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58 HMD 283 Klaus Wölfel ERP5 Starter: Open-Source-ERP-Einführung durch standardisierte Beratung Open-Source-Software (OSS) steigert dank feh- lender Lizenzkosten und verminderter Lock-in- Effekte die Attraktivität von Enterprise Resource Planning (ERP). Jedoch stellen die Beratungsleis- tungen, die für die Anpassung eines ERP-Systems an die spezifischen Bedürfnisse eines Unterneh- mens notwendig sind, eine hohe Einführungs- hürde dar. Durch einen standardisierten Bera- tungsprozess und die Vermittlung des für eine konkrete ERP-Einführung notwendigen Wissens mittels Massenindividualisierung können Unter- nehmen in die Lage versetzt werden, ein ERP- System selbst einzuführen. Dieser Ansatz wurde in »ERP5 Starter« mit und für die OSS ERP5 um- gesetzt und lässt sich auch auf andere Open- Source-Projekte übertragen. Inhaltsübersicht 1 Hürden bei der Einführung von ERP- Systemen und Lösungsansätze 2 ERP5 – das zugrunde liegende Open-Source-ERP-System 3 Der ERP5-Starter-Prozess 3.1 Befragungsprozess 3.2 Modulempfehlung, Erfolgsfälle und Basiskonfiguration 3.3 Angebot und Plan für das Trainingsprojekt 3.4 Projektphase: Trainingsprojekt und Umsetzung 4 Open Source Starter 5 Literatur 1 Hürden bei der Einführung von ERP-Systemen und Lösungsansätze Betriebswirtschaftliche Standardsoftwaresysteme, insbesondere ERP-Systeme, die das Gros der be- trieblichen Prozesse eines Unternehmens un- terstützen, sind in Großunternehmen heute kaum mehr wegzudenken. Die Verbreitung in kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) hinkt jedoch weit hinterher, zumal es viele ERP- Hersteller in den letzten Jahren nach wie vor nicht geschafft haben, ihre für Großunterneh- men entwickelten Systeme in Angebote zu wandeln, die auch für kleine Unternehmen at- traktiv sind. Dabei legen beispielsweise [Adam & O'Doherty 2000] dar, dass KMU in der Regel genauso stark an ERP-Systemen interessiert sind wie multinationale Konzerne. [Koh & Simp- son 2007] stellen in einer empirischen Studie fest, dass sich die Flexibilität und Agilität ferti- gender KMU durch ERP-Nutzung steigern lässt und sie dadurch strategische Wettbewerbsvor- teile erzielen. Jedoch zeigen z.B. [Morabito et al. 2005], dass KMU häufig die finanziellen und personel- len Ressourcen fehlen, um ERP-Systeme einfüh- ren und betreiben zu können. Zudem fürchten KMU sogenannte Lock-in-Effekte, also die Bin- dung an ein einmal eingeführtes System und seinen Hersteller (Herstellerabhängigkeit). Eine mögliche Alternative für KMU stellen deshalb Open-Source-(OS-)ERP-Systeme dar, nicht nur weil die typischerweise hohen Lizenz- kosten wegfallen, sondern insbesondere auch weil Risiken bezüglich Lock-in-Effekten abge- baut werden. Da der Quellcode dieser Systeme frei verfügbar ist, können auch Dritte Modifika- tionen durchführen [Campos et al. 2007]. Die größte Hürde für den Einsatz von ERP- Systemen stellen jedoch nicht die Lizenzkosten dar. Diese machen nur 20 % bis maximal 50 % der Einführungskosten dieser Systeme aus [Lee et al. 2009]. Wesentlich kritischer bei der Ein- führung eines ERP-Systems ist der Einführungs- prozess selbst. Dazu muss das einzuführende

ERP5 Starter: Open-Source-ERP-Einführung durch standardisierte Beratung

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Klaus Wölfel

ERP5 Starter: Open-Source-ERP-Einführung durch standardisierte Beratung

Open-Source-Software (OSS) steigert dank feh-lender Lizenzkosten und verminderter Lock-in-Effekte die Attraktivität von Enterprise ResourcePlanning (ERP). Jedoch stellen die Beratungsleis-tungen, die für die Anpassung eines ERP-Systemsan die spezifischen Bedürfnisse eines Unterneh-mens notwendig sind, eine hohe Einführungs-hürde dar. Durch einen standardisierten Bera-tungsprozess und die Vermittlung des für einekonkrete ERP-Einführung notwendigen Wissensmittels Massenindividualisierung können Unter-nehmen in die Lage versetzt werden, ein ERP-System selbst einzuführen. Dieser Ansatz wurdein »ERP5 Starter« mit und für die OSS ERP5 um-gesetzt und lässt sich auch auf andere Open-Source-Projekte übertragen.

Inhaltsübersicht1 Hürden bei der Einführung von ERP-

Systemen und Lösungsansätze2 ERP5 – das zugrunde liegende

Open-Source-ERP-System3 Der ERP5-Starter-Prozess

3.1 Befragungsprozess3.2 Modulempfehlung, Erfolgsfälle und

Basiskonfiguration3.3 Angebot und Plan für das

Trainingsprojekt3.4 Projektphase: Trainingsprojekt und

Umsetzung4 Open Source Starter5 Literatur

1 Hürden bei der Einführung von ERP-Systemen und Lösungsansätze

Betriebswirtschaftliche Standardsoftwaresysteme,insbesondere ERP-Systeme, die das Gros der be-trieblichen Prozesse eines Unternehmens un-

terstützen, sind in Großunternehmen heutekaum mehr wegzudenken. Die Verbreitung inkleineren und mittleren Unternehmen (KMU)hinkt jedoch weit hinterher, zumal es viele ERP-Hersteller in den letzten Jahren nach wie vornicht geschafft haben, ihre für Großunterneh-men entwickelten Systeme in Angebote zuwandeln, die auch für kleine Unternehmen at-traktiv sind. Dabei legen beispielsweise [Adam &O'Doherty 2000] dar, dass KMU in der Regelgenauso stark an ERP-Systemen interessiertsind wie multinationale Konzerne. [Koh & Simp-son 2007] stellen in einer empirischen Studiefest, dass sich die Flexibilität und Agilität ferti-gender KMU durch ERP-Nutzung steigern lässtund sie dadurch strategische Wettbewerbsvor-teile erzielen.

Jedoch zeigen z.B. [Morabito et al. 2005],dass KMU häufig die finanziellen und personel-len Ressourcen fehlen, um ERP-Systeme einfüh-ren und betreiben zu können. Zudem fürchtenKMU sogenannte Lock-in-Effekte, also die Bin-dung an ein einmal eingeführtes System undseinen Hersteller (Herstellerabhängigkeit).

Eine mögliche Alternative für KMU stellendeshalb Open-Source-(OS-)ERP-Systeme dar,nicht nur weil die typischerweise hohen Lizenz-kosten wegfallen, sondern insbesondere auchweil Risiken bezüglich Lock-in-Effekten abge-baut werden. Da der Quellcode dieser Systemefrei verfügbar ist, können auch Dritte Modifika-tionen durchführen [Campos et al. 2007].

Die größte Hürde für den Einsatz von ERP-Systemen stellen jedoch nicht die Lizenzkostendar. Diese machen nur 20 % bis maximal 50 %der Einführungskosten dieser Systeme aus [Leeet al. 2009]. Wesentlich kritischer bei der Ein-führung eines ERP-Systems ist der Einführungs-prozess selbst. Dazu muss das einzuführende

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ERP-System an die Anforderungen des Unter-nehmens angepasst werden. Dieser Prozesswird als Customizing oder Konfiguration desERP-Systems bezeichnet. Voraussetzung dafürist jedoch, dass das Unternehmen zunächst sei-ne Prozesse analysiert und entscheidet, welcheProzesse das ERP-System unterstützen soll undwelche Prozesse besser weiterhin ohne ERP-Unterstützung ablaufen. In vielen Fällen ist einerfolgreicher ERP-Einsatz nur durch eine Anpas-sung der Geschäftsprozesse möglich. Die Kos-ten der dafür notwendigen Beratungsleistun-gen stellen für KMU eine zusätzliche Hürde dar[Snider et al. 2009].

Die Auswahl eines ERP-Herstellers und ei-nes ERP-Integrators sind zudem einer einge-schränkten Rationalität unterworfen [Mourlon &Neyer 2002]. Ein Unternehmen, das ein ERP-System einführen möchte, kennt in der Regelnicht genau seine Anforderungen und der ERP-Integrator hat kein vollständiges Wissen überdie Funktionalität des ERP-Systems. Die einge-schränkte Rationalität ist noch stärker ausge-prägt, wenn das Unternehmen, das seine eige-nen Geschäftsprozesse gut kennt, die Anforde-rungsspezifikation an einen Berater abgibt, dermit den Geschäftsprozessen des Unterneh-mens nicht so gut vertraut sein kann wie dasUnternehmen selbst. Mit dieser Anforderungs-spezifikation würde dann ein ERP-System aus-gewählt und nach den definierten Anforderun-gen implementiert werden. Dadurch entstehtdas Risiko, dass das ERP-System zwar die spezifi-zierten Anforderungen, nicht aber den wirkli-chen Bedarf des Unternehmens abbildet[Smets et al. 2011].

Ein derzeit erforschter Lösungsansatz ist dieAutomatisierung der Konfiguration eines ERP-Systems. Angewendet auf ein OS-ERP-Systembietet dieser Ansatz das Potenzial, die Einfüh-rungskosten zu verringern [Wölfel et al. 2010].Ein ergänzender Ansatz besteht darin, den Bera-tungsprozess zur ERP-Einführung zu standardi-sieren und das Unternehmen durch die Bereit-stellung passender Dokumentation in die Lage

zu versetzen, ein ERP-System selbst einzuführenund an die eigenen Anforderungen anzupas-sen.

Um das Problem der eingeschränkten Ratio-nalität zu vermeiden, beginnt der Ansatz mit ei-nem standardisierten Befragungsprozess, indem der Kunde selbst durch eine Analyse derGeschäftsprozesse des Unternehmens geleitetwird. Die Prioritäten für die ERP-Einführungwerden nicht anhand von Anforderungslisten,sondern direkt mit dem Ziel der Verbesserungder spezifischen Geschäftsprozesse des Unter-nehmens definiert.

Der Ansatz eignet sich nicht nur für KMU,sondern auch für größere Organisationen, dieintern Kompetenzen aufbauen möchten, umein ERP-System selbstständig in unterschiedli-chen Geschäftsbereichen mit jeweils spezifi-schen Anforderungen zu implementieren. DieVoraussetzung für diesen Ansatz ist, dass imERP-System keine Barrieren existieren, die eineeigene Anpassung verhindern. Aufgrund ihrerOffenheit eignen sich hierfür deshalb insbeson-dere OS-ERP-Systeme. Der Ansatz wurde für dasOS-ERP-System »ERP5« unter dem Namen»ERP5 Starter« implementiert. Ziel des Beitragsist die Beschreibung dieses innovativen Bera-tungsprozesses und seiner Implementierungmit ERP5.

2 ERP5 – das zugrunde liegende Open-Source-ERP-System

Das OS-ERP-Projekt ERP5 wurde 2001 von zweifranzösischen Firmen, Nexedi und Coramy, ini-tiiert. Nexedi ist der Hauptentwickler von ERP5,das zuerst für den BekleidungsherstellerCoramy implementiert wurde. Seitdem wird esvon einer wachsenden internationalen Gemein-schaft u.a. in Brasilien, Bulgarien, Deutschland,Frankreich, Japan, Russland, Polen und Senegalentwickelt und genutzt. ERP5 ist sowohl auf denEinsatz in größeren Organisationen als auch inKMU ausgerichtet. Abgesehen von der Beklei-dungsindustrie wurde es in Unternehmen und

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Organisationen aus sehr unterschiedlichenBranchen eingeführt, wie Luft- und Raumfahrt,Automobilindustrie, eCommerce und Software-dienstleister sowie in einer Zentralbank, einemKrankenhaus und einer Regierungsbehörde.

Bedingt durch die erste Implementierung inder Bekleidungsindustrie wurde ERP5 ursprüng-lich als produktionsorientiertes ERP-Systemausgelegt. Als solches unterstützt es klassischeERP-Funktionen, wie Materialbedarfsplanung,Manufacturing Resource Planning (MRPII), Sup-ply Chain Management sowie Einkaufs-, Ver-triebs- und Lieferprozesse. Diese werden kombi-niert mit Modulen für Finanz- und Personalwe-sen, Buchhaltung, Rechnungswesen, Finanzpla-nung und Lohnabrechnung. Customer Relation-ship Management wird mit Modulen zurUnterstützung des Verkaufsprozesses und derBeziehungen zum Kunden (Supportanfragen,Besprechungen, Verkaufsgelegenheiten) imple-mentiert. eCommerce wird durch ein speziellesFrontend für Onlinebestellungen unterstützt(Onlineshop und eProcurement).

Alle ERP5-Funktionen werden über ein web-basiertes Interface bedient. Die Geschäftspro-zesse werden mit einer generischen Workflow-Engine implementiert. Grundsätzlich unter-scheidet sich ERP5 von anderen ERP-Systemendurch

! das zugrunde liegende Unified Business Mo-del (UBM), ein abstraktes Modell, das alle Ge-schäftsprozesse innerhalb einer und zwi-schen mehreren Organisationen über nurfünf abstrakte Konzepte abbildet, und

! seinen dokumentenzentrierten Ansatz zurImplementierung dieser Geschäftsprozesse.

Anders als ein daten- oder prozessorientierterAnsatz fokussiert der dokumentenzentrierteAnsatz auf die geschäftlichen Dokumente, ihreFelder und den Fluss der Dokumente im Unter-nehmen. Ihm liegen die Annahmen zugrunde,dass sich jeder Geschäftsprozess auf eine Reihevon Dokumenten stützt und dass diese ge-schäftlichen Dokumente die Funktionsweise ei-

ner Organisation abbilden. Die einzelnen Felderin den Dokumenten repräsentieren Daten undderen Beziehungen. Der Fluss der Dokumenteim Unternehmen repräsentiert den Arbeitsflussseiner Geschäftsprozesse [Carvalho & Monne-rat 2007].

3 Der ERP5-Starter-ProzessMit dem ERP5-Starter-Prozess soll einer großenAnzahl von Unternehmen mit unterschiedli-chen Geschäftsprozessen und Anforderungenjeweils genau das Wissen vermittelt werden,das sie für ihre spezifische Einführung des ERP-Systems benötigen. Die Vermittlung dieses Wis-sens erfolgt durch einen standardisierten Online-Beratungsprozess. Dieser eLearning-Prozess solldurch die Wiederverwendung und individuelleKomposition generischer Dokumentation mög-lichst kosteneffizient gestaltet werden. Der An-satz kann mit dem Konzept der Massenindivi-dualisierung (Mass Customization) verglichenwerden. In der Industrie bezeichnet dieser Be-griff ursprünglich individualisierte Angebote imRahmen von Massenproduktion. Im Kontextdes eLearning sollen durch Massenindividuali-sierung »die individuellen Merkmale einer sehrhohen Anzahl von Lernenden berücksichtigtwerden, aber ohne Zusatzkosten zu verursa-chen« [Nistor 2006].

Um einem Unternehmen ein spezifischesTraining für sein ERP-Einführungsprojekt zu-sammenstellen zu können, müssen zunächstdie Prioritäten für die ERP5-Einführung defi-niert werden. Dabei steht nicht die Erstellungeiner Anforderungsliste im Vordergrund, son-dern die gezielte Verbesserung der Geschäfts-prozesse des Unternehmens. Deshalb beginntERP5 Starter mit einem Befragungsprozess, beidem über einen standardisierten Fragebogendiejenigen Geschäftsprozesse identifiziert wer-den, die sich besonders für eine ERP-Unterstüt-zung eignen, um auf dieser Basis die Prioritätenfür die ERP-Einführung festzulegen.

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Mit den im Befragungsprozess gewonne-nen Informationen werden eine Liste der für diespezifische ERP5-Implementierung empfohle-nen Module und eine auf das Unternehmen ab-gestimmte Basiskonfiguration von ERP5 erstellt.Anhand passender Erfolgsfälle wird ein Projekt-plan für das ERP5-Starter-Training definiert. Die-ser enthält die Trainingsschritte, deren Durch-führung das Unternehmen in die Lage versetzt,ERP5 für sich zu implementieren. Weiterhin ent-hält der Projektplan diejenigen Leistungen desERP5-Starter-Anbieters, die es ermöglichen,dass das Unternehmen die Trainingsschrittedurchführen kann. Dazu gehören die Erstellungvon Dokumentation und die Implementierunggenerischer Funktionen. Diese werden im Rah-men des Open-Source-Projektes veröffentlicht.

Zur Unterstützung des ERP5-Starter-Prozes-ses wurde mit ERP5 Survey ein spezielles Frage-bogenmodul für ERP5 entwickelt, das über einFeedback-System und einen Review-Workflowauch die Kommunikation mit dem ERP5-Starter-Kunden standardisiert. Des Weiteren dient dasTrade-Modul von ERP5 der Unterstützung desERP5-Starter-Prozesses.

3.1 BefragungsprozessDer Befragungsprozess wird durch einen inERP5 Survey implementierten Review-Workflowunterstützt. Nach der Registrierung über einWebformular beginnt der ERP5-Starter-Kundemit dem Ausfüllen eines standardisierten Online-Interviews. Es hat zum Ziel,

! diejenigen Geschäftsprozesse zu identifizie-ren, deren Effizienz und/oder Effektivitätdurch ERP-Unterstützung verbessert würde,um darauf aufbauend

! die Prioritäten für die ERP5-Implementierungfestzulegen und

! die für die Erstellung einer ERP5-Basiskonfigu-ration notwendigen Informationen über dasUnternehmen und seine Umwelt abzufragen.

Das Interview besteht derzeit aus 80 Fragen.Zum besseren Verständnis der Fragen erlaubt

ERP5 Survey neben der Eingabe eines Erklä-rungstextes die Auswahl von Beispielfällen. Bei-spielfälle sind bereits ausgefüllte Fragebögenaus bisherigen ERP5-Starter-Projekten, derenAntworten als Beispiele zu jeder Frage ange-zeigt werden.

Mit jedem neuen ERP5-Starter-Projekt erge-ben sich aus den spezifischen Anforderungendes Unternehmens neue Fragen, die noch nichtim Standardinterview enthalten sind. Um einegrößtmögliche Standardisierung des ERP5-Starter-Prozesses zu erreichen, werden diese neuenFragen nach der ersten Interviewrunde in denStandardfragebogen integriert, sodass die An-zahl der Fragen mit jedem neuen ERP5-Starter-Projekt wächst und sich der Fragebogen mit derZeit einer vollständigen Abdeckung annähert.

Um die Anzahl der Fragen, die einem ERP5-Starter-Kunden gestellt werden, trotzdem mög-lichst klein zu halten, bietet ERP5 Survey dieMöglichkeit, Regeln zu definieren, nach denenbestimmte Fragen in Abhängigkeit vorherigerAntworten entweder gestellt oder übersprun-gen werden (vgl. Abb. 1). Dadurch kann die An-zahl der tatsächlich gestellten Fragen deutlichreduziert und der Interviewprozess beschleu-nigt werden. Es hat sich jedoch gezeigt, dasseine manuelle Definition der Regeln aufgrundder komplexen Abhängigkeiten zwischen denFragen recht aufwendig ist. Deshalb wird der-zeit im Rahmen des europäischen Forschungs-projektes »Cloud Consulting« (www.eurekanet-work.org/project/-/id/6021) ein auf Entschei-dungsbäumen basierendes Verfahren desmaschinellen Lernens entwickelt, mithilfe des-sen die für das konkrete ERP5-Starter-Projekt re-levanten Fragen ohne manuelle Regeldefinitiondynamisch abgeleitet werden können.

Zur Standardisierung der Kommunikationmit dem Unternehmen in der Interviewphaseintegriert ERP5 Survey ein Feedback-System undeinen Review-Workflow. Das Interview wirddazu in Iterationen durchgeführt. Damit wirdsichergestellt, dass der Standardfragebogenmit jedem neuen ERP5-Starter-Projekt verbes-

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sert wird und Reviews in späteren Projektenwiederverwendet werden können.

Über das Feedback-System kommuniziertder Interviewte Probleme mit dem Fragebogen.Über eine Kommentarfunktion kann er Rückfra-gen bei einem Verständnisproblem stellen. ImERP5-Starter-Prozess soll ein derart markierterKommentar in der folgenden Interviewiterationzu einer Verbesserung des Erklärungstextes zuder entsprechenden Frage im Standard-fragebogen führen. Eine zweite Markierungdient dazu, Fragen zu identifizieren, die nicht inden Kontext der spezifischen ERP-Einführungpassen. Diese Markierungen werden zur manu-ellen Erweiterung des Regelsystems zur Fragen-auswahl genutzt bzw. fließen in den Trainings-datensatz für den maschinellen Lernalgorith-mus ein. Falls bei einer Multiple-Choice-Fragekeine der vorgegebenen Antworten passt, kannder Interviewte eine Freitextantwort geben, diedann nach Beendigung des Interviewprozesses

in den Standardfragebogen aufgenommenwird.

Sobald der ERP5-Starter-Kunde den Frage-bogen komplett ausgefüllt hat, wechselt die-ser in den »submitted« Zustand des Review-Workflows. Jetzt beginnt die Reviewphase, inder Korrekturen zu den Antworten des ERP5-Starter-Kunden erstellt werden. Diese Korrektu-ren sind insbesondere bei den Fragen zu denGeschäftsprozessen des Unternehmens und denPrioritäten für die ERP5-Implementierung not-wendig. Diese Fragen werden offen gestellt undkönnen im Gegensatz zu Multiple-Choice-Fragenmit einem freien Text beantwortet werden.

Über die Antworten soll zum einen heraus-gefunden werden, welche Geschäftsprozesseim Unternehmen nicht erfolgreich sind und voneiner Unterstützung durch ein ERP-System pro-fitieren würden. Zum anderen sollen aber auchdiejenigen Prozesse identifiziert werden, die inder jetzigen Form besonders erfolgreich verlau-

Abb. 1: Visualisierung von Regeln zur Anzeige von Fragen in ERP5 Survey

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fen und die durch die Einführung eines ERP-Systems nicht beeinträchtigt werden dürfen.Die Antworten auf diese Fragen sind in der ers-ten Iteration oft nicht präzise genug oder sie fo-kussieren zu stark auf Produkte, Technik oderPersonen statt auf die Prozesse.

In den Korrekturen wird oft eine Präzisie-rung der Antwort oder ein Fokuswechsel vorge-schlagen. Sie stellen einen Teil der Beratungs-leistung im ERP5-Starter-Projekt dar. Dabei hatsich gezeigt, dass es trotz der jeweils sehr spezi-fischen Situation des einzelnen Unternehmensimmer wiederkehrende Muster bei den Korrek-turen gibt. Deshalb erfolgen die Korrekturen insemistandardisierter Form. Dabei wird zwi-schen einem allgemeinen Teil und einem spezi-fischen Teil der Korrektur unterschieden. Der all-gemeine Teil ist das sich wiederholende Muster,das bei unterschiedlichen Interviews auftretenkann. Das in ERP5 Survey implementierte Re-viewsystem bietet alle zu einer Frage passendenMuster in einer Auswahlliste an. In manchenFällen ist eine spezifische Erklärung zur Anwen-dung der Korrektur auf den konkreten Fall hilf-reich. Diese kann in einem ergänzenden Kom-mentar der Antwort angefügt werden. Durchdie Wiederverwendung von Korrekturmusternwird der Reviewprozess standardisiert und be-schleunigt. Die Abstraktion der Korrekturen ineinen allgemeinen und einen spezifischen Teilist zudem Voraussetzung für ein Vorschlagssys-tem, bei dem wahrscheinliche Korrekturen mit-hilfe von maschinellem Lernen automatisch zu-geordnet werden. Das Vorschlagssystem wirdebenfalls im Rahmen des Projektes »Cloud Con-sulting« entwickelt.

Nach Abschluss des Reviews beginnt mitder Workflow-Transition »Request Improve-ments« eine neue Iteration im Befragungspro-zess, bei der der Kunde die erbetenen Änderun-gen umsetzt und den Fragebogen anschließenderneut einreicht. Die Iterationen werden so lan-ge wiederholt, bis keine Korrekturen mehr not-wendig sind. Erst dann beginnt die Erstellungder Basiskonfiguration und des Projektplans für

das Trainingsprojekt. Zur Ermöglichung des ma-schinellen Lernens implementiert ERP5 Surveyein Versionsmanagement, mit dem alle Iteratio-nen des Fragebogens zusammen mit den Kor-rekturen archiviert werden.

Der beschriebene Befragungsprozess stellteine asynchrone, standardisierte Form einesERP-Beratergesprächs dar, bei dem neue Fragen,Feedback und Korrekturen aus einem Interviewin zukünftige Befragungsprozesse einfließen.

3.2 Modulempfehlung, Erfolgsfälle und Basiskonfiguration

Nach Abschluss des Befragungsprozesses wirdbasierend auf den im Fragebogen festgelegtenPrioritäten für die ERP-Einführung eine Empfeh-lung erstellt, welche ERP5-Module sich beson-ders zur Unterstützung der Prozesse des Unter-nehmens eignen.

Um in der Lage zu sein, ERP5 selbst einzu-führen, muss das Unternehmen verstehen, wiedie empfohlenen Module in einem konkretenAnwendungskontext implementiert werdenkönnen. Deshalb werden dem ERP5-Starter-Kunden Erfolgsfälle zur Verfügung gestellt, diezu den definierten Prioritäten der ERP5-Einfüh-rung passen. Erfolgsfälle beschreiben Erfahrun-gen aus früheren ERP5-Einführungsprojekten.

Schließlich wird auf Basis der im Fragebo-gen angegebenen Informationen eine Basis-konfiguration von ERP5 entworfen, die soge-nannte Category Configuration. Kategorien die-nen in ERP5 der hierarchischen Klassifizierungvon Geschäftsobjekten. Sie definieren nicht nurdie Struktur des Unternehmens, sondern auchseine geschäftliche Umwelt aus Sicht des Un-ternehmens in einer Taxonomie. Jedes Ge-schäftsobjekt in ERP5 kann mit einer oder meh-reren Kategorien verknüpft werden. Kategorienwerden in ERP5 über alle Module hinweg inten-siv genutzt. Manche Kategorien unterscheidensich nur wenig oder gar nicht in verschiedenenERP5-Implementationen, z.B. die Kategorie»quantity_unit«. Andere, wie »activity« oder»product_line«, müssen individuell für ein spe-

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zifisches Unternehmen definiert werden. DieseKategorien werden für den ERP5-Starter-Kunden auf Basis der im Fragebogen angegebe-nen Informationen definiert. Der ERP5-Starter-Kunde kann diese Basiskonfiguration nach eige-nen Wünschen anpassen.

Obwohl Kategorien die Funktionsweise vonERP5 sehr stark beeinflussen, können sie kom-plett unabhängig von ERP5 definiert werden.Sie werden mit einer Tabellenkalkulation er-stellt und später in ERP5 importiert, sodass zurDefinition der Kategorien kein Zugriff auf dieERP5-Instanz des Unternehmens erforderlichist.

In ERP5 Survey werden Modulempfehlun-gen, Erfolgsfälle und Kategorienkonfigurationmit dem ausgefüllten ERP5-Starter-Fragebogenverknüpft. Dadurch können sie für unterschied-liche ERP5-Starter-Projekte wiederverwendetwerden. In Zukunft sollen sie durch die im Pro-jekt »Cloud Consulting« entwickelten Metho-den des maschinellen Lernens automatisch zu-geordnet werden.

3.3 Angebot und Plan für das Trainingsprojekt

Nach Abschluss des Befragungsprozesses wirdauf Basis der festgelegten Prioritäten für dieERP5-Einführung ein Plan für die Trainingspha-se des ERP5-Starter-Projektes erstellt. Er defi-niert Meilensteine für das ERP5-Starter-Training.Ein Meilenstein beschreibt einen Wissensstand,über den der ERP5-Starter-Kunde zum Erreichendes Meilensteins verfügen sollte, z.B. »Der ERP5-Starter-Kunde ist in der Lage, das Finanzpla-nungsmodul von ERP5 zu konfigurieren«.

Für jeden Meilenstein definiert der Projekt-plan Trainingsschritte für den ERP5-Starter-Kunden, deren Umsetzung zur Erreichung desMeilensteins führt. Die Trainingsschritte beste-hen im Lesen von Dokumentationen undDurcharbeiten von Tutorials, die das zur spezifi-schen ERP5-Einführung notwendige Wissenvermitteln.

Der Projektplan definiert weiterhin Leistun-gen des Anbieters, die den ERP5-Starter-Kundenin die Lage versetzen, die für ihn definiertenTrainingsschritte zur Erreichung der Meilenstei-ne auszuführen. Dazu zählt die Erstellung feh-lender Dokumentation oder die Implementie-rung fehlender generischer Funktionen, die not-wendig sind, damit das Unternehmen ERP5 sokonfigurieren kann, dass seine spezifischen An-forderungen erfüllt werden.

Für die vom ERP5-Starter-Kunden auszufüh-renden Trainingsschritte wird die notwendigeArbeitszeit geschätzt. Für die Leistungen desAnbieters werden Arbeitszeit und der sich ausdem Stundensatz ergebende Preis definiert. DieGesamtkosten zur Erreichung eines Meilen-steins ergeben sich aus den Preisen der zur Er-reichung notwendigen Leistungen des Anbie-ters (externe Kosten) und der Arbeitszeit, dieder Kunde zur Durchführung der notwendigenAufgaben schätzungsweise benötigt (interneKosten). In vielen Fällen sind zur Erreichung ei-nes Meilensteins keine Leistungen auf Anbie-terseite notwendig, wobei dann keine externenKosten für den ERP5-Starter-Kunden entstehen.

Der Projektplan für das Trainingsprojekt imERP5-Starter-Prozess dient gleichzeitig als An-gebot an den ERP5-Starter-Kunden. Das Trade-Modul von ERP5 eignet sich sehr gut zur Erstel-lung dieser Art von Angebot, da Angebotsposi-tionen hierarchisch untergliedert und unter-schiedliche Leistungserbringer definiert wer-den können. Dabei werden Meilensteine alsAngebotspositionen definiert, die in Unterposi-tionen gegliedert sind, die die einzelnen Leis-tungen darstellen. Für jede Leistung ist alsLeistungserbringer entweder der ERP5-Starter-Kunde oder der Anbieter definiert. Dadurchkönnen sowohl die externen als auch die inter-nen Kosten des ERP5-Starter-Projektes darge-stellt werden.

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3.4 Projektphase: Trainingsprojekt und Umsetzung

Das ERP5-Starter-Projekt wird nach den im Pro-jektplan definierten Meilensteinen durchge-führt. Dabei gibt der ERP5-Starter-Kunde zu-nächst die zur Erreichung des Meilensteinserforderlichen Leistungen in Auftrag. Die Leis-tungen sind generischer Natur und fließen indas Open-Source-Projekt ein.

Beispiel ist eine Kommune, die ihre Finanz-planung mit ERP5 unterstützen möchte. Einerder Meilensteine lautete: »Der ERP5-Starter-Kunde ist in der Lage, das Finanzplanungsmo-dul von ERP5 zu konfigurieren.« Das Finanzpla-nungsmodul in ERP5 existiert, ist aber bisherauf die speziellen Anforderungen vorherigerKundenprojekte zugeschnitten. Als Leistungwurde deshalb im Projektplan definiert, be-stimmte Funktionen zum Finanzplanungsmo-dul hinzuzufügen, sodass es universell einsetz-bar ist und auch den Prozess des ERP5-Starter-Kunden unterstützen kann. Die bisher verstreu-te und projektbezogene Dokumentation wird ineinem Tutorial zusammengefasst. Der Online-Fragebogen wird um mehrere Fragen zur Konfi-guration der speziell für die Finanzplanung not-wendigen Kategorien erweitert.

Der ERP5-Starter-Kunde führt dann Installa-tion, Konfiguration und Anpassungen an seinerERP5-Instanz mit dem im ERP5-Starter-Projektgewonnenen Wissen eigenverantwortlichdurch. Für den Fall, dass dabei ein Fehler auf-tritt, definiert ERP5 Starter ein Vorgehen zurFehlerbehebung, das die Verantwortlichkeitenzwischen ERP5-Starter-Anbieter und ERP5-Starter-Kunden klar regelt und eine Fehler-behebung durch den Anbieter ermöglicht, ohneauf die konkrete Instanz des Kunden zugreifenzu müssen.

Im ersten Schritt erstellt der ERP5-Starter-Kunde eine reproduzierbare Beschreibung desVorgehens, das zu dem Fehler führt. Für jedenSchritt wird diese mit einem Bildschirmfoto er-gänzt. Er beauftragt dann den ERP5-Starter-

Anbieter, diese Fehlerbeschreibung in einen funk-tionalen Test zu überführen. Dieser Test erstelltwiederum automatisch Bildschirmfotos für je-den Schritt. Auf diese Weise kann gezeigt wer-den, ob der Fehler wirklich ein Fehler in ERP5 istoder auf einen Fehler bei der Konfigurationoder Bedienung zurückgeht. Hat der automati-sche Test ergeben, dass es sich um einen Fehlerin ERP5 handelt, behebt der Anbieter den Feh-ler im ursprünglichen Quellcode von ERP5, dender ERP5-Starter-Kunde dann in seiner spezifi-schen ERP5-Implementierung nutzen kann. Derfunktionale Test stellt für beide Seiten transpa-rent sicher, dass der Fehler tatsächlich behobenwurde.

4 Open Source StarterERP5 Starter wurde als standardisierter ERP-Beratungsprozess beschrieben mit dem Ziel,ein Unternehmen in die Lage zu versetzen, einOS-ERP-System selbst einzuführen und für dieeigenen Anforderungen zu konfigurieren. DerAnsatz lässt sich als Open-Source-Starter-Prozess auf andere Open-Source-Projekte über-tragen, die für einen effektiven Einsatz an denspezifischen Anwendungskontext eines Unter-nehmens angepasst oder konfiguriert werdenmüssen.

Der Befragungsprozess mit standardisier-tem Online-Fragebogen, Feedback-System undReview-Workflow eignet sich zur Ergründungder Anforderungen des Unternehmens und zurFestlegung der Prioritäten der OSS-Einführung.Bei Open-Source-Projekten mit einer breitenfunktionellen Abdeckung stellt die Empfehlungzur Auswahl der Funktionsbereiche, Erweite-rungen oder Plug-ins ein erstes Beratungser-gebnis dar. Über die Bereitstellung passenderFallbeschreibungen bisheriger Implementatio-nen der Software gibt der Anbieter dem Kundenfür das Einführungsprojekt relevante Erfahrungweiter. Die Erstellung einer Basiskonfigurationdurch den Anbieter eignet sich dann, wenn

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Standardisierte ERP-Einführungsberatung

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! die Basiskonfiguration unabhängig von derInstanz der Software definiert werden kann,

! der Anbieter die Basiskonfiguration effektiverund effizienter erstellen kann als der Kundeund

! der Kunde den Nutzen der Basiskonfigurationfür sein Einführungsprojekt nachvollziehenkann.

Der Kern des Open-Source-Starter-Prozesses be-steht darin, dem Kunden genau diejenige Doku-mentation zur Verfügung zu stellen, die er für sei-ne spezifische Einführung der OSS benötigt.Dazu wird im Projektplan definiert, welche Doku-mentation oder generischen Funktionen vom An-bieter entwickelt werden, damit das Unterneh-men in der Lage ist, die OSS selbst einzuführen.

Das Open-Source-Projekt profitiert von die-sem Kommerzialisierungsansatz, da die hierbeivom Kunden in Auftrag gegebenen Leistungengenerischer Natur sind und in Form von Quell-code oder Dokumentation direkt in das Open-Source-Projekt integriert werden.

[Sauer et al. 2007] identifizieren in einerempirischen Untersuchung Volatilität im Pro-jektmanagement als starken Einflussfaktor aufden Erfolg von IT-Projekten. Zur Reduzierungvon Projektrisiken empfehlen sie daher, in eige-nes Schlüsselpersonal zu investieren, um Konti-nuität bei IT-Projekten sicherzustellen. Dieswird durch den Open-Source-Starter-Ansatz un-terstützt: Das Implementierungsprojekt wirdvon Mitarbeitern des Unternehmens selbst ge-leitet und durchgeführt. Die externen Kostensind dadurch geringer als bei einer Implemen-tierung durch einen externen Integrator. DerGroßteil der Projektkosten entsteht unterneh-mensintern. Die Gesamtkosten sind damitnicht unbedingt geringer als bei einer externenImplementierung, jedoch dienen sie gleichzei-tig als Investition zum Wissens- und Erfah-rungsaufbau bei den eigenen Mitarbeitern.

Aus Sicht eines KMU eignet sich der Ansatzinsbesondere dann, wenn die einzuführendeOSS die Kernprozesse unterstützt. In diesem Fallermöglicht es Open Source Starter, durch Stan-

dardisierung die externen Kosten zu senkenund durch Investition in internen Kompetenz-aufbau eine größere Unabhängigkeit und Fle-xibilität bei der Unterstützung der Kernprozes-se zu erreichen. Für größere Organisationen eig-net sich dieser Ansatz zum Aufbau internerKompetenzen, um dasselbe Open-Source-System selbstständig in unterschiedlichenGeschäftsbereichen mit jeweils spezifischenAnforderungen einzuführen.

Durch die Trennung zwischen dem Befra-gungsprozess und der Projektphase können Ri-siken, die durch eingeschränkte Rationalitätentstehen, abgebaut werden. Der Befragungs-prozess und seine Ergebnisse (Modulempfeh-lung, Bereitstellung der Erfolgsfälle, Basiskonfi-guration und Projektplan) können aufgrund derhohen Standardisierung zu einem niedrigenFestpreis angeboten werden. Gleichzeitig die-nen sie zum Abbau derjenigen Informationsde-fizite, die zur eingeschränkten Rationalität füh-ren. Der Großteil der Kosten und Risiken ent-steht erst in der Projektphase. Diese könnennach dem Befragungsprozess vom Unterneh-men besser eingeschätzt werden.

Die vorgestellten Werkzeuge zur Unterstüt-zung des ERP5-Starter-Prozesses sind als ERP5-Module wie ERP5 selbst als Open Source verfüg-bar. Sie sind unabhängig von ERP5 Starter ein-setzbar und können für die Unterstützung ei-nes »Starter«-Prozesses für andere OSS konfi-guriert werden.

Weite Teile des ERP5-Starter-Prozesses kön-nen durch maschinelles Lernen teilautomati-siert werden. Die Automatisierungsmethodensind für Implementierungen des Starter-Prozes-ses für andere Open-Source-Projekte wiederver-wendbar. Jedoch müssen zu ihrer Anwendungjeweils die entsprechenden Trainingsdatensät-ze für das maschinelle Lernen gewonnen wer-den. Im Rahmen des Projektes »Cloud Consul-ting« wird derzeit die Automatisierung der Aus-wahl der relevanten Fragen, des Reviewprozes-ses, der Erstellung der Basiskonfiguration, derModulempfehlungen sowie der Auswahl der re-

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Standardisierte ERP-Einführungsberatung

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levanten Erfolgsfälle erforscht. Eine Automati-sierung der Definition des Projektplans, insbe-sondere der Zuordnung zu den relevanten Tuto-rials, würde die Effizienz des ERP5-Starter-Prozesses weiter verbessern.

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Dipl.-Wirt.-Inform. Klaus WölfelNexedi GmbHSchnorrstr. 3801069 [email protected]