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6 Autoportret EXPERTENMEINUNG U nsichere und ungesicherte Wertschöpfungssysteme können zu einem unkalkulierbaren unternehmerischen Risiko werden. Der Schutz vor Diebstahl sowohl des geistigen, als auch des physischen Eigentums von Unternehmen erfordert ein in sich integriertes und über Unternehmensgrenzen hinweg gehendes Supply Chain Sicherheitsmanagement. Unerlässlich ist im Zuge zunehmender Wirtschaftskriminalität in den Wertschöpfungsnetzwerken die sog. Supply Chain Security, d.h. die Entwicklung und Anwendung von Maßnahmen und Konzepten zur Prozess-Absicherung und Risiko-Minimierung entlang von Wertschöpfungsketten. Supply Chain Security beginnt bereits bei der Produktentwicklung und endet mit der Auslieferung der Produkte bzw. an der Kasse im Handel. Es nützt nichts, wenn im eigenen Hause ein gutes Risiko- und Sicherheitsmanagement System implementiert ist, aber bei Lieferanten, Logistikdienstleistern und Kunden Daten und Güter unzureichend geschützt werden. Kriminelle suchen sich immer die schwächsten Stellen in Liefer- und Transportketten aus. Die untenstehenden Graphik verdeutlicht, dass Kriminalität in facettenreichen Formen die fragilen Wertschöpfungsketten bedroht. Bedrohungen Zum Beispiel boomt die Wirtschafts- spionage: So berichtete der NRW- Verfassungsschutzbericht 2012 (S. 153 f) über zunehmende Wirtschaftsspionage u.a. aus China, Russland und dem Iran. Den jährlichen Schaden beziffern Kriminalität entlang von Supply Chains Unter Supply Chain Management versteht man die unternehmensübergreifende Planung, Steuerung und kontinuierliche Verbesserung der Material-, Informations- und Geldflüsse entlang von Wertschöp- fungsketten. Mit abnehmender Fertigungstiefe werden Wertschöpfungsaufgaben immer stärker zergliedert, so dass komplexe Liefernetzwerke unter Ausnutzung regionaler Fertigungsvorteile entstehen. Risiken für die Versorgungskette Wirtschafts- spionage Produkt- und Markenpiraterie Korruption und Bestechung Lieferanten- betrug Käuferbetrug Terrorismus Daten- manipulation Sabotage (eigene MA) Diebstahl Organisations-/ Prozessfehler Quelle: Eigene Darstellung, Dr. Ulrich Franke

ExpErtEnmEinung Kriminalität entlang von Supply Chains

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Page 1: ExpErtEnmEinung Kriminalität entlang von Supply Chains

6 Autoportret

ExpErtEnmEinung

Unsichere und ungesicherte Wertschöpfungssysteme können zu einem unkalkulierbaren

unternehmerischen Risiko werden. Der Schutz vor Diebstahl sowohl des geistigen, als auch des physischen Eigentums von Unternehmen erfordert ein in sich integriertes und über Unternehmensgrenzen hinweg gehendes Supply Chain Sicherheitsmanagement. Unerlässlich ist im Zuge zunehmender Wirtschaftskriminalität in den Wertschöpfungsnetzwerken die sog. Supply Chain Security, d.h. die Entwicklung

und Anwendung von Maßnahmen und Konzepten zur Prozess-Absicherung und Risiko-Minimierung entlang von Wertschöpfungsketten. Supply Chain Security beginnt bereits bei der Produktentwicklung und endet mit der Auslieferung der Produkte bzw. an der Kasse im Handel. Es nützt nichts, wenn im eigenen Hause ein gutes Risiko- und Sicherheitsmanagement System implementiert ist, aber bei Lieferanten, Logistikdienstleistern und Kunden Daten und Güter unzureichend geschützt werden. Kriminelle suchen sich immer

die schwächsten Stellen in Liefer- und Transportketten aus. Die untenstehenden Graphik verdeutlicht, dass Kriminalität in facettenreichen Formen die fragilen Wertschöpfungsketten bedroht. Bedrohungen Zum Beispiel boomt die Wirtschafts-spionage: So berichtete der NRW-Verfassungsschutzbericht 2012 (S. 153 f) über zunehmende Wirtschaftsspionage u.a. aus China, Russland und dem Iran. Den jährlichen Schaden beziffern

Kriminalität entlang von Supply Chains Unter Supply Chain Management versteht man die unternehmensübergreifende Planung, Steuerung und kontinuierliche Verbesserung der Material-, Informations- und Geldflüsse entlang von Wertschöp-fungsketten. Mit abnehmender Fertigungstiefe werden Wertschöpfungsaufgaben immer stärker zergliedert, so dass komplexe Liefernetzwerke unter Ausnutzung regionaler Fertigungsvorteile entstehen.

Risiken für die Versorgungskette

Wirtschafts-

spionage

Produkt- und

Markenpiraterie

Korruption und

Bestechung

Lieferanten-

betrug

Käuferbetrug

Terro

rismus

Daten-

manipulation

Sabotage

(eigene MA)

Diebstahl

Organisations-/

Prozessfehler

Quelle: Eigene Darstellung, Dr. Ulrich Franke

Page 2: ExpErtEnmEinung Kriminalität entlang von Supply Chains

7Das Magazin für die Kunden der Raben Group

ExpErtEnmEinung

Sicherheitsexperten bundesweit auf einen zweistelligen Milliardenbetrag. Chinesische Spione spähen gezielt innovative Produkte aus, um in den Besitz wissenschaftlich-technischen Know-hows für die eigene Industrie zu gelangen. Dabei sind alle Beteiligten eines Wertschöpfungsnetzwerkes potentielle Angriffsziele, auch Logistikdienstleister. Ein anderes Beispiel für Kriminalität in der Logistik sind Frachtendiebstähle. Diese haben in Europa in den letzten Jahren erheblich zugenommen. So zeigen die Zahlen der TAPA (Transported Asset Protection Association) eine dramatische Entwicklung der Diebstähle von LKW, Ladungen sowie aus Lägern. Und diese besorgniserregende Entwicklung setzt sich fort. Laut TAPA gab es bereits in den ersten drei Quartalen 2014 nur in Deutschland schon 192 Frachten- und Lagerdiebstähle. Über ein konkretes Beispiel berichtete die Verkehrsrundschau im Dezember 2014.1 So hat die Polizei einen international verzweigten Ring von Frachtdieben im

nordfranzösischen Lesquin bei Lille das Handwerk gelegt. Diese Bande war in der Region seit zwei Jahren aktiv und der entstandene Schaden wird auf mehrere Millionen Euro geschätzt. Die Vorgehensweise der Bande hat die Behörden davon überzeugt, dass es sich um eine perfekt organisierte Gang handelt. Sie kundschaftete zunächst eingehend das Terrain aus und schlug meist an Wochenenden zu. Solche Beispiele unterstreichen die besondere Verpflichtung von Unternehmensleitungen ihre Unternehmen vor allen internen und externen Gefahren zu schützen. Was bedeutet das in der Praxis? Die bisherigen drei Supply Chain Planungsprämissen und Optimierungsparameter: Kosten, Zeit und Qualität, müssen um eine vierte Dimension, die des Risiko- und Sicherheitsmanagements, erweitert werden. So stellen sich bereits in der Produktentwicklung Sicherheitsfragen, wie beispielsweise die nach der Fertigungstiefe, der Auswahl zuverlässiger Lieferanten,

seriösen Distributionskanälen sowie risikoarmer Transportwege, Lagerorte und Verkaufsfilialen. Potentielle Risiken entlang der Supply Chain müssen strukturiert, analysiert, bewertet und priorisiert werden. Erst nach einer detaillierten Analyse der Gefährdungsquellen können technische Maßnahmen implementiert, organisatorische und prozessuale Strukturen und Abläufe geplant und eingeführt sowie juristische Vorkehrungen getroffen werden. Basierend auf einem fortlaufenden Verbesserungsprozess, der nach Möglichkeit auch die wichtigsten Supply Chain Partner integriert, muss dann nachhaltig versucht werden, mit den Kriminellen Schritt zu halten, oder besser, sogar noch einen Schritt voraus zu sein. Um die Geschäftsführung von Ihrer persönlichen Haftung zu entlasten, ist neben einem unternehmensinternen Risikomanagement und dem entsprechenden Aufbau eines Compliance-Systems, welches die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben sicherstellt, auch ein Supply Chain Risiko- und Sicherheitsmanagement absolut notwendig. Ähnlich wie beim Thema Qualität und der Zertifizierung nach ISO 9000, können Unternehmensleitungen nach Außen ihre Anstrengungen in Bezug auf Sicherheit durch die ISO 27000 (IT Security) und die ISO 28000 (Supply Chain Security) Zertifizierung dokumentieren. Auf Grund der stetig wachsenden Bedrohungslage wird ein zuverlässiges Risiko- und Sicherheitsmanagement entlang der Wertschöpfungsketten zukünftig zu einem wesentlichen Wettbewerbsfaktor.

Dr. Ulrich Franke

2012286

200177

88

64 62 5035 34 25 25 21

ESPSAPOLSWERUSAUTITAFRAGBRBELDEUNED

2013

Quelle: TAPA ‒ Transported Asset Protection Association

Dr. Ulrich Franke

ist Leiter des Institute for Supply Chain Security GmbH. Bereits seit über 10 Jahren berät Dr. Franke sowohl führende Konsumgüterhersteller als auch mehrere große Einzelhandelsunternehmen im Bereich Risiko- und Sicherheitsmanagement in der Logistik.Als gelernter Speditionskaufmann studierte Dr. Franke Betriebswirtschaftslehre und promovierte als Jahrgangsbester an der Cranfield University, Centre for Logistics and Transportation, in England. Dr. Franke arbeitete viele Jahre in führenden Positionen bei Industrie- und Logistikunternehmen im In- und Ausland. Des Weiteren war Dr. Franke als Professor für Logistik und Supply Chain Management an der privaten SRH Hochschule für Logistik und Wirtschaft in Hamm tätig. Diese spezialisierte Logistikhochschule leitete er als Rektor und Geschäftsführer über 3 Jahre.

1 http://www.verkehrsrundschau.de/franzoesische-polizei-ueberfuehrt-frachtdiebe-1570173.html, Stand 07.02.2015.