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Als Bindeglied zwischen Nord- und Südamerika ist Pana- ma ein »Biodiversitäts-Hotspot« – es beherbergt eine außerordentlich hohe Artenvielfalt an Pflanzen, Tieren und Pilzen. Pilze übernehmen in tropischen Ökosystemen wichtige Aufgaben: Sie zersetzen totes organisches Ma- terial, helfen den Pflanzen bei der Aufnahme von Wasser und Mineralstoffen aus dem Boden, und sie leisten sogar als Parasiten einen Beitrag zum Erhalt einer großen Ar- tenvielfalt. Aufgrund einzelner Stichproben wissen wir, dass die Anzahl der Pilzarten in den Tropen diejenige der Pflanzen um ein Vielfaches übertrifft. Doch während für Panama zirka 9500 verschiedene Arten von Gefäß- pflanzen bekannt sind, zählt eine im Rahmen unserer Ar- beit erstellte Checkliste der Pilze nur zirka 1800 Arten. Das zeigt, dass für die Erforschung der Pilze noch um- fangreiche Pionierarbeit geleistet werden muss. Zwi- schen 2003 und 2006 geschah dies im Rahmen einer Universitätspartnerschaft der Universität Frankfurt mit der Universidad Autónoma de Chiriquí, die durch den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) geför- dert wurde. Im Zentrum eines Projekts der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) steht die Erforschung der Vielfalt und Ökologie pflanzenparasitischer Pilze. Des Weiteren untersucht unsere Arbeitsgruppe Pilze an In- sekten sowie an menschlichen Haut- und Nagelläsionen. Pionierarbeit in einer der artenreichsten Regionen unserer Erde von Meike Piepenbring Forschung intensiv Forschung Frankfurt 1/2007 38 Expeditionen ins Pilzreich Panamas Pilze können auf Kulturpflanzen große Schäden anrichten, wie dieser Pseudocer- cospora fijiensis (Imperfekter Pilz), der Er- reger der Sigatoka-Krankheit der Bananen. V or zirka 5,7 Millionen Jahren schloss sich die Landbrücke zwi- schen Nord- und Südamerika im Ge- biet des heutigen Panama. Anfang des 20. Jahrhunderts durchbrach sie der Mensch, indem er an der schmalsten Stelle des mittelamerikanischen Isth- mus (82 km) den Panama-Kanal bau- te. Da der Kanal jedoch nicht auf Meereshöhe liegt, sondern die Schiffe durch mehrere Schleusenkomplexe auf zirka 25 m über den Meeresspie- gel gehoben werden, stehen die Kari- bik und der Atlantik nicht in direkter Verbindung zueinander. Für den Bau des Kanals und zuvor für den Bau einer transisthmischen Ei- senbahn kamen Menschen aus aller Herren Länder in die damalige Provinz Panama in Kolumbien, damals La Gran Colombia. Panama war bis dahin nur sehr dünn, vor allem von ver- schiedenen Gruppen indigener Völker, besiedelt. Im Zusammenhang mit dem Bau des Kanals wurde Panama 1903 unabhängig. Heute sind die meisten Menschen Panamas Mestizen und zei- gen eine bunte Mischung indigener, afrikanischer, asiatischer und europäi- scher Einflüsse. Die Landessprache ist

Expeditionen ins Pilzreich Panamas · Isla Coiba Isla Cebaco Isla S. José Isla del Rey ARCHIPIÉLAGO DE LAS PERLAS Golfo de Chiriqui Golfo de Paríta Bahía de Panamá Golfo de S

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Page 1: Expeditionen ins Pilzreich Panamas · Isla Coiba Isla Cebaco Isla S. José Isla del Rey ARCHIPIÉLAGO DE LAS PERLAS Golfo de Chiriqui Golfo de Paríta Bahía de Panamá Golfo de S

Als B indeg l ied zwischen Nord- und Südamer ika i s t Pana-ma e in »Biod ive rs i tä ts -Hotspot« – es beherberg t e ineaußero rdent l ich hohe Ar tenv ie l fa l t an Pf lanzen, Tie renund P i l zen . P i l ze übernehmen in t rop ischen Ökosys temenwicht ige Aufgaben: S ie ze rse tzen to tes o rgan isches Ma-te r ia l , he l fen den Pf lanzen be i de r Aufnahme von Wasserund Minera l s to f fen aus dem Boden, und s ie le i s ten sogara l s Paras i ten e inen Be i t rag zum Erha l t e ine r g roßen Ar -tenv ie l fa l t . Aufg rund e inze lner St ichproben wissen wi r,dass d ie Anzah l de r P i l za r ten in den Tropen d ie jen igeder Pf lanzen um e in Vie l faches über t r i f f t . Doch währendfür Panama z i rka 9500 ve rsch iedene Ar ten von Gefäß-pf lanzen bekannt s ind , zäh l t e ine im Rahmen unsere r A r -be i t e rs te l l te Check l i s te der P i l ze nur z i rka 1800 Ar ten .Das ze ig t , dass fü r d ie Er fo rschung der P i l ze noch um-fangre iche P ion ie ra rbe i t ge le i s te t werden muss . Zwi -schen 2003 und 2006 geschah d ies im Rahmen e inerUnive rs i tä tspar tnerschaf t de r Unive rs i tä t F rankfur t mi tder Unive rs idad Autónoma de Ch i r iqu í , d ie durch denDeutschen Akademischen Austauschdiens t (DAAD) ge fö r -de r t wurde . Im Zent rum e ines Pro jek ts de r DeutschenForschungsgemeinschaf t (DFG) s teht d ie Er fo rschung derVie l fa l t und Öko log ie p f lanzenparas i t i scher P i l ze . DesWei te ren unte rsucht unsere Arbe i t sg ruppe P i l ze an In -sek ten sowie an mensch l ichen Haut - und Nage l läs ionen.

Pionierarbeit ineiner derartenreichstenRegionen unserer Erde

von Meike Piepenbring

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Expeditionen ins Pilzreich

Panamas

Pilze können auf Kulturpflanzen großeSchäden anrichten, wie dieser Pseudocer-cospora fijiensis (Imperfekter Pilz), der Er-reger der Sigatoka-Krankheit der Bananen.

Vor zirka 5,7 Millionen Jahrenschloss sich die Landbrücke zwi-

schen Nord- und Südamerika im Ge-biet des heutigen Panama. Anfang des20. Jahrhunderts durchbrach sie derMensch, indem er an der schmalstenStelle des mittelamerikanischen Isth-mus (82 km) den Panama-Kanal bau-te. Da der Kanal jedoch nicht aufMeereshöhe liegt, sondern die Schiffedurch mehrere Schleusenkomplexeauf zirka 25 m über den Meeresspie-gel gehoben werden, stehen die Kari-bik und der Atlantik nicht in direkterVerbindung zueinander.

Für den Bau des Kanals und zuvorfür den Bau einer transisthmischen Ei-senbahn kamen Menschen aus allerHerren Länder in die damalige ProvinzPanama in Kolumbien, damals LaGran Colombia. Panama war bis dahinnur sehr dünn, vor allem von ver-schiedenen Gruppen indigener Völker,besiedelt. Im Zusammenhang mit demBau des Kanals wurde Panama 1903unabhängig. Heute sind die meistenMenschen Panamas Mestizen und zei-gen eine bunte Mischung indigener,afrikanischer, asiatischer und europäi-scher Einflüsse. Die Landessprache ist

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P A N A M A

Sa

n P

ab

lo

B e l é n

S a n t a M a r í a

T o a br e

Isla CebacoIsla Coiba

Isla S. José

Isla del Rey

ARCHIPIÉLAGODE LAS PERLAS

Golfo de Chiriqui

Golfo de Paríta

Bahía de Panamá

Golfo deS. Miguel

Golfo de Panamá

Golfo de los Mosquitos

ARCHIPIÉLAGODE BOCAS DEL TORO

Laguna deChiriqui

K a r i b i k

P a z i f i k

Cerro Santiago

Volcan Barú

C O R D I L L E R A C E N T R A L

P e n í n s u l a d e A z u e r o

S E R R A N I A D E S A NB L A S

S E R R A N E í A D E T A B A S A R A

Península Valiente

0 50 100 Kilometer

Río Hato

Penonomé

Aguadulce

La ChorreraPanamáBalboa

Portobello Nombre de Dios

Chepo

Chimán

San Miguel

Colón

Chitré

Pocrí

Tonosí

SantiagoSoná

San Cristóbal

ChiriquiGrande

MandingaUstupo Yantupo

Garachiné

David

Spanisch, das an der Karibikküste mit Englisch kombi-niert wird. Auch die Sprachen mancher indigenerGruppen sind noch lebendig.

Das Studium der Biodiversität in Panama ist von gro-ßem Interesse, da in diesem südlichsten Land Mittel-amerikas zwischen Costa Rica im Westen und Kolum-bien im Osten vielfältige tropische Organismen mitUrsprung sowohl in Nord- als auch in Südamerikaleben. Ihre Erforschung begann im Bereich der heuti-gen Kanalzone, in der sich tropischer Tieflandregenwaldbefindet, und wurde besonders im Zusammenhang mitdem Bau des Kanals durch US-amerikanische Wissen-schaftler intensiviert. Schon früh dehnten die Biologenihre Arbeit auf den Westen Panamas aus, der über dasweniger dicht bewaldete Tiefland auf der Pazifikseitevergleichsweise leicht erreichbar war. Heute ist dieseRegion weitgehend entwaldet und wird von der inter-

amerikanischen Landstraße durchzogen. Sie führt zuder Provinz Chiriquí auf der Pazifikseite, von wo dieProvinz Bocas del Toro auf der Karibikseite erreichbarist. Die im Westen Panamas zirka 100 bis 180 Kilometerbreite Landbrücke wird von einer Gebirgskette mitHöhen bis über 3400 Metern über dem Meeresspiegeldurchzogen. Während das Klima auf der Pazifikseitedurch eine halbjährliche Trockenzeit geprägt ist, die dieAusbildung von Savannen und Trockenwäldern verur-sacht, ist das Klima in der Nordhälfte Panamas an derKaribikküste das ganze Jahr über mehr oder wenigerfeucht, und die Berge sind von Regenwäldern bedeckt.

Ökosysteme auf verschiedenen Höhenstufen mit un-terschiedlichen klimatischen Bedingungen bieten beiganzjährig relativ einheitlichen Temperaturen Lebens-raum für eine große Vielfalt von Lebewesen. Es handeltsich um einen Biodiversitäts-Hotspot, wie es ihn welt-weit nur an wenigen Orten gibt. Weitere Hotspots be-finden sich in Ostasien und Teilen des Pazifikraums, inWestafrika, Südafrika und Teilen Südamerikas. Wir ken-nen für das zirka 75 000 km2 große Panama etwa 9500verschiedene Arten von Gefäßpflanzen – fast drei Malso viel wie für das ungefähr fünf Mal größere und we-sentlich besser erforschte Deutschland! Andere Organis-mengruppen wie zum Beispiel die Pilze sind ebenfallssehr vielfältig, aber in Panama wesentlich schlechter be-kannt.

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Pflanzenparasitische Pilze in PanamaA) Im panamaischen Tiefland bildet der Brandpilz Leucocin-tractia scleriae seine schwarzen Sporenmassen um die Zweigedes Blütenstands eines Sauergrases (Rhynchospora corymbo-sa) herum.B) Der Rostpilz Crossopsora byrsonimae lässt die Blätter sei-ner Wirtspflanze (Byrsonima crassifolia, Malpighiaceae) lokalanschwellen. Schließlich platzt das Pflanzengewebe auf, unddie Sporen des Pilzes werden freigesetzt.C) Für diesen Pilz, der orange kugelförmige Fruchtkörper anabgestorbenen Blättern eines Süßgrases bildet, haben wir bisheute keinen Namen gefunden.

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Panama liegt zwischen Costa Rica im Westen und Kolum-bien im Osten. Während auf der Pazifikseite Savannen undTrockenwälder vorherrschen, sind die Berge im Zentrum derLandbrücke und die Nordhälfte Panamas an der Karibikküstevon feuchten Regenwäldern bedeckt.

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Pilzkunde in Panama

Die Pilzkunde oder Mykologie umfasst mit ihren ökolo-gischen, systematischen und molekularen Ausrichtun-gen neben organismischer Grundlagenforschung zahl-reiche Anwendungsgebiete in der Medizin, in der phar-mazeutischen Wirkstoffforschung (beispielsweise Anti-biotika), der Phytopathologie (»Pflanzenmedizin«) undLebensmitteltechnologie. Die Artenzahl der Pilze wirdauf weltweit zirka eine Million Arten geschätzt, vondenen allerdings erst 72 000 Arten bekannt sind. Damitist nur die Gruppe der Insekten artenreicher und ver-gleichsweise schlecht bekannt.

Eine Ursache für unsere unvollständige Kenntnis derPilze ist die Tatsache, dass das Fach Mykologie in Europanur an wenigen Universitäten von Fachleuten unter-richtet wird, in tropischen Ländern wie Panama imPrinzip gar nicht, außer im Rahmen der Phytopatholo-gie. Pilze wurden in Panama bisher nur von ausländi-schen Mykologen untersucht, die meist nur kurze Zeitim Gelände verbrachten, die Pilze sammelten und mit-nahmen. Im Ausland wurden die Belege bearbeitet, invielen verschiedenen Herbarien hinterlegt und die Er-gebnisse in nicht panamaischen Zeitschriften publiziert.So kam es, dass Wissen über Pilze Panamas sehr frag-mentarisch und weltweit zerstreut in verschiedenenZeitschriften publiziert worden ist. Um einen Überblicküber vorhandene Daten zu bekommen, begann ich voretwa drei Jahren, alle Nachweise von Pilzen in Panamazu sammeln. Mit Daten aus zirka 300 verschiedenenPublikationen entstand so eine erste Checkliste der PilzePanamas, mit rund 1800 verschiedenen Arten bezie-hungsweise Unterarten/Varietäten in 646 Gattungen(Piepenbring 2006).

Pilze benennen ist Detektivarbeit

Der Mykologe David Hawksworth errechnete auf derGrundlage relativ gut bekannter Pilzfloren Faktoren, mitdenen man für ein bestimmtes Gebiet die Artenzahl derPilze abschätzen kann, indem man die Anzahl der fürdieses Gebiet bekannten Pflanzenarten mit einem Fak-tor multipliziert. Für Panama ergibt sich mit dem Faktor5,3 und einer Artenzahl der Pflanzen von 9500 eine ge-schätzte Anzahl von über 50 000 Pilzarten. In derCheckliste sind also vermutlich weniger als vier Prozentder in Panama vorhandenen Pilze erfasst. Wir befindenuns bezüglich der Erforschung der Pilze in Panamasomit in einer Pionierphase, in der erst einmal Grundla-

genforschung geleistet werden muss, das heißt, Artenmüssen gesammelt, beschrieben und benannt werden.Die Benennung (Bestimmung) der Pilze ist außeror-dentlich schwierig, da für die meisten Pilzgruppen keineMonografien vorliegen, in denen sämtliche weltweit be-kannten Arten einer Gruppe vergleichend und mitSchlüsseln versehen vorgestellt werden. Wir müssenalso für eine Bestimmung in der Regel viele kleine, teil-weise sehr alte Publikationen konsultieren. Die altenBeschreibungen sind häufig für eine genaue Bestim-mung unzureichend, weshalb wir alte Herbarbelegezum Vergleich studieren. Diese wiederum bestehen je-doch oft nur noch aus Fragmenten. Die Recherchegleicht einer Detektivarbeit!

Heute können wir anhand frischer Belege wesentlichmehr Merkmale für die Beschreibung und systemati-sche Einordnung der Arten ermitteln als früher. Nebender Lichtmikroskopie nutzen wir die Raster- und Trans-missionselektronenmikroskopie sowie die Basensequen-zen von ausgewählten DNA-Abschnitten. Um korrekte

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Pilze an Insek-ten in PanamaA) Dieser orange-farbene Pilz istein ImperfekterPilz der GattungAschersonia. Erbefällt Schildläu-se, tötet sie abund nutzt die to-ten Tiere als Nah-rungsquelle (Auf-nahme von T.Trampe). Zur Gat-tung Aschersoniaentstand in unse-rer Arbeitsgruppeeine Revision imRahmen einer Dis-sertation (Koch2006).B) Hirsutella saus-surei (ImperfekterPilz) hat dieseWespe getötet undbildet nun aufdem toten Insektlang gestreckteSporenträger.C) DieserSchlauchpilz derGattung Ascopoly-porus ist in sei-nem Inneren miteiner roten Galler-te und roter Flüs-sigkeit gefüllt. DieFunktion der rotenFarbe ist unbe-kannt. Erst kürz-lich wurde festge-stellt, dass dieserPilz auf Schildläu-sen wächst.D) Cordyceps sp.(Schlauchpilz)formt gestielteSporenbehälter an einer abgetöte-ten Ameise.

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Namen zu vergeben, müssen wir jedoch der Frage nach-gehen: Hat in der Vergangenheit schon jemand genaudiesen Pilz beschrieben und benannt? Bei entsprechen-der Recherche findet man unter Umständen sogar den-selben Pilz unter mehreren Namen! Nur der älteste kor-rekt aufgestellte Name ist gültig, spätere Namen sind Sy-nonyme. In anderen Fällen kann trotz intensiver Suchekein Name für den Pilz gefunden werden, so dass wirden Pilz als neue Art mit einem Namen versehen . DieKunst der korrekten Namensgebung, die Taxonomie, istunverzichtbar für jegliche Forschung an Organismen.Nur wenn ein Pilz einen eindeutigen Namen hat undaufgrund der publizierten Beschreibung verlässlich wie-dererkannt wird, können weitere Daten zu ihm recher-chierbar publiziert und ausgewertet werden. Nur aufder Grundlage eines gut geordneten Systems könnenwir Wissen zu den einzelnen Arten sammeln, übergrei-fende systematische Zusammenhänge erkennen undstammesgeschichtliche Entwicklungen nachvollziehen.Das Wissen zu jeder Pilzart umfasst unter anderem de-taillierte Angaben zu ihrer Lebensweise und Informatio-nen bezüglich ihrer Inhaltsstoffe, die für die pharma-zeutische Industrie von großem Interesse sein können.

15 Jahre auf der Spur tropischer Pilze

Um tropische Pilze taxonomisch zu bearbeiten, ist es fürden einzelnen Wissenschaftler sinnvoll, sich auf einesystematische Gruppe zu konzentrieren. Ich selbstwählte vor 15 Jahren die Brandpilze , die ich vor allemin der Neotropis (tropische Regionen Mittel- und Süd-amerikas sowie die Inseln der Karibik) sammelte (Pie-penbring 2003). Im Rahmen dieser Arbeit besuchte ichPanama erstmalig 1994. Inzwischen bearbeite ich mitmeiner Arbeitsgruppe Pilze verschiedener systemati-scher Gruppen, und zwar überwiegend pflanzenparasi-tische Pilze und Pilze an Insekten, die wir insbesonderein Panama sammeln. Diese Pilze sind häufig Erstnach-weise für Panama, wir finden neue Arten und manch-mal neue Gattungen. Auch die Entdeckung einer Wirts-pflanzenart, die für eine pflanzenparasitische Pilzartnoch nicht bekannt war, ist ein wichtiges Ergebnis, daunsere Kenntnis der Wirtsspektren tropischer Pilze bis-her nur sehr fragmentarisch ist.

Im Projekt »Pflanzenparasitische Mikropilze im Wes-ten Panamas« sammeln wir an ausgewählten Standor-ten pflanzenpathogene Pilze jeglicher systematischerZugehörigkeit . Diese können wir zwar nicht alle be-stimmen, erhalten dafür aber Daten über das Vorkom-men der verschiedenen Gruppen in verschiedenen Ha-bitaten und die Ökologie der Pilze. Ein weiterer For-schungsschwerpunkt liegt bei Pilzen an Insekten .Manche Pilze töten Insekten und regulieren so in derNatur die Größe von Insektenpopulationen. Der Menschkann ausgewählte, gut bekannte Pilzarten vermehrenund zur biologischen Kontrolle von Schadinsekten nut-zen.

Die Bearbeitung von Pilzen an menschlichen Haut-und Nagelläsionen ist von medizinischer Relevanz fürdie Dermatologie. Wenn der Erreger einer Krankheitbekannt ist, kann er nämlich gezielter bekämpft wer-den. Unsere Untersuchungen von Pilzen an Patienten inPanama zeigen, dass neben den typischen Haut- undNagelpilzen (Dermatophyten), zu denen auch der Fuß-pilz gehört, zahlreiche Pilzarten, die uns aus der freien

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Natur bekannt sind, unter bestimmten Umständen denMensch als Substrat nutzen. Zu diesen Umständen zähl-ten das tropisch warme Klima, Verletzungen, häufigerKontakt mit Chemikalien, wie zum Beispiel Pestiziden,und Abwehrschwäche. Die meisten Pilze, mit denen wirtagtäglich in Kontakt kommen, stellen für gesundeMenschen keine Gefahr dar.

Die mykologische Forschung in Panama fördern

Im Rahmen der mykologischen Forschung gibt es in Pa-nama viel zu tun. Es gilt, zahlreiche offene Fragen zurDiversität, Ökologie, Taxonomie, Systematik und An-wendung zu beantworten. Viele interessierte Wissen-schaftler werden gebraucht, weshalb der Lehre zur My-kologie eine entscheidende Rolle zukommt. Daher un-terrichte ich seit 1998 in Panama im Rahmen vonKurzzeitdozenturen mit Finanzierung durch den DAADvor allem im Westen des Landes an der Universidad Au-tónoma de Chiriquí (UNACHI), aber auch in PanamaStadt an der Universidad de Panamá. 2002 wurde einKooperationsvertrag zwischen der UNACHI und derUniversität Frankfurt unterschrieben, so dass zwischen2003 und 2006 Mittel des DAAD für Austauschmaß-nahmen im Rahmen der Universitätspartnerschaft zurVerfügung standen. Thematisch waren die Maßnahmenschwerpunktmäßig ausgerichtet auf die Verbesserungund Erweiterung der Lehre zur Biologie, insbesondereder Mykologie und Botanik, im Rahmen einer an derUNACHI erstmalig etablierten Maestría (Master) in Bio-logie. Es wurden nicht nur mykologische Teilprojekte,sondern auch Projekte zu Höheren Pflanzen, zur klini-schen Mikrobiologie, Ökologie, Zoologie, Ökophysiolo-gie und Mooskunde gefördert.

Während der vier Jahre unserer Universitätspartner-schaft wurden 47 Austauschreisen gefördert: Von deut-scher Seite nahmen acht Studenten und neun Profes-soren beziehungsweise Hochschuldozenten teil. Im Gegenzug besuchten zehn Studenten und fünf Hoch-schullehrer aus Panama die Universität Frankfurt. Au-

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Dieser Becherling (Schlauchpilz) auf einem Kuhfladenwechselt seine Farbe von dunkelbraun nach gelb, wenn er reifist und austrocknet beziehungsweise angestoßen wird. DerFarbwechsel geschieht dadurch, dass er seine dunklen Sporenausschleudert und so die jungen orange gefärbten Sporensä-cke sichtbar werden. Wir haben noch keinen Namen für ihngefunden.

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ßerdem wurden ein Frankfurter Doktorand aus der Do-minikanischen Republik und ein Hochschuldozent ausBrasilien einbezogen. Es wurden zwei internationaleWorkshops organisiert, einer zu Samenpflanzen (2004)und einer zur Mykologie (2005) . Deutsche Dozentenlehrten an der UNACHI im Rahmen dieser Workshops,führten drei Fortbildungskurse sowie neun Master-Mo-dule beziehungsweise Postgraduierten-Kurse durch.Alle Reisen dienten der Sammlung und Analyse vonDaten, die für Abschlussarbeiten oder Publikationen ge-nutzt wurden. Die Bilanz: Bis Ende 2006 wurden vonpanamaischen Wissenschaftlern zwei Promotionen undsechs Licenciatura-Arbeiten abgeschlossen. Zwei Maes-tría-Arbeiten werden 2007 beendet. An der UniversitätFrankfurt flossen in Panama gewonnene Ergebnisse imArbeitskreis Piepenbring ein in drei abgeschlossene undvier laufende Promotionen, zwei Diplom-Arbeiten unddrei Staatsexamensarbeiten. Zehn Publikationen zu Pilzen und Pflanzen Panamas sind bis Ende 2006 er-schienen, weitere sind in Vorbereitung. PanamaischeArtenvielfalt stand im Zentrum von 21 Beiträgen zu in-ternationalen Tagungen. Ein weiteres Ergebnis der Zu-sammenarbeit ist die Schaffung einer naturwissen-schaftlichen Zeitschrift »Puente Biológico«.

Da für die tropische Artenvielfalt Panamas kaum il-lustrierte Bestimmungsbücher existieren, haben wir be-gonnen, digitale Bilder von Organismen mit mehr oderweniger sicherer Namensgebung auf so genannten Bild-bögen zusammenzustellen. Zum Ende der ersten Part-

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nerschaftsphase liegen 46 Bildbögen vor, zwölf zu Pil-zen, 32 zu Pflanzen und zwei zu Tieren im Westen Pa-namas (von der Autorin als CD erhältlich).

Bedrohte Vielfalt

Wie in anderen tropischen Ländern werden auch in Pa-nama jedes Jahr Urwälder großflächig und unwieder-bringlich zerstört. Dazu kommt seit mehreren Jahreneine deutliche Klimaveränderung. Regen- und Trocken-perioden wechseln sich nicht mehr zu bestimmten Zei-ten des Jahres ab, sondern beginnen und enden unvor-hersagbar. Die an einen geregelten Wechsel der Jahres-zeiten angepassten Organismen werden nur schwerüberleben können und von vergleichsweise wenigenflexibleren Arten verdrängt werden. Durch Waldzerstö-rung und Klimaveränderung verlieren zahlreiche Pilze,vor allem diejenigen, die wir bisher kaum oder noch garnicht kennen, ihren Lebensraum. Arten, denen wirnoch nicht einmal einen Namen gegeben haben und dieuns vielleicht von großem Nutzen gewesen wären, ster-ben aus. Für die Einheimischen ist die hohe Artenviel-falt auf dem Land alltäglich, den Menschen in den Städ-ten ist sie jedoch teilweise völlig unbekannt. Dadurch,dass wir als deutsche Wissenschaftler die Biodiversitätmit großer Begeisterung studieren, zeigen wir, welchgroße Reichtümer die Panamaer besitzen und zuneh-mend verlieren. ◆

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Workshop zur Mykologie in Panama 2005. Im Rahmen desWorkshops wurde mykologisches Wissen von zwei deutschenProfessoren der Mykologie (Prof. Dr. Gerhard Kost von derUniversität Marburg ist auf dem Bild nicht zu sehen), und je-weils einem deutschen und einem brasilianischen Hochschul-dozenten der Mykologie zusammengeführt. Diese sowie pana-maische und deutsche Dozenten und Studenten hatten somitdie Möglichkeit, bei Exkursionen, Laborarbeit und Seminarenviel voneinander zu lernen.

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Prof. Dr. Meike Piepenbring, 39, studier-te Biologie in Köln mit einem Auslands-studienjahr in Frankreich. Von 1991 bis2001 arbeitete sie am Lehrstuhl von Prof.Dr. Franz Oberwinkler in Tübingen mit Pil-zen. 2001 erhielt sie einen Ruf an dieUniversität Frankfurt, wo sie eine eigeneArbeitsgruppe zur Mykologie aufbaute.Seit 1992 reist sie regelmäßig in die Neo-

tropis, zur Forschung und Lehre zu Pilzen und Pflanzen. Von2003 bis 2006 koordinierte sie als Hauptverantwortliche dieAustausch-Aktivitäten im Rahmen einer Hochschulpartner-

schaft mit der Universidad Autónoma de Chiriquí (UNACHI)im Westen Panamas mit Finanzierung durch den DAAD. Sieleitet im Rahmen eines DFG-Sachmittelprojekts Forschungs-arbeiten zu pflanzenparasitischen Mikropilzen im Westen Pa-namas. Ihre Ziele sind die Verbesserung der Lehre zur tropi-schen Mykologie und die Förderung der mykologischen For-schung von Nachwuchswissenschaftlern in Panama. AlsPräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Mykologie setztsie sich auch in Deutschland dafür ein, dass Pilzen in Lehre,Forschung und öffentlicher Wahrnehmung die Rolle zugestan-den wird, die ihnen aufgrund ihrer großen Artenvielfalt undSchlüsselfunktionen im Ökosystem in der Natur zukommt.

Die Autorin

Piepenbring, M.(2003), Smut fungi(Ustilaginomycetesp.p. and Microbo-tryales, Basidiomyco-ta), Flora NeotropicaMonograph 86, NewYork Botanical Gar-den Press, New York.

Piepenbring, M.,Inventoring thefungi of Panama –Biodiversity andConservation(elektronisch veröffentlicht).

Piepenbring, M.(2006), Checklist of fungi in Panama,Puente Biológico(Revista Científicade la UniversidadAutónoma de Chiriquí) 1: S. 1–195.

Literatur

UNI 2007/01 Teil 2 04.04.2007 11:52 Uhr Seite 42