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Der vom Bundesrat vorgelegte Rohstoff‑ bericht macht klar: Ignorieren will und kann die politische Schweiz die Risiken des Rohstoffsektors nicht (mehr). Doch während sich auf internationaler Ebene immer mehr Staaten für Transparenzregeln im Roh‑ stoffsektor entscheiden, setzt der Bundes‑ rat vorerst auf Abwarten. TEXT_URS RYBI // BILD_SERGEI KARPUKHIN / REUTERS Kofi Annan sprach vor wenigen Wochen Klar- text, mit sanfter Stimme, aber deutlichen Wor- ten: Das heutige Rohstoffgeschäft sei kein «fairer Deal» für Afrika. Während das Weltwirtschafts- forum im Mai zum World Economic Forum on Africa in Kapstadt einlud und das rasante Wirt- schaftswachstum vieler afrikanischer Staaten de- battierte, präsentierte der ehemalige Uno-Gene- ralsekretär eine neue Studie des Africa Progress Panel, einer Denkfabrik mit Sitz in Genf. Ein riesiges Entwicklungspotenzial, das Millionen von Menschen aus der Armut befreien könnte, gehe durch Korruption und Steuervermeidung verloren. Annan rief deshalb die internationale Gemeinschaft und explizit auch die Schweiz dazu auf, mittels Gesetzen für mehr Transparenz FORTSETZUNG>> DAS MAGAZIN DER ERKLÄRUNG VON BERN # 03 JUNI_13 BALD HELL ERLEUCHTET? Die Forderungen nach mehr Transparenz im Rohstoffsektor werden weltweit immer lauter. Interesse der Politik ist geweckt ROHSTOFFE erklärung!_03_2013

erklärung! 03_Juni_2013

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Jun, 17 2013 EvB-Magazin «erklärung!» Juni 2013.

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Der vom Bundesrat vorgelegte Rohstoff‑ bericht macht klar: Ignorieren will und kann die politische Schweiz die Risiken des Rohstoffsektors nicht (mehr). Doch während sich auf internationaler Ebene immer mehr Staaten für Transparenzregeln im Roh‑stoffsektor entscheiden, setzt der Bun des‑ rat vorerst auf Abwarten.

TexT_Urs rybi // bild_sergei KarpUKhin / reUTers

Kofi Annan sprach vor wenigen Wochen Klar-text, mit sanfter Stimme, aber deutlichen Wor-ten: Das heutige Rohstoffgeschäft sei kein «fairer

Deal» für Afrika. Während das Weltwirtschafts-forum im Mai zum World Economic Forum on Africa in Kapstadt einlud und das rasante Wirt-schaftswachstum vieler afrikanischer Staaten de-battierte, präsentierte der ehemalige Uno-Gene-ralsekretär eine neue Studie des Africa Progress Panel, einer Denkfabrik mit Sitz in Genf. Ein riesiges Entwicklungspotenzial, das Millionen von Menschen aus der Armut befreien könnte, gehe durch Korruption und Steuervermeidung verloren. Annan rief deshalb die internationale Gemeinschaft und explizit auch die Schweiz dazu auf, mittels Gesetzen für mehr Transparenz

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das Magazin der erklärung von bern

# 03Juni_13

BALD HELL

ERLEUCHTET?

Die Forderungen nach mehr Transparenz im Rohstoffsektor werden weltweit immer lauter.

Interesse der Politik ist gewecktroHsToFFe

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In Äquatorialguinea leben Menschen 25 Jahre weniger lang als in Polen, obwohl das Bruttonational‑einkommen pro Kopf im Ölstaat gar etwas höher liegt: Der Reichtum kommt nicht bei den Menschen an.

Die 15 grössten Rohstoffhänd‑ler beherrschen 88% des freien Rohstoffhandelsmarktes.

11 von ihnen sind stark in der Schweiz verankert, 5 davon haben sogar ihren operativen oder offiziellen Hauptsitz in der Schweiz.

bei Rohstoffzahlungen und Firmenstrukturen zu sorgen.

Rohstoffbericht des BundesratesDas Thema Transparenz nimmt auch im Ende März publizierten «Grundlagenbericht Rohstof-fe», welchen die Bundesverwaltung im Auftrag des Bundesrates erstellte, viel Platz ein. Doch lei-der bleiben die meisten Empfehlungen für Mass-nahmen vage und basieren fast alle auf reiner Freiwilligkeit. Dennoch ist der Bericht ein Mei-lenstein in der noch jungen Debatte um den Roh-stoffplatz Schweiz. Gestandene PolitikerInnen sind verblüfft, dass das Thema bereits zwei Jahre nach Glencores Börsengang und der Publikation des EvB-Rohstoffbuches auch in Bundesbern nicht mehr ignoriert werden kann. Im analyti-schen Teil findet der Rohstoffbericht teils deutli-che Worte, und es werden praktisch alle von der EvB thematisierten Problemfelder aufgenommen und anerkannt:__ MEnSCHEnRECHTE UnD UMwELT: Der Bericht

anerkennt, dass im Rohstoffabbau «besondere Risiken für Menschenrechtsverletzungen be-stehen» und nennt konkrete Beispiele, welche unter anderem auf einer Umfrage bei Schwei-zer Botschaften basieren.

__ KoRRUPTIon UnD GELDwÄSCHEREI: Von «en-demischer Korruption» und einem «hohen Korruptionsrisiko» ist im Rohstoffbericht die Rede. Und von den Herausforderungen, die entstehen, wenn politisch exponierte Personen (PEP) oder undemokratische Staaten im Ge-schäft mitmischen.

__ AGGRESSIvE STEUERvERMEIDUnG wird als «wichtiges Hemmnis» für die Entwicklung vie-ler Länder bezeichnet. Es wird zudem darauf hingewiesen, dass gemäss Studien «auch im Rohstoffsektor tätige Unternehmungen stark zu dieser Praxis» neigen.

__ KonFLIKTE /SAnKTIonEn: Der Rohstoffbericht anerkennt, dass die Schweiz «aufgrund ihrer herausragenden Bedeutung im Rohstoffhan-del» bei der Umsetzung von Sanktionen stark gefordert sei und entsprechende Kontrollen «eine grosse Herausforderung» darstellten. Er-wähnung findet auch die fehlende Transparenz bezüglich Rohstoffen, die Konflikte mitfinan-zieren.

Umso erstaunlicher ist es, dass dem Analyseteil des Rohstoffberichtes keine mutigeren Empfeh-lungen folgen. Der Bundesrat hat gezeigt, dass er die Augen nicht verschliesst. Ob die Politik nun auch gewillt ist, entsprechend zu handeln, wird die nächste Zeit weisen.

243 Mrd. US‑Dollar Gewinn machten die 20 grössten Rohstoffhändler von 2003 bis 2013, mehr als die fünf grössten Auto‑hersteller zusammen.

ERFAHREn SIE MEHR: Die Analyse des Rohstoffberichtes und das Positions‑papier finden Sie auf www.evb.ch/rohstoffe

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Der Bundesrat anerkennt die GEFAHREn FÜR MEnSCHEnRECHTSvERLETZUnGEn,

die das Rohstoffgeschäft mit sich bringt.

Etwa 1,3 Mrd. US‑Dollar gingen der Demokratischen Republik Kongo von 2010 bis 2012 allein beim intranspa‑ renten verkauf von fünf Minen‑lizenzen verloren, in welche Glencore und EnRC in volviert waren. Die Summe hätte genügt, um während dieser Periode allen 7 Mio. kongolesischen Kindern, die heute ohne Schulbildung bleiben, die Schule zu finanzieren.

erklärung!_03_2013

IMPRESSUM erklärung! 3/2013 AUFLAGE 24 000 Exemplare HERAUS GEBERIn Erklärung von Bern (EvB), Dienerstrasse 12,

Postfach, 8026 Zürich, Telefon 044 277 70 00, Fax 044 277 70 01, [email protected], www.evb.ch RE DAK TIon Susanne Rudolf, Anna Haselbach GESTALTUnG

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«drannebliibe»

Manchmal erscheint der Kampf für eine gerechtere welt aussichtslos. nach dem tragischen Einsturz des Industriegebäudes Rana Plaza in Bangladesch stellt sich einmal mehr die Frage, was eine Ein‑zelperson oder eine kleine organisation wie die EvB überhaupt bewirken kann. Denn der Kollaps war genauso vorhersehbar wie die Fabrikbrände vom letzten Jahr. Die Clean Clothes Campaign und andere nichtregierungsorganisationen haben mehrfach vor einer solchen Tragödie in den häufig maroden Textilfabriken gewarnt. Bereits seit über einem Jahr fordert die CCC gemeinsam mit Ge‑werkschaften die grossen Bekleidungsunterneh‑men dazu auf, den «Accord on Fire & Building Sa‑fety in Bangladesh» zu unterzeichnen. Trotzdem hatte sich bis zur Katastrophe diesbezüglich kaum etwas getan: wenige waren bereit, für die Sicher‑heit der näherinnen und näher auf einen winzigen Bruchteil ihres Gewinns zu verzichten.

Gleichzeitig sind Tragödien wie jene von Rana Plaza auch eine starke Triebfeder für unser En‑gagement. Denn sie machen wütend. Auch ich bin immer wieder unglaublich empört darüber, wie kaltblütig Profite über Menschenrechte ge‑stellt werden. Es darf nicht sein, dass erst nach den Katastrophen etwas geschieht. Und deshalb bleiben wir gemeinsam mit Ihnen trotzdem dran und setzen uns weiterhin für eine gerechtere welt ein. Schliesslich kann sich Hartnäckigkeit trotz Rückschlägen auszahlen. Das zeigen gleich zwei erfreuliche Beispiele: Der Bundesrat aner‑kennt den Handlungsbedarf rund um den Roh‑stoffplatz Schweiz, und Steuervermeidung wird endlich auch von der offiziellen Schweiz so klar verurteilt, dass der automatische Informations‑austausch nicht länger mit dem Untergang des Schweizer Bankwesens gleichgesetzt wird (siehe Beilage). Es freut uns sehr, auf Ihre Unterstützung zählen zu dürfen!

susanne rudolF

EvB als erste Adresse zum ThemaDas Know-how der EvB erfreut sich bei Medien im In- und Ausland, bei der Verwaltung und beim Parlament ungebrochen hoher Nachfrage. Kurz nach Veröffentlichung des Rohstoffberichts hat das EvB-Team eine ausführliche Analyse an-gefertigt und den Bericht in Fernsehen, Radio und Printmedien kommentiert. Die EvB war zu-dem gleich vier Mal zu parlamentarischen Hea-rings zur Rohstoffthematik eingeladen. In wech-selnder Kombination mit den Verbänden der Rohstoffbranche, Economiesuisse oder (der nun fusionierten) GlencoreXstrata nahm die EvB in parlamentarischen Kommissionen Stellung. Die Ergebnisse unserer Recherchen gelangten so di-rekt an die EntscheidungsträgerInnen, darunter auch die Mitglieder der Landesregierung. Auf diese Weise konnten wir auch die am Rohstoff-gipfel der «Financial Times» Ende April in Lau-sanne gesammelten Brancheneinblicke direkt in die Debatte einfliessen lassen.

Internationale Dynamik zu mehr Transparenz International etabliert sich die Forderung nach Transparenz erfreulicherweise immer mehr. Die EU hat sich – wie zuvor die USA – im Frühling auf griffige Regeln geeinigt, die von Rohstoff-unternehmen die Offenlegung von Zahlungen an Regierungen verlangen. Die Abstimmung im EU-Parlament steht bei Drucklegung dieser Ausgabe kurz bevor. Darüber hinaus hat sich die Extrac-tive Industries Transparency Initiative (EITI), die weltweit transparenzwillige Rohstoff-Förderlän-der unter ihrem Dach vereint, Ende Mai in Syd-ney neue Regeln gegeben. Nun fordert sie von ihren Mitgliedsländern deutlich verstärkte An-strengungen. Selbst die G 8 wollen sowohl das Thema Rohstoff-Zahlungstransparenz als auch die Bekämpfung von Steuervermeidung ganz oben auf die Traktandenliste ihres Mitte Juni stattfindenden Gipfels setzen.

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novarTis-urTeil

Sieg für Menschenrecht auf Gesundheit!nach jahrelangem Rechtsstreit hat der oberste Gerichtshof Indiens am 1. April entschieden: novartis erhält kein Patent auf das Antikrebs‑medikament Glivec. Dieser weg‑weisende Entscheid für das Recht der Ärmsten auf Gesundheit be‑stätigt und stärkt nicht nur Indien als «Apotheke der Armen». Er zeigt auch, dass die multinationalen Pharmakonzerne und die Indus‑trieländer dringend ihre Innovations‑systeme überdenken müssen.

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Mit dem Urteil nimmt der längste Streit um geistiges Eigentum in Indien ein Ende, seit das Land 2005 sein Patentgesetz an die WTO-Abkommen angeglichen hat. Über sieben Jahre lang hat Novartis um das Patent auf Glivec gekämpft. Nun, da die Klage auch beim obersten Gerichtshof abge-lehnt wurde, beschweren sich Novar-tis und die Pharmaindustrie lautstark. Mit dem Entscheid gefährde das obers-te Gericht das bewährte internationale Innovationssystem der Patentierungen in der Pharmaindustrie. Ein Innovationssystem in der KriseDoch dieses «bewährte» System steckt schon lange in der Krise. Das häufig vorgebrachte Argument, Patente garan-tierten die pharmazeutische Entwick-lung, wird von mehreren unabhängi-gen Studien widerlegt: Zwar werden immer mehr Patente vergeben, und es kommen auch stets neue Medika-mente auf den Markt. Doch diese neu-en Arzneimittel sind immer seltener deutlich wirksamer als diejenigen, die sich bereits auf dem Markt etabliert haben.

Im Norden ist es nämlich gängige Praxis, mehrere Patente auf das glei-che oder auf nur ganz leicht unter-schiedliche Arzneimittel zu vergeben. Dadurch verlängert sich die Zeitspan-

ne, für die ein Unternehmen die Ex-klusivrechte an einem Medikament hat, um mehrere Jahre. Eine wissen-schaftliche Studie hat gezeigt, dass diese Praxis besonders bei Kassen-schlagern wie Glivec weit verbreitet ist. Sie bewährt sich also vor allem für die Geldbeutel der Pharmakonzerne. Renommierte ÖkonomInnen wie No-belpreisträger Professor Joseph Stiglitz sind sich einig: Die inflationäre Pa-tentvergabe hemmt die Innovation. Die aktuelle Praxis ist somit nicht nur für die Ärmsten von Nachteil.

Indien als vorreiterin für eine neue RegelungIndien vergab seit 2005 Tausende Pa-tente, allein 147 davon an Novartis. Allerdings ist in Indien die Anzahl Exklusivrechte an einem nur unbe-deutend veränderten Wirkstoff be-schränkt. Wenn eine Firma eine neue Version eines bereits bestehenden Me-dikamentes patentieren lassen möch-te, muss sie beweisen, dass die neue Version bedeutend wirksamer ist. Das

Key

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Gewonnen! Dieses Generikum darf in Indien weiterhin billig An DIE ÄRMSTEn vERKAUFT wERDEn.

ist Novartis im Glivec-Fall nicht ge-lungen. Das Urteil des obersten Ge-richtshofs unterstreicht, dass ein Land durchaus die Gesundheit der Bevöl-kerung über den Profit stellen kann,

ohne internationale Handelsregeln zu verletzen. Die Pharmaindustrie und die Länder des Nordens müssen ak-zeptieren, dass es ein neues Innovati-onssystem braucht – und zwar eines, das neben der Innovation auch den Zugang zu Medikamenten ins Zent-rum stellt. Es existieren bereits Vor-schläge, aber noch fehlt der politische Mut.

___«das urteil unter-streicht, dass ein land die gesundheit der bevölkerung über den Profit stellen kann, ohne interna-tionale Handelsregeln zu ver letzen.»

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FinanzPlaTz sCHWeiz und PoTenTaTengelder

Ein Report enthüllt, wie Angola um über 700 Millionen Dollar betro‑gen wurde – einmal mehr über die Schweiz. nun reichten angolanische Bürger Innen in Bern Anzeige ein.

TexT_olivier longchamp

Eigentlich hätten die angolanischen Staatsgelder, die die staatseigene Ölge-sellschaft Sonangol über die Drittpar-tei UBS überwies, als Steuerrückzah-lungen aus der Sowjetzeit an Russland gehen sollen. Doch grosse Teile flos-sen als Korruptionsgelder auf Schwei-zer Konten von «politically exposed persons» (PEP) aus Angola. So wurde das angolanische Volk um mehrere Hundert Millionen Dollar beraubt. Am

Auf der Anklagebank: Bankplatz Schweiz18. April reichten deshalb Angolane-rInnen in Bern und Luanda Strafanzei-ge ein. Diese richtet sich nicht nur gegen die Drahtzieher und Hauptpro-fiteure des Deals, sondern auch gegen drei damalige UBS-Angestellte, die die Zahlungen überwacht und bewil-ligt hatten.

Einmal mehr machte sich die Schweiz zur Mittäterin. «Das Schwei-zer Bankensystem hat zugelassen, dass diese Staatsgelder einem der ärmsten Länder der Welt gestohlen wurden. Nun bekommt die Schweiz eine neue Chance, angemessen gegen all jene zu ermitteln, die dies ermöglicht und da-von profitiert haben, und muss Rück-erstattung verlangen», kommentierte

der angolanische Rechtsanwalt und Mitunterzeichner David Mendes.

Die Anzeige basiert auf einem neu-en Report der angolanischen Nichtre-gierungsorganisation Mãos Livres und der britischen Corruption Watch (vgl. Porträt S. 8) über das Geschäft. Die- ser offenbart Bestechung, Geldwäsche und andere strafbare Finanzpraktiken. Die Recherchen belegen zudem, dass der Schweizer Rohstoffriese Glencore beim Zustandekommen des Deals seine Finger im Spiel hatte. Der Fall zeigt wieder einmal: Wir brauchen endlich mehr Transparenz im Schwei-zer Finanz- und Rohstoffsektor und bessere Kontrollen zum Schutz vor Geldwäsche!

sCHoggi-kaMPagne

Im namen von Tausenden Unter‑zeichnenden wurde zum Kam‑pagnenabschluss eine riesige faire Schweizer Schokoladentafel an Lindt & Sprüngli übergeben. Damit wird Lindt & Sprüngli stellver‑ tretend für die gesamte Schokola‑denindustrie aufgefordert, für mehr faire Schoggi zu sorgen.

TexT_andrea hüsser

Zusammen mit der EvB fordern die Unterzeichnenden, die die Schoggi-Kampagne vor Ostern unterstützt ha-ben, von den Schweizer Schokolade-produzenten und Kakaoverarbeitern 100%ige Rückverfolgbarkeit, 100%ig faire Preise und die 100%ige Einhal-tung der Menschenrechte entlang der Kakaolieferkette. Die EvB überreichte die fünfzig Kilogramm schwere und 2 × 1 Meter messende Schokoladenta-fel am 18. April Lindt & Sprüngli-Chef Ernst Tanner vor der Generalversamm-lung im Kongresshaus Zürich. Denn

Lindt & Sprüngli steht wie keine an-dere Firma im In- und Ausland für Schweizer Schokolade. Nimmt dieser Branchenleader seine Verantwortung wahr, könnte das Auswirkungen auf den ganzen Sektor haben. Ernst Tan-ner nahm die faire Riesen-Schoggi per-sönlich entgegen. Damit honoriert er offiziell den Wunsch von Konsu-mierenden nach gerecht produzierter Schokolade und gesteht ein, dass noch viel zu tun bleibt. Dass die geforderten

Riesen-Schoggi soll Lindt auf die Sprüngli helfen

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Kriterien durchaus erfüllbar sind, be-weist die aus einer Kuvertüre der Fair-trade-Pionierin Claro hergestellte Rie-senschokolade. Wie der Grossteil der Schweizer Schokoladen- und Kakao-industrie ist Lindt & Sprüngli aller-dings noch immer weit davon entfernt, die Menschenrechtskonformität ihrer Produkte garantieren zu können. Die EvB wird sich deshalb auch in Zu-kunft mit dem Thema intensiv ausein-andersetzen.

EIn SCHRITT In DIE RICHTIGE RICHTUnG: Ernst Tanner nimmt die Riesenschokolade entgegen.

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PesTizide

Paraquat: Geschäftsinteressen obsiegen Bei turbulenten verhandlungen in Genf haben Guatemala und Indien einen Konsens zur Listung von Paraquat in der Rotterdam‑Konven‑tion blockiert.

TexT_François meienberg

2010 hatte Burkina Faso den Antrag gestellt, eine bestimmte Paraquat-For-mulierung (20 %) in der Rotterdam-Konvention zu listen. Grund dafür war die grosse Anzahl Vergiftungen durch das Pestizid Gramoxone Super von Syngenta (enthält 20 % Paraquat). In einer Bestandesaufnahme in Burkina Faso wurde ein Fünftel der Pestizid-vergiftungen Gramoxone Super zu-geschrieben. In vielen Fällen war ungenügende oder keine Schutzklei-dung getragen worden. Die Opfer berichteten unter anderem von Haut-verätzungen, Fieber, Schwindel, Be-wusstlosigkeit, Atembeschwerden und Erbrechen. Andere Länder haben ähn-liche Probleme. So wurden z. B. in El Salvador von 2005 bis 2010 im Jahres-durchschnitt 344 Vergiftungen mit

Gramoxone gemeldet. Bei all diesen Zahlen gibt es eine hohe Dunkelziffer.

Ein ExpertInnenkomitee der Kon-vention hat den Antrag von Burkina Faso geprüft und befunden, dass Pa-raquat (20 %) alle Erfordernisse für eine Listung erfüllt. Wenn Pestizide in die Rotterdam-Konvention aufgenom-men werden, werden importierende Länder über die Risiken des Produktes informiert und haben die Möglichkeit, den Import vorher abzulehnen oder ihm nur unter bestimmten Bedingun-gen zuzustimmen. Die Erfahrung zeigt, dass viele Länder von diesem Import-verbot Gebrauch machen und auf die-se Weise die Risiken hochgefährlicher Pestizide vermeiden.

Nun hätten Anfang Mai die 152 Vertragsstaaten der Konvention die Listung der Paraquat-Formulierung of-fiziell beschliessen sollen. Alle Staa-ten sprachen sich dafür aus, ausser Guatemala, Honduras, Indien und Iran. Besonders stark war die Opposition von Indien und von Guatemala, wel-ches einen negativen Einfluss auf seine

6__landwirTschaFT

Paraquat-Exporte befürchtete. Da es in der Konvention nur Konsensentschei-dungen gibt, gelang es diesen Ländern, die Listung zu verhindern und den Entschluss auf die nächste Konferenz in zwei Jahren zu verschieben.

biodiversiTäT

Der Bundesrat hat einen mangel‑haften Gesetzesentwurf zur Bekämp‑fung der Biopiraterie vorgelegt.

TexT_François meienberg

Dieses Jahr kommt das Zusatzabkom-men zur UN-Konvention über biologi-sche Vielfalt (Biodiversitätskonven-tion), das Nagoya-Protokoll, in der Schweiz ins Parlament. Die Konventi-on schreibt bei der Nutzung geneti-scher Ressourcen klar eine Gewinntei-lung mit den Geberländern vor. Doch der Bundesrat möchte bei der Imple-mentierung viele Fälle vom Gesetz

ausnehmen. Konkret sollen alle gene-tischen Ressourcen, die vor dem In-krafttreten des revidierten Gesetzes ihre Herkunftsländer verlassen haben (u.a. also alle Ressourcen in Sammlun-gen, botanischen Gärten und Genban-ken), vom Geltungsbereich ausgenom-men werden. Somit fällt der Vorschlag des Bundesrats weit hinter die beste-hende Praxis von öffentlichen Samm-lungen zurück, und das Nagoya-Proto-koll wird stark ausgehöhlt.

Eine neue, umfangreiche Analyse des Nagoya-Protokolls durch die EvB zeigt, dass dieses Abkommen viele

Biopiraterie legalisieren oder bekämpfen?Schwächen und Unklarheiten beinhal-tet. Eine minimalistische Umsetzung würde BiopiratInnen grosse Schlupf-löcher lassen. Die EvB befürwortet zwar die Ratifikation des Protokolls durch die Schweiz. Die Umsetzung im nationalen Gesetz muss aber so gestal-tet sein, dass alle neuen Nutzungen und die daraus entstehenden Gewinne mit den Geberländern des Südens ge-recht geteilt werden – als wichtige Grundlage zur Erhaltung der weltwei-ten Biodiversität. Unser Parlament hat nun die Aufgabe, die nötigen Korrek-turen im Gesetzestext vorzunehmen.

Die wenigsten PlantagenarbeiterInnen besitzen die dringend nötige SCHUTZ‑ UnD

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CCC

vor zwei Jahren lancierte die EvB ihre Kampagne zum Thema Fleisch. Unsere damalige Forderung, den Fleischkonsum zu halbieren und auf 500 g pro woche und Person zu reduzieren, damit die Ressourcen für alle reichen, findet offenbar eine immer breitere Abstützung. Drei erstaunlich ver‑schiedene Institutionen haben in den letzten wo‑chen ins gleiche Horn geblasen.

Den Anfang machte Greenpeace mit einer neuen Studie. Diese kommt zum Schluss, dass wir in der Schweiz im Jahr 2050 noch 350 g verkaufsfertiges Fleisch pro woche und Person zur verfügung ha‑ben, wenn diese Produkte lokal und ökologisch produziert werden. Denn die Ressourcen werden immer knapper, und die Bevölkerung wächst. Der Fleischkonsum müsste sich jedoch auch anders zusammensetzen: mehr Rind, weniger Schwein, kein Huhn.

Zweite Mitstreiterin ist das Restaurant volkshaus in Zürich: Aufgrund der EvB‑Fleischkampagne hat sich das Lokal dafür entschieden, ab sofort einen vegi‑Tag einzuführen und mittwochs über Mittag ausschliesslich kreative vegetarische Menüs an‑zubieten. Bravo!

Die dritte unterstützende organisation hat mich am meisten überrascht: Proviande, die Branchen‑organisation der Schweizer Fleischwirtschaft. Beim Schmökern in einer Rezeptzeitschrift fiel mir eine Beilage dieses verbandes in die Hände. Da‑rin empfiehlt eine Ernährungsberaterin in einem prominent platzierten Interview, drei‑ bis viermal in der woche Fleisch à 100 – 120 g zu konsumie‑ren. Das macht 300 – 480 g pro woche und Person. wohlgemerkt: noch vor zwei Jahren hat Pro‑viande die EvB‑Forderung, den Fleischkonsum zu halbieren, als unrealistisch abgetan. Grossartig, dass in so kurzer Zeit sogar der Fleischverband zur Einsicht gekommen ist. Jetzt müssen wir Konsu‑mierenden nur noch mitmachen. Bis bald also, am Mittwoch im volkshaus!

Fleischkonsum halbieren wird

salonfähig

koluMne andrea Hüsser

Über 1200 ArbeiterInnen mussten in den letz‑ten sechs Monaten bei Textilfabrikunglücken in Bangladesch sterben, bevor Mitte Mai Un‑ternehmen das Abkommen für mehr Gebäude‑sicherheit und Brandschutz unterzeichneten.

TexT_JUlia speTzler

Bereits 2011 forderte die Clean Clothes Cam-paign (CCC) Unternehmen auf, das Abkommen für eine nachhaltige und effiziente Umsetzung von Schutzmassnahmen in Bangladeschs Textil-industrie zu unterzeichnen. Doch bisher waren die Unternehmen dazu nicht bereit, obwohl seit 1990 über 2100 bangladeschische Textilarbeite-rInnen wegen mangelnder Sicherheit starben.

2012 unterzeichneten die ersten zwei Unter-nehmen PVH (Calvin Klein / Tommy Hilfiger) und Tchibo das Abkommen. Für die Programm-umsetzung wurden jedoch vier Unternehmen be-nötigt. Als am 24. November 2012 112 Menschen beim Tazreen-Fabrikbrand starben, wurde der Druck der Öffentlichkeit auf die Modefirmen grös ser. Doch es mussten am 24. April 2013 beim Einsturz des Gebäudes Rana Plaza nochmals 1127 Menschen sterben, bevor weitere Firmen bereit waren, ihre Sorgfaltspflicht wahrzuneh-men. Mehr als eine Million Konsumierende welt-weit hatten die Petition für mehr Sicherheit in Bangladesch unterstützt. Unter den über 35 Un-terzeichnern befinden sich H & M, C & A und In-ditex (Zara) sowie die Schweizer Firmen Swit-cher und Charles Vögele. Sie verpflichten sich dazu, während fünf Jahren für Instandhaltungs-kosten in ihren Zulieferbetrieben aufzukommen.

Die beiden Tragödien zeigten erneut auf, dass herkömmliche Kontrollverfahren in Fabriken mit internationalen Prüfstellen / Initiativen ihre Wir-kung verfehlen. Auch zwei der Fabriken im Rana Plaza wurden von einer Initiative auditiert.

Ein Grossteil der Opferfamilien befindet sich mittlerweile in grosser finanzieller Not. Rufen Sie gemeinsam mit der CCC alle Unternehmen, die in der Tazreen-Fabrik und im Rana Plaza produzieren liessen, auf, allen Opfern schnellst-möglich eine gerechte und umfassende Entschä-digung zukommen zu lassen. >> MEHR InFoS DAZU UnTER www.EvB.CH

Der wahre Preis der Mode

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Er war Südafrikas jüngster Parlamentarier und ist – als Experte für waffen‑ und Finanz‑schiebereien – Co‑Autor des von der EvB unterstützten Angola‑Reports über Potenta‑tengelder (vgl. S. 5). Recherche und Akti‑vismus waren für Andrew Feinstein immer schon zwei Seiten derselben Politikmedaille.

TexT_oliver classen

Sein Bestseller über «das globale Geschäft mit dem Tod», so der Untertitel des 850-seitigen Standardwerks «Waffenhandel», sei eine «logi-sche Folge» seiner Abrechnung mit der korrup-ten Machtelite Südafrikas gewesen. Der Sohn ei-ner österreichischen Jüdin hatte nämlich einen ebenso gigantischen wie korrupten Waffendeal re konstruiert, in den die erste demokratische Re-gierung Südafrikas involviert war. Diese lebens- gefährliche Kritik brachte Andrew Feinstein 2001 neben vielen Insider-Informationen auch den Rauswurf aus jenem Land, in dessen Parla-ment der Aktivist des Afrikanischen National-kongresses (ANC) sieben Jahre gesessen hatte.

Seither lebt der gebürtige Kapstädter und stu-dierte Ökonom in London und betreibt einen «investigativ-politischen Gemischtwarenladen», mit dessen journalistischen Produkten er regel-mässig in den renommiertesten Medien präsent ist. «Ich blicke hinter die Kulissen globaler Kri-sen und gehe ihren Ursachen auf den Grund.» Dieses Selbstverständnis steckt auch hinter der von ihm 2009 gegründeten Nichtregierungsorga-nisation Corruption Watch, benannt nach einem der «Hauptgründe für die wachsende Ungerech-tigkeit und Unzufriedenheit weltweit».

Politisiert wurde der 49-Jährige in den Town-ships und auf den rassengetrennten Parkbänken seiner «aparthen» Heimatstadt. Einen Teil seiner Kindheit verbrachte Feinstein in Wien, weshalb

er «ein bisserl Deutsch» spricht und Freudsche Wortspiele mag. Ein weiterer Grund für letztere Vorliebe ist sein «prägendes Erststudium in kli-nischer Psychologie» am renommierten King’s College in Cambridge, wo er später auch Volks-wirtschaft studierte. «Mich interessierte immer schon das Menschlich-Allzumenschliche am wirtschaftlichen Handeln, seis von Staaten, Un-ternehmen oder Individuen.»

Seine Zulassung als erster weisser Südafrika-ner an die wohl liberalste Elite-Hochschule Eng-lands verdankte er seinem kompromisslosen und erfolgreichen ANC-Engagement. In seiner Arbeit als «analytischer Korruptionsjäger» (The Times) geht es Feinstein jedoch weniger um die Enttar-nung von EinzeltäterInnen als um die Erkennung jener gesellschaftspolitischen Muster und Syste-me, die Vetternwirtschaft und Finanzfilz produ-zieren oder zumindest begünstigen. «Korruption ist ein ebenso natürlicher wie entscheidender Feind von Demokratie, Menschenrechten und weltweiter Entwicklung», sagt Feinstein mit der ihm eigenen Mischung aus Erfahrung und Über-zeugung. Und fügt genauso ironiefrei hinzu: «Wer dieses Übel ausrottet, rettet zumindest den unterprivilegierten Teil der Menschheit.»

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Der Korruptionsjäger

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AnDREw FEInSTEIn geht korruptions‑fördernden Mechanis‑men auf den Grund.

___«korruption ist ein ebenso natürlicher wie entschei- dender Feind von demokratie, Menschenrechten und welt- weiter entwicklung.»

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