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Experimentelle Untersuchungen von Stick-Slip Schwingungen an Scheibenwischern P. Grönefeld und M. Kröger Institut für Dynamik und Schwingungen, Leibniz Universität Hannover, Germany. In Kraftfahrzeugen jeglicher Art werden Scheibenwischer zum Reinigen der Windschutzscheibe verwendet. Die Wischerblät- ter aus Gummi unterliegen dabei hohen Beanspruchungen durch Abgase, Sonneneinstrahlung, Verschmutzungen sowie Eis und Schnee. Die komplexe Reibcharakteristik des Materials führt bei gewissen Parameterzuständen aufgrund einer fallenden Reibkennlinie dazu, dass Stick-Slip-Schwingungen entstehen, die sich durch Rattern und Quietschen des Wischerblattes auf der Scheibe äußern und damit erhebliche Komfort- und Funktionseinbußen nach sich ziehen. Mit Hilfe unterschiedlicher Prüfstände und Proben werden durch die Variation von Parametern wie Anpresskraft, Ge- schwindigkeit und Nässezustand verschiedene Belastungen getestet und die entstehenden Schwingungen untersucht. Die so ermittelten Grenzzykel können Aufschluss über Möglichkeiten zur Optimierung der Wischerkonstruktion geben. 1 Einleitung Scheibenwischer sind heute in jedem Kraftfahrzeug installiert und stellen ein wichtiges Bauteil in Bezug auf die Sicherheit dar. Sie sind verantwortlich für die komfortable Entfernung von Wasser und Verunreinigungen auf Front- und Heckscheibe. Neben Regenwasser und Schnee zählen dazu Verschmutzungen wie Staub, Öl und Insekten. Abseits des normalen Betriebszustandes sorgen weitere Effekte für einen verstärkten Verschleiß der Wischerblätter: durch lange Haftzeiten während Trockenperioden, in denen die Wischer nicht verwendet werden, bilden sich Adhäsionsbindungen aus, die zu großen Losbrechkräften führen. Des Weiteren lassen hohe Temperatureinflüsse durch Sonneneinstrahlung sowie Frost das Material schnell altern. Diese Effekte führen zusammen mit dem regulären Verschleiß dazu, dass mit zunehmender Lebensdauer ein Quietschen und Rattern auf der Windschutzscheibe entsteht, das sowohl die Wischqualität verringert als auch den Komfort deutlich mindert. Durch Materialmodifikation sowie Beschichtungen und Geometrieveränderungen soll diesem Alterungsprozess entgegengewirkt und die Lebensdauer der Wischerblätter erhöht werden. Um sinnvolle Ansatzpunkte zu finden, müssen allerdings zuerst die Reibphänomene zwischen Wischerblatt und Oberfläche genauer untersucht werden. Zu diesem Zweck werden im Zuge dieses Papers Stick-Slip-Schwingungen untersucht. 2 Messungen Für die Messungen wird der am IDS vorhandene Tribometer Prüfstand verwendet. Als Reibfläche dient eine Verbundglas- scheibe. Das Aufbringen der Normalkraft auf den 4cm langen Probenkörper geschieht mit Hilfe einer Wegvorgabe, da eine Kraftvorgabe aufgrund der geringen Kräfte nicht ohne Weiteres zu realisieren ist. Sämtliche Messungen werden auf einer abtrocknenden Scheibe durchgeführt, die das Auftreten des Stick-Slip-Effekts in besonderer Weise begünstigt. Die Messung der Auslenkungen und Geschwindigkeiten übernimmt ein Laservibrometer. -0,008 -0,006 0 0,006 0,008 -50 0 50 displacement s [mm] velocity v [mm/s] a) -0.015 -0.01 -0.005 0 0.005 0.01 0.015 -100 -50 0 50 100 150 displacement s [mm] velocity v [mm/s] b) -0.025 0 0.025 -150 -75 0 75 150 displacement s [mm] velocity v [mm/s] c) Abb. 1 Gemessene Grenzzykel bei Geschwindigkeiten von 100 mm/s (a), 200 mm/s (b) und 300 mm/s (c) Die Geschwindigkeit der rotierenden Scheibe wird zwischen v Scheibe =100 und v Scheibe =300 mm/s variiert. Daraus erge- ben sich die in Abbildung 1 gemessenen Grenzzykel, die sich mit zunehmender Geschwindigkeit erwartungsgemäß vergrößern. Sowohl die Amplitude der Auslenkung als auch die Relativgeschwindigkeit zwischen Scheibe und Wischerlippe nehmen zu. Des weiteren ist zu beobachten, dass die Grenzzykel sich stabil verhalten aber leichten Schwankungen unterworfen sind. Corresponding author: e-mail: [email protected], Phone: +49 511 762 5999, Fax: +49 511 762 4164 PAMM · Proc. Appl. Math. Mech. 7, 40500374050038 (2007) / DOI 10.1002/pamm.200701088 © 2007 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim © 2007 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

Experimentelle Untersuchungen von Stick-Slip Schwingungen an Scheibenwischern

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Experimentelle Untersuchungen von Stick-Slip Schwingungenan Scheibenwischern

P. Grönefeld∗ und M. KrögerInstitut für Dynamik und Schwingungen, Leibniz Universität Hannover, Germany.

In Kraftfahrzeugen jeglicher Art werden Scheibenwischer zum Reinigen der Windschutzscheibe verwendet. Die Wischerblät-ter aus Gummi unterliegen dabei hohen Beanspruchungen durch Abgase, Sonneneinstrahlung, Verschmutzungen sowie Eisund Schnee. Die komplexe Reibcharakteristik des Materials führt bei gewissen Parameterzuständen aufgrund einer fallendenReibkennlinie dazu, dass Stick-Slip-Schwingungen entstehen, die sich durch Rattern und Quietschen des Wischerblattes aufder Scheibe äußern und damit erhebliche Komfort- und Funktionseinbußen nach sich ziehen.

Mit Hilfe unterschiedlicher Prüfstände und Proben werden durch die Variation von Parametern wie Anpresskraft, Ge-schwindigkeit und Nässezustand verschiedene Belastungen getestet und die entstehenden Schwingungen untersucht. Die soermittelten Grenzzykel können Aufschluss über Möglichkeiten zur Optimierung der Wischerkonstruktion geben.

1 Einleitung

Scheibenwischer sind heute in jedem Kraftfahrzeug installiert und stellen ein wichtiges Bauteil in Bezug auf die Sicherheitdar. Sie sind verantwortlich für die komfortable Entfernung von Wasser und Verunreinigungen auf Front- und Heckscheibe.Neben Regenwasser und Schnee zählen dazu Verschmutzungen wie Staub, Öl und Insekten.

Abseits des normalen Betriebszustandes sorgen weitere Effekte für einen verstärkten Verschleiß der Wischerblätter: durchlange Haftzeiten während Trockenperioden, in denen die Wischer nicht verwendet werden, bilden sich Adhäsionsbindungenaus, die zu großen Losbrechkräften führen. Des Weiteren lassen hohe Temperatureinflüsse durch Sonneneinstrahlung sowieFrost das Material schnell altern. Diese Effekte führen zusammen mit dem regulären Verschleiß dazu, dass mit zunehmenderLebensdauer ein Quietschen und Rattern auf der Windschutzscheibe entsteht, das sowohl die Wischqualität verringert als auchden Komfort deutlich mindert. Durch Materialmodifikation sowie Beschichtungen und Geometrieveränderungen soll diesemAlterungsprozess entgegengewirkt und die Lebensdauer der Wischerblätter erhöht werden. Um sinnvolle Ansatzpunkte zufinden, müssen allerdings zuerst die Reibphänomene zwischen Wischerblatt und Oberfläche genauer untersucht werden. Zudiesem Zweck werden im Zuge dieses Papers Stick-Slip-Schwingungen untersucht.

2 Messungen

Für die Messungen wird der am IDS vorhandene Tribometer Prüfstand verwendet. Als Reibfläche dient eine Verbundglas-scheibe. Das Aufbringen der Normalkraft auf den 4 cm langen Probenkörper geschieht mit Hilfe einer Wegvorgabe, da eineKraftvorgabe aufgrund der geringen Kräfte nicht ohne Weiteres zu realisieren ist. Sämtliche Messungen werden auf einerabtrocknenden Scheibe durchgeführt, die das Auftreten des Stick-Slip-Effekts in besonderer Weise begünstigt. Die Messungder Auslenkungen und Geschwindigkeiten übernimmt ein Laservibrometer.

-0,008 -0,006 0 0,006 0,008-50

0

50

displacement s [mm]

vel

oci

tyv

[mm

/s]

a)-0.015 -0.01 -0.005 0 0.005 0.01 0.015

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displacement s [mm]

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displacement s [mm]

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c)

Abb. 1 Gemessene Grenzzykel bei Geschwindigkeiten von 100mm/s (a), 200mm/s (b) und 300mm/s (c)

Die Geschwindigkeit der rotierenden Scheibe wird zwischen vScheibe =100 und vScheibe =300 mm/s variiert. Daraus erge-ben sich die in Abbildung 1 gemessenen Grenzzykel, die sich mit zunehmender Geschwindigkeit erwartungsgemäß vergrößern.Sowohl die Amplitude der Auslenkung als auch die Relativgeschwindigkeit zwischen Scheibe und Wischerlippe nehmen zu.Des weiteren ist zu beobachten, dass die Grenzzykel sich stabil verhalten aber leichten Schwankungen unterworfen sind.

∗ Corresponding author: e-mail: [email protected], Phone: +49 511 762 5999, Fax: +49 511 762 4164

PAMM · Proc. Appl. Math. Mech. 7, 4050037–4050038 (2007) / DOI 10.1002/pamm.200701088

© 2007 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

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3 Simulation

Für die Simulation des auftretenden Stick-Slip-Effektes ist es von zentraler Bedeutung, die benötigten Parameter aus der realenApplikation möglichst genau zu identifizieren. Für den Dämpfungsgrad geschieht dies mit Hilfe eines Ausschwingversuchs.Dazu wird die Scheibenwischerprobe bis zum Arbeitspunkt ausgelenkt und anschließend losgelassen. Die auftretenden, ab-klingenden Schwingungen werden dabei mit Hilfe eines Laservibrometers gemessen. Dieser Versuch wird zum Nachweis derReproduzierbarkeit vier mal wiederholt. Das Ergebnis der Messungen zeigt Abbildung 2. Aus diesen Versuchen lässt sich derDämpfungsgrad zu D = 0, 09 bestimmen.

0 0,02 0,04 0,06-1000

-500

0

500

1000

1500

time t [s]

vel

oci

tyv

[mm

/s]

Abb. 2 Vier Ausschwingversuche zur Er-mittlung des Dämpfungsgrades

0.5 1 1.5 2 2.5-0.1

0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

Wiper blade displacement [mm]

Tan

gen

tial

forc

e[N

]

Measurement

Approximation

Abb. 3 Ermittlung der Tangentialsteifigkeitdurch lineare Approximation

-0,008 -0,004 0 0,004 0,008-50

0

50

displacement s [mm]

vel

oci

tyv

[mm

/s]

MessungRechnung

Abb. 4 Vergleich der Messung mit der Si-mulation

Neben dem Dämpfungsgrad ist die Tangentialsteifigkeit der untersuchten Probe von Bedeutung. Diese wird mit Hilfeeines Versuchs aufgenommen, indem die Rückstellkraft der ausgelenkten Wischerblattlippe mit Hilfe eines Kraftsensors auf-genommen wird. Das aufgrund der geringen Kräfte verrauschte Signal (Abbildung 3) wird mit Hilfe eines linearen Ansatzesangenähert. Aus dieser linearen Approximation lässt sich die Steifigkeit zu c = 0, 14 N/mm bestimmen.

Aufgrund des genannten Wertes für die Steifigkeit sowie einer Frequenz der gedämpften Schwingung von ωd = 846 Hzerrechnet sich das Gewicht der dynamischen Masse zu mdyn = 0, 19 g. Dieser Wert liegt im erwarteten Bereich, da dieGesamtmasse der gemessenen Wischerblattlippe mges = 0, 47 g beträgt.

Die verwendete Scheibenwischerprobe wird mit Hilfe eines einfachen Ein-Massen-Schwingers modelliert. Ein solchesModell, das in Ansätzen auch in [1] beschrieben ist, führt zu einer Differenzialgleichung der Form

mx + dx + cx = μ(p, v, t)FN , für x < vScheibe.

Diese Gleichung wird mit Hilfe von MATLAB/Simulink R© in ein Blockschaltbild umgesetzt, deren Parameter aus der voraus-gegangenen Parameteridentifikation ermittelt wurden. Das so entstehende Simulationsergebnis im Vergleich mit den gemesse-nen Werten zeigt Abbildung 4. Es ist erkennbar, dass die Simulation in erster Näherung gut mit der Messung übereinstimmt,auftretende Abweichungen könnten sowohl aus der Reibkennlinie, einer (stückweise linearen) Approximation der Stribeck-charakteristik, als auch aus instationären Reibeffekten resultieren.

4 Zusammenfassung

Das vorliegende Paper zeigt, dass sich mit Hilfe einer Verbundglasscheibe und eines Standard Scheibenwischerblattes stabileStick-Slip-Grenzzykel innerhalb verschiedener Geschwindigkeitsbereiche messen lassen. Durch verschiedene Experimentekonnten die Parameter der verwendeten Probe identifiziert werden.

Mit Hilfe eines Ein-Massen-Schwingers wurde in MATLAB/Simulink R© einModell erstellt, das die gemessenen Grenzzykelsimuliert. Das erreichte Ergebnis stimmt relativ gut mit der Messung überein. Die noch vorhandenen Abweichungen sollenim Zuge weiterer Untersuchungen sowie Optimierungen weiter vermindert werden.

Danksagung Die Autoren danken der EU für die finanzielle Unterstützung im Rahmen des Projektes KRISTAL.

Literatur[1] H. E. Scherf: Modellbildung und Simulation dynamischer Prozesse, Oldenbourg Verlag München Wien, 2003.[2] K. Magnus und K. Popp: Schwingungen, 5. Ausgabe, B. G. Teubner Stuttgart, 1997.[3] M. Lindner, M. Kröger, K. Popp und M. Gimenez: Stick-slip behaviour of seals with respect to time dependent friction forces, Procee-

dings of IMECE, Seiten 1-6, Paper 59586, Anaheim (Kalifornien), 2004.[4] A. Koenen und A. Sanon: Tribological and vibroacoustic behavior of a contact between rubber and glass (application to wiper blade),

Tribiol Int., 2007.

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GAMM Sections 4050038