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Experimente jenseits des Labors Dietmar Fehr und Julia Schmid Jahreskonferenz des WZB-Schwerpunkts Märkte und Politik: „Field Days: Experiments Outside the Laboratory", 6. und 7. Juni 2012, gefördert durch die Fritz Thyssen Stiftung. Feldexperimente erlangten in den letzten Jah- ren zunehmend Bedeutung in der Ökonomie, da sie die Lücke zwischen Laborexperimenten und klassischen empirischen Studien schlie- ßen. Die Schwerpunktkonferenz sollte das An- wendungsspektrum der Feldstudien wider- spiegeln und Raum für Diskussionen über den Erkenntnisgewinn und die Grenzen dieser Me- thode bieten, dafür konnten elf internationale Forscher und Forscherinnen gewonnen wer- den, die ihre Arbeiten vorstellten und mit ei- nem Koreferenten und anderen Teilnehmern diskutierten. Die Bandbreite der Anwendungen von Feldexperimenten wurde in der Vielfalt der Fragen deutlich, die den einzelnen Studien zugrunde lagen: Nehmen Bibliotheksnutzer die Leihfrist ernster, wenn sie ein Mahnschreiben erhalten? Werden Straßen stärker vermüllt, wenn die Müllabfuhr seltener kommt? Versto- ßen Häftlinge vermehrt gegen Normen, wenn ihnen ihre kriminelle Vergangenheit verge- genwärtigt wird? So vielfältig wie die Fragen waren auch die Orte, an denen die Felddaten erhoben wurden. Exemplarisch seien hier ein universitätseigenes Fitnessstudio, Bibliothe- ken sowie ein ländliches Gebiet in Malawi ge- nannt. Zunächst stand die Wirkung von Anreizen auf die Arbeitsanstrengung im Mittelpunkt. David Huffman (Swarthmore College, Pennsylvania) stellte eine Studie über das Zusammenspiel von monetären Anreizen und intrinsischer Motivation vor. Gemäß der ökonomischen The- orie führen geldwerte Anreize zu einer ver- stärkten Arbeitsanstrengung. Allerdings be- steht die Befürchtung, dass monetäre Anreize die intrinsische Motivation untergraben, so- dass der Gesamteffekt von Anreizen auf die Arbeitsanstrengung möglicherweise negativ ist. Dieser Zusammenhang wurde von Huffman (mit Michael Bognanno, Temple University) an- hand eines Feldexperiments auf einem Stra- ßenfestival in Philadelphia untersucht. Ohne ihr Wissen wurden Mitarbeiter einer Telefon- Service-Firma, bei der Arbeit an einer Werbe- aktion, in zwei Gruppen aufgeteilt. Räumlich getrennt versuchten die Mitarbeiter fünf Stun- den lang auf dem Festival, Kunden für die Fir- ma zu gewinnen. Eine Gruppe von Mitarbeitern erhielt während der Werbeaktion eine Stunde lang zusätzlich zu ihrem Fixlohn einen Stück- lohn. Dieser wurde nach Ablauf der Stunde wieder zurückgenommen. Das Design der Stu- die ermöglichte es, die zunehmende Erschöp- fung der Mitarbeiter zu kontrollieren. Der öko- nomischen Anreiztheorie entsprechend ver- größerten die Mitarbeiter während der Stunde, in der sie zusätzlich für ihre Leistung bezahlt wurden, ihre Anstrengung. In den folgenden Stunden jedoch lag ihre Arbeitsleistung signi- fikant unter der der Kontrollgruppe. Diese Be- obachtung unterstützt die These, dass monetä- re Anreize dauerhaft die Motivation für die Arbeit verändern, zumal Ermüdung als Erklä- rungsgrund ausgeschlossen werden konnte. Wie sehr die intrinsische Motivation verdrängt wurde, hing von bestimmten Persönlichkeits- merkmalen der Mitarbeiter ab. Insgesamt lohnte sich die Einführung eines (teuren) Stücklohns für die Firma nicht, da die durch- schnittliche Leistung in beiden Gruppen die- selbe war. Diese Studie zeigt sehr schön, wie Feldexperi- mente einen Beitrag zur ökonomischen Dis- kussion liefern können. Im Labor ist die zu- grundeliegende Motivation schwer zu über- prüfen, da diese beispielsweise mit dem Effekt interferiert, es dem Experimentator recht ma- chen zu wollen. Auch sind Laborexperimente in ihrer Dauer begrenzt, sodass längerfristige Effekte schwer zu beobachten sind. Weitere Schwerpunkte der Konferenz waren die methodologische Diskussion des Problems der Selbstselektion bei Feldexperimenten und die Frage, wie man statistisch damit umgehen kann, sowie die Themen Regeln und deren Ein- haltung, Politikinterventionen und Diskrimi- nierung. Zu Diskriminierung stellte Lise Ves- terlund (University of Pittsburgh) eine Studie vor, in der sie gemeinsam mit Koautoren der Frage nachgeht, ob Frauen aufgrund ihres Ge- schlechts in Verhandlungen anders behandelt werden als Männer. Dazu betrachteten sie den 48 WZB Mitteilungen Heft 137 September 2012

Experimente jenseits des Labors - bibliothek.wzb.eu · Stadtlabor: Die enorme Taxendichte in Perus Hauptstadt Lima bietet der Feldforschung gute Möglich keiten. So lässt sich etwa

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Experimente jenseits des Labors

Dietmar Fehr und Julia Schmid

Jahreskonferenz des WZB-Schwerpunkts Märkte und Politik: „Field Days: Experiments Outside the Laboratory", 6. und 7. Juni 2012, gefördert durch die Fritz Thyssen Stiftung.

Feldexperimente erlangten in den letzten Jah­ren zunehmend Bedeutung in der Ökonomie, da sie die Lücke zwischen Laborexperimenten und klassischen empirischen Studien schlie­ßen. Die Schwerpunktkonferenz sollte das An­wendungsspektrum der Feldstudien wider­spiegeln und Raum für Diskussionen über den Erkenntnisgewinn und die Grenzen dieser Me­thode bieten, dafür konnten elf internationale Forscher und Forscherinnen gewonnen wer­den, die ihre Arbeiten vorstellten und mit ei­nem Koreferenten und anderen Teilnehmern diskutierten. Die Bandbreite der Anwendungen von Feldexperimenten wurde in der Vielfalt der Fragen deutlich, die den einzelnen Studien zugrunde lagen: Nehmen Bibliotheksnutzer die Leihfrist ernster, wenn sie ein Mahnschreiben erhalten? Werden Straßen stärker vermüllt, wenn die Müllabfuhr seltener kommt? Versto­ßen Häftlinge vermehrt gegen Normen, wenn ihnen ihre kriminelle Vergangenheit verge­genwärtigt wird? So vielfältig wie die Fragen waren auch die Orte, an denen die Felddaten erhoben wurden. Exemplarisch seien hier ein universitätseigenes Fitnessstudio, Bibliothe­ken sowie ein ländliches Gebiet in Malawi ge­nannt.

Zunächst stand die Wirkung von Anreizen auf die Arbeitsanstrengung im Mittelpunkt. David Huffman (Swarthmore College, Pennsylvania) stellte eine Studie über das Zusammenspiel

von monetären Anreizen und intrinsischer Motivation vor. Gemäß der ökonomischen The­orie führen geldwerte Anreize zu einer ver­stärkten Arbeitsanstrengung. Allerdings be­steht die Befürchtung, dass monetäre Anreize die intrinsische Motivation untergraben, so­dass der Gesamteffekt von Anreizen auf die Arbeitsanstrengung möglicherweise negativ ist. Dieser Zusammenhang wurde von Huffman (mit Michael Bognanno, Temple University) an­hand eines Feldexperiments auf einem Stra­ßenfestival in Philadelphia untersucht. Ohne ihr Wissen wurden Mitarbeiter einer Telefon-Service-Firma, bei der Arbeit an einer Werbe­aktion, in zwei Gruppen aufgeteilt. Räumlich getrennt versuchten die Mitarbeiter fünf Stun­den lang auf dem Festival, Kunden für die Fir­ma zu gewinnen. Eine Gruppe von Mitarbeitern erhielt während der Werbeaktion eine Stunde lang zusätzlich zu ihrem Fixlohn einen Stück­lohn. Dieser wurde nach Ablauf der Stunde wieder zurückgenommen. Das Design der Stu­die ermöglichte es, die zunehmende Erschöp­fung der Mitarbeiter zu kontrollieren. Der öko­nomischen Anreiztheorie entsprechend ver­größerten die Mitarbeiter während der Stunde, in der sie zusätzlich für ihre Leistung bezahlt wurden, ihre Anstrengung. In den folgenden Stunden jedoch lag ihre Arbeitsleistung signi­fikant unter der der Kontrollgruppe. Diese Be­obachtung unterstützt die These, dass monetä­re Anreize dauerhaft die Motivation für die Arbeit verändern, zumal Ermüdung als Erklä­rungsgrund ausgeschlossen werden konnte. Wie sehr die intrinsische Motivation verdrängt wurde, hing von bestimmten Persönlichkeits­merkmalen der Mitarbeiter ab. Insgesamt lohnte sich die Einführung eines (teuren) Stücklohns für die Firma nicht, da die durch­schnittliche Leistung in beiden Gruppen die­selbe war.

Diese Studie zeigt sehr schön, wie Feldexperi­mente einen Beitrag zur ökonomischen Dis­kussion liefern können. Im Labor ist die zu­grundeliegende Motivation schwer zu über­prüfen, da diese beispielsweise mit dem Effekt interferiert, es dem Experimentator recht ma­chen zu wollen. Auch sind Laborexperimente in ihrer Dauer begrenzt, sodass längerfristige Effekte schwer zu beobachten sind.

Weitere Schwerpunkte der Konferenz waren die methodologische Diskussion des Problems der Selbstselektion bei Feldexperimenten und die Frage, wie man statistisch damit umgehen kann, sowie die Themen Regeln und deren Ein­haltung, Politikinterventionen und Diskrimi­nierung. Zu Diskriminierung stellte Lise Ves-terlund (University of Pittsburgh) eine Studie vor, in der sie gemeinsam mit Koautoren der Frage nachgeht, ob Frauen aufgrund ihres Ge­schlechts in Verhandlungen anders behandelt werden als Männer. Dazu betrachteten sie den

48 WZB Mitteilungen Heft 137 September 2012

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Stadtlabor: Die enorme Taxendichte in Perus Hauptstadt Lima bietet der Feldforschung gute Möglich­keiten. So lässt sich etwa erforschen, ob Männer und Frauen unterschiedlich gute Verhandlungsposi­tionen beim üblichen freien Aushandeln des Fahrpreises haben. [Foto: picture alliance / Uwe Gerig]

extrem kompetitiven Markt für Taxifahrten in Lima, Peru. Dort ist das Taxi das meist gewählte Transportmittel für Fahrten in der Innenstadt, gerade während der Rushhour. Nachfrage und Angebot sind stark. Taxameter werden nicht genutzt, sodass der Preis für die Fahrt vor Fahrtantritt am Autofenster individuell zwi¬ schen Fahrgast und Fahrer ausgehandelt wird. Es kommt häufig vor, dass die Preisverhand¬ lungen scheitern, das Taxi weiterfährt und der Passagier das nächste Taxi heranwinkt. Die Wissenschaftler instruierten einige ausge¬ wählte Frauen und Männer, als Taxipassagiere einem festgelegten Verhandlungsverlauf zu folgen. Zunächst fanden sie heraus, dass Män­ner vom jeweiligen Fahrer mit einem höheren Einstiegsgebot konfrontiert und auch häufiger als Passagier abgelehnt wurden als Frauen. Dieser Befund steht zunächst mit statistischer wie auch mit präferenzbasierter Diskriminie¬ rung in Einklang. Haben Frauen im Durch¬ schnitt beispielweise eine geringere Zahlungs¬ bereitschaft für Taxifahrten, hätte die Anders¬ behandlung einen rationalen Hintergrund. Um diese Erklärung von der präferenzbasierten abzugrenzen, arbeiteten die Forscher mit einer

weiteren Versuchsanordnung, bei der die Pas­sagiere ihre Zahlungsbereitschaft vor Fahrtan­tritt signalisierten. Dieses Signal hatte zur Fol­ge, dass Frauen und Männer von den Taxifah­rern gleich behandelt wurden. Somit sind durchdachte statistische Schlussfolgerungen der Grund für die Ungleichbehandlung zwi­schen Geschlechtern. Es scheint, dass Taxifah­rer entweder keine besondere Präferenz hin¬ sichtlich des Geschlechts ihrer Passagiere haben oder dass der Wettbewerbsdruck ver¬ hindert, dass solche Präferenzen in Form von Ungleichbehandlung zum Ausdruck kommen.

Neben den internationalen Teilnehmern haben auch zahlreiche interessierte Wissenschaftler von Berliner Institutionen unter anderem auch aus dem Doktorandenprogramm Berlin Docto­ral Program in Economics & Management Sci¬ ence und dem Deutschen Institut für Wirt¬ schaftsforschung teilgenommen. Der Erfolg der Konferenz lässt sich wohl auch daran mes­sen, dass es Pläne gibt, die „Field Days" im nächsten Jahr an einem anderen Ort zu wie¬ derholen.

WZB Mitteilungen Heft 137 September 2012 49