten klinischen Studien in Kombination mit anderen Chemotherapeutika und ziel-gerichteten Medikamenten (48).

In Hinblick auf neue Targets ist zu erwar-ten, dass die systematische Charakterisie-rung der 400 chromatin-modifizierenden Proteine im Rahmen der Grundlagenfor-schung neue epigenetische Regulatoren identifiziert, für die Inhibitoren klinische Anwendungen haben könnten. Das direkte Gegenspiel verschiedener Aktivitäten, etwa Histon-Methyltransferasen und Demethy-

lasen, macht es attraktiv zu spekulieren, dass neue Targets validiert werden können, die nicht direkt aus der Tumorgenetik fol-gen. So könnte im Fall der „loss-of-func-tion“ Mutation von epigenetischen Tumor-suppressoren die Inhibition deren Gegenspieler therapeutisch erfolgreich sein. Zum Beispiel ist zu erwarten, dass die Mutation der tumor-suppressiven H3K27 Demethylase UTX zu erhöhter H3K27 Me-thylierung führt. Die nun zur Verfügung ste-henden Inhibitoren der Histon-Methyl-transferase EZH2 bieten erstmals die Möglichkeit, diese Hypothese zu testen.

Schlussbemerkung

Die Beispiele der EZH2 und der BET Inhibi-toren zeigen, wie wichtig hochaktive Inhi-bitoren zum besseren Verständnis der Chromatinbiologie und zur Validierung der therapeutischen Targets sind. Die Entwick-lung und Charakterisierung solcher Sub-stanzen erfolgt am besten im engen Zu-sammenspiel zwischen akademischer chemischer Biologie und industrieller Arz-neimittelforschung. Eine Reihe solcher Pu-blic-Private-Partnership Projekte existieren

bereits, wie etwas das Epigenetic Probe Program des Structural Genomics Consor-tiums in Oxford oder das Christian Doppler Labor für Chemische Epigenetik in unserer Gruppe am CeMM. Im weltweiten Zusam-menspiel müssen diese Projekte in den nächsten Jahren darauf hinarbeiten, spezi-fische Substanzen für alle 400 therapeu-tisch nutzbaren Chromatinproteine zu ent-wickeln. Nur so wird eine systematische Targetvalidierung und die rasche Entwick-lung neuer epigenetischer Therapien zum Nutzen der Patienten ermöglicht. n■

Korrespondenz:Dr. Stefan KubicekCeMM Research Center for Molecular Medicine of the Austrian Academy of SciencesLazarettgasse 14/AKH BT 25.31090 WienTel.: +43-1-40160-70036, Fax: +43-1-40160-970000E-Mail: [email protected]

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