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Uferinspirierte Texte aus den Jahren 2008 – 2010 von Stephanie Bart, Claudia Bitter, Friedrich Hahn, Andra Joeckle, Anna-Elisabeth Meyer, Helge Streit und Landart-Kunstwerke von Wolfgang Buntrock, Frank Nordiek, Hans Schmidt, Wolfgang Richter und v.a.
u f e r i n s p i r i e r t e l i t e r a t u r u n d l a n d a r t
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die gegend ist meine sprache
meine wrter an die drren ste der birken gehngtschaukeln leicht im novemberwindmeine wrter ins grnweiche waldmoos gebettetrekeln sich und schnurren meine wrter weit in den see hinausgeworfenspringen ein paar mal bers wasser und versinkenmeine wrter in reih und glied am ufer aufgestellt lassen sich von wellen umsplen und hhlen nicht ausmeine wrter auf der saftigen kuhweide abgesetztlaufen unter den beinen der khe hin und her meine wrter aufs gipfelkreuz gebunden rufen den namen des berges in die aussicht meine wrter in den ersten winterwind geheftet fliegen fort und winken zum abschied
die gegend spricht meine sprache ist gegend
Claudia Bitter
ISBN 978-3-7013-1147-7
Wenn im Salzburger Seenland der Herbst
Einzug hlt, die Sonnenhungrigen den
Ufern langsam den Rcken kehren, Boote
und Stege eingeholt und gesichert werden,
beziehen Jahr fr Jahr zwei ausgewhlte
AutorInnen ihre Quartiere am Wallersee
und beginnen zu schreiben. 2005 wurde
dieses Stipendium vom Kulturverein
KunstBox Seekirchen mit dem Ziel ins
Leben gerufen, der inspirativen Atmos-
phre der Wallersee-Ufer auf den Grund zu
gehen, die schon Zuckmayr, Horvth und
Bernhard zu Lebzeiten faszinierte.
Die erste Wallersee-Anthologie enthlt die
am Ufer entstandenen Texte: Aufzeich-
nungen, Gedanken, Geschichten und
Gedichte von Zdenka Becker, Claudia
Bitter, Christian Futscher, Semier Insayif,
Johanna Straub und Jochen Weeber, die
bei ihren Wallersee-Aufenthalten entstan-
den sind.
Die Fotografien in dieser Anthologie ver-
suchen den Zauber des Wallersees und sei-
ner Uferbereiche einzufangen. Entstanden
sind die Bilder im Zeitraum 1984 bis 2008,
aufgenommen von Leo Fellinger, Fotograf
und Kunstvermittler. Er kam 1984 nach
Seekirchen am Wallersee und fasste sehr
bald eine Zuneigung zu dieser Landschaft,
in die der Wallersee eingebettet ist. Die
unspektakulre Schnheit, den Wider-
spruch von Bescheidenheit und Gre
versuchte er in seinen Bildern festzuhal-
ten. Fotografieren ist eine Art zu leben,
sagte einst Cartier-Bresson. So betrach-
tet sind diese Bilder Lebensbilder einer
Landschaft.
Leo Fellinger, geboren 1955 in Salzburg,
lebt in Seekirchen, wo er gemeinsam mit
seiner Frau Verena und Freunden ein Kultur-
zentrum fr das Salzburger Seenland auf-
baute und damit auch den Grundstein fr
das Literaturprojekt Auf der Suche nach
der Inspiration des Ufers legte.
ERzHlTE lANDSCHAFT
e d i t i o n KUNSTBOX i m o t t o m l l e r V e r la g
e d i t i o N KUNSTBOX i m o t t o m l l e r V e r la g
erzhlte landschaft
Uferinspirierte texte aus den Jahren 2008 2010
von Stephanie Bart, Claudia Bitter, Friedrich Hahn,
andra Joeckle, anna-elisabeth meyer, Helge Streit.
landart-Kunstwerke von Wolfgang Buntrock, Frank
Nordiek, Hans Schmidt, Wolfgang richter und v.a.
e d i t i o N KUNSTBOX i m o t t o m l l e r V e r la g
erzhlte landschaft
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I n h a l t
Einleitung 7
Helge Streit Treibgut 12
Andra Joeckle Heimweh nach dem nackten See 26
Friedrich Hahn In den Farben der Nacht 40
Anna-Elisabeth Mayer Nach Californien springen 62
S.U. Bart Ach n 70
Abgeschrieben 76
Der Gerufene erscheint 82
Claudia Bitter Landartgedichte 88
Die AutorInnen 96
Die Landart-Knstler 100
Landart und Fotografie 106
Landart-Index nach Bildern 112
Dank 117
Impressum 120
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als ob Kunst nicht auch Natur wre und Natur Kunst! So interpretierte einst Christian
morgenstern das enge Verhltnis von mensch und Natur im knstlerischen Schaffen, denn
die Natur war schon immer eine unerschpfliche inspirationsquelle fr die gestaltung der
menschlichen Umwelt. die inspirierenden Krfte, die sich in der auseinandersetzung mit
Natur und landschaft entfalten, wirken auch auerhalb der mechanismen, mit denen wir
ein abbild unserer Welt schaffen wollen - sie wirken im Verborgenen, als atmosphrische
grundlage, vor allem in der literatur, beim Schreiben und dichten. aber auch in der krea-
tiven disziplin landart, die Kunst und Natur zu einer einheit verbinden will, geht es darum,
sich von der umgebenden landschaft anregen zu lassen und einen Platz in ihr zu finden.
Beide angesprochenen Herangehensweisen sind zentrale Wirkungsfelder des Kulturvereins
Kunstbox in Seekirchen am Wallersee, dessen Ufer auch der inhaltliche ausgangspunkt
des literatur-Projektes auf der Suche nach der inspiration des Ufers - literaturlandschaft
Wallersee ist. Jahr fr Jahr werden autorinnen eingeladen, am Ufer wohnend zu schreiben
und die inspiration des Ufers in sich aufzunehmen, um sie uns in Form ihrer erzhlungen
und gedichte wieder zurckzugeben. Sie sind die jngsten in der historischen reihe
bekannter literaten, die sich ihre inspiration an den Ufern des Wallersees holten: Carl
und alice Herdan-Zuckmayer, thomas Bernhard und Johannes Freumbichler, dn von
Horvth, Sylvester Wagner, Franz Stelzhamer und viele mehr. Nun ist dieses Projekt sechs
Jahre und elf Schriftsteller jung, elf wunderbare menschen durften wir kurze Zeit begleiten
und kennenlernen. diese zweite anthologie enthlt die am Ufer entstandenen texte von
fnf autorinnen der Jahre 2008 bis 2010.
das zweite Projekt die stille Kraft der Vergnglichkeit - landart im Salzburger Seeland
hingegen befasst sich mit einer Kunstform, die dazu beitragen kann, die Natur thematisch
neu fr den menschen zu erschlieen. landart reflektiert die gegebenheiten unvernderter
oder gestalteter Natur, betont mit einer groen sthetischen Komponente die eigenheiten
E I n l E I t u n g
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der speziellen landschaft. die arbeit mit unterschiedlichen materialien und Farben schrft
den Blick, macht aufmerksam, verndert unsere Sichtweise der dinge. die arbeit selbst wie
auch die rezeption des ergebnisses vergrern das Verstndnis fr das Wesen der Natur.
die Komponenten Zeit, Wetter, licht, tages- und Jahreszeiten sind mitgestalter dieser
knstlerischen auseinandersetzung. Seit 2007 bespielt der Kulturverein Kunstbox die viel-
fltige landschaft des Salzburger Seelandes und ldt landart-Knstler ein, ihre Spuren in
der landschaft zu hinterlassen. aber auch kunstinteressierte erwachsene und Schler erhal-
ten in dreitgigen Workshops die mglichkeit, sich aktiv mit landschaft und landschafts-
elementen auseinanderzusetzen. orte werden entdeckt, inspirationen gesucht, mit den
verschiedensten materialien experimentiert - es entstehen vergngliche Kunstwerke, die
am ende des Workshops der landschaft bergeben werden. diese anthologie enthlt Bilder
beispielhafter Kunstwerke, die in den letzten Jahren entstanden sind.
das Zusammenspiel von Natur und Kunst im Seenland mit seinen inspirierenden
landschaften, sichtbaren und unsichtbaren Horizonten soll sich in diesem Buch wider-
spiegeln und die augen ffnen fr andere, berraschende Perspektiven.
Leo Fellinger, Kulturverein KunstBox
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t r E I b g u t
Prosastcke von Helge Streit
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Wre ich einen tag frher hier angekommen, htte ich noch einen verspteten Sommer
erlebt, und den anschlieenden, pltzlichen Herbsteinbruch mit regen, Schneefall,
Sturmben und kaltem Wind. Vielleicht stelle ich mir deshalb das herbstliche Still-
Werden am See in diesem Jahr wie eine Flucht vor, und mit diesem gedanken sehe ich
berall die Spuren dieser berhasteten abreise. auch in den anderen Jahren wren die
Satellitenschsseln auf den jetzt unbewohnten Wohnwagen des Campingplatzes Fenninger
Spitz zu sehen, so aber scheinen sie mir eben noch im lauschen begriffene ohren, die eine
Botschaft empfangen, die niemanden mehr erreicht. Zwei Fahrrder stehen nur deshalb
vor der geschlossenen rezeption, weil sie es nicht vermochten, ihre Besitzer rasch genug
fortzubringen. Sogar die tr eines der Ferienhuser zwischen Ufer und dem Schlachter
Bach steht offen. ich gehe bis in den ersten Stock hinauf. alles ist da, nur die menschen
scheinen verschwunden. auch die Natur wurde von der pltzlichen Klte berrascht. der
lwenzahn hatte keine Zeit mehr, seine Samen abzuwerfen. Schneeflocken sticken auf
seinen runden Kpfen kleine Hauben. im Henndorfer Seefreibad liegen auf einem der
tische des lokals noch die abrechnungen, als wre dort jemand mitten in der arbeit auf-
gestanden. die benachbarten tische sind gedeckt, die roten Servietten aufgefaltet, in der
mitte stehen vier Weinglser. am Ufer wirbelt die Sturmwarnung das licht hinaus auf den
bleigrauen See. die Wellen tragen als treibgut die Spuren des zurckliegenden Sommers
wie artefakte einer untergegangenen Kultur ans Ufer. den Badeschuh eines Kindes, eine
gelbe Spielzeugente, ein ruderblatt aus Plastik.
Wenn ich mich abends in meinem Zimmer auf dem Platz am tisch zurcklehne und von der
Seite her auf die jetzt nachtdunklen Fensterscheiben blicke, erkenne ich an ihrem oberen