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ESCA-Untersuchungen an einer durch PA6 und PA 6.6 korrodierten Cr MoV-Sonderstahloberflache D. Braun*, H. Brito* und K. Rohkel** Eine Spritzgieaschneckenspritze aus CrMoV-Sonderstahl, die durch die Verarbeitung mit glasfaserverstarktem Polyamid korrodiert war, wurde spektroskopisch untersucht, um die chemischen Veranderun- gen auf der Stahloberflache zu bestimmen. Von einem Segment dieser Spitze wurden mit ESCA (Electron Spectroscopy for Chemical Analy- sis) Ubersichtsspektren und Tiefenprofile angefertigt. So wurden chemische Veranderungen, hervorgerufen durch chemi- sche Reaktionen zwischen der Polyamidschmelze und der Stahlober- flache, bis zu Schichttiefen von 2-4 pm nachgewiesen. Tiefe und Art der Korrosionserscheinungen sind vom Korrosionsmedium (Poly- amidschmelze) und der Stahlbeschaffenheit abhangig. Die Polyamidschmelzekorrosion fiihrt zur Verarmung sowohl von Chrom als auch von Mangan in den obersten Schichten. Die vorwiegend aus FezB (und FeB) bestehende, besonders harte Oberflachenschicht wird durch die Verarbeitung der PA-Schmelze abgetragen. Es kommt zur Kohlenstoffanreicherung auf der Oberfla- che durch Ablagerungen organischen Ursprungs aus der Polyamid- schmelze. ESCA-Studies on PA 6 and PA6.6 Corroded Surface of CrMoV-Steel A CrMoC screw tip of an injection molding machine has been cor- roded during the processing of glassfibre reinforced polyamide and has been spectroscopically studied in order to determine the chemical modifications of the steel surface. Survey and depth profile ESCA spectra (Electron Spectrocopy for Chemical Analysis) from one seg- ment of the screw tip were measured. In this way chemical changes due to the chemical reactions of poly- amide melt with the steel surface up to 2-4 pm depth were deter- mined. The depth and the typ on the surface modifications were found to depend on the corrosion environment (polyamide melt) and on the steel surface composition. The corrosion due to polyamide melt leads to impoverishment both of the chromium and of the manganese in the investigated depth (2-4 pm) of the steel surface. A demage of the extremely hard upperlayer (mainly consisting of FezB und FeB) occurs during the processing of the polyamide melt. An enrichment of carbon on the steel surface due to deposits of organic materials from the polyamide melt was found. 1 Einleitung Bei der Verarbeitung von Kunststoffen rnit SpritzgieSma- schinen und Extrudern kommt es zu VerschleiSerscheinungen an einzelnen Maschinenteilen. Der VerschleiB fiihrt zu Stand- zeitverkurzungen der betroffenen Teile, zu Unterbrechungen des Arbeitsprozesses und zu erhohtem Energieverbrauch durch Ruckstromungen [l]. Glasfasergefiillte Polyamide (PA) gehoren zu den wahrend ihrer Verarbeitung VerschleiSinten- sivsten Kunststoffe [2, 31. Die korrosiven Oberflachenveran- derungen im Schmelzebereich der Verarbeitungsmaschinen sind chemischer Natur und konnen rnit modernen Oberfla- chenanalysenmethoden untersucht werden [4]. Mit Hilfe von ESCA (Electron Spectrocopy for Chemical Analysis)-Messungen wurde eine mit PA korrodierte Spritz- gieBschneckenspitze untersucht. 2 Experimenteller Teil Ein Segment (4 X 8 mm) einer SpritzgieSschneckenspitze aus einer CrMoV-Sonderschmelze wurde untersucht. Die Sonderschmelze hatte It. Herstellerfirma folgende chemische Zusammensetzung (Richtanalyse in Gew.-%): C = 0,4; Si = 0,25; Mn = 0,s; Cr = 3,3; Mo = 0,8; V = 0,2; S = 0,041 * Deutsches Kunststoff-Institut Darmstadt. ** Institut fiir Hochfrequenztechnik der Technischen Hochschule Darmstadt. Rest = Fe. Die Oberflache wurde Arbid@'-behandelt, die Aus- gangsharte betrug HV0,5 = 800-900. Die SpritzgieSschnecke war etwa 750 h mit glasfaserverstarkter Polyamidschmelze (PA 6 und PA 6.6) in Kontakt. Der Glasfasergehalt der verar- beiteten Polyamide betrug etwa 30%. Es wurden Spektren der unkorrodierten und korrodierten Oberflachen sowie Tiefenprofile aufgenommen. Verwendet wurde ein ESCA-Gerat der Firma Leybold-Heraeus ohne monochromatisierte Quelle. Sowohl die Rontgenquelle fiir MgK, = 1253,6 eV als auch Ionenquelle, Analysator und Vakuumsystem waren Gerate derselben Firma. Das Hinter- grund-Vakuum des Rezipienten betrug p < 1 x mbar. Die Oberflachenzerstaubung erfol te durch Ar+-BeschuS bei von 3000 eV und einer Ionenstromdichte von 4-5 pA/cm2. Die durch die unmonochromatisierte Rontgenquelle bedingte maximal auflosbare Halbwertsbreite im Elektronenspektrum betrug 1 eV. Die Messungen wurden am Institut fiir Hochfre- quenztechnik der TH Darmstadt durchgefiihrt . einem Edelgasdruck von 5 x 10- P mbar, einer Ionenenergie 3 Ergebnisse Die ESCA-Ubersichtsspektren einer unkorrodierten CrMoV-Sonderstahloberflache sowie einer rnit PA 6 und PA 6.6-Schmelze korrodierten Oberflache der gleichen Legie- rung sind in Abb. I dargestellt. Im Spektrum der unkorrodier- ten Oberflache sind neben den mit A gekennzeichneten Augerpeaks, die hier nicht ausgewertet werden, folgende 344 0049-8688/85/1010-0344$02.50/0 Z. Werkstofftech. 16,344-347 (1985) 0 VCH Verlagsgesellschaft mbH, D-6940 Weinheim, 1985

ESCA-Untersuchungen an einer durch PA 6 und PA 6.6 korrodierten CrMoV-Sonderstahloberfläche

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ESCA-Untersuchungen an einer durch PA6 und PA 6.6 korrodierten Cr MoV-Sonderstahloberflache

D. Braun*, H. Brito* und K. Rohkel**

Eine Spritzgieaschneckenspritze aus CrMoV-Sonderstahl, die durch die Verarbeitung mit glasfaserverstarktem Polyamid korrodiert war, wurde spektroskopisch untersucht, um die chemischen Veranderun- gen auf der Stahloberflache zu bestimmen. Von einem Segment dieser Spitze wurden mit ESCA (Electron Spectroscopy for Chemical Analy- sis) Ubersichtsspektren und Tiefenprofile angefertigt. So wurden chemische Veranderungen, hervorgerufen durch chemi- sche Reaktionen zwischen der Polyamidschmelze und der Stahlober- flache, bis zu Schichttiefen von 2-4 pm nachgewiesen. Tiefe und Art der Korrosionserscheinungen sind vom Korrosionsmedium (Poly- amidschmelze) und der Stahlbeschaffenheit abhangig. Die Polyamidschmelzekorrosion fiihrt zur Verarmung sowohl von Chrom als auch von Mangan in den obersten Schichten. Die vorwiegend aus FezB (und FeB) bestehende, besonders harte Oberflachenschicht wird durch die Verarbeitung der PA-Schmelze abgetragen. Es kommt zur Kohlenstoffanreicherung auf der Oberfla- che durch Ablagerungen organischen Ursprungs aus der Polyamid- schmelze.

ESCA-Studies on PA 6 and PA6.6 Corroded Surface of CrMoV-Steel

A CrMoC screw tip of an injection molding machine has been cor- roded during the processing of glassfibre reinforced polyamide and has been spectroscopically studied in order to determine the chemical modifications of the steel surface. Survey and depth profile ESCA spectra (Electron Spectrocopy for Chemical Analysis) from one seg- ment of the screw tip were measured. In this way chemical changes due to the chemical reactions of poly- amide melt with the steel surface up to 2-4 pm depth were deter- mined. The depth and the typ on the surface modifications were found to depend on the corrosion environment (polyamide melt) and on the steel surface composition. The corrosion due to polyamide melt leads to impoverishment both of the chromium and of the manganese in the investigated depth (2-4 pm) of the steel surface. A demage of the extremely hard upperlayer (mainly consisting of FezB und FeB) occurs during the processing of the polyamide melt. An enrichment of carbon on the steel surface due to deposits of organic materials from the polyamide melt was found.

1 Einleitung

Bei der Verarbeitung von Kunststoffen rnit SpritzgieSma- schinen und Extrudern kommt es zu VerschleiSerscheinungen an einzelnen Maschinenteilen. Der VerschleiB fiihrt zu Stand- zeitverkurzungen der betroffenen Teile, zu Unterbrechungen des Arbeitsprozesses und zu erhohtem Energieverbrauch durch Ruckstromungen [l]. Glasfasergefiillte Polyamide (PA) gehoren zu den wahrend ihrer Verarbeitung VerschleiSinten- sivsten Kunststoffe [2, 31. Die korrosiven Oberflachenveran- derungen im Schmelzebereich der Verarbeitungsmaschinen sind chemischer Natur und konnen rnit modernen Oberfla- chenanalysenmethoden untersucht werden [4].

Mit Hilfe von ESCA (Electron Spectrocopy for Chemical Analysis)-Messungen wurde eine mit PA korrodierte Spritz- gieBschneckenspitze untersucht.

2 Experimenteller Teil

Ein Segment (4 X 8 mm) einer SpritzgieSschneckenspitze aus einer CrMoV-Sonderschmelze wurde untersucht. Die Sonderschmelze hatte It. Herstellerfirma folgende chemische Zusammensetzung (Richtanalyse in Gew.-%): C = 0,4; Si = 0,25; Mn = 0,s; Cr = 3,3; Mo = 0,8; V = 0,2; S = 0,041

* Deutsches Kunststoff-Institut Darmstadt. ** Institut fiir Hochfrequenztechnik der Technischen Hochschule

Darmstadt.

Rest = Fe. Die Oberflache wurde Arbid@'-behandelt, die Aus- gangsharte betrug HV0,5 = 800-900. Die SpritzgieSschnecke war etwa 750 h mit glasfaserverstarkter Polyamidschmelze (PA 6 und PA 6.6) in Kontakt. Der Glasfasergehalt der verar- beiteten Polyamide betrug etwa 30%.

Es wurden Spektren der unkorrodierten und korrodierten Oberflachen sowie Tiefenprofile aufgenommen. Verwendet wurde ein ESCA-Gerat der Firma Leybold-Heraeus ohne monochromatisierte Quelle. Sowohl die Rontgenquelle fiir MgK, = 1253,6 eV als auch Ionenquelle, Analysator und Vakuumsystem waren Gerate derselben Firma. Das Hinter- grund-Vakuum des Rezipienten betrug p < 1 x mbar. Die Oberflachenzerstaubung erfol te durch Ar+-BeschuS bei

von 3000 eV und einer Ionenstromdichte von 4-5 pA/cm2. Die durch die unmonochromatisierte Rontgenquelle bedingte maximal auflosbare Halbwertsbreite im Elektronenspektrum betrug 1 eV. Die Messungen wurden am Institut fiir Hochfre- quenztechnik der TH Darmstadt durchgefiihrt .

einem Edelgasdruck von 5 x 10- P mbar, einer Ionenenergie

3 Ergebnisse

Die ESCA-Ubersichtsspektren einer unkorrodierten CrMoV-Sonderstahloberflache sowie einer rnit PA 6 und PA 6.6-Schmelze korrodierten Oberflache der gleichen Legie- rung sind in Abb. I dargestellt. Im Spektrum der unkorrodier- ten Oberflache sind neben den mit A gekennzeichneten Augerpeaks, die hier nicht ausgewertet werden, folgende

344 0049-8688/85/1010-0344$02.50/0 Z. Werkstofftech. 16,344-347 (1985) 0 VCH Verlagsgesellschaft mbH, D-6940 Weinheim, 1985

300 500 700 900 1000 1300 eV

Abb. 1. ESCA-Ubersichtsspektren einer Spritzgieaschneckenspitze aus CrMoV-Sonderstahl: (a) unkorrodiert, (b) korrodiert rnit glasfa- serverstiirktem Polyamid (PA6 und PA6.6). (Anregung mit Mg, = 1253,6 eV). Fig. 1. ESCA survey spectra of a screw tip of an injection molding machine from CrMoV-stainless steel: (a) uncorroded, (b) corroded with glassfiber reinforced polyamid (PA6 and PA6. 6). (Incidence energy from MgKa = 1253,6 eV).

ESCA-Peaks zu identifizieren (die in Klammern aufgefiihrten Werte sind die Elektronenbindungsenergien in eV. Sie werden nach der Gleichung Ekin = hv-EBind berechnet):

Das Ubersichtsspektrum gestattet keine auf 1 eV genaue Zuordnung der Peaks (die oben angegebenen Werte sind wah- rend der Registrierung des Spektrums abgelesen worden) und somit auch kein Erkennen chemischer Verschiebungen. Klei- nere Peaks, die von Stahlbestandteilen geringer Konzentratio- nen oder von Korrosionsprodukten stammen, sind im Uber- sichtsspektrum entweder nicht sichtbar oder ungenau zuzuord- nen. Aus diesen Grunden wurden sowohl im ungesputterten Zustand als auch als Tiefenprofil Detailspektren mit stark gespreizter Abszisse in elementspezifischen Energiebereichen aufgenommen, die entsprechend der Volumenzusammenset- zung des Stahls (Fe, Cr, Mn, B sowie C und 0) ausgewahlt wurden.

Abb. 2 zeigt die Detailspektren und Tiefenprofile von Fezp- Elektronen der unkorrodierten (a) und korrodierten (b) Ober- flache. Es wird sichtbar, daS das an der unmittelbaren Ober- flache befindliche Eisen (2 min zur Entfernung absorbierten Sauerstoffs gesputtert) in beiden Fallen vorwiegend in oxidier- ter Form (Fezp 312 = 709,8 eV, Fezp 1/2 = 723,4 eV) vorliegt. Mit zunehmender Schichttiefe tritt elementares Eisen auf (Fe2, = 707 eV, Fezp = 719,6 eV), iiberlagert von noch vor- handenem oxidiertem.

Nach 9 h Sputterzeit nimmt zwar die Itensitat der dem ele- mentaren Festzustand des Eisens zuzuordnenden Signale auf der korrodierten Oberflache geringfiigig zu, die des oxidischen Zustandes uberwiegt aber noch immer (wegen der geringfiigi- gen Anderungen keine Abb.).

Die Tiefe der oxidischen Schichten ist eindeutig von den Korrosionsbedingungen und der Stahlbeschaffenheit abhan- gig. Bei durch Alterung oxidierten Fe-Schichten [5] war bereits nach 5 min Sputterzeit der oxidische Fe-Peak nur noch als Schulter angedeutet. Demgegeniiber betrug die Dicke der oxidischen Schichten eines CrNiMn-Stahls, die durch uber- hitztes flieaendes Wasser entstanden war, etwa 4 ym (12 h Sputterzeit) [6]. Die durch die Polyamidschmelzen hervorge-

Abb. 2. ESCA-Detailspektren einer Spritzgieaschneckenspitze aus CrMoV-Sonderstahl: (a) Fezp-Elektronen der unkorrodierten Ober- flache; (b) Fez,-Elektronen der rnit glasfaserverstarktem Polyamid (PA6 und PA6.6) korrodierten Oberflache. (Die Zahlenwerte in Klammern entsprechen den Elektronenbindungsenergien in eV.) Fig. 2. ESCA detail spectra of a screw tip of an injection molding machine from CrMoV-stainless steel: (a) Fez,-electrons of the uncor- roded surface; (b) Fe2,-electrons of the glassfiber reinforced poly- amide (PA6 und PA6.6) corroded surface. (In parentheses are given the electron bonding energies in eV.)

27 \ I -

660 V' 690 660 W P- 690 eV W W

Abb. 3. ESCA-Detailspektren einer Spritzgieflschneckenspritze aus CrMoV-Sonderstahl: (a) CrzP,-Elektronen der unkorrodierten Oberflache; (b) Cr, ,,-Elektronen der rnit glasfaserverstarktem Polyamid (PA 6 und PA 6.6) korrodierten Oberflache- (Die Zahlen- werte in Klammern entsprechen den Elektronenbindungsenergien in eV.) Fig. 3. ESCA detail spectra of a screw tip of injection molding machine from CrMoV-stainless steel: (a) Crzp3,-electrons of the uncorroded surface; (b) Cr2,,-electrons of the glassfiber reinforced polyamide (PA6 and PA6.6) corroded surface. (In parentheses are given the electron bonding energies in eV.)

rufene Korrosion auf dem CrMoV-Sonderstahl fiihrt somit zu Veranderungen des oxidischen Zustandes des Eisens bis zu wesentlich tieferen Schichten als bei einer Oxidation durch Sauerstoff aus der Gasphase.

Die Lage des Chrompeaks (Cr2 3/2) bei einer Elektronen- bindungsenergie von 576,6 eV entspricht der Lage des ele- mentaren Chroms (Abb. 3) . Auf der Oberflache der unkorro- dierten Probe bleiben sowohl Lage als auch Intensitat uber den gesamten Sputterzeitraum konstant. Die absoluten Inten-

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sitaten sind sehr gering. Eine chemische Verschiebung ist nicht zu beobachten.

Bei der korrodierten Probe tritt der Cr-Peak erst nach der dritten Sputterzeit (47 min) mit einer ahnlichen Intensitat wie bei der unkorrodierten Probe auf und verandert sich in tiefe- ren Schichten nicht mehr. Daraus kann man schlieljen, dalj die oberflachennahen Monolagen der korrodierten Stahloberfla- che an Chrom verarmt sind. Das ist ein Hinweis auf die erhohte Reaktivitat des Chroms wahrend der Korrosion. Eine ihnliche Beobachtung wurde bei SIMS-Analysen von Oberfla- chen gemacht , die durch Kunststoffschmelzen korrodiert waren [7]. Das Fehlen des Chroms auf der korrodierten Ober- flache bedeutet ferner, daI3 wahrend der Korrosion auf der Oberflache eventuell gebildete Chromverbindungen nicht an der Oberflache verbleiben, sondern von dem stromenden Material weggerissen werden. Es ware aber auch denkbar, dalj das Chrom bei der durch PA-Schmelze hervorgerufenen Kor- rosion gar keine Verbindungen bildet, sondern auf Grund der Anwesenheit von Feuchtigkeit, die eine Voraussetzung fiir die elektrochemische Korrosion ist, das Metal1 in einem elektro- chemischen Vorgang aus dem Gitter herausgelost wird. Auch das Fehlen einer chemischen Verschiebung ist ein Beweis dafiir, dal3 Chromverbindungen, falls sie sich bilden sollten, nicht an der Oberflache verbleiben.

Ahnliche Beobachtungen wurden bei Mangan (Mn2 3/2, EB = 641,l eV) gemacht. Auf Grund der noch geringeren Intensitat als beirn Chron sol1 auf eine Abbildung der Detail- spektren verzichtet werden.

Der verwendete Sonderstahl wurde zur Erhohung der Ober- flachenhfirte Arbid@-behandelt, d. h. in Anwesenheit von Bor- verbindungen wurden etwa 100-250 pm dicke FeB- und Fe2B- Schichten gebildet. Die ESCA-Detailspektren der B1 ,-Elek- tronen bestatigen das Vorhandensein von Bor (Abb. 4 ) . Auf der unkorrodierten Oberflache ist Bor in den oberflachenna- hen Monolagen nur schwach zu erkennen, bei tieferen Schich- ten jedoch deutlicher. Auf der korrodierten Oberflache wurde kein Bor gefunden, auch bei tieferen Schichten nicht. Daraus folgt, dalj wahrend der Verarbeitung die gesamte borierte Schicht abgetragen wurde.

Die Kohlenstoffintensitat (CIS, E B = 284,6 eV) ist auf den auljeren Schichten der korrodierten Probe hoher als auf der unkorrodierten (Abb. 5) , nimmt jedoch mit zunehmender Schichttiefe ab. Die Breite des Signals weist auf eine Uberla- gerung verschiedener Oxidationszustiinde hin. Die etwa drei- ma1 so hohe Kohlenstoffintensitat auf der korrodierten Ober- flache im Vergleich zur unkorrodierten spricht fiir Kohlen- stoffablagerungen aus der Kunststoffschmelze. Die Kohlen- stoffablagerung auf den Werkzeugstahloberflachen scheint besonders bei der Verarbeitung von Polykondensatschmelzen extrem hoch zu sein. Augerelektronenspektroskopische Untersuchungen auf melaminharzkorrodierten 40 CrMoV 51- Stihlen bestatigen diesen Befund [8].

4 Diskussion

Bei der Verarbeitung von glasfaserverstarkten Polyamiden kommt es zu Korrosionserscheinungen auf den Metallwerk- stoffoberflachen der Verarbeitungsmaschinen. Die auftreten- den Veriinderungen sind chemischer Natur. Es kommt sowohl zu Ablagerungen aus dem Korrosionsmedium als auch zu Ver- iinderungen der Zusammensetzung der Festkorperoberflachen bis zu Schichttiefen von 2-4 pm. In diesen Schichttiefen liegt

72 -fL--L- A 47 .-AA-.- A 27 A

Eke-

1045 -5 1025 1060 I:: 10%; W W

0 0

Abb. 4. ESCA-Detailspektren einer Spritzgiekhneckenspritze aus CrMoV-Sonderstahl: (a) B1 ,-Elektronen der unkorrodierten Oberfla- che; (b) B1 ,-Elektronen der mit glasfaserverstarktem Polyamid (PA 6 und PA 6.6) korrodierten Oberflache. (Die Zahlenwerte in Klammern entsprechen den Elektronenbindungsenergien in eV.) Fig. 4. ESCA detail spectra of a screw tip of an injection molding machine from CrMoV-stainless steel: (a) B,,-electrons of the uncor- roded surface; (b) B,,-electrons of the glassfiber reinforced polyamide (PA6 and PA6.6) corroded surface. (In parentheses are given the electron bonding energies in eV.)

96-0 980 & 9 8 0 2 m m

Abb. 5. ESCA-Detailspektren einer SpritzgieBschneckenspitze aus CrMoV-Sonderstahl: (a) C1 ,-Elektronen der unkorrodierten Oberfla- che; (b) C1 ,-Elektronen der mit glasfaserverstarktem Polyamid (PA 6 und PA 6.6) korrodierten Oberflache. (Die Zahlenwerte in Klammern entsprechen den Elektronenbindungsenergien in eV.) Fig. 5. ESCA detail spectra of a screw tip of an injection molding machine from CrMoV-stainless steel: (a) C1 ,-electrons of the uncor- roded surface; (b) C1 ,-electrons of the glassfiber reinforced polyamide (PA6 and PA6.6) corroded surface. (In parentheses are given the electron bonding energies in eV.)

bei CrMoV-Sonderstahloberflachen Eisen noch zum groljten Teil im oxidierten Zustand vor.

Die Tiefe der korrosiven Veranderungen ist von den Korro- sionsbedingungen und der Stahlzusammensetzung abhangig. Bei der Korrosion mit Polyamidschmelzen liegt die Korro- sionstiefe beim vorliegenden Stahl um eine Zehnerpotenz hoher, als das bei einer aus Gasphasen hervorgerufenen Kor- rosion der Fall ist .

Die Korrosion des untersuchten Stahls durch Polyamid- schmelzen ftihrt zu einer Verarmung an Chrom in den ober- sten Monolagen. Das weist auf eine erhohte Reaktivitat des Chroms mit dem Korrosionsmedium hin. Diese Verarmung mu13 zu Veranderungen der Oberflacheneigenschaften im Ver-

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gleich zu denen des nicht korrodierten Materials fiihren. Z.B. durfte die im unkorrodierten Zustand ermittelte chemische Resistenz eine andere sein als die der korrodierten Oberfla- che. Auch die Harte entspricht zwangslaufig nicht mehr der urspriinglich bestimmten.

Die Korrosion mit Polyamidschmelzen fiihrt bei Arbid@- behandelten Oberflachen zum Verlust der zwecks Hartung gebildeten 100-250 pm dicken borhaltigen Oberschicht. Die untersuchten Spritzgieljschneckenspitze war jedoch nicht durch Kunststoffschmelzekorrosion ausgefallen, sondern durch einen ubergroljen mechanischen Abtrag durch den Ring der Ruckstromsperre. Ohne diesen Defekt ware die Spritz- gieljschneckenspitze auch nach dem vollkommenen Verlust der FeB und FQB-Schicht noch einsatzfahig gewesen.

Die korrodierte Oberflache weist eine mehr als dreimal so hohe C-Konzentration auf, als sie die unkorrodierte besitzt. Der Kohlenstoff auf der unkorrodierten Oberflache stammt teilweise aus dem Stahl selbst, teilweise aus absorbierten kon- taminierenden Substanzen der Umgebung. Auch die Arbid@- Behandlung n i t Borcarbiden tragt zu diesem Kohlenstoffan- teil bei. Die besonders hohe C-Konzentration auf der korro- dierten Oberflache ist auf Ablagerungen organischen Ursprungs aus der Polykondensatschmelze zuriickzufiihren.

Danksagung

Wir danken der BASF fur die Uberlassung der korrodierten Spritz- giel3schneckenspritze. Der Arbeitsgemeinschaft Industrieller For- schungsvereinigungen e.V. danken wir fur die Forderung dieser Un- tersuchungen.

Literatur

1. P. Volt, Kunststoffe 69 (1979) 758. 2. W. Knappe, W.-D. Mahler, Kunststoff-Rdsch. 19 (1972) 45. 3. D. Braun, G. Malhammar, Angew. Makromol. Chem. 69 (1978)

157. 4. R. Holm, S. Storp, Ullmanns Encyklopadie der Technischen Che-

mie 5 (1980) 519. Verlag Chemie, Weinheim. 5. S. W. Graham, 0. M. Hercules, Appl. Spectrosc. 36 (1982) 352. 6. R. Bauch et al., J. Nuclear Mat. 92 (1980) 334. 7 . D. Braun, H. Brito, Z. Werkstofftech. 16 (1985) 31. 8. D. Braun, H. Brito, AES-Untersuchungen an mit SAN-, PP- und

Melaminharzschmelzen korrodierten X40CrMoV51-Oberfla- chen, in Vorbereitung.

Anschrift: Prof. Dr. D. Braun, Dr. H . Brito, Deutsches Kunststoff- Institut Darmstadt, SchloBgartenstraRe 6 R, K. RBhkel, Institut fur Hochfrequenztechnik der Technischen Hochschule Darmstadt.

[T 1191

Fraktographie an faserverstarkten Kunststoffen H. E. Franz*

Fortsetzung aus Heft 911985, Seite 328

4 Gewaltbruche an faserverstarkten Kunststoffen

Bei unidirektionaler Faseranordnung ist es zunachst sinn- voll, die Bruche in Delaminationsbriiche und Bruche quer zu den Fasern einzuteilen.

Fur beide Beanspruchungsrichtungen, in Faserrichtung oder quer dazu, lassen sich fiir die Beanspruchungsarten Zug-, Druck-, Biegung-, Scher- bzw. Torsionsbeanspruchung jeweils spezifische fraktographische und mikrofraktographische Kennzeichen angeben.

Grundsatzlich konnen zur Ermittlung der Bruchart an faser- verstarkten Verbundwerkstoffen die Bruchmorphologien an den Fasern, an der Matrix und am ,,Interface" herangezogen werden.

Die Bruchuntersuchung im REM liefert daruber hinaus Aussagen uber die Faser-Matrix-Bindung (Jnterfacebruchfla- che") und macht damit eine qualitative Bewertung der Schal- festigkeit moglich.

Des weiteren kann das Einwirken von Medien wie Wasser, Reinigungsmittel (z.B. Alkohol), Enteisungsmittel (z.B. Tri), Lacklosemittel usw. als bruchbeeinflussend bzw . bruchverur- sachend anhand bruchmorphologischer Charakteristikas erkannt werden.

4.1 Zug- und Druckbeanspruchung parallel zu den Fasern

Abbildung 17 stellt die makroskopische Bruchflachenausbil- dung dar, wenn die Beanspruchung in Faserrichtung der unidi- rektionalen Probe erfolgt.

Z. Werkstofftech. 16,347-354 (1985) 0 VCH Verlagsgesellschaft mbH, D-6940 Weinheim, 1985

0049-8688/85/101C!-0347$02.50/0 347