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SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 Feature Ankommer Social Start-ups wollen Flüchtlinge in Arbeit bringen Von Chrisitne Werner Sendung: Mittwoch, 30. November 2016 Redaktion: Wolfram Wessels Regie: Felicitas Ott Produktion: SWR 2016 Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Service: SWR2 Feature können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/feature.xml Mitschnitte aller Sendungen der Redaktion SWR2 Feature sind auf CD erhältlich beim SWR Mitschnittdienst in Baden-Baden zum Preis von 12,50 Euro. Bestellungen über Telefon: 07221/929-26030 Bestellungen per E-Mail: [email protected] Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de

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SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE

SWR2 Feature Ankommer Social Start-ups wollen Flüchtlinge in Arbeit bringen

Von Chrisitne Werner

Sendung: Mittwoch, 30. November 2016

Redaktion: Wolfram Wessels

Regie: Felicitas Ott

Produktion: SWR 2016

Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.

Service: SWR2 Feature können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/feature.xml Mitschnitte aller Sendungen der Redaktion SWR2 Feature sind auf CD erhältlich beim SWR Mitschnittdienst in Baden-Baden zum Preis von 12,50 Euro. Bestellungen über Telefon: 07221/929-26030 Bestellungen per E-Mail: [email protected]

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Erzählerin: www.ankommer.eu

Sprecher: Jahr für Jahr fliehen hunderttausende Menschen unter Einsatz ihres Lebens aus ihrer Heimat. Sie fliehen vor Kriegen und Bürgerkriegen, vor Verfolgung und Menschenrechtsverletzung, vor Armut und Zerstörung ihrer Existenz. Die damit verbundenen sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen für Europa und Deutschland können jedoch nicht ausschließlich auf politischer oder kommunaler Ebene gelöst werden. Wir brauchen daher einen Perspektivwechsel. (…) Noch immer fehlen neue und wirksame Modelle, die geflüchteten Menschen den Zugang zu Arbeits- und Ausbildungsstellen ermöglichen. Noch immer fehlen innovative Konzepte, die darauf abzielen, geflüchteten Menschen in Deutschland eine selbstbestimmte Zukunft zu ermöglichen. Noch immer fehlen tragfähige Lösungen, durch die geflüchtete Menschen ihre Potenziale einbringen können, damit sie zu aktiven Mitgestaltern ihres Lebens in einer neuen Heimat werden. Hier setzt "ANKOMMER. Perspektive Deutschland" an.

Collage Vorstellung Team (SH) Wir haben in Berlin-Neukölln eine ehemaliges Seniorenhaus und machen dort wohnen und arbeiten mit Ankommern und Einheimischen. (AV) Ich bin Martin und das ist – ich bin Johann – von Avenir und unsere Mission ist es eine soziale Zeitarbeitsfirma zu gründen, die Geflüchteten als Sprungbrett in den deutschen Arbeitsmarkt dient. (AX) Helene Weiß aus Neuruppin mit dem Startup Axil – Arbeit im Exil. Einem Catering und Lieferservice den wir aufbauen zur Zeit. (RL) Hallo ich bin Katja und ich bin Leonore und wir kommen von der Refguee Law Clinic Leipzig und geben kostenlose Asylrechtsberatung für Geflüchtete und Migranten (SG) Wir initiieren und leiten an beim urbanen Gartenbau und verbinden das mit vorberuflichen Qualifikationsmaßnahmen für Geflüchtete …

Musik Ankommer-Video

Sprecher: „ANKOMMER. Perspektive Deutschland“ wendet sich an sozial-unternehmerisch und gemeinnützig engagierte Menschen, die mit innovativen Modellen und Konzepten die gesellschaftliche und wirtschaftliche Teilhabe von geflüchteten Menschen verbessern möchten, etwa durch Zugang zu Bildung und/oder zu Ausbildungs- und Arbeitsplätzen.“

Erzählerin: Mit Hilfe eines Stipendienprogramms ein Wirtschafts-Unternehmen gründen. Ein so genanntes Social Start-up, das nicht auf Gewinnmaximierung angelegt ist, sondern ein gesellschaftliches Problem lösen will, das heißt: Flüchtlinge integrieren. Funktioniert das?

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Ansage: ANKOMMER Social Start-ups wollen Flüchtlinge in Arbeit bringen Von Christine Werner

Atmo - Gruppen Frankfurt: Begrüssung mit Ehepaar Klotz. Gespräch. Wie war es … In Berlin gab es eine Disziplinfrage … soziale Komponente … in Frankfurt geändert … Start-up School. // Ähnliches Auf und Ab-Spiel, interessante Findungsphase … auch Phase „Wir lassen es einfach“ und veränderte Meinungen in der Akzeptanz. // Sind nach wie vor überzeugt von, Businessplan, ok passt … bewegende vier Monate. // Auch an dich rantreten …

Erzählerin: Das Ankommer-Programm ist ein Projekt der „Social Impact gGmbH“ – das

zusätzliche g steht für gemeinnützig - und der Stiftung der Kreditanstalt für Wiederaufbau, kurz KfW-Stiftung. 190 Bewerbungen auf die Stipendien gab es. Vierzehn Teams wurden ausgewählt. Acht Monate wurden sie gefördert. Drei von ihnen werden am Ende ausgezeichnet und bekommen 20-Tausend Euro Startgeld. Jetzt ist Halbzeit des Ankommer-Stipendiums. In Frankfurt, Berlin und Hamburg müssen sie einer Jury zeigen, wo sie mit ihren Projekten stehen. Sie kommen in „Social Impact Labs“ zusammen, die in loftartigen Arbeitsetagen oder versteckten Hinterhausbüros untergebracht sind und Social Business voranbringen wollen. Sie sprechen vom „Pitchen“ und der Termin heute nennt sich „Mid Term-Review“.

Sprecher: Social Impact Lab, Frankfurt

Rainer und Jennifer Klotz: Er: Für uns ist das heute der Mid Term Review wo quasi auch am Ende entschieden wird ob jetzt der zweite Teil dieser Förderung angetreten wird oder nicht. Ist ja auch verbunden mit einer Zuwendung. Um eine kleine Anschub-Finanzierung zu haben, doch das ist schon jetzt eine Entscheidung.

Erzählerin: Rainer und Jennifer Klotz wollen mit „Cafe Connect“ ein Multimediales Lernzentrum für geflüchtete Menschen einrichten. Mit Berufs- und Ausbildungsberatung, Schulungen und Unterstützung bei Stellensuche und Bewerbungstraining. Auf dem Laptop von Rainer Klotz stehen Stichworte für die Präsentation: Präzisierung, Geschäftsmodell, Zielgruppenanalyse, Finanzen, Herausforderungen. Die beiden haben gleich ihren Termin vor der Jury.

Rainer und Jennifer Klotz: Sie: Es geht ja auch um ein bisschen Geld, was wir dann bekommen können und da haben wir schon Wünsche von. Also wir würden uns gerne als Träger akkreditieren lassen bei der Bundesagentur für Arbeit, um dann die Weiterbildungsangebote auch so anbieten zu können. Und natürlich ist das dann hier eine Erleichterung, wenn man 4.000 Euro hat, dann kann man das machen und wenn wir das nicht haben, dann müssen wir gucken wo wir es herkriegen.

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Atmo 2 – Lab Frankfurt

Karan Dehghani: Man hat Einzelgespräche hier, entweder mit bestehenden Teams, Standortleitern oder Mentoren. Oder auch heute beim Pitch, dass die einem ein bisschen zeigen, dass man langsam spricht, dass man seine Gedanken klar sortiert vorher, [solche Dinge, dass der Gegenüber auch versteht, was man sagen möchte. Man selbst hat so viel, tagtäglich damit zu tun, dass man nicht voraussetzen darf, dass eine andere Person das auch schon kennt] und solche Übungen gibt es dann eben hier. (lacht)

Erzählerin: Karan Dehghani bildet mit seinem Geschäftspartner Nicolas Ritouet Flüchtlinge zu Programmierern aus. Ihr Projekt heißt „CodeDoor“. Das Team macht gespendete Laptops wieder flott, stellt die Trainings-Software und gut 25 ehrenamtliche Tutoren,

die bei Fragen helfen. Auf der Homepage von „CodeDoor” heißt es:

Sprecher: „50 million people in the world today have been forcefully displaced from their home... only 20% are in school. We have 21st century educational technology at our fingertips. It's time we start asking: How can we let refugees thrive in the internet era.”

Erzählerin: Von 50 Millionen Flüchtlingen weltweit sind nur 20% in der Schule. Wir haben die Bildungstechnologie des 21.Jahrhunderts. Es sei an der Zeit, Flüchtlinge daran teilhaben zu lassen, so die Projektverantwortlichen. Gesellschaftliche Herausforderungen mit einem Geschäftsmodell lösen, neue Dienstleistungen für soziale Probleme entwickeln, das ist der Ansatz der Social Start-ups. Ihren Erfolg messen sie nicht in Kursgewinnen sondern im sogenannten „Impact“.

Norbert Kunz (Impact): Beim Impact geht es im Wesentlichen um die gesellschaftliche Wirkung, die unternehmerisches Handeln bewerkstelligen oder erzeugen. Klassischerweise, im klassischen Unternehmertum steht nicht der Impact, also die gesellschaftliche Wirkung im Vordergrund, sondern die privatwirtschaftliche Gewinnerzielung. Es müssen halt eben die Bedürfnisse der Investoren bedient werden, die Bedürfnisse der Kapitalgeber bedient werden …

Erzählerin: Norbert Kunz ist Gründer der gemeinnützigen „Social Impact gGmbH“. Einer

„Agentur für soziale Innovationen“.

Norbert Kunz (Impact): … in unseren Fällen steht tatsächlich die gesellschaftliche Wirkung im Vordergrund, also die Frage: Können beispielsweise benachteiligte Zielgruppen davon profitieren und in welchem Umfang profitieren sie davon? Oder wird durch das unternehmerische Handeln, werden durch das unternehmerische Handeln ökologische Probleme beseitigt oder weiter zur ökologischen Problembeseitigung

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geleistet? Oder wird durch das unternehmerische Handeln die Leistungsbeziehung zwischen Kunden und Produzenten fairer ausgestaltet? Und so.

Erzählerin: Die „Social Impact gGmbH“ möchte so etwas wie der Mutterkonzern der Social Start-ups sein. Sie unterstützt einzelne Projekte bei der Gründung. Dafür hat Norbert Kunz in sechs deutschen Städten die „Social Imapct Labs“ aufgebaut, Beratungsstellen und Treffpunkte der Szene. Da die Start-ups ihn und seine Dienstleistung aber nicht bezahlen können, braucht auch seine Firma Unterstützung. Die kommt von der Wirtschaft und der Politik: von Unternehmen wie SAP, von europäischen Förderinstitutionen, von Stiftungen wie der Deutsche Bank Stiftung und vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Norbert Kunz:

Und es gibt da oft die Frage, das sei ja kein Markt, also der Staat, die staatliche Finanzierung sei kein Markt. Da muss man sich in Deutschland bei einer Staatsquote von 42 % die Frage stellen, was sind die 42 % denn eigentlich, wenn dort nicht am Markt agiert wird? Oder muss ich die Frage stellen, was passiert eigentlich mit den 17 Milliarden, die jedes Jahr von Stiftungen ausgegeben werden, um Projekte zu finanzieren? Oder was passiert mit den 15 Milliarden Spendengeldern? Ist das kein Markt, wo sich Non-Profit-Organisation drum bewerben, auch im Wettbewerb zueinander stehen, um diese Finanzierung zu bekommen. Also ich glaube, die Frage der Wirtschaftlichkeit muss man weiter stellen, als dass man nur da drauf guckt, ob Produkte oder Dienstleistungen angeboten werden, die letztendlich einen privaten Käufer finden.

Erzählerin: Das Ankommer-Programm ist das neueste Projekt von Norbert Kunz, Partner ist die Stiftung der Kreditanstalt für Wiederaufbau, kurz KfW-Stiftung. In einer Studie, die im Auftrage der KfW zum sozialen Unternehmertum erstellt wurde, heißt es.

Sprecher: „Die Organisationen stellen als eine Art „Forschungs-und Entwicklungsabteilung des Sozialstaats“ eine aus Fördersicht interessante Zielgruppe dar, die ihre Wirkung oft indirekt als Rollenmodel für bessere Versorgungsqualität bei gleichzeitiger Entlastung der öffentlichen Hand und der Sozialversicherungssysteme gewinnt.“

Atmo - Lab Frankfurt

Erzählerin:

Die Stipendiaten des Ankommer-Programms bekommen einen Mentor, finanzielle Starthilfe, sie erhalten einen Arbeitsplatz in den Labs, werden gecoacht und können auf ein Experten-Netzwerk zurückgreifen. In acht Monaten soll so aus ihrer Idee ein Geschäftsmodell werden, das gesellschaftliche Wirkung erzielt und am Markt bestehen kann. Die Präsentation heute ist eine Art Generalprobe. Wer vor der Jury heute besteht, erhält 4.000 Euro und darf in gut zwei Monaten beim so genannten „Besten Pitch“ antreten, wenn über die Gewinnerprojekte entschieden wird.

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Karan Dehghani: Ich fange mal mit der Erfolgsbasis an, in Berlin haben wir jetzt, in Berlin zwei und in Frankfurt eine Coding-Klasse gestartet. Was uns sehr gefreut hat, weil ich dazu sagen muss, dass „CodeDoor“ im Moment komplett von Freiwilligen aufgebaut wird, die alle kostenlos arbeiten. Und das wäre ohne diese Freiwilligen gar nicht möglich gewesen. (…) Darüber habe ich eben berichtet und auch über die Learnings und die Schwierigkeiten die wir hatten. In dem wir gesehen haben, dass es vielleicht eine disziplinäre Frage ist, dass es kulturelle Unterschiede gibt, auf die wir achten müssen …

Erzählerin: Karan Dehghani von „CodeDoor“ hat sein Projekt schon vorgestellt. Angefangen hat bei ihm alles mit Liban, einem jungen Flüchtling aus Somalia. Dehghani und sein Teampartner Nicolas Ritouet haben ihm die Programmiersprache PHP beigebracht, mit der Websites gebaut werden. Andere Flüchtlinge kamen dazu. Inzwischen gibt es drei Kurse, die von Tutoren ehrenamtlich betreut werden.

Karan Dehghani: Also wir sind kein anerkannter Ausbilder, was für uns aber sehr wichtig ist, weil wir so unter dem Radar fliegen und die Personen, die bei uns mitmachen, nicht noch von einer Behörde eine Genehmigung brauchen, aber wir arbeiten z. Bsp. mit dem Partner Udacity in den USA zusammen, das ist eine große Programmierschule, die hat weltweit 2 Millionen Studentinnen oder Studenten. Und die wiederum haben die Kurse mitentwickelt mit den großen Silicon-Valley Unternehmen wie Google, Facebook oder so. (…) Und die haben so eine hohe Praxisrelevanz, dass es für die Arbeitgeber ok ist, auch wenn die keine offizielle Ausbildung in Deutschland haben.

Erzählerin: Dehghani konnte also das online-Bildungsportal „Udacity“ aus dem Silicon Valley als Partner gewinnen. Die Programmier-Kurse kosten dort normalerweise 200 Dollar. Über „CodeDoor“ können Flüchtlinge an den online-Kursen kostenlos teilnehmen, eine Arbeits- oder Ausbildungsgenehmigung brauchen sie nicht. Zweimal die Woche gibt es Termine, an denen die Ehrenamtlichen Fragen beantworten. Parallel dazu vernetzt Karan Dehghani Unternehmen mit seinem Projekt und vermittelt gegen eine Gebühr geeignete Bewerber - 40.000 Programmierer fehlen auf dem Markt. Dehghani arbeitet hauptberuflich für eine Firma, die sich an aussichtsreichen Start-ups beteiligt und „CodeDoor“ ist nicht seine erste Geschäftsidee. 1998 hat er einen Online-Geschenke-Service aufgebaut, den er 2001 an die Metro verkauft hat. Bei seinem Social Start-up kämpft er jetzt mit der Disziplin seiner Teilnehmer, mal kommen sie, mal nicht. Und die Jury hat gesagt, er muss genauer ausarbeiten, zu welchem Zeitpunkt er gesellschaftliche Wirkung erzielen will. Er klickt durch seine

Präsentation.

Karan Dehghani: Das ist dieser Chart mit dem Social Impact, also wie man sieht hat man hier unten die Zeitschiene, also auf der x-Achse und auf der y-Achse nicht die Anzahl der Teilnehmer, sondern die Entwicklung der Teilnehmer. Das heißt, wenn wir die Kursfolge durchlaufen und die ersten Projekte ins Internet gestellt werden von unseren Teilnehmerinnen, um sie potenziellen Arbeitgebern zu zeigen, dann wächst

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natürlich diese Kurve. Und wenn wir dann, natürlich jemanden in die Arbeit vermitteln, in den Job vermitteln dann steigt es auch noch mal an. So messen wir eben, ob wir Erfolg haben oder nicht. Und wo der Social Impact vielleicht noch erhöht werden kann.

Erzählerin: Es geht um die Zeitschiene. Wann will er Flüchtlinge in Arbeit bringen? Der generelle Nutzen von „CodeDoor“ und allen weiteren Ankommer-Projekten ist klar, sagt Norbert Kunz.

Norbert Kunz: Davon profitiert zunächst die Gesellschaft selbst. Oder monetär ausgedrückt, könnte man sagen, man spart damit öffentliche Finanzierungsmittel. Weil, wenn es uns gelingt, jemand schneller in Arbeit zu bringen, dann fällt weniger Sozialhilfe oder

Arbeitslosenhilfe an, als wenn jemand nicht in Arbeit gebracht wird. Das ist relativ einfach. Der zweite Nutznießer sind natürlich die Geflüchteten selbst, die natürlich, wenn die nach Deutschland kommen diese Ankunft auch verbinden mit der Hoffnung, hier relativ schnell integriert zu werden, Arbeit zu finden, ihre Familie ernähren zu können, teilhaben zu können an unseren gesellschaftlichen Errungenschaften und das funktioniert nur durch selbstverdientes Einkommen. Das ist ein ganz großes Eigeninteresse der Geflüchteten, was sozusagen eine Win-Win-Situation gibt zwischen unserem öffentlichen Interesse und dem Interesse der Geflüchteten.

Kurz Musik Ankommer-Video / Atmo - Gelände Haniel, Lab Duisburg, draußen

Sprecher: Social Impact Lab, Duisburg

Dirk Sander (Social LAB Duisburg): Wir sind auf dem Gelände der Firma Haniel, das ist ein alteingesessenes Familienunternehmen, heute ein Family-Equitiy-Unternehmen, also die haben selbst ein Portfolio aufgebaut an Unternehmen, wo sie sich beteiligen, wo sie auch an der Entwicklung der Unternehmen partizipieren. Also das ist das Geschäftsmodell von Haniel, hier seit über 200 Jahren vor Ort, das sieht man an den alten Gebäuden. Mit unserem neuen Lab werden wir in eine alte Gründerzeit-Villa einziehen …

Erzählerin: Dirk Sander leitet das Lab in Duisburg und zieht damit in zwei Wochen auf dem Gelände um. In einer Gründerzeit-Villa wurden Wände eingerissen – für „Community- und Co-Working-Space“, sagt Sander begeistert und zeigt Gemeinschaftsbüros und

eine Teeküche, die mit bunten Stühlen ausstaffiert wird. Finanziert wird das Duisburger Lab von Haniel, der „Social Impact gGmbH“, der KfW-Stiftung und der Prof. Otto-Beisheim-Stiftung, das ist die Stiftung der Metro-Gruppe.

Dirk Sander: Das ist in Frankfurt mit SAP ähnlich und anderen Förderorganisationen, die das begriffen haben und ihr Know-How uns zur Verfügung stellen. Und das ist wunderbar. Aber es sind eben einige Unternehmen. Und ich will auch nicht sagen,

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dass die Unternehmenswelt an sich böse ist, im Gegenteil, ich komme ja daher und ich weiß auch, dass die Menschen die in diesen Unternehmen arbeiten, die sind richtig und die wollen auch das richtige tun, aber das System ist halt ein bisschen verpeilt...

Atmo - Dirk Sander in neuem Lab

Erzählerin: Sander hat 17 Jahre in einer Bank gearbeitet. Im Risikomanagement. Ging dann nach Bangladesch und hat bei Nobelpreisträger Muhammad Yunus Mikrofinanzwesen und Social Business gelernt. Er hat Profitmaximierung durch social Impact ersetzt. Im Ankommer-Programm ist er der „Mastercoach“ von Rainer und Jennifer Klotz. Seit die beiden von ihm betreut werden, ist mit ihrer Idee einiges passiert. Aus „Café Connect“ wurde erst einmal CEC-Connect.

Rainer Klotz: CEC-Connect, CEC steht dann für Communication, Education and Consulting …

Erzählerin: In Kamp-Lintfort hat das Ehepaar Klotz einen Verein gegründet. Die Flüchtlingshilfe Kamp-Lintfort. Hier bieten sie Deutschkurse und Spieleabende an, ehrenamtlich und über Spendengelder finanziert. Das Café als Begegnungs- und Beratungsstätte sollte dazu kommen.

Rainer Klotz / Dirk Sander: R. Klotz: Also wir persönlich haben, als das Ganze anfing, den Schwerpunkt auf dem Cafe gehabt, was sich in den Gesprächen eigentlich auch mit unserer Mentorin geändert hat, die uns gesagt hat, der Schwerpunkt liegt doch nicht auf dem Cafe, eigentlich ist das Cafe nur die Begegnungsstätte, der Punkt des niederschwelligen Zugangs, aber ihr seid ein Bildungsträger. Und so hat sich das Ganze entwickelt, wir haben den kleinen Satz jetzt. CEC-Connect ist ein Bildungsträger der sozialen und beruflichen Integration. Und das hat sich wirklich erst in dieser Zusammenarbeit geklärt. Sander: Ja und ich erinnere mich noch als ich euch kennengelernt habe, bei der Pitchwerkstatt, da war tatsächlich, welche Formate brauchen wir um die Begegnung auch sinnvoll zu gestalten, dass die beiden Parteien einander besser kennenlernen, was ja auch wichtig und immer noch ein Teil eurer Arbeit ist, aber das ist kein Geschäftsmodell. Damit kann man sich nicht über Wasser halten. Aber als Bildungsträger da gibt es die Möglichkeit sich bestehenden Fördermöglichkeiten anzuschließen, also mit dem Jobcenter und der Arbeitsagentur zusammenzuarbeiten, wo man die Fördergelder entsprechend abrufen kann für die berufliche Bildung der Zielgruppen.

Erzählerin: Formate und Modelle haben sie entwickelt, Stationen eines „Gründungspfads“ für Social Business Unternehmen abgearbeitet: Problemidentifikation, Status Quo Analyse, Stakeholder Engagement, Rechtsform, Startfinanzierung. Doch als es konkret wird und sie einen Ort für ihr Café suchen, stellen sich einige Bürger und die

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Stadt Kamp Lintfort in den Weg: eine Zusage für Räumlichkeiten wird plötzlich zurückgezogen.

Dirk Sander: Also Cafe Connect ist ein Ort, der muss irgendwo sein, in einer Stadt, in einer Kleinstadt. Und an diesen Ort kommen dann eben die Menschen mit Fluchterfahrung hin. Und das ist bei vielen die dort im Umfeld wohnen durchaus angstbesetzt. Und dann kamen jetzt in diesem Fall auch von Bürgern Angstbriefe an den Rat der Stadt: So ein Cafe möchten wir nicht bei uns haben. Da sind dann all die bartragenden Männer, die dann Shisha, oder wie das heißt, rauchen. Und wir haben in der Nähe einen Kindergarten, eine Schule, das ängstigt uns, das wollen wir nicht haben. Und dann hast du wirklich ein Problem.

Erzählerin:

Ein Sozialunternehmen zu gründen ist an sich schon nicht leicht, sagt Sander. Vor allem in Deutschland. Soziale Aufgaben übernehmen zu einem Großteil noch der Staat oder Wohlfahrtsverbände, die Unternehmensform ist kaum bekannt, es gibt nur wenige Fördermöglichkeiten - und welche Bank gibt einem Kredit, wenn das Unternehmensziel „gesellschaftliche Wirkung“ und nicht Profitmaximierung heißt. Jetzt kommt auch noch die Herausforderung mit der neuen „Zielgruppe“ Flüchtlinge dazu.

Dirk Sander: „Mission driven“ ist unheimlich wichtig. Das ist eine lange Wegstrecke, die uns alle verbindet, wir haben alle auch gesehen, wir mussten Umwege gehen, wir sind gegen Wände gelaufen und da brauchst du ein Durchhaltevermögen dazu. Das ist glaube ich, was Social Entrepeneure ausmacht.

Kurz Musik Ankommer-Video und Atmo - Fotograf Lab Hamburg

Sprecher: Social Impact Lab, Hamburg

Erzählerin: Benjamin Jürgens ist so ein Social Entrepreneur, so ein „Sozial-Unternehmer“. In einem Mickey-Mouse-T-Shirt sitzt er unter einem Reflektor. Er hat einen Fototermin. Kommt öfters vor in letzter Zeit. Das liegt daran, dass sein Projekt eine „einfache Geschichte“ erzählt, sagt er. Eine, die die Welt versteht. Mit der „Refugee Canteen“ will er Geflüchteten eine Perspektive in der Gastronomie bieten, so den Fachkräftemangel in der Branche bekämpfen und Geschmäcker aus der Heimat der

Flüchtlinge in deutsche Küchen bringen.

Benjamin Jürgens: Der eigene Antrieb, der war so: Es fehlt immer mehr Fachpersonal. Wir haben also mit Menschen zu tun, die haben eine Affinität, in unserer Branche zu kommen, man kann hier schnell Geld verdienen, wir haben auch keine großen Richtlinien, einfach mal schnell rein, ein Gesundheitszeugnis machen. Schlops, ist man dabei. Aber

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irgendwie weiß keiner, was eine Garstufe ist, keiner weiß, was Tranchieren ist und Blanchieren und das macht keinen Spaß, weil, das bringt uns nicht voran …

Erzählerin: Benjamin Jürgens und sein Projektpartner Lukas Halfmann haben mit Kulturen und Kochen reichlich Erfahrung gesammelt. Halfmann hat in der Sternegastronomie Koch gelernt und in der halben Welt gekocht. Jürgens kommt aus der Beratung, seit einer Afrika-Reise beschäftigt er sich mit sozialen Unternehmen. Gemeinsam hatten sie einen sehr angesagten, hochwertigen Grill mit Bar in Hamburg.

Benjamin Jürgens: … das Zweite war, dass wir Menschen hatten, die extreme Potenziale hatten, aber in der Spülküche standen und die konnten wir irgendwie gar nicht zu uns rüberholen, weil man wollte sie auch gar nicht bei uns haben. Und wir waren beide so: Die

müssen wir eigentlich zu uns rüberholen, weil da ist jemand, der hat extrem Lust und war dann Tellerwäscher. Warum kann der nicht langfristig vielleicht auch das Steak machen.

Erzählerin: Jetzt wollen sie eine Akademie gründen und Geflüchteten eine Basis für eine Ausbildung in der gehobenen Gastronomie vermitteln. Sechs Monate soll die Schulung dauern, drei Monate werden Theorie und Fachbegriffe gebüffelt, dann geht es ins Praktikum. Mit der Hoffnung, dass die Praktikanten danach in eine Ausbildung übernommen werden. Benjamin Jürgens: Es wird spannend sein, wenn das Thema Schweinefleisch und Alkohol auf dem Plan steht. Wir machen eine Art Einstiegsqualifikation. D. h., die Leute kommen zu uns, das ist so ein leichtes Bewerbungsgespräch: Wo kommst du her? Wieso glaubst du, dass es für dich spannend ist? Weißt du, dass du, wenn du in dieser Branche erfolgreich sein willst, einen Liter Alkohol in den Topf gießen musst? Und du musst das probieren. Nach einer Stunde ist da kein Alkohol mehr drin, da kannst du halt mal probieren, aber du musst probieren. Weißt du, dass du Schweinefleisch verarbeiten musst? Das musst du nicht probieren. Da ergeht dann Gnade vor Recht. Auch ich esse gewisse Dinge nicht, aber du musst es verarbeiten können, ist dir das bewusst? (…) Ich mach da einen Riesenunterschied mit der Religion. Ich respektiere das. Aber in gewisser Form muss man Dinge abschmecken, weil, da geht es um den Gast vorne. Und da tragen wir die Verantwortung alle. Und da ist wichtig, dass dem Gast nichts passiert.

Erzählerin:

Die beiden haben bereits eine Stiftung von ihrer Idee überzeugt. Haben 60.000 Euro erhalten, damit sie sich ganz ihrem Start-up widmen können. Dafür sitzt Jürgens bis nachts im Lab, wälzt Verordnungen, schlägt sich mit Paragraphen, Kostensätzen, Ausbildungskonzepten und Zertifizierungen herum. Das Stiftungsgeld ist ein guter Anschub. Später sollen über Bildungsgutscheine und Ausbildungsförderungen staatliche Gelder fließen, dafür muss die Akademie als Bildungsträger anerkannt sein.

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Benjamin Jürgens: (…) Was ist das Amt bereit, dafür zu zahlen? Welche Wege muss man einleiten, damit man vielleicht zu seinen Kosten kommt? Wie müssen die Lehrpläne entwickelt sein, dass also – es gibt für Einzelcoaching manchmal mehr Geld als für Gruppencoaching. Und ist der Theorieanteil höher oder niedriger? Da sind wir gerade in so einer Machbarkeitsstudie mit einem Bildungsträger, indem wir einfach schauen, wie weit können wir gehen.

Musik Ankommer Video

Fair Furnisher: Ich bin Stefanie Meyer – und mein Name ist Lars Zimmermann – und wir sind von Fair Furnisher. Fair Furnisher will mit Flüchtlingen Möbel bauen aus alten Messematerialien. Damit kreieren wir die Möglichkeit der Integration für geflüchtete

Menschen und gestalten die Messe nachhaltiger.

Erzählerin: Auch Lars Zimmermann und Stephanie Meyer sind im Hamburger Lab. Sie hatten heute eine Art Nachprüfung. Bei der letzten Präsentation hat die Jury Lücken in ihrem Geschäftsmodell entdeckt.

Lars Zimmermann: Vor allen Dingen im Bereich Vertriebsstruktur, Businessstruktur, Businessplan gab es noch so ein paar Fragezeichen. Berechtigterweise.

Erzählerin: Die Fragezeichen konnten die „Fair Furnisher“ beseitigen. Jetzt können sie in vier Wochen beim sogenannten „Besten Pitch“ antreten und um 20.000 Euro kämpfen. Ihre größte Herausforderung bisher? Ein Unternehmen aufziehen und gleichzeitig für den Lebensunterhalt sorgen, sagen beide.

Lars Zimmermann / Stephanie Meyer: LZ: Das ist wirklich schwierig. Und das ist neben der inhaltlichen Aufgabenstellung die größte Herausforderung. Weil man „nebenbei“ in Anführungszeichen noch Geld verdienen muss und alle Rechnungen bezahlt werden sollen. Und man zum Teil auf Erspartes zurückgreifen muss, weil man eben nicht 24/7 an seinem eigenen Business arbeitet und damit Geld verdient. (…) SM: Die Sache ist, dass man an etwas glaubt, es geht dann nicht mehr ums Geld. Also man hat eine ganz andere Motivation hier hinzugehen und an dieser Idee zu arbeiten und das ist dann das was gerade über dem Geld liegt, aber trotzdem

gleichzeitig man gucken muss, dass man seine Miete bezahlen kann, klar. <<<<

[BESTEN-PITCH BERLIN] - Atmo - Team übt Auftritt

Sprecher: KfW-Bank, Niederlassung Berlin, am Gendarmenmarkt, 25. Mai, 8:30 Uhr

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Norbert Kunz: Super spannend das zu sehen, als die sich beworben hatten gab es meistens nur eine mehr oder weniger konkrete Idee, gar keine klare Vorstellung dahinter, wie die Finanzierung aussehen soll, wie die Nachhaltigkeit dieser Projektidee gesichert werden kann.

Collage Projekte (RLC) Eine unserer Hauptanliegen ist ja auch unsere Übersetzer auszubilden und einzustellen und dafür brauche wir natürlich ein Finanzierungskonzept. Und darum wollten wir uns das Knowhow holen. – Eine große Erkenntnis ist, ein bisschen größer zu denken, vielleicht andere Zahlen, andere Größe, aber wir bleiben Basisdemokratisch auf jeden Fall. / (RC) Das ist glaube ich der riesen Unterschied, vorher war es ein Gedanke etwas zu verändern, aber nicht wissen wie und heute sitzen wir hier und wissen, dass wir uns zertifizieren lassen wollen als Bildungsträger und anerkannten Standards entsprechen wollen, weltweit. Das ist schon ein riesen Unterschied. / (SH) Was wir wirklich erarbeitet haben ist das andere „Share-Häuser“ in diesem Konzept möglich sind, sich auch selber tragen würden, weil wir auch gemerkt haben, die Gemeinschaftsbildung ist das Zentrale. Alles andere kann man sich von außen holen, aber wie Menschen zusammen leben, ist das ganz entscheidende und das können wir jetzt skalieren, das können wir jetzt überall hintragen. / (SG) Und das war halt auch sehr anstrengend, viel Arbeit, in jedwedem Bereich. Im juristischen Bereich, was sind überhaupt die Auflagen, im wirtschaftlichen Bereich, was erwartet uns wenn wir ein Unternehmen gründen wollen und das war schon ein sehr anstrengender Prozess, den wir ja neben unsere Arbeit absolvieren mussten und das ist auch ein harter Weg.

Erzählerin: (mit Collage Projekte mischen?) In einer halben Stunde muss das erste Team mal wieder sein Projekt „pitchen“. Diesmal in einem getäfelten Sitzungszimmer mit dickem Teppich. Es geht um was. Die Hauptjury - darunter ein Vertreter aus dem Senat der Stadt Berlin, aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und aus der Haniel Akademie - entscheidet heute über die drei „Leuchtturm-Projekte“. Aufnahmen dürfen nicht gemacht werden. Alles geheim. Aber bevor sich die schwere Holztür schließt erklärt Norbert Kunz als einer der Juryvorsitzenden noch:

Norbert Kunz: Wir haben verschiedene Kriterien nach denen halt eben auch die Entscheidung getroffen wird, ein Kriterium ist natürlich die soziale Wirksamkeit, sprich die Frage, kann mit diesem Ansatz tatsächlich eine erfolgreiche Integration ermöglicht werden und auch die Frage, ist dieses Modell Skalierungsfähig. Skalierungsfähig bedeutet

bei uns nicht nur dass das Projekt oder das Unternehmen wächst, sondern kann es auch als Vorbild wirken und zur Nachahmung motivieren, das ist eine Frage und die zweite Fragestellung nach der wir bewerten ist tatsächlich die wirtschaftliche Nachhaltigkeit. Ist es ein Projekt, wo wir davon ausgehen können, das es nicht nur in den nächsten 5 bis 6 Monaten funktioniert sondern halt eben wirtschaftlich nachhaltig und eigenständig weiterexistieren kann ohne Fördermittel.

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Erzählerin: Zehn Minuten hat jedes Team: fünf Minuten Präsentation, fünf Minuten Fragen aus der Jury.

Collage Projekte: (DA) Die Zeit war enorm kurz, also wir haben unser Programm abgerattelt und ich glaube die Fragen haben wir sehr gut beantwortet. / Es ist ein bisschen absurd ein Projekt was so komplex ist und so viele Beteiligte hat innerhalb von fünf Minuten nachzuerzählen. Man hat immer das Gefühl, dass man der Sache nicht gerecht wird. / (MG) Wir sind ein Verein und hatten im August letzten Jahres schon ein paar Presseauftritte und haben dann mit einer Datenflut arbeiten müssen, auf die wir so nicht vorbereitet waren, sprich wir hatten nicht die Organisationsstruktur um damit umzugehen und da haben wir hier aus dem Lab gelernt, dass vielleicht erst die Strukturen der Organisation stehen sollten bevor man sich so eine große Kundschaft an Land zieht. / (CD) Und die Fragen die von der Jury kamen waren auch etwas unerwartet. Gingen jetzt bei uns in Richtung Wettbewerb und Alleinstellungsmerkmal. Man geht ja davon aus, dass der Jury unser Unique Selling Point bekannt ist von daher rechnet man nicht mit so einer Frage, damit wollte ich nicht sagen, dass die Jury nicht vorbereitet war, sondern dass wir nicht mit der Frage gerechnet haben. Nicht, dass das falsch rüber kommt … blöde Jury (lacht) / (LM) Für mich sehr schön, weil ich einfach ordentlich nochmal geübt habe mit Social Impact im Vorfeld und sehr viel ruhiger war als in der Vergangenheit, sehr viel entspannter. / (BE) Wir suchen eine Grundschule und eine Kita mit der wir das Social Franchise aufbauen können. Wir haben ein gewachsenes Modell, dort wo Sabine bereits kocht und so soll das dann in einer anderen Kita oder Schule werden, damit wir dann zwei Proofs of Concept haben für das Social Franchise. / (AX) Eine Herausforderung bei uns ist tatsächlich eine eigene Küche aufzustellen, da arbeiten wir jetzt seit Monaten dran. Wir hatten verschiedene Lösungsansätze, die haben sich dann in Luft aufgelöst, teilweise im Deckmalschutz zum Opfer gefallen, also so Widrigkeiten, die niemand vorhersehen kann, die niemand planen kann. / (AV) Es steht da auch noch so ein paar langweilige Sachen vor uns wie das Fertigstellen des Businessplans, dann müssen wir einen Gesellschaftsvertrag aufsetzen, der dem Gesellschaftsvertrag für gemeinnützige Organisationen entsprechen muss, müssen das beim Finanzamt einreichen und müssen nebenbei noch die Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis beantragen. / (FF) Gut, richtig gut. Wir sind zufrieden mit dem was wir präsentiert haben und jetzt haben wir es nicht mehr in der Hand. / (SBS) Ja und ich finde halt in unserem gemeinsamen Arbeiten mit Esra und Iman in unserem Schneideratelier, da laufen die Dinge einfach so gut und ich hoffe einfach, dass die verstanden haben, was da passiert, also dass wir da total befriedigt rausgehen und uns auf Augenhöhe begegnen und dass das das eigentliche Ziel ist, der Kern und ob man das dann in so einem Pitch rüberbringt. Weiß ich nicht.

Erzählerin: Nach vier Stunden haben dreizehn Teams ihre Projekte vorgestellt. Die Jury wird jetzt beraten und in zwei Wochen die Preise verleihen

Projekt (DA): Ich bin gerade Null auf der Höhe. Was dieses Ding angeht, das hat alle meine Energie geraubt. Also ich würde mich freuen wenn wir … - sie kann ja schneiden. Ja.

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Erzählerin: Das vierzehnte Team fehlte. Rainer und Jennifer Klotz von CEC-Connect waren nicht dabei.

Atmo - Kamp-Lintfort – Rainer Klotz

Sprecher: Kamp-Lintfort, Räume von CEC-Connect

Rainer / Jennifer Klotz: R. Klotz: Wir waren ja bei dem Mid-Term-Review. Und ich muss sagen, für uns persönlich, wir fanden das Ergebnis was wir für uns erzielt haben eigentlich viel besser. Wir hatten das Glück, dass das so gesehen wurde schon, dass das in der angesetzten Zeit erst mal nicht zu realisieren ist, einfach vom Manpower her, das

Projekt umzusetzen. / J. Klotz: Ja, wir hätten was präsentieren können, klar, aber wir sind ja immer noch nicht so weit, dass wir sagen könnten, ja, wir haben die Idee, das ist jetzt da, sondern wir planen ja immer noch. Und das braucht einfach… Und die Schlagzahlen – ich kann nicht so schnell Netzwerke installieren, wie das gefordert worden ist. Das kriegt man nicht … also, wir kriegen das nicht mit einer Vollzeitstelle dann nebenbei noch hin. Das geht nicht. Punkt. So.

Erzählerin: Sie waren noch nicht so weit. X-Mal wurde ihr Konzept umgekrempelt, Finanzierungsmodelle erstellt, Organisationsformen durchdacht, Zielgruppen und Marktpotenzial analysiert - nach dem Pitch war vor dem Pitch. Aber Jennifer und Rainer Klotz kommen nicht aus der Start-up Welt - und irgendwie ging ihnen ihre Idee dort etwas verloren.

Jennifer Klotz: Also, wir kennen auch gar nicht diese Ankommer-Welt. Also, das war ja auch so – da haben wir uns immer kaputtgelacht. Dann reden wir von einer Audience, und dann machen wir einen Pitch, und ich würde vor den Zuschauern sprechen, und… na ja, das war alles so sehr hoch gehalten, irgendwie, wir müssen One-Pager machen, anstatt: Wir schreiben mal eine Seite. Also, es ist schon irgendwie nicht so die Welt von Sozialpädagogen und der Sozialen Arbeit. Und da prallten dann schon in diesem gesamten Prozess immer so Dinge aneinander. Ich habe dann immer gesagt: Wir sind doch ein Verein, und ein Verein – wir können über Spenden, also, uns finanzieren, und wir müssen an Ausschreibungen teilnehmen, und ich kann nie Gewinne erwirtschaften. Ich werde nie Gewinne…, weil, ich arbeite nicht mit Menschen, die irgendwie Geld haben. Und auf der anderen Seite ist da eben dieses,

dieses professionelle Denken: Ich muss irgendwas organisieren, ich hab ein Produkt, und da kommt was raus, und damit kann man Geld verdienen. Und das sind wir nicht. (…)

Erzählerin: Sie haben viel gelernt, sagen sie. Und sie werden vom Lab weiter unterstützt, können mit Fragen und Anliegen kommen, sind Teil des Netzwerks. Mit den 4.000 Euro, die

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es zur Halbzeit gab, gründen sie einen weiteren Verein, der als Bildungsträger zertifiziert werden soll.

Jennifer Klotz: [Wir sind ganz klassisch ein soziales Unternehmen, also ohne Gewinnorientierung. Sondern] wir wollen einfach nur ein Stückweit unsere Welt verbessern hier. Also, mit den Geflüchteten, und eben auch (…) mit Menschen, die benachteiligt sind.

Erzählerin: Jennifer und Rainer Klotz machen weiter, in ihrer Geschwindigkeit und vor ihrer Haustür. Skalierungsfähig muss das für sie nicht sein. Die anderen fiebern der großen Preisverleihung entgegen.

Atmo - Nähwerkstatt Frankfurt

Sprecher: Werkstatt von „StitchbyStitch“, Frankfurt, eine Woche vor der Preisvergabe

Nicole von Alvensleben: Das war wunderbar zu sehen, als die das erste Mal zusammen gearbeitet haben. Ich habe ja nur zugeguckt und habe gedacht: Wow. Genauso wie wir uns das vorgestellt haben, es funktioniert wie eine Eins und die Lachen und haben Spaß miteinander und dann zeigt die Claudia auf den Kragen und dann nickt die Iman und dann sagen sie ja, ja man muss das so und so machen, also wirklich eine globale Sprache das Nähhandwerk.

Erzählerin: Nicole von Alvensleben und Claudia Frick sind „StitchbyStitch“, sie bauen mit geflüchteten, professionellen Näherinnen eine Schneiderwerkstatt für kleine Labels auf und wollen traditionelle Techniken mit modernem Design kombinieren. Jetzt breiten sie vor Iman und Esraa Tücher und Stoffe aus. In dem kleinen Raum reichen die Regale mit Stoffmustern und Nähutensilien bis unter die Decke. Esraa, 21 Jahre alt, seit zwei Jahren in Deutschland, hat bis zur Flucht Modedesign in Damaskus studiert. Iman, Mitte 30, seit fünf Monaten hier, hatte ein Schneideratelier in Aleppo. Jetzt sind sie die ersten syrischen Näherinnen von „StitchbyStitch“.

Claudia Frick / Nicole von Alvensleben: … und vor allem zu sehen, dass Iman und eine Esraa total gerne hierherkommen. Ihr Leben ist einfach hier in unseren Räumen ein normales und kein… Flüchtling. Ja, kein Flüchtlingsthema und Selbstbestimmt. Ich glaube es hat wirklich nichts mit dem

Flüchtlingsstatus zu tun. In dem Moment wo ein Mensch entdeckt er hat eine Fähigkeit und er kann die Leben, er hat einen Beruf wo er arbeiten kann, dann ist das was ganz tolles. Und das macht glücklich zu sehen, dass das funktioniert. / Was ich auch toll finde, wenn wir da stehen, und nehmen den Stoff, das habe ich jetzt mit der Esraa zusammen gemacht und ich sie frage was sie meint und wo man das platziert, und das ist toll. Jeder bringt seine Fähigkeit und sein Talent mit und in der Mischung entsteht was Neues. Wir hatten auch so ein Motto bei der Bewerbung damals: „Made in Germany – Inspired by Syria.“

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Erzählerin: Mit ihrer Werkstatt füllen sie eine Marktlücke, sagt Claudia Frick, die selbst ein kleines Modelabel führt. Denn die kleinen Labels finden oft keine Produktionsstätte, die auch mal nur 10 Hosen oder 50 Röcke näht. Von einer „Win-Win-Situation“ sprechen Claudia Frick und Nicole von Alvensleben. Die Labels und die Flüchtlingsfrauen haben was von ihrer Geschäftsidee. Im Moment sind sie jedoch mit einer Entwicklung konfrontiert, die in keiner Marktanalyse absehbar war. Iman ist schwanger. Nach der Geburt will sie aber unbedingt bei „StitchbyStitch“ weiter arbeiten.

Nicole von Alvensleben: Sie ist wirklich Vollprofi, deswegen sind wir auch ganz glücklich, dass sie weiter mit uns arbeiten will, wir haben schon überlegt wir machen eine Ecke wo sie das Baby

mitbringt und wir werden das irgendwie unter uns Frauen gut handeln können, wir freuen uns schon auf unser erstes Baby.

Erzählerin: Für Iman richten sie dann eine Krabbelecke in der Werkstatt ein. Und Esraa soll eine Ausbildung machen können. Die wird staatlich gefördert, dem Handwerk fehlt Nachwuchs. Heißt aber auch: viel mit Behörden telefonieren, Anträge ausfüllen, immer wieder nachhaken.

Nicole von Alvensleben: Und auch das sich da reindenken, also jemand der noch keine Aufenthaltserlaubnis hat ist bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldet, dann muss man sich dort hinwenden, jemand der die Aufenthaltserlaubnis hat ist beim Jobcenter, in unserem Fall bei Esraa jetzt nochmal das Jugend-Jobcenter, das ist wieder eine andere Person und das weiß man natürlich von außen nicht, ja. Und das ist auch so eine Herausforderung, man hört dann zwei Wochen nichts und denkt, was ist denn los und dann sagt der: Och, da ist jemand anderes zuständig, ich habe sie dann schon mal weiter geemailt, dann weiß man aber nicht wer, wo kann ich da anrufen. Man braucht ein bisschen Biss. (lacht leicht).

Erzählerin: Sie haben größere Räume gefunden. Jetzt will die Kaution bezahlt sein, dann die Miete. Außerdem kommen die ersten Aufträge rein: Taschen, T-Shirts, Kinderkleidung. Da müssen sie in Vorleistung gehen, für Materialien und den Lohn der Näherinnen, neun Euro bekommen die Mitarbeiterinnen pro Stunde. Die Gründerinnen zahlen sich selbst nur 35 Cent mehr. Nicole von Alvensleben und Claudia Frick wollen von ihrem Unternehmen leben können. Noch geht das nicht. Sie beißen sich weiter durch.

Claudia Frick: Ich jongliere mit vier Jobs parallel, habe 48 Stunden Tag, und ja versuche alle Zeit die ich habe stecke ich in dieses Projekt, merke aber auch wir müssen jetzt in die Pötte kommen, denn ich möchte dieses Projekt machen und ich möchte damit auch Geld verdienen und das ist das große Ziel am Ende für uns alle. Flüchtlinge, wir Menschen, alle.

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[PREISVERLEIHUNG, BERLIN] Atmo - Eröffnung, Begrüßung Hatice Akyün)

Begrüßung vom Mitschnitt: Wir alle, wir kennen die Bilder des letzten Sommers. 100-tausende Flüchtlinge machten sich von Griechenland aus über die Balkan-Route auf den Weg nach Deutschland. Viele von ihnen leben jetzt mit uns. Sie alle haben viel Leid erlebt in ihrem Kriegsland und auf der sehr strapaziösen Flucht …

Sprecher: KfW-Bank, Niederlassung Berlin, am Gendarmenmarkt, 9. Juni, 15:00 Uhr

Erzählerin:

Die KfW-Stiftung und die Social Impact gGmbH haben zur Preisverleihung eingeladen. In einer großzügigen Empfangshalle, hohe Fenster, glänzender Fußboden, werden Getränke und Häppchen serviert. Die Gäste werden begrüßt, es wird gleich eine Podiumsdiskussion geben. Gerade spricht Ulrich Schröder, Vorstandsvorsitzender der KfW-Bank und der KfW-Stiftung.

Ulrich Schröder: Die KfW ist ein soziales Unternehmen. Was ist ein soziales Unternehmen, ein soziales Unternehmen hat zwei Kennzeichen. Das eine ist, es hat einen sozialen Auftrag.

Erzählerin: Die KfW-Bank trägt die Bezeichnung „Förderbank“. Sie wird dort tätig, wo der Bundestag sagt, dass sie tätig werden soll.

Ulrich Schröder: … das ist von der Klimaunterstützung im Wohnungsbau, das ist von der Studienfinanzierung, das ist die Unterstützung von Kommunen, die Unterstützung von mittelständischen Unternehmern, internationale Finanzierung, wir sind die größte Entwicklungsbank der Welt, wir haben 80 Büros überall auf der Welt, wir sind der größte Exportfinanzierer, begleiten also deutsche Wirtschaft ins Ausland. Aber alles nur dort, wo ein sozialer Auftrag, wo ein gesetzlicher Gestaltungsauftrag besteht um tätig zu werden. Erstes Kriterium warum sind wir ein soziales Unternehmen.

Erzählerin: Schließlich betont auch Ulrich Schröder, dass die KfW Bank als soziales

Unternehmen nicht profitorientiert arbeiten darf, Wachstum kein Unternehmenszweck ist.

Ulrich Schröder: Und damit fährt man übrigens gut, die KfW ist mit dem Ziel nicht zu wachsen und nicht Profitmaximierer zu sein inzwischen die drittgrößte Bank in Deutschland und die rentabelste Bank in Deutschland. (Applaus)

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Erzählerin: Es wird dann auf dem Podium diskutiert. Über Flüchtlinge, Arbeit, Paragraphen, Zeugnisse, Regelungen, Chancen, Potenziale.

Christian Stahl: Wenn man eine Flucht mal durchdekliniert, Herr. Dr. Schröder, sie müssten jedem von den Geflüchteten einen Preis geben so, soviel Kapital hat die KfW-Stiftung dann auch nicht, weil im Prinzip eine Flucht ist ein Entrepreneurship, das sind alles soziale Startups, wer eine Flucht schafft bis hierher, so zynisch das klingt, der hat sein erstes Startup bewiesen. Dass er es kann, in ein Land schaffen nach Europa, das ist so schwer, man weiß es …

Atmo - Halle KfW

Erzählerin: Nach gut einer Stunde steht die Spitze der KfW dann im Eingangsbereich bereit. Der Bundeswirtschaftsminister fährt vor. Freundliche Begrüßung, Hände schütteln, vertrautes Nicken - man kennt sich. Sigmar Gabriel ist Schirmherr des Programms und als Wirtschaftsminister Chef der KfW.

Sigmar Gabriel: Und ich finde es fantastisch wie dieses Land jedenfalls in seiner weit, weit überwiegenden Mehrheit sagt, wir wollen diese Weltoffenheit nicht verlieren, wir wollen die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen, wir wollen uns kümmern, damit wir gemeinsam dieses Land entwickeln, wenn daraus auch noch Geschäftsmodelle für Unternehmen entstehen, ja spätestens dann ist der Durchbruch gelungen. Also wenn man mit „dem Guten“ Geld verdienen kann, besser geht es ja eigentlich kaum.

Sigmar Gabriel: Die Politik alleine wird die Integration nicht schaffen, sondern die Aufnahmebereitschaft unserer Bevölkerung, die Menschen die sich kümmern, die sind die Voraussetzung dafür, dass Integration gelingt. Man kann Integrationsbereitschaft nicht verordnen. Die müssen Menschen selber empfinden (… ) … [das große Versprechen lautet: Jeder soll aus seinem Leben etwas machen können. Freiheit heißt nicht nur Freiheit von Not und Unterdrückung. Heißt auch Freiheit zu einem selbstbestimmten Leben, nicht die Herkunft, nicht die Rasse, das Geschlecht, das Einkommen der Eltern oder die Nationalität soll bestimmen, ob man aus seinem Leben etwas machen kann, sondern jeder soll die Möglichkeit haben. Gelungenes Leben kann nie die Gesellschaft oder der Staat oder die Politik organisieren, das muss man selber versuchen. Aber Bedingungen dafür schaffen, dass jedes Leben gelingen kann, das ist der Auftrag unserer Verfassung.]

Erzählerin: Die Projekt-Teams stehen während der Rede an Bistrotischen, strategisch günstig, am Ende des Mittelgangs, so kommen die Gewinner schnell auf die Bühne.

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Acht Monate haben sie aus Ideen Geschäftsmodelle entwickelt, unzählige Male ihre Power-Point-Präsentationen überarbeitet, zum Teil schon Unternehmen gegründet. Nach drei Stunden mit Podiums-Diskussion und Reden ist es soweit.

Preisverleihung, Akyün: (Atmet aus) … fangen wir mit den Ersten an … die ersten Gewinner. Ankommer. Perspektive Deutschland. Mit einem Startgeld von 20.000 Euro wird ausgezeichnet … Nicole von Alvensleben und Claudia Frick – Stitch by Stitch. Herzlichen Glückwunsch. (Applaus)

Stitch by Stitch: Nici: „Bin völlig geplättet. – Sieht man Ihnen nicht an. – Wenn ich um die Ecke gehe, fange ich an zu heulen vor lauter … Irre. Agggrrr. … Claudia im Gespräch: Und die syrische Bevölkerung arbeitet auch zu 30 Prozent in der Textilindustrie und wir haben

zwei so tolle Frauen gefunden und ich sage Ihnen, die sticken, das ist unglaublich. – Sitzen Sie in Frankfurt? – Wir sitzen in Frankfurt nur im Moment noch … wobei wir haben ab Juli … ach jetzt haben wir ja Geld! Jetzt haben wir ein Ladenlokal. (lacht)

Erzählerin: Der zweite Platz geht an „CodeDoor“, der dritte an die „Refugee Law Clinic“. Außerdem gibt es einen Sonderpreis der Jury: 10.000 Euro für „Sharehouse Refugio“. Die Gäste zieht es nach der Preisverleihung zu den Häppchen in der Halle. Im Saal werden noch schnell Fotos mit dem Wirtschaftsminister gemacht, der verschwindet danach wieder, die ersten Visitenkarten wechseln den Besitzer und ein Filmteam braucht richtige „Gewinner-Statements“.

Karan / Nicolas: Englisch: Okay, Gays keep your answers short for me, as short as you can. Big goal, short statements … Codedoor hat eine super Potenzial. Wir haben ein supercoole Projekt gebaut. … Karan: Es hat auf jeden Fall das Potenzial groß zu werden über Deutschland hinaus, natürlich fokussieren wir uns auf Deutschland aber es hat die Möglichkeit noch größer zu werden. Aber was das besondere daran ist, dass die Gemeinde die dahinter steht immer größer wird, die Teilnehmer, die Volunteers, die Freiwilligen, das wird besser unterstützt werden können. Englisch: You are great congratulations …

Erzählerin: Das Team der „Refugee Law Clinic“, Katja Reissig und Matthias Jobke, stützt sich auf einen Bistrotisch. Studenten und Geflüchtete, die schon länger im Land sind, beraten neuangekommene Flüchtlinge in Rechts- und Aufenthaltsfragen - das ist ihr Konzept. Die Geflüchteten sind dabei als Sprachmittler eine wichtige Stütze. Bisher machen sie das ehrenamtlich.

Refugee Law Clinic: KR: Also ich bin ehrlich gesagt, einerseits sehr stolz auf unser Projekt, dass wir so hart gearbeitet habe und aller Wahrscheinlichkeit demnächst wirklich mal unsere Sprachmittler mal wirklich langfristig zu finanzieren. Das stimmt mich sehr positiv. Aber auf der anderen Seite finde ich es traurig, dass man eigentlich vergisst, dass man hier steht, weil es im Nahen Osten so viel Krieg gibt. Ja und das ist bisschen ein

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zwiespältiges Gefühl gerade. / MJ: Das wir halt mit Flüchtlingen arbeiten und dass wir quasi immer nur die Gewinner, die hier angekommen sind als Thema sind und immer etwas vergessen wird, wer auf der Strecke geblieben ist, wer im Mittelmeer ertrunken ist. Das ist immer so ein bisschen das lachende und das weinende Auge.

Gurdip u. Gruppe: Sprecht ihr lieber Deutsch oder Englisch? Wisst ihr was wir hier machen? Hast du die aufgeklärt? F: Ja, ich habe erklärt, wir möchten Unterricht bekommen. Sie haben gesagt wir möchten Computer …

Sprecher: Social Impact Lab Frankfurt. Gut einen Monat nach der Preisverleihung.

Gudirp / Gruppe: F: Er weiß nicht gut Computer. G: Wer? F: Abduhl. G: Ist doch kein Problem, Abduhl.

Abduhl bist du willig zu lernen? – Ja. – G: Wenn man willig ist zu lernen kann man alles. Man muss nur Geduld mitbringen und ein bisschen Fleiß und dann hat man es schon. Man muss nur kontinuierlich am Ball bleiben … es gibt am Anfang so eine Strecke, da ist es ein bisschen schwer, aber dann ist es einfacher und dafür sind wir auch da. Und wenn ihr Probleme habt, helfen wir euch dann …

Erzählerin: Donnerstagabend, der Programmierkurs von „CodeDoor“. Jussuf, Hamid, Abduhl und Achmed sind zum ersten Mal da. Sie wollen Programmieren lernen. Gurdip Mudhar setzt sich zu ihnen, fragt nach Sprachkenntnissen, ihren Vorstellungen, erklärt das Kurssystem. Gurdip ist bei „CodeDoor“ eingestiegen. Sie sind jetzt zu fünft im Management-Team, ehrenamtlich, ihr Geld verdienen sie alle woanders. Aber um das Start-up voranzubringen muss es wachsen. Nach der Preisverleihung gab es: Berichte in der Presse, Anfragen aus Unternehmen, Treffen mit der lokalen Politik, Gespräche mit der Wirtschaftsförderung. Und alle haben ihre Unterstützung angeboten. Es gab aber auch Erkenntnisse, sagt Karan Dehghani. Das mit der Disziplin hätten sie einigermaßen in den Griff gekriegt.

Karan: Also es kamen mal die Leute und mal kamen sie nicht, und wir haben gemerkt, dass unsere Coding-School, auf Neudeutsch, mehr bringen muss als nur die reine Vermittlung des Inhalts und da haben wir unser Programm erweitert um soziale Komponenten. Also sprich, dass man sich mal zusammensetzt, sich kennenlernt, mal einen Tee zusammen trinkt, diese Sachen. Und das versuchen wir zu integrieren und wir merken jetzt schon ein stärkeres Feedback von den Flüchtlingen, die sich zum Beispiel mehr öffnen. Über ihre Träume erzählen … man macht das Bild runder und wenn wir da weiter machen, sind wir hoffentlich auf einem guten Weg.

Syrer: If you ask why I’m doing this, why I wanna learn the webpage-designing. I like this issue. And I’m new in the software programmisn, I’ve never been in programming before. I’ was a finance manger before coming here. So I might combine this knowledge between finance and software developing and programming to combine those two knowledges that I can walk with the software companies like SAP.

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Erzählerin: Ein 45 Jahre alter Syrer erzählt seine Geschichte:. Er kommt seit drei Wochen zum Kurs. In Syrien war er Manager für Finanz- und Rechnungswesen, hat mit internationalen Firmen zusammengearbeitet. Der Kurs kann ihm bestimmt helfen. Vielleicht kann er damit zu SAP. Vielleicht macht er sich auch irgendwann selbständig und kann dann seinen Kunden auch das Programmieren von Webseiten anbieten.

Syrer: (…) But this knowledge will help me in my original profession which is accounting and finance. So if I open my own business in the future so I can design my webpage, I can help my customers to design their webpage as part of the services I provide … If I open my own business I’ll work with international companies to help their clients to buils their own webpages.

Erzählerin: Seit zehn Monaten ist er hier. Seine Frau und die Kinder sind noch in Syrien.

Syrer: Wife and kids. In Syria. And every day you have to worry about them. Ja.

Erzählerin: Bis jetzt wurde er nur registriert. Seine Anträge hängen in Gießen fest. Zu einem Integrationskurs wurde er noch nicht zugelassen. Wie viele andere Flüchtlinge hat er keine Papiere. Was für ihn wichtig wäre, um hier eine Zukunft zu haben? Die Sprache sagt er. Ohne Sprachkenntnisse hat er kaum Aussicht auf Arbeit. Da nützen all seine anderen Kenntnisse und Fähigkeiten nichts

Syrer: Actually the workmarket in germany the most important thing they ask about at the beginning is the german language. You should have a good commant in german language. Basicly at least B1. And many of the refugees they don’t have this because they are not allowed to enter the immigration courses. Because of their status, they don’t have papers – and I’m one of them. I’ve been here ten month and I’m not allowed to enter an immigration course. So the difficulty is not in the programming issue is in the german language. And even in international companies, American companies or british companies, they ask for to be fluent in English but also they ask to have a B1. So this is the difficulty. If we don’t speek the german language, even if we are experts, we will not easily find a job.

Erzählerin: Drei Kursteilnehmer haben inzwischen eine Arbeit, zwei als Programmierer und Liban, der erste Teilnehmer, als Sachbearbeiter bei der Agentur für Arbeit. Sie haben sich die Jobs selbst organisiert, sagt Karan Dehghani. Ihre Fortbildung bei „CodeDoor“ habe aber eine große Rolle in den Bewerbungsgesprächen gespielt. Und weil Programmierer gefragt sind, wurde Karan Dehghani von externen Finanz- und Unternehmensberatern schon gedrängt, von seinen Teilnehmern doch eine Gebühr zu verlangen.

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Karan: … Und da gibt es ein Modell, was uns besonders immer wieder empfohlen worden ist: ja verlangt doch einen Kredit. Verlangt doch von den Teilnehmern einen Kredit, (…) oder eine andere Idee war, verwendet kein Kredit sondern verlangt 30 Prozent des Bruttoverdienstes später, wenn die mal arbeiten, für drei, vier Jahre dann habt ihr euer Geld auch wieder raus. Und das sind natürlich Fragen, die nach unserer Meinung ethisch nicht vertretbar sind und das sind halt solche Dinge. Also auch in einem ganz kleinen Bereich in dem wir gerade arbeiten, wird man vor Entscheidungen gestellt, die auch unethisch sein können. (…) Unsere Teilnehmer zahlen nix, klar. (lacht…)

Erzählerin: In Zukunft will er auch Programmierer gezielt für die Bedürfnisse eines Unternehmens ausbilden. Die Firmen sollen dafür eine Gebühr von 4.500 Euro zahlen. Und das Programm soll ausgeweitet werden, auf Menschen und Jugendliche aus sozial schwachen Schichten. Kooperationen mit Schulen sind angedacht. Dieser Teil von „CodeDoor“ wird immer eine gemeinnützige GmbH bleiben, mit kostenlosen Kursen, nicht auf Profit ausgelegt. Es gibt aber auch immer mehr Anfragen nach kommerziellen Programmierkursen. Deshalb könnte parallel eine gewinnorientierte Programmierschule entstehen, die Kurs-Gebühren verlangt, sagt Dehghani. Soweit sind sie aber noch nicht. Im Moment denken er und sein Team eher an internationale Kooperationen, sie denken an mögliche Rückkehrer.

Karan: Was wir uns im Idealfall wünschen, da haben wir die letzten Tage viel darüber gesprochen, wie können wir den Menschen dabei helfen ihre Fähigkeiten für das Heimatland zu verwenden. (…) Und zu schauen, wenn vielleicht Syrien wieder befriedet wird, wie kann ich denn da unten was machen. Geht das über einen Anrainerstaat wie Jordanien, kann man da vielleicht ein Programm aufbauen, was mit Codedoor kooperiert, da haben wir gerade ein Gespräch mit Empak in Berlin, das ist ein Startup-Inkubator der in Berlin und in Jordanien sitzt, das wir halt schauen, dass da eine Brücke geschlagen wird, dass wir die Leute dazu befähigen, mit einer Hoffnung für die Zukunft auch wieder zurückzukehren.

Atmo– Programmierkurs CodeDoor

Erzählerin: Während Dehghani von der weltweiten Skalierung spricht, kämpft Gurdip Mudhar mit den Lebensbedingungen seiner Zielgruppe. Für einen online-Programmierkurs braucht man einen Internetzugang. Der ist in Flüchtlingsheimen aber selten und ein Datenvolumen fürs Smartphone können sich die wenigsten leisten.

Gudirp: Also auf den Punkt gebracht gibt es genug Leute die Hilfe brauchen und was wir halt brauchen sind Laptops und UMTS-Sticks, weil ein großer Bottleneck ist, dass die Flüchtlinge in ihrer Unterkunft keine Möglichkeit haben ins Internet zu gehen und auch außerhalb gibt es keine freien Plätze wo die sich hinsetzen können und umsonst ins Internet können. Sie könnten zwar ins Starbucks, aber da muss man sich wieder einen Kaffee holen. Und den ganzen Tag da sitzen ist auch nicht so die

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Welt und da sind wir halt am schauen, welche Möglichkeiten es gibt oder Kooperationen wie man denen eine Internetverbindung zur Verfügung stellen kann an gewissen Orten sei es Bibliotheken oder öffentlichen Einrichtungen und da müssen wir schauen was wir machen können.

Atmo - Küche

Sprecher: Hamburg Wilhelmsburg, im August, zwei Wochen nach der Preisverleihung.

Atmo - Küche OT Koch: Donnerstags machen wir so mittags 40 Essen. Und ich brate gleich die Schnitzel und dann kommen die in den Konvektomat, weil, die kommen meistens immer alle auf einem Haufen. Und da gibt es Krautsalat dazu, Pommes, die Schnitzel und dann

haben wir noch eine Pilzpfanne mit Paprika und Schupfnudeln, kommt dann auch noch, Nudeln habe ich da vorne noch. Ein Essen kostet hier 3 Euro 40, das ist ein Lacher vor dem Herrn. Wer sich da beschwert …

Erzählerin: In der Küche des Stadtteiltreffs wird das Mittagessen für das Seniorenheim gegenüber zubereitet. Benjamin Jürgens hatte hier um 9 Uhr ein Strategiegespräch. Er will die Küche übernehmen. Danach musste er mal wieder Presseleute verabschieden, die den Gesprächstermin davor hatten. Diesmal ging es um einen Artikel in einem Online-Magazin. „Kleine, geile Firmen“ heißt die Reihe. Seine Firma stand in den letzten Wochen aber schon auf der Kippe. Sein Partner Lukas ist ausgestiegen.

OT Benjamin Jürgens: Wir haben vor einiger Zeit zusammen gesessen und Lukas ist leidenschaftlicher Koch und Weltenbummler und hat einfach gemerkt, er kocht für sich, er zeigt Leuten auch gerne was, aber Lehrer, den ganzen Tag, da fehlt ihm der Reiz, da fehlt ihm der Kick und hat sich entschlossen, das Boot zu verlassen. Was bleibt ist die Freundschaft, die ist ganz wichtig, die uns auch zusammenhält. „Ein Gründer geht. Ein Freund bleibt.“ Ist die Überschrift bei uns im Team. Aber es war eine kribbelige Phase, gerade in so einer Gründungsphase, wo sonst zwei Leute da sind, die sich besprechen und auf einmal ist man alleine da und fragt sich: Ohh, ohhh. Was passiert hier jetzt mit mir. Kriege ich das umgesetzt habe ich draußen das Vertrauen der Leute. Aber das hatten wir. Die Stiftung, die uns von Anfang an unterstützt, die Partner die wir haben sind alle an Bord geblieben und haben gesagt, wir machen das, wir ziehen das durch.

Erzählerin: Die kribbelige Phase ist überwunden. Auch ohne Ankommer-Preisgeld geht es in großen Schritten weiter. Ein privater Bildungsträger ist bei ihm eingestiegen. Die Akademie soll jetzt „Gastro-Lotsen“ heißen und in Zukunft auch sozial benachteiligte Menschen oder ehemalige Straftäter ausbilden. Alles eine Nummer größer. Benjamin Jürgens ist weiter mit der Zertifizierung und mit Ausbildungsinhalten beschäftigt. Er muss aber auch neues Geld auftreiben. Deshalb „pitcht“ er demnächst mal wieder,

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für Mittel aus einem Wirkungsfonds der Deutschen Bank. Und die Herausforderung vor der er jetzt steht?

OT Benjamin Jürgens: Ich glaube, das Angebot attraktiv zu halten. Vielleicht zu sehen, wie vermitteln wir so viel Freude, die wir erleben, die Passion, das Feuer, das in uns entzündet worden ist. Weil es nicht alles spaßig ist. Und es macht nicht alles Spaß und es ist auch … es gab letzte Woche einen schönen Artikel: Startup is a bitch. Und das muss man sich auch so klar vorstellen, das ist einfach nicht toll. Also Startup sein ist am Tag eine Minute cool. Und zwar wenn ich jemandem sage, ich habe ein Startup. 99% des Tages ist furchtbar und es ist viel Arbeit und es ist alles machen …

Erzählerin: Viel Arbeit und alles machen … damit kämpfen auch die „Fair Furnisher“. Sie haben

in einer Testwoche Möbel mit drei Flüchtlingen gebaut. Das lief super, sagen sie. Eine weitere Woche können sie aber nicht finanzieren. Es stockt gerade alles. Sie haben keine Stiftung im Nacken. Sie jonglieren immer noch: Zwischen Geldverdienen für die Miete und dem Aufbau ihres Social Start-ups.

Stephanie Meyer / Lars Zimmermann: Das ist jetzt einer der größten Punkte die in den nächsten Monaten anstehen. Also bei Wettbewerben teilnehmen, Crowdfunding-Kampagne machen, so was in der Richtung finden, dass wir eine ordentliche Finanzierung haben, wo wir ein bisschen mehr als nur eine Testwoche machen können. / Lars: Ja und für unsere Thematik kommen einfach auch Fördertöpfe in Betracht, die müssen wir jetzt finden und ausschöpfen und uns auch auf diese Art der Finanzierung noch gute Wege finden.

Erzählerin: Nur eins von zehn Start-ups wird richtig groß. Die anderen scheitern auch, weil ihnen am Anfang Geld fehlt.

Lars Zimmermann: Wobei ich schon sehr davon überzeugt bin, dass es immer nur eine Frage des Durchhaltevermögens ist, bis man wirklich an einen Punkt kommt, dass etwas läuft. Und man muss wirklich ganz viel Energie und Zeit und Aufwand auch einplanen, bis etwas funktioniert. Aber das Feedback ist so positiv, dass es eigentlich nicht schiefgehen kann.

Erzählerin: Viel Arbeit und alles machen….Sie glauben an ihre Idee. So fangen alle

Unternehmensgeschichten an.

Karan Dehghani: Ich glaube am Ende des Tages gibt es keinen großen Unterschied zwischen erfolgreichen Social Start-ups und privaten Start-ups, weil alle lösen nach meiner Einschätzung ein Problem, und alle lösen ein Problem was Menschen haben. (…)

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Erzählerin: Auch Google war einfach mal ein „Problemlöser“, sagt Karan Dehghani.

Karan Dehghani: Wenn wir uns mal Google ansehen, das war ja auch mal ein Start-up und was hatten die für ein Ziel, die wollten, dass Menschen schneller Dinge finden und es ist ja am Ende des Tages ein soziales Problem, was sie gelöst haben. Natürlich ist es heute ein gigantischer Konzern, der profitorientiert arbeitet etc. aber sie haben ein Problem gelöst, was Menschen tatsächlich hatten. Und das trifft bei den sozialen Startups in der Regel auch zu und von daher dürfte sich das nicht viel geben, was die Voraussetzungen angeht für den Erfolg eines sozialen Startups im Vergleich zum privaten Startup.

Erzählerin:

Irgendwann wurde aus dem Start-up Google aber ein Big Player. Auch viele andere haben ihr Garagenimage hinter sich gelassen und sind jetzt an der Börse notiert. Bleibt mit dem Wachstum eines Unternehmens das Soziale auf der Strecke? Hat soziales Unternehmertum eine Grenze?

Norbert Kunz: Jein. Wir stellen auf der einen Seite fest, dass die Unternehmen sich viel stärker sozial engagieren und engagieren müssen. Selbst Michael Porter, das ist einer der wichtigsten bedeutendsten Vordenker der Neoklassik, also Vertreter des freien Marktes, sagt, die Unternehmen haben nur eine Zukunft, wenn sie sozial werden. Gleichwohl sind, solange wir den Erfolg eines Unternehmens alleine an monetären und ökonomischen Indikatoren messen und damit auch der Erfolg des Managements nur an rein ökonomischen Indikatoren gemessen wird, wird sich keine grundsätzliche Neuorientierung ergeben.

Erzählerin: Unternehmerischer Erfolg dürfte nicht nur am Profit gemessen werden, sagt Norbert Kunz. Und spricht von neuen „Key Performance Indikatoren“ für Manager. Wenn ökologische oder soziale Faktoren in die Bilanz einfließen würden, müssten sich auch die großen Unternehmen anders ausrichten. Norbert Kunz: Ja, die Firma Puma hat ich glaube vor drei Jahren zum ersten Mal eine ordentliche Nachhaltigkeitsbilanz herausgebracht, ergänzend zu der normalen Bilanz. Und dabei haben sie festgestellt, jetzt nageln Sie mich nicht auf die Summe fest, dabei haben sie festgestellt, dass sie bei einem Gewinn von mehreren Milliarden 800 Millionen Euro ökologischen Schaden produziert haben. Dieser ökologische Handel wird von

der Gesellschaft getragen und nicht von Puma. Würde man diesen Schaden in der Bilanz internalisieren, käme man auf Managementebene zu anderen Entscheidungen.

Erzählerin: (oder Autorin aus Interview, ist aber evtl. zu leise) Kann damit wirklich Gesellschaft verändert werden?

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Kunz: Das ist alternativlos.

Karan Dehghani: Ich glaube, dass Unternehmen wie Codedoor oder auch ganz große Unternehmen die sich sozial ausrichten, nicht in der Lage sind durchweg die Menschen zum ethischen Handeln zu bringen. Und deswegen würde ich sagen, von Management Ebene kann man es versuchen, dass man Unternehmen so ausrichtet, dass es sozial verträglich ist, aber was die einzelnen Handlungsentscheidungen betrifft, der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, egal wie groß das Unternehmen ist, vom Startup bis hin zum Großkonzern wird die Frage entschieden bei dem Einzelnen.

Atmo - Begrüßung StitchbyStitch

Sprecher: Frankfurt, Stadtteil Nordend-Ost, Mitte September

Erzählerin: Eröffnung der neuen Werkstatt von „Stitch by Stitch“ in einem ehemaligen Frisör-Salon. Auch „StitchbyStitch“ ist gewachsen. Mit dem Preisgeld konnte die neue Werkstatt hergerichtet und die Kaution bezahlt werden. Ein zusätzlicher Kredit über 25-tausend Euro schafft eine finanzielle Basis. Drei weitere Schneiderinnen gehören jetzt zum Team. Reyhane, Maryam und Mansouhre – geflüchtete Frauen aus Afghanistan. Alle haben heute ihre Familien mitgebracht. Es wird mit Händen und Füßen geredet und gelacht. Iman steht mit dickem Bauch im Gewühl, eigentlich soll ihr Baby heute kommen. Esraa ist mit ihren Eltern und den drei Geschwistern da. Ihr Modedesignstudium in Damaskus musste sie abbrechen. Jetzt wird sie hier zur Maßschneiderin ausgebildet.

Esraa: Ich mache Ausbildung mit Claudia, die ist meine Chefin. Dauert in der Woche zwei Tage in Berufsschule, Montag und Donnerstag. Und die weitere Dienstag und Mittwoch und Freitag ich arbeite mit Nici, Claudia zusammen. (…) Ich wünsche viel noch lernen weiter mit dem Nähen. Und vielleicht mache ich, also ich habe eine Idee, vielleicht mache ich Kleidung auch für, also für die Menschen aus Syrien – ja zusammen mit Claudia (lacht leicht).

Atmo Werkstatteröffnung:

Absage: ANKOMMER Social Start-ups wollen Flüchtlinge in Arbeit bringen

Von Christine Werner Es sprachen: Krista Posch und Sebastian Schwab Ton und Technik: Matthias Illner und Frank Biller Regie: Felicitas Ott Redaktion: Wolfram Wessels Produktion: Südwestrundfunk 2016