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Erfahrungen und Einsichten eines Software-Unternehmersgiregional/vortraege/denert-vortrag-06... · 3 vorsitzender der IVU und mit 11,5% ihr größter Einzelaktionär mit dem Ziel,

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GI-Regionalgruppe Koblenz

6. November 2003

Erfahrungen und Einsichten eines Software-Unternehmers

Diejenigen unter Ihnen,

meine Damen und Herren,

die mich ein wenig kennen, assoziieren mit meinem

Namen zweierlei: sd&m und Software Engineering. Über

letzteres habe ich ein Buch geschrieben und als

Honorarprofessor an der TU München Vorlesungen

gehalten. sd&m habe ich gegründet – daher bin ich

Unternehmer –, und mit diesem Unternehmen verbinden

Sie die Vorstellung, dass es individuelle Lösungen für

betriebliche Informationssyteme schafft.

Sie haben mich freundlicherweise eingeladen zu

sprechen anläßlich der Gründung der GI-Regionalgruppe

„Deutsches Eck“. Worüber sollte ich da reden? Über

Software Engineering? Da bin ich nicht mehr richtig fit.

Über betriebliche Informationssysteme, wie in der

Vorlesung am vergangenen Montag? Oder über die

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Frage „IT studieren – lohnt sich das?“ wie morgen abend

an der FH Karlsruhe zu deren 25-jährigem Jubiläum der

Wirtschaftsinformatik? Das würde alles nicht so recht

hierher passen, und so wage ich es, Sie mit meinen

Erfahrungen und Einsichten zu traktieren. In meinem

Alter ist das zumindest erlaubt, vielleicht sogar

interessant, teilweise provokant, hoffentlich aber

anregend und unterhaltend. Denn wegen seines

Unterhaltungswerts engagiert man einen Redner für

einen derartigen Anlass. Wir sind gespannt.

Ich spreche aus der Erfahrung des Chefs zweier

Softwarehäuser. Das ist in erster Linie die sd&m AG,

software design & management, München, die ich 1982

mit einem Partner gegründet und 19 Jahre geführt habe,

sehr erfolgreich, ein renommiertes – das beste deutsche –

Softwarehaus für Individuallösungen betrieblicher

Informationssyteme, mit 900 Mitarbeitern und einem

Umsatz von 130 Mio € (2002).

Dann ist da die IVU Traffic Technologies AG, Berlin,

börsennotiert, gut 25 Jahre alt, beständig, mit mittlerem

Erfolg, in einer guten Marktnische (Planung und

Steuerung von Fahrzeugflotten vor allem im ÖPNV, aber

auch Lkw-Flotten), interessante Produkte, Anwendun-

gen und Technologie, 300 Mitarbeiter und ein Umsatz

von 35 Mio € (2002). Seit zwei Jahren bin ich Vorstands-

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vorsitzender der IVU und mit 11,5% ihr größter

Einzelaktionär mit dem Ziel, sie wieder auf einen guten

Kurs zu bringen.

Softwaretechnik, betriebliche Informationssysteme,

Unternehmer bei sd&m und IVU – das ist der Stoff für

meine Erfahrungen und Einsichten, die ich Ihnen in vier

Sätzen darbiete:

1. Satz: Technologie

2. Satz: Software Engineering

3. Satz: Betriebliche Informationssysteme

4. Satz: Unternehmer

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1. Satz: Technologie

Seit 35 Jahren bin ich in der Informatik tätig, meine

ersten Programmierarbeiten als Student mitgerechnet.

Eine lange und kurze Zeit zugleich, in der sich viel getan

hat. Da kann man sich schon mal fragen, worin denn

besonders? In welchen technologischen Entwicklungen

sehe ich die bedeutendsten Fortschritte auf meinem

Gebiet, dem der betrieblichen Informationssysteme?

Hardware

Moore´s law: Preis-/Leistungsverhältnis verdoppelt sich

alle 18 Monate. Stimmt das wirklich?

GUI

Die graphische Benutzeroberfläche hat unser aller

Umgang mit Computern grundlegend verändert. Viele

Anwendungen wären ohne GUI und echte Graphik (z.B.

in Form von GIS) gar nicht denkbar. Nur noch

hartgesottene Freaks bevorzugen die Kommandosprache

einer Unix-Shell oder vi als Editor.

Ich gestehe, meine geringschätzige Meinung zu GUI in

deren früher Phase, etwa um 1990 herum, zu

Sinnhaftigkeit und Möglichkeiten von GUI war die

schlimmste Fehleinschätzung in meiner ganzen

Berufslaufbahn – beschämend.

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Internet / www

Der Siegeszug des Internets und – mit der Erfindung des

Browsers durch Tim Berners-Lee – vor allem des WWW

ist eine unglaubliche Erfolgsgeschichte, deren Grundlage

mir bis heute nicht völlig klar ist. Ich meine nicht die

Technik. Die verstehe ich zwar nicht in allen Details, ich

könnte sie mir jedoch aneignen. Ich meine vielmehr die

soziologische und wirtschaftliche Seite.

Lohnt sich das Web eigentlich? Gibt es dafür eine

Kosten-/Nutzen-Rechnung? Natürlich nicht. Wer bezahlt

es eigentlich? Jeder von uns ein bisschen, aber welchen

Anteil denn? Als Privatperson, als Unternehmen, als

Steuerzahler?

Das Web ist eine große Exhibitionisten-Bühne. Jedes

ordentliche Unternehmen präsentiert sich mit einer Web-

Site; keines glaubt mehr, ohne eine solche auskommen

zu können. Vor zehn Jahren hatten sie alle keine Web-

Site und haben dennoch existiert. Was hat sich geändert?

Viel Stoff zum Nachdenken und Diskutieren.

Jedenfalls ist das Internet mit dem www eine bahn-

brechende technologische, wirtschaftliche und

gesellschaftspolitische Entwicklung.

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2. Satz: Software Engineering

Eine große Enttäuschung: seit langem nichts wirklich

Neues. Die guten Ideen, die wirklich Fortschritt gebracht

haben, sind sehr alt:

• höhere Programmiersprachen: mehr als 40 Jahre

• OO, Datenkapselung: mehr als 30 Jahre

• E/R-Datenmodellierung: gut 25 Jahre

• Configuration Management: 25 Jahre

Die schlechten Ideen und Entwicklungen sind wohl

zahlreicher als die guten. Ein paar Beispiele:

• 4GL, z.B Natural

– Marketing: Der Anwender programmiert selbst.

– versaut jegliche Architektur

• SA mit CASE-Tools

• UML: wieder keine Architektur

• Vorgehensmodelle: CMM – XP ⇒ Folien

• Der Irrglaube der Wiederverwendung

– Schindluder: das Argument für OO

– Stützle-Dissertation

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Wo sollte/könnte es Fortschritt im Software Engineering

geben?

• Ringen um Architekturmuster → Quasar ⇒ Folien

• Analyse und Integration von Anwendungsland-

schaften → Software-Kartographie

• Was wir prinzipiell können, können wir noch lange

nicht in der Praxis:

– Spezifikation

– Testen

3. Satz: Betriebliche Informationssysteme

⇒ Folien: LH-Beispiel

BI sind IT-Anwendungen, die dazu dienen, die

Geschäftsprozesse eines Unternehmens effizient zu

organisieren und zu unterstützen. Es sind datenbank-

basierte, transaktionsverarbeitende Softwaresysteme.

Bedeutung betrieblicher Informationssysteme

Sie sind groß, teuer, langlebig – schwergewichtig.

Die Hersteller betrieblicher Informationssysteme sind

Investitionsgüterproduzenten und nicht nur Dienstleister.

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Die Gesamtheit, das Geflecht aller betrieblichen

Informationssysteme eines Unternehmens bezeichnen

wir als Anwendungslandschaft, und die ist meist sehr

groß.

⇒ Folien: Größe von Anwendungslandschaften

⇒ Folien: Bedeutung von BI

Postsparbuch

Technologie-Entwicklung

⇒ Folien: Bild und Tabelle Technologie

Was hat sich gewandelt? Was ist geblieben?

Was lernen wir daraus?

• α → GUI

• zentrales System bringt´s

• C/S mit fat client war ein Irrweg: zu komplex

• Der unbekannte Benutzer ist eine neue

Herausforderung.

• Basissysteme und Programmiersprachen machen nicht

den wesentlichen Unterschied aus.

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4. Satz: Unternehmer

Standard- vs. Individual-Software

⇒ Folien

Unvernunft von Auftraggebern und -nehmern

• Lkw-Maut

• öffentliche Ausschreibungen

Gene

In den zwei Jahren, in denen ich nun die IVU in Berlin

führe, habe ich gelernt, dass Unternehmen Gene haben,

also Veranlagungen, die tief in ihnen stecken, von

Geburt an. Sie sind entscheidend für Wohl oder Wehe,

Erfolg oder Misserfolg. Wie beim Menschen stellt sich

die Frage, was Erziehung und Entwicklung zudem

bewirken können. Manager und ihre Berater sprechen

gerne von Erfolgsfaktoren und tun dabei immer so, als

ob man die beliebig einstellen könne. Daran glaube ich

nicht. Es ist schwer, gegen die Gene etwas zu verändern.

⇒ Folie: Gene

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Informatiker in Führungspositionen

Gibt es die denn überhaupt? Geht der Trend nicht eher in

die andere Richtung, weg von den Technikern und hin zu

Betriebswirten und Juristen? Bei Siemens folgte dem

Ingenieur Kaske der Jurist von Pierer als Vorstands-

vorsitzender. In der chemischen Industrie ist es auch

nicht mehr selbstverständlich, dass der Chef ein

Chemiker ist. Also besser nichts Technisches studieren,

wenn man Top-Manager werden will?

Abgesehen davon, dass es sowieso falsch wäre, ein

Studium mit der Intention zu beginnen, Vorstands-

vorsitzender zu werden – das Interesse am Fach muss

vielmehr die primäre Motivation sein –, abgesehen

davon also haben Informatiker zunehmend bessere

Aussichten auf Führungspositionen. Denn es setzt sich

die Einsicht durch, dass die IT nicht nur eine

Hilfsdisziplin ist bzw. nur der Rationalisierung dient,

sondern mehr und mehr geschäftsbestimmend ist. In den

Versicherungen ist die IT schon lange durch einen

eigenen Vorstand vertreten, und in den Banken kommt

das. Überall gewinnt die Rolle des CIO an Bedeutung,

egal ob auf Vorstandsebene oder eine darunter. Ich bin

sicher: Informatiker werden mehr und mehr Führungs-

positionen besetzen.

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Informatiker als Unternehmer

Juristen gründen keine Unternehmen, allenfalls

Kanzleien, Ingenieure und Informatiker dagegen schon.

Schauen Sie sich doch in der Wirtschaftsgeschichte um:

Unternehmen sind meist von Erfindern, Tüftlern,

Technikern, Ingenieuren gegründet worden und

neuerdings eben von Informatikern.

Das ging vor ein paar Jahren ganz leicht, zu leicht, denn

für jede noch so blöde Geschäftsidee haben einem die

Anleger – die Venture Capitalists und die Aktionäre an

der Börse – das Geld nur so nachgeschmissen.

Da musste man sich Sorgen machen um Unternehmer,

die nie gelernt hatten, Gewinn zu machen und vom Geld

ihrer Kunden zu leben, sondern von ihren Aktionären.

Für sie war es geradezu selbstverständlich, Verlust zu

machen, ja sie protzten regelrecht damit, und die Burn-

rate war die Maßeinheit für die Geschwindigkeit der

Kapitalvernichtung. Das ist, Gott sei Dank, vorbei.

Und mich besorgten junge Leute, die nur noch auf die

Schnelle Millionäre werden wollten. Mich irritierte, dass

einige der besten, kreativsten und aktivsten jungen Leute

ausgerechnet Krämer im Internet werden wollten. Statt

etwas zu erforschen, zu erfinden, zu bauen, zu schaffen,

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zu gestalten, wollten sie nur Handel treiben. Das nannte

sich E-Commerce. Auch diese Übertreibungen sind

vorbei.

Auch nach dem Zusammenbruch der New Economy gibt

es viele Möglichkeiten, sich als Informatiker in der

Selbständigkeit und als Unternehmer zu beweisen,

unmittelbar nach dem Studium oder, m.E. meistens

besser, nach einigen Jahren Berufserfahrung, in denen

man Selbstbewußtsein, Standfestigkeit und vor allem

Marktkenntnis erwerben kann.

Kommentar zu Gründerzentren und Ausgründungen aus

Hochschulen am Beispiel „Entrepreneurship“-

Zentrum an der FH München (SZ 5.11.2003)

Wir halten uns wieder an das, was uns Jahrhunderte

Unternehmertum gelehrt haben: eine gutes, nachhaltiges

Geschäftskonzept mit Produkten oder Dienstleistungen,

für die es einen Markt gibt, die also wirklich jemand will

und auch bezahlen kann, gute Kundenbeziehungen, eine

ordentliche Kapitalbasis, vor allem mehr Einnehmen als

Ausgeben, also Gewinn machen. Hierzulande und

speziell in Berlin und Umgebung, d.h. in den neuen

Bundesländern, erscheint vielen Gewinn nicht nötig zu

sein – es genüge ja, die Kosten und Löhne zu verdienen.

Profit ist anrüchig, etwas für die bösen Kapitalisten. Ich

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aber sage Ihnen, ohne Gewinn kann ein Unternehmen auf

die Dauer nicht existieren. Gewinn muss erst einmal

erwirtschaftet werden, was man dann damit macht, ist

eine andere Frage. Man kann damit Rücklagen für

schlechte Zeiten bilden, in Produkte investieren,

gemeinnützigen Zwecken dienen – etwa eine Stiftung

gründen – und ihn natürlich auch an die Eigentümer

ausschütten. Nicht zu vergessen, ohne Gewinn keine

Unternehmenssteuern.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und

alles Gute der GI-Regionalgruppe Deutsches Eck !