1
6 Donnerstag, 8. Oktober 2015 - Filmkunst von der Biennale in Bozen VENEDIG/BOZEN (gro). Warum nach Venedig fahren, wenn das Beste aus dem Programm der Mostra nach Bozen kommt. Es sind die Filme, die von den Kritikern ausgesucht werden. Heute wird der Film „Banat“ (Die Reise) von Ad- riano Valerio gezeigt, eine Geschichte, die am Balkan und in Bari spielt. Am 13.10. wird der Siegerfilm dieser hochwer- tigen Cineastenreihe vom Lido präsentiert: „Tania“, eine aust- raliansche Produktion, die eine Liebesgeschichte ins Bild rückt auf einer verlassenen Insel. Die Auswahl aus der „Settimana della Critica“ wird zum 5. Mal im Filmclub gezeigt. © Ethische Botschaften AUSSTELLUNG: „Weltreligionen – Weltfrieden – Weltethos“ – Die 8 großen Weltreligionen und deren „Goldene Regeln“ Die Ausstellung „Weltreligionen – Weltfrieden – Weltethos“, die heute an der Universität Brixen eröffnet wird, wurde von der Stiftung Weltethos konzipiert und realisiert. Sie möchte einla- den, die Welt der Religionen besser kennen zu lernen und die Bedeutung ihrer ethischen Bot- schaften in ihrer Relevanz besser zu verstehen. 1995 gründete Hans Küng in Tübingen die Stiftung Weltethos für interkulturelle und interreli- giöse Forschung, Bildung und Begegnung. Ziele der Stiftungs- arbeit sind die Vermittlung ethi- scher und interkultureller Kom- petenz sowie Dialog, Zusam- menarbeit und Frieden zwi- schen den Religionen und Kul- turen. Die Ausstellung hat zwei the- matische Schwerpunkte: Sie handelt zunächst von den Reli- gionen und sodann von den ih- nen gemeinsamen Werten. Auf 15 Tafeln wird knapp und an- schaulich Basiswissen vermit- telt. Dafür wurden zentrale ethi- sche Texte ausgewählt. Es gehört nicht zur Selbstdefinition des Menschen, Feinde zu haben. Es gehört nicht zum Wesen der Re- ligionen, Rivalen zu sein. Dazu gibt es zwischen ihnen zu viele Gemeinsamkeiten. Einen Ein- druck davon bietet die Ausstel- lung in ihrem zweiten Teil. Die Frage nach gemeinsamen ethischen Werten, Normen und Maßstäben der Religionen und philosophischen Traditionen sowie ihrer Bedeutung für die heutige Zeit wurde zum ersten Mal 1990 von Hans Küng im Buch „Projekt Weltethos“ vorge- legt. 1993 fand in Chicago ein Weltparlament der Religionen statt. Mehr als 6000 Menschen aus 250 Religionen und religö- sen Gruppen nahmen daran teil. Am letzten Tag verabschiedete das Parlament die „Erklärung zum Weltethos“, die der Dalai Lama und Hans Küng, als erster Präsident (1995 bis 2013) der Stiftung Weltethos unterschrie- ben haben. Obwohl sie von reli- giösen Menschen verfasst und BRIXEN. Dass Hans Küngs These „Kein Weltfriede ohne Religionsfriede“ gegenwärtig hohe Relevanz besitzt, wird besonders deutlich, wenn man den enormen Migrati- onsfluss von Menschen beob- achtet, die aus dem vom „Re- ligionskrieg“ heimgesuchten Syrien nach Europa flüchten. unterzeichnet worden ist, ver- steht sie sich nicht als ein religiö- ses, sondern las eine ethisches Dokument. Grundlage der Ausstellung ist Hans Küngs Multimedia-Projekt „Spurensuche. Die Weltreligio- nen auf dem Weg“ (1999), das mit einer siebenteiligen Fern- sehreihe, einem bebilderten Sachbuch und einer CD-ROM in diese Thematik einführt. Seit dem Jahr 2001 reist die Ausstel- lung in verschiedenen Sprachen und Versionen um die Welt. Im Sommer 2014 wurde sie überar- beitet und von 12 auf 15 Tafeln erweitert. Eröffnung: Heute, 19 Uhr, Freie Universität Bozen, Standort Brixen, Regensburger Allee 16, bis 30. Oktober. Zur Ausstellung gibt es auch eine Broschüre. © Alle Rechte vorbehalten Francesco Vezzoli – Gastkurator 2016 BOZEN. Francesco Vezzoli (im Bild oben und unten) ist der Gastkurator des Jahres 2016 im Museion für moderne und zeitgenössische Kunst in Bozen. Am 29. Januar wird der Künstler dort das neue Aus- stellungsjahr mit zwei Projek- ten eröffnen. Als Gastkurator setzt sich Vezzoli mit der Sammlung Museion ausein- ander. Als Künstler stellt er die erste Retrospektive seines bildhauerischen Werks vor. Beide Projekte tragen den Titel „Museum Museion“ und be- spielen alle Ausstellungsräu- me des Hauses. Ironisch und exzentrisch Francesco Vezzoli ist einer der international angesehensten italienischen Künstler. Iro- nisch und exzentrisch verwebt er in seinen Arbeiten Vergan- genheit und Gegenwart. Ob es sich um die Pop-Kultur, das internationale Starsystem oder das „System Kunstge- schichte“ handelt – der anar- chische Vezzoli liebt die De- konstruktion und die von in- nen ausgehende Sprengung von Systemen. In Bozen stellt er in seiner Eigenschaft als Ku- rator die erste thematische Präsentation der Sammlung Museion vor und setzt diese in Beziehung zu Meisterwerken der Kunstgeschichte. „Wir stellen Francesco Vezzoli un- ser Haus zur Verfügung und setzen damit ein unmissver- ständliches Zeichen, das die Bereitschaft, uns selbst zu hin- terfragen und einzubringen unterstreicht. Indem er unsere Sammlung mit der Vergan- genheit verkoppelt, entdeckt Vezzoli nicht nur ganz neue Lesarten für diese Arbeiten – er befasst sich auch mit offe- nen und verborgenen Bezü- gen in der Kunst und mit über- holten Interpretationsrastern“, erklärt die Direktorin des Mu- seion Letizia Ragaglia. Francesco Vezzoli ist der vierte Gastkurator im Museion und gestaltet damit – wie seine Vorgänger – eine Themenaus- stellung. Seit 2012 übernah- men diese Aufgabe der aktuel- le Leiter der Kunst- und Aus- stellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Rein Wolfs, die chinesischen Kuratoren und Kritiker Carol Yinghua Lu und Liu Ding so- wie der Direktor des Contem- porary Art Center in Bretigny (Frankreich), Pierre Bal-Blanc, der auch dem Kuratorenteam der documenta 14 angehört. Francesco Vezzoli (Brescia, 1971) studierte von 1992 bis 1995 an der Central St. Mar- tin’s School of Art in London. Seine Arbeiten wurden welt- weit in öffentlichen und priva- ten Kunsträumen gezeigt. © MUSEION Chantal Akerman PARIS (gro). Nun gehört sie zu den jung gebliebenen Toten. Chantal Akerman (im Bild) war schon in den 1970er Jahren eine Filmrebellin, und sie ist es ge- blieben bis zu ihrem Tod vor ein paar Tagen in Paris. Sie war da- bei, die Welt des Kinos zu verän- dern, als sie versuchte, die Hel- den des roten Teppichs auszu- tauschen mit den Heldinnen der Arbeit. Immerhin hat sie mit ih- ren 40 Filmen die Kinowelt nachhaltig beeinflusst. 1975 drehte sie einen Streifen über ei- ne Hausfrau in Brüssel, die ne- benbei als Hure arbeitete, um sich das Leben leisten zu kön- nen. „Jeanne Dilman, 23 quai du Commerce, 1080 Bruxelles“, der sperrige Titel des Films, mit dem die Belgierin in die Welt des Ki- nos zog. Die berühmte deutsche Filmkritikerin Frieda Grafe sah in diesem Film das Banale, was gegen die Helden gewinnt. Die New York Times bezeichneten diesen Film als Schlüsselwerk fe- ministischer Filmkunst. Aker- man hat auch Literatur verfilmt, wie Marcel Proust und Josef Conrad und wollte auch unter- halten. Ihr letzter Film wurde dieses Jahr in Locarno präsen- tiert, ein Porträt über ihre Mut- ter. Chantal Akerman: „Nichts ist wahrscheinlich aber möglich.“ Nicht einzuordnen, aber Filmge- schichte. © NACHRUF Der Schulraum als dritter Pädagoge AUSSTELLUNG: Schulen bauen in Südtirol zwischen Architektur und Pädagogik VON ANDREAS GOTTLIEB HEMPEL . . ................................................. FRANZENSFESTE. Seit den 1970er Jahren hat die Landesre- gierung im Zuge der autonomen Zuständigkeit ein umfangreiches Schulbauprogramm durchge- führt. Meist wurden die Entwürfe über Wettbewerbe ermittelt, so dass eine hohe Architekturquali- tät entstand. Die neuesten Bau- ten werden in der Franzensfeste vorgestellt. Es ist eine Ausstellung vom Feinsten: Den Kuratoren Prof. Beate Weyland und Paolo Bellen- zier vom Schulressort ist es zu- sammen mit dem für die künstle- rische Gestaltung verantwortli- chen Thomas Sterna gelungen, eine Präsentation von hoher di- daktischer Qualität der neuesten Schulbauten in Südtirol vorzu- stellen. Jeder der einzelnen Räu- me im Obergeschoss der „Kultur- festung“ ist einem Projekt gewid- met. Jeweils wird eine lange Tischplatte mit Plänen, Texten und Modell ergänzt durch eine ständig laufende Videoschau, in der die Architektur der Schule vorgestellt wird und sich sowohl Lehrpersonen als auch Schüler mit ihren Erfahrungen zum päd- agogischen Konzept und zur räumlichen Atmosphäre äußern. Da muss man etwas Zeit mitbrin- gen – aber es ist kurzweilig, sehr informativ und macht den Rund- gang spannend. Neue pädagogische Konzepte haben den klassischen Frontal- unterricht weitgehend aufgeho- ben. Die reine Anweisungslehre ist von anderen Formen der Zu- sammenarbeit zwischen Schü- lern und Lehrern abgelöst wor- den, man spricht vom „flipped classroom“, dem umgedrehten Unterricht, in dem das angebote- ne Wissen abgefragt und hinter- fragt werden kann. Es versteht sich, dass für dieses neue Kon- zept die Architekten neue Raum- formen finden mussten eine viel zitierte Weisheit der Schular- chitektur spricht vom Raum und seiner Atmosphäre als „drittem Pädagogen“. Die alten Klassenfor- men in Längsausrichtung auf den dozierenden Lehrer haben also ausgedient und neue Raumfor- men sind entstanden. Sie sind meist transparent, öffnen sich zu den allgemeinen Flächen, die ih- re Ödnis als Flure verloren haben und zur Zusammenarbeit auch außerhalb der Unterrichtsräume anregen. Die Entwicklung des in der Ausstellung zu beobachtenden hohen Niveaus einer neuen Schularchitektur, die von den ge- wandelten pädagogischen Kon- zepten geprägt wird, ist auch dem langjährigen Leiter des Ressorts für öffentliche Bauten, dem Ar- chiteken Josef March zu verdan- ken, der den Planungswettbe- werb als wichtigstes Instrument und Garant für die bestmögliche architektonische Lösung einge- führt hat. Heute sind die Ergeb- nisse bereits Ziel zahlreicher Stu- dienreisen von Architekten aus dem Ausland geworden. Das ständige sich messen der Archi- tekten untereinander an den ver- schiedenen Planungsaufgaben hat maßgeblich zur Qualitätsstei- gerung beigetragen. Man kann nur wünschen, dass die öffentli- che Verwaltung sich weiterhin dieses Instruments bedient, das eine hohe moderne Baukultur in Südtirol entwickelt hat. Im letzten Ausstellungsraum werden die Planungen für künfti- ge Schulbauten gezeigt. Der Ein- druck entsteht, dass es auf dem erreichten Niveau der bisher fer- tig gestellten Bauten weiter geht. Termin: „Schulen bauen in Südtirol“ ist bis zum 30. 10. auf der Franzensfeste zugänglich. © Kultur Auf 15 Schautafeln werden die 8 Weltreligionen und deren ethische Prinzipien erklärt: die Verpflichtung auf Gewaltlosigkeit, Gerechtigkeit, Wahrhaftigkeit und verantwortliche Partner- schaft. „Eine Weltepoche, die anders als jede frühere geprägt ist durch Weltpolitik, Welttechnologie, Weltwirtschaft und Weltzivilisation, bedarf eines Weltethos: Das heißt: eines Grundkonsens bezüglich verbindender Werte, unverrückbarer Maßstäbe und persönlicher Grundhaltungen.“ Hans Küng Kindergarten Terenten (Feld 72) Hannah Arendt Schule Bozen (C. Lucchin) Fürstenburg Burgeis (W. Tscholl)

Ethische Botschaften - Weltethos praktisch · hat maßgeblich zur Qualitätsstei-gerung beigetragen. Man kann nur wünschen, dass die öffentli-che Verwaltung sich weiterhin dieses

  • Upload
    others

  • View
    1

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Ethische Botschaften - Weltethos praktisch · hat maßgeblich zur Qualitätsstei-gerung beigetragen. Man kann nur wünschen, dass die öffentli-che Verwaltung sich weiterhin dieses

6 Donnerstag, 8. Oktober 2015 -

Filmkunst von der Biennale in BozenVENEDIG/BOZEN (gro). Warum nach Venedig fahren,wenn das Beste aus dem Programm der Mostra nach Bozenkommt. Es sind die Filme, die von den Kritikern ausgesuchtwerden. Heute wird der Film „Banat“ (Die Reise) von Ad-riano Valerio gezeigt, eine Geschichte, die am Balkan und

in Bari spielt. Am 13.10. wird der Siegerfilm dieser hochwer-tigen Cineastenreihe vom Lido präsentiert: „Tania“, eine aust-raliansche Produktion, die eine Liebesgeschichte ins Bild rücktauf einer verlassenen Insel. Die Auswahl aus der „Settimanadella Critica“ wird zum 5. Mal im Filmclub gezeigt. ©

Ethische BotschaftenAUSSTELLUNG: „Weltreligionen – Weltfrieden – Weltethos“ – Die 8 großen Weltreligionen und deren „Goldene Regeln“

Die Ausstellung „Weltreligionen– Weltfrieden – Weltethos“, dieheute an der Universität Brixeneröffnet wird, wurde von derStiftung Weltethos konzipiertund realisiert. Sie möchte einla-den, die Welt der Religionenbesser kennen zu lernen und dieBedeutung ihrer ethischen Bot-schaften in ihrer Relevanz besserzu verstehen.

1995 gründete Hans Küng inTübingen die Stiftung Weltethos

für interkulturelle und interreli-giöse Forschung, Bildung undBegegnung. Ziele der Stiftungs-arbeit sind die Vermittlung ethi-scher und interkultureller Kom-petenz sowie Dialog, Zusam-menarbeit und Frieden zwi-schen den Religionen und Kul-turen.

Die Ausstellung hat zwei the-matische Schwerpunkte: Siehandelt zunächst von den Reli-gionen und sodann von den ih-nen gemeinsamen Werten. Auf15 Tafeln wird knapp und an-schaulich Basiswissen vermit-telt. Dafür wurden zentrale ethi-sche Texte ausgewählt. Es gehörtnicht zur Selbstdefinition desMenschen, Feinde zu haben. Esgehört nicht zum Wesen der Re-ligionen, Rivalen zu sein. Dazugibt es zwischen ihnen zu vieleGemeinsamkeiten. Einen Ein-druck davon bietet die Ausstel-

lung in ihrem zweiten Teil.Die Frage nach gemeinsamen

ethischen Werten, Normen undMaßstäben der Religionen undphilosophischen Traditionensowie ihrer Bedeutung für dieheutige Zeit wurde zum erstenMal 1990 von Hans Küng imBuch „Projekt Weltethos“ vorge-legt. 1993 fand in Chicago einWeltparlament der Religionen

statt. Mehr als 6000 Menschenaus 250 Religionen und religö-sen Gruppen nahmen daran teil.Am letzten Tag verabschiedetedas Parlament die „Erklärungzum Weltethos“, die der DalaiLama und Hans Küng, als ersterPräsident (1995 bis 2013) derStiftung Weltethos unterschrie-ben haben. Obwohl sie von reli-giösen Menschen verfasst und

BRIXEN. Dass Hans KüngsThese „Kein Weltfriede ohneReligionsfriede“ gegenwärtighohe Relevanz besitzt, wirdbesonders deutlich, wennman den enormen Migrati-onsfluss von Menschen beob-achtet, die aus dem vom „Re-ligionskrieg“ heimgesuchtenSyrien nach Europa flüchten.

unterzeichnet worden ist, ver-steht sie sich nicht als ein religiö-ses, sondern las eine ethischesDokument.

Grundlage der Ausstellung istHans Küngs Multimedia-Projekt„Spurensuche. Die Weltreligio-nen auf dem Weg“ (1999), dasmit einer siebenteiligen Fern-sehreihe, einem bebildertenSachbuch und einer CD-ROM indiese Thematik einführt. Seitdem Jahr 2001 reist die Ausstel-lung in verschiedenen Sprachenund Versionen um die Welt. ImSommer 2014 wurde sie überar-beitet und von 12 auf 15 Tafelnerweitert.

# Eröffnung: Heute, 19 Uhr, FreieUniversität Bozen, Standort Brixen,Regensburger Allee 16, bis 30.Oktober. Zur Ausstellung gibt esauch eine Broschüre.

© Alle Rechte vorbehalten

Francesco Vezzoli –Gastkurator 2016

BOZEN. Francesco Vezzoli(im Bild oben und unten) istder Gastkurator des Jahres2016 im Museion für moderneund zeitgenössische Kunst inBozen. Am 29. Januar wird derKünstler dort das neue Aus-stellungsjahr mit zwei Projek-ten eröffnen. Als Gastkuratorsetzt sich Vezzoli mit derSammlung Museion ausein-ander. Als Künstler stellt er dieerste Retrospektive seinesbildhauerischen Werks vor.Beide Projekte tragen den Titel„Museum Museion“ und be-spielen alle Ausstellungsräu-me des Hauses.

Ironisch und exzentrisch

Francesco Vezzoli ist einer derinternational angesehenstenitalienischen Künstler. Iro-nisch und exzentrisch verwebter in seinen Arbeiten Vergan-genheit und Gegenwart. Ob essich um die Pop-Kultur, dasinternationale Starsystemoder das „System Kunstge-schichte“ handelt – der anar-chische Vezzoli liebt die De-konstruktion und die von in-nen ausgehende Sprengungvon Systemen. In Bozen stellter in seiner Eigenschaft als Ku-rator die erste thematischePräsentation der SammlungMuseion vor und setzt diese inBeziehung zu Meisterwerkender Kunstgeschichte. „Wirstellen Francesco Vezzoli un-ser Haus zur Verfügung undsetzen damit ein unmissver-ständliches Zeichen, das dieBereitschaft, uns selbst zu hin-terfragen und einzubringenunterstreicht. Indem er unsereSammlung mit der Vergan-genheit verkoppelt, entdecktVezzoli nicht nur ganz neueLesarten für diese Arbeiten –er befasst sich auch mit offe-nen und verborgenen Bezü-gen in der Kunst und mit über-holten Interpretationsrastern“,erklärt die Direktorin des Mu-seion Letizia Ragaglia.Francesco Vezzoli ist der vierteGastkurator im Museion undgestaltet damit – wie seineVorgänger – eine Themenaus-stellung. Seit 2012 übernah-men diese Aufgabe der aktuel-le Leiter der Kunst- und Aus-stellungshalle derBundesrepublik Deutschland,Rein Wolfs, die chinesischenKuratoren und Kritiker CarolYinghua Lu und Liu Ding so-wie der Direktor des Contem-porary Art Center in Bretigny(Frankreich), Pierre Bal-Blanc,der auch dem Kuratorenteamder documenta 14 angehört.Francesco Vezzoli (Brescia,1971) studierte von 1992 bis1995 an der Central St. Mar-tin’s School of Art in London.Seine Arbeiten wurden welt-weit in öffentlichen und priva-ten Kunsträumen gezeigt. ©

MUSEION

Chantal Akerman

PARIS (gro). Nun gehört sie zuden jung gebliebenen Toten.Chantal Akerman (im Bild) warschon in den 1970er Jahren eineFilmrebellin, und sie ist es ge-blieben bis zu ihrem Tod vor einpaar Tagen in Paris. Sie war da-bei, die Welt des Kinos zu verän-dern, als sie versuchte, die Hel-den des roten Teppichs auszu-tauschen mit den Heldinnen derArbeit. Immerhin hat sie mit ih-ren 40 Filmen die Kinoweltnachhaltig beeinflusst. 1975drehte sie einen Streifen über ei-ne Hausfrau in Brüssel, die ne-benbei als Hure arbeitete, umsich das Leben leisten zu kön-nen. „Jeanne Dilman, 23 quai duCommerce, 1080 Bruxelles“, dersperrige Titel des Films, mit demdie Belgierin in die Welt des Ki-nos zog. Die berühmte deutscheFilmkritikerin Frieda Grafe sahin diesem Film das Banale, wasgegen die Helden gewinnt. DieNew York Times bezeichnetendiesen Film als Schlüsselwerk fe-ministischer Filmkunst. Aker-man hat auch Literatur verfilmt,wie Marcel Proust und JosefConrad und wollte auch unter-halten. Ihr letzter Film wurdedieses Jahr in Locarno präsen-tiert, ein Porträt über ihre Mut-ter. Chantal Akerman: „Nichts istwahrscheinlich aber möglich.“Nicht einzuordnen, aber Filmge-schichte. ©

NACHRUFDer Schulraum als dritter PädagogeAUSSTELLUNG: Schulen bauen in Südtirol zwischen Architektur und PädagogikVON ANDREAS GOTTLIEB HEMPEL. ..................................................

FRANZENSFESTE. Seit den1970er Jahren hat die Landesre-gierung im Zuge der autonomenZuständigkeit ein umfangreichesSchulbauprogramm durchge-führt. Meist wurden die Entwürfeüber Wettbewerbe ermittelt, sodass eine hohe Architekturquali-tät entstand. Die neuesten Bau-ten werden in der Franzensfestevorgestellt.

Es ist eine Ausstellung vomFeinsten: Den Kuratoren Prof.Beate Weyland und Paolo Bellen-zier vom Schulressort ist es zu-sammen mit dem für die künstle-rische Gestaltung verantwortli-chen Thomas Sterna gelungen,eine Präsentation von hoher di-daktischer Qualität der neuestenSchulbauten in Südtirol vorzu-stellen. Jeder der einzelnen Räu-me im Obergeschoss der „Kultur-festung“ ist einem Projekt gewid-met. Jeweils wird eine langeTischplatte mit Plänen, Textenund Modell ergänzt durch eineständig laufende Videoschau, inder die Architektur der Schulevorgestellt wird und sich sowohlLehrpersonen als auch Schülermit ihren Erfahrungen zum päd-agogischen Konzept und zurräumlichen Atmosphäre äußern.Da muss man etwas Zeit mitbrin-gen – aber es ist kurzweilig, sehrinformativ und macht den Rund-gang spannend.

Neue pädagogische Konzeptehaben den klassischen Frontal-unterricht weitgehend aufgeho-ben. Die reine Anweisungslehreist von anderen Formen der Zu-sammenarbeit zwischen Schü-lern und Lehrern abgelöst wor-den, man spricht vom „flippedclassroom“, dem umgedrehtenUnterricht, in dem das angebote-

ne Wissen abgefragt und hinter-fragt werden kann. Es verstehtsich, dass für dieses neue Kon-zept die Architekten neue Raum-formen finden mussten – eineviel zitierte Weisheit der Schular-chitektur spricht vom Raum undseiner Atmosphäre als „drittemPädagogen“. Die alten Klassenfor-men in Längsausrichtung auf dendozierenden Lehrer haben alsoausgedient und neue Raumfor-men sind entstanden. Sie sind

meist transparent, öffnen sich zuden allgemeinen Flächen, die ih-re Ödnis als Flure verloren habenund zur Zusammenarbeit auchaußerhalb der Unterrichtsräumeanregen.

Die Entwicklung des in derAusstellung zu beobachtendenhohen Niveaus einer neuenSchularchitektur, die von den ge-wandelten pädagogischen Kon-zepten geprägt wird, ist auch demlangjährigen Leiter des Ressorts

für öffentliche Bauten, dem Ar-chiteken Josef March zu verdan-ken, der den Planungswettbe-werb als wichtigstes Instrumentund Garant für die bestmöglichearchitektonische Lösung einge-führt hat. Heute sind die Ergeb-nisse bereits Ziel zahlreicher Stu-dienreisen von Architekten ausdem Ausland geworden. Dasständige sich messen der Archi-tekten untereinander an den ver-schiedenen Planungsaufgabenhat maßgeblich zur Qualitätsstei-gerung beigetragen. Man kannnur wünschen, dass die öffentli-che Verwaltung sich weiterhindieses Instruments bedient, daseine hohe moderne Baukultur inSüdtirol entwickelt hat.

Im letzten Ausstellungsraumwerden die Planungen für künfti-ge Schulbauten gezeigt. Der Ein-druck entsteht, dass es auf demerreichten Niveau der bisher fer-tig gestellten Bauten weiter geht.

# Termin: „Schulen bauen inSüdtirol“ ist bis zum 30. 10. auf derFranzensfeste zugänglich. ©

Kultur

Auf 15 Schautafeln werden die 8 Weltreligionen und deren ethische Prinzipien erklärt: die Verpflichtung auf Gewaltlosigkeit, Gerechtigkeit, Wahrhaftigkeit und verantwortliche Partner-schaft.

„Eine Weltepoche, die anders als jedefrühere geprägt ist durch Weltpolitik,Welttechnologie, Weltwirtschaft undWeltzivilisation, bedarf eines Weltethos:Das heißt: eines Grundkonsens bezüglichverbindender Werte, unverrückbarerMaßstäbe und persönlicherGrundhaltungen.“

Hans Küng

Kindergarten Terenten (Feld 72)

Hannah Arendt Schule Bozen (C. Lucchin)

Fürstenburg Burgeis (W. Tscholl)