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Erhmerungen an Eduard (~amper. Von Helmut Seharfetter~ Innsbruek. Vor einem Jahr um diese Zeit ist Eduard Gamper auf einer dringenden t~eise nach Innsbruck ~nit seiner Frau f6dlich verunglfickt. Eine Kette yon widrigen Umst&nden hat dazu gefiihrt, dai3 sie am Walehensee mit dem Wagen veto Weg abkamen und ins Wasser gerieten. Obwohl der Wagen nieht gleich unterging und rasch Hilfe bei der Hand war, mi2lang die Rettung. Eduard G~m~er. Die Ungliicksnachrich~ lieB zun~chst nur der entsetzten Vorstellung Raum, wie schrecklich die letzten Minuten der beiden gewesen sein mul3ten. Erst der ruhige l%iede in don Zfigen des Toten hat uns darfiber getr6stet. Und als sieh an jenem traurigen l%fihlingstag die Gr/~ber fiber den Toten gesehlossen hatten und die Frage aufkam, wer Gampers Werk weiterfiihren werde, begaml das Begreifen, was Gamper gewesen ist, und das Erkennen, dab wir mit ihm einen Unersetzliehen vermissen werden.

Erinnerungen an Eduard Gamper

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Erhmerungen an Eduard (~amper. Von

Helmut Seharfetter~ Innsbruek.

Vor einem Jahr um diese Zeit ist Eduard Gamper auf einer dringenden t~eise nach Innsbruck ~nit seiner Frau f6dlich verunglfickt. Eine Ket te yon widrigen Umst&nden hat dazu gefiihrt, dai3 sie am Walehensee mit dem Wagen veto Weg abkamen und ins Wasser gerieten. Obwohl der Wagen nieht gleich unterging und rasch Hilfe bei der Hand war, mi2lang die Rettung.

Eduard G~m~er.

Die Ungliicksnachrich~ lieB zun~chst nur der entsetzten Vorstellung Raum, wie schrecklich die letzten Minuten der beiden gewesen sein mul3ten. Erst der ruhige l%iede in don Zfigen des Toten hat uns darfiber getr6stet. Und als sieh an jenem traurigen l%fihlingstag die Gr/~ber fiber den Toten gesehlossen hat ten und die Frage aufkam, wer Gampers Werk weiterfiihren werde, begaml das Begreifen, was Gamper gewesen ist, und das Erkennen, dab wir mit ihm einen Unersetzliehen vermissen werden.

840 Helmut Scharfetter:

Was der Forseher Gamper geleistet hat, war in der Faehwelt iiberall bekannt, und wievie~ Ansehen and Zuneigung er in den 8 Jahren Ms Vor- stand der Deutsehen psyehiatriseh-neurologisehen Klinik in Prag ge- wolmen hat, konnten wir aus dem Mund seiner Prager Kollegen und der Studenten, die zum Begr&bnis naeh geu t t e gekommen waren, h6ren,. und es war in den fiberaus herzlichen und aufriehtig trauernden Naeh- rufen zu lesen. Und wenn immer davon die Rede war, muflte man bekennen, d a g e s keinen zweiten Gamloer gibt. Wenn sehon einer den Faehmann Gamper ersetzen wird, der Menseh Gamloer, dem sieh alle Herzen zuwendeten, der Arzt und Kamerad, der ffirsorgliehe und ta t - krMtige tPreund der Studenten ist verloren.

I m Andenken des Akademisehen Vereins der Mediziner in Imlsbruek lebt Gaml)er als Vorbild an Wissen, Gemeinsehaitsgeist und anhgnglicher Treue. Als er sieh, so wird mir beriehtet, im Studienjahr 1909/10 dieser Korporat ion anschloB, war er ])emonstrator in der Landesgebgrk]inik. Er t ra t dureh Vortrage fiber den Infektionsmodus bei konnataler Syphilis, fiber die Pathogenese der Tuberkulose des Kindes und fiber Geburtshilfe im Alter tum hervor. Die Gabe der miihelosen freien l~ede und der fiber- zeugenden, Maren ])arste]lung war sehon dem Studenten Gamper eigen. Er beteiligte sich immer an faehliehen Ffir-und-wider-l~eden und brachte Einspraehen in treffender und oft launiger, aber hie verletzender Weise an. Obwohl der eifrigste Freund der Bfieher und der Arbeit, nahm er doeh such am sonstigen Vereinsleben rege teil, und alle moehte n ihn gern, zumM well er stets heifer, freundlieh und hilfsbereit war.

Als ieh 1921 in die Innsbrueker Nervenklinik eintrat, war Gamper dort bereits das 10. Jahr Assistent und seit einem Jahr habilitiert. DaB ieh dureh ihn an die Klinik gekommen war, w~re allein Grund genug gewesen, reich an ihn zu halten. Gamper war und b]ieb aber ffir uns Mle ein wahrer Kamerad, der immer bereit war, so oft einer Ra t und I-Iiife brauehte. Wenn es Not tat, hat er aueh unter sehwierigen Umst~nden k]ug und ungescheut zu vermitteln gewugt. Niemand machte einem das Fragen und Bit ten ]eiehter Ms Gamper, denn er war gfitig und kannte seine Leute. Den vielf~ltig verdienten Dank hat er freilich nicht immer bekommen, abet danach h/~tte er zuletzt gefragt, und mir seheint, er ist in diesem Stiiek such sp~ter nieht anders gewesen.

Nie hat ihn ~emand unfreundlieh gesehen und wer ihn nieht kannte, moehte glauben, er kenne keine Miflgestimmtheit und es falle ihm alles miihelos zu. ])as war nieht so. Gampers Wesen war nieht einfach. Sicher ist eines: er hatte ein ungemein lebhaftes Temperament, einela vie]seitig empfs und gewandten Geist und eine stets aufgesehlossene und allen Eindrtieken hingegebene Seele. ])aher haben ihn viele nut spriihend vor Lebendigkeit, unternehmungslustig, frohgelau~t und erfolgssicher gekannt und nieht gewul]t, dab es noch einen zweiten Gamper gab ~ einen

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mit triiben, selbstqu~lerisehen Stunden, in denen er an sich zu zweifeln sehien und die Zukunft hoffnungsarm vor sieh sah, ja yon Todesahnungen gepeinigt wurde. Johannes La.nge, nun auch schon unter den Token, hat in seinem gemfitswarmen und wissenden Nachruf veto schmerzgereiften Humor Gc~mpers gesprochen. Ja, Gamper hat die Not der Seele aueh aus eigenem Erleben gekannt, entspraeh doch seinem vielseitigen und nm- fassenden Geist eine tiefe und weite Empfindungsf~thigkeit des Gemiites.

Zur Gemfitswgrme Gampers gesellte sich glficklieh seine t~tige Gfite, die sich am schSnsten in einem selbstlosen Sorgen fiir die Kranken, in Wohltun und Kameradsehaftlichkeit und in einem opferbereiten Familien- sinn gu~erte. Wenn es zu einem fiberdurchsehnittliehen Menschen gehSrt, dal3 er keinem Wissensgebiet fremd gegenfiber steht, so hatte Gamper dariiber hinaus ein natiirliches, herzliehes Gefiihl fiir alle Dinge der Welt. Obwohl ohne sportliehen Ehrgeiz, war er ein Freund der Berge - - sicher kein grol3er J~ger, liebte er doch den Wald und alles Lebendige, und Kinder und Tiere erkannten ihn und w~ren ibm veto ersten Augenblick an Freund.

Der grSl~te Teil der Ver5ffentlichungen Gampers, voraus seine einzig- artige klinische und anatomische Bsschreibung eines mensehliehen Mittel- hirnwesens 1, ist yon berufener Seite bereits gewiirdigt worden ~. Gamper war ein bei aller Grfindlichlkeit rascher Arbeiter. Er hatte ein ger~umiges, getreu bewahrendes und zur rechten Zeit dienstbereites Ged/~ehtnis, und zur F~higkeit, rasch das Wesentliche herauszufinden, kam die Gabe einer schon im ersten Wurf nahezu reifen, anschaulichen Gestaltung.

Der raschen Anpassungsf~thigkeit Gampers entsprang sein Talent, mit Menschen umzugehen. Als wir - - mit Gruber, GSttingen, und Unter- steiner, S a l z b u r g - 1927 auf Kretinensehau waren und dabei nieht selten einem anscheinend uniiberwindlichen Mil3trauen begegneten, gelang es am ehesten Gamper, die Scheuen ins Freie, an die MeBlatte und schliel~- lieh sogar vor die Kamera zu bringen. Bei der Bearbeitung des ttand- buehbeitrages fiber den Kretinismus a bew~thrte sieh wieder Gampers ]P~higkeit, ein sehr ausgedehntes Sehrifttum sichtend zu fiberblieken und das Gemeinsame und das Trennende der Ansichten, zumal in dem sehr unsicheren und schwierigen Gebiet der Psthogenese, herauszufinden.

Gamper kam, Auffassungen yon P/aundler weiterfiihrend, zum Schlu/3, dab sich die groDe Spielbreite der einzelnen kretinischen Erscheinungen und ihr oft

1 Klinische Beobachtungen an einem Fall yon Arhineneephalie und Mitteitung des anatomischen Befundes. ZbI. Neur. 38, 307 (1924); Bau und Leistungen eines menschliehen Mittelhirnwesens (Arhinencephalie mib Encephalocele). Zugleieh ein Beitrag zur Teratologie und Fasersystematik. Z. Neur. 10g, 154; 164, 49 (1926).

2 Verein Deutscher Xrzte in Prag. Med. Kiln. (Prag) 1938 II, 660. -- J..Lange: Med. Klin. 1938 I, 760. -- H. Spatz: Miinch. reed. Wschr. 1938 II, 1069. --G. Stie/ler: Dtsch. Z. Nervenheilk. 147, H. 3/4 (1938). - - A. Kral: Mschr. Psyehiatr. 100, 129 (1938). - - R. Klein: Nervenarzt 1938, 337. - - s Bnmkes Handbuch der Geistes- krankheiten, Bd, X. 1928.

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weRgehendesVoneinander-Abweichen am ehesten erkliren lasse dutch die Annahme eines Angriffes der endemischen Sehidlichkeit nicht nut an der Schilddrfise, sondern such an den in Entwicldung begriffenenschilddrfisenabhs Organen und fiber- dies unmittelbar am waehsenden Gehirn und HSrorgan.

Auch GamTers Handbuehbearbeitungen der Chorea infectiosa i und der Paralysis agitans ~ sind klare, mfihelos zu lesende Darstellungen, d ~ den. Einzelheiten das ihnen zukoramende Gewieht geben und offene Fragen klar kennzeichnen. Man erkermt die Hand des freudig und mit besonderem Geschick Lehrenden. Die eingehende Behandlung der Tonus- verhs haben wir wohl der Vorliebe Gampers far diese Fragen und seinem Wunsch zu danken, die Innsbrueker Klinik, die hier Beaehtens- wertes beigetragen hatte, zu Wort kommen zu lassen. Nach einem grfind- lichen kritischen (~berblick fiber die anatomischen Befunde enthielt sich Gamper gleiehwohl atler Erwggungen fiber die Pathophysiologie der choreatischen BewegungsstSrung und such einer Stellungnahme zu den geltenden Choreatheorien in der Erkenntnis, dalt die histopathologischen Befunde dafiir nieht ausreichen. In gleicher Weise zurfickhaltend war er bei der Paralysis agitans.

Der glfickliche Fund und die fruchttragende Bearbeitung des Falles yon Arhinencephalie und die Klarung des Wesens der Wernicl~eschen Polioeneephalitis s (die Gamper dann richtigstellend Poliopathie genannt hat, welche Bezeichnung angenommen zu werden verdiente) begrfindeten wohl Gampers Vorliebe f fir Arbeiten f iber die normale und die gestSrte Ts des I-Iirnstammes. Einen Uberblick fiber die gewonnenen An- schauungen gab er in seiner Antrittsvorlesung 4 und einen Einbliek in ein Tei]gebiet in einem Vortrag vor den sfidwestdeutschen l%eurologen und Psychiatern 5.

Die Erscheinungen des Alkoholdelirs und des Korsalcowschen Syndroms haben wesentliche Beziehungen zum Schlaf. Den erscheinungsm~l]igen ~3bereinstimmungen zwischen Schlafphinomenen, besonders dem Traumsehlaf und den ~bergingen zwisehen Wachen und Sehlafen, und den genannten pathologischen Syndromen entspreehen nimlich 8rtliehe (d. i. lokalisatorische) Beziehungen zwischen der anatomischen Grundlage des Alkoholkorsakow nnd der Region der Schlafsteuerung fin Zwisehenhirn. Die daraus abgeleiteten Vermutungen fiber die psychopatho- logisehe Bedeutung dieser l~egion sind gestfitzt dutch das Vorkommen yon I-I~llu- zinationen bei vaseul~ren Hirnstammherden; dutch die bekannte, die Schlgiregion miteinbegreifende Lokalisation der Encephalitis epidemics, deren psychotische Erscheinungen seln" dem Delirium ~hneln; und sch]iei]lich durch das Wallenberg- sehe Symptom des l~ichtbe~chtens yon Sinnesreizen und das Antonsehe I~icht- w~hrnehmen einer hemiplegischen KSrperseite, welchen Erscheinungen Herde im Thalamus zugrunde liegen.

i Bumlce u. Foersters ttandbuch der lqeurologie, Bd. XII. 1935. " 2 Bumke u. JFoersters Handbueh der Neurologie, Bd. XVI. 1936. a Gamper: Zur Frage der Polioeneephalitis h~emorrhagica der etn'onischen Alko-

holiker. Anatomische Befunde beim Alk. Korsukow und ihre Beziehungen Zum k]inisehen Bild. Dtseh. Z. Nervenheilk. 10~, 122 (1928). - - Zbl. Neut. 47, 830 (1927).

4 Gamper: Med. Klin. 1981 I, 41. - - 5 Gamper: Sehlaf-Delirium tremens- KorsaIcowsehes Syndrom. Zbl. Neut. 51, 236 (1929).

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Die Berechtigung, das Wallenber.qsche und das Antonsche Symptom heranzu- ziehen, sieht Gamper darin, dab diesen Erscheinungen ebenso wie dem Korsakow ein Nieht-einordnen-KSnnen yon Sinnesreizeu bzw. yon psychischen Erlebnisreizen zugrunde liege. Erregungen, kSnne man sich demnach vorstellen, werden nur dana gehSrig psychisch verarbeitet, wenn die Hirnrinde dazu yore Thalamus her angeregt ~ird, und diese Anregung ist im Sehlaf mindestens flit die meisten Reize sehr ver- mindert; sie bleibt ffir sensible Reize aus beim Antonsehen und beim Wallenberg- sehen Symptom und sie bleibt beim Korsakow ftir die Mehrzahl aller Erregungen aus. An ihre Stelle treten beim Korsakow und im Tramn ungeordnete Gebilde aus Vergangenheitserlebnissen. Ahnlieh faint Gamper die Halluzinationen des Alkohol- deliranten und den dazugehSrigen Bewul~tseinszustand als Folge einer Spannungs- herabsetzung in diencephalen Zentren auf.

Man kann sich den sehaffsinnigen und ktihnen, aber doeh wohlgestiitz~en Schlfissen Gampers nicht entziehen, zumal wenn man ibm weiter folgt und das Korsakow- syndrom nach Hirnersehiitterung, deren Erseheinungen heute wohl ziemlieh all- gemein in enger Beziehung zmn Hirnstamm gesehen werden, in die Betrachtung mit einbezieht.

Hier sei angeffihrt, dal] Gamper in den sog. Bernersehen Blutungen im Mittel- und Rautenhirn, deren Bedeutung, wie ich sehe, noch umstritten ist 1, einen ana- tomisehen Hinweis auf eine wiehtige Angrfffsstelle bei der Commotio und darin eine Bestiitigung pathophysiologischer Vermutungen sah.

Eine hauptsachlieh neurologiseh bemerkenswerte, aber aueh psychiatriseh an- regende Beobachtung zur Pathologie des Hirnstammes hat Gamper zusammen mit A. Kral mitgeteilt und erklgrt~:

W~hrend der Erholung nach einem Suieidversuch durch Erh~ngen ver~inderte sich mit der abschnittweise vor sieh gehenden Wiederkehr der motorisehen T~itig- keiten des Hirnstammes auch der Bewul]tseinszustand yore Korea fiber einen schlafartigen Zustand und eine delirante Phase sehliel3lich bis zur Bewul]tseinsklar- heir. Es war ein Gleichlauf motorischer und psyehiseher Erscheinungen, der be- stimmten schon frtiher vermuteten Beziehungen gewisser Grade und Arten von Bewul~tseinsver~ndertheit zu gewissen Absehnitten des Hirnstammes entspraeh. - - In der Phase der choreatiseh-athetotischen Bewegungsunruhe und der BewuBt- losigkeit war der KSrper zwanghaft an eine Seitenlage gebunden, der er - - stell- reflektorisch in Bewegung versetzt - - jeweils ~uf dem Weg einer vollen Umdrehung wieder zustrebte. Diese Wglzbewegungen waren yon einer lebhaften Massen- bewegung der Gliedmal~en begleitet. Der Komplex: KSrperdrehung um die L~ngs- aehse und primitive Automatismen an den Gliedmal]en bei einer als beigeordnet aufzufassenden Bewul~tlosigkeit stellt ,,ein transitorisches subcorticales Isolierungs- gebilde" dar (dessen orale Trennungslinie aus den Symptomen ersehliel~bar ist) und entspricht somit erscheinungsm~13ig und vermutlieh aueh topisch der Auto- matose Zingerles.

I ra J a h r vor Gampers Berufung n~ch Prag liel3 er mi t Stie/ler ~ zusammen drei Arbei ten erscheinen, ferner eine Wiirdigung der Cushing-

Dazu Gamper: Zum Problem der Commotio eerebri. Mschr. Psyehiatr. 99, 542 (1938); die dort angefiihrte Arbeit yon Neugebauer. - - Bjarne Dahl: Patho- logiseh-anatomische und experimentelle Untersuehungen fiber die sog. Duret- Bernerschen Blutungen . . . . . . . . Dtsch. Z. gerichtL Med. 29, 366 (1938).

2 K6rperdrehungen um die Langsachse in der Erholungsphase bei einem wieder- belebten Erh~ingten. (Ein Beitrag zum Automatosesyndrom Zingerles.) Mschr. Psychiatr. 84, 309 (1933).

3 Klinisches Bfld und anatomische Befunde bei einem 8 Tage naeh Drosse- lung Verstorbenen. Zbl. Neur. ~1, 622 (1929). - - ~ber Rtickenmarkstumoren mit

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schen Neurochirurgie mi t dem Ruf an die deutschen Fachleute, hier nachzuholen und Schri t t zu ha l t en 1, und eine anatomische Arbei t fiber den Morbus Reckl inghausen 2.

Die hihtologisehen Befunde bei e inem FM1 yon Recklinghausenscher K m n k h e i t best/~tigen nach Gamper die Lehre Bielschowskys yon der Wesensverwandtschaf t der Recklinghausenschen Krankhe i t mi t der tuber6sen Sklerose und erweisen neuerlich die Beziehungen zum reinen Gliom und zur diffusen Sklerose.

Als Gerichtspsychiater war Gamper angesehe n u n d gesehi tzt . Mit seinem K 6 n n e n trod der t I ingabe an die Saehe ve rband sich ungeseheute Offenheit u n d entsehiedene Festigkeit . Uberflfishig zu hagen, dal3 Gamper unbesehadet dessen aueh ein t Ierz fiir die a rmen Sfinder hatte. Wie honst fiberM1, so tei l te er auch hier bereitwillig heine reiehen Er- fahrungen mi t uns Naehk6mmlingen.

Von den groBen Geriehtsfgllen ha t einer weir fiber die Grenzen des Lundes hinaus Aufsehen erregt. Es war der Fa l l Halsmann.

Im Herbst 1928 war der Zahnarzt Halsmann auf dem tteimweg yon einer Berg- fahrt ersehlagen worden. Der Verdaeht fiel auf seinen Sohn, der mit ihm gewesen war. Der aber behauptete, sein knapp hinter ihm gehender Vater sei plStzlieh mit einem Laut umgefallen und fiber den steinigen Abhang zum Bach hinuntergekollert. Naeh dem sehlfissigen Gutaehten der Geriehtsmediziner war aber der Vater Hal& mann yon fremder Hand get6tet worden. Der AIigeklagte stellt in der Folge seine erste Verantwortung als das Ergebnis yon Sehlfissen und Vermutungen bin, die aueh irrig sein k6nnten. Sein Verteidiger dr~ngte zur Annahme, der Angeklagte sei ein gr6Beres Stfick voraus gewesen und ein lauernder Wegelagerer babe die Gelegenheit benfitzt, fiber den Vater Halsmann herznfallen. Der Sohn sei, dureh einen Schrei des Vaters aufgesehreekt, zuriickgelaufen and babe, Ms er den t6diich Verletzten im Bach liegen sah, an einen Unfall geglaubt und unter diesem erschtit- ternden Eindruek das Mal3 ffir die zurfiekgelegte Entfernung verloren und sieh noeh dazu eingebildet, er habe den Vater knapp hinter sieh fallen gesehen.

man fragt sich heute, wie jemand diese zweite Verantwortung, die offensieht- lich ffir die entkriftete erste eintreten sollte, als etwas anderes denn als eine Aus- flucht ansehen und wie darfiber ein Streit entstehen konnte. Damals aber waren ffir den Angeklagten nicht nur Krifte am Werk, die sieh, zum Teil sicher in gutem Glauben, an die 6ffentliehe Meinnng wandten, sondern er land aueh Stfitzen in Faehvertretern der experimentellen Psychologie, die mit wissensehaftliehen Begriin- dungen die behaulotete Erinnerungstiusehung annehmbar zu machen versuehten. Das Gericht verlangte nun ein psychiatrisehes Fakultitsgutaehten. Dieses kam zum Sehlug, d~B sieh aus den Akten und der psychiatrischen Untersuehung des Ange- klagten keine Stfitze ffir die behaupteteErinnerungst/iusehung and damit ftir den Standpunkt der Verteidigung ergebe. Das Gerieht sehiol3 sieh diesem Gutachten an.

Gamper war a n dem Gutach ten ffihrend beteil igt u n d wurde dami t neben dem Professor der geriehtl ichen Medizin in Innhbruck , Karl

dem klinischen Bild einer raseh tSdlieh verlaufenden spinalen Erkrankung. Zbl. Neur. 54, 174 (1930). - - ~ber gehiuftes Auftreten akut entzfindlieher Erkrankungen des Zentralnervensystems. Zbl. Neut. ~7, 439 (1930).

1 Die intrakraniellen Neubildungen. Eine kritische Einschau. Fortschr. Neur. 2, 183 (1930). - - 2 Zur Kenntnis der zentralen Veranderungen bei Morbus l%eckling- hausen. J. Psyehol. u. Neut. 89, 39 (1929).

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Meixner 1, das Hauptzie l der Angriffe. Obwohl es fiir Gamper damals recht unzweekmg6ig war, sieh durch den daraus ents tandenen Kampf , der weithin beobachtet wurde, Gegner zuzuziehen, ha t er ihn unbeirr t und mit SchArfe filr sein Faeh eintretend, gefilhrt, wie seine drei in dieser Saehe ersehienenen Sehriften e beweisen. Die , ,Gegengutaehten" im Falle Halsmann sind Musterbeispiele filr drei Grundm/~ngel eines Gut- aehtens: ungenilgende Aktenkenntnis , unzureiehende Unterseheidung zwisehen Wahrseheinliehkeit und M6glichkeit und Voreingenommenheit .

Der reichen Pers6nliehkeit Gampers wird eine Schilderung nieht so leieht gerecht werdenl Obwohl ich fast 10 Jahre lang sein Schiller war, kenne ich doch nu t die eine oder andere Seite seines Wesens. Ich habe mieh bemfiht, ihn so zu schildern, wie ich ihn sehe, und ich hoffe, dabei aueh genfigend sachlieh gewesen zu sein. Eines bin ich seinem Andenken noch zu sagen schuldig. Gamper hing mit ganzer Seele an seiner Heimat und an seinem Volk, er war ein Tiroler und ein Deutseher. Auf dem kampf- heigen Boden Prags wurde er zum v61kisehen Streiter - - so wie er sein soil, mannha f t und klug, unbeugsam, aber gereeht.

1 Meixner, K.: Let~'en des Halsmannprozesses. Bei~r. gerichtl. Med. 10, 47 (1930). Oftener Brief an Prof. Marbe. Arch. Kriminol. 92, 192 (1933).

2 Das Gutachten der medizinischen Fakult~t Innsbruck in der S~rafsaehe gegen Philipp Halsmann. Beitr. geriehtl. Ned. 10, 107 (1930). - - Zum Prozeg Halsmann. Erwiderung auf die vors~ehenden Ausfiihrungen Prof. Erismanns. Beitr. geriehtl. Med. l l , 170 (1931). Oftener Brief an Prof. Marbe: Arch. Kriminol. 9~, 204 (1933). Eine kurze Darstellung des Falles, kriminologisch betraehtet, bringt Heindl: Des Mordprozeg Halsmann. Arch. Kriminol. 9~, 177 (1933). Bis dorthin waren sehon 6 Publikationen in Buehform und iiber 12 Arbeiten in wissenschaftliehen Zeit- schriften fiber den Fall Halsmann ersehienen.