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1. Internationale Holzbrückentage 2010 Ermüdungsbetrachtungen von hölzernen Strassenbrücken | Dr. L. Bathon, O. Bletz-Mühldorfer 1 Ermüdungsbetrachtungen von hölzer- nen Strassenbrücken Chancen und Möglichkeiten der Holz-Beton- Verbundbauweise Dr. Leander Bathon Prof. Hochschule RheinMain Fachbereich Architektur und Bauingenieurwesen Institut für Baustoffe und Konstruktion Materialprüfanstalt & Labor für Holzbau Wiesbaden, Deutschland Oliver Bletz-Mühldorfer Dipl.-Ing. Hochschule RheinMain Fachbereich Architektur und Bauingenieurwesen Institut für Baustoffe und Konstruktion Materialprüfanstalt & Labor für Holzbau Wiesbaden, Deutschland

Ermüdungsbetrachtungen von hölzer- nen Strassenbrücken ... · Formel Symbol Definition d,max maximale Bemessungsspannung infolge ermü-dungswirksamer Einwirkungen f fat,d Bemessungswert

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1. Internationale Holzbrückentage 2010

Ermüdungsbetrachtungen von hölzernen Strassenbrücken | Dr. L. Bathon, O. Bletz-Mühldorfer

1

Ermüdungsbetrachtungen von hölzer-nen Strassenbrücken – Chancen und

Möglichkeiten der Holz-Beton-Verbundbauweise

Dr. Leander Bathon

Prof.

Hochschule RheinMain

Fachbereich Architektur und Bauingenieurwesen

Institut für Baustoffe und Konstruktion

Materialprüfanstalt & Labor für Holzbau Wiesbaden, Deutschland

Oliver Bletz-Mühldorfer

Dipl.-Ing.

Hochschule RheinMain

Fachbereich Architektur und Bauingenieurwesen

Institut für Baustoffe und Konstruktion

Materialprüfanstalt & Labor für Holzbau

Wiesbaden, Deutschland

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Ermüdungsbetrachtungen von hölzer-nen Strassenbrücken – Chancen und

Möglichkeiten der Holz-Beton-Verbundbauweise

1. Grundlagen zur Ermüdung

Für Tragwerke, Tragwerksteile oder Verbindungen von Holzbrücken, die häufigen Span-

nungsänderungen ausgesetzt sind, ist gemäß DIN 1074:2006 [3] nachzuweisen, dass

kein Versagen oder größerer Schaden infolge von Ermüdung auftritt. Unter Ermüdung

versteht man dabei die in einem Werkstoff ablaufenden Veränderungen und Prozesse, die

bei veränderlichen und zeitlich wiederholt auftretenden Beanspruchungen auftreten und

im Laufe der Nutzungsdauer zu einer Funktionsuntüchtigkeit oder zum Versagen führen

können. Die Beurteilung des Ermüdungsverhaltens gehört zu den wichtigsten Kriterien in

den Grenzzuständen der Tragfähigkeit.

2. Ermüdungsnachweis gemäß DIN 1074:2006

Die Holzbrückenbaunorm DIN 1074:2006 thematisiert in Abschnitt 10 den Ermüdungs-

nachweis für Holz, Holzwerkstoffe und Holzverbindungen. Hierin heißt es:

(1) Für Tragwerke oder Tragwerksteile und Verbindungen, die häufigen Span-

nungsänderungen ausgesetzt sind, ist nachzuweisen, dass kein Versagen

oder größerer Schaden infolge von Ermüdung auftritt. Die Spannungsände-

rungen werden durch veränderliche Einwirkungen verursacht.

(2) Für Straßenbrücken ist ein Ermüdungsnachweis mit den Festlegungen nach

DIN-Fachbericht 101:2003-03, 4.6 zu führen.

(3) Ein vereinfachtes Nachweisverfahren ist in Anhang C angegeben.

(4) Für Geh- und Radwegbrücken ist üblicherweise kein Ermüdungsnachweis

erforderlich.

Der in DIN 1074:2006, Abschnitt C dargestellte vereinfachte Nachweis basiert dabei auf

einer ermüdungsrelevanten Einwirkung mit gleich bleibender Amplitude, welche gleich-

wertig die ermüdungswirksamen Einwirkungen des vollen Spektrums von Belastungsfäl-

len ersetzt. Die Spannungen und Kräfte infolge ermüdungswirksamer Einwirkungen dür-

fen am linear elastischen System berechnet werden. Die Nachgiebigkeit von Verbindun-

gen sollte dabei berücksichtigt werden. Ein Ermüdungsnachweis ist immer dann erforder-

lich, wenn das Verhältnis κ größer ist als in DIN 1074:2006, Tabelle C.1 angegeben. Das

Verhältnis κ wird dabei nach der in Tabelle 1 dargestellten Gleichung berechnet, wobei

anstelle der Bemessungsspannung auch die Bemessungskraft verwendet werden kann.

Tabelle 1: Berechnung des Verhältnisses

Formel Symbol Definition

d,max

maximale Bemessungsspannung infolge ermüdungs-

wirksamer Einwirkungen

d,minminimale Bemessungsspannung infolge ermüdungs-

wirksamer Einwirkungen

fk charakteristische Festigkeit

M,fat Teilsicherheitsbeiwert für Baustoffe für den Ermü-

dungsnachweis M,fat = 1,0

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Tabelle 2: Tabelle C.1 gemäß DIN 1074:2006

Bauteile und Beanspruchung Verhältnis

Holz- und Holzwerkstoffe

Druck parallel und senkrecht zur Faser 0,60

Biegung und Zug, Zug-Druck 0,20

Schub 0,15

Verbindungsmittel

(Lochspiel im Holz oder in HWS sollte vermieden werden)

Stiftförmige Verbindungsmittel (vorgebohrt) 0,40

Nägel (nicht vorgebohrt) 0,10

Andere (z.B. Dübel besonderer Bauart) 0,15

Aus den ermüdungswirksamen Einwirkungen werden anschließend ermüdungswirksame

Spannungen bzw. ermüdungswirksame Kräfte berechnet. Die ermüdungswirksamen Ein-

wirkungen aus Verkehr sollten aus den Projektvorgaben in Verbindung mit DIN-

Fachbericht 101 erhalten werden. Aus DIN-Fachbericht 101 sollten ebenfalls die Anzahl

der konstanten Schwingungsspiele je Jahr Nobs entnommen werden (siehe Abschnitt 4).

Für Einwirkungen mit konstanter Amplitude ist das Kriterium des Ermüdungsnachweises

gemäß DIN 1074:2006, Anhang C.3 wie folgt definiert:

Tabelle 3: Ermüdungskriterium nach DIN 1074:2006

Formel Symbol Definition

d,max

maximale Bemessungsspannung infolge ermü-

dungswirksamer Einwirkungen

ffat,d Bemessungswert der Ermüdungsfestigkeit

kfat Beiwert für die Festigkeitsminderung infolge der An-

zahl der Belastungszyklen

R

Beiwert für Schadensfolge

- beträchtliche Konsequenzen: = 3

- ohne beträchtliche Konsequenzen: = 1

a, b Ermüdungsbeiwert nach DIN 1074:2006, Tabelle C.2

tL Bemessungswert der vorgesehenen Nutzungsdauer

des Tragwerks in Jahren

Tabelle 4: Ermüdungsbeiwerte a und b gemäß Tabelle C.2 (aus DIN 1074:2006)

Parameter a b

Holzbauteile beansprucht auf:

- Druck parallel oder senkrecht zur Faser 2,0 9,0

- Biegung und Zug, Zug-Druck 9,5 1,1

- Schub 6,7 1,3

Verbindungen mit:

- stiftförmigen Verbindungsmitteln (vorgebohrt) und Dübeln bes. Bauart 6,0 2,0

- Nägeln 6,9 1,2

Für Brückenkonstruktionen in Holz-Beton-Verbundbauweise, die in der jüngeren Vergan-

genheit zunehmend in den Blickpunkt des Ingenieurholzbaus geraten sind, ist ein solcher

Ermüdungsnachweis ebenfalls zwingend erforderlich. Da bei Holz-Beton-Verbundbrücken

die Teilquerschnitte Holz und Beton in der Regel jedoch über spezielle Sonderverbin-

dungsmittel zusammengefügt sind (z.B. eingeklebte Streckmetalle, kreuzweise einge-

klebte Stahlstäbe, Dübelleisten, Kerven), sind die in DIN 1074:2006 genannten Nach-

weisansätze nicht immer direkt anwendbar.

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Einige Forschungs- und Entwicklungsvorhaben haben sich dieser Thematik in der letzten

Zeit angenommen und empirische Untersuchungen zur Ermittlung der Ermüdungsfestig-

keit von Verbindungsmitteln, die bei Holz-Beton-Verbundbrücken eingesetzt werden,

durchgeführt. Im Folgenden werden die aktuell vorliegenden Untersuchungsergebnisse

vorgestellt.

3. Dauerschwingversuch

Die Ermüdungsfestigkeit von Verbindungsmitteln im Holz-Beton-Verbundbau wird i.d.R.

über die Durchführung von Dauerschwingversuchen ermittelt. Die Grundlagen zu solchen

Dauerschwingversuchen sind in DIN 50100:1978 [4] beschrieben. Darin wird auch der so

genannte Wöhlerversuch erwähnt. Beim Wöhlerversuch handelt es sich um den wichtigs-

ten Versuch zur Ermittlung der Ermüdungsfestigkeit. Hierbei werden mehrere identische

Prüfkörper in einer Prüfserie so lange periodisch schwingend beansprucht, bis entweder

ein Bruchversagen der Prüfkörper eintritt oder eine definierte Grenzlastspielzahl erreicht

wird. Die Beanspruchung wird am Beginn des Versuchs definiert und über die Dauer nicht

mehr verändert. Ein auf diese Art und Weise durchgeführter Versuch wird nach DIN

50100:1978 als Einstufen-Dauerschwingversuch bezeichnet.

Abbildung 1: Schwingbeanspruchung (aus [2])

Bei üblichen Schwingfestigkeitsuntersuchungen wird die Belastung in Form einer sinus-

förmigen Schwingbelastung mit einer bestimmten Mittelspannung aufgebracht. Die sinus-

förmige Lastaufbringung entspricht zwar nicht den realen Verhältnissen, bei denen in der

Regel hinsichtlich der Größe und der Regelmäßigkeit ungleichmäßige Beanspruchungen

auftreten – Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass Abweichungen vom sinusförmi-

gen Lastverlauf im Vergleich zu Änderungen der Lastgrenzen nur geringen Einfluss auf

das Werkstoffverhalten haben, wodurch diese idealisierte Lastaufbringung legitimiert

wird.

Beim Wöhlerversuch werden die Prüfkörper einer Prüfserie stets unter definierten Bean-

spruchungsverhältnissen getestet. Diese Beanspruchungsverhältnisse stellen nach Abbil-

dung 1 entweder eine konstante Mittelspannung m mit Variation der Spannungsamplitu-

de a oder ein konstantes Spannungsverhältnis zwischen Unterspannung u und Ober-

spannung o dar. Tabelle 5 zeigt die Beziehungen zwischen den einzelnen Parametern.

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Tabelle 5: Kenngrößen zur Beschreibung der Ermüdungsversuche (aus [2])

Kenngröße Einheit Definition

Oberspannung o N/mm² Betragsmäßige größere Spannung

Unterspannung u N/mm² Betragsmäßige kleinere Spannung

Mittelspannung m N/mm² m = ( u + o) / 2

Spannungsschwingbreite N/mm² = o - u

Spannungsamplitude N/mm² A = ( o - u) / 2

Spannungsverhältnis - = u / o

Im Allgemeinen wird beim Dauerschwingversuch noch zwischen Wechsel- und Schwellbe-

anspruchung unterschieden. Bei einer Wechselbeanspruchung wird die Probe innerhalb

eines Lastspiels sowohl auf Druck als auch auf Zug beansprucht. Bei Schwellbeanspru-

chungen treten entweder nur Zugbeanspruchungen oder nur Druckbeanspruchungen auf

(im Rahmen der später vorgestellten Untersuchungen wurden jeweils schwellende Druck-

scherbeanspruchungen aufgebracht).

Zur Auswertung der Versuchsergebnisse wird ein Wöhlerdiagramm erstellt (Abbildung 2).

Dabei wird in einer möglichen Darstellungsvariante die Anzahl der Schwingspiele N in

Abhängigkeit der Spannungsverhältnisse aufgetragen. Die Darstellung der Ergebnisse im

Wöhlerdiagramm erfolgt entweder im halb- oder doppelt-logarithmischen Maßstab. Im

Wöhlerdiagramm werden drei Festigkeitsbereiche bestimmt. Als Kurzzeitfestigkeit wird

ein Bereich definiert, bei dem das Bruchversagen der Prüfkörper bei einer Schwingspiel-

zahl N < 104 erfolgt. Der Bruchvorgang ist durch plastische Verformungen gekennzeich-

net. Der Bereich von N = 104 bis N = 106 - 107 Schwingspiele wird als Zeitfestigkeit be-

zeichnet. Die Wöhlerlinie weist in diesem Bereich eine stark fallende Tendenz auf. Als

Dauerfestigkeit wird dagegen ein Bereich definiert, der ab N = 106 - 107 Schwingspielen

gerade nicht mehr zum Versagen der Prüfkörper durch Ermüdung führt. Im Wöhlerdia-

gramm zeigt sich dies durch einen horizontalen Verlauf der Wöhlerlinie. Unterhalb des

der Dauerfestigkeit zugehörigen Lastniveaus kann ein Bauteil theoretisch beliebig viele

Schwingungen erfahren.

Das eingesetzte Material hat einen wesentlichen Einfluss auf die Dauerfestigkeit. So sind

in der Literatur Richtwerte für Grenzlastspielzahlen von N = 107 für den Werkstoff Stahl

oder N = 108 für Leichtmetalle zu finden. Einige Materialien besitzen zudem überhaupt

keine Dauerfestigkeit. Aluminium stellt ein Beispiel für einen Werkstoff ohne ausgeprägte

Dauerfestigkeit dar. Im Wöhlerdiagramm weisen solche Materialien keinen horizontalen

Verlauf der Wöhlerlinie auf. Es bleibt zu erwähnen, dass ein Wöhlerdiagramm jeweils

immer nur für ein Beanspruchungsverhältnis (konstante Mittelspannung oder konstantes

Verhältnis von Unterspannung zu Oberspannung) erstellt wird.

Abbildung 2: Idealisiertes Wöhlerdiagramm in halblogarithmischer Darstellung (aus [2])

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4. DIN-Fachbericht 101:2009 [5]

Um die oben genannten Schwingspielzahlen besser einordnen zu können, können die

Angaben und Empfehlungen des DIN-Fachberichtes 101:2009, der die Einwirkungen auf

Brücken regelt, herangezogen werden. Danach führt ein über eine Brücke fließender Ver-

kehr zu einem Spannungsspektrum, das Ermüdung herbeiführen kann. Das Spannungs-

spektrum hängt von den Achslasten, den Abmessungen der Fahrzeuge, dem Fahrzeugab-

stand, der Verkehrszusammensetzung und deren dynamischen Wirkungen ab. Für Ermü-

dungsnachweise soll eine Verkehrskategorie festgelegt werden, die die Anzahl der Fahr-

streifen mit LKW-Verkehr sowie die Anzahl der jährlichen LKW-Überfahrten berücksich-

tigt. Tabelle 6 zeigt eine Zusammenstellung der in DIN-Fachbericht 101:2009 genannten

Verkehrskategorien mit zugehörigen Spannungsspielen. Danach ergeben sich für örtliche

Straßen mit einem geringen LKW-Anteil jährlich Nobs = 50.000 Spannungsspiele. Für

Hauptstraßen mit geringem LKW-Anteil können jährlich Nobs = 125.000 Spannungsspiele,

für Straßen oder Autobahnen mit mittlerem LKW-Anteil bereits Nobs = 500.000 Span-

nungsspiele im Jahr sowie für Straßen und Autobahnen mit je zwei oder mehr Fahrstrei-

fen je Fahrtrichtung mit hohem LKW-Anteil sogar Nobs = 2.000.000 jährliche Spannungs-

spiele angesetzt werden. Bei einer angesetzten 40 jährigen Nutzungsdauer einer Brücke

ergeben sich somit Spannungsspiele von bis zu 80.000.000 Schwingspielen. Diese Über-

legungen verdeutlichen eindrucksvoll, weswegen ein Ermüdungsnachweis bei Brücken-

konstruktionen zwingend erforderlich ist.

Tabelle 6: Verkehrskategorien nach DIN-Fachbericht 101:2009

Verkehrskategorie Nobs je Jahr und je

LKW-Fahrstreifen

Gesamtschwingzahl

während einer

40jährigen Nutzung

Straßen und Autobahnen mit je

zwei oder mehr Fahrstreifen je

Fahrtrichtung mit hohem LKW-

Anteil

2.000.000 80.000.000

Straßen und Autobahnen mit

mittlerem LKW-Anteil 500.000 20.000.000

Hauptstraßen mit geringem

LKW-Anteil 125.000 5.000.000

Örtliche Straßen mit geringem

LKW-Anteil 50.000 2.000.000

5. Untersuchungen zum Verbindungsmittel „einge- klebte Streckmetalle“

An der MPA Wiesbaden wurden in einem vor Kurzem abgeschlossenen Forschungsvorha-

ben eingeklebte Streckmetalle’ als Verbindungsmittel für Holz-Beton-Verbundbrücken

untersucht. Ein Schwerpunkt der Untersuchungen lag dabei in der Untersuchung des Er-

müdungsverhaltens. Hierbei wurden ca. 60 Holz-Beton-Verbundprüfkörper hergestellt

und in Dauerschwingversuchen getestet [2].

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Abbildung 3: Vorbereiteter Prüfkörper mit eingeklebtem Streckmetall vor dem Betonieren (aus [2])

Abbildung 3 zeigt exemplarisch einen im Rahmen dieser Untersuchungen eingesetzten

Prüfkörper während der Herstellungsphase (vor dem Einbringen der Mattenbewehrung

und des Betons). Der Holzquerschnitt bestand bei allen Prüfkörpern aus Brettschichtholz

der Sortierklasse GL24h mit Abmessungen b/h/l = 400/80/600 mm. Holzplattenelemente

und Betonquerschnitte wurden über ins Holz eingeklebte und in den Beton verankerte

unverzinkte Streckmetalle verbunden. Die Streckmetalle besaßen eine Höhe von 90 mm,

eine Breite von 2 mm sowie eine Länge von 400 mm. Sie wurden jeweils einreihig in eine

40 mm tiefe und 3,0 mm breite Nut in den Holzquerschnitten eingeklebt. In den Untersu-

chungen wurden u.a. zwei unterschiedliche Klebstoffsysteme für den Einklebevorgang der

Streckmetalle verwendet. Die Dicke des Betons lag bei 70 mm.

In Abbildung 4 ist ein in die Prüfmaschine eingebauter Holz-Beton-Verbundprüfkörper mit

applizierter Messtechnik dargestellt, der unter schwellender Druckscherbeanspruchung

getestet wurde. In den Versuchsreihen wurden Schwingspielzahlen von bis zu

10.000.000 Belastungen aufgebracht.

Abbildung 4: Prüfvorrichtung (aus [2])

Wesentliches Ziel der Versuche war es, die Beanspruchungen, die z.B. bei Brückenkon-

struktionen durch regelmäßige Überfahrten von Verkehrsmitteln (Lastkraftwagen, Perso-

nenkraftwagen) auftreten, im Rahmen der Untersuchungen zu simulieren. Bei solchen

Brückenkonstruktionen tritt eine Beanspruchung mit der Überfahrt auf. Sie fällt weg,

wenn die Überfahrt des Verkehrsmittels beendet ist. Eine Beanspruchung infolge eines

solchen Verkehrsmittels schwankt somit zwischen einem Minimalwert 0 und einem von

der Charakteristik des Verkehrsmittels abhängigen Maximalwert.

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Übertragen auf den Prüfkörper handelt es sich um eine Schwellenbeanspruchung mit ei-

ner minimalen Unterlast und einer maximalen Oberlast. Die einzelnen Holz-Beton-

Verbund-Bauteilversuche wurden unter einer Druckscherschwellenbeanspruchung gefah-

ren, d.h. die aufgebrachte Last befand sich zu jedem Zeitpunkt des Versuchs im Druck-

bereich. Die Frequenz der Lastaufbringung (sinusförmige Lastaufbringungsart), d.h. die

Anzahl der aufgebrachten Belastungen pro Sekunde betrug zwischen 2 Hz und 3 Hz, wo-

durch sich Versuchsdauern von bis zu 39 Tagen pro Versuchskörper ergaben. Die Ermitt-

lung des Ober- und Unterlastniveaus erfolgt unter Berücksichtigung eines gleich bleiben-

den Spannungsverhältnisses . In den Versuchsreihen wurde bei einem Großteil der

Prüfkörper ein Spannungsverhältnis von ≈ 0,09 angestrebt. Damit sollte das oben be-

schriebene Beanspruchungsverhalten aus einer Verkehrsbelastung simuliert werden, bei

dem nach einer maximalen Beanspruchung o die Entlastungsphase erfolgt, wobei u

Werte annimmt, die relativ nahe am Wert 0 liegen (nur Beanspruchungen infolge Eigen-

gewicht vorhanden). Zusätzlich wurde bei einem Teil der Versuche ein Spannungsver-

hältnis von = 0,50 gewählt. Aus dem Vergleich der Messergebnisse ließ sich eine

grundsätzliche Aussage zum Einfluss des Spannungsverhältnisses auf das Ermüdungs-

verhalten von Holz-Beton-Verbundkonstruktionen mit eingeklebten Streckmetallen ablei-

ten.

In den durchgeführten Versuchen trat das Versagen stets im Streckmetall auf. Die Werk-

stoffe Holz und Beton sowie das jeweils eingesetzte Klebstoffsystem wiesen keine Ermü-

dungserscheinungen auf. Dieses Systemverhalten entsprach damit dem Systemverhalten

von Holz-Beton-Verbundprüfkörpern unter einer Kurzzeitdruckscherbeanspruchung, bei

dem ebenfalls das Streckmetall versagte.

Die aus den Dauerschwingversuchen ermittelten Bruchschwingspielzahlen in Abhängig-

keit des Oberlastniveaus sind für Holz-Beton-Verbundprüfkörper mit eingeklebten

Streckmetallen (Klebstoffsystem A bzw. Klebstoffsystem B) grafisch in Abbildung 5 auf-

getragen. Das Wöhlerdiagramm ist im halblogarithmischen Maßstab erstellt. Hierin sind

die drei Festigkeitsbereiche Kurzzeitfestigkeit, Zeitfestigkeit und angenommene Dauer-

festigkeit durch gestrichelte Linien angedeutet. Die Werte bei N = 1 · 100 Schwingspiel

stellen die Bruchlasten Fmax der zugehörigen Kurzzeitdruckscherversuche dar. Grundsätz-

lich zeigt sich eine eindeutige Abhängigkeit zwischen aufgebrachter Oberlast und

Schwingspielzahl. Mit steigender Oberlast sinkt die die aufnehmbare Schwingspielzahl.

Deutlich erkennbar im Wöhlerschaubild sind die jeweils stark fallenden Tendenzen der

Bauteilwöhlerlinien im Bereich der Zeitfestigkeit. Ab einer erreichten Schwingzahl von N

= 2 · 106 Schwingspielen liegt ein nahezu horizontaler Verlauf der Bauteilwöhlerlinien

vor.

Abbildung 5: Einfluss des Klebstoffsystems auf die Bauteilwöhlerlinien, ≈ 0,09 (aus [2])

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Aus dem Wöhlerschaubild wird ersichtlich, dass das verwendete Klebstoffsystem das

Ermüdungsverhalten der Prüfkörper beeinflusst. Auf demselben Lastniveau treten Ermü-

dungsbrüche bei mit dem Klebstoffsystem A eingeklebten Streckmetallen bei geringeren

Schwingzahlen auf als bei mit dem Klebstoffsystem B eingeklebten Streckmetallen. Die

Wöhlerlinien für beide Klebstoffsysteme ähneln sich qualitativ im Verlauf, sind aber in

Abhängigkeit des aufnehmbaren Oberlastniveaus geringfügig gegeneinander versetzt. Für

das Klebstoffsystem A liegt bei einem Lastniveau von circa 35 kN die angenommene

Dauerfestigkeit vor; für das Klebstoffsystem B liegt bei der angenommenen Dauerfestig-

keit das Lastniveau mit ungefähr 38 kN geringfügig höher. Für beide Klebstoffsysteme

liegen somit unter den gewählten Versuchsparametern Verhältniswerte zwischen der

Dauerschwingdruckscherfestigkeit und der mittleren Kurzzeitdruckscherfestigkeit

FD/Fmax,m von etwa 0,37 vor (Tabelle 7). Daraus kann direkt gefolgert werden, dass bei

ermüdungsrelevanten (nicht statischen) Beanspruchungen die statische Tragfähigkeit von

eingeklebten Streckmetallen abgemindert werden muss.

[-] [kN] [kN] [-]

A 93,34 ~ 35,00 0,37

B 102,39 ~ 37,00 0,36 Tabelle 7: Verhältnis zwischen Dauerschwingdruckscherfestigkeit und Kurzzeitdruckscherfestigkeit in Abhängig-keit des eingesetzten Klebstoffsystems, ≈ 0,09 (aus [2])

Der Einfluss des Spannungsverhältnisses auf die Ermüdungsfestigkeit von Holz-Beton-

Verbundkonstruktionen mit eingeklebten Streckmetallen wurde in einer weiteren Ver-

suchsreihe untersucht und kann aus Abbildung 6 abgelesen werden. Bei den dargestell-

ten Versuchsreihen wurde ein Teil der Versuchsköper unter einem Spannungsverhältnis

≈ 0,09 getestet, während bei dem Rest der Prüfkörper ein Spannungsverhältnis ≈ 0,50

zugrunde gelegt wurde. Es zeigte sich, dass die Versuchskörper, die unter einem Span-

nungsverhältnis ≈ 0,09 getestet wurden, auf gleichem Oberlastniveau signifikant ge-

ringere Bruchschwingspielzahlen aufwiesen als Versuchskörper, bei denen ein Span-

nungsverhältnis ≈ 0,50 vorlag. Daraus lassen sich folgende Schlussfolgerungen ablei-

ten:

Mit wachsendem Spannungsverhältnis sinkt die ermüdungsrelevante Beanspru-

chung für eine Holz-Beton-Verbundkonstruktion mit eingeklebten Streckmetallen.

Mit wachsendem Spannungsverhältnis steigt das rechnerische Verhältnis aus

Dauerschwingdruckscherfestigkeit und der mittleren Kurzzeitdruckscherfestigkeit

FD/Fmax,m an (Tabelle 8).

Bei Holz-Beton-Verbundkonstruktion mit eingeklebten Streckmetallen wird die

Ermüdungsfestigkeit durch die Größe der Spannungsamplitude stärker beeinflusst

als durch die Größe der Mittelspannung.

Die Ermüdungsfestigkeit von Holz-Beton-Verbundbrücken mit eingeklebten

Streckmetallen wird maßgeblich durch das Eigengewicht der Brücke beeinflusst.

Brücken mit hohem Eigengewicht sind gegenüber Ermüdung weniger anfällig als

Brücken mit geringem Eigengewicht (bei Überfahrten von identischen Verkehrs-

mitteln).

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Abbildung 6: Einfluss des Spannungsverhältnisses auf die Bauteilwöhlerlinien (aus [2])

Tabelle 8: Verhältnis zwischen Dauerschwingdruckscherfestigkeit und Kurzzeitdruckscherfestigkeit in Abhängigkeit des Spannungsverhältnisses (aus [2])

Spannungsver-

hältnis

Kurzzeitdruckscher-

versuch: Fmax,m

Dauerschwingdruck-

scherversuch: FD FD / Fmax,m

[-] [kN] [kN] [-]

0,09 100,78 ~ 32,00 0,32

0,50 100,78 ~ 59,00 0,59

Die Ergebnisse aus den Untersuchungen zeigen in der Summe, dass das Verhalten von in

Holz eingeklebten und in Beton verankerten Streckmetallen unter einer schwellenden

Druckscherbeanspruchung bei den untersuchten Versuchsparametern grundsätzlich sehr

gleichmäßig, reproduzierbar und gut vorhersagbar ist. Bei ermüdungsrelevanten Bean-

spruchungen darf jedoch nicht die unter statischen Verhältnissen (in Kurzzeittraglastver-

suchen) ermittelte Tragfähigkeit von eingeklebten Streckmetallen angesetzt werden. Eine

Abminderung der statischen Tragfähigkeit der eingeklebten Streckmetalle in Abhängigkeit

der Randbedingungen Klebstoffsystem und Spannungsverhältnis muss vorgenommen

werden.

6. Untersuchungen zum Verbindungsmittel „Dübel- leiste“

In einem Forschungsvorhaben an der Bauhaus Universität Weimar wurde u.a. das Ver-

bindungsmittel ‚Dübelleiste - Stahlplatte mit aufgeschweißten Kopfbolzendübeln’ unter-

sucht und aufgrund der positiven Untersuchungsergebnisse als für den Brückenbau ge-

eignetes Verbindungssystem eingestuft ([8], [9]). Als Besonderheiten dieses Verbin-

dungsmittels (Abbildung 7) sind die relativ einfache Herstellung sowie die gut erfassbare

Beschreibung der Bemessungssituation zu nennen. Die Dübelleiste nutzt anerkannte und

langjährig bewährte Prinzipien zur Kraftübertragung (holzseitig liegt das Versatzprinzip

vor, während betonseitig auf das aus dem Stahlverbundbau bekannte Verbindungsmittel

Kopfbolzendübel zurückgegriffen wird). 2 Prüfkörper mit diesem Verbindungsmittel wur-

den im Rahmen des FuE-Vorhabens hergestellt und in Druckscherschwellenversuchen auf

ihr Ermüdungsverhalten hin getestet. Die aufgebrachte Oberlast betrug dabei 35% der

Bruchlast des statischen Kurzzeittraglastversuchs (0,35 Fmax). Das Unterlastniveau wurde

zu 0,06 Fmax festgelegt. Daraus ergab sich ein Spannungsverhältnis ≈ 0,17. Beide Prüf-

körper durchliefen die angesetzte Lastspielzahl von 2.000.000 Schwingspielen ohne Er-

müdungsversagen. Lediglich die Relativverschiebungen zwischen den Teilquerschnitten

Holz und Beton nahmen während der Versuchsdurchführung zu.

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Nach Beendigung der dynamischen Vorbelastungen und vollständiger Entlastung wurden

beide Probekörper bis zum Bauteilbruch hin beansprucht. Die dynamisch vorbelasteten

Probekörper zeigten dabei ähnliche Versagensmodi wie die Probekörper der Kurzzeit-

druckscherversuche (sprödes Abscheren der Vorhölzer). Die Tragfähigkeiten der vorbe-

lasteten Prüfkörper lagen in der gleichen Größenordnung wie die Tragfähigkeiten der

Prüfkörper der Kurzzeitdruckscherversuche.

Abbildung 7: Detailansicht des Verbindungsmittels „Dübelleiste“ (aus [8])

7. Untersuchungen zum Verbindungssystem „kreuz- weise eingeklebte Stahlstäbe“

In dem oben genannten Forschungsvorhaben an der Bauhaus Universität Weimar wurde

auch das Verbindungssystem ‚kreuzweise eingeklebte Stahlstäbe’ getestet ([8], [9]). Die

Schubübertragung zwischen den Teilquerschnitten Holz und Beton erfolgte hierbei über

zwei unter einem Winkel von 45° kreuzweise ins Holz eingeklebte Bewehrungsstäbe (BST

500) mit einem Durchmesser von jeweils 14 mm. Der Durchmesser der 50 cm tiefen

Bohrungen betrug jeweils 18 mm. Als Klebstoff wurde ein zweikomponentiger Epoxyd-

harz verwendet. Die aus dem Holzquerschnitt herausragenden Abschnitte der Beweh-

rungsstähle wurden abgewinkelt und im Frischbeton verankert. 2 auf diese Art und Weise

hergestellte Prüfkörper wurden ebenfalls in Druckscherschwellenversuchen auf ihr Ermü-

dungsverhalten hin getestet. Die aufgebrachte Oberlast betrug wiederum 35% der

Bruchlast des zugehörigen statischen Kurzzeitdruckscherversuchs (0,35 Fmax). Das Unter-

lastniveau wurde zu 0,06 Fmax festgelegt, woraus sich ein Spannungsverhältnis von ≈

0,17 ergab. Beide Prüfkörper durchliefen die angesetzte Lastspielzahl von ca. 2.200.000

Schwingspielen ohne Ermüdungsversagen. Wiederum nahmen die Relativverschiebungen

zwischen den Teilquerschnitten Holz und Beton während der Versuchsdurchführung zu.

Nach Beendigung der dynamischen Vorbelastungen und vollständiger Entlastung wurden

die Probekörper bis zum Bauteilbruch hin beansprucht. Die dynamisch vorbelasteten Pro-

bekörper zeigten ähnliche Versagensmodi wie die Probekörper der Kurzzeitdruckscher-

versuche (Stahlbruch des Zugstabes nach ausgeprägt duktiler Verformung).

Weitere Untersuchungen zur Ermüdungsfestigkeit des Verbindungsmittels‚ kreuzweise

eingeklebte Bewehrungsstäbe’ werden derzeit an der Universität Stuttgart durchgeführt

[6]. 9 Prüfkörper sollen hierbei im Rahmen von Druckscherschwellenversuchen getestet

werden, wobei bei einem festgelegten Spannungsverhältnis = 0,10 das Ober- und Un-

terlastniveau gezielt variiert werden soll. Abbildung 8 zeigt exemplarisch einen Versuchs-

körper mit eingeklebten Bewehrungsstäben vor dem Betonieren. Die Ergebnisse werden

in Kürze nach Abschluss des FuE-Vorhabens in einem Forschungsbericht veröffentlicht.

Abbildung 8: Detailansicht des Verbindungsmittels „kreuzweise eingeklebte Stahlstäbe“ (aus [6])

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8. Untersuchungsergebnisse zum Verbindungsmittel „Kerve“

An der Universität Stuttgart wird seit einigen Jahren die ‚Kerve’ als Verbindungsmittel für

Holz-Beton-Verbundkonstruktionen untersucht. In einem derzeit laufenden FuE-Vorhaben

wird hierbei erstmals die Ermüdungsfestigkeit der Kerve thematisiert [6]. 9 Prüfkörper

wurden im Rahmen von zyklischen Druckscherversuchen jeweils unter einem Span-

nungsverhältnis = 0,10 getestet, wobei in der Versuchsreihe das Ober- und Unterlast-

niveau gezielt variiert wurde. Bisher vorliegende Forschungsergebnisse zeigen, dass das

Ermüdungsversagen der Prüfkörper jeweils durch ein Schubversagen im Brettschichtholz

hervorgerufen wurde. Dieser Versagensmechanismus lässt sich gut mit dem in DIN

1074:2006, Anhang C vorgeschlagenen Bemessungsansatz für das Ermüdungsverhalten

von auf Schub beanspruchtem Holz darstellen. Die ermittelten Messergebnisse sind ge-

genüber dem Norm-Berechnungsansatz jedoch geringfügig günstiger. Die abschließenden

Forschungsergebnisse werden nach Beendigung des FuE-Vorhabens in einem For-

schungsbericht präsentiert.

9. Praxisumsetzung

Die unmittelbare Umsetzung erster Forschungsergebnisse in der Brückenbaupraxis er-

folgte in letzter Zeit für die Verbindungsmittel ‚eingeklebte Streckmetalle’ sowie ‚Dübel-

leiste’.

Bei der im November 2008 fertig gestellten Birkbergbrücke über die Wipper bei Wippra

(Abbildungen 9 und 10), wurden als Verbindungsmittel Dübelleisten eingesetzt [7]. Die

Tragkonstruktion der 15,20 m weit gespannten, als Straßenbrücke genutzten Birkberg-

brücke besteht hierbei aus zweistegigen Plattenbalken aus blockverleimtem Brettschicht-

holz (b/h = 126/70 cm).

Abbildung 9: Ansicht der Birkbergbrücke (Foto: Schaffitzel [11])

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Abbildung 10: Querschnitt der Birkbergbrücke (aus [7])

Bei der im Jahr 2007 erstellten, 17,60 m weit gespannten Unidobrücke bei Wien ([1],

[12]) wurden eingeklebte Streckmetalle als Verbindungsmittel genutzt (Abbildungen 11

und 12). Die Tragkonstruktion der Unidobrücke besteht aus drei Fischbauchträgern mit

oben liegender schubfest verbundener Betonplatte. Als Verbundsystem wurden jeweils

zweireihig in die Fischbauchträger eingeklebte Streckmetalle verwendet. Die Streckme-

talle wurden in definierten Abständen gleichmäßig über die Trägerlänge angeordnet. Sie

besaßen jeweils eine Höhe von 90 mm und wurden in 40 mm tiefe Schlitze in den Holz-

querschnitten eingeklebt. Als Klebstoffsystem wurde das Klebstoffsystem A verwendet,

das auch in den Versuchen an der MPA Wiesbaden zum Einsatz kam. Das Einkleben der

Streckmetalle erfolgte im Werk. Die 50 mm herausragenden Teile der eingeklebten

Streckmetalle wurden anschließend auf der Baustelle bei der Herstellung der Betonplatte

im Betonquerschnitt verankert.

Abbildung 11: Ansicht der Unidobrücke (Foto: TiComTec [12])

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Abbildung 12: Querschnitt der Unidobrücke (Zeichnung: Duscheck & Duscheck [10])

10. Fazit

Bei Holz-Beton-Verbundbrücken, die als Straßenverkehrsbrücken genutzt werden, ist

aufgrund der zyklisch wiederkehrenden Überfahrten der Verkehrsmittel eine Ermüdungs-

beanspruchung gegeben. Ein Nachweis gegen Ermüdungsversagen ist daher für alle Be-

standteile einer Brücke, die durch Ermüdung beansprucht werden, zu führen. Neben den

Hauptbauteilen Holz und Stahlbeton ist insbesondere auch für metallische Verbindungs-

mittel ein solcher Ermüdungsnachweis zu erbringen. Da bis vor Kurzem für diese Verbin-

dungsmittel keine wissenschaftlich abgesicherten Aussagen vorlagen, war es notwendig,

diese Erkenntnisse im Rahmen experimenteller Untersuchungen zu erbringen. Neueste

Erkenntnisse aus Forschungs- und Entwicklungsvorhaben belegen nun, dass das Ermü-

dungsverhalten von Holz-Beton-Verbundbrücken und im Speziellen das Ermüdungsver-

halten der eingesetzten Verbindungsmittel gut bestimmbar ist. Im Einzelnen liegen Er-

kenntnisse zu den Verbindungsmitteln ‚Kerve’, ‚kreuzweise eingeklebte Stahlstäbe’, ‚Dü-

belleiste’ sowie ‚eingeklebte Streckmetalle’ vor. Die Erkenntnisse ermöglichen einen ab-

gesicherten Einsatz der Holz-Beton-Verbundbauweise im Brückenbau. Mit der Birk-

bergbrücke über die Wippra und der Unidobrücke bei Wien konnten inzwischen auch zwei

Pilotprojekte ausgeführt werden, bei denen die FuE-Ergebnisse erstmals erfolgreich um-

gesetzt wurden.

11. Literatur & Quellen

[1] Bathon, L.; Bletz, O. (2008): „Holz trifft Beton”, bauen mit holz 6/2008,

Seite 28 - 33

[2] Bletz-Mühldorfer, O.: „Beitrag zur Entwicklung von Holz-Beton-Verbund-

konstruktionen mit eingeklebten Streckmetallen“, Dissertation in Arbeit, TU Dar-

mstadt, Institut für Stahlbau und Werkstoffmechanik

[3] DIN - Deutsches Institut für Normung (2006): „DIN 1074, Holzbrücken“

[4] DIN - Deutsches Institut für Normung (1978): „DIN 50100, Werkstoffprüfung, Dau-

erschwingversuch, Begriffe, Zeichen, Durchführung, Auswertung“

[5] DIN - Deutsches Institut für Normung (2009): „DIN-Fachbericht 101, Einwirkungen

auf Brücken“

[6] Kuhlmann, U.; Aldi, P. (2008): „Fatigue of timber-concrete-composite beams: char-

acterisation of the connection behaviour through push-out tests“, Proceedings of the

10th World Conference on Timber Engineering, Miyazaki, Japan

[7] Ingenieurgemeinschaft Setzpfandt (2008): „Birkbergbrücke über die Wipper bei

Wippra“, Firmenprospekt

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[8] Rautenstrauch, K.; Simon, A. (2008): „Weiterentwicklung der Holz-Beton-

Verbundbauweise unter Einsatz von blockverleimten Brettschichtholzquerschnitten

bei Straßenbrücken“, Forschungsbericht 14275 BR, Bauhaus Universität Weimar

[9] Simon, A. (2008): „Analyse zum Trag- und Verformungsverhalten von Straßenbrü-

cken in Holz-Beton-Verbundbauweise“, Dissertation, Bauhaus-Universität Weimar

[10] Fa. Duscheck & Duscheck GmbH Ingenieurholzbau, A-3032 Eichgraben, www.d2-

duscheck.at

[11] Fa. Schaffitzel Holzindustrie GmbH & Co. KG, D-74523 Schwäbisch-Hall,

www.schaffitzel.de

[12] Fa. TiComTec GmbH, D-63808 Haibach, www.ticomtec.de