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Wirtschaftliches aus der chemischen Technik Erdol - ein problematischer Partner Fur das Jahr 1970 wurde in Westeuropa eine Zunahme des Erdolverbrauchs von 11% festgestellt, in Japan erreichte die Wachstumsrate 19% und in den USA, trotz des Ruckgangs des allgemeinen wirtschaftlichen Wachstums, immerhin noch 4,5%. Sollte die Wachstumsgeschwindigkeit fur das Jahrzehnt von 1970 bis 1980 mit 7%/Jahr genau so groB sein wie in den letzten 10 Jahren, so durfte der Erdolverbrauch genau so groB sein wie der seit 1858, als Colonel Drake die erste 01- bohrung in Pennsylvania/USA niederbrachte, bis heute namlich 28 Mrd t. Tabelle 2. Welterdolreserven (Mi0 t). Der enorme Anstieg der Weltbevolkerung rnit dem gleich- zeitigen Bestreben, einen noch hoheren Lebensstandard zu erreichen, hat auch ebenfalls den wichtigsten Faktor fur eine solche Entwicklung, den Energieverbrauch, gewaltig in die Hohe schnellen lassen. Der Gesanitenergieverbrauch der westlichen Welt, der 1920 noch etwa 1,7 Mrd t SKE betrug, erreichte 1970 schon 5,3 Mrd t SKE. Wahrend 1920 noch die festen Brennstoffe fast ausschlieBlich die Energieerzeugung bestritten, trugen 1958 Erdol und feste Brennstoffe zu glei- chen Teilen schon zur Energieerzeugung bei. Im vergangenen Jahr erreichte dor Anteil des Erdols am Gesamtenergiever- brauch bereits 53% und mit dem Erdgas zusammen fast 72%. Feste Brennstoffe waren inzwischen rtuf etwas unter 22% zuruckgefallen. Insgesamt kann man sagen, daB der Mehrverbrauch an Energie seit 1920 in hohem MaBe vom Erdol getragen wurde. Dieser Trend wird sich in Zukunft noch verstarkt fortsetzen. Fur 1980 schatzt man den Anteil der festen Brennstoffe auf weniger als 15'10, wahrend Erdol und Erdgas fast 83% des Energieverbrauchs der westlichen Welt bestreiten werden. 1960 1965 1969 1970 i. ? ' a 1970 Welt Westeuropa BRD Afrika Algerien Naher Osten Saudi Arabien Nordamerika USA Mittel- u. Sud- amerika Venezuela Mittlerer u. Ferner Osten, Australien Indonesien UdSSR, China, Osteuropa UdSSR 41 019 240 1056 662 24876 6728 5 194 4521 3 549 F88 48 136 273 106 3 064 959 29324 8067 5 782 4 772 3572 72232 202 81 7286 1037 45238 18822 6399 5217 4 007 83 084 468 81 9 893 3 890 46 902 17276 6 437 4 990 3 589 Der sehr optimistischen Prognose der sechziger Jahre, da13 schon in naher Zukunft die Kernenergie zu einem wesent- lichen Energielieferanten wird, sind inzwischen realistischere Vorstellungen gefolgt, so rechnet man fur 1980 rnit einem An- teil von unter 8% (westlicheWelt, 1970 ca,. 1,7%). Auch in der BRD rechnet man z. Z. rnit einer revidierten Schatzung bei der Stromerzeugung von ursprunglich 40% auf 20% bis 25%. Infolge der hohen Investitionskosten bei Kernkraftwerken verschiebt sich die Rentabilitlit zu immer groBeren Einheiten hin - die Investitionen pro kWh liegen bei Kernkraftwerken 2 626 1477 2 464 1494 1979 1770 1878 1941 1,6 16,7 1289 4 627 1293 4 627 1225 8 330 1361 13854 4 335 4 404 6 075 10850 13,1 Die gegenwartigen Reserven ubersteigen diesen Bedarf zwar bei weitem, jedoch verfugen die westlichen Industrienationen, insbesondere Europa, nur uber geringe Erdolreserven, die sich erst im vergangenen Jahr durch Funde im Nordsee- kustengebiet GroBbritanniens (137 Mio t) und Norwegens (135 Mio t) erhohten. Westeuropas Erdolforderung war 1970 nur mit 0,7% an der Erdolforderung der Welt beteiligt, je- doch verbranchte es fast 28% des geforderton Erdols. Wenn sich nicht weit mehr und weit groBere Erdolfelder in West- europa im Laufe der nachsten Jahre finden werden, bleibt die totale Abhiingigkeit von den Feldern des Nahen Ostens bestehen, der fast 30% der Forderung des Jahres 1970 auf sich vereinigte, jedoch nur 2,4% verbrauchte. Die Vertrage von Teheran und Tripolis brachten erhebliche Mehreinnahmen fur die sechs Forderlander am persischen Golf-Iran, Kuwait, Saudiarabien, Irak, Abu Dhabi und Katar sowie Libyen. Allein fur den Vertrag von Teheran ergeben sich fur die Importeure 1971 Mehrausgaben von ca. 1,2 Mrd $, die sich bis einschlieBlich 1975 auf ca. 12 Mrd $ erhohen wer- den. Wegen der giinstigeren Lago zu den Verbrauchszentren in Europa konnte Libyen noch bei weitem hohere Einnahmen pro Barrel erzielen, als die durch die SchlieBung des Suez- kanals benachteiligten Liinder des Persischen Golfs. Wiihrend der Posted Price fur diese Liinder von Ende 1970 bis Januar 1975 von 1,80 $/Barrel auf 2,61 $/Barrel steigt, wird sich fiir den gleichen Zeitraum der Preis fur libysches Rohol von 2,55 $/Barrel auf 3,93 $/Barrel erhohen. Bei gleichbleibender Erdolproduktion wie 1970 (159 Mio t) betragen die libyschen Mehreinnahmen fur 1971 rund 600 Mio $, fur 1975 aber be- reits 900 Mio $. Tabelle 1. Erdolforderung der Welt (Mio t). 1960 1965 1969 1970 1960/70 % Welt Westeuropa BRD Afrika Libyen Naher Osten Iran Nordamerika USA Mittel- u. Siid- amerika Venezuela Mittlerer u. Ferner Osten, Australien Indonesien UdSSR, China, Osteuropa UdSSR 1085 14 6 14 1547 19 8 107 59 412 92 467 427 240 2 134 17 8 246 149 618 168 573 510 261 2 334 16 8 296 159 688 190 604 534 268 115 14 33 2 000 169 159 266 49 41 39 262 52 406 380 193 148 27 181 33 187 57 193 70 30 159 21 168 24 270 40 363 45 393 114 134 148 243 329 353 138 heute fast doppelt so hoch wie bei Kraftwerken, die mit Erdol bzw. Erdgas betrieben werden - so daB der Schnittpunkt der Konkurrenzfiihigkeit gegenwlirtig bei 800 bis 1000 Mega- watt liegt und der Aufwand fur ein Kernkraftwerk dieser GroBenordnung schon 600 Mio DM uberschreitet. 1140 Chernie-Ing.-Techn. 43. Jahrg. 1971 I Nr. 20

Erdöl - ein problematischer Partner

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Page 1: Erdöl - ein problematischer Partner

Wirtschaftliches aus der chemischen Technik

Erdol - ein problematischer Partner Fur das Jahr 1970 wurde in Westeuropa eine Zunahme des Erdolverbrauchs von 11% festgestellt, in Japan erreichte die Wachstumsrate 19% und in den USA, trotz des Ruckgangs des allgemeinen wirtschaftlichen Wachstums, immerhin noch 4,5%. Sollte die Wachstumsgeschwindigkeit fur das Jahrzehnt von 1970 bis 1980 mit 7%/Jahr genau so groB sein wie in den letzten 10 Jahren, so durfte der Erdolverbrauch genau so groB sein wie der seit 1858, als Colonel Drake die erste 01- bohrung in Pennsylvania/USA niederbrachte, bis heute namlich 28 Mrd t.

Tabelle 2. Welterdolreserven (Mi0 t).

Der enorme Anstieg der Weltbevolkerung rnit dem gleich- zeitigen Bestreben, einen noch hoheren Lebensstandard zu erreichen, hat auch ebenfalls den wichtigsten Faktor fur eine solche Entwicklung, den Energieverbrauch, gewaltig in die Hohe schnellen lassen. Der Gesanitenergieverbrauch der westlichen Welt, der 1920 noch etwa 1,7 Mrd t SKE betrug, erreichte 1970 schon 5,3 Mrd t SKE. Wahrend 1920 noch die festen Brennstoffe fast ausschlieBlich die Energieerzeugung bestritten, trugen 1958 Erdol und feste Brennstoffe zu glei- chen Teilen schon zur Energieerzeugung bei. Im vergangenen Jahr erreichte dor Anteil des Erdols am Gesamtenergiever- brauch bereits 53% und mit dem Erdgas zusammen fast 72%. Feste Brennstoffe waren inzwischen rtuf etwas unter 22% zuruckgefallen. Insgesamt kann man sagen, daB der Mehrverbrauch an Energie seit 1920 in hohem MaBe vom Erdol getragen wurde. Dieser Trend wird sich in Zukunft noch verstarkt fortsetzen. Fur 1980 schatzt man den Anteil der festen Brennstoffe auf weniger als 15'10, wahrend Erdol und Erdgas fast 83% des Energieverbrauchs der westlichen Welt bestreiten werden.

1960 1965 1969 1970 i. ?'a 1970

Welt Westeuropa

BRD Afrika

Algerien Naher Osten

Saudi Arabien Nordamerika

USA Mittel- u. Sud- amerika Venezuela Mittlerer u. Ferner Osten, Australien

Indonesien UdSSR, China, Osteuropa

UdSSR

41 019 240

1056 662

24876 6728 5 194 4521 3 549

F88

48 136 273 106

3 064 959

29324 8067 5 782 4 772 3572

72232 202 81

7286 1037

45238 18822 6399 5217 4 007

83 084 468 81

9 893 3 890

46 902 17276 6 437 4 990 3 589

Der sehr optimistischen Prognose der sechziger Jahre, da13 schon in naher Zukunft die Kernenergie zu einem wesent- lichen Energielieferanten wird, sind inzwischen realistischere Vorstellungen gefolgt, so rechnet man fur 1980 rnit einem An- teil von unter 8% (westliche Welt, 1970 ca,. 1,7%). Auch in der BRD rechnet man z. Z. rnit einer revidierten Schatzung bei der Stromerzeugung von ursprunglich 40% auf 20% bis 25%. Infolge der hohen Investitionskosten bei Kernkraftwerken verschiebt sich die Rentabilitlit zu immer groBeren Einheiten hin - die Investitionen pro kWh liegen bei Kernkraftwerken

2 626 1477

2 464 1494

1979 1770

1878 1941

1,6 16,7

1289 4 627

1293 4 627

1225 8 330

1361 13854

4 335 4 404 6 075 10850 13,1

Die gegenwartigen Reserven ubersteigen diesen Bedarf zwar bei weitem, jedoch verfugen die westlichen Industrienationen, insbesondere Europa, nur uber geringe Erdolreserven, die sich erst im vergangenen Jahr durch Funde im Nordsee- kustengebiet GroBbritanniens (137 Mio t) und Norwegens (135 Mio t) erhohten. Westeuropas Erdolforderung war 1970 nur mit 0,7% an der Erdolforderung der Welt beteiligt, je- doch verbranchte es fast 28% des geforderton Erdols. Wenn sich nicht weit mehr und weit groBere Erdolfelder in West- europa im Laufe der nachsten Jahre finden werden, bleibt die totale Abhiingigkeit von den Feldern des Nahen Ostens bestehen, der fast 30% der Forderung des Jahres 1970 auf sich vereinigte, jedoch nur 2,4% verbrauchte.

Die Vertrage von Teheran und Tripolis brachten erhebliche Mehreinnahmen fur die sechs Forderlander am persischen Golf-Iran, Kuwait, Saudiarabien, Irak, Abu Dhabi und Katar sowie Libyen. Allein fur den Vertrag von Teheran ergeben sich fur die Importeure 1971 Mehrausgaben von ca. 1,2 Mrd $, die sich bis einschlieBlich 1975 auf ca. 12 Mrd $ erhohen wer- den. Wegen der giinstigeren Lago zu den Verbrauchszentren in Europa konnte Libyen noch bei weitem hohere Einnahmen pro Barrel erzielen, als die durch die SchlieBung des Suez- kanals benachteiligten Liinder des Persischen Golfs. Wiihrend der Posted Price fur diese Liinder von Ende 1970 bis Januar 1975 von 1,80 $/Barrel auf 2,61 $/Barrel steigt, wird sich fiir den gleichen Zeitraum der Preis fur libysches Rohol von 2,55 $/Barrel auf 3,93 $/Barrel erhohen. Bei gleichbleibender Erdolproduktion wie 1970 (159 Mio t) betragen die libyschen Mehreinnahmen fur 1971 rund 600 Mio $, fur 1975 aber be- reits 900 Mio $.

Tabelle 1. Erdolforderung der Welt (Mio t).

1960 1965 1969 1970 1960/70 %

Welt Westeuropa

BRD Afrika

Libyen Naher Osten Iran Nordamerika

USA Mittel- u. Siid- amerika

Venezuela Mittlerer u. Ferner Osten, Australien Indonesien UdSSR, China, Osteuropa

UdSSR

1085 14 6

14

1547 19 8

107 59

412 92

467 427 240

2 134 17 8

246 149 618 168 573 510 261

2 334 16 8

296 159 688 190 604 534 268

115 14 33

2 000 169 159 266 49 41 39

262 52

406 380 193

148 27

181 33

187 57

193 70

30 159

21 168

24 270

40 363

45 393

114 134

148 243 329 353 138

heute fast doppelt so hoch wie bei Kraftwerken, die mit Erdol bzw. Erdgas betrieben werden - so daB der Schnittpunkt der Konkurrenzfiihigkeit gegenwlirtig bei 800 bis 1000 Mega- watt liegt und der Aufwand fur ein Kernkraftwerk dieser GroBenordnung schon 600 Mio DM uberschreitet.

1140 Chernie-Ing.-Techn. 43. Jahrg. 1971 I Nr. 20

Page 2: Erdöl - ein problematischer Partner

In noch stiirkerem MaSe abhiingig vorn Erdol-Oligopol des Mittleren Ostens sind die Japaner, die fast 100% ihres Erdol- bedarfs importieren mussen und rund 90% aus diesen Lan- dern beziehen. Daruber hinaus haben es die Japaner uber Jahre hinaus versaumt, sich an Gesellschaften zu beteiligen oder eigene Auslandsgesellschaften zu griinden, die uber Forderkonzessionen verfugen. Nur 10% der Importe werden von japanischen Auslandsgesellschaften gefordert und ge- liefert - Arabian Oil, North Sumatra Oil - wiihrend das Gros von den internationalen Olgesellschaften bezogen wer- den muB. Um so ernster sind die Bestrebungen der japani- scheii Olindustrie und des Industrie- und AuDenhandels- ministeriums zu nehmen, die Olversorgung ,,autonom" zu machen. Sicherlich werden Staatszuschusse einen grogen Teil der risikoreichen Bohrkosten abdecken.

Tabelle 3. Erdolverbrauch der Welt (Mi0 t).

1960 1965 1969 1970 i. %1970

Welt Westeuropa

Afrika Naher Osten Nordamerika

Mittel u. Siid-

BRD

USA

1079 1347 2058 2269 199 378 554 604 26,6

34 79 116 128 5,6 25 31 38 41 1 3 29 42 51 55 2,4

527 619 770 799 35,3 484 564 701 727 32,O

82 109 123 132 598 amerika Mittlerer u. 74 147 271 305 13,5 Ferner Osten, Australien

UdSSR, China, 143 222 302 332 14,6 Osteuropa

UdSSR 119 180 239 260 11,5

Japan 31 85 163 190 8,4

Erste Erfolge dieser Bestrebungen konnten im August d. J. verzeichnet werden. Das japanische Konsortium, bestehend aus der Teijin Ltd., North Sumatra Development Go., Mitsui Bussan und Mitsubishi Gorp., erhielt den Zuschlag fur die Lorestan-Olfelder im Iran und errichtete mit der National Iranian Oil Corporation (NIOC) ein Gemeinschaftsunter- nehmen, die Iranian Oil Development Go (IODC), an der auDerdem die halbstaatliche Petroleum Development Gorp. zu einem Viertel beteiligt ist. An dem Grundkapital des Gemeinschaftsunternehmens von 7 0 Mio $ ist die NIOC zu 50% beteiligt. Dieser Erfolg wird die Japaner aber einiges kosten. Nicht nur, daS sie die Erschliehngskosten uber- nehmen mussen, und der NIOC bei Aufnahme der Ausbeu- tung 35 Mio $ bzw. bei Erreichen einer Forderung von 100 Mio Barrel 5 Mio $ bezahlt werden mussen, sondern die Ja- paner muBten sich daruber hinaus noch verpflichten, ein petrochemisches Kombinat im Werte von 100 Mio $ zu er- richten. Der Bau einer Raffinerie durch die Japaner ist zwar noch offen, aber auch diese Forderung werden sie erfullen mussen.

Aber auch die Europaer miissen gewaltige Summen investie- pen, um nach dem Ablaufen des fiinfjahrigen Abkommens mit den OPEC-Staaten nicht rnit leeren Hiinden dazustehen. Sicherlich werden die Erdolfunde in der Prudhoe Bay in Alaska die Zahl der Abnehmer fur die Lander des Nahen Ostens und Afrikas verringern genauso wie die gewaltigen Olschiefervorkommen (81 Mrd t) in den USA, aber dieses 0 1 durfte wohl kaum seinen Weg nach Europa finden. AuDer- dem hat man bisher noch kein geeignetes Verfahren gefunden, um groBtechnisch die Olschiefervorkommen nutzbar zu machen. Gegenwartig wird in den USA, in Colorado, nur eine Versuchsanlage betrieben, die eine tagliche Forderung von 135 t hat. Bis 1975 wird erst rnit der Errichtung einer groDe-

ren Versuchsanlage rnit eirier Tagesproduktion von 6 750 t gerechnet, und erst 1985 yird die tiigliche Forderung 175 000 t erreichen, etwa die gleicho Menge, die man bis dahin aus Kanada zu beziehen hofft - 1970 bezogen die USA tag- lich 9 4 6 0 0 t aus Kanada. Fur die Entwicklung eines geeigne- ten Verfahrens schiitzt man die Kosten, die private Olgesell- schaften zwischen 1973 und 1983 indirekt investieren werden, auf ca. 2,7 Mrd $. Dazu addieren sich noch 435 Mio $, die di- rekt fur die Olschiefergewinnung investiert werden mussen.

Da auf dem europiiischen Kontinent Experten kaum noch mit der Entdeckung groDerer Lagerstiitten rechnen, liegt die Zukunft in den Randgebieten der Nord- und Ostsee. Aber die Explorations- und Forderkosten sind erheblich hoher als die, die bei der Ausbeutung von Feldern entstehen, die auf dem Festland liegen. Trotzdcm wird man nicht nur in Europa, sondern in der ganzen Welt immer stiirker auf die Erdol- forderung in kustennahen Gehieten zuruckgreifen mussen. Von der Welt-Erdolforderung des Jahres 1970 wurden 420 Mio t, rund l8%, ,,offshore" gewonnen und bis zum Jahre 2000 wird man nach Ansicht des Chefgeologen der amerika- nischen Regierung, Dr. Mc Kelvey, 40% bis 50% aus Kusten- gecvassern fordern.

Ein Verfahren zur Gewinnung von Mineralolprodukten durch die Hydrierung von Kohle, obwohl immer wieder aufgegriffen, verbietet sich von selbst wegen des damit benotigten funf- bis sechsinal so hohen Kapitals im Vergleich zu der normalen Erdolforderung, zumal die in Europa nur im Untertagebau gewonnene Kohle vom Preis her gesehen keine Chance hat, als Rohstoff eingesetzt zu werden. Den Europaern bleibt nur zu hoffen, daS in den niichsten fiinf Jahren weitere Felder wie in Norwegen und England fundig werden, oder daB ein Anbieteroligopol einem Kiiuferoligopol gegenubersteht, so daD die Zahl der moglichen Abnehmer erheblich abnimmt.

Bleiben die Wander nur Rohstofflieferanten?

Bisher haben die arabischen Lander und die Lander Nord- afrikas kaum etwas an der Situation geiindert, daR sie im Mineralolgeschiift eine mehr oder weniger passive Rolle ein- nehmen. Sie waren in der Vcrgangenheit und sind noch heute

Tabelle 4. Raffineriekapazitsten der Welt (Mi0 t).

1960 1965 1969 1970 i. % I 9 7 0

Welt 1261 1830 2470 2670 Westeuropa 230 436 691 732 27,4

BRD 41 81 115 120 435 Afrika 6 31 39 46 1,7

5,1 Iran 25 26 32 32 152

Naher Osten 74 96 121 137

Nordamerika 551 598 700 737 27,6 USA 501 540 630 665 25,O

Mittel- u. Siid- 159 210 256 284 10,6 amerika

Venezuela 48 59 66 76 2 3 Mittlerer u. Ferner Osten, Australien

6 3 UdSSR, China, 169 275 384 422 15,9 Osteuropa

UdSSR 148 243 329 353 13,2

72 176 278 311 11,7

Japan 34 100 157 185

Rohstofflieferanten der Industrienationen. Von der gesamten Raffineriekapazitiit der Welt (1970 2,67 Mrd t/Jahr) konnten sie bisher nur 183 Mio t oder 6,9% auf sich vereinigen. Sie sind formlich vom steigenden Erdolverbrauch der Industrie- nationen iiberrannt worden. Wahrend 1957 noch rund 25%

Chemie-Iny.-Techn. 43. Jahry. 1971 Nr . 20 1141

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Tabelle 5. Kostenindex fur den Raffineriebau (1946 = 100) i. d. USA. ~~

1960 1967 1968 1969 Sept. 1969 Hept. 1970

Index derlJ Baukosten

Produktivittits-2’ faktor

Bereinigter3’ Baukosten-Index

228,% 286,7 304,l 329,O 337,9 376,s

2,211 2,767 2,816 3,092 3,176 3,193

103,2 103,6 108 106,4 106,4 118,O

~ ~

1 ) Index der Preissteigerungen auf dem Wiederbeschaffungswert basierend, ohne Berucksichtigung von Weiterentwicklungen. 2) Produl;tivittitsfal~tor, der Vorbesserungen in konstruktiver und technischer Hinsicht beruclrsichtigt. 3) effektiver Baulrosten-Index unter Berucksichtigung von 1) und 2).

der Erdolforderung des Persischen Golfs hier raffiniert wur- den, sank dieser Anteil stetig mid durfte heute im Durch- schnitt unter 18% liegen. Manche Lander exportieren fast 95% ihrer Forderung nicht raffiniert, obwohl ihnen erhebliche Summen aus dem Erdolgeschdft zugeflossen sind. Es er- hielten der Mitt,lere Osten 1969 allein 3,7 Mrd $ und die nord- afrikanischen Staaten Libyen und Algerien zusammen 1,4 Mrd $. Anstatt nach 1950 die Gunst der Stunde zu nutzen und die aus dem Erdolgeschaft erhaltenen Summen zu rein- vestieren, lie13 man sich auf militarische Abenteuer ein und gab einen GroBteil dieser Summen fur Waffenkiiufe in den Industrienationcn aus. Es bleibt nur ZLI hoffen, daB die Mehr- einnahmen, die durch die neuen Erdolvertriige erhalten werden, hauptsgchlich dem Ausbau der eigenen Erdolindu- strie dienen werden.

Trotz aller Quereleien im Nahen Osten und Nordafrika liegen die Raff ineriekapazitaten weit uber dem Verbrauch dieser Region und es kann noch ein erheblicher Teil exportiert wer- den. Nicht ausreichend aber sind schon heute, trotz eines nicht annahernd so hohen Pro-Kopf-Verbrauchs, die Anlagen der Pctrochemie. Der genaue Import an Petrochemikalien lBBt sich nicht ermitteln. In gewisser Weise relevant dafur sind die Importe an organischeri Chemikalien, Kunststoffen und Dungemitteln, die sich fur Nordafrika 1969 auf fast 300 Mio $ und fur den Mittleren Osten auf ca. 180 Mio $ beliefen. Unter diesen Voraussetzungen ist es wohl sehr unwahrscheinlich, daB die Forderlander Norda.frikas und des Nahen und Mitt- leren Ostens sieh eine Bhnlich entscheidende Rolle fur Petro- chemikalien aufbauen konnen, wie das beim Erdol der Fall ist. Es wird schon schwierig genug werden, wenn sie der all- gemeinen Entwicklung, daB eine immer grooere Menge an Erdol als Ausgangsprodukt fur Petrochemikalien eingesetzt wird, folgen wollen. Gegenwartig gehen ca. 3% der Welt- forderung an Erdol und Erdgas in die Petrochemie, his 1980 werden es 10% und urn die Jahrtausendwende werden es wohl 20% sein.

Wachsender Kapitalbedarf der Erdolindustrie

Die Raffineriekapazitiit der Welt erhohte sich im Vorjahr um 200 Mio t, und fur die niichsten Jahre wird rnit einer ahn- lichen Zunahme gerechnet, resultierend aus dem Wachstum des Energieverbrauchs und dem verstarkten Einsatz als Rohstoff in der Petrochemie. Die Kapitalinvestitionen der Welterdolindustrie erreichten 1969 18,4 Mrd $. Fur die Ex-

Tabelle 6. Invest. d. Olgesell. i. Chemiebereich

1967 1968 1969 Mio $ Mio $ Mi0 $

USA West-Europa Ferner Osten Canada

825 650 575 425 350 350 150 200 150 40 50 50

ploration muBten noch einmal1,4 Mrd $ aufgewendet werden. Geht man von der gegenwartigen Bedarfszunahme aus, wiirden die jetzt nachgewiesenen Erdolreserven in weniger als 20 Jahren verbraucht sein. Um 1980 auch einen Vorrat fur 20 Jahre zu haben, muDten 60 Mrd t Erdol bis dahin ent- deckt werden. Wie ungeheuer groB diese Menge ist, liiDt sich erst beim Vergleich mit der GroBenordnung bekannter Lager- stiitten absehen. Es muaten etwa 20 Erdolfelder wie in Alaska oder aber 400 in der GroBenordnung des kurzlich in dem Nordseekustengebiet GroQbritanniens fundig gewordenen entdeckt werden. Die Raffineriekapazitat muRte in der westlichen Welt um 1,7 Mrd t/Jahr erhoht werden und sich damit bis 1980 mehr als verdoppeln. Fur Westeuropa lauten die geschatzten Zahlen 650 Mio t/Jahr und fur die BRD etwa 100 Mio t/Jahr.

Heute schon erreichen die Kosten beim Raffineriebau fiir den Umweltschutz ca. 10 O/O der Gesamtinvestitionen. Eine Ver- ringerung des Schwefelgehaltes bei schwerem Heizol von 2% auf 1% wird in Westeuropa bei Investitionen bis 1980 allein mit 2,5 Mrd $ zu Buche schlagen. Ein Verbot von Bleialkylen als Oktanzahlverbcsserer wurde Investitionen von 4 Mrd $ notig machen. Zu den steigenden Kosten fur Raffinerieanla- gen addieren sich weitere Kosten fur eine umfangreichere Lagerkapazitat, Transport und Vertrieb.

Nach einer Schatzung der Chase-Manhattan-Rank beliiuft sich der Kapitelbedarf der Welterdolindustrie fur die Jahre von 1970-1980 auf 500 Mrd $. Bei einer 3%-igen Geldentwer- tung entfallen auf Kapitalinvestitionen und Explorations- kosten ca. 360 Mrd $ und auf die Erhohung des Umlaufver- mogens sowie anderer finanzieller Zmecke 180 Mrd $. Wie sehr die Olgesellschaften von diesem Kapitalbedarf bean- sprucht werden, zeigt eine obersicht der gleichen Bank uber den Ruckgang der Investitionen groBer Miheralolgesell- schaften im Chemiebereich.

Fur die BRD ergibt sich nach Schatzungen der ESSO AG ein Investitionsvolumen bis 1980 von 25 Mrd DM, denn der jiihrliche Olbedarf wird bis 1980 auf 220 Mio t steigen. Der gewaltige Kapitalbedarf kann nach Ansicht der Erdolgesell- schaften nicht mit der Eigenfinanzierung und auch nicht durch eine Fremdfinanzierung gedeckt werden, sondern er wird langfristig wohl nur uber Preiserhohungen zu finanzieren sein.

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Eine Umsatzsteigerung von rund 10% erwartet die Rohrn CmbH (Darmstadt) fur das laufende Jahr. Wie das Unter- nehmen anliiBlich der 6. Intern. Kunststoffmesse K ’71 in Dusseldorf mitteilte, wird damit die Zuwachsrate von 1970 deutlich uberschritten. Diese innerhalb der Chemiebranche gunstige Entwicklung ist in erster Linie darauf zuruckzu- fuhren, daB Rohm auf ein Synthesefaser-Engagement ver-

1142 Chernie-Ing.-Techn. 43. Jahrg. 1971 Nr. 20