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186 Fortsehritte der Kieferorthopiidie Bd. 22 H. 2 (1961) Aus der Universit~itsklinik und Poliklinik fiir Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten, Hamburg (Direktor: Prof. Dr. Dr. K. Schuchardt) Ergebnis der Distalbiflbehandlung am Fernr6ntgenbild ~) Von Prof. Dr. Erich Hausser, Hamburg Mit 37 Abbildungen Es steht aul]er Frage, dag dcr Verlauf des Gesichtsprofils durch die Form des Gebisses und die Einlagerung des Kauorgans in den Sch/~del eine starke Be- einflussung erf/ihrt. Dieser EinfluB ist bei Fehlbildungen des Kauorgans, die mit sagittalen Okklusionsanomalien verbunden sind, besonders stark ausgepr/~gt. Da~ Bem/ihen der kieferorthop/idischen Diagnostik ist es daher sehon seit langem. die Zusammenhitnge zwisehen Besonderheiten des Profilverlaufs, dem Aufbau de~ Seh~dels, der Einlagerung des Kauorgans in den Gesiehtssch/~del und der Form des Kauorgans zu kl/iren und die versehiedenen Abh/ingigkeiten zu erfassen. Neben der Profilphotographie hat sich die Fernr6ntgen-Profilaufuahme als ein besonders geeignetes Untersuchungsmittel zur Kl~rung der Kiefergesichts-Sch/~del- beziehungen erwiesen. Die Fernr6ntgen-Profilaufnahme erseheint abet aueh be- sonders geeignet, Aufschlul3 fiber die wahrend der kieferorthop/~disehen Behand- lung eintretenden Veriinderungen zu geben, indem Aufnahmen vor und nach der Behandlung miteinander verglichen werden. Der Profilverlauf wird bekanntlich dutch die Lage der Profilpunkte zur Profil- senkreehten charakterisiert. Die Lage der Profilpunkte steht. ]edoch in engem Zusammenhang mit dem Aufbau des Gesiehtssehiidels, zu deren K1/~rung die gnathometrische und die kephalometrische Untersuehung dienen. Bei Biganoma- lien ist daher die Aufgabe der K1/irung der Kiefergesiehts-Sehi~delbeziehungen eine differentialdiagnostisehe Untersuchung der vielf~ltigen Zusammenh/inge zur Bestimmung der zweckm/iftigsten Therapie der BiBabweichung. Bei den F/illen mit Distalokklusion gilt es insbesondere die Frage zu kl/iren, ob ein gtinstiger EinfluB auf den Profilverlauf dureh eine Bigversehiebung zu erreichen sein wird oder ob eine Entfernung yon Z/ihnen im Oberkiefer angezeigt ist, um einen nur alveol/iren Vorstand aller oberen Z/ihne zum Ausgleich zu bringen. Ergibt sich aus dieser differentialdiagnostisehen Untersuehung der Kiefer- gesichts-Sch~delbeziehungen eine Indikation ftir eine Billverschiebung, so wird damit erwartet, daIl (lurch die Bil3verschiebung eine Verbesserung des Profilver- laufs dutch eine Lagever/tnderung des Kinns in sagittaler Riehtung erreieht wird. Eine Verbesserung der Lage des Kinns zur Profilsenkrechten kann aber nur dureh eine Vorentwicklung des Unterkiefers erreicht werden. W/ihrend zahlreiehe Unter- sucher (Breitner, Derichsweiler, Gresham, H/iupl, H/iupl-P~ansky. K o r k h a u s, A. M. S c h w a r z u. a) auf Grund tierexperimenteller, histologiseher und klinischer Untersuchungen die Meinung vertreten, dab mit Hilfe des Aktiva- tors als funktionskieferorthop/idisches Ger~it eine Bitlversehiebung (lurch eine Vorverlagerung des Unterkiefers auf Grund gesteigerter Wachstums- und Umbau- vorg~inge m6glich ist, sind hingegen zahlreiche andere Autoren (Ballard, Bj 5rk, Coben, Dewel, Softley, Tweed u. a.) der Ansicht, dab der Unterkiefer durch 1) Vortrag bei der wiss. Jahrestagung der D~'atsch~n G~llseh~f~ ftir Kieferorthop~tdie 1960 in I-[amburg.

Ergebnis der Distalbißbehandlung am Fernröntgenbild

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Page 1: Ergebnis der Distalbißbehandlung am Fernröntgenbild

186 Fortsehritte der Kieferorthopiidie Bd. 22 H. 2 (1961)

Aus der Universit~itsklinik und Poliklinik fiir Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten, Hamburg (Direktor: Prof. Dr. Dr. K. Schuchardt)

Ergebnis der Distalbiflbehandlung am Fernr6ntgenbild ~)

Von Prof. Dr. Erich Hausser, Hamburg

Mit 37 Abbildungen

Es steht aul]er Frage, dag dcr Verlauf des Gesichtsprofils durch die Form des Gebisses und die Einlagerung des Kauorgans in den Sch/~del eine starke Be- einflussung erf/ihrt. Dieser EinfluB ist bei Fehlbildungen des Kauorgans, die mit sagittalen Okklusionsanomalien verbunden sind, besonders stark ausgepr/~gt. Da~ Bem/ihen der kieferorthop/idischen Diagnostik ist es daher sehon seit langem. die Zusammenhitnge zwisehen Besonderheiten des Profilverlaufs, dem Aufbau de~ Seh~dels, der Einlagerung des Kauorgans in den Gesiehtssch/~del und der Form des Kauorgans zu kl/iren und die versehiedenen Abh/ingigkeiten zu erfassen. Neben der Profilphotographie hat sich die Fernr6ntgen-Profilaufuahme als ein besonders geeignetes Untersuchungsmittel zur Kl~rung der Kiefergesichts-Sch/~del- beziehungen erwiesen. Die Fernr6ntgen-Profilaufnahme erseheint abet aueh be- sonders geeignet, Aufschlul3 fiber die wahrend der kieferorthop/~disehen Behand- lung eintretenden Veriinderungen zu geben, indem Aufnahmen vor und nach der Behandlung miteinander verglichen werden.

Der Profilverlauf wird bekanntlich dutch die Lage der Profilpunkte zur Profil- senkreehten charakterisiert. Die Lage der Profilpunkte steht. ]edoch in engem Zusammenhang mit dem Aufbau des Gesiehtssehiidels, zu deren K1/~rung die gnathometrische und die kephalometrische Untersuehung dienen. Bei Biganoma- lien ist daher die Aufgabe der K1/irung der Kiefergesiehts-Sehi~delbeziehungen eine differentialdiagnostisehe Untersuchung der vielf~ltigen Zusammenh/inge zur Bestimmung der zweckm/iftigsten Therapie der BiBabweichung. Bei den F/illen mit Distalokklusion gilt es insbesondere die Frage zu kl/iren, ob ein gtinstiger EinfluB auf den Profilverlauf dureh eine Bigversehiebung zu erreichen sein wird oder ob eine Entfernung yon Z/ihnen im Oberkiefer angezeigt ist, um einen nur alveol/iren Vorstand aller oberen Z/ihne zum Ausgleich zu bringen.

Ergibt sich aus dieser differentialdiagnostisehen Untersuehung der Kiefer- gesichts-Sch~delbeziehungen eine Indikation ftir eine Billverschiebung, so wird damit erwartet, daIl (lurch die Bil3verschiebung eine Verbesserung des Profilver- laufs dutch eine Lagever/tnderung des Kinns in sagittaler Riehtung erreieht wird. Eine Verbesserung der Lage des Kinns zur Profilsenkrechten kann aber nur dureh eine Vorentwicklung des Unterkiefers erreicht werden. W/ihrend zahlreiehe Unter- sucher ( B r e i t n e r , D e r i c h s w e i l e r , G r e s h a m , H / i u p l , H / i u p l - P ~ a n s k y . K o r k h a u s, A. M. S c h w a r z u. a) auf Grund tierexperimenteller, histologiseher und klinischer Untersuchungen die Meinung vertreten, dab mit Hilfe des Aktiva- tors als funktionskieferorthop/idisches Ger~it eine Bitlversehiebung (lurch eine Vorverlagerung des Unterkiefers auf Grund gesteigerter Wachstums- und Umbau- vorg~inge m6glich ist, sind hingegen zahlreiche andere Autoren ( B a l l a r d , Bj 5 rk , C o b e n , D e w e l , S o f t l e y , T w e e d u. a.) der Ansicht, dab der Unterkiefer durch

1) Vortrag bei der wiss. Jahrestagung der D~'atsch~n G~llseh~f~ ftir Kieferorthop~tdie 1960 in I-[amburg.

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kieferorthop/tdisehe Magnahmen nieht naeh mesial verlagert werden kann und der Ausgleieh eines Distalbisses 1) nur dutch eine Summation yon kleinen Ver/inde- rungen in der Position und der Inklination der Z/ihne - - aueh bei Verwendung des Aktivators - - erfolgt. Insbesondere glaubt B a l l a r d , dab nur bei einem Zwangs- distalbiB, bei dem der Unterkiefer dureh eine funktionelle Hemmung naeh distal verdrangt ist, nut dureh den Ausgleieh des Zwangsbisses eine Vorverlagerung des Unterkiefers erfolgt. Bei diesen Zwangsdistalbigf/illen soll das Kiefergelenk- k6pfehen in der Gelenkpfanne zu weit naeh distal liegen.

Naeh den Untersuehungen iiber (lie allgemeinen Entwieklungstendenzen und Waehstumsvorg/inge im Seh~del ist es bekannt, daft yon der Geburt bis zum Ende der Waehstumsperiode - - insbesondere im Zusammenhang mit der 2. Dentition - - eine naeh unten und vorn geriehtete Entwieklung des Gesiehtsseh/idels erfolgt ( B r o a d b e n t , B r o d i e , D o w n s , K r o g m a n - S a s s o u n i , R i e k e t t s . W e l k e r 11. a . ) .

Die Zeit, in der eine kieferorthop/idisehe Behandlung durehgefiihrt wird, ist im allgemeinen aueh der Zeitraum, in dem sieh im Oesiehtsseh/idel besonders starke Waehstumsvorg/tnge auswirken. Es bedarf daher bei einer vergleiehenden Beurteilung yon Fernrbntgenaufnahmen v o r u n d naeh kieferorthop/idiseher Be- handlung ganz besonderer Sorgfalt, um die dutch die Behandlungsmittel erzielten Ver~nderungen zu ermitteln. F/Jr einen Vergleieh von Fernr6ntgenaufnahmen untereinander haben sieh die Verbindung Nasion - - Sella tureiea wie aueh die Basallinie yon De C o s t e r als brauehbar erwiesen, um Ver/tnderungen im Ge- siehtsseh~del zu kl/iren. Sollen jedoeh die Zusammenh/inge im Kauorgan nfiher untersueht werden, so erseheint es giinstiger, einen Vergleieh der Aufnahmen naeh der Oberkiefer-Basisebene (Spinaebene) vorzunehmen, da dann die Vergnderun- gen, die dureh Waehstumsvorg/inge im Mittelgesieht eingetreten sind, ausgesehal- tet werden k6nnen. Bei der yon K o r k h a u s vorgesehlagenen Orientierung der Aufnahmen in der sagittalen Gaumenkurve werden darfiber hinaus aueh die sagittalen Lagever/inderungen des Oberkiefers ausgesehaltet und werden eine Be- urteilung der Lage des Unterkiefers im Verh/iltnis zum Oberkiefer und deren Ver- gnderung w/thrend der Behandlung erm6glieht. Als ein weiteres Hilfsmittel zur Klfirung der bei einer Bigversehiebung eintretenden Ver/tnderungen kann ein Vergleieh der Gr6Be der Winkel SNA und SNB (Downs) dienen.

Es ist bekannt, dab naeh einer Beseitigung des Distalbisses die Auswirkung der Distalbiftbehandlung auf den Profilverlauf nieht zu der erwfinsehten Verbesse- rung fiihren kann und das Kinn im Verh/iltnis zur Profilsenkreehten nur eine un- wesentliehe sagittale Lagever/inderung erfahren hat. Bei anderen F/illen ist da- gegen nieht nut eine wesentliehe Vorverlagerung des Kinns, sondern aueh eine beaehtliehe Streekung im Untergesieht festzustellen. Es hat sieh weiterhin gezeigt. dab zwisehen der Bil~hebung und den Ver/inderungen im Profilverlauf ein enger Zusammenhang besteht. Ffir die Beurteilung einer Profilvergnderung dutch eine Biftversehiebung sind ferner wiehtige Charakteristika: das Lageverh/~ltnis der Oberkieferbasis zur Sehgdelbasis, der Kieferbasiswinkel und der Gelenkstand, sowie der Sphenoidalwinkel. So wird bei einem grogen Sphenoidalwinkel, einer Gebiftsehwenkung naeh hinten und bei einem grogen Kieferbasiswinkel eine Profilverbesserung nennenswerten Ausmages dureh eine Biftversehiebung nieht zu erwarten sein. Bei ungiinstigen Verh/tltnissen vermag eine Bighebung die Aus- wirkungen der Bil]versehiebung noeh mehr zu verringern.

1) ,,DistalbiB", nach A n g l c ,,Klasse I I" und nach A. M. S c h w a r z ,,Riickbig".

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188 Fortschritte der Kieferorthopgdie Bd. 22 H. 2 (1961)

Ein Vergleieh von Fernr6nt.genaufnahmen vor und naeh einem Ausgleieh eilier Okklusionsanomalie vermag nieht nut zu einer Klgrung der im Zeitraum der Be- handlung eingetretenen Ver/inderungen beizutragen, sondern kann aueh zur Er- kennung der Besonderheiten fiihren, dutch welehe die Art der Profilver/inderung

Abh. ] his 4. Gebif3cbenen-3Iodelle einer Kieferkompression mi t frontalenl Engstand bei l)istalokkhlsion vor und naeh der Behandlung

Abb. 5 und 6. FernrtSntgen-Profilattfnahmen des Patienton J . 1~.

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bedingt ist. Aus einem Ver- gleieh der Fernr6ntgenauf- nahmen diirft en sich weiter- hin auch ffir die Durch- fiihrung der Behandlung grunds/itzliche Erkennt- nisse ermitteln lassen, so- fern an einem grogen Ma- terial best immte Gesetz- m/tgigkeiten erkennbar sind.

Die Auswirkung einer kieferorthop~idischen Be- handlung auf das Aussehen des Patienten und beson- ders den Profilverlauf kann reehf verschiedenartig sein und entspricht oftmals nieht den Erwartungen, obgleich nach der diagno- stischen Untersuchung vor Behandlungsbeginn eine eindeutige Indikation fiir den zu w~ihlenden Behand- lungsweg gegeben ist.

So bestand bei einem l l{~ Jahre alten Jungen eine Kieferkompression mit frontalem Engstand bei DistalbiB (Abb. 1 bis 4). Die Schneidezahnbreitensum-

me von 38 mm war auBer- ordentlich grog, so dab trotz einem maxill/iren Vor- stand eine Extrakt ion der ersten oberen Pr/imolaren zur Platzsehaffung ftir die Einordnung der oberen Frontz/thne angezeigt er- sehien. Die Ausr iehtung der Zahnb6gen erfolgte mit. Einzelplat.ten und Feder- elementen. Ein Vergleieh der Fernr6ntgenaufnahmen (Abb. 5 und 6) nach der NS lttBt erkennen (Abb. 7)~ daft w/ihrend der Behandlungs- zeit yon 3 Jahren ein all- gemeines Waehstum im Mittel- und Untergesicht 13 "Fortsehrit te der Kieferorthop/idie

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1 A1)h. 7. Durchze|chllungen der Ferl r( ntgen~I~r)fi a lfllah ell n&ch der N$

zur Deekung gebraeht

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Ab't). 8. Dur(~Ilzeiehnullgell der Fernr()lltgell-t rofilattfnahlllell lla(,h der Oberkieferbasis zllr Deekung gebraeht

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190 Fortschritte der KieferorthopSdie Bd. 22 H. 2 (19(51)

eingetreten ist, (lessen Riehtung in der Y-Aehse liegt und das zu siner ge- wissen Profilverbesserung gefiihrt hat. Der Vergleieh der Aufnahmen naeh der Oberkieferbasis (Abb. 8) zeigt, dal3 die oberen und unteren Molaren eine alveo- l/ire Mesialentwieklung erfahren haben. Die Unterkieferbasis ist fast parallel versehoben, ohne dab der Kieferbasiswinkel eine nennenswerte Ver/inderung er- fahren hat. Die Aehsenriehtung der unteren Frontz/ihne hat sieh um 6 Grad im Sinne einer Vorkippung ver/indert, sie steht im Zusammenhang mit der ertblgten Einordnung der unt.eren Frontz/ihne. Der Patient hat w~hrend der Behandlungs- zeit auf Grund eines grogen Waehstumssehubs aueh eine fiberdurehsehnittli('h grol3e k6rperliche Entwieklung erfahren.

A1)b. 9 his ] 2. Gebigebenen-Modelle einer Kieferkompre~sion mit Prot rus ion der ober(!n mitt ler( !n Schneidez/ilme l)ei DistalhiB vor und llileh der Behand lung

Bei einem 91~j/ihrigen Jungen war eine Kieferkompression mit einem Vor- stand der oberen mittleren Sehneidez/ihne bei Distalbi6 um sine ganze Zahnbreite vorhanden (Abb. 9 bis 12). Der Winkel zwisehen NS und Oberkieferbasis betr/igt nur 3 Grad, die Kieferbasiswinkel 16 Grad. Das Untergesieht erseheint verk/irzt, die Supramentalfalte ist. stark ausgepr/tgt und der L'nterkiefer liegt im Verhgltnis zum Mittelgesieht zu weit zurfiek.

Mit Hilfe einer Dehnungsplatte wurden der Oberkiefer erweitert und die Front- z/ihne eingeordnet, die Bil~versehiebung erfolgte ansehliel~end mit Hilfe ehms Aktivators. Die Behandlung dauerte einsehlieBlieh Retentionszeit nahezu 4 Jahre, da der Zahnweehsel au6erordentlieh langsam ablief.

l)er Vergleieh der Fernr6ntgenaufnahmen naeh der NS (Abb. 13) zeigt eine fast parallele Verlagerung (let Oberkieferbasis. Das Pogonion liegt jetzt vor der

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E. Hausser, Ergebnis der Distalbil3behandlung am Fernr6ntgenbild 191

Profilsenkrechten. Die OrSBenzunahme yon NS und der Oberkieferbasis sind gteich grog. Bei einem Vergleich naeb der ren Oaumenkurva tur (Abb. 14) hat der A-Punkt in sagittaler Richtung keine Ver- /inderung erfahren, die oberen Sehneide- z/ihne und die oberen Molaren sind tiefer getreten und stehen mehr mesial im Ver- gleieh zum Behand- lungsbeginn. Der Un- terkiefer zeigt eine starke Vorentwick- lung, wobei sieh der Abstand zwisehen den unterenSehneide- z.fihnen und den un- teren Molaren etwas verringert ha t (Abb. 15). Die Aehsenrieh- tung der unteren Frontz/ihne hat sieh nieht nennenswert. ver~indert, das Kinn ist etwas stfirker aus- geprtigt.

I)er Kieferbasis- winke[ ist nahezu gleieh grog geblieben, obwohl im Unter- gesieht eine st arke Gr6Benzunahme in vertikaler Riehtung eingetreten ist,. Trotz ( ler ausgeprggten Bi g- hebung, die auf eine starke Wachstums- tendenz des aufstei- genden Astes zurfick- zuffihren ist, ha t der Unterkiefer im Ver- h/iltnis zum Ober- kiefer eine beachtlieh groge Mesialentwick- lung erfahren.

~hnliche Auswir- kungen einer Bigver- 1:3""

Oberkieferbasis und der vorde-

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192 Fortschritte der Kieferorthopgdie Bd. 22 It. 2 (1961)

schiebung mit. Hilfe des Aktivators zeigt die Behandhmg einer Kieferkom- pression mit Protrusion der oberen Frontz~hne bei Distalbi8 eines l lj/Lhrigen Jungen (Abb. 16 his 19). Der Oberkiefer wurde zunfiehst mit Hilfe einer Dehnungsplatte mit frontaler Sehlinge erweitert, wobei gleiehzeitig die obe- ren Frontzghne retrudiert wurden. Der Zeitl 'aum zwisehen den beiden Fern- r6ntgenaufnahmen ist 31/2 Jahre. Eine Auswertung der Fernr6ntgenauf- nahmen (Abb. 20) ergibt eine Aufi'iehtung der oberen Frontzahne um 14 Grad und eine Vergr68erung des Kieferbasiswinkels um 5 Grad: die anderen Winkel- gr6gen zeigen keine nennenswerten Vergnderungen. Bringt man die Durehzeieh- nungen der Aufnahmen naeh der NS zur Deekung, so ist eine beaehtliehe Gr6gen-

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Abb. 15. Die Durchzeichnungen der Fernr6ntgen-Profilaufl~ahnwn des ],'alles 31. M. naeh der Unterkicfcrbasis zur Deekung gebracht

zunahme besonders des Untergesiehtes in vertikaler und sagittaler Richtung fest- zustellen. Aus dem versehiedenen Verlauf der Y-Aehse darf gesehlossen werden, dal3 der vertika|e Anteil grSfter als der sagittale ist. Bei der (;berdeckung naeh der Oberkieferbasis (Abb. 21) wird die Ver/mderung im Verlauf der Unterkiefer- basis besonders deutlieb, die vertikale Gr6Benzunahme ist im Kinnbereieh wesent- lieh ausgepragter als im Gebiet des Kieferwinkels. I)er Profilverlauf hat zwar eine beaehtenswerte Verbesserung erfahren, obwohl die Lage des Pg zur Profil- senkreehten keine wesentliehe Ver/inderung zeigt. Die Profilverbesserung dfirfte daher im wesentliehen mit der Streekung des Untergesiehtes und der Beseitigung der Lippentreppe zusammenh/ingen. Ein Vergleieh des Unterkiefers (LTber- deekung UK-Basis und B-Punkt) zeigt (Abb. 22), dal3 sagittale Stellungsver~nde- rungen der unteren Z/ihne nieht zu erkennen sind, es seheint jedoeh eine Vertikal- entwicklung im unteren Frontzahn- und 3Iolarengebiet gleiehen AusmaBes ein- getreten zu sein, worauf aueh die parallele Lage der Kauebenen hinweist. Der Kauebenenverlauf (liirfte sieh vor allen Dingen im Zusammenhang mit der Re-

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E. Hausser. Ergebnis ttes 1)istalbil~behandlung am Fernr6ntgenbitd 193

Abb, 16 bi~ 19. ~]ub[t3eb~ql{,nnlcMiqh' r Kieferkompression mi t oberc~r frcmtaler ProCrueion bei DistalbiB vor lind mwh

der BohaBdhlllg

Abb. 20. Duruhzeichnungen dcr Fern- r/3ntgpll-])r(sfilallfnahlllf'll lltlch der N b Zlll"

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194 Fortschritte der Kieferorthop~idie ]3d. 22 H. 2 (1961)

trusion der oberen Frontz/ihne ver/tndert haben, und die gleiehzeitig erfolgende starke Bighebung diirfte zun/iehst zu einer relativen Distalverlagerung des Kinns

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Abb. 21. Durehze iehnml~en tier Fernr6nt~t,n-Pri~lilaufn;ihnltqt na( 'h der Oberkieferbasis zur Deckmlg gehraeht

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Abb. 22. Durehze ichnun~ iler F e r n r O n t ~ e n - P r ~ > t i h m f n a h l n e n des Falles St. H.-.J. lli/eh der UnterkieferbaMs zur ])(,(,]~l[llg ~Obl'~/t'ht

f6hren, die dann bei der BiB- versehicbung nun wieder aus- gegliehen werden konnte, zu- real auch im Zusammenhang mit der Vergr66erung de.* Kieferbasiswinkels eine Dis- talverlagerung desKinns ver- bunden ist.

Besonders aufschluBreieh erscheinen die Vertinderun- gem die sieh bei der Behand- lung eines Deekbisses mit ])istalbif3 bei einem 12~,hjah- rigen ,Jungen ergeben haben (Abb. 23 bis 26). Die Zahn- b6gen wurden zungehst mit aktiven Platten und Feder- elementen ausgeriehtet, an- sehlieBend erfolgte die BiB- versehiebung mit dem Akti- vator. Dureh die Behandlung konnte eine Aufrichtung der oberen Frontztihne um 20 Grad und der unteren Front- ztihne um 17 Orad erreieht werden (Abb. 28). Die Or6Be des Kieferbasiswinkels hat sich nieht vergndert. Ein Vergleieh tier Aufnahmen naeh der NS (Abb. 29) ver- deutlieht die auBerordentlieh groI3e Zunahme der Unter- gesieht sh6he und die paral lele Verlagerung der UnterkieR~r- basis. Das Kinn liegt zm' Profilsenkreehten naeh der Behandlung wesentlich mehr vor als vor der Behantllung. Der Vergleieh naeh der Ober- kieferbasis (Abb. 30) f/ihrt zu der Erkenntnis, dab die Stelhmg der oberen Molaren sich nicht wesentlich ver/in- deft hat und der Ausgleich des Distalbisses dureh eine Vorentwicklung des Un/er- kie%rs er%lgt ist. Der Ab- stand zwischen den unteren

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E. Hausser. Ergcbnis der Distalbiflbehandlung am FernrOntgenbild 195

Frontztihnen und den unteren 3Iolaren hat sich entspreehend der Protrusion der unteren Frontz/ihne vergr6gert. Die Kauebene zeigt im Vergleieh zur Oberkiefer- basis nur eine m/il3ige Verlagerung naeh unten. Die Bil~hebung d/irfte zum gr6B- ten Teil auf ein alveoltires H6herwaehsen der Z/ihne im Unterkiefer zuriick-

Ahb, 23 bis 26. ('~ebii3ebenemnodelle eines Deekbisse~ mit Distalbil,l vor und nach tier ]:;ehandhtng

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196 Fortschritte der Kieferorthopiidie Bd. 22 H. 2 (196!)

geftihrt werden kbnnen, wobei gleiehzeitig eine beaehtliehe L/ingenzunahme des aufsteigenden Astes eingetreten ist. Die gfinstige Auswirkung der Behandlung auf das Profil steht somit in eindeutigem Zusammenhang mit diesen dureh den

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Abb. 29. Durchzeiehnungen der Fernr6ntgen-Profi lauhmhmen nach der NS zur Dcckung gebracht

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Oberkieferbasis zur Deekung gebraeht

Vergleich der FernrSntgen- aufnahmen feststellbaren Vedtnderungen.

Der Ausgleieh eines Di- stalbisses kann jedoch aueh in anderer Weise erfolgen, wie die Behandlung einer

Kieferkompression mit frontaler Protrusion mit DistalbiB bei einer 15 ~j/ih- rigen Patientin beweist (Abb. 31 bis 34). Die Aus- richtung der Zahnb6gen er- folgte mit Dehnungsplatten und Federelementen, die BiBversehiebung wurde mit einem Aktivator durch- gef~hrt. Die Behandlung dauerte einsehlieBlieh Re- tent.ion 3 ~ Jahre. Die Aehsenriehtung der oberen Frontzghne hat sieh um 8 Grad, die der unteren Sehneidez/ihne um 10 Grad ver&ndert ; die anderen WinkelmaBe zeigen keine nennenswerten VeHinde- rungen. Ein Vergleieh der

FernrSntgenaufnahmen naeh der NS erhellt (Abb. 35), daft im Mittelgesieht keine Vergnderungen ein- getreten sind. Im Unter- gesieht ist eine geringd Par- allelversehiebung der Un- terkieferbasis zu erkennen. I m Verh/tltnis zu den Profil- senkreehten hat das Kinn nut eine ganz geringe Lage- ver/inderung erfahren. Ein Vergleieh naeh der Ober- kieferbasis und der vor- deren Gaumenkurvatur (Abb. 36) fiihrt zu der Er- kenntnis, daft die oberen ersten Molaren naeh der Behandlung yon der Ober-

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E. Hausser. Ergebnis der Distalbigbehandlung am Fernr6ntgenbild 197

Abb. 31 bis 34. Kie/\'rkoml)ression mi t engstchender Protrusion bei Distalbill vor und nach der ]r

kieferbasis weiter ent- fernt stehen als vor der Behandlung, sie stehen abet aueh mehr distal. Die oberen Frontz/i.hne haben eine starke Auf- riehtung erfahren, wgh- rend die unteren Front- zfihne st/irker vorge- kippt, sind (Abb. 37). Die Kauebene ist naeh un- ten verlagert. Die Form des Unterkiefers hat sich wahrend der Behand- lungszeit nieht ver/in- dert, die unteren Mola- ren stehen nach der Be- handlung welter mesial als vor der Behandlung. Wenn auch im Zusam- menhang mit der Bilt hebung zun/ichst eine gewisse R/iekverlage- rung des Kinns eingetre- ten ist und deren Aus-

Abb. 35. Durchzeichnungen der FernrOntgen-Profilaufnahnlen nach der NS ztlr Decktlng gebracllt

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198 Fortschritte der Kieferorthopiidie t:}d. 22 H. 2 (1961)

gleieh sowie die im Verh/iltnis zur Profilsenkreehten geringe Verbesserung de/ Kinnlage auf eine Vorentwieklung des Unterkiefers bei der Bigverschiebung bin-

Abb. 36. Durchze ichnungen der Fernr/Sntgen-Profi laufnahmen des Falles S. Chr. naeh der Oberkieferbasis zur Deekung gebraeht

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Abb. 37. Durchze iehnungen der l~ 'ernri intgen-Profi laufnahmcn nach der I -nterkiefer lmsis zm" J)eekung gcbrach t

weisen, so diirfle doch ein Teil des Bit3aus- gleiches dureh alveolfire St ellungsver/inderungen der Z/ihne im Ober- und Unterkiefer eingetreten seln.

Dieklinisehe Beobaeh- tung der Auswirkung emer Distalbif3behand- lung auf den Profilver- lauf erf/thrt somit dureh den Vergleich der Fern- r6ntgenaufnahmen von F/illen vor und naeh der Behandlung nicht nut eine Best/itigung, son- dern es kann damit aueh eine K1/irung der ver- sehiedenartigen Zusam- menh/inge angestrebt werden. So erbraehte (lie Untersuehung einer gr6- l~eren Zahl behandelter Distalbigf/ille, die E. M a d s e n 1) durchfiihrte. die Feststellung, dab bei 10 y o n 25 F/ i l len der A u s g l e i c h des D i s t a l b i s s e s f as t

a u s s c h l i e g l i c h m a n - dibul~tr, bei 10 Fill- len v o r w i e g e n d man- dibul~tr , bei 3 F a l l e n v o r w i e g e n d a l v e o l a r und bei 2 F a l l e n f a s t a u s s c h l i c B l i c h a lveo- l'ar e r f o l g t c . Eine Un- tersuchung des Bchand- lungsalters ergab, dal~ die F~tlle, deren Behand- lung vor dem 12. Lebens- jahr begonnen wurde. eine wesentlich starkcre Profilvergnderung auf-

1) Med. Diss. I-[ambnrg 1960.

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E. Hausser, Ergebnis des Distalbigbehandlung am FernrSntgenbild 199

wiesen, als die F.alle, deren Behandlung erst in h6tlerem Lebensalter begonnen werden konnte. Der Ausgleieh eines Distalbisses erfolgte bei den ttlteren Patienten in zunehmendem Mal3e mehr dureh alveolfire Umformungen. Aueh das Ausmag der BiBhebung seheint mif dem Lebensalter in einem gewissen Zusammen- hang zu stehen, indem bei den/ilteren Patienten die alveol/iren Umbauvorg'ange in vertikaler Riehtung zu einem giinstigen Ausgleieh eines tiefen Frontzahmiber- bisses ffihren. Trotz der Einsehrgnkungen, der die Beweiskraft eines Vergleiehs der Winkel SNA und SNB unterliegt, weist aueh der wm M a d s e n durehgeffihrte Vergleieh dieser Winkelgr6gen darauf him dal3 der Winkel SNB w~hrend des Behandlungszeitraums eine klare Vergr6Berung im Vergleieh zu dem Winkel SNA erfahren hat, wenn ein iiberwiegend mandibul/irer Ausgleieh des Distal- bisses erfolgte.

Der Ausgleieh einer Distalokklusion veimag aueh bei Verwendung des Akti- vators zur BiBversehiebung zu reeht, versehiedenartigen Auswirkungen zu ffihren. Eine gfinstige Auswirkung auf den Profilverlauf ist vor allen Dingen dann zu er- warten, wenn der Aufbau des Gesiehtsseh/idels gfinstige Voraussetzungen bietet. Das Lebensalter spielt hierbei insofern eine wiehtige Rolle, als eine Vorverlage- rung des Kinns in um so st/irkerer Weise zu erwarten ist, je jfinger der Patient ist. Diese Feststellung dfirfte ein erneuter Hinweis auf die ZweekmgBigkeit eines friihzeitigen Behandlungsbeginns zur Ausnutzung und Aktivierung einer Zeit besonders giinstiger \Vaehst.ums- und Umbautendenzen des Kauorgans fiir die kieferorthop/idisehe Behandlung sein.

Ans(hr i f t d. Verf.: Hamburg 20, l .enhartzstr . 9