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Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main Seminararbeit Projekt: Europäische Rating-Agentur Chancen und Risiken Vorgelegt von: Thomas Schütz Mihai Susan Alpenroder Straße 34 Scheffelstraße 8 65936 Frankfurt a.M. 60318 Frankfurt a.M. Matrikelnr.: 3914986 Matrikelnr.: 4676142 Dozent: Prof. Dr. Mark Wahrenburg Seminarthema: Europäische Ratingagentur Bearbeitungszeit: 6 Wochen Abgabetermin: 05.06.2012

European Rating Agency

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Page 1: European Rating Agency

Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main

Seminararbeit

Projekt: Europäische Rating-Agentur Chancen und Risiken

Vorgelegt von:

Thomas Schütz Mihai Susan

Alpenroder Straße 34 Scheffelstraße 8

65936 Frankfurt a.M. 60318 Frankfurt a.M.

Matrikelnr.: 3914986 Matrikelnr.: 4676142

Dozent: Prof. Dr. Mark Wahrenburg

Seminarthema: Europäische Ratingagentur

Bearbeitungszeit: 6 Wochen

Abgabetermin: 05.06.2012

Page 2: European Rating Agency
Page 3: European Rating Agency

I

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis ................................................................................ II

Abbildungsverzeichnis ................................................................................ III

1. Einleitung .................................................................................................. 1

1.1 Die Forderung nach einer europäischen Ratingagentur .......................................... 1

1.2 Ablauf der Untersuchung ........................................................................................ 2

2. Allgemeine Betrachtung und Grundlagen ................................................ 3

2.1 Einführung: Der Ratingmarkt ................................................................................. 3

2.2 Oligopol .................................................................................................................. 4

2.3 Eintrittsbarrieren ..................................................................................................... 5

2.4 Kulturelle Unterschiede .......................................................................................... 6

2.5 Interessenkonflikte .................................................................................................. 7

2.6 Regulierung von Ratingagenturen........................................................................... 8

2.7 Finanzierungsalternativen einer European Rating Agency ..................................... 9

3. Kritische Würdigung der Pläne der Beraterfirma Roland Berger .......... 11

3.1 Roland Berger: European Rating Agency ............................................................. 11

3.2 Gewinnmaximierung vs. Stiftungsmodell ............................................................. 12

3.3 Transparenz als Unique Selling Proposition ......................................................... 12

3.4 Rückkehr zum Investor-based Bezahlsystem........................................................ 13

3.5 Haftbarkeit............................................................................................................. 15

3.6 Case-Study: Egan Jones Rating Company ............................................................ 16

4. Fazit mittels Strengths-Weaknesses-Opportunities-Threats-Analyse .... 18

Literaturverzeichnis: ................................................................................... 22

Page 4: European Rating Agency

II

Abkürzungsverzeichnis

CRA: Credit Rating Agency

ERA: European Rating Agency

ESMA: European Securities and Markets Authority

IRB: Interne Risikobewertung

NRSRO: Nationally recognized statistical rating organization

PIT: point-in-time

SEC: Security and Exchange Commission

SolvV: Solvabilitätsverordnung

SWOT: Strengths, Weaknesses, Opportunities, Threats

TTC: through-the-cycle

Page 5: European Rating Agency

III

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Moody's Ratingskala ................................................................................... 3

Abbildung 2: Marktanteile der Rating-Agenturen ............................................................ 5

Abbildung 3: SWOT-Analyse ......................................................................................... 21

Page 6: European Rating Agency

1. Einleitung

1.1 Die Forderung nach einer europäischen Ratingagentur

Kaum eine Woche vergeht, in der nicht eine der 3 großen Ratingagenturen Moody's,

Standard & Poor's oder Fitch Ratings mit einem neuen Rating-Update an die internatio-

nalen Märkte herantritt, diese teils kurzfristig, teils nachhaltig beeinflusst und so für

überdurchschnittliche Kursausschläge sorgt.

Die drei großen Agenturen verfügen über einen Marktanteil von weit über 90%,

wodurch immer wieder Kritik an dieser Form des Oligopols in der Ratingbranche laut

wird. Vor allem im Vorfeld der Finanzkrise im Jahr 2008 wirft man den "Big Three"

schwere Versäumnisse vor, indem man Finanzderivate, vor allem minderwertige Hypo-

thekenpapiere, ungeachtet der aufkommenden Risiken eines Zahlungsausfalls weiterhin

mit guter Bonität bedacht habe und die Finanzblase insbesondere auf dem Immobilien-

markt somit mitgetrieben habe.1

Auch in der derzeit vorherrschenden EU-Schuldenkrise sehen sich Moody's, S&P und

Fitch Ratings speziell aus europäischen Finanz- und Politkreisen immer wieder mit hef-

tiger Kritik und den Vorwürfen konfrontiert, man verschärfe die aktuell prekäre und

volatile Lage auf den internationalen, besonders aber europäischen Finanzmärkten noch

zusätzlich mit dem plötzlichen Herabstufen der Bonität der krisengeplagten Euroländer

bzw. deren Staatsanleihen und man würdige die Anstrengungen der europäischen Poli-

tik hinsichtlich einer Stabilisierung nicht in ausreichendem Maße.2

Europäische Spitzenpolitiker und Finanzexperten führen diese Versäumnisse als auch

die Marktkonzentration auf dem Ratingmarkt in den USA und den daraus resultierenden

fehlenden Wettbewerb als Argumente auf, die Gründung einer europäischen Ratinga-

gentur als Gegengewicht zu den in den USA ansässigen Agenturen zu initiieren und

versprechen sich davon eine größere Meinungsvielfalt und somit ein ausgewogenes Ge-

füge auf dem Ratingmarkt und eine Rückkehr zur Informationsdienstleistung.3

1 STROBL, Günter / XIA, Han: The Issuer-Pays Rating Model and Ratings Inflation: Evidence from Cor-

porate Credit Ratings, S.1; o.V.: Marktanteile der Ratingagenturen. 2 LINDNER, Fabian: Wie Ratingagenturen die Eurokrise verschärfen.

3 Bundesverband deutscher Banken: Was nützt eine europäische Rating-Agentur?

Page 7: European Rating Agency

2

1.2 Ablauf der Untersuchung

In dieser Seminararbeit zum Thema "Europäische Ratingagentur" werden wir zunächst

ausarbeiten, was den Markt der Ratingagenturen aktuell und in jüngster Vergangenheit

auszeichnet, um dann die Realisierbarkeit und Sinnhaftigkeit einer neugegründeten eu-

ropäischen Ratingagentur kritisch zu hinterfragen. Des Weiteren werden wir im Einzel-

nen aufzeigen, welche Voraussetzungen für einen erfolgreichen Markteintritt erfüllt

werden müssen – als auch beleuchten, ob es hier Sinn macht, diese Neugründung als

Gegenpol zu S&P, Moody's und Fitch Ratings zu sehen und zu etablieren.

In der Folge werden wir eine Antwort auf die Frage suchen, ob dieses Projekt "Europäi-

sche Ratingagentur" das Potential besitzt, die an sie gestellten hohen Erwartungen zu

erfüllen, um abschließend die Erfolgsaussichten der von der Unternehmensberatung

"Roland Berger" bereits in die Wege geleiteten Anstrengungen mit dem Ziel, eine pri-

vatwirtschaftlich finanzierte europäische Ratingagentur ins Leben zu rufen, mittels einer

SWOT-Analyse zu beurteilen.

Page 8: European Rating Agency

3

2. Allgemeine Betrachtung und Grundlagen

2.1 Einführung: Der Ratingmarkt

Um die Problematik zu verstehen, die auf eine neu geschaffene Ratingagentur am Markt

zukommen würden, ist es zunächst notwendig zu verstehen, was eine Ratingagentur

leisten kann und welche Erwartungen die Öffentlichkeit hinsichtlich ihrer Arbeit hat.

Eine Ratingagentur (engl.: Credit Rating Agency) ist ein Dienstleistungsunternehmen,

das dafür bezahlt wird, die Kreditwürdigkeit von Wertpapieren, Staaten und Unterneh-

men zu bewerten und diese in „investment grade“ oder „non-investment grade“ zu un-

terteilen. Der Auftraggeber eines Ratings ist im „investor-based“-Modell ein möglicher

Investor des zu bewertenden Produkts oder aber im „issuer-based“-Ansatz der Emittent

des Produktes. Im Klartext bedeutet das, die Agentur sammelt gewerbsmäßig alle not-

wendigen Informationen aus Geschäftsberichten und Geschäftsinterna aus Gesprächen

mit dem Vorstand, um ein möglichst objektives und unabhängiges Bild des Risikos ei-

nes Zahlungsausfalls zu ermitteln und versieht diese Einschätzung mit einer Note – be-

ginnend mit AAA bzw. Aaa für die beste Bonität bis hin zu D für den sicheren Zah-

lungsausfall (Abbildung 1).

Abbildung 1: Moody's Ratingskala4

4 Moody’s Investor Service: Moody’s Rating Symbols & Definitions, S.10.

Page 9: European Rating Agency

4

Diese Noten nehmen insofern erheblichen Einfluss auf die internationalen Finanzmärk-

te, als sie für Investoren als Anhalts- bzw. Ausgangspunkt für ein anstehendes Invest-

ment herangezogen werden. Wird nun bspw. die Bonität der Staatsanleihen eines Staa-

tes in der Ratingskala herabgestuft, werden Investoren mit großer Wahrscheinlichkeit

bei der nächsten Anleihenauktion wegen des gestiegenen Ausfallrisikos - indiziert durch

die Herabstufung - eine höhere Rendite fordern. 5

Im Fokus internationaler Finanzmärkte stehend, tragen die Ratingagenturen eine enorme

Verantwortung, der sie im Optimalfall mit der erforderlichen Unabhängigkeit und Ob-

jektivität begegnen. Die eigentliche Macht der Ratingagenturen beziehen diese aber aus

der gesetzlichen Legitimation; so akzeptiert die Europäische Zentralbank bspw. neben

den drei führenden nur die kanadische DBRS als Credit Rating Agency.6

Auch in den USA ist die Regulierung von Finanzinstituten, wie z.B. Versicherungsun-

ternehmen eng an Bonitätsempfehlungen der großen Ratingagenturen gekoppelt, so

verbietet das US-Finanzministerium bspw. den Banken das Investment in „non-

investment grade“ Bonds. Eine weitere regulative Verankerung der Ratingagenturen

findet in Europa auch im Rahmen des Kreditrisiko-Standardansatzes aus Basel II in Be-

zug auf die Eigenkapitalhinterlegung der Banken statt. Es legitimiert die anerkannten

Ratingagenturen als regulative Institution zur Risikobewertung bei Banken, welche

nicht über ein internes Risikobewertungssystem verfügen (IRB-Ansatz).7

2.2 Oligopol

Die Wettbewerbssituation auf dem Ratingmarkt gleicht einem Oligopol mit 3 Anbie-

tern; während S&P und Moody's jeweils etwa 40% des Marktes bedienen, erreicht die

dritte große Agentur Fitch Ratings etwa 15% des Marktanteils, andere Ratingagenturen,

die auf dem Markt auch in Europa präsent sind, verlieren angesichts dieser Marktkon-

zentration an Bedeutung und konzentrieren sich auf Nischenprodukte (Abbildung 2).8

5 KOCH, Wolfgang / WEGMANN, Jürgen: Praktiker-Handbuch Rating, S.9, S.17; RICHTER, Franziska:

Ratingagenturen und Entwicklungsländer, S.1-2. 6 RICHTER, Franziska: Ratingagenturen und Entwicklungsländer, S.3; ESMA: List of registered and cer-

tified CRA's. 7 RICHTER, Franziska: Ratingagenturen und Entwicklungsländer, S.2; XIA, Han: The Issuer-Pay Rating

Modell and Rating Inflation: Evidence from Corporate Credit Ratings, S.13 8 o.V.: Marktanteile der Ratingagenturen; RICHTER, Franziska: Ratingagenturen und Entwicklungs-

länder, S.3.

Page 10: European Rating Agency

5

40%

40%

15%

5%

Moody's

S&P

Fitch

Sonstige

Abbildung 2: Marktanteile der Rating-Agenturen9

In der Ökonomie bezeichnet man eine Marktkonzentration auf wenige Anbieter als Oli-

gopol; es birgt immer das Risiko der Kollusion unter den Kontrahenten und dies zum

Nachteil der Konsumenten. Eine Kollusionslösung bezeichnet das Modell eines Oligo-

pols, in dem die Anbieter ihre Handlungen unerlaubter Weise so miteinander koordinie-

ren, dass sie ein Maximalergebnis hinsichtlich des Gewinns der Branche erzielen. Über-

trägt man diesen Gedankengang aus der Mikroökonomie auf den zu betrachtenden Ra-

tingmarkt, besteht hier die Gefahr einer Absprache unter den Agenturen mit dem Ziel

ein homogenes Bild von Ratings zu liefern, um sich nicht für kontradiktorische Ergeb-

nisse rechtfertigen zu müssen vor dem Hintergrund einer Öffentlichkeit, die den Ratin-

gagenturen spätestens seit der Finanzkrise 2008 mit Argwohn begegnet. Diese möglich-

erweise vorherrschende Gleichgewichtung torpediert den gerade auf dem bedeutenden

Gebiet der Bonitätsbewertung erwünschten regen Wettbewerb, um ein möglichst objek-

tives Bild zu für die Ausgestaltung eines funktionalen Risiko-Managementsystems zu

ermöglichen.

2.3 Eintrittsbarrieren

Gleichwohl handelt es sich hierbei um ein sehr stabiles Oligopol – nur die über jahre-

lange Erfahrung und Praxis auf dem Gebiet verfügenden „Big Three" weisen die not-

wendige Reputation auf, die es Investoren und Gläubigern gleichermaßen erlaubt, hier

Ratings in Auftrag zu geben, die allgemein akzeptiert und anerkannt sind. 10

9 Bundesverband deutscher Banken: Marktanteile am globalen Rating-Markt.

10 DR. SCHROOTEN, Mechthild: Europäische Rating-Agentur – Zweck und Optionen, S.1.

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6

Vor dem Hintergrund der Bedeutung von Verbund- und Skaleneffekten, der über Jahr-

zehnte etablierten Reputation und dem Vorteil langjähriger Erfahrung wird deutlich,

dass der Markt von erheblichen Markteintrittsbarrieren gekennzeichnet ist und sich der

Markteintritt einer europäischen Ratingagentur ohnehin schwierig gestalten würde.11

Des Weiteren ist eine staatliche Zulassung als Ratingagentur für den Erfolg auf dem

Markt zwingend erforderlich, um von Emittenten und Investoren überhaupt wahrge-

nommen zu werden. In den USA kommt diese Aufgabe seit 1975 der Wertpapierbehör-

de SEC zu, welche den Agenturen den Titel „Nationally Recognized Statistical Rating

Organization“ vergibt, in der Europäischen Union attestiert die ESMA eine „Credit Ra-

ting Agency“ nach Erfüllung der Auflagen. Auffällig ist hierbei zu betrachten, dass so-

wohl in den USA als auch der EU neben den großen drei Agenturen nur wenige andere

die staatliche Anerkennung erfahren, ohne die sich ein Institut in Sachen Kundenakqui-

se sehr schwer tut.12

Speziell die USA betreffend fällt auf, dass die US-Wertpapieraufsicht die rechtlich er-

forderliche Anerkennung als NRSRO bis 2006 sehr restriktiv handhabte und so den

Marktzutritt für potentielle Wettbewerber zusätzlich erschwerte. 13

2.4 Kulturelle Unterschiede

Im Rahmen der EU-Schuldenkrise werden auch Stimmen laut, die hinter aktuellen Her-

abstufungen von Griechenland, Spanien, Italien & Co. eine Verschwörung gegen die

Euro-Zone sehen. Man wirft den beiden größten Agenturen mit Verankerung und somit

Fokus in den USA eine einseitige, angelsächsische Betrachtungsweise vor, man spricht

hier vom sogenannten „Home-Bias“. Auch diese Kritik verliert an Stichhaltigkeit in

Anbetracht der Tatsache, dass die US-amerikanischen Agenturen zwar ihre Wurzeln

und das Kerngeschäft nach wie vor in den USA haben, aber als Konsequenz aus der

Globalisierung und Vernetzung internationaler Finanzmärkte längst lokal ansässige Ex-

perten und Analysten angestellt haben. So verfügt Moody’s bspw. weltweit über ca.

6100 Mitarbeiter in 28 Ländern, darunter auch in zahlreichen Staaten der EU, die sich

11

WHITE, Lawrence J.: Markets – The Credit Rating Agencies, S.217f. 12

Committee of European Banking Supervisors: Guidelines on the recognition of External Credit As-

sessment Institutions, S.1; XIA, Han: The Issuer-Pay Rating Modell and Rating Inflation: Evidence

from Corporate Credit Ratings, S.7-8; Roland Berger: The European Rating Agency Project – Tak-

ing global markets further, S.22. 13

RICHTER, Franziska: Ratingagenturen und Entwicklungsländer, S.3.

Page 12: European Rating Agency

7

aufgrund der lokalen Spezialisierung im jeweiligen Wirtschaftsrecht auskennen und re-

gionale Besonderheiten in ihren Empfehlungen berücksichtigen.14

2.5 Interessenkonflikte

Im Zusammenhang mit der Finanzkrise wurde der Begriff des "Rating-Shoppings" ge-

prägt, der den gezielten Einkauf einer guten Bonität durch den Auftraggeber bezeichnet.

Die Ratingagentur erhält den Zuspruch eines Mandanten für einen Auftrag nur im Falle

eines positiven Ratings – kann die Agentur hiermit nicht dienen, entziehe man ihr den

Auftrag und erteile diesen der Konkurrenz. Aufgrund der Tatsache, dass eine Veröffent-

lichung einer Bewertung nur mit Zustimmung des Auftraggebers erfolgen kann, ergibt

sich die Möglichkeit, verschiedene Agenturen gegeneinander auszuspielen und somit

das bestmögliche Rating zu erwirken. Gleichzeitig habe eine Agentur einen Anreiz, sich

über die Verteilung guter Ratings Aufträge zu sichern. Dieser Interessenkonflikt wird

überhaupt erst durch die Tatsache ermöglicht, dass die Auftraggeber für eine Bonitäts-

prüfung bislang zumeist die Emittenten (also die Banken) sind, welche großes Interesse

an einer möglichst positiven Bewertung von z.B. Anleihen haben, um in der Konse-

quenz geringere Renditezahlungen leisten zu müssen. Man spricht hier vom „issuer-

pays-model“.15

So kommt es im Vorfeld der Finanzkrise auf Druck großer Investmentbanken, die zu

den Hauptkunden der Ratings zählen und somit für die Agenturen von erheblicher fi-

nanzieller Bedeutung sind, zu überfreundlichen Ratings von Finanzinstrumenten, die

sich später als toxische Papiere erweisen, um das Mandat nicht an die Konkurrenz zu

verlieren. Insbesondere für kleinere Agenturen zeigt sich ein Anreiz, eine tendenziell

bessere Bewertung abzugeben, um Mandanten zu gewinnen.16

14

HARBRECHT, Erich / WIELAND, Martin / ELSAS, Ralf / SCHNECK, Ottmar: Ist eine europäische

Ratingagentur sinnvoll, und wie sollte sie organisiert sein?, S.4; Roland Berger: The European Ra-

ting Agency Project – Taking global markets further, S.7; Moody’s Corporation: Moody’s Annual

Report 2011, S.5. 15

RICHTER, Franziska: Ratingagenturen und Entwicklungsländer, S.2; XIA, Han: The Issuer-Pay Rating

Modell and Rating Inflation, S.10-11; Lawrence J. White: Markets – The Credit Rating Agencies,

S.214ff; SKRETA, Vasiliki / VELDKAMP,Laura: Ratings Shopping and Asset Complexity: A The-

ory of Ratings Inflation, S.1. 16

HARBRECHT, Erich / WIELAND, Martin / ELSAS, Ralf / SCHNECK, Ottmar: Ist eine europäische

Ratingagentur sinnvoll, und wie sollte sie organisiert sein?, S.4;. UTZIG, Siegfried: The Financial

Crisis and the Regulation of Credit Rating Agencies: A European Banking Perspective, S. 3; RICH-

TER, Franziska: Ratingagenturen und Entwicklungsländer, S.1.

Page 13: European Rating Agency

8

Die Praxis dieser kurzfristigen Gewinnmaximierung müsse im Trade-Off mit einem

langfristigen Reputationsverlust gesehen werden. Lange Zeit bestand im Reputations-

verlust aber keine abschreckende Gefahr für die Anbieter, um diese zu mehr Objektivi-

tät und Unabhängigkeit zu erziehen, da es für die Mandanten schlichtweg keine Alterna-

tiven zu den großen drei Agenturen gab. Schließlich stehen S&P, Moody’s und Fitch

Ratings nach schweren Verfehlungen im Rahmen der Finanzkrise immer noch als

Marktführer im Fokus internationaler Finanzmärkte. Ein weiterer Interessenkonflikt im

„issuer-pays-„Gefüge bestand darin, dass Ratingagenturen Emittenten beim Design

strukturierter Finanzprodukte unterstützend berieten, es im Anschluss dann also dazu

kam, dass die Agentur die von ihr selbst entworfenen Produkte bewertete. Diese Form

der Kooperation sollte konsequenter Weise verboten werden.17

2.6 Regulierung von Ratingagenturen

Als Konsequenz aus den Lehren der Finanzkrise hat man bereits begonnen, die Arbeiten

der Ratingagenturen im Rahmen von Basel II, den Bankenrichtlinie 2006/48/EG (Art.

81-83) und auf nationaler Ebene in §41 des Solvabilitätsverordnung (SolvV) zu regulie-

ren und auch in den USA reagierte man mit einer stärkeren Regulierung der NRSRO.18

So gestatten die Richtlinien von Basel II bspw. im Kreditrisiko-Standardansatz nur den

Zugriff auf Ratings externer Ratingagenturen, welche von der nationalen Bankenauf-

sicht als solche anerkannt sind. Anforderungen an Ratingagenturen im Anerkennungs-

prozess sind Objektivität, Unabhängigkeit, Internationale Zugänglichkeit/Transparenz,

Offenlegungspflicht, ausreichende Ressourcen und Glaubwürdigkeit. Gleichzeitig ist im

IRB-Ansatz aber auch die Verwendung interner Bewertungsmechanismen zur Risiko-

bewertung bei der Kreditvergabe zulässig bei Hinterlegung einer entsprechenden Ei-

genkapitalquote, die u.a. in Abhängigkeit einer Ausfallwahrscheinlichkeit und der Höhe

des Kredits bei Ausfall errechnet wird. Diese Möglichkeit senkt das Interesse großer Fi-

nanzinstitute an der Gründung einer ERA, da sie gemäß Basel II auch weiterhin interne

Ratings durchführen können und das vermutlich weniger kostenintensiv. Die Expertise

17

Dr. Markus Krall: Establishing a regulatory framework to enable investor-based payment model for rat-

ings, S.5; DEB, Pragyan / MURPHY, Gareth: Credit Rating Agencies: An Alternative Model, S. 9. 18

Deutsche Bundesbank: Basel II – Kreditrisiko Standardansatz: Externes Rating; Bundesministerium für

Justiz: Verordnung über die angemessene Eigenmittelausstattung von Instituten, Institutsgruppen

und Finanzholding-Gruppen (Solvabilitätsverordnung – SolvV); UTZIG, Siegfried: The Financial

Crisis and the Regulation of Credit Rating Agencies: A European Banking Perspective, S. 12ff.

Page 14: European Rating Agency

9

ist auf dem Markt also bereits vorhanden – vermutlich ein Grund, warum das Projekt

ERA von den erhofften Investoren zunächst mit Zurückhaltung begutachtet wurde. 19

Der Nachteil dieser internen Ratings hingegen ist, dass sie keine detaillierten Ergebnisse

verraten, somit kaum transparent sind und für das bewertete Unternehmen dadurch nicht

über die Kreditvergabe mit der Bank hinaus von Nutzen sind. Der Grundgedanke eines

externen Ratings, das im ursprünglichen Sinne unabhängig von geschäftspolitischen

Zielen sein soll, indem sie die Bonitätsbewertung eines Finanzpapiers in eine andere,

außen stehende Instanz als die Emission auslagert, ist nachvollziehbar und vom Prinzip

her vollkommen richtig, weshalb dies kein Argument gegen die Gründung einer ERA

darstellen darf. 20

2.7 Finanzierungsalternativen einer European Rating Agency

Des Weiteren stellt sich die Frage nach der Finanzierung eines solchen Projekts. Die ak-

tuelle Schuldenkrise einiger Eurostaaten veranschaulicht, warum eine staatliche Beteili-

gung in der derzeitigen Lage keine Option darstellen kann. Die Nähe zum Staat und

somit zur europäischen Politik würden sofort Zweifel an der Unabhängigkeit einer sol-

chen neuen Ratingagentur aufwerfen – die durch Ratingagenturen zugesprochene Boni-

tät eines Staates hat nachweislich Einfluss auf die zu zahlende Rendite auf Staatsanlei-

hen und somit auf die Kreditkosten für einen Staat; folglich bestünde infolge dieses po-

litischen Interessenkonflikts immer die Gefahr des Versuchs der Einflussnahme seitens

der Politiker. Es sei wahrscheinlich, dass das Wissen um die Existenz eines solchen In-

teressenkonflikts potentielle Kunden einer solchen Agentur abschrecke, selbst wenn

man die Einflussnahme rein rechtlich durch die Nichtbeachtung bei der Vergabe von

Stimmrechten demonstriere. Der Markt ist seit der Finanzkrise sensibilisiert für Interes-

senkonflikte und reagiert mit starkem Misstrauen beim geringsten Verdacht einer Be-

fangenheit. 21

19

Bundesbank: Basel II – Die neue Baseler Eigenkapitalvereinbarung; Bundesbank: Übersicht über Insti-

tute in Deutschland mit Zulassungen zur Nutzung aufsichtlicher Modelle zur Ermittlung der An-

rechnungsbeträge für das Adressrisiko, das Marktrisiko sowie das operationelle Risiko (Stand:

31.12.2011); o.V.: IRB-Ansatz zur Bewertung des Risikos von Kreditausfällen. 20

KOCH, Wolfgang / WEGMANN, Jürgen: Praktiker Handbuch Rating, S.18. 21

BECK, Hanno / WIENERT, Helmut: Brauchen wir eine europäische Ratingagentur? – Funktionsprob-

leme des Rating-Marktes und ein alternativer Lösungsvorschlag, S. 468, DR. SCHROOTEN,

Mechthild: Europäische Rating-Agentur – Zweck und Optionen, S.1-2.

Page 15: European Rating Agency

10

Des Weiteren zeigt die Geschichte der nationalen Unternehmenskultur, dass die staatli-

che Unterstützung eines Unternehmens im Wettbewerb zwei Konsequenzen mit sich

bringt: Zum einen mindere eine staatliche Daseinsgarantie die Effizienzbestrebungen

eines Unternehmens, zum anderen behindert eine vom Steuerzahler finanzierte Ratinga-

gentur einen fairen Wettbewerb. Das Problem erweist sich nun darin, dass das staatliche

Rating zwar mit großer Wahrscheinlichkeit das unabhängigere Urteil darstellt, deshalb

aber aufgrund fehlender Anreize zur effizienten und gewissenhaften Ratinganalyse nicht

zwingendermaßen das qualitativ bessere Produkt darstellt. Unserer Auffassung ist auch

das nicht erstrebenswert, vielmehr befürworten wir einen breiten Wettbewerb mit einer

ausgeprägten Meinungsvielfalt in Sachen Ratings. 22

Aber auch eine privatwirtschaftlich finanzierte Neugründung ist nicht frei von An-

reizproblemen, denn hier ergibt sich dieselbe Problematik wie im bereits bestehenden

Oligopol; die Gewinnmaximierung rückt in den Mittelpunkt der Tätigkeit und kann, wie

das Beispiel der Finanzkrise zeigt, genauso Interessenkonflikte begünstigen. Dennoch

befürworten wir eine private Finanzierung, weil sie die größten Anreize für die Trim-

mung auf Wettbewerbsfähigkeit und somit einen effizienten, effektiven und akkuraten

Ratingprozess setzen, nur so kann sich ein privatfinanziertes Unternehmen am Markt

durchsetzen. Diese These sehen wir in der Privatisierung einer Vielzahl öffentlicher

Einrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland, die zum einen die Entlastung des

Haushalts, aber zum anderen auch die Förderung einer Wettbewerbskultur gemäß der

Grundsätze einer Sozialen Marktwirtschaft zum Ziel haben, bestätigt. 23

22

DEB, Pragyan / MURPHY, Gareth: Credit Rating Agencies: An Alternative Model, S.8-9. 23

ERDMEIER, Peter: Die Privatisierung von Unternehmensbeteiligungen des Landes Berlin seit der

Wiedervereinigung, S.31-32; Ebenda, S.112ff; XIA, Han: The Issuer-Pay Rating Modell and Rating

Inflation, S.12.

Page 16: European Rating Agency

11

3. Kritische Würdigung der Pläne der Beraterfirma Roland Berger

3.1 Roland Berger: European Rating Agency

Die Geschichte einer europäischen Ratingagentur beginnt nicht erst mit der aktuellen

Diskussion im Rahmen der EU-Schuldenkrise. Bereits im Jahr 1988 entsteht unter der

Schirmherrschaft der Deutschen Bank und der Börsenzeitung eine Initiative zur Grün-

dung einer europäischen Ratinggesellschaft, welche 1991 dann in der "Projektgesell-

schaft für Europäisches Rating mbH" mündet. Trotz des Versuchs durch einen Streube-

sitz von mehr als einhundert beteiligten, international ansässigen Unternehmen mögli-

chen Interessenkonflikten vorzubeugen, scheitert die Unternehmung unter anderem,

weil einer der Geschäftsführer von der Deutschen Bank gestellt wird und in Folge des-

sen Zweifel an der Unabhängigkeit aufkommen. 24

In einem neuerlichen Versuch, dieses Projekt anzugehen, hat die Beraterfirma Roland

Berger im Juli 2011 mit der Vorlage eines Konzepts zur Gründung einer European Ra-

ting Agency bei der EU-Kommission vorgesprochen. Zum Start der Agentur betreibt

die Firma Berger bereits ein Fund-Raising mit dem Zielvolumen von 300Mio €, was

zunächst allerdings bei weitem nicht erreicht werden konnte. Man erhofft sich hier die

Unterstützung und Beteiligung von französischen und deutschen Großbanken, die aus

der Finanzkrise der Jahre 2008/2009 alle deutlich geschwächt hervorgingen und somit

möglicherweise großes Interesse an einer Europäischen Rating-Agentur hätten und lehnt

eindeutige staatliche Bezuschussung ab. Einer Pressmitteilung zufolge mache Roland

Berger nun Fortschritte in Sachen Finanzierung und die Umsetzung des Projekts unter

der Leitung von Roland Berger-Partner und zukünftigem CEO der Gesellschaft Dr.

Markus Krall rücke näher, sodass bereits im kommenden Jahr die Kreditwürdigkeit ers-

ter Länder und Unternehmen erfolgen könne. Des Weiteren beschränkt sich Roland

Berger hinsichtlich der Investoren nicht mehr ausschließlich auf Finanzinstitute; soge-

nannte „unconflicted investors“ könnten neben der Investition in die Stiftung auch di-

rekt Anteile an der ihr unterstehenden GmbH erwerben, während die Beteiligung der

24 BORCHERS, Christopher: Aufsichtsfunktionen in privater Hand – Rolle und Bedeutung von Rating-

Agenturen, S.9-10.

Page 17: European Rating Agency

12

Banken aus dem Fund-Raising nur einen Anteilserwerb an der Stiftung vorsieht, um die

Einflussnahme auf das operative Geschäft der GmbH zu verhindern. 25

3.2 Gewinnmaximierung vs. Stiftungsmodell

Die Beraterfirma Roland Berger beschreibt in ihrem Businessmodell, dass die kommer-

zielle Ausrichtung und somit die Gewinnmaximierung der Agenturen Moody's, Fitch

Ratings und S&P die Voraussetzung für die Finanzkrise bildeten und man somit von

diesem Streben abkehren müsse bei einer neuen Agentur. 26

Das Konzept sieht zu diesem Zweck eine staatlich unabhängige Ratingagentur mit Stif-

tungscharakter vor, die nicht gewinnorientiert, sondern lediglich kostendeckend arbeite.

Der Stiftung unterstehe eine GmbH, die das operative Geschäft führe und zwar gewinn-

orientiert arbeite, erwirtschaftete Überschüsse würden allerdings lediglich zur Dividen-

denausschüttung und für Forschungsprojekte verwandt, sodass eine Kommerzialisie-

rung und Gewinnmaximierung nicht vorherrsche. 27

Wir glauben jedoch, dass in der Gewinnmaximierung an sich nicht der Ursprung der

systematischen Überbewertung von Finanzderivaten im Vorfeld der Finanzkrise liegt.

Gewinnstreben sorgt auf Märkten für Effizienz und auch für Innovation und Wettbe-

werb, auch auf dypolistischen Märkten wie bspw. in der Luftfahrt, wo Boeing und Air-

bus miteinander konkurrieren. Vielmehr sehen wir in der Anfälligkeit der Branche für

Interessenkonflikte kombiniert mit der Intransparenz die Gründe für das Branchenver-

sagen. Der Auftraggeber eines Ratings muss sich mit einer Endnote zufrieden geben, die

tatsächlich nur wenig Aussagekraft bietet.28

3.3 Transparenz als Unique Selling Proposition

Die angewandten Methoden zur Ermittlung der Bonität gelten als Betriebsgeheimnis,

was die Bewertungen für betroffene Investoren als nicht nachvollziehbar gestaltet. Ge-

nau damit könnte eine mögliche europäische Ratingagentur punkten – ein Plus an

25

Roland Berger: The European Rating Agency Project – Taking global markets further, S.18; Roland

Berger: Die ersten Realisierungsschritte der von Roland Berger initiierten global tätigen Ratingagen-

tur europäischen Ursprungs stehen unmittelbar bevor; Roland Berger Proposal: Proposal for a Euro-

pean rating agency. 26

Roland Berger: The European Rating Agency Project – Taking global markets further, S.8. 27

Ebenda, S.18. 28

KIRSTEIN, Roland / SCHMIDTCHEN, Dieter: Wie die "unsichtbare Hand" funktioniert: Gewinnma-

ximierung als Triebfeder der Effizienz. Ein "classroom-experiment”.

Page 18: European Rating Agency

13

Transparenz in den Bewertungsverfahren könnte von Beginn an für die Glaubwürdig-

keit sorgen, mit der Moody's, Fitch und S&P insbesondere seit der Finanzkrise zu

kämpfen haben. 29

Auf diese Weise ermöglicht man die Nachvollziehbarkeit der Ratings und mindert die

Informationsasymmetrie zwischen Geldgeber und Schuldner. In der angestrebten

Transparenz der Ratings, welche der Businessplan von Roland Berger vorsieht, sehen

auch wir ein weiteres Alleinstellungsmerkmal; indem man verwandte Input-Daten, Me-

thoden und Ergebnisse im Internet publiziert, erwirbt man die erforderliche Glaubwür-

digkeit, mit der Moody's & Co in der aktuellen Diskussion um Ratings zu kämpfen ha-

ben. Auch hätten diese öffentlich zugänglichen Informationen – anders als bei internen

Ratings- den Vorteil, dass ein derart bewertetes Unternehmen immer darauf zurückgrei-

fen könne bei der Kreditsuche. 30

3.4 Rückkehr zum Investor-based Bezahlsystem

Vorhandene Interessenkonflikte und hohe Markteintrittsbarrieren, die zu einem zweifel-

haften Wettbewerb auf dem Rating-Markt führen, veranlassen die Firma Berger zur

Forderung nach der gesetzlichen Implementation einer zentralen Plattform, auf der ver-

pflichtend alle im Ratingprozess verwendeten Daten und Resultate veröffentlicht wer-

den. Benötigt ein Investor ein Rating, könne er sich dann an diese Plattform wenden

und es geschehe eine Art Ausschreibung; in Folge dessen führen alle an diesem Auftrag

interessierten Agenturen ein Rating durch. Im Anschluss könnten die Investoren dann

auf Basis einer Qualitäts- und Plausibilitätsüberprüfung selbst entscheiden, welcher Ra-

tingagentur sie den Zuschlag geben – schließlich soll das Rating Basis einer Investmen-

tentscheidung sein - und diese erhält dann die entsprechenden Einnahmen, was einen in-

tensiven Wettbewerb unter den Agenturen stärke. Bedingt durch die Tatsache, dass eine

jede interessierte Agentur ihre Ergebnisse veröffentlichen müsste und somit ein Ver-

gleich ermöglicht werde, würde eine systematische Überbewertung der Produkte eines

konkreten Emittenten auch schnell eine Befangenheit offenlegen. Zusätzlich würde eine

gesetzlich durchgesetzte branchenweite Ablösung des „issuer-pays“-Gefüges durch ei-

29

o.V.: Ablauf des Ratingprozesses. 30

KOCH, Wolfgang / WEGMANN, Jürgen: Praktiker Handbuch Rating, S.18; Roland Berger: The Euro-

pean Rating Agency Project – Taking global markets further, S.12; RICHTER, Franziska: Ratinga-

genturen und Entwicklungsländer, S.1.

Page 19: European Rating Agency

14

nen „investor-pays“-Ansatz derzeit vorherrschende Interessenkonflikte stark eindäm-

men, mit der verpflichtenden Zahlung an eine der Ratingagenturen überkomme man zu-

dem das Free-Riding Problem. 31

Das Free-Riding-Problem war der Grund für die Abkehr vom Investorenbezahlsystem

zum „issuer-pays“-Gefüge Anfang der 70er Jahre, als sich die Agenturen im Zuge auf-

kommender Informationstechnologie mit sinkenden Umsätzen durch die Drittnutzung

von Ratings konfrontiert sahen; dieses Umdenken machte den Einzug von Interessen-

konflikten in den Markt erst möglich und verdeutlicht zugleich, dass rein finanzielle

Aspekte die Branche zum Umdenken bewegten, was an sich schon ein schlechtes Licht

auf diesen Ansatz wirft und uns in der Befürwortung des Investoren-Bezahlsystems be-

stärkt.32

Das „investor-based“-Modell schaffe die ERA aus der Einflusszone der Emittenten, mi-

nimiere den Interessenkonflikt und gestalte es somit überflüssig, Kunden mit über-

freundlichen Noten zu locken und an sich zu binden; ein akkurates Risiko-Management

wird ermöglicht. Wir konsultieren an dieser Stelle, dass der Grundgedanke der Etablie-

rung einer zentralen Plattform geeignet ist, den Ratingmarkt zugunsten der Investoren

zu verändern. Eine Qualitätsführerschaft ist in diesem Modell erstrebenswert, weil die

Anzahl der Ratings, für die man nicht bezahlt wird, minimiert wird und eine Kostenfüh-

rerschaft ist insofern implementiert, als eine Agentur die Durchführung eines Ratings

nur dann in Auftrag geben wird, wenn diese Bewertung für sie mindestens kostende-

ckend, wenn nicht gewinnbringend sein kann. 33

Dies ist allerdings unserer Auffassung nur mit der gesetzlichen Umsetzung eines „inves-

tor-based“-Modells zu vereinbaren. Denn warum sollten sich Emittenten von Finanzpa-

pieren an diese Plattform wenden, wenn sie die Risikobewertung gemäß IRB-Ansatz

bereits intern durchgeführt haben. Die Einverleibung von Emission und Bewertung in

einer einzigen Instanz, die der Banken, beinhaltet das Risiko einer mangelhaften Objek-

tivität und Unabhängigkeit. Diese Kriterien können zumindest branchenweit nur durch

31

Dr. KRALL, Markus: Establishing a framework to enable an investor-based payment model for ratings,

S. 7-8. 32

WHITE, Lawrence J.: Markets – The Credit Rating Agencies, S.214ff; DEB, Pragyan / MURPHY,

Gareth: Credit Rating Agencies: An Alternative Model, S.1, S.11. 33

Roland Berger: The European Rating Agency Project – Taking global markets further, S.12-14; BEA-

VER, William H.; SHAKESPERE, Catherine; SOLIMAN, Mark T.: Differential Properties in the

Ratings of Certified vs. Non-Certified Bond Rating Agencies, S.2.

Page 20: European Rating Agency

15

die gesetzliche Implementierung eines „investor-pays“-Modells geleistet werden. An-

dernfalls wird es bedeutend schwieriger das bestehende „issuer-pays“-Modell in der ge-

samten Branche abzulösen, denn die etablierten Agenturen werden den Umbruch nicht

in Eigeninitiative einleiten und ihre Vormachtstellung und den wirtschaftlichen Erfolg

somit gefährden.

3.5 Haftbarkeit

Mehr Transparenz zieht eine größere Angreifbarkeit nach sich – es kommt nicht von

ungefähr, dass Moody's, S&P und Fitch Ratings in ihrer Arbeit lediglich eine Endnote

veröffentlichen und diese auch nur als Empfehlung deklarieren – man macht sich

dadurch nicht angreifbar und somit nicht haftbar. Eine Nachvollziehbarkeit von Ratings

sei insofern von Vorteil, als sie Fehler in der Bewertung offen lege, die Gesellschaft

somit haftbar mache und einen zusätzlichen Anreiz für eine höhere Sorgfalt bei der Ra-

tinganalyse schaffe, so die Firma Roland Berger. 34

Des Weiteren soll es den Ratingagenturen nicht mehr ermöglicht werden, sich durch das

Prädikat Empfehlung aus der Verantwortung zu stehlen. Doch wie könnte eine solche

Haftung aussehen? Die Vorstellung einer ex-post Betrachtung für erfolgte Ratings, die

zu einer finanziellen Strafe im Falle einer überfreundlichen Bewertung führen, machen

die Einführung eines Kontroll- und Beurteilungsorgans notwendig, welches die Integri-

tät von Ratings in einer ex-post-Analyse versucht zu überprüfen, was aufgrund der

Komplexität der Materie und der Masse an unvorhersehbaren exogenen und endogenen

Faktoren zum einen äußerst schwierig, aber vor allem sehr kostspielig sein dürfte. Des

Weiteren fördert die Androhung einer finanziellen Abstrafung eine sehr konservative

Haltung der gesamten Rating-Branche, um eben genau dieser Konsequenz aus dem Weg

zu gehen. Eine von den Ratingagenturen verbreitete konservative Stimmung kann im

Extremfall ähnlich verheerende Auswirkungen haben wie ein zu optimistisches Bild –

die Investoren meiden irrtümlicher Weise die zu konservativ bewerteten Finanzproduk-

te, Staatsanleihen und Firmen, die eigentlich gut aufgestellt sind, diese wiederum gelan-

gen nicht mehr an frische Finanzmittel, können Projekte mit positivem Net Present Va-

lue nicht durchführen oder geraten gar selbst in finanzielle Schieflage, es kommt zum

34

Roland Berger: The European Rating Agency Project – Taking global markets further, S.8; RICHTER,

Franziska: Ratingagenturen und Entwicklungsländer, S.3-4.

Page 21: European Rating Agency

16

Unterinvestitionsproblem. Diese Konsequenz einer Haftbarkeit für einen globalen Ge-

samtmarkt ist nicht wünschenswert. Die Forderung nach einer finanziellen Haftung ent-

springt der mangelnden Integrität von Ratings in Folge des Phänomens des Rating-

Shoppings. Wir sehen das Problem der Haftbarkeit daher als nicht als essentiell an, so-

fern diese Form des Interessenkonflikts durch das „investor-pays“-Gefüges gebannt

werden kann. Eine Abstrafung für qualitativ minderwertige Ratings kann dann über den

Markt, sprich die Investoren stattfinden und ist für die betroffene Ratingagentur mindes-

tens genauso zu fürchten, führt aber zu keiner einseitigen bzw. gehemmten Betrach-

tungsweise. Des Weiteren ist davon auszugehen, dass sich die Ratingagenturen in einem

transparenten „investor-pays“-based Wettbewerb gegenseitig überprüfen, um einen

Konkurrenten in Folge eines aufgedeckten Kalkulationsfehlers in der Öffentlichkeit und

somit bei Investoren diskreditieren zu können, um zusätzliche Marktanteile in Form von

Ratingaufträgen zu gewinnen. Auch dies setzt enorme Anreize zur Gewissenhaftigkeit

im Ratingprozess bei den Marktteilnehmern. 35

3.6 Case-Study: Egan Jones Rating Company

Die kleine Ratingagentur Egan-Jones Ratings betreibt das „investor-pays“-Modell be-

reits seit 1995 erfolgreich in den USA und Geschäftsführer und Mitbegründer Sean E-

gan rühmt sich mit der Tatsache, dass er durch die unabhängige Arbeitsweise Unter-

nehmen in einer Vielzahl von Fällen weitaus früher trefflich herabgestuft habe, als dies

Moody’s und S&P taten, so z.B. Enron und Worldcom, welche Anfang des letzten Jahr-

zehnts in einen Betrugsskandal verwickelt waren und noch bis wenige Tage vor dem

Bankrott von den großen drei Agenturen mit „investment grade“ eingestuft wurden.36

Als Grund hierfür führen die großen Ratingagenturen die „through the cycle“(TTC)-

Methode an, die auf Änderungen mit einer notwendigen Verzögerung reagiere, um

kurzfristige Mechanismen als solche zu identifizieren und in der Bewertung langfristi-

ger Trends somit nicht zu überreagieren in einem Update der Bonitätsnote. Demgegen-

über steht ein „point-in-time“(PIT)-Rating, welches für die Bonitätsbewertung zumeist

35

DEB, Pragyan / MURPHY, Gareth: Credit Rating Agencies: An Alternative Model, S.7-8. 36

Egan Jones Rating Company: Accurate...Timely...Independent...Ratings; BEAVER, William H.;

SHAKESPERE, Catherine; Egan Jones Rating Company: Methodology Used For Calculating Hits

and Misses; SOLIMAN, Mark T.: Differential Properties in the Ratings of Certified vs. Non-

Certified Bond Rating Agencies, S.3, S.26ff; WHITE, Lawrence J.: Markets – The Credit Rating

Agencies, S.218.

Page 22: European Rating Agency

17

nur einen Zeitraum von einem Jahr betrachtet und somit kurzfristige Änderungen unmit-

telbar in die erteilte Kreditwürdigkeit einfließen lässt. Eine europäische Ratingagentur

sollte unserer Auffassung nach einen Mittelweg wählen: Einschneidende Ereignisse

sollten unmittelbar in ein Update der Bonitätsnote einfließen, dennoch sollte im Hin-

blick auf eine Finanzmarktstabilität nicht jedem Niedergangsszenario Folge geleistet

werden; ein verantwortungsvoller Umgang mit dem Markteinfluss ist unabdinglich. 37

Das Problem der Egan-Jones Rating Company bestand lange Zeit darin, dass sie eine

entscheidende Markteintrittsbarriere nicht überwinden konnte: Die SEC versagte ihr bis

2008 den Status einer „Nationally recognized statistical rating organization“ – sie fand

somit bei Investoren nicht die Aufmerksamkeit, die notwendig ist, um zu einer Größe

auf dem Ratingmarkt zu werden. Trotz dieses Wettbewerbsnachteils kann sie durch die

Transparenz ihrer Arbeit und die Tabulosigkeit ihrer Bewertungen, Investoren dazu be-

wegen, Ratings bei Egan Jones in Auftrag zu geben. Die Egan Jones Rating Company

genießt den Ruf einer furchtlosen und tabubrechenden Agentur, die obendrein über

zahlreiche Referenzen verfügt, die belegen, dass sie den führenden drei Agenturen oft

mehrere Monate voraus ist mit einer Bonitätsanpassung. Durch die Veröffentlichung al-

ler von ihr durchgeführten Ratings in einer Online-Datenbank, die für Kunden jederzeit

zugänglich ist, sorgt Egan Jones für Transparenz. Die Qualität der Ratings in Verbin-

dung mit dem Zeitvorsprung, den sich Investoren von einem hier angefragten Rating

versprechen, der aus einem guten Investment ein herausragendes machen kann, über-

zeugt die Investoren, bei der im Verhältnis kleinen Agentur Ratings in Auftrag zu ge-

ben. Das Beispiel der Egan Jones Rating Company zeigt uns, dass ein Markteinstieg

auch ohne eine gesetzliche Verankerung des „investor-pays“-Modells durch die konse-

quente Verkörperung von Unabhängigkeit und Transparenz, also einer Differenzie-

rungsstrategie, gelingen kann. 38

37

WHITE, Lawrence J.: Markets – The Credit Rating Agencies, S.218; VALLÉS, Verónica: Stability of

“through-the-cycle” rating system during a financial crisis, S.3. 38

Egan Jones Rating Company: NRSRO – A new Era Begins!; Egan Jones Rating Company: Methodolo-

gy Used For Calculating Hits and Misses.

Page 23: European Rating Agency

18

4. Fazit mittels Strengths-Weaknesses-Opportunities-Threats-Analyse

Um die Qualität und Chancen des Businessplans endgültig bewerten zu können, be-

trachten wir diesen nun noch einmal mit einer sogenannten SWOT –Analyse (Abbil-

dung 3).

In einem Markt wie dem Ratingmarkt, der von hohen Eintrittsbarrieren und einem sehr

festgefahrenen Gefüge gekennzeichnet ist, bedarf es der Ausarbeitung einer durchdach-

ten Strategie, um beim Markteintritt zu reüssieren und nicht sofort in ein Nischendasein

gedrängt zu werden oder ganz zu scheitern.

Es ergeben sich zu diesem Zweck mehrere Möglichkeiten: eine Kostenführerschaft in

Verbindung mit einer Preisführerschaft, eine Qualitätsführerschaft oder aber eine Ver-

bindung aus beidem. Eine Kostenführerschaft zeichnet sich dadurch aus, dass ein Un-

ternehmen nach einem harten Preiskrieg auch dann noch Profit erwirtschaftet, wenn alle

anderen Konkurrenten bereits in der Verlustzone operieren; niedrige Kosten werden vor

allem durch Skalen-und Verbundeffekte, Erfahrungs- und Lerneffekte (vgl. Erfahrungs-

kurve), ein effizientes Produkt-und Prozessdesign und niedrige Input-bzw. Personalkos-

ten erreicht. Eine Qualitätsführerschaft oder Differenzierungsstrategie hingegen zielt da-

rauf ab, sich durch einen hohen Innovationsgrad und die Betonung ausdrucksstarker Al-

leinstellungsmerkmale vom aktuellen Marktgeschehen abzuheben und durch ein qualita-

tiv hochwertiges Produkt mit ausgeprägtem Kundennutzen die Preissensitivität bei der

Kundschaft zu mindern. Auf diesem Wege kann durch einen größeren Spielraum im

Preisgefüge auch im Falle höherer Kosten noch Profit erzielt werden.

Bei der Analyse des Ratingmarkts mit dem Augenmerk auf einen möglichen Entrant

ERA fällt auf, dass einige der essentiellen Punkte einer Kostenführerschaft, welche bei

den großen Ratingagenturen durch jahrelange Marktpräsenz gegeben sind und die we-

sentlichen Markteintrittsbarrieren darstellen, nicht von Beginn an erbracht werden kön-

nen: Erfahrungs- und Skaleneffekte ergeben sich erst nach einer gewissen Zeit am

Markt bzw. mit dem Erreichen einer gewissen Größe; ein schlankes Prozess- und Pro-

duktdesign könnte man zwar von Anfang an etablieren, aber auch hier spielen Lernef-

fekte eine große Rolle, sodass unserer Auffassung nach eine aggressive Strategie der

Kostenführerschaft zum Markteintritt schwer umzusetzen ist. Im Hinblick auf Gewinn-

margen von nahezu 40%, welche Moody’s im „Annual Report 2011“ ausweist, er-

scheint uns in Anbetracht der Tatsache, dass sich die ERA keine 40% Return on Sales

Page 24: European Rating Agency

19

zum Ziel setzt, eine Preisführerschaft aber dennoch zum Markteintritt für realistisch und

erstrebenswert. 39

Im Zuge eines raschen Wachstums wird in der Folge durch die Erschließung oben er-

wähnter Kriterien auch eine Kostenführerschaft zum Thema. Für Erfolg versprechend

halten wir aber vor allem eine aggressive Differenzierungsstrategie basierend auf den

Alleinstellungsmerkmalen einer uneingeschränkten Transparenz und dem Konzept des

„investor-pays“-Modells, welche das Gros der Interessenkonflikte aus dem Markt neh-

men. Das Beispiel der Egan Jones Rating Company demonstriert, dass das Image einer

unabhängigen und tabulos denkenden und agierenden Agentur bei Investoren auf Reso-

nanz trifft; gleichwohl könnte das Image einer Qualitätsführerschaft die Preissensitivität

von Investoren mindern, um eventuelle Nachteile in der Kostenstruktur gegenüber ei-

nem großen, etablierten Rating-Haus auszugleichen.

Des Weiteren erkennen wir auch im Free-Riding-Problem für die ERA – zumindest

große, gewerbliche Investoren betreffend – kein schwerwiegendes Problem, denn ein

Rating lohnt sich für einen Investor insbesondere dann, wenn er in der daraus resultie-

renden Investitionsentscheidung den First-Mover-Vorteil ziehen kann. Das Zurückgrei-

fen auf die im Prozess des Ratings auf öffentlich zugängigen Plattformen publizierten

Informationen, sprich das Free-Riding, ist immer mit einer Verzögerung verbunden, d.h.

in einer daraus resultierenden Investmententscheidung springt man immer auf einen be-

reits fahrenden Zug auf. Am Szenario des Kursverlaufs einer Aktie wird deutlich, dass

diese Verzögerung mit Opportunitätskosten verbunden ist, die im Trade-Off mit den

Kosten für ein eigenständig in Auftrag gegebenes Rating gesehen werden müssen und

je größer sich das Investitionsvolumen gestaltet, desto wahrscheinlicher spricht dieser

Abgleich für ein Engagement der Ratingagentur. 40

Zu den Stärken und Vorzügen des Plans zählen wir des Weiteren die Initiator-Firma Ro-

land Berger41

, die international einen exzellenten Ruf genießt und über die notwendige

Expertise verfügt. Die größte Schwäche lag bis vor kurzem noch in der ungeklärten Fi-

nanzierung; darf man neueren Aussagen aus dem Hause Roland Berger jedoch Glauben

schenken, so steht die Finanzierung mittlerweile auf solideren Füßen und mögliche In-

39

Moody’s Corporation: Moody’s Annual Report 2011, S.3. 40

DEB, Pragyan / MURPHY, Gareth: Credit Rating Agencies: An Alternative Model, S.11-12. 41

Roland Berger: CHECK US OUT.

Page 25: European Rating Agency

20

vestoren haben finanzielle Zusagen für das Projekt in einem ausreichenden Volumen

erteilt. Die anfänglichen Schwierigkeiten zeigen allerdings deutlich auf, mit welcher

Skepsis die Branche dem Vorhaben aktuell noch begegnet.

Auch scheint es fragwürdig, ob es das vorgestellte Stiftungsmodell vermag, den Ver-

such der Einflussnahme seitens der Finanzinvestoren zu unterbinden – denn schließlich

halten diese Anteile an der Stiftung, die der GmbH vorsteht, auch wenn hier keine

Stimmrechte vorgesehen sind. Die Chance, diesen Interessenkonflikt endgültig zu besei-

tigen, sehen wir in der gesetzlichen Durchsetzung eines „investor-pays“-Modells in

Verbindung mit der Etablierung eines echten Wettbewerbs auf dem Ratingmarkt. Die

Idee einer Plattform, an die sich ein Investor wenden kann und eine Art Ausschreibung

für ein Rating stattfindet, erscheint uns plausibel und erstrebenswert. Ohne die Einfüh-

rung dieses „investor-based“-Ansatzes erweist die Umsetzung der Einführung einer sol-

chen Plattform allerdings mehr als fragwürdig.

Das größte Risiko des Projekts besteht im Scheitern des Projekts; man versucht hier ei-

nen neuen Weg zu gehen, um einen bestehenden, sehr stabilen Markt aufzubrechen. Die

bislang noch nicht ganz geklärte Finanzierung und die Unklarheit über eine Unterstüt-

zung des Projektes von EU-Gesetzes wegen knüpfen das Konzept an eine Reihe von

Bedingungen. Am Beispiel Egan Jones sieht man, dass es sich auszahlen kann, auch bei

Ausbleiben der gesetzlichen Regelung auf diesen Alleinstellungsmerkmalen zu beharren

und den Markt der Investoren schrittweise zu erobern.

Der Zeitpunkt für den Markteintritt einer neuen Ratingagentur kann insofern als günstig

bezeichnet werden, als er in Folge der aktuell herrschenden Unzufriedenheit mit der Ar-

beit der beherrschenden CRA’s von der Öffentlichkeit getragen werden könnte. Zu die-

sem Zweck muss von Beginn an das Augenmerk auf einer Abgrenzung vom undurch-

sichtigen Wirtschaften der bisherigen Marktführer liegen. Gelingt dies nicht, erlangt

man auch das Vertrauen der misstrauisch aufgestellten Investoren in die Ratingagentu-

ren nicht wieder und wird sich wie viele kleine Ratingagenturen mit einem Nischenda-

sein abfinden müssen, denn unserer Einschätzung nach verlangt der Markt und die Öf-

fentlichkeit nicht nach einer weiteren Agentur à la Moody’s und S&P.

Page 26: European Rating Agency

21

helpful harmful

inte

rnal

ori

gin

vorhandene Expertise im

Unternehmen

angestrebte Differenzie-

rungsstrategie

unklare Finanzierung

Interessenkonflikte bilden

weiterhin eine Gefahr

Forderung nach finanziel-

ler Haftbarkeit

Kostenführerschaft zu Be-

ginn schwierig durchzuset-

zen

exte

rnal ori

gin

Etablierung eines

investor-pays-Modells

Rückbesinnung des Marktes

auf die Informations-

dienstleistung

Schaffung eines echten Wett-

bewerbs

Zeitpunkt des Markteintritts

starke Marktkonkurrenz

Unklarheit über angedach-

te Anpassungen auf EU-

Ebene

misstrauische Haltung der

Öffentlichkeit

IRB-Ansatz als Alternative

Abbildung 3: SWOT-Analyse

Page 27: European Rating Agency

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