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1 ErinnErungEn An EinE kurzE AbEr strAhlEndE rEnnfAhrErkArriErE August hobl, MotorrAd-rEnnfAhrEr dEr Auto union ingolstAdt zwischEn 1951 und 1956 MEhrfAchEr dEutschEr MEistEr und VizEwEltMEistEr Von JosEf würdingEr ingolstAdt, iM April 2007 .

ErinnErungEn An EinE kurzE AbEr strAhlEndE ... an...der Faszination, die das Phänomen Rennfahren seit meiner Jugendzeit auf mich ausübt. Ich selber habe ja alle vier „Donau-Ring-Rennen

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ErinnErungEn An EinE kurzE AbEr strAhlEndE

rEnnfAhrErkArriErE

August hobl, MotorrAd-rEnnfAhrEr dEr Auto union

ingolstAdt

zwischEn 1951 und 1956 MEhrfAchEr dEutschEr MEistEr und

VizEwEltMEistEr

Von

JosEf würdingEr ingolstAdt, iM April 2007

.

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gEwidMEt dEr fAMiliE August hobl Aus

ingolstAdt

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Inhalt

Vorwort des Verfassers (5)

Grußwort (7)

I. Kapitel: (8)

Querschnitt durch August Hobls Rennfahrerzeit (9) – Das Jahr 1948: Der Neubeginn zum Bau eines DKW-Motorrades (12) – Die DKW-Rennmotorräder, eine Marke von Weltruf (14)

II. Kapitel: (22)

Hobls Kindheit und Jugend (23) – August Hobl lernt den Beruf eines Kraftfahrzeugmechanikers (24) - August Hobl wird Angehöriger der Auto Union GmbH in Ingolstadt (26)

III. Kapitel: (29)

Die Rennsaison 1951 sowie das Donau-Ring-Rennen in Ingolstadt (30) – Das Luisenburg-Dreieck-Rennen in Wunsiedel (33) – Das Dreieck-Rennen in Übersee-Feldwies (34)

IV. Kapitel: (35)

Die Rennsaison 1952 (36) – Das Dreieck-Rennen in Trostberg (39) – Das Dreieck –Rennen in Stockach (41)– Das Riemer Rundstreckenrennen - Hobl startet hier erstmals als Lizenzfahrer der Auto Union Ingolstadt (42) – Das Norisring-Rennen in Nürnberg sowie das Sachsenring-Rennen in Hohenstein-Ernstthal (44) – Fazit für das Rennjahr 1952 (45)

V. Kapitel: (46)

Die Rennsaison 1953 (47) – Das Dieburger Dreieck-Rennen (49) – Das Dreieck-Rennen in Trostberg (52) – Da Rheinpokal-Rennen in Hockenheim (53) – Schwere Unfälle im Rennteam von DKW (54) – Das Feldberg-Rennen im Taunus (56) – Das Solitude-Rennen in Stuttgart (59) – Der große Preis der Niederlande in Assen (62) – Der große Preis von Deutschland in Schotten (63) – Das Rennen in Tubberger/Holland (65) – Der große Preis von Italien in Monza (67) – Der große Preis von Spanien in Barcelona (68) – Fazit für das Rennjahr 1953 (70)

VI. Kapitel: (71)

Die Rennsaison 1954 (72) – Das Eifelrennen am Nürburgring (73) – Das Feldberg-Rennen im Taunus (75) – Gustl Hobl schnellster deutscher Motorrad-Rennfahrer beim Feldberg-Rennen (77) – Das Norisring-Rennen in Nürnberg (78) – Rund um Schotten (80) – Das Eilenriede-Rennen in Hannover (82) – Das Skaneloppet Rennen in Kristianstat/Schweden (84) – Fazit für das Rennjahr 1954 (86)

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VII. Kapitel: (87)

Die Rennsaison 1955 (88) – Das Dieburger Dreieckrennen (90) – Das Eifelrennen am Nürburgring (92) – Der große Preis von Deutschland am Nürburgring (94) – Der große Preis von Belgien in Spa (95) – Rund um Schotten (97) – Der Große Preis der Niederlande in Assen (99) – Das Solitude-Rennen in Stuttgart (102) – Das Norisring - Rennen in Nürnberg – Gustl Hobl wird erstmals deutscher Meister (105) – Das Sachsenring-Rennen in Hohenstein-Ernstthal (107) – Der große Preis von Italien in Monza (113) – Das Eilenriede-Rennen in Hannover (116) – Fazit für das Rennjahr 1955 (121)

VIII. Kapitel: (122)

Die Rennsaison 1956 (123) – Eine Versuchsfahrt auf der Autobahn bei Ingolstadt (124) - Das Rennen in Imola/Italien (128) – Das Rennen in Salzburg (130) – Das Rheinpokal-Rennen in Hockenheim (132) – Der große Preis der Niederlande in Assen (135) – Der große Preis von Belgien in Spa (139) – Der große Preis von Deutschland auf der Solitude in Stuttgart (142) – Das Noris-Ring Rennen in Nürnberg (146) – Ulster Grand Prix in Belfast/Nordirland (149) – Das Sachsenring-Rennen in Hohenstein-Ernstthal (150) – Der große Preis der Nationen in Monza/Italien (153) – Gustl Hobl wird Vizeweltmeister 1956 (155) - Avus-Rennen in Berlin (157) – Das Skaneloppet Rennen in Kristianstat/Schweden (159) – Fazit für das Rennjahr 1956 (161)

IX. Kapitel: (163)

Die Rennabteilung der Auto Union Ingolstadt wird aufgelöst (164) – Hobl beendet seine aktive Rennfahrerlaufbahn (166) – Gustl Hobl wird mit der goldenen Auto Union Ehrennadel ausgezeichnet (167) – Hobl als Gelände- und Zuverlässigkeitsfahrer (170) – eine Motorradbegeisterte Familie (173) – Die August Hobl Linde in Hohenstein-Ernstthal (174) – Ralf Hobl, Sohn von Gustl Hobl, Motorrandrennfahrer von 1983-1991 (175) – Lisa, Enkelin von Gustl Hobl, deutsche Jugendmeisterin im Kart (176) – Anmerkungen (177)

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Vorwort des Verfassers

Der vorliegende Aufsatz über den ehemaligen Motorradrennfahrer August Hobl entsprang

der Faszination, die das Phänomen Rennfahren seit meiner Jugendzeit auf mich ausübt. Ich

selber habe ja alle vier „Donau-Ring-Rennen“ der Jahre 1949, 1950, 1951 und 1954 als Bub

selber beobachten können und kannte somit die berühmten Ingolstädter

Motorradrennfahrer H.P. Müller, Siegfried Wünsche und Ewald Kluge. Einen wesentlichen

Impuls bei der Planung dieser Zeilen gab die Erkenntnis, dass das motorsportliche Leben

eines jungen Mannes, der sich Anfang der fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts

mit Leib und Seele dem Motorrad-Rennsport verschrieben hatte, nicht in der Dunkelheit der

Archive verstauben darf.

Ob der 21jährige August Hobl, Angehöriger der frühen Motorradproduktion der Auto-

Union Ingolstadt GmbH in Ingolstadt, in dem Augenblick, als er beschloss,

Motorradrennfahrer zu werden, auch daran dachte, welch unglaubliche Arbeit, welche

Opfer, welche Mühen, welch körperliche Härte und wie viele Schwierigkeiten und auch

Enttäuschungen noch vor ihm liegen, bis er zu dem kommt, was unter Motorrad-

Rennfahren zu verstehen ist ? Offensichtlich wollte er all die Schwierigkeiten auf sich

nehmen, und die wohl erträumten Goldmedaillen, Siegerkränze und Ehrungen wurden bei

ihm wahr. Damit habe ich auch schon den Inhalt dieser kleinen August-Hobl-Chronik

angedeutet: Viel Tempo, rasante Motorräder, zahlreiche Aktion-Fotos bei den

verschiedensten Rennen, Technisches und Geschichtliches um das DKW-Motorrad und,

selbstverständlich auch die mehr oder weniger ausführliche Schilderung all seiner Rennen –

sofern mit dazu ausreichendes Material zur Verfügung stand. Durch diese Arbeit, durch die

aus einer vielfältigen Literatur gewonnenen Erkenntnisse versuchte ich ein Bild von den

erfolgreichen Anfängen des jungen Ingolstädters August Hobl als Motorradrennfahrer im

Jahre 1951 bis zum Ende seiner Karriere 1956 zu zeichnen. Am Ende entstand ein buntes

Mosaik seines Rennfahrerlebens, das doch einige kaum bekannte Informationen birgt, die

den Leser von heute auch noch interessierten könnten.

Und so darf ich allen danken, die in irgendeiner Form am Gelingen dieser Zeilen beteiligt

waren. Dank schulde ich den Herren Dr. Martin Kukowski und Lothar Franz von Audi –

Tradition, für ihre stets bereitwillige und freundliche Unterstützung im Archiv von Audi-

Tradition. Mein besonderer Dank gilt aber Herrn August Hobl. Er war mir nicht nur durch

seine Erinnerungen, sondern auch durch seine Unterstützung gerade in technischen Fragen

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ein jederzeit bereitwilliger Helfer. Ich hoffe, dass die vorliegend Arbeit bei Familie August

Hobl Gefallen findet.

Ingolstadt, im April 2007

Josef Würdinger

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Ingolstadt, 24. April 2007

Grußwort

Franz, Lothar – Archivar der AUDI AG

Lieber August,

Herr Würdinger hat angeregt, zu seiner Chronik über August Hobl ein kleines, persönliches Grußwort an Dich zu richten. Diesem Wunsch komme ich natürlich sehr gerne nach.

Wir kennen uns jetzt persönlich seit 1993 durch Deine Unterstützung bei uns im Archiv – natürlich habe ich vorher schon gewusst, wer August Hobl ist! Drum habe ich mich so gefreut, Deine persönliche Bekanntschaft zu machen. Du hast die in mir schlummernde Liebe zum Motorrad geweckt – zwar bin ich im Seitenwagen der BMW meines Vaters „groß geworden“, habe aber selbst nie ein Motorrad besessen.

Es ist in erheblichem Maße meiner Bewunderung Deiner motorsportlichen Leistungen zu verdanken, dass ich mir vor etwa acht Jahren eine 125er IFA DKW gekauft habe – und ich bin sehr stolz, dass Du mich mit diesem langsamen Motorrad schon eine paar mal auf Ausfahrten mitgenommen hast. Dadurch kann ich jetzt zumindest ein ganz kleines bisschen nachempfinden, was Motorradfahren überhaupt bedeutet, und was Du als Motorradrennfahrer (mit Deinen vielen Meistertiteln) für große Leistungen erbracht hast – und meine Bewunderung nahm noch zu! Ich freue mich über unsere persönliche Bekanntschaft – ja Freundschaft, und ich bin Dir dankbar für all das, was ich durch Deine Erfahrungen lernen durfte – und auch dafür, dass ich durch Dich viele interessante Menschen kennen lernen konnte (z.B. Siegfried Wünsche, Rudi Felgenheier, Heinz Klingenschmid, Gotthardt Weber u.a.).

Ich schätze besonders Deine Besonnenheit und Deine Ruhe – und Deine Bescheidenheit. Wenn Du von einem der zahlreichen, schweren Rennen erzählt hast, endet der Bericht oft mit den Worten „…ach so: g´wonne hab´ i´ a…“

Ich wünsche Dir für Deine Zukunft alles Gute, mir noch einige gemeinsame Motorrad-Ausflüge und allen Lesern recht viel Freude bei der interessanten Lektüre über Deine erfolgreiche Motorrad-Karriere.

Lothar

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i. kApitEl

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Querschnitt durch August Hobls Rennfahrerzeit

Wir Kinder von der Harderstraße, alle so zwischen 12 und 14 Jahre alt, erlebten die „Donau-

Ring-Rennen“ in Ingolstadt als absolute Motorrad-Fans hautnah. Da wir uns den Eintritt –

für Jugendliche bis 15 Jahre 1,50 DM – zu diesen Veranstaltungen auf jeden Fall sparen und

ihn nur in höchster Not entrichten wollten, kletterten wir einfach über Gartenzäune und

erreichten so auf verschwiegenen Pfaden das Gelände der heutigen AOK, in unmittelbarer

Nähe des Fahrerlagers. Wir kannten die Namen der damaligen Motorradrennfahrer. Mit

unseren oft vorsintflutlichen Fahrrädern eiferten wir ihnen nach, sie hatten bei uns einen

gewissen Vorbildcharakter in punkto Motorradrennfahren. Und manche unserer

Fahrradrennen „Rund um den Oberen Graben“ (Oberer Graben – Jesuitenstraße – Auf der

Schanz – Harderstraße) hatten schon beinahe Kultcharakter erreicht.

Einer dieser Motorradrennfahrer, den wir damals 1951 noch nicht einmal vom Namen her

kannten, war August Hobl. Im Alter von 20 Jahren startete er beim hiesigen „Donau-Ring-

Rennen“ 1951 sein erstes Straßenrennen. Es war bei ihm der Beginn einer großartigen

Rennfahrerkarriere, obwohl bis dahin nichts darauf hindeutete, dass er einmal ein versierter

Könner in der Sparte der Kraftfahrzeugtechnik und ein berühmter Motorradrennfahrer

werden würde, zumal in seinem engeren Familienkreis keine Rennfahrer bekannt waren.

Nach seinem weniger erfolgreichen Debüt beim „Donau-Ring-Rennen“ startete Hobl noch

bei fünf Straßenrennen, die er jeweils als Sieger beenden konnte. Quasi als Lohn für seine

Arbeit schaffte er 1952 den Aufstieg vom Ausweisfahrer in die Lizenzfahrerklasse. August

Hobl war zu dieser Zeit Angehöriger der Versuchsabteilung und in dieser Eigenschaft lernte

er die Motorradtechnik von Grund auf kennen. Ob dieses enorme Wissen ihm als

Rennfahrer zum Vorteil sein konnte? Seine Vorgesetzten wussten ja nur zu genau, dass

Versuche anderer Werke, aus den Reihen der eigenen Rennmonteure tüchtige und auch

Erfolg versprechende Rennfahrer zu gewinnen, größtenteils fehlgeschlagen waren oder

zumindest mit nur mittelmäßigen Resultaten endeten. Angeblich seien diese Leute technisch

zu sehr belastet, um mit den Rennmaschinen so rücksichtslos wie nur möglich umzugehen,

wie das eben vom Rennfahrer im erbitterten Kampf um den Sieg verlangt werden muss. Die

gleichen Vorgesetzten, die seinen Fahrstil als gut, aber doch als etwas zu riskant beurteilten,

waren sich aber schließlich doch darin einig, dass ihr Mann die physische und psychische

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Kraft besitzt, um im Kampf gegen die Fahrer anderer Werke bestehen zu können. Die

Erfolge, die er im Laufe seines Rennfahrerlebens erleben durfte, sind ein eindeutiger Beweis

dafür, dass aus dem ruhigen und empfindsamen Monteur aus der Versuchsabteilung der

Auto Union ein wirklicher Könner und großer Rennfahrer im deutschen und internationalen

Renngeschehen geworden ist.

In seiner aktiven Zeit war August Hobl einer der bekanntesten und erfolgreichsten

deutschen Motorradrennfahrer und somit weit über Bayern und Deutschland hinaus

bekannt. Untrennbar mit seiner erfolgreichen Rennfahrerlaufbahn verbunden ist der

Firmenname Auto Union und deren Marke DKW. Beide zusammen standen in der Vor- und

Nachkriegszeit für besten Motorradrennsport. Mit Glück und noch mehr Können

absolvierte August Hobl – bei Freunden besser bekannt als der Gustl Hobl – fünfundsiebzig

Straßenrennen. Zunächst als Ausweis- und Lizenzfahrer und später dann als Werksfahrer

(1954-1956) konnte er auf seinen DKW-Maschinen gegen stärkste Konkurrenz große Siege

und beste Plazierungen für sich verbuchen. So errang er am 11. September 1955 beim

internationalen Eilenriede-Rennen in Hannover in der Klasse bis 350 ccm den deutschen

Meistertitel und in der gleichen Klasse den dritten Platz in der Weltmeisterschaft. Ein Jahr

später, am 23. September 1956, wurde Gustl Hobl beim internationalen Avus-Rennen in

Berlin sowohl auf einer 125ccm als auch auf einer 350ccm DKW zweifacher Deutscher

Meister und schließlich auch in der 350er Klasse Vizeweltmeister. Aber auch bei 15

Gelände- und Zuverlässigkeitsfahrten zwischen 1951 und 1957 gewann er neun Gold- und

vier Bronzemedaillen.

Gustl Hobl, in Insiderkreisen ist er auch heute noch bestens bekannt, obwohl seit seinem

letzten Rennen am 23. September 1956 in Schweden schon über 50 Jahre vergangen sind –

wurde so zum Zeitzeugen im Renngeschehen nicht nur in Deutschland, sondern auch in den

Niederlanden, in Belgien, Italien, Spanien, Schweden und Irland. Hobl steht somit in einer

Reihe mit den berühmten Ingolstädter Motorradrennfahrern wie H.P. Müller (+ 1975),

Siegfried (Sissi) Wünsche (+ 2000), und Ewald Kluge (+ 1964).

Das, was den Sportsmann Gustl Hobl immer ausgezeichnet hat, war neben seinen

Rennerfolgen in erster Linie seine Zurückhaltung, seine Bescheidenheit und seine in allen

Situationen immer wieder bewährte Kameradschaft. Bei allen Rennen stellte er sich taktisch

und technisch immer zuerst in den Dienst der Mannschaft, ohne auf persönlichen Ruhm

bedacht zu sein. Er war sich stets darüber im Klaren, dass zum Sieg neben einer

hervorragenden Maschine auch eine gehörige Portion Glück gehört, jenes Glück, das er

brauchte, um seine Rennfahrerkarriere ohne schwerwiegende Unfälle zu überstehen.

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Als großer deutscher, bayerischer und Ingolstädter Motorradrennfahrer der Auto Union –

und darauf sind seine Fans auch heute noch stolz – ist er Teil der Renngeschichte dieser

Firma, und, bereits zu seinen Lebzeiten, eine Legende innerhalb des Motorradrennsports

unserer Ingolstädter Auto Union.

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Das Jahr 1948: Der Neubeginn zum Bau eines DKW –

Motorrades

(Konzentrat)

Im März 1940 präsentierte die Auto-Union AG auf der Wiener Frühjahrsmesse den

einmillionsten DKW-Zweitaktmotor, der in die neue DKW RT 125 eingebaut wurde.

Friedlichen Zwecken konnte dieses Motorrad aus Zschoppau leider nicht mehr dienen, es

kam zum Kriegseinsatz und bewährte sich als anspruchsloses und robustes Fahrzeug. Die

Siegermächte des 2. Weltkrieges machten die Konstruktionspläne

anderen Herstellern zugänglich, so dass die RT 125

beispielsweise in England, den USA, in Japan und in der

Sowjetunion kopiert werden konnte. Für die wieder

gegründete Auto-Union GmbH wurde es nun Zeit, in

Anbetracht der damaligen wirtschaftlichen Verhältnisse

die Produktion dieses bewährten Motorrades wieder in die

eigenen Hände zu nehmen. Und so beauftragte um die

Mitte des Jahres 1948 der Vorsitzende der

Geschäftsführung der Auto-Union GmbH, Dr. Richard Bruhn

seinen Mitarbeiter Nikolaus Dörner, die DKW 125 RT

konstruktiv zu überarbeiten und sie dem neuesten Stand der

Technik anzupassen. Ein DKW-Händler in Regensburg

besaß noch eine fabrikneue RT 125. Diese holte sich

Dörner persönlich ab, ließ sie zerlegen und fertigte

Zeichnungen an für die Zulieferanten der einzelnen Teile, da ja

in Ingolstadt anfangs noch keine entsprechenden Fertigungseinrichtungen zur Verfügung

standen. Der Rahmen, die Leichtmetallgussteile und Getriebe wurden von auswärtigen

Firmen hergestellt und geliefert. Die Firmen Wizmann und Küchen in Ingolstadt sowie die

Westfälische Metallindustrie GmbH lieferten die Kurbelwellen. Der Motorradbau der Auto-

Union Ingolstadt GmbH war anfangs ein Zusammenbau von Teilen, die bei Dritten

hergestellt worden waren. Erst 1951 ließ die finanzielle Lage des Unternehmens größere

Dr. Richard Bruhn (1886-1964)

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Investitionen für entsprechende

Fertigungseinrichtungen wie Gießerei und Schmiede

zu. Von diesem Zeitpunkt an wurden die Bauteile

weitestgehend im eigenen Hause hergestellt.

Die Leitung der Motorradproduktion lag von

Anbeginn, vom Jahre 1949 bis zum Jahre 1955, in

den Händen von Direktor Franz Ischinger. Und

erstaunlicherweise konnten schon 1949 fünfhundert

DKW RT 125 produziert und ausgeliefert werden.

Am 4. Juli 1950 lief das 1000ste DKW RT 125

Motorrad vom Band. Die Nachfrage nach dieser

Maschine erhöhte sich immerzu. Im Jahre 1952 war

jede dritte neu zugelassene Maschine in der Klasse

bis 125ccm eine DKW RT 125. Die

Gesamtproduktion von DKW Zweiradfahrzeugen

von 1949 bis 1958 betrug insgesamt 355.864

Motorräder.1 Die Krönung des Ingolstädter Motorradprogramms war die DKW RT 350,

deren Entwicklung bereits 1951 eingeleitet wurde. Sie wurde laufend weiter verbessert, so

dass mit ihr am 23. Oktober und 3. November 1954 auf dem Nürburgring Testfahrten mit

befriedigendem Ergebnis absolviert werden konnten. Während 1955 – im Jahre ihres

Erscheinens auf dem Markt – 4099 Maschinen hergestellt wurden, verließen 1956 nur noch

1197 DKW RT 350 S die Ingolstädter Fließbänder. Ihre Tage waren gezählt, eine

Weiterentwicklung des Ingolstädter Motorrad-Flaggschiffs war angesichts der niedrigen

Verkaufszahlen nicht mehr interessant , die allgemeine Situation auf dem Zweiradmarkt

hatte sich im Hinblick auf Motorräder zum Nachteil verändert. Und in der 350er Klasse

hatten sich die Horex Regina, die Victoria Bergmeister, die Triumpf Boss und die Maico

Taifun fest etabliert.

1 DKW RT 125, DKW RT 125/2a(H), RT 175 (1954), RT 175S (1956), RT 175 VS (1957), RT 200 (1951), RT 200 (1952), RT 200 (1954), RT 200 S (1956), RT 200 VS (1957), RT 250 (1952), RT 250 (1953), RT 250/2 (1953), RT 250 S (1956), RT 250 VS (1957), RT 350 Entwicklung am 1951 eingeleitet.

Direktor Franz Ischinger (1904-1988)

Er war in den 30er und 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts ein bekannter Werks-

und Zuverlässigkeitsfahrer

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Die DKW – Rennmotorräder – eine Marke von Weltruf

(ein geschichtliches Konzentrat)

August Horch (1868-1951) der geniale Ingenieur,

Konstrukteur, Erfinder, Industrielle, Rennfahrer und dazu

noch der beste Propagandist seiner Wagen, wusste wovon er sprach, als er einmal den Satz

prägte: „Es ist gar nicht zu sagen, wie wichtig Wettfahrten sind“ und dabei sehr wohl erkannte,

dass eben Wettfahrten beste technische Reaktionsbeschleuniger und bei Erfolg eminent

wichtige Werbemittel sind. Seit DKW-Zweitakter gebaut wurden, seit DKW als erste

Motorradfabrik der Welt den robusten, zuverlässigen und leistungsstarken Zweitaktmotor

in den Serienbau übernahm und sich, gegen eine Welt von Vorurteilen, dem einmal

fortschrittlich erkannten Bauprinzip verschrieben hatte, kämpften seit Ende der Zwanziger

und ganz besonders in den 30iger Jahren bis zum Ausbruch des 2. Weltkrieges am 1.

September 1939 mutige Männer mit ihren DKW-Maschinen im harten Kampf gegen

schwerste internationale Konkurrenz um den Siegerlorbeer. Wer waren diese Männer auf

ihren schnellen Maschinen, die leider im Dunkel der Renngeschichte verschwunden sind? In

einschlägigen Fachzeitschriften kann man sie vielleicht noch erlesen, sofern sich Redakteure

gerne mit der Rennvergangenheit beschäftigen. Als Autor dieser Zeilen fand ich so eine

Broschüre, die mir diese Helden vergangener Rennfahrerzeiten aufzeigten. Die Namen

Friedrich, Stegmann, Zündorf, Ley, Klein, Gmelch, Bauhofer, Walfried Winkler (1934 auf

DKW Europameister) oder Hans Winkler. Wer kennt noch Arthur Geiss (1935 auf DKW

Europameister), der seinerzeit zahlreiche Siege und deutsche Meisterschaften erkämpfe, ehe

ein Sturz auf der Fahrt zur Siegerehrrung ihn, auf der Höhe seines Ruhms, zur Aufgabe

zwang. Seine Siege waren der Beginn jener Epoche der erdrückenden Überlegenheit aller

250er DKW-Konstruktionen, die sein großer Verehrer Ewald Kluge unaufhaltsam ihrem

Höhepunkt zuführen sollte: Vier deutsche Meisterschaften, zwei Europameisterschaften und

den Titel „Meister aller Motorradmeister“ erkämpfte dieser damals größte aller deutschen

Rennfahrer für die Marke DKW.

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Aber nicht nur die Solomaschinen mit 250, 350 oder 500ccm wurden entwickelt, sondern

auch eine 600er und 1000er Beiwagen-Rennmaschine. Auf der 500er DKW erkämpfte H.P.

Müller 1936, ehe er in den Auto Union Rennwagen umstieg, seine zweite Deutsche

Meisterschaft. Auf der 350er DKW errang Walfried Winkler 1938 seine vierte Deutsche

Meisterschaft und ein Jahr später errang Heiner Fleischmann mit derselben DKW gleich die

Deutsche und die Europameisterschaft. Braun und Kahrmann holten sich auf der 600er und

1000er DKW zweimal hintereinander die Deutsche Meisterschaft, Braun und Schuhmann

sogar die Europameisterschaft in beiden Seitenwagenklassen.

Der 2. Weltkrieg unterbrach die Siegesserien der DKW-Zweitakter. Die Auto Union

zerstört, geplündert und enteignet. Die wertvollen Maschinen verschwanden oder waren

unter Trümmern begraben. Als das erste Motorradrennen 1946 wieder gestartet wurde,

waren die DKW-Zweitakter wieder am Start, freilich in einer Zeit, als es Sprit auf

Bezugsscheine gab. Es waren damals nicht die modernsten Maschinen, gefahren wurde was

den Krieg überstanden hatte und auch – oft mit großem Aufwand – von Serienmaschinen

abgeleitete Eigenbauten. Ewald Kluge, der sich zu jener Zeit noch in russischer

Kriegsgefangenschaft befand, übersiedelte seit seiner Entlassung nach Ingolstadt und auch

Siegfried Wünsche kam bald nach. Mit ihren geretteten Vorkriegs-DKWs waren sie bald

wieder am Start, so wie auch eine Reihe von Fahrern, die noch im Besitz der vor dem Krieg

käuflichen Ladepumpen-DKWs waren; denn in der Zeit ihrer größten Erfolge hatte DKW

eine Serie von 250er und 350er Rennmaschinen aufgelegt, die frei verkäuflich waren, und

jedem Privatfahrer im Rennen eine reelle Chance gab. H.P. Müller und Walfried Winkler

bauten sich unter großen Mühen aus DKW-Teilen ihre 250er und 500er Kompressor-

Motorräder zusammen. So bekannte Rennfahrer wie Karl Lottes, Otto Daiker und Otto

Kohfink, Rudi Meier, der beinamputierte Paul Schwarz, machten ihre 250er Sport-DKW

wieder fit und beteiligten sich an Rennen. Bei den 350er waren es der unverwüstliche Kurt

Mansfeld, Rudi Knees und Karl Nitschky, die sich, weiß Gott woher, DKW-Maschinen

besorgten und an den Start brachten. Nach diesen ersten schüchternen Anfängen im Jahre

1946 geht es erstmalig 1947 wieder um die Deutsche Meisterschaft. Hier durften sie alle

wieder mitfahren, die Motorsportler aus dem besiegten Deutschland, von internationalen

Rennen waren sie ausgeschlossen. Erst nach Aufnahme Deutschlands in den internationalen

Motorrad-Sport-Verband FIM konnten deutsche Fahrer ab 1951 wieder an internationalen

Veranstaltungen teilnehmen.

Während nun schon seit drei Jahren Rennmaschinen der Marke DKW an Rennen

teilnahmen und auch siegten, standen die führenden Männer der alten Auto Union vor

schweren Entschlüssen. Sie begannen jedenfalls von 1945 an in vier Stufen eine neue Auto

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Union GmbH aufzubauen, die dann schließlich am 3. September 1949 endgültig erfolgte. Es

würde jetzt zu weit führen, die Gründungsgeschichte der Auto Union nach dem Kriege auch

nur sporadisch zu erzählen. Jedenfalls wussten die Männer der obersten Führungsriege, dass

Werbung in Form von erfolgreichen Motorradrennen gut für ihre Marke sei. Und so wurde,

eingedenk der Worte Horchs, 1950 eine Rennabteilung für Motorräder eingerichtet. Dazu

benötigte man aber auch Fachleute, die das ganze Drumherum um Rennmaschinen und

ihrer Einsätze beherrschten.

Unter den Privatfahrern gab es in Wiesbaden mit dem

Ingenieur Erich Wolf (Bild links) den Mann, der sich

schon länger intensiv mit der Leistungsverbesserung von

Zweitakt-Rennmotoren bei Verzicht auf Kompressor

oder Gebläse befasste. Er war oft mit nicht aufgeladenen,

aber schnellen Drehschieber-DKWs aufgefallen. Schon

1946 hatte Wolfs Freund Carl Döring mit einer von ihm

auf Basis der DKW RT 125 entwickelten Ladepumpen-

Rennmaschine Erfolge errungen. Aus der ehemaligen

Zschopauer Rennabteilung stieß mit August Jacob ein

versierter Mann zu Wolf, der u.a. bei der Auto Union

unter Prof. Dr. Ing. Robert Eberan von Eberhorst (Bild rechts) und Ferdinand Porsche bei

Horch mitgearbeitet hatte. Mit ihm begann Wolf, für die Rennfahrer Kluge und Wünsche

sowie H. P. Müller und weiterer Fahrer, die aus der

Vorkriegszeit herüber geretteten DKW-Ladepumpen-

Rennmaschinen wieder renntauglich zu machen. Er probierte sie

selbst aus, aber ein sehr schwerer Sturz auf dem Schottenring

beendete Wolfs aktive Karriere.

1950 holte sich die Auto Union den nun 38jährigen Wolf als

technischen Mitarbeiter in die neu gegründete Rennabteilung

nach Ingolstadt.

17

Oberingenieur August Jacob (Bild links), der schon vor

dem zweiten Weltkrieg in der Rennwagenabteilung der

Auto Union tätig war, arbeitete nach seinem Wechsel

nach Westdeutschland in Wiesbaden am Nachkriegs-

Comeback der DKW-Rennmaschinen. Ab 1950 leitete

August Jacob die Rennabteilung der Auto Union

Ingolstadt.

Unter Wolfs Leitung entwickelte man die 125ccm

DKW-Rennmaschine, deren Motor unter weitgehender

Verwendung von Serienteilen hergestellt und mit einer

Ladepumpe ausgerüstet worden war. H.P. Müller

gewann mit ihr 1950 in Hockenheim das Rennen der 125er Klasse, die Maschine war ein

Wunder an Geschwindigkeit und Sicherheit, sie beherrschte 1950 das Renngeschehen in

dieser Klasse.

H. P. Müller im Gespräch mit Erich

Wolf, auf dessen Konstruktionen er

mehrere Meistertitel errang.

Mit Beginn des Jahres 1951 waren auch in Deutschland nach den FIM-Bestimmungen die

Kompressor und Ladepumpen Motoren nicht mehr zugelassen, u. a. auch deshalb, weil mit

den hohen Leistungen der aufgeladenen Motoren die Fahrgestelle an ihre Grenzen gestoßen

waren, zumal auch die Rennstrecken jener Zeit in der Mehrzahl aus abgesperrten Straßen

oder Stadtkursen mit heimtückischen Pflaster als Belag bestanden und somit auch das

Verbot der Kompressor- und Ladepumpenmotoren aus sicherheitstechnischen Gründen

18

heraus ausgesprochen wurde. Die Zeit der Zweitakt-Rennmaschinen schien endgültig vorbei

zu sein, das wollte man aber in Ingolstadt nicht so leicht hinnehmen. Ein Werk, mit der

umfassenden Erfahrung im Bau von leistungsstarken Zweitaktern wie DKW, ein Werk, das

sich im Laufe von drei Jahrzehnten ausschließlich der Entwicklung von Zweitaktern aller

Konstruktionseinrichtungen und Verwendungszwecke so erfolgreich gewidmet hatte, dieses

Werk war auch dazu berufen, in allerkürzester Zeit einen DKW-Rennmotor ohne

Ladepumpe zu schaffen. Die Leitung der Rennabteilung mit den ehemaligen Mitarbeitern

Fritz Zerbst (linkes Bild) als technischem Direktor und

dem kaufmännischen Leiter Rennleiter August Jacob

erteilte Wolf den Auftrag, für die Saison 1951 möglichst

seriennahe, luftgekühlte Einkolben-Rennmaschinen für die

125er und 250er Klasse zu entwickeln. Die Kürze der zur

Verfügung stehenden Zeit verlangte, um überhaupt bei

Rennen „mitmachen“ zu können, eine Improvisation. Was

lag da näher, als eine in Tausenden von Exemplaren

bereits hervorragend bewährte und leistungsstarke

Maschine, die DKW RT 125, auf Höchstleistung zu

bringen. Es entstand in der 125er Klasse eine

Rennmaschine, mit der H.P. Müller bewies, dass die Zeit der Rennzweitakter mit dem

Verbot der Aufladung doch nicht zu Ende gegangen war. Der erste Start der DKW RT 125

im Riemer Rundstreckenrennen am 3. Mai 1951 war eine Sensation. Wieder gelang es

DKW, mit einer völligen Neukonstruktion auf Anhieb zu siegen. Und dann ging es Schlag

auf Schlag. Unter H.P. Müller eilte die schnelle DKW von Erfolg zu Erfolg. Er wurde

Zweiter hinter der siegreichen DKW von Felgenheier im Feldbergrennen. Zweiter im

Eifelrennen, Sieg im Donau-Ring-Rennen in Ingolstadt, Sieg im Tübinger

Rundstreckenrennen, Sieg auf dem Schottenring, Sieg beim großen Bergpreis, Sieg beim

Großen Preis von Deutschland. Und dann kam H.P. Müllers Einsatz in Nürnberg. Er lag in

immer größer werdendem Abstand in Führung, der Sieg schien sicher zu sein, da bekam der

Tank ein Leck. Der Sprit lief aus, immer wieder fing die Maschine Feuer, aber der Renntiger

gab nicht auf. Dreimal hielt er an den Boxen, tankte nach und ging wieder ins Rennen. Und

aus dem Hinterhalt heraus kämpfte er sich wieder nach vorn, und unter vollem Einsatz

seines kerngesunden Motors schaffte er noch den vierten Platz und den endgültigen Sieg in

der Deutschen Meisterschaft in der 125er Klasse. Gleichzeitig mit der erfolgreichen 125er

Maschine entwickelte DKW auch eine neue 250er. Dabei wurde der von der DKW RT 125

übernommene Motor sozusagen verdoppelt. Es entstand eine luftgekühlte Zweizylinder

DKW, bei der man, wegen einer wesentlich höheren Spitzengeschwindigkeit, nicht das

19

serienmäßige Fahrgestellt der 125er RT übernahm, sondern einen superleichten Rahmen

mit doppelter, sehr langhubiger Teleskopfederung schuf. Die Fahreigenschaften der neuen

250er waren hervorragend. In den Rennen selber traf sie vom ersten Start an auf schwerste

Gegnerschaft, italienische Marken, deren Leistung nicht wesentlich unter derjenigen der

internationalen Spitzenklasse lag. Beim ersten Start der neuen DKW zeigte sich gleich ihre

unerhörte Beschleunigung, Straßenlage und Zuverlässigkeit, also Eigenschaften, die auch

die serienmäßigen Zweitakter besonders auszeichneten. Lediglich in der Spitze fehlten ihr

noch einige Kilometer. Wie dann aber von Rennen zu Rennen die 250er immer schneller

wurde und schließlich auf dem Schottenring unter H.P. Müller eine schnellste Runde nach

der anderen fuhr, da war die Fachwelt voller Anerkennung für diese großen Leistungen der

DKW-Ingenieure. In Nürnberg trennten den in alter Meisterschaft kämpfenden Ewald

Kluge im Ziel nur wenige Sekunden von Hein Thorn Prikker und seiner Moto-Guzzi. Und

auf dem Grenzland-Ring musste Prikker sich weit strecken, um Ewald Kluge auf der

phantastisch laufenden DKW nur 1 1/3 Sekunde auf 90 Kilometern abzunehmen. Leider

waren die Erfolge in der 250er Klasse nur national einigermaßen befriedigend, so sehr sich

auch Kluge und Wünsche bemühten, meist mussten Ausfälle verbucht werden, die wegen

technischer Probleme entstanden waren. Die Freude war aber dennoch groß, wieder war es

DKW gelungen, die heiß umkämpfte Deutsche Meisterschaft in der 125er Klasse zu

erringen und dem Ingolstädter H.P. Müller war es vergönnt, seinen 175. Rennsieg und seine

6. Deutsche Meisterschaft zu feiern.

Da die Auto Union Geschäftsleitung dem großen Aufgebot ausländischer Motorräder in der

350er Klasse mit einem deutschen Motorrad entgegentreten wollte und von Erich Wolf

einen Motor mit größerem Hubraum verlangte, kam Wolf – auch nicht zuletzt auf Drängen

von Siegfried Wünsche – für eine Neukonstruktion die Idee, an Stelle des vorn liegenden

Zündaggregates einen Zylinder zu setzten. Die „singende Säge“ kam auf die Welt, Kluge

und Wünsche feierten mit ihr beim Eilenriede-Rennen in Hannover im Jahre 1952 einen

Doppelsieg, eine ernst zu nehmende 350er Dreizylinder DKW hielt auf den Rennstrecken

„fröhliche Einkehr“.

Mit den Siegen in der 350er Klasse ging es aber leider nicht so munter weiter. Die

Maschine, die in Leichtbauweise konstruiert war, hatte häufig mit technischen Problemen zu

kämpfen. Professor Dr. Ing. Robert Eberan von Eberhorst, mittlerweile Leiter der

technischen Abteilung der Auto Union, ließ die Nennungen aller DKW-Werksmaschinen in

Stuttgart zurückziehen, als an einem Motorrad ein Riss in der Gegenhalterung der

Vorderradbremse auftrat. Die Leichtbauweise hatte sich bei dieser Rennmaschine auf Dauer

nicht bewährt.

20

Nach diesem Bremsendesaster auf der Solitude in Stuttgart 1954 übertrug von Eberan 2 dem

aus Chemnitz stammenden Maschinenbauingenieur Helmut Görg die Leitung der

Rennabteilung. Er hatte Erfahrung im Zweitakt-Motorenbau aus seiner Zeit bei der Auto

Union in Sachsen. Wolf war der Techniker, der dem Rennzweitakter nach dem Ladeverbot

den Weg wies, lebensfähig zu bleiben. Wo Wolf improvisierte und Schwachpunkte statt zu

überarbeiten durch neue Komponenten ersetzte, wurde nun unter Görg gemessen, geprüft

und nur Reste dem empirischen Empfinden überlassen, er war eben ein Techniker mit ganz

anderen Arbeitsmethoden. Mit voller Rückendeckung durch von Eberan und einer

finanziellen Unterstützung, die Wolf so nicht hatte, ging er an die Überarbeitung der

Grundkonzeption von Wolf. Im Winter 1954/55 begannen für den Motor und das

Fahrgestellt tiefgreifende Umbauarbeiten, so dass bei Saisonbeginn 1955 eine auch äußerlich

kaum wieder zu erkennende Dreizylinder an den Start geschoben wurde. Ebenfalls unter

seiner Regie entstand eine äußerst schnelle und zierliche 125ccm Einzylinder DKW RM.

Diese Neuheit in der Achtelliterklasse mit unorthodoxem, liegendem Einzylindermotor,

grazilem leichtem Schwingenfahrwerk und extrem klein gehaltener, windschnittiger

Bugverkleidung, wurde erstmalig beim Sachsenring-Rennen 1955 auf die bis dahin

„schnellsten Zweitakter der Welt“ (IFA DKW = Industrieverwaltung Fahrzeugbau) aus der

DDR angesetzt und bewährte sich glänzend.

Görgs Vorgänger Erich Wolf verließ Ende 1954 DKW, es war jammerschade, dass sich

beide nicht zu einem Team zusammen gefunden haben. Erich Wolf verstarb nach schwerer

Krankheit 1970 in Wiesbaden. Helmut Görg war es vorbehalten, die Auflösung der

Rennabteilung zu vollziehen. Nach deren Auflösung verließ er die Auto Union. Bei den

Halleiner Motorenwerke in Österreich arbeitete er weiter an der Entwicklung von

Stationär- und Moped-Motoren. Er verstarb im Jahre 1964 im Alter von 63 Jahren.

2 Prof. von Eberan stand bereits von 1933 bis 1941 in Diensten der Auto Union. Die techn. Entwicklung der bekannten Auto Union Renn- und Rekordwagen ist mit seinem Namen verbunden. 1941 folgte er einem Ruf an die Techn. Hochschule Dresden als ordentlicher Professor und Direktor des Instituts für Kraftfahrwesen. 1948 ging er nach England wo er bei E.R.A. und später bei David Brown Tractors (Aston Martin und Lagonda) als Chefingenieur tätig war. Er schied mit Wirkung vom 4.10.1956 aus der Geschäftsführung der Auto Union aus, blieb aber weiterhin der Auto Union als freier Mitarbeiter verbunden.

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Helmut Görg auf einer von ihm stark verbesserten 350er

Dreizylinder DKW Rennmaschine, die sog. „singende Säge“

zusammen

mit Gustl Hobl auf der neuen 125 ccm DKW Rennmaschine

22

ii. kApitEl

23

Kindheit und Jugend

August Hobl wurde am 13. April 1931 in Frankfurt am Main als Sohn des Schlossers

August Hauptmann und seiner Lebensgefährtin Kreszentia Hobl aus Kottingwörth im

Landkreis Beilngries geboren. Es war damals eine schlimme Zeit. Die Jahre zwischen 1930

und 1933 waren durch die politischen Auseinandersetzungen zwischen der jungen

nationalsozialistischen Bewegung und den anders denkenden politischen Parteien stark

belastet. Hinzu kam die immer schlimmer werdende Wirtschaftskrise, die Arbeitslosigkeit

wuchs lawinenartig, die Unterstützung der Erwerbslosen war für die Stadt Ingolstadt eine

ungeheure Belastung. Ganz bescheiden war das Einkommen der meisten Ingolstädter, es

reichte gerade dazu aus, den Lebensunterhalt so recht und schlecht zu bestreiten. Das

spürten auch die Eltern des kleinen Gustl, die zunächst noch in Ingolstadt wohnten. Hinzu

kam, dass der schwer kriegsbeschädigte Vater von Gustl – ein Veteran des 1. Weltkrieges –

in Ingolstadt keine Arbeit fand. In seiner Not bewarb er sich bei der Firma Adler in

Frankfurt am Main, die damals Schreibmaschinen, Fahrräder und Motorräder sowie

Personenkraftwagen herstellte. Nachdem er dort Arbeit gefunden hatte, zogen die Eltern

von Gustl nach Frankfurt, die allergrößte Not war damit ausgestanden. Und so kam es, dass

Gustl als hessischer Staatsbürger in Frankfurt am Main auf die Welt kam. Seine Eltern

wohnten dort aber nicht lange, bereits im Juli 1931 zog die Familie wieder nach Ingolstadt.

Nach dem Besuch der Volksschule St. Anton und der Realschule am Hartmannplatz in den

Jahren 1937 bis Kriegsende 1945, erlebte der nun 14jährige Hobl, wie so viele seiner

Mitschüler, den ganzen Schrecken eines Bombenkrieges. Da die deutsche Wehrmacht in

Ingolstadt große Waffenlager und ringsum Rüstungsbetriebe unterhielt, war die Stadt

besonders gefährdet. Vor allem das Gebiet um den Hauptbahnhof im Süden unserer Stadt

war Ziel amerikanischer Luftangriffe. So erlebte das Bahnhofviertel samt Ringsee am 10.

und 11. April 1945 zwei verheerende Luftangriffe, wodurch neben zahlreichen

Wohnhäusern auch die Volksschule St. Anton und die Schulbaracke an der Tillystraße

zerstört wurden. Auch die Wohnung der Eltern an der Eigenheimstraße, unweit der

ehemaligen Neuburger Bahnüberfahrt, wurde erheblich beschädigt, so dass die Flucht der

Familie aus Ingolstadt zur Großmutter nach Ludwigsmoos die einzige Möglichkeit war,

dem Bombenkrieg zu entgehen. Dort in Ludwigsmoos beendete Gustl seine Schulzeit.

24

Gustl Hobl lernt Kraftfahrzeugmechaniker

Schon bald nach Kriegsende setzte auch in Ingolstadt das „große Aufräumen“ ein, wurden

Wohnungen, Häuser, Betriebs- und Versorgungsunterlagen instand gesetzt und auch schon

der Wiederaufbau der vom Luftkrieg zerstörten Häuser in Angriff genommen. Die

sagenhafte Entwicklung der am 11. November 1949 in Ingolstadt wieder gegründeten Auto

Union vom Ersatzteillager zum modernen Werk steht beispielhaft für die arbeitende

Bevölkerung Ingolstadts.

Gustl Hobl war mittlerweile zum jungen Mann herangereift, die schrecklichen Kriegsjahre

mussten verdrängt und es musste nach vorne geschaut werden, um sich eine neue Zukunft

zu schaffen. Gustl Hobl erzählt: „Mein Zusammengehörigkeitsgefühl zu meiner Familie sagte mir,

dass ich mich nun auch am zunächst noch langsamen Aufschwung der Arbeitslage beteiligen und mir

eine Lehrstelle im Raum Ingolstadt suchen müsse, um möglichst bald zum Unterhalt der Familie

beitragen zu können. Im allgemeinen Durcheinander der ersten Nachkriegszeit war das aber leichter

gesagt als getan, denn allzu rosig war die Arbeitsfindung für junge Leute immer noch nicht, das

änderte sich erst später. Meinen Jugendtraum, Flugzeugmechaniker zu erlernen, musste ich leider

begraben, denn nach dem Krieg gab es in Deutschland keine Flugzeugindustrie, wo ich als Lehrling

hätte arbeiten können. Ich hatte aber trotzdem Glück, ich fand in Pobenhausen im Landkreis

Schrobenhausen eine mechanische Werkstatt, bei der ich als Lehrling anfangen konnte. Hier in der

Firma Schweiger lernte ich viel, denn vom Pfannenflicken bis hin zur Reparatur einer Nähmaschine

wurde alles gemacht. Im Betrieb, der Meister war selbst kriegsbeschädigt, musste ich auch

Besorgungsfahrten mit einem Werkstattfahrzeug, einer DKW 500 mit Seitenwagen, durchführen.

Zunächst fehlte mir aber dazu der Führerschein. Die Prüfung zur Klasse 1 bestand ich mit

Sondergenehmigung am 17. Juli 1947 bei der Fahrschule Hornung in Ingolstadt. Neben einer guten

und gründlichen Ausbildung zum Mechaniker waren die Besorgungsfahrten neben der Arbeit in der

Werkstatt eine willkommene Abwechslung. Die Arbeit in Pobenhausen hatte aber auch seine

unangenehmen Seiten. Im Sommer fuhr ich mit dem Fahrrad zur Lehrstelle, im Winter musste ich

die Eisenbahn benutzen und nach der Ankunft in Pobenhausen bis zur Werkstatt immerhin noch

einen Fußweg von 20 Minuten zurücklegen, sofern ich nicht beim Lehrmeister übernachtet hatte. Alles

in allem war es für mich zur damaligen Zeit eminent wichtig, eine Lehrstelle gefunden und selber

etwas verdient zu haben.“

25

Vielleicht wurde bei dem jungen Hobl in der frühen Zeit seiner Ausbildung zum Mechaniker

unbewusst der Keim für das sich einige Jahre später herausgebildete Fahrtalent gelegt, und

darauf angesprochen meint er heute, „dass ihm während seiner Lehrzeit das Motorradfahren

sicher Spaß und Freude bereitet habe, er aber an weitergehenden Motorradambitionen im Hinblick

auf eine Rennfahrerkarriere nicht im Geringsten dachte.“

26

August Hobl wird Angehöriger der Auto Union GmbH

In dieser Halle 5 an der Esplanade in Ingolstadt – gegenüber dem heutigen Alf

Lechner Museum – wurden 1949 die ersten 500 DKW RT 125 W (W =

Westdeutschland) Motorräder hergestellt. Gustl Hobl war mit dabei.

27

Nach einer Lehrzeit von drei Jahren bestand Gustl Hobl im Jahre 1949 seine

Gesellenprüfung als Mechaniker. Sein Vater starb im gleichen Jahr, er war Halbwaise

geworden. Die Stadt Ingolstadt bestellte für ihn einen Vormund, der ihm 1949 in der Auto

Union ein berufliches Zuhause verschaffte. Sein Zeugnis als Mechaniker war damit sehr

wichtig geworden, zumal er in der Abteilung Motorradproduktion, die in der Endmontage

das DKW Motorrad RT 125 W herstellte, eingesetzt wurde. Als Mechaniker war Hobl

somit im Motor- und Fahrgestellbau sowie bei der Endmontage beteiligt. Gustl Hobl: „Bald

konnte ich mir von meinem Lohn – 66 Pfennige in der Stunde bei einer täglichen Arbeitszeit von 8

Stunden – ein eigenes Motorrad leisten. Es war ein 19 Jahre altes aus Zschopau, eine DKW 300

Luxus Sport von 1930, und damit ein Jahr älter als ich. Heute würde man sagen, ich hätte mir einen

Oldtimer gekauft.“

Mit diesem 9-PS Modell war Hobl viel unterwegs und er wurde beobachtet. Dem damaligen

Produktionsleiter Direktor Franz Ischinger fiel dabei Hobls Talent als Motorradfahrer auf

und kurzerhand wurde er von ihm in die Abteilung der Einfahrer versetzt. „Das war schon

manchmal recht schwer“, sagt Hobl dazu, „von früh bis spät bei Wind, Kälte und Schnee auf der

Landstraße zu fahren, immer nur zu horchen, ob der Motor auch rein ist. Aber ich glaube, da hab ich

das Motorradfahren überhaupt erst richtig gelernt.

Möglicherweise waren das für den jungen Hobl die ersten wichtigen Schritte zu seiner

späteren Karriere als Motorradrennfahrer.

Die jungen Versuchsfahrer

der Auto Union Ingolstadt

Von links: Gustl Hobl,

Ludwig Kraus und Karl

Linzenkirchner

28

Auch der zweite erfahrene Motorradexperte aus Zschopauer Tagen, der Versuchsleiter

Herbert Kirchberg, ein ehemaliger aktiver Geländesportler vor und nach dem Krieg, fand

am sauberen Fahrstil von Hobl großen Gefallen. Kurzerhand holte er Hobl 1950 in sein

Team als Versuchsfahrer. Gustl Hobl: „Die Fahrten auf einer RT 125 oder RT 200 waren doch

interessanter und wesentlich umfang- und

abwechslungsreicher als im reinen Einfahrbetrieb,

dazu kamen auch immer mehr Arbeiten an

verschiedenen Prüfstandeinrichtungen. In dieser

Zeit lernte ich die Motorradtechnik bis ins kleinste

Detail, aber an motorsportliche Wettbewerbe dachte

ich immer noch nicht. Mir war die wirtschaftliche

Sicherheit das Wichtigste und auch das

Wohlergehen meiner Mutter lag mir am Herzen.“

Überhaupt war seine Mutter, als Gustl im

Renngeschehen voll integriert war, eine tapfere

Rennfahrermutter. Sie sagte einmal in einem

Interview: „Mir blieb nichts anderes übrig, als mich

damit abzufinden, dass mein Junge Rennen fährt.

Erst hab ich Krach gemacht, natürlich ohne Erfolg.

Ja mei, schon als Junge hat er es mit Motorrädern

gehabt, wenn er eins sah, schon war er weg.“

Abbildung 1

Versuchsleiter Herbert Kirchberg

29

iii. kApitEl

30

Die Rennsaison 1951

"Donau-Ring-Rennen“ vom 6. bis 8. Juli 1951

in Ingolstadt

Dreimal schon packte die Ingolstädter das Rennfieber. Die bisherigen Rennen 1949 und

1950 sowie das im Jahre 1951 waren allesamt glänzend organisiert und brachten dem

Ingolstädter Motorradrennen einen würdevollen Platz in der Reihe der deutschen

motorsportlichen Großveranstaltungen. Ingolstadt rückte damit endgültig – zumindest für

wenige Jahre – in den Vordergrund des deutschen und internationalen Motorsports. In

Deutschland waren diese Rennveranstaltungen als die „Donau-Ring-Rennen – Rund um die

Schanz“ bekannt.

„Eine einzigartige Rennstrecke, erstklassige Fahrer und sportbegeisterte Zuschauer (1950:

100.000) werden diesem Ereignis zum vollen Erfolg verhelfen“, schrieb der damalige

Oberbürgermeister der Stadt Ingolstadt, Dr. Georg Weber, als Grußwort zur

31

Rennveranstaltung 1951. Tatsächlich zählte dieser Rundkurs wegen seiner Länge von

knapp 4 Kilometer und der guten Ausbaumöglichkeiten sowie der günstigen Plazierung der

Zuschauer mit zu den besten Rennstrecken Deutschlands. Schon in den beiden ersten Jahren

stand die Besetzung der Rennen nicht hinter den großen Veranstaltungen, wie sie in

Hockenheim, Nürnberg, Köln und Hamburg durchgeführt wurden, zurück. Die Ingolstädter

Zuschauer sowie all jene aus nah und fern konnten solch bekannte Rennfahrer wie

Georg/Schorsch Maier, Heiner Fleischmann, Karl Lottes und Wiggerl Kraus, um nur

wenige zu nennen, in ihrer Fahrkunst bewundern. Aber ein ganz besonderes Augenmerk

legten die Ingolstädter auf das Rennfahrer-Kleeblatt Siegfried Wünsche, Ewald Kluge und

H.P. Müller.

Auch 1951 ging das berühmte Ingolstädter Kleeblatt wieder an den Start, aus dem

dreiblättrigen wurde 1951 ein vierblättriges; denn ein junger, hoffnungsvoller und

talentierter Angehöriger der Versuchsabteilung der Auto Union kam als Privatfahrer dazu:

August Gustl Hobl.

Der Keim der Leidenschaft für den Motorrennsport schien bei ihm jetzt endlich

aufgegangen zu sein. Gustl Hobl fuhr beim Donau-Ring-Rennen in der 125er Klasse als

Ausweisfahrer am 8. Juli 1951 sein ersten Straßenrennen und es sollte nicht sein letztes

gewesen sein. Lassen wir ihn selber erzählen: „Meine Freunde und Kollegen Emil Wartenfelser

und Gotthard Weber, der Sohn des Konstrukteurs der DKW RT 125, hatten die Idee, am

Ingolstädter Straßenrennen teilzunehmen. Ich sollte fahren, weil ich der kleinste und leichteste von

ihnen war. Wie sollte dies aber geschehen, ich hatte kein Motorrad zur Verfügung. Ich lieh mir eine

125er von Emil aus, die aber zuerst noch „abgemagert“, d. h. um alle für das Rennen nicht benötigten

Teile erleichtert werden musste. Die Maschine hielt im Training ganz gut durch und machte keine

Mucken. Endlich dann, am 8. Juli, startete ich als Privatfahrer im ersten Rennen des Tages für

Solomotorräder bis 125ccm mit der Nr. 174. Das Rennen war über acht Runden angesetzt (=31,68

km). Meine Gegner von damals waren u. a. der spätere zweifache Weltmeister Werner Haas auf

Puch, meine Maschine hielt nicht durch und ich musste wegen eines Schadens an der Zündung

aufgeben. Sieger wurde damals Werner Haas vor Steinberg aus Recklinghausen und Vinzenz

Klingenschmidt aus Ingolstadt.“

32

Start in der Klasse bis 125ccm der Ausweisfahrer mit Gustl Hobl mit der Start Nr.

174 als zweitem von links.

33

Obwohl Hobls erster Start als Motorradrennfahrer beim Donau-Ring-Rennen in Ingolstadt

nicht mit Glück gesegnet war, fand er doch am Wettbewerb so viel Gefallen, dass er sich

entschloss, weitere Rennen zu bestreiten. Seine Arbeit im DKW-Motorradversuch sowie

seine Tätigkeit als Versuchsfahrer, gepaart mit fahrerischem Können und einem versierten

technischen Gespür beim Vorbereiten seiner jeweiligen Rennmaschinen, waren solide

Voraussetzungen für eine weitere erfolgreiche Motorrad Rennfahrerkarriere. Und so

startete Hobl sein zweites Rennen in Wunsiedel.

Das Luisenburg-Dreieck-Rennen am 16. September 1951 in

Wunsiedel

Nach seinem ersten Straßenrennen in Ingolstadt

baute sich Gustl Hobl wenige Wochen danach eine

eigene Rennmaschine auf Basis der RT 125 und ging

am 16. September 1951 in Wunsiedel – die

Rennstrecke hatte die Form eines Dreiecks – an den

Start. Gustl Hobl erinnert sich: „Das Rennen in

Wunsiedel war zwar für den Veranstalter vom

Motorsportclub Wunsiedel ein voller Erfolg, wie ich in

der dortigen Tageszeitung lesen konnte. Für uns

Rennfahrer war aber das während der Rennen

herrschende Regenwetter schon fast ein Katastrophe.

Glücklicherweise passierten aber keine Unfälle. Ich selber

startete auf einer DKW in der 125er Klasse. Das

Fahrerfeld war ziemlich stark besetzt, ich konnte im

zweiten Rennen meiner Rennfahrerlaufbahnmit mit

einem Vorsprung von zwei Minuten den ersten Sieg erringen.“

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Ergebnis:

Klasse bis 125 ccm: 8 Runden = 40,8 km

1. Gustl Hobl, Ingolstadt, DKW, Durchnitt: 86.6 km/h

2. Karl Kornmüller, Mannheim, Puch

3. Otto Haas, Augsburg, Puch

5. Vinzenz Klingenschmidt, Ingolstadt, DKW

Das Dreieckrennen in Übersee-Feldwies/Chiemgau am 7. Oktober 1951

Gustl Hobl startete in Übersee-Feldwies sowohl in der 125er als auch in der 250er Klasse.

Er gewann beide Rennen, wobei er in der 250ccm Klasse mit einer 125er DKW an den Start

ging.

35

iV. kApitEl

36

Die Rennsaison 1952

Die Rennabteilung der Auto Union GmbH Ingolstadt beteiligte sich im Rennjahr 1952 an

14 internationalen und vier nationalen Rennen sowie an drei Rennen, die in der DDR

ausgetragen wurden.

Als Werksfahrer für Auto Union – DKW waren verpflichtet:

Europameister 1938 und 1939 Mehrfacher deutscher Meister erster deutscher Gewinner des schwersten

Motorradrennens der Welt: der „Tourist Trophy“ auf der Isle of Man Ehrentitel „Meister aller Meister“ Seit 1950 wieder Motorradrennfahrer bei Auto

Union Ingolstadt

Ewald Kluge (19o9-1964)

3. Platz bei der Tourist Trophy, 1937 1938 Vertrag als Fabrikfahrer der Auto Union seit 1950 wieder Angehöriger der

Rennabteilung der Auto Union Ingolstadt 1951, 1952 und 1953 neben Ewald Kluge

erfolgreich

Siegfried Wünsche (1916-2000)

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1947 Entschluss, Motorradrennfahrer zu werden 1948 erstes Rennen 1950 bereits Lizenzfahrer in der 125ccm Klasse 1950 und 1951 erfolgreichster Privatfahrer seiner

Klasse 1952 Verpflichtung als Werksfahrer bei Auto Union

Ingolstadt trotz Sturz und langer Genesungspause 1953 wieder

Werksfahrer der Auto Union Ingolstadt

Karl Hofmann (1927-1978)

Seit 1949 Ausweisfahrer in der 125ccm Klasse 1950 erster Start als Lizenzfahrer beim

Eifelrennen durch seine guten Plazierungen einer der besten

Privatfahrer der 125er Klasse Seit 1952 Werksfahrer bei Auto Union Ingolstadt durch einen unverschuldeten Sturz bei der

Tourist Trophy am 5.6.1953 Karriereende

Rudi Felgenheier (1929-2005)

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Als Rennmaschinen standen zur Verfügung:

125 ccm, ESD-Einzylinder, Einkolben-Saugmotor mit Einlass-Drehschieber,

für die Fahrer Felgenheier und Hofmann

250 ccm, ESD-Zweizylinder, Einkolben-Saugmotor mit Einlass-

Drehschieber, anfänglich für die Fahrer Ewald Kluge und Siegfried Wünsche,

später für Rudi Felgenheier

350 ccm, anfänglich eine ES-Dreizylinder-Maschine, Einkolben Saugmotor

ohne Drehschieber, für Siegfried Wünsche, später noch eine zweite

Dreizylinder für Ewald Kluge.

Dem Angehörigen der Versuchsabteilung Ingolstadt, Gustl Hobl, wurde bei einigen Starts

eine Werksmaschine anvertraut. Er startete sowohl in der 125er als auch in der 250er

Klasse.

39

Das Trostberger Dreieck-Rennen am 1. Mai 1952

Trostberg erlebte am Renntag eine Zuschauerinvasion von 15000 Menschen, die alle

ausgezeichnete Leistungen der Fahrer und spannende, bis zum Ziel umkämpfte Rennen

beobachten konnten. Sami Drechsel, der bekannte Münchner Rundfunkreporter, schilderte

am Mikrophon seinen Zuhörern am Radio den Verlauf der Rennen. Die vielen Zuschauer

konnten aber auch Fairness und besondere Rücksichtnahme bei den Rennfahrern gegenüber

ihren Zuschauern bewundern; trotz Tollkühnheit mancher Rennfahrer fuhren sie besonnen,

und mancher, der zum Überholen seines Gegners schon angesetzt hatte, unterließ es, weil er

sich dabei zu weit dem Straßenrand hätte nähern müssen, an dem Zuschauermassen postiert

waren.

Gustl Hobl startete zusammen mit 19 weiteren Fahrern auf seiner DKW in der 125ccm

Klasse. Gleich vom Start weg übernahm er die Führung, baute sie von Runde zu Runde

unangefochten weiter aus und meisterte mit fast artistischer Gewandtheit die scharfen

Kurven bis zum Ende des Rennens.

Ergebnis:

Klasse bis 125ccm: 12 Runden = 19,8 km

1. Gustl Hobl, Ingolstadt, DKW, Durchschnitt: 77,3 km/h

2. Mathias Hubauer, Gräfelfing, Puch

3. Vinzenz Klingenschmidt, Ingolstadt, DKW

Gustl Hobl als strahlender Sieger in Trostberg

40

Für eine größere Siegesfeier war keine Zeit mehr vorhanden. Hobl musste gleich nach dem

Rennen wieder zurück an seinen Arbeitsplatz in Ingolstadt. Bis zur Teilnahme am nächsten

Straßenrennen in Singen/Nähe Bodensee am 4. Mai hatte er keine Ruhepause. Lassen wir

ihn selber erzählen: „Nach den guten Leistungen der letzten Tage war ich abgespannt und hätte

dringend eine Ruhepause benötigt. Obwohl ich körperlich nicht hundertprozentig fit war, startete ich

trotzdem in der 125er Klasse, als junger Rennfahrer wollte ich mir keine Blöße geben, und das war

im nachhinein gesehen ein Leichtsinnsfehler. Ich startete mit der gleichen Maschine wie in Trostberg.

Beim Training machten sich doch die Anstrengungen der letzten Tage bemerkbar, die Konzentration

ließ nach, ich stürzte, rappelte mich wieder auf und nicht mehr im Vollbesitz meiner Kräfte fuhr ich

weiter und Sekunden später prallte ich auf einen neben der Rennstrecke befindlichen Betonklotz und

stürzte abermals. Mit Prellungen, Blutergüssen und empfindlichen Verletzungen an den Zehen kam

ich erst wieder im Krankenhaus Singen zu Bewusstsein, wie mir später erzählt wurde. Am Rande

darf ich dann noch eine kleine Anekdote erzählen: Am nächsten Tag war ich jedoch so weit wieder

hergestellt, dass es mir möglich war, das Krankenzimmer auf verschwiegenen Pfaden zu verlassen.

Da ich ja unbedingt das Rennen sehen wollte, kletterte ich kurzerhand über den Balkon bei meinem

Krankenzimmer, verließ ungesehen das Krankenhausgelände und besuchte die Rennstrecke, sah mir

das Rennen an und ging anschließend wieder auf dem gleichen Weg zurück und kam so unbemerkt in

meine Zimmer.“

41

Das Stockacher Dreieck-Rennen am 8. Juni 1952

Gustl Hobl auf seiner 125ccm DKW in Stockach

Rennfahrer müssen ja von Berufs wegen harte Burschen sein. Es ist bemerkenswert, wie

schnell Hobl sich von diesem Sturz erholte. Und wieder im Vollbesitz seiner Kräfte wenige

Wochen später, konnte er erneut sein außergewöhnliches Fahrtalent in der 125er Klasse

beweisen. Er wurde Sieger.

Gustl Hobl: „Dieser Sieg war für mein Weiterkommen als Motorradrennfahrer sehr wichtig, denn

mit diesem Erfolg erreichte ich die nötigen Punkte…und schaffte damit den Aufstieg in die

Lizenzfahrerklasse.“

42

Das Riemer Rundstreckenrennen auf dem Flughafen München-Riem am 10. August 1952

Gustl Hobl startet hier als Lizenzfahrer erstmals mit einer DKW-Werksmaschine der Auto Union Ingolstadt

Eine wichtige Persönlichkeit im Renngeschehen von Auto Union – DKW und

damit auch für die aktiven Rennfahrer war Oberingenieur

August Jacob

Das Bild zeigt ihn als Zeitnehmer mit Stoppuhr

Die guten Leistungen des jungen Rennfahrers Gustl Hobl als Privatfahrer waren innerhalb

der Rennabteilung der Auto Union und ganz besonders von Rennleiter August Jacob nicht

unbemerkt geblieben. Seine „Arbeit“, die er bisher als Rennfahrer erbracht hatte, war

ausschlaggebend für das Vertrauen, ihm bereits für das nächste Rennen beim 3. Riemer

Rundstreckenrennen eine 125ccm Werksmaschine mit Walzendrehschieber anzuvertrauen.

Das Rennen der Lizenzfahrer für Solomaschinen bis 125ccm wurde auf dem Flugplatzkurs

mit seinen vielen Kurven ausgetragen. Mit seinem bekannt guten Fahrstil erwies sich Gustl

Hobl des Vertrauens seines Rennleiters Jacob würdig und kam als dritter Sieger ins Ziel.

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Ergebnis:

Klasse bis 125ccm: 20 Runden = 40,6 km

1. H.P. Müller, Ingolstadt, Mondial Durchschnitt: 96,4 km/h

2. Karl Lottes, Erndtebrück, MV-Agusta, 93,2 km/h

3. Gustl Hobl, Ingolstadt, DKW, 92,6 km/h

Gustl Hobl beim Riemer Rundstreckenrennen

auf einer 125er DKW Werksmaschine

44

Das Noris-Ring-Rennen am 17. August 1952 in Nürnberg

Den 120000 Zuschauern verschlug es den Atem anlässlich der hartnäckigen Kämpfe und

sehr guten Leistungen der Rennfahrer beim Nürnberger Noris-Ring-Rennen, einem

Glanzpunkt der deutschen Motorsport-Veranstaltungen, schrieb am 18. August 1952 der

Nürnberger „Sport-Sonntag“. Dass im Mittelpunkt dieser Veranstaltung die

Motorradrennen standen, lag auch ganz einfach daran, dass nicht weniger als sieben

Motorradhersteller in Nürnberg etabliert waren.3 Viel bestaunt wurde von den Zuschauern

die neuen Werksmaschinen von DKW und NSU.

In der 125er Klasse war der deutsche Meister H.P. Müller auf seiner italienischen Mondial-

Maschine sowie die ganze Fahrerprominenz von NSU am Start. Die Rennföxe, u. a. gefahren

von Werner Haas, dem späteren zweifachen Weltmeister, sowie August Hobl auf einer

125er DKW-Versuchsmaschine jagten H.P. Müller, der schließlich in einem begeisternden

Kampf gegen die NSU-Rennföxe aus Neckarsulm das Rennen gewann.

Erfreulich aber auch, dass der junge Gustl Hobl mit seiner Werksmaschine einen guten 7.

Platz belegte.

Beim nächsten Rennen, im Hamburger-Stadtpark duellierte sich Gustl Hobl in der 125er

Klasse mit dem Mondial-Fahrer H.P. Müller um die Führung. Bei ihm lief es recht gut, er

riskierte aber zu viel. Sein Temperament ging mit ihm durch, er stürzte.

Aber schon beim

am 7. September Sachsenring-Rennen in Hohenstein-Ernstthal

1952

konnte Hobl wieder teilnehmen. In diesem Rennen lief bei ihm ebenfalls nicht alles nach

Wunsch. Das Training auf seiner 125er DKW verlief noch zufriedenstellend. Im Rennen

selber aber waren die Mondial-Fahrer H.P. Müller und Karl Lottes überlegen schnell. Bei

Hobls Maschine brach während des Rennens das Kupplungsstück für den Magnetantrieb,

wodurch sich die Zündung verstellte. Trotz diesem Dilemma wurde Gustl Hobl immerhin

noch siebter. Es war sein letztes Rennen in dieser Saison.

3 Die Motorradhersteller waren: Ardie, Hecker, Mars, Triumpf, Victoria, Hercules und Zündapp.

45

Fazit für das Rennjahr 1952:

(Konzentrat)

Von den gestarteten DKW-Werksmaschinen konnten in der 250er Klasse sieben Siege, vier

zweite und zwei dritte Plätze und in der 350er Klasse neun Siege und drei dritte

Plazierungen gefeiert werden. Eine Meisterschaft blieb dem Ingolstädter Rennstall erstmals

seit 20 Jahren versagt.

Als große Überraschung und echte Sensation erschien zu Beginn der Rennsaison die neue

DKW-Dreizylinder RM, die ob ihres eigenartigen Klangs später den Namen „singende

Säge“ erhielt. Erstmals eingesetzt, zeigte sie bereits beachtliche Leistungen, ohne jedoch

anfangs das nötige Durchstehvermögen zu haben. Parallel zu den Schwierigkeiten bei den

250er Motoren, litt auch der neue Dreizylinder besonders unter den Brüchen der

Kolbenringe. Ab Juni waren die eigentlichen Schwierigkeiten behoben, die neue 350er DKW

stand die ersten Rennen durch und zeigte sich allen in deutscher Hand befindlichen

englischen 350er, aber auch den meisten in Privathand befindlichen 500er Maschinen,

überlegen. Während Wünsche in dieser Saison vom Glück weniger begünstigt war, machte

Kluge auf der Dreizylinder eine hervorragende Figur. Felgenheier und Hofmann waren

guten Fahrer, einsatzfreudig und bescheiden. Obwohl Hobl in der 250er bzw. in der 350er

Klasse keine Rennen bestritt, wurden dennoch die beiden Rennklassen der Vollständigkeit

halber erwähnt.

Hobl war in dieser Rennsaison bei fünf Straßenrennen eingesetzt, er gewann in Trostberg

und Stockach und errang im Riemer Rundstreckenrennen bei stärkster Konkurrenz einen

dritten Platz. In Nürnberg beim Norisring-Rennen sowie beim Rennen auf dem Sachsenring

in Hohenstein-Ernstthal kam er jeweils als Siebter ins Ziel. Die Herren der Rennabteilung

beurteilten seine Plazierungen als recht zufriedenstellend.

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V. kApitEl

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Die Rennsaison 1953

Der DKW-Rennstall der Auto Union für die Rennsaison 1953 wieder in

bewährter Besetzung

Auch für 1953 hatte die Rennabteilung um die Besetzung ihrer erfolgreichen DKW-

Zweitakter-Rennmaschinen keine Sorgen. An der Spitze standen die erfahrenen und in der

Vergangenheit sehr erfolgreichen Motorradrennfahrer Ewald Kluge, Siegfried Wünsche

sowie als hoffnungsvolle Nachwuchstalente Karl Hofmann und Rudi Felgenheier.

Als Rennmaschinen standen die weiter verbesserten DKW-Maschinen vom Vorjahr zur

Verfügung, nämlich:

• 250ccm: ESD Zweizylinder, mit Einkolben-Saugmotor mit Einlassdrehschieber. Im

Laufe der Saison standen von dieser Maschine auch neue entwickelte Abarten zur

Verfügung.

• 350ccm: ES Dreizylinder mit Einkolben-Saugmotor ohne Drehschieber.

Der Engländer A. Len Parry4, der

zeitweise in der Rennsaison auch auf

einer DKW-Werksmaschine fuhr, und

sein Teamkollege Gustl Hobl fuhren

ohne Werksvertrag.

4 Ein erfolgreich verlaufenes Rennen war immer auch eine gute Werbung für die betreffende Motorradmarke, die verkauft werden sollte. Wohl aus verkaufstaktischen Erwägungen heraus wurden deshalb zuweilen auch bei DKW ausländische, erfolgreiche Rennfahrer mit Werksmaschinen ausgestattet, um damit auch im Heimatland des betreffenden Rennfahrers Werbung zu betreiben und gut ins Geschäft zu kommen.

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Der junge Gustl Hobl machte sich trotz etlicher Einsätze mit einer Werksmaschine in der

vorangegangenen Rennsaison hinsichtlich seiner Berufung zu Straßenrennen keine großen

Illusionen. Doch man war sich bei der Direktion und in der Renn- und Presseabteilung in

Ingolstadt in der Beurteilung ihres weiteren Lizenzfahrers Gustl Hobl einig, „dass er ein

sehr guter Rennfahrer zu werden verspricht. Er fahre einen guten Stil, wenngleich er noch

etwas zu viel riskiert. Er solle in Zukunft mehr Gelegenheit zum Fahren haben, um seinen

Abstand zu den etablierten Fahrern zu minimieren und um sich auch noch etliche Sporen als

Privatfahrer in der Lizenzfahrerklasse verdienen zu können.“

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6. DMV Dieburger Dreieck-Rennen am 19. April 1953

Gelegenheit zur Bewährung bekam Gustl Hobl beim Dieburger Dreieck-Rennen, als er dort

mit einer 250er Werksmaschine startete, einem Rennen, bei dem in allen Klassen nur

Privatfahrer gemeldet waren. Es gab damals böses Blut unter den Privatfahrern, da die

Werksteams nicht angetreten waren, aber Hobl doch offensichtlich mit einer Rennmaschine

vom Vorjahr angetreten war. Es wurde sein Rennen.

Kurvenstudie mit Gustl Hobl beim Dieburger Rennen

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Als DKW-Fahrer sah er sich in erster Linie mit den italienischen Moto-Guzzis, sowie den

Marken Moto-Parilla und Horex konfrontiert. Von der ersten Runde an setzte sich Hobl mit

seiner Vorjahres-DKW, gefolgt von Karl Lottes, ebenfalls auf DKW, an die Spitze des

Feldes. Beide vergrößerten von Runde zu Runde ihren Vorsprung. Während Hobl

unangefochten und verhalten mit einem Vorsprung von fast zwei Minuten überlegen siegte,

musste sein Markengefährte Karl Lottes in gesicherter zweiter Position liegend, wegen

eines technischen Defekts das Rennen aufgeben. Dem DKW-Tempo waren acht der

gestarteten 13 Maschinen nicht gewachsen. Sie schieden im Verlauf des Rennens aus,

darunter auch die 250er Horex. Die beiden alten NSU-Rennmotorräder fungierten in

diesem Rennen nur noch als Statisten.

Gustl Hobl mit der Startnummer 174 als Sieger in der 250er Klasse in Dieburg. Von Dr. Bruhn

erhielt er anlässlich seines Erfolges ein Glückwunschtelegramm.

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Ergebnis:

Klasse bis 250ccm: 20 Runden = 100 km

1. Gustl Hobl, Ingolstadt, DKW, Durchschnitt:112,5 km/h

2. Gottlieb Gehring, Ostelshausen, Moto-Guzzi

3. Hein Thorn-Prikker, Godesberg, Moto-Guzzi

Schnellste Runde: Gustl Hobl, 117,8 km/h

Voller Stolz wurde dieser Sieg allen DKW-Händlern per Rundschreiben berichtet: „Obgleich

das 6. Dieburger Dreieck-Rennen ohne Fabrikbeteiligung abrollte, war der sehr überlegene DKW-

Sieg unseren Nachwuchsmannes August Hobl in der 250er Klasse dennoch geeignet, allen

Motorradinteressenten wieder einmal eindringlich vor Augen zu führen, wie unerhört weit gerade

DKW due technische Entwicklung seiner Einkolben-Zweitakter voran getragen hat…Als nämlich

DKW vor zwei Jahren erstmalig Rennmaschinen ohne Ladepumpe an den Start schickte, gelang es

nicht, die inzwischen auch verbesserten Viertakter zu übertreffen, die heute unser Rennsäugling Hobl

mit einer Vorjahres-Werksmaschine nahezu mühelos distanzierte…“

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Das Trostberger Dreieck-Rennen am 1. Mai 1953

Am Tage des Rennens sah es so aus, als ob der ganze Chiemgau auf den Beinen wäre. 15000

Zuschauer aus nah und fern strömten nach Trostberg und schuld daran war das dritte

Motorradrennen in dieser Stadt. Im Gegensatz zum Vorjahr wurden von den Behörden

wesentlich schärfere Sicherheitsmaßnahmen entlang der gesamten Rennstrecke

vorgeschrieben, um so den Zuschauern und Rennfahrern optimalen Schutz vor Unfällen zu

gewährleisten.

Als Höhepunkt des Trainings am Vormittag des 1. Mai stellte sich in der 250er Klasse

eindeutig das Duell zwischen den beiden DKW-Fahrern Gustl Hobl und Karl Lottes heraus,

bei dem Lottes die bisher schnellste Runde fuhr. Die hervorragende Form, in der sich beide

befanden, ließ im Hauptrennen einen spannenden Zweikampf erwarten.

Die Gegner in der 250er Klasse waren der amtierende deutsche Meister Hein Thorn-

Prikker – er schied in der 18. Runde wegen Motorschadens aus – Karl Lottes auf DKW,

Gottlieb Gerhring auf Moto-Guzzi und Fritz Kläger auf NSU, um nur ganz wenige zu

nennen. Vom Start weg entspann sich ein prächtiger Zweikampf zwischen Lottes und Hobl,

wie er bisher auf der Trostberger Rennstrecke noch nicht erlebt und kaum für möglich

gehalten wurde. Mit der Regelmäßigkeit eines Uhrwerks und mit herrlich singenden

Motoren zogen beide in atemberaubender Fahrt über die Geraden und durch die Kurven,

wobei sich Hobl durch seine hervorragende Fahrkunst und Kurventechnik sowie durch seine

äußerst schnelle Maschine von Runde zu Runde von seinem Verfolger Lottes absetzte und

bis auf fünf Fahrer das Feld umrundete.

Ergebnis:

Klasse bis 250 ccm:

1. Gustl Hobl, Ingolstadt, DKW, Durchschnitt: 88,6 km/h

2. 2. Karl Lottes, Marburg, DKW

3. Gottlieb Gehring, Ostelsheim, Moto-Guzzi

Bahnrekord und schnellste Runde: Gustl Hobl, 91,5 km/h

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Rheinpokal-Rennen am 10. Mai 1953 in Hockenheim

1. Lauf zur deutschen Motorradmeisterschaft

Gustl Hobl auf einer 250ccm Werks-DKW beim Rennen auf dem

Hockenheim Ring 1953

150000 rennbegeisterten Zuschauern wurden beim internationalen Rhein-Pokal-Rennen in

Hockenheim motorische Delikatessen par excellence geboten. Die schnellsten ausländischen

und deutschen Neukonstruktionen der Motorradindustrie standen sich gegenüber. Die

Werksteams von BMW, DKW, NSU und dazu noch Moto-Guzzi traten geschlossen an, und

alle, die im europäischen Fahrerlager Rang und Namen besaßen, beteiligten sich an den

Rennen.

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Gustl Hobl wurde im Rennen der 250er Klasse erstmals als offizieller DKW-Werksfahrer

(noch ohne Vertrag) der Auto Union gemeldet. Einer offiziellen Verlautbarung nach waren

die DKW-Maschinen in Hockenheim noch nicht in Hochform gebracht und hätten

eigentlich wegen diverser technischen Schwierigkeiten an den Motoren nicht an den Start

gehen sollen. Lediglich um die große Gemeinde treuer DKW-Anhänger nicht allzu sehr zu

enttäuschen, entschloss sich die Rennleitung in sportlicher Fairness doch zu starten. So

fielen im Rennen nacheinander Kluge, Wünsche und Hofmann aus. Einzig und allein kämpfe

sich Gustl Hobl über alle Runden, konnte aber gegen die schnellen und standfesten NSU-

Rennmax-Maschinen in den Kampf um die vordersten Plätze nicht eingreifen. Dennoch

erreichte er hinter der privaten DKW von Karl Lottes einen guten 5. Platz.

Ergebnis:

Klasse bis 250 ccm: N. N

1. Werner Haas, Neckarsulm, NSU-Max, Durchschnitt: 161,0 km/h

2. Walter Reichert, Neckarsulm, NSU-Max

3. Hein Thorn-Prikker, Godesberg, Moto-Guzzi

4. Karl Lottes, Erndtebrück, DKW

5. Gustl Hobl, Ingolstadt, DKW

Schnellste Runde: Werner Haas 165,5 km/h

Schwere Unfälle im Rennteam von DKW

Die Rennsaison 1953 wurde aber auch von schweren Unfällen zweier Fahrer im Werksteam

der Auto Union überschattet. Ewald Kluge, der in seinem Rennfahrerleben lange vor

schweren Stürzen verschont geblieben war, was in einer von vielen Konkurrenten neidlos

bewunderten exakten Fahrweise begründet lag, musste seine Karriere dann doch wegen

eines schweren Unfalls am 31. Mai 1953 auf dem Nürburgring beenden. Beim sog.

Eifelrennen, an zweiter Stelle liegend, stürzte der bereits 44jährige bei hoher

Geschwindigkeit und zerschmetterte sich hierbei den Oberschenkel. Das Bein konnte

gerettet werden, er lag fast ein Jahr lang in der Klinik und kehrte nie mehr auf die

Rennstrecken als aktiver Fahrer zurück.

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Auch Rudi Felgenheier erlitt am 5. Juni 1953 unverschuldet beim Training auf der wohl

schwersten Rennstrecke der Welt auf der Isle of Man bei der sog. Tourist Trophy einen

Unfall mit schweren Verletzungen, die das Ende seiner hoffnungsvollen Rennfahrerkarriere

bedeuteten.

Diese „schwarzen Tage“ waren für das Werksteam der Auto Union schwere Verluste, vom

offiziellen Team waren jetzt nur noch Siegfried Wünsche und Karl Hofmann einsatzbereit.

Gustl Hobl, Nachwuchsfahrer der Auto Union und immer noch Angehöriger der

Versuchsabteilung, wurde nun als dritter Werksfahrer (ohne Rennfahrervertrag) von der

Versuchsabteilung an die Rennabteilung „ausgeliehen“, und es zeigte sich, dass der 22jährige

Hobl als „Leihgabe“ in dieser kritischen Situation für die Rennabteilung ein großer Gewinn

war.

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Das internationale Feldberg-Rennen im Taunus am 14. Juni 1953

3. Lauf zur deutschen Motorradmeisterschaft

So startete der junge August Hobl an der Seite von Siegfried Wünsche beim internationalen

Feldbergrennen, zunächst im Rennen der Solomaschinen bis 250ccm. Bei 16 gestarteten

Fahrern entwickelte sich das Rennen zu einem packenden Kampf zwischen den

Werksfahrern von DKW und NSU, wobei aber auch die italienischen Moto-Guzzis nicht

unterschätzt wurden. Zunächst führte Haas auf NSU-Rennmax vor Wünsche, dann folgten

Reichert und Daiker – beide NSU-Rennmax – vor Hobl. Nach einem kurzzeitigen Ausfall

von Haas eroberte Wünsche den 1. Platz vor Reichert, während sich Gustl Hobl und Daiker

um den 3. Platz einen erbitterten Kampf lieferten. Da Daiker in der 12. Runde durch

Motorschaden ausfiel, rückte Hobl auf die 3. Stelle vor.

Ergebnis:

Klasse bis 250ccm: 15 Runden = 173,640 km

1. Siegfried Wünsche, Ingolstadt, DKW, Durchschnitt: 110,8 km/

2. Walter Reichert, Ingelheim, NSU

3. Gustl Hobl, Ingolstadt, DKW, 109,0 km/h

Schnellste Runde: Werner Haas, NSU, 113,9 km/h

Bester deutscher Privatfahrer: Karl Lottes, DKW, Durchschnitt: 105,0

105,0 km/h

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Gustl Hobl mit der Startnummer 64 auf

einer 350er DKW Werksmaschine im

Zweikampf mit Friedl Schön auf Horex.

Zwei Tage vor dem Start der 350ccm Klasse hatte sich Rennleiter August Jacob zwar etwas

besorgt, aber doch zuversichtlich entschlossen, Gustl Hobl neben der 250er Maschine auch

erstmals die Dreizylinder-Maschine, das „Flaggschiff“ der DKW-Mannschaft,

anzuvertrauen. „Mein lieber Hobl“, sagte Jacob zu ihm, „du fährst jetzt nicht, um gleich beim

ersten Start zu zeigen, was du alles kannst, sondern du solltest nur mitfahren, damit du dich an die

Rennerei gewöhnst. Zum Siegen hast du dann in ein- zwei Jahren immer noch Zeit. Nur eines:

Vorsicht! Vorsicht! Vorsicht! ist die Mutter der Porzellankiste.“

Nach dem Training kam Gustl Hobl zu seinem Rennleiter und sagte schüchtern: “Ich bin

beim Training immer hinter den Engländern hergefahren. In den Kurven waren sie schneller als ich,

aber auf den Geraden konnte ich sie mit meiner schnelleren Maschine wieder einholen.“ Rennleiter

Jakob mit erhobenem Zeigefinger: „Mein lieber Freund, ich habe dich beobachtet. Du hast die

Engländer in den Kurven aufgeholt.“

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Im Rennen der Solomaschinen bis 350ccm übernahm Siegfried Wünsche auf seiner DKW

planmäßig die Führung. Der 22jährige Hobl, der in diesem Rennen erstmalig auf einer

Dreizylinder-DKW saß und an dritter Stelle lag, fiel in der 4. Runde durch Kerzenwchsel

weit zurück, konnte sich aber in einer gekonnt bravourösen Fahrt schließlich wieder bis auf

die 6. Stelle vorarbeiten. Dieser Platz sollte aber vorerst das einzige Resultat mit der

Dreizylinder-DKW bleiben, denn es folgten nicht weniger als fünf Motorschäden bei

weiteren Einsätzen.

Gustl Hobl erinnert sich: In der vorletzten Runde der 350er Klasse wurde ich versehentlich

abgewinkt, weil man mich mit dem späteren Sieger Wünsche verwechselt hatte. Die Zuschauer riefen

jedoch „weiterfahren“. In der letzten Runde konnte ich wieder bis auf den 6. Platz vorfahren.“

Ergebnis:

Klasse bis 350 ccm: 15 Runden = 173,640 km

1. Siegfried Wünsche, Ingolstadt, DKW, Durchschnitt: 114,5 km/h 2. Friedl Schön, Frankfurt, Horex 3. Gustl Hobl, Ingolstadt, DKW, 107,6 km/h Schnellste Runde: Siegfried Wünsche, 114,5 km/h

Da der Engländer J. Storr, der Australier G. Laing sowie der Ire B. Matthews am Ende

des Rennens die Plätze 3, 4 und 5 erreicht hatten aber als Ausländer an der Deutschen

Meisterschaft nicht teilnehmen konnten, rückte Gustl Hobl in der Wertung zur

deutschen Meisterschaft auf die 3. Stelle vor.

Wieder ein überlegener DKW-Doppelsieg wurde allen DKW-Händlern freudig mitgeteilt:

„Wie bei ihrem letzten Doppelsieg, beim Internationalen Eifelrennen, gelang es den DKW-

Zweitaktern auch bei der „Deutschen T.T.“ (in Anlehnung an die Tourist Trophy auf der Isle of

Man) dem ausserordentlich schwierigen Feldbergrennen, die gesamte nationale und internationale

Konkurrenz zu bezwingen. Diese neuerlichen DKW-Siege sind besonders so bedeutungsvoll, weil sie

nicht etwa auf einer kusntvoll „ausgebügelten“ Rennbahn, sondern auf einem Gebirgskurs errungen

wurden, dessen Bechaffenheit normalen Straßen entspricht,wie man sie ungünstiger auch im normalen

Fahrbetrieb kaum antrifft…“