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Angelika Frühwirth E. T. A. Hoffmann (1776 – 1822): Querdenker im Staatsdienst „Ich habe einen Mann gekannt, der tage-, nächtelang einsam in seinem Zimmer Bank machte und gegen sich selbst pontierte, er war meines Bedünkens ein echter Spieler“, 1 legte E. T. A. Hoffmann 1819 einem seltsamen Fremden in Spielerglück in den Mund. Fasziniert von den Mechanismen des Zufalls und sich der Willkür einer höhe- ren, dunklen Macht aussetzend, träte der wahre Spieler regelmäßig an die Spielbank, ungeachtet eines möglichen Gewinns. E. T. A. Hoff- mann selbst war auf einer Reise ins Riesengebirge in einem schlesi- schen Badeort gemeinsam mit Julius von Voß, dem Autor sitten- und zeitgeschichtlicher Romane und Lustspiele, mit der Spielleidenschaft in Kontakt gekommen und zu der Erzählung Spielerglück inspiriert worden. Was ihn jedoch viel mehr verband mit dem „wahren Spie- ler“ war die Hingabe, mit der er sich abseits des Kammergerichts während seiner dienstfreien Zeit düsteren Phantasien hingab und übernatürliche Welten ersann. Bekannt als Autor der Elixiere des Teufels sowie zahlreicher Erzäh- lungen mit Anklängen an das Horror- und Gruselgenre, hatte Hoff- mann als ausgebildeter Jurist eine Beamtenposition im preußischen Staatsdienst inne, die ihm soziale Stabilität gewährleistete und ihn der Abhängigkeit vom finanziellen Erfolg seiner Werke entband. Fried- rich Schnapp wagt außerdem in diesem Zusammenhang die Vermu- tung zu äußern, „daß ihm die juristische Arbeit auch einen Schutz vor den Dämonen [. . .] bot, und daß die richterliche Tätigkeit seinem gefährdeten Geiste nicht nur Zwang, sondern auch Halt bedeute“. 2 Die Freiheit, die sich Hoffmann in schriftstellerischen Belangen nahm, war ihm nur solange ein Segen, als er die nur scheinbar aus einer fan- tastischen Welt tönende Gesellschaftsskepsis nicht allzu deutlich gegen seine Vorgesetzten aus dem Staatsgefüge richtete. Hoffmann sah sich in seinem Amt dazu verpflichtet, dem Staat gegenüber loyal zu handeln, musste aber zunehmend feststellen, dass dies nicht immer mit seinem natürlichen Sinn von Gerechtig- 144

E.T.A. Hoffmann (1776–1822): Querdenker im …cd.manz.at/rechtaktuell/pdf/Beitrag_Hoffmann.pdf · Das romantische Ideal künstlerischen Schöpfertums sah ... vollzieht sich der

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Angelika Frühwirth

E. T. A. Hoffmann (1776 – 1822): Querdenker im Staatsdienst

„Ich habe einen Mann gekannt, der tage-, nächtelang einsam in seinem Zimmer Bank machte und gegen sich selbst pontierte, er warmeines Bedünkens ein echter Spieler“,1 legte E. T. A. Hoffmann 1819einem seltsamen Fremden in Spielerglück in den Mund. Fasziniertvon den Mechanismen des Zufalls und sich der Willkür einer höhe-ren, dunklen Macht aussetzend, träte der wahre Spieler regelmäßigan die Spielbank, ungeachtet eines möglichen Gewinns. E.T.A. Hoff-mann selbst war auf einer Reise ins Riesengebirge in einem schlesi-schen Badeort gemeinsam mit Julius von Voß, dem Autor sitten- undzeitgeschichtlicher Romane und Lustspiele, mit der Spielleidenschaftin Kontakt gekommen und zu der Erzählung Spielerglück inspiriertworden. Was ihn jedoch viel mehr verband mit dem „wahren Spie-ler“ war die Hingabe, mit der er sich abseits des Kammergerichtswährend seiner dienstfreien Zeit düsteren Phantasien hingab undübernatürliche Welten ersann.

Bekannt als Autor der Elixiere des Teufels sowie zahlreicher Erzäh-lungen mit Anklängen an das Horror- und Gruselgenre, hatte Hoff-mann als ausgebildeter Jurist eine Beamtenposition im preußischenStaatsdienst inne, die ihm soziale Stabilität gewährleistete und ihn derAbhängigkeit vom finanziellen Erfolg seiner Werke entband. Fried-rich Schnapp wagt außerdem in diesem Zusammenhang die Vermu-tung zu äußern, „daß ihm die juristische Arbeit auch einen Schutz vorden Dämonen [. . .] bot, und daß die richterliche Tätigkeit seinemgefährdeten Geiste nicht nur Zwang, sondern auch Halt bedeute“.2Die Freiheit, die sich Hoffmann in schriftstellerischen Belangen nahm,war ihm nur solange ein Segen, als er die nur scheinbar aus einer fan-tastischen Welt tönende Gesellschaftsskepsis nicht allzu deutlichgegen seine Vorgesetzten aus dem Staatsgefüge richtete.

Hoffmann sah sich in seinem Amt dazu verpflichtet, dem Staatgegenüber loyal zu handeln, musste aber zunehmend feststellen,dass dies nicht immer mit seinem natürlichen Sinn von Gerechtig-

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keit zu vereinbaren war. Zuletzt im Zuge des Aufruhrs rund umMeister Floh, der in Märchenform verpackten Satire auf die Korrup-tion des Staatsapparates, wurde Hoffmann selbst Zielscheibe der„Demagogenverfolgung“. Seiner Prinzipientreue wegen hatte er vonder Seite des Anklägers auf die des Angeklagten zu wechseln.

Seine Schaffensperiode fällt in eine Zeit des Wandels, der sicham augenscheinlichsten in der Französischen Revolution und demdamit in Verbindung stehenden Paradigmenwechsel von der Auf-klärung zur Romantik vollzog. Während Napoleons militärischeExpansionspolitik politisch-philosophische Ideen quer über deneuropäischen Kontinent aussäte, vollzog sich die Auflösung einerSozialstruktur zugunsten einer anderen: Parallel zum allmählichenwirtschaftlichen Erstarken der neu entstandenen bürgerlichenSchicht brachte das einsetzende 19. Jahrhundert Veränderungen derliterarischen Szene mit sich: Während die Literatur des Mittelaltersin ihrer Repräsentanz der alleinig herrschenden Oberschicht diefinanzielle Unterstützung ihrer Souveräne besaß, war der Autor des19. Jahrhunderts durch soziale Umbrüche obdachlos geworden. Alsneue Grundlage des Schreibens diente dem Dichter die öffentlichrelevant gewordene Privatsphäre der Gesellschaft. Aus der Obhutder adeligen Mäzene entlassen, fand der Künstler zu einer Autono-mie, die neben dem finanziellen Risiko die Sorge um Anerkennungund Erfolg mit sich brachte. Die praktische Existenzsicherung übereinen handfesten Nebenerwerb war also für viele Dichter der Aus-weg aus der Geldnot. E. T. A. Hoffmann, seinerseits, hatte die Ju-ristenlaufbahn eingeschlagen und verhielt sich dabei in Einklang mitseiner Künstlerseele, das Recht des Individuums gegen den Zugriffdes Staates einfordernd.

Die innere Zerrissenheit der Epoche, die dem Einzelnen durchpolitische und soziale Änderungsprozesse zuteil geworden war,sowie die Seelenqualen eines in eine neue Ära entlassenen Indivi-duums prägten die literarischen Charaktere der Romantik. Hoff-mann fügte sich auf eine kritisch distanzierte Art und Weise in seinem schriftstellerischen Werk der Mode seiner Zeit und stellte siegleichzeitig ironisch in Frage. So zahlreich die wundersamstenGestalten seine Zeilen bevölkern mögen, so gemäßigt verhielt sichder Dichter jedoch selbst Zeit seines Lebens. Trotz seines überdurch-schnittlichen literarischen und musikalischen Talents hütete er sichdavor, sein Leben völlig der Kunst zu verschreiben – ein Experi-ment, das er aber sehr wohl an seinen literarischen Gestalten durch-exerzierte. Das romantische Ideal künstlerischen Schöpfertums sahdie Entgrenzung des Künstlers und somit die völlige Entfremdungaus dem Gesellschaftsverband vor. Das Auf- und gleichzeitige Ver-

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gehen in der Vollkommenheit der Schöpfung wurde zum paradig-matischen Dilemma der künstlerischen Moderne und somit auchvon Hoffmanns Künstlerfiguren.3

Die Geschichten der GrenzgängerHoffmann war sich der Vereinzelung bewusst, die das Individuumzugunsten der Kunst auf sich nahm. Zahlreich sind die Figuren inseinen Erzählungen, die über die gesellschaftlichen Grenzen hinauseine Existenz als erbarmungslose Künstler beziehungsweise verant-wortungslose Verbrecher führen: der Goldschmied Cardillac (DasFräulein von Scuderi), der Einsiedler Serapion (Die Geschichte des Ein-siedlers Serapion), der Student Nathanael (Der Sandmann) und der RatKrespel in der gleichnamigen Erzählung. Das Überschreiten gesell-schaftlicher Normen provoziert die Stigmatisierung des Künstlerssamt seinem Werk. Eben ein solches Schicksal ereilt den JuristenKrespel, der – ungeachtet der Erwartungshaltung der Allgemein-heit – ein zurückgezogenes Leben führt. Durch die extravaganteBauweise seines Hauses, die sich durch nachträgliches Heraus-schlagen von Türen und Fenstern hervorhebt, zieht er die Aufmerk-samkeit der Stadtbewohner auf sich. Neben seinem Brotberuf ver-bindet ihn eine außerordentliche Liebe mit der Musik, die er einer-seits über die heimliche Vermählung mit der italienischen SängerinSignorina Angela, andererseits über seine Besessenheit vom Bau derperfekten Violine zu stillen sucht: „Hat Krespel eine Violinegemacht, so spielt er selbst eine oder zwei Stunden darauf, und zwarmit höchster Kraft, mit hinreißendem Ausdruck, dann hängt er sieaber zu den übrigen, ohne sie jemals wieder zu berühren oder vonandern berühren zu lassen.“4

Sein Privatleben wird zum Inhalt nachbarschaftlicher Ge-spräche, sein Betragen zum Spott der heimlichen Beobachter. Ein befreundeter Professor des Ich-Erzählers klärt denselbenüber Krespels gar wundersame Persönlichkeit folgender Maßen auf:

Es gibt Menschen, [. . .] denen die Natur oder ein besonderes Ver-hängnis die Decke wegzog, unter der wir andern unser tolles Wesenunbemerkt treiben. Sie gleichen dünngehäuteten Insekten, die imregen, sichtbaren Muskelspiel missgestaltet erscheinen, ungeachtet sichalles bald wieder in die gehörige Form fügt. Was bei uns Gedankebleibt, wird dem Krespel alles zur Tat. – Den bittern Hohn, wie der indas irdische Tun und Treiben eingeschachtete Geist ihn wohl oft bei derHand hat, führt Krespel aus in tollen Gebärden und geschickten Hasen-sprüngen. Das ist aber sein Blitzableiter. Was aus der Erde steigt, gibt er

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wieder der Erde, aber das Göttliche weiß er zu bewahren; und so stehtes mit seinem innern Bewusstsein recht gut, glaub’ ich, unerachtet derscheinbaren, nach außen herausspringenden Tollheit.5

Des Professors Analyse der Tollheit Krespels relativiert die Ausge-fallenheit von dessen Taten und interpretiert sie als Geringschätzungdes irdischen Lebens zugunsten einer gottgegebenen Genialität, dieKrespel jedoch vor der Öffentlichkeit geheimzuhalten vermag. Ebeneinen solchen Funken des „Göttlichen“ trägt die dem Verhältnis des Rats Krespel und der Signorina Angela entsprungene Tochter Antonie in sich. Als sei das Ausspielen übermenschlicher Begabungmit dem Leben nicht vereinbar, ist sie dem Tod geweiht:

Der Klang von Antoniens Stimme war ganz eigentümlich und seltsam,oft dem Hauch der Äolsharfe, oft dem Schmettern der Nachtigall glei-chend. Die Töne schienen nicht Raum haben zu können in der mensch-lichen Brust. [. . .] Antonie leidet an einem organischen Fehler in derBrust, der eben ihrer Stimme die wundervolle Kraft und den seltsamen,ich möchte sagen, über die Sphäre des menschlichen Gesanges hinaus-tönenden Klang gibt. Aber auch ihr früher Tod ist die Folge davon,denn singt sie fort, so gebe ich ihr noch höchstens sechs Monate Zeit.6

Die eigenartige Beziehung, die der Rat zu Antonie pflegt, gibt eben-so Anlass zu Gerüchten wie seine wunderlichen Auftritte in Gesell-schaft. Der Ich-Erzähler vermutet ein Verbrechen hinter den ver-schlossenen Türen des Hauses Krespels. Sein Juristengeist, der nachGerechtigkeit strebt, verbietet ihm Stillschweigen. So spricht erschließlich den Rat Krespel persönlich auf die Vorkommnisse an undwird über die Familiensituation und über das nach dem Tod derehemaligen Lebensgefährtin anvertraute Sorgerecht über Antonieaufgeklärt.

Die Erfahrung absoluter Musik tritt für Antonie gleichzeitig mitdem Tod ein, der als logische Konsequenz auf eine nach dem Voll-kommenen strebende irdische Existenz folgen muss:7

Nun fiel Antonie ein in leisen hingehauchten Tönen, die immer stei-gend und steigend zum schmetternden Fortissimo wurden, danngestalteten sich die wunderbaren Laute zu dem tief ergreifenden Liede,welches B . . . einst ganz im frommen Stil der alten Meister für Antoniekomponiert hatte. Er sprang in Antoniens Zimmer. Sie lag mit geschlos-senen Augen, mit holdselig lächelndem Blick, die Hände fromm gefal-tet, auf dem Sofa, als schliefe sie und träume von Himmelswonne undFreudigkeit. Sie war aber tot.8

In tiefer Trauer um die eigene Tochter verhüllt der Rat Krespel sämtliche Geigen seines Hauses mit schwarzen Tüchern – ein Kult,der an die Passionsriten der Osterfeiertage erinnert. Durch die Ver-

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bindung christlicher Tradition mit dem eigentümlichen Gebaren desRats ergibt sich ein verzerrtes Sittenbild, das sich in die allgemeineReligionskritik Hoffmanns Werk fügt.

Hoffmann, der sich als Jurist sehr wohl über die teilweiseschwankenden Grenzen von Recht und Unrecht bewusst war, ließsich eine normativ vereinfachte Unterscheidung zwischen Gut undBöse, von der sowohl Kunstauffassung als auch Demagogenverfol-gung seiner Zeit geprägt waren, nicht aufdrängen. Die Suche nachEntgrenzung und Ausweitung vorgezeichneter Normen beschäftig-ten die Romantik und ihre Vertreter. Hoffmann war hingegen stetsbemüht, den Weg der Mitte zu wählen, weshalb seine Existenz voneinem steten Prozess des Ausgleichens begleitet war. Er pflegteneben der Literatur vorzüglich seine zeichnerische und musikalischeBegabung, bekleidete während einiger Jahre (1809 – 1813) die Stelleals Musikdirektor in Bamberg. Ihm waren der Absolutismus sowiejegliche Ansprüche auf ausschließliche Geltung eines bestimmtenWertesystems verhasst. Der in Klein Zaches etablierte Polizeistaatparodiert die Diktatur der Aufklärung. Im Klima dieses Staates, deralles dem Prinzip der Vernunft widerstrebende, also auch die Weltder Feen, verfolgt, vollzieht sich der Aufstieg von Klein Zaches vomStudenten bis zum höchsten Staatsbeamten und Minister mit unum-schränkten Vollmachten. An Fräulein Rosenschön, einer Dame ausdem Stift, die über überirdische Fähigkeiten verfügt, soll die Hexen-probe vollzogen werden. Ihre Standesherkunft wird als niedrig ein-gestuft und daher sieht sich der Machthaber auch nicht bemüßigt,die öffentliche Verhöhnung des Fräuleins zu verhindern: „Der BaronPrätextatus [von Mondenschein] ließ alles geschehen und sprachlächelnd zu sich selbst: ‚So geht es simplen Leuten ohne Ahnen, dienicht von solch alten guten Herkommen sind wie der Monden-schein.‘“9

Die IdentitätsproblematikDas Motiv des Doppelgängers spielt nicht zufällig eine her-vorragende Rolle in Hoffmanns erzählerischem Werk.10 Im KaterMurr montierte Hoffmann zwei Biographien: die des Katers, dessen Aufstieg als Bildungsbürger parodiert wird, und die desKapellmeisters Johannes Kreisler. Die Parallelführung zweier unter-schiedlicher Schicksale, deren Kollision einer Epochenschau desbeginnenden 19. Jahrhunderts gleicht, stellt außerdem einen derersten Versuche im europäischen Roman, einen entscheidendenAkzent auf die Struktur des Werkes zu legen, dar. Schlichtes Er-zählen vermochte allmählich der durch Kriege, Revolutionen und

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die beginnende Industrialisierung fragmentierten Welt nicht mehrzu entsprechen. Die Paradoxie des Alltags in einer so gearteten Weltspiegelte sich in der Heterogenität der Persönlichkeit, die ihre Ein-heit über eine notwendigerweise bruchstückhafte Vielheit zubegründen suchte. Novalis umriss die Identitätsproblematik derRomantik wie folgt: „Das ächte Dividuum ist auch das ächte Indi-viduum.“11

Hoffmanns erzählerische Gestaltungsmerkmale der Dissonanz,Montage und Ironie sind Vorboten einer Moderne, die aus denUmbrüchen der wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Ge-gebenheiten heraus entstand. Zu Beginn des Märchens Meister Flohsteht nach gewohnter Erzähltradition die Anfangsformel „Es war ein-mal“, sogleich jedoch bricht Hoffmann mit der Erwartungshaltungdes Lesers und verwirft sie als veraltet: „Langweilig! – so ruft dergeneigte oder vielmehr ungeneigte Leser, der nach des alten römi-schen Dichters weisen Rat gleich media in res versetzt sein will.“12

Hoffmann experimentierte mit formalen Innovationen und griff dabeiindirekt erstarrte Erwartungshaltungen seiner Leserschaft an.

Ebenso überschreitet E. T. A. Hoffmann in seinem Werk Genre-und Metiergrenzen, kombiniert triviale mit anspruchsvoller Litera-tur, vermischt Alltag mit Kunst, schuf also Stilsynkretismen, die prä-gend für das Schaffen des 20. Jahrhunderts wurden.

Komik bedeutet für Hoffmann, über gewisse Grenzen hinaus-zublicken, um unter anderem das Genre auszuweiten, so wie er imFall des Meister Floh die Formelhaftigkeit des Märchens unter-wandert. Das „Komische“ entsteht für Hoffmann aus der Polaritätzwischen innerer Gemütsstimmung und äußerer Erlebniswelt, wieer es in seiner Verteidigungsschrift zum Meister Floh formuliert:

Der Held des Stücks Peregrinus Tyß genannt, ist ein beinahe kindischerwelt- und vorzüglich weiberscheuer Mensch, und der Zufall will es,daß gerade er den Verdacht einer Entführung auf sich ladet. Der Contrast einer inneren Gemüthsstimmung mit den Situationen desLebens ist eine Grundbasis des Komischen, welches in dem Märchenvorherrschen sollte, und so glaubte ich die Erfindung nach bewährtenTheorien für glücklich halten zu dürfen. [Siehe Flögel, Geschichte desGrotesk-Komischen (1788)]13

E. T. A. Hoffmann übernimmt die Tradition des Grotesken inAnklang an das Mittelalter, verleiht ihr aber eine bedeutende sozial-kritische Funktion. Oft gelten seine Satiren den Philistern, jenemkleinbürgerlichen Milieu, dem er selbst entstammte und das über-wiegend die mittlere bis gehobene Beamtenschicht (Justiz-, Geheim-,Medizinal-, Legationsräte, Professoren) stellte.

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Die LebensgeschichteHoffmann absolvierte seine schulische Ausbildung in Königsberg,wo sein Vater, Christoph Ludwig Hoffmann, eine Stelle als Rechts-anwalt am Preußischen Hofgericht bekleidete. Auch die Mutter ent-stammte einer Juristenfamilie, die sich dem Pietismus verschriebenhatte und dementsprechend strenge, mitunter engstirnige mora-lische Prinzipien verfolgte.

Dank seines Onkels kam Hoffmann bereits in seiner frühestenKindheit mit Musik in Berührung, einer Kunst, welcher in der StadtKönigsberg in besonderem Maße gehuldigt wurde. Der Graf Keyser-ling pflegte einst eine enge Beziehung mit J. S. Bach, der für seinenHofmeister Goldberg die gleichnamigen Variationen komponiert hat-te.14 Der Sohn des Grafen führte die Musikpflege während Hoff-manns Jugendjahren fort. Hoffmann erhielt Klavierunterricht beiChristian Podbielski, einem der damals berühmtesten OrganistenKönigsbergs, dem er im Kater Murr in der Person des Abraham Liskov ein literarisches Denkmal setzte. Mit 18 erteilte Hoffmannbereits selbst Musikstunden, u. a. auch der acht Jahre älteren DoraHatt, mit der sich ein erstes zartes Liebesverhältnis entspann. Hoff-manns Begeisterung für die Musik Mozarts spiegelt sich später in derÄnderung seines dritten Vornamens von Wilhelm in Amadeus wider.

Für das Studium der Rechtswissenschaften inskribierte sichHoffmann 1792 an der Königsberger Universität, an der Kant eineProfessur für Logik und Metaphysik innehatte.15 Sein erstes juris-tisches Examen legte er 1795 bei der Ostpreußischen Regierung inKönigsberg ab, wo er für kurze Zeit als Auskulator (Gerichtsreferen-dar), bald darauf aber (in gleicher Funktion) am Königlichen Gerichtim niederländischen Glogau arbeitete. Dort war sein PatenonkelJohann Ludwig Doerffer, ebenfalls ein Vertreter der Rechtswissen-schaft, ansässig. Hoffmann verlobte sich mit dessen Tochter, MinnaDoerffer, jedoch wurden diese Bande nach drei Jahren wieder aufge-löst. Zu jener Zeit lernte er den Musiker Johann Samuel Hampesowie den Maler Aloys Molinary kennen, der in der Jesuitenkirche zuG. und als alter Maler Francesco in den Elixieren des Teufels auftaucht.

Hoffmann legte 1798 die zweite Staatsprüfung ab und wurdezum Referendar – zuerst in Glogau, dann in Berlin – ernannt. Berlinwar damals die Hauptstadt Preußens, beherrscht vom Beamtentumund vom Militär. Das rege geistige Leben der Stadt, beeinflusst vonfreigeistigen jüdischen Traditionen und den Salons der HenrietteHerz und der Rahel Varnhagen von Ense, förderte Hoffmanns litera-rische Entwicklung und formte ihn zum „Großstadtromantiker“. AlsGegenbewegung zur verfehlten europäischen Sozialpolitik bildete

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sich das Genre der Geheimbundromane (Vulpius, Cramer, Grosse)heraus, das mit düsteren Ausblicken in die Zukunft vorgab, hinterdie Kulissen der Politik spähen zu können. Bereits den Machwerkender Turmgesellschaft in Goethes Wilhelm Meister hing eine geheim-nisvoll-schaurige Note an, die vom politischen Alltag ablenken soll-te. Die phantastische irreale Gegenwelt zur Politsphäre sowie trivialeliterarische Formen übten einen beachtlichen Einfluss auf Hoffmannaus, der allerdings nicht die Intention hatte, Realitäten zu ver-schleiern, sondern sie über die Verklausulierung des Romantischenanzuprangern.

Sobald Hoffmann 1800 das dritte Examen (das damals sogenannte zweite Referendarsexamen) beim Kammergericht in Berlinmit Auszeichnung bestand, folgte die Ernennung zum Assessorbeim Obergericht in Posen. Jene Stadt gehörte zu Preußen (ProvinzBrandenburg-Südpreußen) und war Teil der ursprünglich polni-schen Nation, die 1795 unter den damaligen drei Großmächten Russ-land, Deutschland und Österreich aufgeteilt worden war. Posen galtals kulturelles Zentrum Westpolens und bedeutender Schnittpunktdes deutschen, polnischen und jüdischen Geistes.

Das Jahr darauf wurde Hoffmann in das unweit von Warschaugelegene Plock strafversetzt, nachdem er mit Karikaturen über Adelige, Offiziere und höhere Beamten, unter anderen den General-major Zastrow, Aufsehen erregt hatte. Es folgte die Heirat mitMichaelina Rorer-Trcinka und mehr oder weniger ereignislose Jahrein der Provinz. Hoffmann schloss Freundschaft mit Julius EduardHitzig, dem aus Berlin stammenden, am Warschauer Gericht tätigenAssessor, der zum Kreis aufgeklärter jüdischer Bürger Berlins zählteund als einer der ersten eine Verlagsbuchhandlung eröffnet hatte.Hitzig war ein gewichtiger Fürsprecher Hoffmanns in dessen Streitmit der Ministerialbürokratie und sollte ihn in späteren Jahren ingeistige und persönliche Verbindung mit der Berliner Romantik seiner Zeit bringen.

Der Einmarsch der Napoleonischen Truppen bereitete 1807Hoffmanns Zeit als Assessor in Plock ein jähes Ende, da man ihn vordie Entscheidung stellte, der Preußischen Verfassung abzuschwörenoder die Stadt zu verlassen. Hoffmann entschied sich für letzteresund ging nach Berlin, wo er unter akuter Geldnot litt, aber dank Hitzig entscheidende Bekanntschaften machte. Jener bewegte sichim Kreise der „Serapionsbrüder“ und stand im Zusammenhang mitder „christlich-teutschen-Tischgesellschaft“, in der sich die nationalgesinnte Berliner Romantikergruppe zusammengefunden hatte.Unter ihnen befanden sich unter anderen Clemens Brentano, Achimvon Armin, Adam Müller, Adelbert von Chamisso, Heinrich Kleist,

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Ludwig Tieck und Wilhelm Heinrich Wackenroder. Beide Dichter-vereinigungen stellten sich offen gegen die konservativen Wertauf-fassungen der „Philister“.

Das „Serapiontische Prinzip“ strebte eine Aussöhnung zwi-schen innerer Freiheit und dem Materialismus der Außenwelt an;16

erzähltechnisch kommunizierten die Anhänger dieses Dichterzirkelsihre Weltansicht über das Einflechten von Lücken, die man heute inder Literaturwissenschaft als Leerstellen bezeichnen würde. Sie grif-fen damit den Ideen der „Wirkungsästhetik“ Jauß’ und Isers17 vor-aus. Der Appell an den Leser, selbständig Lösungsansätze zu ersin-nen, taucht auch in Hoffmanns Schreiben auf. Er setzte phantastischIrrationales in kontrapunktischen Gegensatz zur Alltagswirklichkeit(der Welt des „Biedermeier“) und ließ den Leser daraus seine eigeneSchlüsse ziehen. Hierbei ist anzunehmen, dass Hoffmanns Werkauch aus Lawrence Sternes Tristram Shandy (1759–1769) Anregungenbezog. Sterne suchte durch konstruktive Verwirrung den Leser zumDenken anzuregen. Seinen Berliner Freundesbund, der sich am Tagdes Heiligen Serapion (14. November) bei ihm zusammengefundenhatte, verewigte Hoffmann in den drei Bänden der Serapionsbrüder(1819). Vorbilder dafür waren Boccaccios Decamerone und LudwigTiecks Geschichtensammlung Phantasus.

Im Jahre 1809 übernahm Hoffmann die Stelle als Kapellmeisterin Bamberg, wo er kaum auf wohlwollende Resonanz im Publikumhoffen durfte. Er entwarf im Jahr darauf mit der Gestalt des Kapell-meisters Johann Kreisler die romantische Künstlerfigur par excellen-ce, sozusagen die Fortsetzung des von Wackenroder erdachtenKapellmeisters Josef Berglinger. Kreisler verkörpert einen Gegenent-wurf zu den von der Aufklärung entstellten Erscheinungen KleinZaches und Knarrpanti, dem geheimen Hofrat im Meister Floh: Inseinem romantischen Streben nach Höherem steuert er auf die Gren-zen des Irdischen zu. Die ironische Verkündigung des Scheiternsspielt indirekt auf Hoffmanns eigene Situation am BambergerMusiktheater an, wo sich seine Arbeit am bigotten katholischenMilieu und dessen Fanatismus rieb. Dieser Verdacht wird bestärktdurch den Umstand, dass Hoffmann sich mitunter bei der Heraus-gabe eigener Schriften Kreislers Namen als Pseudonym bediente.

Um sich finanziell über Wasser zu halten, musste Hoffmannneben seiner Kapellmeister-Tätigkeit Musikunterricht erteilen, u. a.auch der 13-jährigen Julie Mark, die einen gewissen Liebreiz auf denDichter auszuüben schien.18 Sie taucht an verschiedenen Stellen inseinem Werk als Verkörperung kindlicher Erotik auf, weshalb dieBamberger Ereignisse rund um die Mark-Tochter als „Julie-Affäre“in die Literaturkritik eingingen.19

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1813, zu einem Zeitpunkt, als sich Hoffmann bereits als Kom-ponist20 und Musikkritiker einen gewissen Ruf geschaffen hatte, batJoseph Seconda ihn, in Dresden die Stelle des Musikdirektors anzu-nehmen. Die Konfrontation Preußens, Österreichs und Russlandsmit dem gemeinsamen äußeren Feind Napoleon gipfelte im Oktoberdesselben Jahres in der Völkerschlacht bei Leipzig, aus der Preußensiegreich hervorging. Die Erlebnisse des Kriegs prägten Hoffmannund gingen unter anderem in Die Vision auf dem Schlachtfeld zu Dresden ein. Preußen passte sich schnell der politischen Restaurationan, wie sie durch die Heilige Allianz und das Metternichsche Konzept einer Neuordnung Europas gemäß den Ergebnissen desWiener Kongresses von 1815 propagiert wurde. In den Jahren biszur Julirevolution 1830 liefen die geistigen Strömungen langsamaus, ohne jedoch sich völlig zu verlieren: Romantik, Klassik undSpätaufklärung existierten nebeneinander; gleichzeitig kam der Realismus der Restauration und des Biedermeiers langsam zu Tage.

Hoffmann nahm 1815 in Berlin seine Tätigkeit als Assessor, diein Warschau jäh durch den Einfall der Truppen Napoleons und diedamit verbundene Auflösung der preußischen Regierung unter-brochen worden war, am Kammergericht21 wieder auf. Zusammenmit Hitzig wurde er dem Kriminalsenat zugewiesen. Wenige seinerUrteilsbesprechungen sind aus jener Zeit erhalten, da die Akteninzwischen eingestampft wurden. Lediglich private Aufzeichnungenund die Akten der „Immediat-Commission“,22 in die er kurz daraufaufgenommen wurde, können Aufschluss geben über gewisseAspekte seiner juristischen Urteilsfindung.

Die typische Berliner Atmosphäre spiegelt sich in einer Vielzahlseiner Werke: Prinzessin Brambilla (1820), Lebensansichten des KatersMurr (1819/21), Seltsame Leiden eines Theaterdirektors (1818), DieBrautwahl (1819/21), Die Abenteuer der Silvesternacht (1814/15), DasSanctus (1816/17), Ritter Gluck (1814/15), Des Vetters Eckfenster(1822). Der Ernennung zum Kammergerichtsrat folgten zahlreicheAnerkennungen, darunter auch vom Präsidenten des Kammer-gerichts selbst, Daniel Woldermann. Dieser schrieb in einem Brief anden preußischen Justizminister Ludwig Leopold von Kircheisen,datiert den 23. Februar 1822, Folgendes: „ . . . und ich muss meinerPflicht nach, hier wiederholen: daß der Kammergerichts-Rath Hoffmann, sich durch vorzüglich gründliche Arbeiten, in dem aller-wichtigsten Criminal-Sachen eben so sehr, als durch Ernst und wür-diges Betragen in seinen Amtshandlungen ausgezeichnet hat, auchnicht einmal eine Spur seines comischen Schriftsteller-Talents blickenließ.“23

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Die Frage der Zurechnungsfähigkeit

Als Folge des Umdenkens, das durch die Französische Revolu-tion ausgelöst worden war, wurde zu Beginn des 19. Jahrhun-derts eine neue Kriminalordnung eingeführt, die als erste ihrer Art einen Verteidiger für jeden Angeschuldigten vorsah. Sie beinhaltete u. a. auch eine Unterscheidung zwischen „Mord“ und„Totschlag“ im heutigen Sinn, die Hoffmann als einer der erstenJustizbeamten in Preußen aktiv praktizierte. In diesem Zusammen-hang entspann sich auch die Diskussion um die Zurechnungsfähig-keit, eines der strittigsten Probleme des Strafrechts zu HoffmannsZeit.

Julius E. Hitzig gab nach Hoffmanns Tod die Zeitschrift für dieCriminal-Rechts-Pflege in den Preußischen Staaten mit Ausschluß derRheinprovinzen heraus, um bestimmte Auslegungen der PreußischenVerfassung anhand realer Fälle aufzuzeigen. Gewisse offene Rechts-fragen sollten zur Diskussion gestellt werden, darunter auch sehrprominent die der Zurechnungsfähigkeit. Der Fall des Tabakspinner-gesellen Daniel Schmolling, der seine Geliebte ermordet hatte – erwar seinerzeit Hoffmann anvertraut –, wurde dabei in Verbindunggebracht mit dem ebenso aufsehenerregenden Geschehen rund umJohann Christian Woyzeck, dem 1836/37 eine literarische Wür-digung durch Georg Büchner zuteil wurde. Hofrat Dr. Heinroth, derWoyzeck selbst auf seinen Gemütszustand untersucht hatte, er-wähnte beide Fälle in Zusammenhang mit einem Aufsatz über dieKriminalpsychologie.24

Hoffmann hatte sich zu seiner Bamberger Zeit in den Ärzte-Kreisen rund um Dr. Marc,25 Albert Friedrich Marcus26 und Friedrich Speyer,27 die damals als die fortschrittlichsten MedizinerDeutschlands galten, bewegt. Seine besondere Aufmerksamkeit galtden Phänomenen der Psychopathologie und des Somnambulensowie der Rücksichtnahme auf solche Krankheitsformen in Bezugauf die Urteilsfindung. Zu Hoffmanns literarischer Verarbeitung des-selben in Das Majorat (1816/17) und Vampirismus (1819/21) äußertsich Pleschinski folgendermaßen: „Was Hoffmann meisterhaft inBewegung setzte, ist das Spiel der unbegrenzten Vorstellungen, dieman von sich selbst oder der Welt haben kann. Solches Ausmaß anBefreiung der Phantasie kann jederzeit vom Anmutigen ins Er-schreckende umschlagen. Der Mensch verläßt das scheinbar Vorbe-stimmte, gerät außer sich, wird sich selbst und anderen fremd. Hoff-mann vertiefte sich damit in so gewichtige Lebenserscheinungen wieHysterie, Verfolgungswahn, die wechselnden Schattierungen vonEuphorie und Depression.“28

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Die Erkenntnisproblematik

Nicht allein die Motive in Hoffmanns Werken, die er seinen kriminologischen Studien entnahm, sondern auch der nahezu belle-tristische Stil in Hoffmanns Gerichtsgutachten deutet auf eine Ver-mischung von Hoffmanns juristischer und literarischer Betätigunghin. Die Beschreibung des Tathergangs sowohl in der Angelegenheitdes Kaufmanns Wilhelm S., der wegen versuchten Giftmordes anseiner Ehefrau29 angeklagt wurde, als auch das Gutachten über dieMordtat des Tabakspinnergesellen Daniel Schmolling 30 beweisen Hoffmanns erzählerisches Talent. Die Nähe zur trivialen Genre derKriminalliteratur, das sich zur gleichen Zeit zu etablieren begann, istnicht zu verleugnen. Trotz des Sensationsgehalts der Bestandsauf-nahmen legte Hoffmann große Seriosität in die Untersuchung. Erholte von verschiedensten Personen wissenschaftliche Informationenaus den Bereichen der Medizin und der Pharmazie ein und be-handelte sie kritisch. Die Zeugenaussagen, denen zufolge der An-geklagte Wilhelm S. im durch Alkohol berauschten Zustand nichtzurechnungsfähig gewesen sein soll, widerlegte Hoffmann nach ein-gehenden Nachforschungen. Der angeschuldigte Ehemann war inein Liebesverhältnis mit einer jüngeren Frau verstrickt und besaßdaher ein Motiv, seine Gattin zu töten. Der Mord erschien Hoffmannvon längerer Hand geplant und keineswegs das Resultat einerAffekthandlung gewesen zu sein, weshalb er eine Gefängnisstrafevon zwölf Jahren beantragte.

Im Gutachten über die Mordtat des Tabakspinnergesellen DanielSchmolling 31 plädierte Hoffmann auf Mord und verhängte die Todes-strafe. Die dem Angeklagten bescheinigte geistige Abnormität wollteHoffmann nicht als Milderungsgrund annehmen, da ihm die Be-weislage als ungenügend erschien.32 Er untermauerte seine Ableh-nung des medizinischen Urteils mit der gesetzlichen Irrelevanz derSeelenlage des Angeklagten: „Die Criminal-Ordnung § 280 schweigtüber die Untersuchung des Gemüthszustandes in Criminalfällen.“33

Hoffmann stellte sich aber nicht gegen die prinzipielle Berücksich-tigung der psychischen Verfassung des Angeklagten, sondern gegendie in jenem Prozess eingeholte Meinung des Dr. Merzdorff. Hoff-mann maßte sich sogar an, eine Gegenbehauptung in medizinischerForm aufzustellen, zog dazu Quellen seines Vertrauens heran34 undforderte seinerseits Zeugen zur Aussage auf. Das königliche Justiz-ministerium wandelte die von Hoffmann geforderte Todesstrafe ineine lebenslängliche Haftstrafe um. Nach vierjähriger Haftzeitermordete Schmolling seinen Haftgenossen, worauf schließlich dieHinrichtung durch das Beil angeordnet wurde.

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Die Frage der Zurechnungsfähigkeit war deshalb relevant, dasich abnorme Geisteszustände strafmildernd auswirkten und dieEinlieferung in Heilanstalten auch für einen Gewaltverbrecher inFrage kam. Hoffmann demonstrierte durch seine kritische Haltunggegenüber dem medizinischen Gutachter im Fall Schmolling dieProblematik der Bescheinigung des Wahnsinns und warf die Frageauf, wer die Autorität besäße, eine solche vorzunehmen. In diesemZusammenhang verwies er auf Kants Anthropologie in pragmatischerHinsicht (1798), die sich mit der Frage beschäftigt, welcher Fakultätdie geistige Anomalie zuzuschreiben sei. Kant votiert darin für diePhilosophie, da die Medizin nur für physisch sichtbare Symptomezuständig sei. Die Diskussion fällt in die Jahre, als die Psychologieum einen eigenen Lehrstuhl und um die Anerkennung als eigenewissenschaftliche Disziplin zu kämpfen hatte. Unter anderem warmit dem Widerstand der Mediziner zu rechnen, die eine Ausglie-derung dieser Disziplin in eine eigene Fakultät nicht ohne weitereszulassen wollten.35

Hoffmann schien sich gegen eine vorschnelle Aburteilung desAngeklagten als „abnorm“ oder „geisteskrank“ zu sträuben, da sei-ner Ansicht nach die Abweichung von der Norm, selbst wenn essich um einen Mörder handelte, nicht notwendigerweise gleichzu-setzen sei mit Geisteskrankheit. Die Figuren in Hoffmanns Werkenlegen – wenn auch auf ironisch überzeichnete Weise (z. B. in Vampi-rismus) – nahe, dass in jedem Menschen extreme Neigungen schlum-mern und die Trennung in gesundes und krankes Gemüt die Gefahrder Vereinheitlichung birgt. Eine hybride Figur zwischen Künstlerund Verbrecher erschafft Hoffmann mit dem Goldschmied René Cardillac im Fräulein von Scuderi (1819/21), der dermaßen in seineErzeugnisse vernarrt ist, dass er zum Mörder wird, um den verkauf-ten Schmuck von den Kunden zurückzuerlangen. Das Motiv Cardil-lacs ist ein durch seine übernatürliche künstlerische Begabunggeschaffenes und bricht daher mit dem klassischen Bild des Mör-ders. Hoffmann verwischt die herkömmlichen Grenzen von Gut undBöse, was wohl auch am ehesten der Realität seines Brotberufs ent-sprach.

In Hoffmanns Vorgehensweise bei Ermittlungen und Kriminal-fällen wird seine Beschäftigung mit der Erkenntnisproblematiksowohl als Dichter als auch als Jurist ersichtlich: „Dem im irdischenLeben befangenen Menschen ist es nicht vergönnt, die Tiefe seinereignen Natur zu ergründen.“36 Skeptisch gegenüber der Möglichkeitzur Selbsterkenntnis, konnte er nur zu dem Schluss gelangen, dassalle Entscheidungsfindung einen Kompromiss zur Grundlage habenmüsse und somit die Gerichtsbarkeit nur als Illusion von Gerechtig-

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keit zu verstehen sei. Die Auseinandersetzung mit dem Wahnsinnund die Deklaration eines solchen konnten nur relativ in Bezug aufden Durchschnitt getroffen werden, aber keinen Anspruch auf ab-solute Aussagekraft erheben. An dieser Stelle trifft sich HoffmannsIntention als Jurist mit jener des Dichters, dessen Bemühungen darinlagen, dem aus der Norm gleitenden Genie einen Platz in der Welt – wenn auch nur in der fiktiven – einzuräumen und ersichtlichzu machen, welch scharfen Urteilen der Künstler gegenübertretenmuss. Sein literarisches Werk schafft Platz für Sonderlinge und weisthin auf den möglichen Wahnsinn im menschlichen Tun, unterläuftdie starren Ordnungen seiner Welt und bezeichnet gleichzeitig dasRisiko solcher Befreiungsschläge.

Die RechtsauffassungWulf Segebrecht erklärt in Hoffmanns Auffassung vom Richteramt 37

Hitzigs und Hoffmanns Meinungen als stellvertretend für die ver-schiedenen Rechtsauffassungen ihrer Zeit, als Austragung einesKonflikts zwischen Aufklärung und Romantik: Hoffmann sah sichals Richter mit der eigenmächtigen Entscheidung über Angeklagtebetraut, auch wenn etwaige Gutachten entgegen seiner Meinungausgefallen waren. Letztendlich oblag aus Hoffmanns Sicht die Ent-scheidung immer dem Juristen, womit er dem Individuum einensehr hohen Grad an Verantwortung übertrug. Dem romantischenPostulat des universellen Genies, der vollkommenen Einheit vonVielheit, war vor dem Staatsganzen der Vorzug zu geben. Hoff-manns Liberalität verband sich mit Akribie sowohl in seinen juris-tischen als auch in seinen musikkritischen Schriften. Hitzig hingegenvertrat eine aufklärerisch-rationalistische Rechtsauffassung auf derGrundlage des Naturrechts. Klare Richtlinien und eindeutige Vor-gangsweisen sollten die Richter ihrer schweren Verantwortung ent-binden. Der Staat könne so als Monument vereinter Kompetenzengelesen werden. Hitzigs Modell der Staatssicherheit war nahezugleichzusetzen mit der Rechtssicherheit.

Wurde Hoffmann also als „Radikaler im öffentlichen Dienst“38

abgestempelt, so war seine facettenreiche Persönlichkeit in ihrerGanzheit nicht wahrgenommen worden. In Schnapps Ausgabe Hoff-manns juristischer Schriften sind sämtliche Gutachten zu den ihmanvertrauten Kriminalfällen nachzulesen. Neben der teilweise litera-rischen Qualität der einführenden Tatsachenberichte zeichnet sichHoffmann wie erwähnt durch außergewöhnliche Vorgehensweisesowie gewissenhafte Arbeit aus. Im Zusammenhang mit der Unter-suchungssache wider Samuel Schallenberger 39 (Münzfälschung) stellte

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Hoffmann Nachforschungen über die Neufchâteler Verfassungen an,wozu er sich in französische Gesetzestexte einlesen musste. Das Fürstentum Neufchâtel war mit der Grafschaft Valengin von 1707 bis1806 preußisch gewesen, wurde dann an Napoleon abgetreten, deres dem Marschall Berthier verlieh, und kam 1814 wieder an Preußen, wurde aber gleichzeitig als 21. Kanton in die Schweizeri-sche Eidgenossenschaft aufgenommen. Erst 1857 gab Preußen seineAnsprüche auf Neuenburg auf. Das Gutachten, das 1816 verfasstworden war, sollte die Todesstrafe, die noch unter der HerrschaftBerthiers verhängt wurde, von Schallenberger abwenden. Der Prozess zögerte sich hinaus, sodass der Preußische König Souveränvon Neufchâtel geworden war, als Hoffmann mit dem Akt betrautwurde. Er riet dem Preußischen König, der laut Neufchâteler Ver-fassung keine Befugnis Recht zu sprechen besaß, zur Begnadigung,um so innerhalb seines relativ geringen Handlungsspielraumes alsSouverän eine Schallenberger gewogene Entscheidung zu treffen.

Die „Immediat-Commission“1819 wurde Hoffmann auf Veranlassung des Präsidenten des Kriminal-Senats Friedrich von Trützschler zum „Decernenten“ der„Immediat-Untersuchungs-Commission zur Ermittlung hoch-verräterischer Verbindungen und anderer gefährlicher Umtriebe“ernannt. Sie war als insgesamt sechs Mitglieder zählende Spezial-einheit durch eine Cabinetts-Order 1819 nach dem MetternichschenKonzept zur Verfolgung von „Demagogen“ gebildet worden. So hat-te man eine Maßnahme gegen Personen ergriffen, die sich keines tat-sächlichen Vergehens strafbar gemacht hatten, deren Rebellion gegendie absolutistische Fürstenmacht man aber befürchtete. Die Mäch-tigen waren damit am besten Wege, mit aller Gewalt die Ideale derFranzösischen Revolution – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit –rückgängig zu machen. Die „Karlsbader Beschlüsse“ zielten daraufab, sich das Volk durch Unbildung und Gleichgültigkeit gefügig zumachen, wie es Hoffmann dem Polizeihauptmann in Meister Floh inden Mund legt: „Das Denken, meinte Knarrpanti, sei an und vorsich selbst schon eine gefährliche Operation und würde bei gefähr-lichen Menschen eben desto gefährlicher.“40

Die kriegerischen Auseinandersetzungen in den Jahren, die aufdie Französische Revolution folgten, begünstigten neben der Ent-wicklung des bürgerlichen Industrialismus vor allem die Ver-breitung politisch-freiheitlichen Ideenguts. Das beginnende Zeitalterdes Biedermeier war alles andere als eine ruhige Zeit: 1815 wurdennach Beschlüssen des Wiener Kongresses die von Napoleon ge-

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stürzten Duodezfürsten mit all ihren überlebten Privilegien wiedereingesetzt, was die studentische Jugend und die Freiheitskämpferaufbrachte. Hinzu gesellte sich die Unzufriedenheit über die allge-meinen wirtschaftlichen Verhältnisse. Als bei einem Wartburgfestder Burschenschaften reaktionäre Schriften verbrannt wurden, dar-unter auch der Codex der Gendarmerie, und kurz darauf 1819 der Theaterautor Kotzebue vom Studenten Sand ermordet wurde, tratendie berüchtigten „Karlsbader Beschlüsse“ in Kraft: Sie legitimiertenein radikales Vorgehen der Regierung gegen diejenigen Kräfte, wel-che auf die Beendigung der deutschen Kleinstaaterei bzw. auf einegeeinte deutsche Nation hinarbeiteten und beinhalteten u.a. das Ver-bot des Turnens und die Einführung der Zensur.

Die „Immediat-Commission“ hegte den studentischen Bur-schenschaften, den Universitäten, den Turnerbewegungen und derPublizistik gegenüber besonderes Misstrauen. Unter den Verhaftetenbefanden sich: der Turnvater Dr. phil. Friedrich Ludwig Jahn, derVerleger Georg Reimer, der Wissenschafter Ludwig Roediger, derSchriftsteller August Follen, der Student Ludwig von Mühlenfelsund viele andere. Die Kommission war vom preußischen König Friedrich Wilhelm III. mit allen Befugnissen eines höchsten Gerichts-hofs ausgestattet worden. Dementsprechend hatte die Kommissionnicht nur rechtliche Beurteilungen abzugeben, sondern auch rechts-kräftige Entscheidungen zu fällen, die daraufhin vollzogen wurden.Prinzipiell sollte die Entscheidung getroffen werden, ob der An-geklagte im Zuge eines Kriminalverfahrens anzuklagen sei. Die Mit-glieder der Untersuchungskommission durften sich uneingeschränktin ihrer Kompetenz als Richter angesprochen fühlen, obwohl dieeigentliche Motivation die Rechtfertigung der restriktiven Politikgegenüber der Justiz war.

Hauptsächlich war Hoffmann angehalten, herauszufinden, obdie Angeklagten an einer gegen die Verfassung gerichteten Vereini-gung teilgenommen hatten. Anfangs verlief Hoffmanns Tätigkeit inder Kommission problemlos, doch zunehmend kristallisierten sichDifferenzen mit den Vertretern der übergeordneten Instanzen undÜberwachungsorgane heraus. Er nahm stets eine liberale, die An-geklagten verteidigende Rolle ein, indem er deren Äußerungen alsnicht hinreichend für eine rechtskräftige Anklageschrift bezeich-nete.41 Hoffmann beharrte darauf, ausschließlich Straftaten, aber niemals Gesinnungen zu verfolgen. Im Falle Roedigers, eines Mit-glieds der Jenaer Urburschenschaft, der auf dem Wartburgfest eineumstürzlerische Rede gehalten hatte, stellte Hoffmann dessen Ge-sinnung genauso wie seine Verbindung zum Kotzebue-Mörder Sandund dem Verlagsbuchhändler Reimer42 als harmlos dar und forderte

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die sofortige Entlassung aus der Untersuchungshaft. Von Kamptz,der Direktor des Polizeiministeriums, bestand hingegen gemeinsammit dem Staatskanzler von Hardenberg auf einer Fortsetzung derUntersuchungen. Sogar bei der zweiten Untersuchungsrunde ver-teidigte Hoffmann standhaft Roediger.

Im Gegensatz zu seiner Behandlung tatsächlich kriminellerTäter verhielt sich Hoffmann innerhalb der Immediat-Commissionmilde in seinen Urteilen und suchte die Allmacht des Staates sowiedessen Übergriffe auf die Gedankenfreiheit zu unterbinden. SeinEngagement richtete sich gegen den Polizeistaat, der immer unbe-denklicher seine Herrschaft ausübte, und stellte unmissverständlichdessen Legitimität in Frage. Hoffmann regte zudem an, den un-präzisen Vorwurf der „demagogischen Umtriebe“ durch „Stiftungoder Theilnahme an einem gegen die bestehende Verfassung derdeutschen Staaten gerichteten Bunde“ zu ersetzen.43

Die Diskrepanz zwischen politischer Paranoia und Nachsich-tigkeit der Immediat-Commission, die etliche Entlassungen vonAngeklagten nach sich zog, führte zu einer Unterwerfung der Kom-mission unter die Obhut der Polizei und die Ministerien der Justiz.Durch die Aberkennung der Vollzugskompetenzen war die Kommis-sion praktisch machtlos geworden. Es kann daher nur in HoffmannsSinne gewesen sein, als er 1820 durch die Berufung in den Oberap-pellationssenat des Kammergerichts aus der Kommission ausschied.

Die Rechte der KunstDie Künstlerfiguren in Hoffmanns literarischem Werk sind oftmalsden Angeklagten nachempfunden, mit denen Hoffmann im Zu-sammenhang mit der Kommission zu tun hatte. Es sind Menschen,die sich gegen Anpassung sträuben, sich schwer in die Gesellschaftintegrieren lassen und dort dadurch Irritation hervorrufen. IhreKunst ist nicht staatstragend, hat keinen politischen Stabilitätsfaktor,ebenso wenig, wie Hoffmanns Arbeit in der „Immediat-Commis-sion“ der repressiven Ideologie des Regimes dienlich war.

Kunst erscheint also in Hoffmanns Weltbild nicht ruhe- undordnungsstiftend, sondern engagiert, wie z. B. im Meister Floh (1822).In diesem Märchen verbirgt sich die Kritik an der polizeilichen Will-kür, die an dem „Turnvater“ Jahn verübt worden war. Der geheimeHofrat Knarrpanti leitet im Meister Floh die Ermittlungen in einer aufeinem Gerücht beruhenden Affäre, demnach eine junge Dame ausdem Hause eines Bankiers entführt worden sei. Obwohl Knarrpantizu dem Ergebnis gelangt, dass in dem Gerücht kein wahrer Kern sei,lässt er dennoch einen Bürger seiner Wahl, Peregrinus Tyß, ver-

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haften. Dieser muss sich wohl oder übel der Staatsgewalt beugenund sieht sich in völliger Ohnmacht dessen Organen ausgesetzt:„Herr Peregrinus schwur hoch und teuer, daß er sich auch nicht desgeringsten Verbrechens bewußt sei. Einer der Abgeordneten meinteaber lächelnd, daß vielleicht in wenigen Stunden seine völligeUnschuld aufgeklärt sein werde, bis dahin müsse er sich aber denBefehlen der Obrigkeit fügen.“44

Der Auftritt des geheimen Hofrats Knarrpanti macht die Diskrepanz zwischen der ihm zugewiesenen hohen hierarchischenStellung und seiner tatsächlichen Kompetenz deutlich. Das Gebaren,das er nach außen trägt, steht im Gegensatz zu seinen inneren Werten, seiner Intelligenz. Knarrpanti kann mit der seiner Positionentsprechenden Macht nicht umgehen und legt eine unpassendeÜberheblichkeit an den Tag, die zwar lächerlich und einfältig wirkt,jedoch trotzdem Ehrfurcht einflößt:

Da erschien [. . .] vor dem Rat ein seltsamer Mensch, sowohl seiner Kleidung als seinem ganzen Wesen nach, welcher sagte, er seiGeheimer Hofrat und nenne sich Knarrpanti. Darauf zog er ein Papiermit einem großen Siegel aus der Tasche und überreichte es mit einerhöflichen Verbeugung und einer Miene, die deutlich aussprach, wiesehr der Rat durch die hohe Würde, die er, der Geheime Hofrat Knarr-panti bekleide und durch den wichtigen Auftrag, den er erhalten, über-rascht sein, und welcher Respekt ihm nun erwiesen werden würde.45

Knarrpanti verfährt gemäß dem Grundsatz, dass sich zu jedem Ver-brecher auch ein Verbrechen finden müsste. Dahinter verbirgt sicheine Anspielung Hoffmanns auf ein in Umlauf gebrachtes Gerücht,das der fundierten Anschuldigungen entbehrt, so dass für den ein-mal ausgesprochenen Verdacht Bestätigung gefunden werden muss.Die Durchsuchung der Manuskripte Peregrinus Tyß’ und die spätereAnklage desselben auf Grund der in den Schriftstücken enthaltenen,aus dem Zusammenhang gerissenen Worte sind Teil einer Ver-fahrensweise, der Hoffmann Amtsmissbrauch und Willkür anlastet.So werden Peregrinus Tyß beispielsweise Entführungsgedanken vor-geworfen, da er in seinen Aufzeichnungen den Besuch von MozartsOper Die Entführung aus dem Serail erwähnt. Knarrpanti bildet sichein, diese Verklausulierung scharfsinnig durchschaut zu haben,obwohl er eigentlich nur seiner Erwartungshaltung gemäße Ergeb-nisse zu Tage fördert. Hoffmann thematisiert in diesem Zusammen-hang die fehlende Präzision der Sprache, die großen Interpretations-spielraum offen lässt und die bei dem Versuch, präzise Parameter(Richtlinien) an ein relatives Medium (Sprache) anzulegen, un-weigerlich zu Ungerechtigkeiten führen muss.

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Einer ähnlichen Problematik unterliegt das Verhör PeregrinusTyß’, der sich der Gefahr des absichtlich missverstanden Werdensbewusst, aber dennoch der Willkür des Knarrpanti ausgeliefert ist:

Peregrinus geriet in nicht geringe Verlegenheit, als er von dem Abgeordneten über den Hergang der Sache befragt wurde. Er fühlte,daß die ganze Erzählung, weiche er in keinem Umstande von derWahrheit ab, eben deshalb den Stempel der Lüge, wenigstens derhöchsten Unwahrscheinlichkeit tragen müsse. Für ratsam fand er esdaher, ganz zu schweigen und sich damit zu schützen, daß sobald keinwirkliches bestimmtes Verbrechen feststehe, dessen man ihn beschul-dige, er nicht nötig zu haben glaube, über einzelne Begebenheiten inseinem Leben Rede zu stehen. Knarrpanti frohlockte über diese Erklärung des Angeklagten, durch die er seinen Verdacht bestätigtfand.46

In der Sprachskepsis des Meister Floh verbirgt sich Kritik am staat-lichen Zensurapparat – Kritik, die zur Beschlagnahmung von Hoff-manns Manuskripten führte: Die Zensoren hatten sich selbst in demsarkastischen Märchen wiederentdeckt und sahen sich gezwungen,ihrer Entblößung durch die Bestrafung Hoffmanns entgegenzu-wirken.

Die AnklageDer Bezug auf den Polizeidirektor Albert von Kamptz, der seineparanoide Furcht vor Staatsfeinden in Jahn bestätigt sah, ist im Meis-ter Floh augenscheinlich. Von Kamptz hatte nach der VerhaftungJahns eine Meldung in zwei Berliner Zeitungen lanciert, der zufolgeJahn erwiesenermaßen regierungsfeindlich tätig gewesen sei und dieJugend im Rahmen seines Turnprogramms aufgehetzt habe. Jahnerhob daraufhin Klage beim Kammergericht und warf von Kamptzvor, ein Pasquill ohne Beweisgrundlage verfasst und verbreitet zuhaben. Hoffmann wurde mit der Untersuchung des Streitfallsbetraut und widerlegte den Vorwurf des Hochverrats, der gegenJahn vorgebracht worden war. Er verfasste am 30. November 1819ein „Decretum ex Conclusio Collegii“ (eine Verfügung mit Zu-stimmung seiner Mitarbeiter), gab darin der Klage Jahns statt undordnete die Vorladung von Kamptz’ trotz vorhergehender Warnungdurch den Kammergerichtspräsidenten Woldermann an. Der Justiz-minister von Kircheisen reagierte darauf mit der Forderung, das Ver-fahren unverzüglich einzustellen. Konfrontiert mit dem innen-ministeriellen Machtmissbrauch seines Vorgesetzten, stellte sich

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Hoffmann offen gegen den Justizminister von Kircheisen, unter demder „diktatorische“ Premierminister Hardenberg stand, und ver-kündete, nur vor dem Wort des Königs selbst weichen zu wollen(was zum Ende auch geschah). Der Polizeidirektor von Kamptzbeantwortete Hoffmanns Prinzipientreue mit einer Beschwerdegegen die gesamte Belegschaft der Kommission (Von Gerlach, Kuhl-meyer, Trützschler und Hoffmann), in der er sie der Demagogie unddes Oppositionsgeistes bezichtigte.47

Hoffmann war also durch seine Gesetzestreue und Korrektheitder Obrigkeitsgläubigkeit der Staatsorgane in die Quere gekommen.Mit dem Meister Floh hatte er den Zensoren die Grundlage geliefert,auf Grund derer sie ihn für seine Staatskritik belangen konnten. ImVorgehen des Polizeidirektors wiederum spiegelt sich exakt die vonHoffmann im Meister Floh denunzierte Korruption.

Meister Floh wurde – sofern er bereits gedruckt und in Frankfurtbeim Verlag angekommen war – zunächst konfisziert. Aus Angst vor einem Berufsverbot zeigte sich der Verleger Wilmans äußerstkooperativ gegenüber der Polizei und gab bereitwillig Auskunftüber Hoffmanns Korrespondenzen, verriet u. a. auch, dass Hoffmannum die Tilgung einer Anspielung auf von Kamptz in den Manu-skriptseiten gebeten hatte (und damit, dass Hoffmanns Zeilen tat-sächlich auf jenen gemünzt gewesen waren). Des Verlegers De-nunziation wurde von der Polizei per Erstattung der für Wilmansentstandenen Verlustkosten honoriert. Gegen Hoffmann wurden vierVerfahren eingeleitet,48 und zwar wegen „gebrochener Amtsver-schwiegenheit“ (Hoffmann habe Aspekte seiner juristischen Tätig-keit im Meister Floh verarbeitet), wegen „Beamtenverleumdung“(Knarrpanti sei als Parodie auf den Polizeidirektor von Kamptz kon-zipiert worden), wegen „Majestätsbeleidigung“ (die Obrigkeit fühlesich verhöhnt) und wegen „Demagogie“ (Hoffmann habe den Meis-ter Floh als Protestschrift gegen die Staatsgewalt verfasst).

Wegen Vernehmungsunfähigkeit hatte das Verhör am Kranken-bett Hoffmanns zu erfolgen. Schwer an Syphilis erkrankt, diktierteder Angeklagte von dort aus auch seine Verteidigungsschrift:49

Dem Vorwurf, seine beruflichen Erfahrungen in literarischerForm verarbeitet zu haben, hatte Hoffmann entgegen zu halten, dassniemand völlig abstrahiert von seinem Lebensalltag schaffen könne.Der Realitätsbezug der Kunst sei also unvermeidlich, der Schriftstel-ler habe schließlich gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen.Walter Scott, seinerseits Jurist, habe ebenso persönliche Berufs-erfahrungen in sein schriftstellerisches Schaffen einfließen lassen.Segebrecht bezeichnet Hoffmanns Argumentation als Verteidigungder Rechte der Poesie gegenüber der Staatsgewalt.50

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Hoffmann reklamiert außerdem im Meister Floh das Recht,unsachgemäß durchgeführte Verhöre ankreiden zu dürfen. Er appelliert an die von der Französischen Revolution propagierte Meinungsfreiheit, wenn er schreibt:

Dem humoristischen Dichter muß es freistehen, sich in dem Gebiet seiner phantastischen Welt frei und frisch zu bewegen. Soll er sich intausend Rücksichten, in misstrauische Zweifel darüber, wie seineGedanken gemißdeutet werden könnten, wie in das Bett desProcrustes51 einengen? Wie würde es ihm möglich sein, geistreich,anmuthig zu schreiben, und Gemüth und Herz seiner Leser zu er-greifen?52

Dem laufenden Disziplinarverfahren mit all seinen Implikationenkam der Tod zuvor: E. T. A. Hoffmann erlag am 25. Juni 1822 in Ber-lin den Folgen einer Zerstörung des zentralen Nervensystems (alsfortgeschrittenes Stadium der Syphilis). Die Irritation, die er durchseine Kritik erzeugt hatte, hielt weit bis über sein Lebensende hinausan: Der Innenminister, Friedrich von Schuckmann, äußerte sich ineinem Brief an Danckelman53 sechs Jahre später abfällig über Hoff-manns „Talent“, die Mitglieder der Immediat-Commission zu „irri-gen Ansichten“ hingerissen zu haben. Das sei diesem „Aussätzigennur in jener contagiösen Zeitperiode wo jeder, der gegen die Dema-gogen auftrat, als ein stupider Obscurant verlästert wurde, möglichgewesen“.54

Der Meister Floh erschien noch zu Lebzeiten Hoffmanns bei Wil-mans in Frankfurt, jedoch in zensierter Form ohne die „Knarrpanti-Affäre“. Der erste vollständige Abdruck gemäß dem Erstdruck vonWilmans einschließlich der handschriftlich überlieferten Passage derKnarrpanti-Affäre erfolgte durch den Hoffmann-Forscher Hans vonMüller 1908 im Bard-Verlag.

Das Erbrecht und der TodDen komplizierten besitzrechtlichen Änderungsprozessen seinerZeit widmet sich die Erzählung Das Majorat (1817). Der Fürst Hardenberg hatte Reformen weitergeführt, die vom Reichsfreiherrvom und zum Stein55 eingeleitet worden waren. Sie richteten sichgegen die Gewaltanwendung revolutionärer Prozesse, wie sie inFrankreich stattgefunden hatte. Die endgültige Bauernbefreiung warStein durch das Edikt von 1807 geglückt. In seiner Bemühung umdas Wohlergehen und somit die Loyalität der breiten Allgemein-heit pflanzte er den Keim des modernen sozialen Verwaltungs-rechts.

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Die Beibehaltung der Patrimonialgerichtbarkeit führte jedochtrotz Abschaffung der Erbuntertänigkeit im Endeffekt zu einererneuten Standessicherung des Adels auf Kosten der Bauern. Zuden adeligen Gutsherren gesellten sich die bürgerlichen, die sich in der Gestaltung ihrer alltäglichen Lebenspraxis den Adel zum Vor-bild nahmen und nur neue, nicht weniger umfassende Ab-hängigkeitsverhältnisse schufen. Das Tagelöhnerwesen griff umsich.

Das Majorat wird aus der Sicht eines jungen Juristen erzählt,dessen Großonkel – seinerseits ebenfalls Rechtsgelehrter – mit derAufsicht über die Ein- und Ausgaben sowie mit der Testamentsvoll-ziehung des Freiherrn betraut ist. Fast ironisch zeichnet Hoffmannim Großonkel des Ich-Erzählers eine Allegorie des Rechts, die denNeffen bevormundet und sogar den Majoratsherrn in Schranken zuweisen vermag.

Sein Neffe gerät aus Liebe zur Gattin des Majoratsherrn in Kon-flikt mit der Moral und der gesellschaftlichen Determination. Seinejugendliche Leidenschaft ist ihm ein Motor in allen Belangen, dochfehlt ihm ähnlich wie auch dem Ich-Erzähler im Rat Krespel die Reifedes Alters. Die musikalische Komponente als erotisierendes Elementprägt die Annäherung zwischen der jungen Baronin und dem Ich-Erzähler:

Wohl merkt’ ich nehmlich, daß das Fräulein der Baronin bedeutendeBlicke zuwarf, und daß diese sich mühte uns zu hören. Vorzüglich wardies der Fall, als ich, da das Gespräch sich auf Musik gewandt, mit vol-ler Begeisterung von der herrlichen, heiligen Kunst sprach und zuletztnicht verhehlte, daß ich, trockener, langweiliger Juristerei, der ich michergeben, unerachtet, den Flügel mit ziemlicher Fertigkeit spiele, singeund auch wohl schon manches Lied gesetzt habe.

Die Parallele zu Hoffmann scheint an dieser Stelle offenbar.Ebenso erinnert die Spannung, die zwischen den beiden Charakte-ren entsteht, an Hoffmanns Schwäche für Julie Mark. Auch er hatte –wie der junge Liebhaber im Buch – eine von Eifersucht geprägteAbneigung gegen den zukünftigen Gatten der Verehrten, den Ham-burger Kaufmann Graepel, entwickelt. Jener musste dem von Hoff-mann als Raubein charakterisierten Majoratsherrn Roderich ähnlichgewesen sein.56

Das Jagderlebnis des jungen Juristen im Majorat, bei dem er nurknapp dem Angriff eines durch einen verfehlten Schuss in Ragegeratenen Wolfes entgeht, gibt der Baronin Anlass, den Freund ein-dringlich vor den Gefahren des Waldes zu warnen. Im Lichte derEreignisse Hoffmanns letzter Lebensjahre, als er den Instanzen,

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denen er ein Leben lang gedient hatte, in die Quere kam, ist ihrAusspruch als allgemeine Gesellschafts- und Staatskritik, vielleichtsogar als Klage über einen in seiner Kunst verkannten Romantikerzu lesen: „Aber mein Gott, ist es denn Ihres Berufs, es mit Wölfenaufzunehmen? Wissen Sie denn nicht, daß Orpheus’, Amphionsfabelhafte Zeit, längst vorüber ist, und daß die wilden Thiere allen Respect vor den vortrefflichsten Sängern ganz verlorenhaben?“57

Werkverzeichnis (Auswahl)Literarische WerkeFantasiestücke in Callots Manier (1814)Die Elixiere des Teufels (1815)Nachtstücke (1817)Seltsame Leiden eines Theater-Direktors (1819)Klein Zaches, genannt Zinnober (1819)Spielerglück in Urania, Jahrbuch auf das Jahr 1820 (1820)Die Serapionsbrüder (1819)Lebensansichten des Katers Murr (1820–1822)Meister Floh (1822)

Musikalische WerkeVokalmusikMessa d-moll (1805)Trois Canzonettes à 2 et à 3 voix (1807)6 Canzoni per 4 voci a cappella (1808)Miserere b-moll (1809)In des Irtisch weiße Fluten (Kotzebue), Lied (1811)Tre Canzonette italiane (1812); 6 Duettini italiani (1812)Nachtgesang, Türkische Musik, Jägerlied, Katzburschenlied für

Männerchor (1819–1821)

BühnenwerkeDie Maske (Libretto: E.T.A. Hoffmann), Singspiel (1799)Die lustigen Musikanten (Libretto: Clemens Brentano), Singspiel

(1804)Liebe und Eifersucht (Calderón/August Wilhelm Schlegel) (1807)Arlequin, Ballettmusik (1808)Saul, König von Israel (Libretto: Joseph von Seyfried), Melodram

(1811)Aurora (Libretto: Franz von Holbein), heroische Oper (1812)Undine (Libretto: Friedrich de la Motte Fouqué), Zauberoper (1814)

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Instrumentalmusik

Rondo für Klavier (1794/95)Ouvertura. Musica per la chiesa d-moll (1801)5 Klaviersonaten: A-Dur, f-moll, F-Dur, f-moll, cis-moll (1805 – 1808)Sinfonie Es-Dur (1806)Harfenquintett c-moll (1807)Grand Trio E-Dur (1809)

LiteraturBlomeyer, E.T.A. Hoffmann als Jurist. Eine Würdigung zu seinem 200. Geburts-

tag (1978) (Schriftenreihe der Juristischen Gesellschaft, Berlin; Nr. 55)Helmke, E. T. A. Hoffmann. Lebensbericht mit Bildern und Dokumenten

(1975)Pleschinski, E.T.A. Hoffmanns Erzählungen (2000)Schnapp (Hrsg.), Juristische Arbeiten (1973)Schnapp (Hrsg.), E. T. A. Hoffmann in Aufzeichnungen seiner Freunde und

Bekannten (1974)Schnapp (Hrsg.), E. T. A. Hoffmanns Briefwechsel III. Nachträgliches, Urkun-

den, Anzeigen, Offene Briefe, Amtliche Briefe, Die Affäre des „MeisterFloh“ (1969)

Segebrecht, Beamter, Künstler, Außenseiter – Analogien zwischen der juris-tischen und dichterischen Praxis E. T. A. Hoffmanns (1984)

Segebrecht, E. T. A. Hoffmanns Auffassung vom Richteramt und vom Dichter-beruf. Mit unbekannten Zeugnissen aus Hoffmanns juristischer Tätig-keit, in Jahrbuch der deutschen Schillergesellschaft XI (1967)

Vitt-Maucher, E. T. A. Hoffmanns „Meister Floh“: Überwindung des Inhaltsdurch die Sprache, in Aurora. Jahrbuch der Eichendorff GesellschaftXLII (1982)

Weinholz, E.T.A. Hoffmann. Dichter – Psychologe – Jurist (1991)Wittkop-Ménardeau, E.T. A. Hoffmann in Selbstzeugnissen und Bilddokumen-

ten15 (1998)Wittkop-Ménardeau (Hrsg.), E. T. A. Hoffmanns Leben und Werk in Daten und

Bildern. (1968)

1 Schweizer (Hrsg.), Hoffmanns Werke II (1896) 361.2 Schnapp (Hrsg.), Juristische Arbeiten (1973) 7.3 Dieses Motiv birgt Anklänge an die ikarische Selbstüberschätzung, beschrieben in

Ovids Metamorphosen (Dädalus und Ikarus).4 Pleschinski, E.T.A. Hoffmanns Erzählungen (2000) 60.5 Pleschinski, Hoffmanns Erzählungen 69.6 Pleschinski, Hoffmanns Erzählungen 74 f.7 Das dem Tode Anheimfallen bei gleichzeitigem Erleben eines einzigartigen musikali-

schen Moments taucht in der Literatur vielerorts auf, etwa in Thomas Manns „Tristan“, wo diekränkliche Kaufmannsgattin Gabriele Klöterjahn im Sanatorium Einfried nach der Hingabe anWagners „Tristan und Isolde“ ihre letzten Kräfte aushaucht.

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18 Pleschinski, Hoffmanns Erzählungen 78.19 Hoffmann, Werke II (Die Elixiere des Teufels, Klein Zaches) (1946) 366.10 Vgl. Wittkop-Ménardeau, E. T. A. Hoffmann in Selbstzeugnissen und Bilddokumen-

ten15 (1998) 35 ff.11 Novalis, Das allgemeine Brouillon (Materialien zur Enzyklopädistik) (1789/99) in

Mähl/Samuel (Hrsg.), Novalis Werke. Tagebücher und Briefe Friedrich von Hardenbergs II(1978) 692.

12 Hoffmann, Meister Floh. Ein Märchen in sieben Abenteuern zweier Freunde (1970) 5.13 Schnapp (Hrsg.), E.T.A. Hoffmanns Briefwechsel III (1969) 258.14 Thomas Bernhard zeichnet im Untergeher (1983) ein dem romantischen Ideal ent-

sprechendes Künstlerbild des Genies Glenn Gould, der sich vollauf der Interpretation derGoldberg-Variationen verschrieben hat, jedoch unweigerlich an der Unzulänglichkeit der ir-dischen Medien verzweifeln muss. Dieser Roman ist also als Fortsetzung einer Künstlerkrise,welche ihren Anfang mit literarischen Figuren wie Berglinger oder Kreisler genommen hatte,im 20. Jahrhundert zu sehen.

15 Kritik an dessen Rationalismus übte Hoffmann wie bereits erwähnt in „KleinZaches“.

16 Vgl. Wittkop-Ménardeau, Hoffmann in Selbstzeugnissen 144f.17 Wolfgang Iser und Hans Robert Jauß waren Vorreiter in der literaturtheoretischen

Erforschung des Leserkreises bzw. des Literaturrezipienten. Mit Studien über dessen Lese-verhalten und Sinnkonstruktionsprinzipien gründeten sie die Schule, die als „Wirkungs-“bzw. „Rezeptionsästhetik“ in die Literaturwissenschaft einging.

18 Vgl. Wittkop-Ménardeau, Hoffmann in Selbstzeugnissen 71.19 Siehe auch: Das Majorat, weiter unten.20 Insbesondere die Oper Undine (1813) spielte für die Entwicklung der Romantik in der

Musik eine nicht zu vernachlässigende Rolle.21 Das Obergericht für die Kurmark hieß Kammergericht.22 Zunächst befanden sich die Akten der „Immediat-Commission“ im Geheimen

Preußischen Staatsarchiv in Berlin, jetzt sind sie im Deutschen Zentralarchiv in Merseburg inder Historischen Abteilung aufbewahrt.

23 In Schnapp (Hrsg.), E.T.A. Hoffmann in Aufzeichnungen seiner Freunde und Bekann-ten (1974) 644, zit. in Weinholz, E.T.A. Hoffmann. Dichter – Psychologe – Jurist (1991) 122.

24 Einen ähnlich gelagerten Fall präsentierte Martin Wehner, der 1821 wegen Totschlagsangeklagt wurde.

25 Dr. Marc war verwandt mit der erwähnten Julie Mark, die bei Hoffmann Gesang-stunden nahm.

26 Albert Friedrich Marcus setzte sich eingehend mit dem Mesmerismus auseinander.Jene vom deutschen Arzt Mesmer entwickelte Heilmethode basiert auf der Einwirkung magnetischer Felder auf den menschlichen Körper.

27 Friedrich Speyer ging in die Elixiere des Teufels ein.28 Pleschinski, Hoffmanns Erzählungen 334.29 Schnapp (Hrsg.), Juristische Arbeiten 56–71.30 Ebd. 83.31 Ebd. 83–120.32 Ebd. 91 f.33 Ebd. 92.34 Pinel (Chefarzt der Salpêtrière, Paris), Traité sur l’aliénation mentale; Marcus/Reil,

Über die Erkenntnis und Cur der Fieber und Rhapsodieen über die Anwendung der psychi-schen Curmethode auf Geisteszerrüttungen; Schubert, Ansichten von der Nachtseite derNaturwissenschaft.

35 Die Ausdifferenzierung der Systeme um 1800 wird auch in Michel FoucaultsVorlesung L’ordre du discours (1974) thematisiert: Anthropologie und Psychologie begannensich zu etablieren und arbeiteten an der Entdeckung des Menschen und der Ver-messung eines bürgerlichen Subjekts, das zum neuen Maßstab der Gesellschaft gewordenwar.

36 Hoffmann zit. in Zeitschrift für die Criminal-Rechts-Pflege I, Heft 2 (1825) 291.

Ernst Theodor Amadeus Hoffmann (1776–1822)

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37 Segebrecht, E. T. A. Hoffmanns Auffassung vom Richteramt und vom Dichterberuf.Mit unbekannten Zeugnissen aus Hoffmanns juristischer Tätigkeit in Jahrbuch der deutschenSchillergesellschaft XI (1967) 62–138.

38 Weinholz, E.T.A. Hoffmann. Dichter – Psychologe – Jurist (1991) 121.39 Schnapp (Hrsg.), Juristische Arbeiten 71–78.40 Hoffmann, Meister Floh 106.41 Schnapp (Hrsg.), Juristische Arbeiten 127, zit. in Segebrecht, Beamter, Künstler, Außen-

seiter – Analogien zwischen der juristischen und dichterischen Praxis E. T. A. Hoffmanns(1984) 298.

42 Reimer hatte auch Hoffmanns Erzählsammlungen Nachtstücke und Die Serapions-Brüder verlegt.

43 Schnapp (Hrsg.), Juristische Arbeiten 131, zit. in Segebrecht, Beamter, Künstler, Außen-seiter 298.

44 Hoffmann, Meister Floh 79 f.45 Hoffmann, Meister Floh 82 f.46 Hoffmann, Meister Floh 105.47 Schnapp (Hrsg.), Juristische Arbeiten 518, zit. in Segebrecht, Beamter, Künstler, Außen-

seiter 300 f.48 Kamptz fordert zur Anklage jener Anschuldigungen in einem Brief an Schuckmann

(31. 1. 1822) in Schnapp (Hrsg.), E.T.A. Hoffmanns Briefwechsel III (1969) 236.49 In Schnapp (Hrsg.), E.T.A. Hoffmanns Briefwechsel 257–263.50 Segebrecht, Hoffmanns Auffassung vom Richteramt 63.51 Der Geschichtsschreiber Diodor berichtet über den in der griechischen Mythologie

als Riese überlieferten Procrustes, dass er Reisenden aufgelauert und ihnen ein Bett überNacht angeboten hätte. War der Wanderer von großer Gestalt, hätte er absichtlich ein kleinesBett bereitgestellt und dem Reisenden die Gliedmaßen abgehackt, damit er in das Bett passe.Der Vergleich, den Hoffmann zwischen der Staatsgewalt und dem Wegelagerer Procrustesanstellt, drückt seinen Unwillen aus, sich in die von der Obrigkeit vorgeschriebene Bahnenzwängen zu lassen, würden diese seinen persönlichen Überzeugungen von Gerechtigkeitwidersprechen.

52 Schnapp (Hrsg.), Hoffmanns Briefwechsel 260.53 Berlin, 18. 10. 1828, in: Schnapp (Hrsg.), Juristische Arbeiten 40.54 Ebd.55 Zum Reichsfreiherrn vom und zum Stein (1757 – 1831) siehe: Stern, Stein, Heinrich

Friedrich Karl Freiherr vom, in Allgemeine Deutsche Biographie (ADB) XXXV (1893) 614 – 641und Fuchs, Stein, Heinrich Friedrich Karl, in Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon(BBKL) X (1995) 1286–1288.

56 Vgl. Hoffmann, Das Majorat. Eine Erzählung (o. J.) 25.57 Hoffmann, Das Majorat 35. Orpheus, Sohn der Muse Kalliope, galt als einer der be-

törendsten Sänger der griechischen Mythologie. Orpheus und Amphion sollen die Fähigkeitbesessen haben, mit ihrem Gesang wilde Tiere zu zähmen. Letzterer gilt als Begründer einerder Dur verwandten Tonart, der „Lydius modus“.

Querdenker im Staatsdienst

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