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Er wird der Friede sein - Predigt zu Micha 5,1-4 von Martina Janßen
Veröffentlicht auf predigten.evangelisch.de
(https://predigten.evangelisch.de)
Er wird der Friede sein - Predigt zu Micha 5,1-4 von Martina
Janßen
Autor / Autorin
Pastorin Dr. Martina Janßen [1]
Kontakt aufnehmen [2]
Alle Predigten vom Verfasser [1]
I.
„Hört’s, ihr Menschen groß und klein, Halleluja, Friede soll auf Erden sein“ (eg 47,4). Noch hallen die
Worte nach, die wir eben gesungen haben, noch liegt die Melodie in der Luft, noch spüre ich diesen
Weihnachtsfrieden. Doch was passiert, wenn der Gottesdienst vorbei ist? Wenn Weihnachten vorbei
ist und wir wieder im Alltag landen? Wie steht es dann um den Frieden – in unserem Leben und in
der Welt?
Hand auf’s Herz, wir wissen es doch alle: Im wirklichen Leben kommt Frieden nicht durch
Engelschöre oder einen festlichen Weihnachtsgottesdienst. Friede kommt anders, viel komplizierter –
wenn er überhaupt kommt. Ich habe noch die Bilder vom OSZE-Gipfel in Hamburg von Anfang
Dezember vor Augen. Da ging es um die Möglichkeit des Friedens und seiner Sicherung in all den
Krisenherden dieser Welt. Das war ein gewaltiges Ereignis, dagegen kommen ein paar
Engelsstimmen auf einem Feld nicht an. 57 Mitgliedsländer, über 50 Außenminister,
13.00 Delegierte, 14.000 Polizisten, 160 Millionen Kosten, sieben Kilometer Gitterzaun. Viel Glamour
und maximaler Schutz für die Strategen des Friedens. Eigentlich verrückt: Die Friedensbemühungen
machen die offene Stadt zur Festung. Was für Bilder!
Hinter den glanzvollen Kulissen: Verhandeln und Reden. Klare Hierarchien und Rituale. Vor den
Kulissen: Demonstrationen und Kontrollen. Schnappschüsse auch. Der US-amerikanische
Außenminister Kerry beim Shoppen auf dem Weihnachtsmarkt – das Bild ging durch die Presse.
Zugegeben, das alles ist eine andere Nummer als ein Engelschor auf einem Feld und ein Paar Hirten
und Schafe. Und doch: Frieden hat es nicht gebracht, viel bewegt hat das alles nicht, nicht einmal
kleine Schritte auf den Frieden hin sind gelungen. Der OSZE-Gipfel wurde ohne eine gemeinsame
Abschlusserklärung beendet. Kein Konsens oder Kompromiss in all den Konflikten, Krisen und
Kriegen. Also nur: Schön, dass wir darüber geredet haben. Also viel Lärm um nichts?
Sicher, es ist gut, dass überhaupt geredet wird, sonst wäre ja vielleicht alles noch viel schlimmer.
Doch was bleibt? Ehrlich gesagt: Nicht viel. Ein Großevent, das schnell verpufft. Was bleibt?
Schmuddelwetter in Hamburg und stürmische Zeiten auf der Weltbühne. Was also bleibt? Vielleicht
das Gefühl: es geht genauso weiter wie vorher, ein Schnappschuss von Kerry auf dem Hamburger
Weihnachtsmarkt und die Frage: Wann wird Friede sein?
II.
Und du Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir der kommen,
der in Israel HERR sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist. Indes lässt er
sie plagen bis auf die Zeit, dass die, welche gebären soll, geboren hat. Da wird dann der Rest seiner
Brüder wiederkommen zu den Söhnen Israel. Er wird aber auftreten und weiden in der Kraft des
HERRN und in der Macht des Namens des HERRN, seines Gottes. Und sie werden sicher wohnen;
denn er wird zur selben Zeit herrlich werden, soweit die Welt ist. Und er wird der Friede sein.(Micha
5,1-4a)
Bethlehem ist nicht Hamburg. Verglichen mit der Weltmetropole an der Elbe ist Bethlehem ein
kleines Dorf. Der, der unser Friede ist, wurde in einer stillen Nacht in einem kleinen Dorf geboren.
Ohne Glamour und ohne Kosten und ohne Schutz. Nicht als mächtiger Mann wurde er geboren,
sondern als kleines Kind. So wie es eben überall und zu allen Zeiten passiert. Das ist keine
Schlagzeile in der Weltpresse wert. Und doch: Der kleine Junge aus Bethlehem – und niemand sonst –
ist der Friede. Unglaublich eigentlich, wie kann das sein? Ist das nicht nur eine schöne Geschichte?
Nun ja, zumindest eine, die unvergessen ist und bleibt. An den OSZE-Gipfel in Hamburg 2016 wird
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Er wird der Friede sein - Predigt zu Micha 5,1-4 von Martina Janßen
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(https://predigten.evangelisch.de)
sich in zweitausend Jahren wohl niemand mehr erinnern und wenn man den neusten Prognosen der
Klimaforschung Glauben schenkt, könnte dann selbst Hamburg in der Versenkung verschwunden
sein.
Anders die Geschichte vom Kind in Bethlehem. Seit über zweitausend Jahren wird sie erzählt und
immer, wenn sie erzählt wird, bewegt sie die Herzen und lässt die Welt ein bisschen stiller stehen
als sonst. Mich rührt die Erinnerung eines Taxifahrers aus New York an: „Unser Taxi schaffte in
jener Vorweihnachtszeit in fünfzehn Minuten etwa zwei Häuserblocks. `Dieser Verkehr ist eine
Katastrophe´, schimpfte mein Begleiter. `Er nimmt mir das ganze bisschen Weihnachtsstimmung,
das ich habe.´ Mein anderer Begleiter war philosophischer. `Es ist unglaublich´, sinnierte er,
`ganz und gar unglaublich. Denkt doch bloß – ein Kind, das vor über zweitausend Jahren mehr als
achttausend Kilometer von hier geboren wurde, verursacht ein Verkehrschaos auf der Fifth
Avenue in New York!´ Tja, das ist tatsächlich unglaublich!“[1].
III.
„Ich frage mich, was geschehen würde, wenn die Armeen plötzlich die Waffen niederlegen und
sagen würden, man müsse eine andere Art und Weise finden, um Konflikte beizulegen.“ So hat es
Winston Churchill, First Lord of the Admiralty, im November 1914 formuliert. Ein Gedankenspiel,
das tatsächlich Wirklichkeit wurde. Eigentlich unglaublich, ganz und gar unglaublich, aber wahr.
Der Weihnachtsfriede von 1914 ist legendär geworden. Von ihm erzählen Lieder, Gedichte, Filme
und Romane. Verfeindete Armeen unterbrechen den Krieg und feiern gemeinsam Weihnachten an
der Front. „Ich denke, dass meine Kompanie und ich das merkwürdigste Weihnachtsfest erlebt
haben, das überhaupt jemals möglich ist.“[2] So beginnt der Bericht des britischen Hauptmanns C. I.
Stockwell über den Weihnachtsfrieden 1914. Und der Soldat Josef Wenzel schreibt an seine Eltern.
„Ein Engländer spielte mit der Mundharmonika eines deutschen Kameraden, andere tanzten […]. Die
Engländer stimmten ein Lied an, wir sangen hierauf ‚Stille Nacht, heilige Nacht’. Es war dies etwas
Ergreifendes: zwischen den Schützengräben stehen die verhasstesten und erbittertsten Gegner um
den Christbaum und singen Weihnachtslieder. Diesen Anblick werde ich mein Leben lang nicht
vergessen. Man sieht halt, dass der Mensch weiterlebt, auch wenn er nichts mehr kennt in dieser
Zeit als Töten und Morden […] Weihnachten 1914 wird mir unvergesslich sein.“
Man muss es sich vorstellen: Da wird nicht rhetorisch zwischen Krieg und Frieden abgewogen, da
wird nicht im geschützten Raum mit kulturellem Begleitprogramm zwischen globalen und nationalen
Interessen zu vermitteln versucht, da ist Krieg Realität. Da steht niemandem der Sinn nach
Schnappschüssen, denn da wird scharf geschossen. Und genau da machen Menschen Frieden.
Ungeschützt und ohne Glamour. Im Dreck und in Schützengräben. Ohne die Sicherheit von Ritualen
und Hierarchien. Einfach so. Da machen Soldaten mitten im Krieg einfach Frieden. Für eine Nacht.
Ohne Blitzlichtgewitter. Ganz still. Stille Nacht, heilige Nacht. Da wird auf dem Schlachtfeld wahr,
was die Engel damals den Hirten gesungen haben: „Hört’s, ihr Menschen groß und klein, Halleluja,
Friede soll auf Erden sein.“ (eg 47,4) Das ist tatsächlich unglaublich! Unvergesslich, ergreifend,
merk-würdig auch im wörtlichen Sinn.
Ich frage mich, wie das damals möglich war mit dem Frieden. Da war ja nichts geplant wie bei
unseren großen Gipfeln, da war niemand verantwortlich, da gab es keinen Vorlauf und keinen Befehl.
Ganz normale Menschen haben einfach Frieden gemacht mitten im Krieg. Nicht theoretisch, sondern
ganz konkret und im Kleinen. So ist es wohl, Frieden kann man nicht delegieren an die Mächtigen
dieser Welt. Frieden beginnt mit dir und mir. Damit, dass wir beginnen.
Wer hat wohl damals angefangen mit dem Frieden? Wie und womit hat er wohl begonnen, der
Weihnachtsfriede 1914? Vielleicht mit der Sehnsucht. Ja, ich glaube, die Sehnsucht war der Anfang
vom Frieden. Die Sehnsucht nach Weihnachten mitten im Dreck und Blut und Lärm des Krieges. Die
Sehnsucht nach Licht und Wärme. Die Erinnerung an den Zauber der Kindertage unterm
Weihnachtsbaum, an die Melodien, an das Kind in der Krippe, die eigenen Kinder zuhause. Damit hat
es wohl gefangen. Mehr brauchte es nicht. Keinen Schutz, keine Sicherheit, keine Strategien, nur
diese Sehnsucht, die sich an der Geburt des kleinen Kindes in Bethlehem entzündet hat. Unglaublich,
aber wahr: Ein Kind, das vor über zweitausend Jahren mehrere tausende Kilometer von den Fronten
des ersten Weltkriegs entfernt geboren wurde, verursacht Frieden mitten im Krieg. Was für eine
Kraft geht von dem aus, was damals geschehen ist!
Und du Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir kommen, der
Herr ist. Und er wird der Friede sein. (Mi 5,1)
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So war es in dieser Nacht des Weihnachtsfriedens 1914. Da war Friede. Doch was ist geblieben nach
dieser Nacht? Danach wurde wieder scharf geschossen, das kann niemand leugnen. Ist es also
wieder nur eine romantische Geschichte, die am Ende übrig bleibt? So ein sentimentaler
Schnappschuss wie Kerry auf dem Weihnachtsmarkt? Ich glaube nicht. Denn da war eine Nacht
Frieden. Da war eine Nacht kein Sterben. Da war ein Mensch, der vielleicht genau wegen dieser
Nacht den Krieg überlebt hat, der sein Leben gelebt und Leben weitergegeben hat. „Das man halt
sieht, dass der Mensch weiterlebt, auch wenn er nichts mehr kennt in dieser Zeit als Töten und
Morden.“ Das bleibt und gibt der Sehnsucht hier und heute Nahrung: Möge doch wieder so ein Friede
kommen in unsere verwundete Welt! Das bleibt: Weil Gott in tiefster Nacht erschien, kann unsre
Nacht nicht endlos sein. Er wird der Friede sein.
„Gott segne uns und behüte uns. Das Licht von Bethlehem scheine in unseren Herzen und dringe vor
aus dem Elendsstall bis in die Paläste. Wir sind das Licht der Welt. Geht hin in Frieden.“ (D.Sölle)
Amen.
[1] Norman Vincent Peale, aus: ach! Das kleine Buch vom großen Staunen, Andere Zeiten e.V.
Hamburg 2007, S.30.
[2] Für die Materialien
siehe https://www.phbern.ch/fileadmin/user_upload/MOL/1_Weltkrieg/Unterrichtse... [3].
Aus der Predigtwerkstatt
Perikope
Link zur Online-Bibel
Online-Bibel der deutschen Bibelgesellschaft [4]
Quell-URL:
https://predigten.evangelisch.de/predigt/er-wird-der-friede-sein-predigt-zu-micha-51-4-von-martina-j
anssen
Links
[1] https://predigten.evangelisch.de/verfasser/pastorin-dr-martina-janssen
[2] https://predigten.evangelisch.de/kontakt?pid=6351
[3]
https://www.phbern.ch/fileadmin/user_upload/MOL/1_Weltkrieg/Unterrichtseinheiten/10_Der_Weihnac
htsfrieden_1914.pdf
[4] https://www.die-bibel.de/bibeln/online-bibeln/lesen/LU17/Micha.5.1-4
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