2
SWISSEXPORT JOURNAL 1. Quartal 2016 [ 31 ] Der nunmehr seit Monaten im Sinkflug befindliche Öl- preis erfreut die Verbraucher in ganz Europa, sorgt aller- dings gleichzeitig in den Förderländern der Golfregion für Verunsicherung und finanzielle Probleme. Erstmals seit vielen Jahren mussten Staaten wie Saudi-Arabien, Kuwait oder die Vereinigten Arabischen Emirate für das laufende Jahr 2015 Haushaltsdefizite in Milliardenhöhe eingestehen, die auf Sicht allerdings noch durch milli- ardenschwere Kapitalreserven der Länder problemlos aufgefangen werden können. Dennoch stellt sich für die politischen Entscheider vor Ort spätestens seit dem merk- lichen Rückgang der Einnahmen aus dem Ölgeschäft die Frage nach einem dauerhaft erfolgreichen Geschäftsmo- dell für die lokalen Volkswirtschaften. Klar ist, der Öl- und Gasreichtum der Golfstaaten wird nicht dauerhaft ausreichen, um die derzeitige, stark expansive staatliche Ausgabenpolitik weiter fortzuführen. Diversifizierung der Wirtschaft heisst daher die Hauptaufgabe für die nächsten Jahre, um so die Abhängigkeit vom Öl zu redu- zieren und den Ausbau der lokalen Realwirtschaft weiter voranzutreiben. Wer sich heute in den Golfstaaten unternehmerisch engagiert, erlebt eine Region im wirtschaftlichen Auf- bruch und Wandel. Eine besonders fulminante Entwick- lung hin zu einem modernen Wirtschaftsstandort und einer überregionalen Handelsdrehscheibe haben bereits die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) genommen. Mit den weltweit noch immer fünftgrössten Ölreserven, einem Pro-Kopf–Einkommen von rund 45’000 USD, sta- bilen wirtschaftlichen Wachstumsraten und einem in- ternationalem Kapitalvermögen von geschätzt mehreren hundert Milliarden Euro gehört die aus sieben Teilemira- ten bestehende Föderation zu den reichsten Staaten der Welt. Gleichzeitig gelten die Emirate weit über die Region hinaus heute als wirtschaftpolitischer Musterknabe und Vorzeigebeispiel für eine erfolge Diversifizierungspolitik, entwickelte sich hier in den letzten 15 Jahren doch ein Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell, das weltweit sei- nesgleichen sucht. Insbesondere wurden von Seiten der emiratischen Re- gierung konsequent wichtige Wachstumsimpulse – die gerade für ausländische Investoren im internationalen Standortwettbewerb wichtig sind – gezielt gesetzt. Zwar bleiben die öffentlichen Finanzen bislang – trotz der vo- ranschreitenden Diversifizierung der Wirtschaft – noch stark abhängig von den Öleinnahmen, ist die zwischen- zeitliche Wirtschaftsentwicklung der letzten Jahre im sogenannten ‹Nichtölsektor› allerdings bemerkenswert. Noch vor wenigen Jahrzehnten lebte die Bevölkerung der Emirate kärglich vom Handel und der Perlenfische- rei, liegen Gegenwart und Zukunft der VAE inzwischen längst in den Wachstumssektoren Tourismus und Han- del, sowie Industrie und Finanzdienstleistungen. Spek- takuläre Bauten wie etwa das Burj Khalifa als höchstes Gebäude der Welt und gigantische Handels- und Indus- triezonen wie das Dubai International Financial Centre, Jebel Ali oder Dubai Internet City sind dabei der sicht- bare Teil des Strukturwandels. Genau diese Mischung aus Wirtschaftskraft und liberalem Lifestyle zieht Millio- nen ausländische Arbeitnehmer in die Metrolpolen Abu Dhabi und Dubai. Rund 85 Prozent der vor Ort lebenden Bevölkerung der Emirate sind Ausländer, die von der ex- zellenten Infrastruktur sowie natürlich auch der gene- rellen Steuerfreiheit profitieren. EXPERTENWISSEN > Dubai 2020 Dubai 2020 – Wachstum und Wandel in der Golfregion Holger Ochs IN ABU DHABI SOLLTEN BIS 2020 DIE LANGE ERWARTETEN MUSEUMS- ABLEGER DES PARISER LOUVRE UND DES GUGGENHEIM MUSEUMS ERÖFFNET SEIN

EXPERTENWISSEN Dubai 2020 - intergest.com · [ 32 ] swissexportJournal 1. Quartal 2016 swissexportJournal 1. Quartal 2016 [ 33 ] Im November 2013 hat Dubai, als erster arabischer

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: EXPERTENWISSEN Dubai 2020 - intergest.com · [ 32 ] swissexportJournal 1. Quartal 2016 swissexportJournal 1. Quartal 2016 [ 33 ] Im November 2013 hat Dubai, als erster arabischer

swissexportJournal 1. Quartal 2016[ 30 ] swissexportJournal 1. Quartal 2016 [ 31 ]

Der nunmehr seit Monaten im Sinkflug befindliche Öl-preis erfreut die Verbraucher in ganz Europa, sorgt aller-dings gleichzeitig in den Förderländern der Golfregion für Verunsicherung und finanzielle Probleme. Erstmals seit vielen Jahren mussten Staaten wie Saudi-Arabien, Kuwait oder die Vereinigten Arabischen Emirate für das laufende Jahr 2015 Haushaltsdefizite in Milliardenhöhe eingestehen, die auf Sicht allerdings noch durch milli-ardenschwere Kapitalreserven der Länder problemlos aufgefangen werden können. Dennoch stellt sich für die politischen Entscheider vor Ort spätestens seit dem merk-lichen Rückgang der Einnahmen aus dem Ölgeschäft die Frage nach einem dauerhaft erfolgreichen Geschäftsmo-dell für die lokalen Volkswirtschaften. Klar ist, der Öl- und Gasreichtum der Golfstaaten wird nicht dauerhaft ausreichen, um die derzeitige, stark expansive staatliche Ausgabenpolitik weiter fortzuführen. Diversifizierung der Wirtschaft heisst daher die Hauptaufgabe für die nächsten Jahre, um so die Abhängigkeit vom Öl zu redu-zieren und den Ausbau der lokalen Realwirtschaft weiter voranzutreiben. Wer sich heute in den Golfstaaten unternehmerisch engagiert, erlebt eine Region im wirtschaftlichen Auf-bruch und Wandel. Eine besonders fulminante Entwick-lung hin zu einem modernen Wirtschaftsstandort und einer überregionalen Handelsdrehscheibe haben bereits die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) genommen. Mit den weltweit noch immer fünftgrössten Ölreserven, einem Pro-Kopf–Einkommen von rund 45’000 USD, sta-bilen wirtschaftlichen Wachstumsraten und einem in-ternationalem Kapitalvermögen von geschätzt mehreren hundert Milliarden Euro gehört die aus sieben Teilemira-ten bestehende Föderation zu den reichsten Staaten der Welt. Gleichzeitig gelten die Emirate weit über die Region hinaus heute als wirtschaftpolitischer Musterknabe und Vorzeigebeispiel für eine erfolge Diversifizierungspolitik,

entwickelte sich hier in den letzten 15 Jahren doch ein Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell, das weltweit sei-nesgleichen sucht. Insbesondere wurden von Seiten der emiratischen Re-gierung konsequent wichtige Wachstumsimpulse – die gerade für ausländische Investoren im internationalen Standortwettbewerb wichtig sind – gezielt gesetzt. Zwar bleiben die öffentlichen Finanzen bislang – trotz der vo-ranschreitenden Diversifizierung der Wirtschaft – noch stark abhängig von den Öleinnahmen, ist die zwischen-zeitliche Wirtschaftsentwicklung der letzten Jahre im sogenannten ‹Nichtölsektor› allerdings bemerkenswert. Noch vor wenigen Jahrzehnten lebte die Bevölkerung der Emirate kärglich vom Handel und der Perlenfische-rei, liegen Gegenwart und Zukunft der VAE inzwischen

längst in den Wachstumssektoren Tourismus und Han-del, sowie Industrie und Finanzdienstleistungen. Spek-takuläre Bauten wie etwa das Burj Khalifa als höchstes Gebäude der Welt und gigantische Handels- und Indus-triezonen wie das Dubai International Financial Centre, Jebel Ali oder Dubai Internet City sind dabei der sicht-bare Teil des Strukturwandels. Genau diese Mischung aus Wirtschaftskraft und liberalem Lifestyle zieht Millio-nen ausländische Arbeitnehmer in die Metrolpolen Abu Dhabi und Dubai. Rund 85 Prozent der vor Ort lebenden Bevölkerung der Emirate sind Ausländer, die von der ex-zellenten Infrastruktur sowie natürlich auch der gene-rellen Steuerfreiheit profitieren.

EXPERTENWISSEN > Dubai 2020

Dubai 2020 – Wachstum und Wandel in der Golfregion Holger Ochs

In Abu DhAbI SOLLTEn bIS 2020 DIE LAngE ErwArTETEn MuSEuMS-AbLEgEr DES PArISEr LOuvrE unD DES guggEnhEIM MuSEuMS EröffnET SEIn

Page 2: EXPERTENWISSEN Dubai 2020 - intergest.com · [ 32 ] swissexportJournal 1. Quartal 2016 swissexportJournal 1. Quartal 2016 [ 33 ] Im November 2013 hat Dubai, als erster arabischer

swissexportJournal 1. Quartal 2016[ 32 ] swissexportJournal 1. Quartal 2016 [ 33 ]

Im November 2013 hat Dubai, als erster arabischer Bewer-ber den Zuschlag zur Ausrichtung der Weltausstellung erhalten. Im Zuge der Bewerbung für die Expo 2020 hat Dubai ganz bewusst auf ein modernes, tolerantes und of-fenes Bild der arabischen Welt gesetzt und sich damit im Vergabeverfahren deutlich gegen die russische Stadt Jeka-terinburg, das türkische Izmir und São Paulo durchgesetzt. Die Ausstellung wird die Bedeutung des Emirats Dubai als regionale Geschäfts- und Tourismusdrehscheibe wei-ter stärken. Zu dem Mega-Event sollen nach Schätzungen der Initiatoren rund 25 Millionen Besucher kommen, da-von mehr als zwei Drittel aus dem Ausland. Zahlreiche Grossprojekte rund um den Bau des Ausstellungsgelän-des wurden bereits angekündigt. Ersten Prognosen zufol-ge wird das Emirat selbst Investitionsvorhaben im Wert von etwa acht Milliarden US-Dollars rund um die Veran-staltung realisieren. Der wahre Wert des Events, der un-ter dem Motto «Connecting Minds, Creating the Future» stattfindet, liegt letztlich natürlich in seinem Vermächt-nis, also den langfristigen Folgen für das Emirat und die gesamte Region. Zahlreiche Wirtschaftsbereiche Dubais wie der Bausektor, das Transportwesen, das Hotelgewer-be sowie der Einzelhandel werden von der Expo massiv profitieren und ihre ohnehin starke, regionale Position noch weiter ausbauen. Bis zu 250’000 zusätzliche Arbeits-plätze sollen im Zuge der Expo-Vorbereitung und Durch-führung in Dubai und den Nachbaremiraten entstehen. Im Mittelpunkt der Infrastrukturinvestitionen wird bis 2020 die bislang noch eher schleppend verlaufende Entwicklung des neuen Flughafens Al Maktoum Interna-tional in unmittelbarer Nähe des Expo-Geländes stehen. Bis zum Beginn der Expo soll der Flughafen jährlich bis zu 160 Millionen Passagiere und 15 Millionen Tonnen Fracht abfertigen können. Auch sollen der Flughafen und das Expogelände in den kommenden Jahren an das Met-ronetz angebunden werden. Natürlich stellt die Finanzierung eines solchen Grossereignisses Dubai vor eine gewaltige Herausforde-

rung. Allerdings kann Dubai dabei mit der finanziellen Unterstützung durch das reiche Nachbaremirat Abu Dhabi rechnen, zumal auch die anderen Emirate von der Ausstellung zumindest indirekt profitieren werden. Beispielsweise sollten in Abu Dhabi bis 2020 die lange erwarteten Museumsableger des Pariser Louvre und des Guggenheim Museums entgültig eröffnet sein, was für das internationale Besucherpublikum einen Abstecher von Dubai nach Abu Dhabi lohnenswert machen dürfte. Gerade Unternehmen aus der Schweiz, Deutschland oder Österreich können bei der Umsetzung der in den VAE geplanten, ehrgeizigen Expo-Bauaktivitäten sowie allgemein der in anderen Golfstaaten eingeleiteten Di-versifizierungspolitik partizipieren, geniessen sie in der Region doch weiterhin einen exzellenten Ruf. Unter-nehmen, die in den Emiraten etwa aufbauend auf Mes-seteilnahmen oder Delegations- und Geschäftsreisen nachhaltig Geschäfte machen wollen, stehen zahlreiche Möglichkeiten der wirtschaftlichen Betätigung zur Ver-fügung. Die Bandbreite reicht vom reinen Exportgeschäft über die Benennung eines lokalen Handelsvertretern bis zur Gründung einer eigenen Zweigniederlassung oder Tochtergesellschaft. Zur Aufnahme der Geschäftstätig-keit ist in manchen Fällen auch weiterhin die Beteiligung eines lokalen Partner erforderlich, in der Regel besteht aber die Option auch ganz ohne lokale Einflussnahme vor Ort aktiv tätig werden zu können. Im Vorfeld eines Engagements ist interessierten Unter-nehmern allerdings eine umfassende Standortanalyse anzuraten. Anders als etwa in Europa sind in der arabi-schen Welt grenzüberschreitende Standortverlagerun-gen, Umstrukturierungen und Fusionen, teilweise selbst die regionale Sitzverlegung innerhalb eines Landes nicht möglich. Hier sollten lokal erfahrene Mitarbeiter, Berater oder sonstige Unternehmenskontakte frühzeitig zur Ent-scheidungsfindung hinzugezogen werden.

Holger Ochs ist Geschäftsführer der InterGest Middle East Ltd in Dubai

runD 85 PrOzEnT DEr vOr OrT LEbEnDEn bEvöLkErung DEr EMIrATE SInD AuSLänDEr, DIE vOn DEr ExzELLEnTEn InfrASTrukTur SOwIE Auch DEr gEnErELLEn STEuEr- frEIhEIT PrOfITIErEn