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entwickeln lernen entfalten Newsletter Sozial- und Erziehungsdienst März 2016 Schneller in die Praxis Fachschulen erproben neue Ausbildungsgänge für ErzieherInnen Inhalt Berufsbegleitende Ausbildung in Frankfurt Seite 2 Vergütung in der Ausbildung Seite 2 Auszubildende in Einrichtungen können JAV wählen Seite 2 Tarifvertrag Sozial- und Erziehungsdienst in der Praxis Seite 3 Kommunalwahl: Debatte um kostenlose Kita Seite 3 Frühkindliche Bildung auf Kuba Seite 4 ver.di-Umfrage unter Kita- Leitungen in Baden- Württemberg Seite 4 Impressum Herausgeber und V.i.S.d.P.: ver.di-Landesbezirk Hessen Fachbereich Gemeinden Kristin Ideler Postfach 200 255 60606 Frankfurt am Main Tel.: 069 2569-1242 Fax: 069 2569-2662 E-Mail: [email protected] Redaktion: Dorothee Beck, Frankfurt a. M. Layout: winterstein . grafik . design, Oberwesel Druck: Druckerei Imprenta, Obertshausen Viele Fachschulen für Sozialpäda- gogik in Hessen erproben neue Angebote. Manche orientieren sich an der praxisintegrierten Ausbil- dung in Baden-Württemberg, wie das Fröbel-Seminar in Korbach. Andere beteiligen sich am Bundes- programm „Quereinstieg. Männer und Frauen in die Kitas“, wie das Elisabethenstift in Darmstadt und die Stadt Wiesbaden in Koopera- tion mit der Adolf-Reichwein- Schule in Limburg. Wieder andere entwickeln eigene berufsbeglei- tende oder Teilzeit-Ausbildungs- gänge wie die Städte Frankfurt und Hanau (siehe S. 2). Hintergrund ist der Fachkräfte- mangel, der sich weiter verschärft, zumal tausende Flüchtlingskinder einen Betreuungsplatz benötigen. Indem Theorie und Praxis mitein- ander verzahnt werden, gelangen die Studierenden schneller in die Einrichtungen. Außerdem wird die neuartige Ausbildung vergütet. Das macht sie für ältere Arbeitneh- merInnen attraktiv, die z.B. den Beruf wechseln wollen. In Wiesbaden arbeiten die Studierenden im Rahmen des Modellprojekts tageweise in einer Kita, einen Tag pro Woche im ersten Jahr, zwei Tage im zweiten Jahr und drei Tage im dritten Jahr. Das einjährige Berufspraktikum entfällt. Zuvor hatte die Landes- hauptstadt eine Teilzeit-Ausbil- dung im Umfang von zweieinhalb Jahren angeboten. Die Studieren- den waren zur Hälfte in der Schule und in der Einrichtung. Das Berufs- praktikum war auf ein halbes Jahr verkürzt. Dieses Angebot läuft nun aus. In dem Modellprojekt, dessen erster Jahrgang im vergangenen Sommer mit 22 Studierenden angefangen hat, werden Theorie und Praxis systematisch miteinan- der verknüpft. Dies ist die Haupt- aufgabe der beiden Koordinator- Innen für die Fachschule und die Kitas. Ein Mann und eine Frau tei- len sich diese Aufgabe. Sie besu- chen wechselseitig die Lernorte und tauschen sich permanent mit den Studierenden, deren Praxis- anleitungen, den Kita-Leitungen und den FachschullehrerInnen aus. Es gibt Ausbildungskonferenzen, bei denen sich die AkteurInnen aus Theorie und Praxis treffen und z.B. ein gemeinsames Kompe- tenzraster entwickeln. An einem Fachdialog nehmen auch die Hoch- schule Rhein-Main, die Ministerien für Soziales und Kultus sowie ver.di teil. Für ver.di stehen dabei die berufsfachlichen Interessen, insbesondere die Praxistauglichkeit des Quereinstiegs und die betrieb- liche Anschlussfähigkeit des ver- mittelten Fach- und Methoden- wissens im Zentrum. Anders als in Frankfurt, wo nur Menschen mit sozialpädago- gischer Berufserfahrung ange- sprochen werden (S. 2), wirbt die Stadt Wiesbaden gezielt um Fachfremde. Die Vergütung rich- tet sich nach den Vorgaben des Bundesprogramms. Die Studieren- den erhalten 1.250 Euro (Arbeit- geberbrutto). Im ersten Jahr be- kommen die Träger einen Zuschuss von 400 Euro, der sich im zweiten Jahr halbiert (Mehr zur Vergütung: S. 2 Randspalte). Auch die Praxisanleitung, deren Verantwortung im Rahmen des Modellprojekts enorm gestiegen ist, wird bezuschusst. Träger er- halten einen Stundensatz pro Woche und TeilnehmerIn als An- erkennungsprämie. Sie müssen diesen Zuschuss jedoch nicht an die Praxisanleitungen weiterge- ben. Zwar wird in Wiesbaden trä- gerübergreifend eine zertifizierte Fortbildung angeboten. Auch am Elisabethenstift in Darmstadt kön- nen AnleiterInnen Kurse belegen. Das ändert aber nichts an ihrer unbefriedigenden Situation: keine zeitliche Berücksichtigung, keine Zulage, keine verpflichtende Qua- lifizierung. Angetrieben vom Fachkräftemangel ist bei der Ausbildung der ErzieherInnen einiges in Bewe- gung gekommen. In Hessen gibt es unterschiedliche Modelle. Die Stadt Wiesbaden beteiligt sich an einem Bundesprogramm. Neue Zielgruppen: Neben die vollzeitschulische Ausbildung treten zunehmend berufsbegleitende und Teilzeit-Modelle In einem Programm, das aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds unterstützt wird, fördert das Bundesfamilienministerium Modellprojekte zur Ausbildung von ErzieherIn- nen, mit denen Menschen angesprochen werden sollen, die bereits einen Beruf erlernt haben und wechseln wollen. Die Ausbildung soll eine Tätigkeit in der Kita begleiten, erwachsenengerecht und gendersensibel sein und vergütet werden. www.chance-quereinstieg.de Quereinstieg. Männer und Frauen in Kitas

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entwickelnlernenentfalten

Newsletter

Sozial- undErziehungsdienst

März 2016

Schneller in die PraxisFachschulen erproben neue Ausbildungsgänge für ErzieherInnen

Inhalt

BerufsbegleitendeAusbildung in Frankfurt

Seite 2

Vergütung in der AusbildungSeite 2

Auszubildende inEinrichtungen können JAVwählen Seite 2

Tarifvertrag Sozial- undErziehungsdienst in der Praxis

Seite 3

Kommunalwahl: Debatte umkostenlose Kita Seite 3

Frühkindliche Bildung aufKuba Seite 4

ver.di-Umfrage unter Kita-Leitungen in Baden-Württemberg Seite 4

ImpressumHerausgeber und V.i.S.d.P.: ver.di-Landesbezirk HessenFachbereich GemeindenKristin IdelerPostfach 200 25560606 Frankfurt am MainTel.: 069 2569-1242Fax: 069 2569-2662E-Mail: [email protected]: Dorothee Beck, Frankfurt a. M.Layout: winterstein . grafik . design, OberweselDruck: Druckerei Imprenta, Obertshausen

Viele Fachschulen für Sozialpäda-gogik in Hessen erproben neueAngebote. Manche orientieren sichan der praxisintegrierten Ausbil-dung in Baden-Württemberg, wiedas Fröbel-Seminar in Korbach.Andere beteiligen sich am Bundes-programm „Quereinstieg. Männerund Frauen in die Kitas“, wie dasElisabethenstift in Darmstadt unddie Stadt Wiesbaden in Koopera-tion mit der Adolf-Reichwein-Schule in Limburg. Wieder andereentwickeln eigene berufsbeglei-tende oder Teilzeit-Ausbildungs-gänge wie die Städte Frankfurtund Hanau (siehe S. 2).

Hintergrund ist der Fachkräfte-mangel, der sich weiter verschärft,zumal tausende Flüchtlingskindereinen Betreuungsplatz benötigen.Indem Theorie und Praxis mitein-ander verzahnt werden, gelangendie Studierenden schneller in dieEinrichtungen. Außerdem wird dieneuartige Ausbildung vergütet. Dasmacht sie für ältere Arbeitneh-merInnen attraktiv, die z.B. denBeruf wechseln wollen.

In Wiesbaden arbeiten dieStudierenden im Rahmen des

Modellprojekts tageweise in einerKita, einen Tag pro Woche imersten Jahr, zwei Tage im zweitenJahr und drei Tage im dritten Jahr.Das einjährige Berufspraktikumentfällt. Zuvor hatte die Landes-hauptstadt eine Teilzeit-Ausbil-dung im Umfang von zweieinhalbJahren angeboten. Die Studieren-den waren zur Hälfte in der Schuleund in der Einrichtung. Das Berufs-praktikum war auf ein halbes Jahrverkürzt. Dieses Angebot läuftnun aus.

In dem Modellprojekt, dessenerster Jahrgang im vergangenenSommer mit 22 Studierendenangefangen hat, werden Theorieund Praxis systematisch miteinan-der verknüpft. Dies ist die Haupt-aufgabe der beiden Koordinator-Innen für die Fachschule und dieKitas. Ein Mann und eine Frau tei-len sich diese Aufgabe. Sie besu-chen wechselseitig die Lernorteund tauschen sich permanent mitden Studierenden, deren Praxis-anleitungen, den Kita-Leitungenund den FachschullehrerInnen aus.Es gibt Ausbildungskonferenzen,bei denen sich die AkteurInnen

aus Theorie und Praxis treffenund z.B. ein gemeinsames Kompe-tenzraster entwickeln. An einemFachdialog nehmen auch die Hoch-schule Rhein-Main, die Ministerienfür Soziales und Kultus sowiever.di teil. Für ver.di stehen dabeidie berufsfachlichen Interessen,insbesondere die Praxistauglichkeitdes Quereinstiegs und die betrieb-liche Anschlussfähigkeit des ver-mittelten Fach- und Methoden-wissens im Zentrum.

Anders als in Frankfurt, wonur Menschen mit sozialpädago-gischer Berufserfahrung ange-sprochen werden (S. 2), wirbt dieStadt Wiesbaden gezielt umFachfremde. Die Vergütung rich-tet sich nach den Vorgaben desBundesprogramms. Die Studieren-den erhalten 1.250 Euro (Arbeit-geberbrutto). Im ersten Jahr be-kommen die Träger einen Zuschussvon 400 Euro, der sich im zweitenJahr halbiert (Mehr zur Vergütung:S. 2 Randspalte). Auch die Praxisanleitung, derenVerantwortung im Rahmen desModellprojekts enorm gestiegenist, wird bezuschusst. Träger er-halten einen Stundensatz proWoche und TeilnehmerIn als An-erkennungsprämie. Sie müssendiesen Zuschuss jedoch nicht andie Praxisanleitungen weiterge-ben. Zwar wird in Wiesbaden trä-gerübergreifend eine zertifizierteFortbildung angeboten. Auch amElisabethenstift in Darmstadt kön-nen AnleiterInnen Kurse belegen.Das ändert aber nichts an ihrerunbefriedigenden Situation: keinezeitliche Berücksichtigung, keineZulage, keine verpflichtende Qua-lifizierung.

Angetrieben vom Fachkräftemangel ist bei der Ausbildung der ErzieherInnen einiges in Bewe-gung gekommen. In Hessen gibt es unterschiedliche Modelle. Die Stadt Wiesbaden beteiligt sichan einem Bundesprogramm.

Neue Zielgruppen: Neben die vollzeitschulische Ausbildung tretenzunehmend berufsbegleitende und Teilzeit-Modelle

In einem Programm, das aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds unterstützt wird,fördert das Bundesfamilienministerium Modellprojekte zur Ausbildung von ErzieherIn-

nen, mit denen Menschen angesprochen werden sollen, die bereits einen Beruf erlernt haben undwechseln wollen. Die Ausbildung soll eine Tätigkeit in der Kita begleiten, erwachsenengerecht undgendersensibel sein und vergütet werden. www.chance-quereinstieg.de

Quereinstieg. Männer und Frauen in Kitas

März/20162

Vergütung, ja aber …Bei der Vergütung der neuen Aus-bildungsmodelle herrscht Wild-wuchs. Einen Ausbildungs-Tarifver-trag gibt es nicht. In der Aus-schreibung des Modellprojekts„Quereinstieg – Männer und Frauenin Kitas“ sind mindestens 1.250Euro als Vergütung festgelegt. InFrankfurt wird empfohlen, dieStudierenden wie SozialassistentIn-nen nach Entgeltgruppe S4 zu be-zahlen. Das sind in Stufe 1 in Voll-zeit rund 2.260 Euro brutto, bei15 Stunden nur knapp 870 Euro.Beim Träger Kita Frankfurt gibt esdaher unter bestimmten Bedin-gungen ein Stipendium, das dieVergütung auf ein Einkommennach dem Praktikums-Tarifvertrag(TVPöD) aufstockt. Das Fröbel-Seminar in Korbach und die StadtHanau richten sich nach derPraxisintegrierten Ausbildung inBaden-Württemberg. Dort werdendie Studierendenden wie „sonstigeAngestellte“ nach dem TVöD ein-gruppiert. „Die Vergütung mussdringend in Tarifverhandlungengeregelt werden“, fordert ver.di-Sekretärin Kristin Ideler. „Denneinige Modellprojekte sollen ja indauerhafte Ausbildungen münden.“

JAV wählen!

Anders als in der vollzeitschuli-schen Ausbildung sind die Studie-renden der neuen Ausbildungsgän-ge bei ihrem Träger zur Ausbildungbeschäftigt. Damit sind sie nachRechtsauffassung der ver.di Hessenwahlberechtigt für die Jugend- undAuszubildendenvertretung (JAV)nach dem Hessischen Personalver-tretungsgesetz (HPVG). Sie könnenwählen und selbst gewählt werden.Wenn bei einem Träger keine JAVexistiert und es mindestens fünfWahlberechtigte gibt, kann eineInteressenvertretung gegründetwerden. ver.di wird entsprechendeInitiativen unterstützen. VolljährigeStudierende in den Modellprojektensind darüber hinaus wahlberechtigtfür den Personalrat. Seit diesem Jahrgilt das auch für PraktikantInnen,deren Praktikum tarifvertraglich ge-regelt ist. Die nächsten regulärenWahlen finden im Mai 2016 statt.

Theorie und Praxis neu austarierenBerufsbegleitende Ausbildung zur ErzieherIn in Frankfurt

Wen wollen Sie für die berufsbe-gleitende Ausbildung gewinnen?Es geht um lebensältere Menschen,die während der Ausbildung Geldverdienen müssen. Neben den Zu-gangsvoraussetzungen der vollzeit-schulischen Ausbildung verlangenwir für die auf drei Jahre verkürzteberufsbegleitende Ausbildung um-fangreiche Erfahrungen im sozial-pädagogischen Bereich. Damit spre-chen wir vor allem Personen an, dieschon lang bei Frankfurter Trägernarbeiten, aber keine Fachkräfte sind.Hinzu kommen Personen, die sichbewusst für diese Ausbildung ent-scheiden und vorher lange genugin einer Kita arbeiten, um sich be-werben zu können.

Wie ist die Vergütung geregelt?Es gibt keinen Tarifvertrag für dieseGruppe. Wir haben mit den großenTrägern in Frankfurt verabredet,die Studierenden in den ersten zweiJahren entsprechend der Eingrup-pierung der Sozialassistenz zu be-zahlen. Da sie nur zwei Tage in derEinrichtung sind und nicht mehrals 15 Stunden arbeiten, kommtnetto etwa so viel heraus, wie beimMeister-Bafög, das die Studieren-den in der vollzeitschulischen Aus-bildung beantragen können. Über-wiegend folgen die Träger dieserEmpfehlung. Mit einem Stipen-dium legt der Eigenbetrieb KitaFrankfurt noch etwas drauf. Im Be-rufspraktikum im dritten Jahr er-halten alle die gleiche Bezahlung.

Ist die Vergütung der einzigeUnterschied zur vollzeitschuli-schen Ausbildung?Nein, wir wollen auch das Verhält-nis von Theorie und Praxis neu aus-loten. Wir können mit drei Tagenpro Woche Schule und zwei Tagenin der Einrichtung die Theorie mitder Praxis intensiv verknüpfen so-wie Praxisfragen und -erfahrungenunmittelbar einbinden.

Die Zielgruppen unterscheidensich. Was bedeutet das für denschulischen Teil der Ausbildung?Die berufsbegleitende Ausbildungist ein dickes Brett, das gebohrtwerden muss. Zwei Tage Vollzeitarbeiten, drei Tage Vollzeit in derSchule und dann noch Präsenta-tionen, Vor- und Nachbereitungund Klausurvorbereitung, das istnicht jedermanns Sache. Lebens-ältere haben jedoch in ihrer Mehr-heit eine klare Motivation und Ziel-perspektive. Sie nähern sich derTheorie vielleicht vorsichtiger undängstlicher, weil sie schon langenicht mehr im schulischen Kontextgelernt haben. Sie zeigen aberauch großes Interesse, weil sie mitHilfe der Theorie ihre Praxiserfah-rungen einordnen und reflektierenkönnen, die sie über die Jahre inder Einrichtung gemacht haben.

Ist der Lehrplan für die voll-zeitschulische Ausbildung auchfür die berufsbegleitende Vari-ante verbindlich?Ja, der Lehrplan ist für alle Schulenund Ausbildungsformen in Hessenverbindlich. Wir in den BertaJourdan-Schulen bringen das zumAusdruck, indem alle, egal in wel-cher Ausbildungsvariante sie sichbefinden, die gleichen Abschluss-prüfungen schreiben.

Wie sichern Sie die Qualitätder berufsbegleitenden Ausbil-dung?Dafür sorgt zum einen derRahmen-Lehrplan. Daneben gibtes auf Bundesebene ein verbindli-ches kompetenzorientiertes Quali-fikationsprofil. Darin ist als Rahmen-richtlinie für alle Bundesländer be-schrieben, auf welcher Stufe dieStudierenden am Ende ihrer Aus-bildung sein sollen. Die Schulenbemühen sich, meist gemeinsammit der Praxis, diese Kompetenzenkontinuierlich auszutarieren und,

falls notwendig, nachzusteuern. Abdem nächsten Jahr gilt in Hessenein neuer Lehrplan, der ebenfallskompetenzorientiert ist und sicheng an das bundesweite Qualifi-kationsprofil anlehnt.

Wenn Theorie und Praxis ohne-hin enger zusammenrücken,warum nicht gleich eine dualeAusbildung nach dem Berufs-bildungsgesetz?Die ErzieherInnen-Ausbildung isteine postsekundäre beruflicheWeiterbildung auf dem Niveau vonBachelor-Studiengängen. Ihr liegtdie Ausbildung zur Sozialassistenzzugrunde. Im dualen System würdeaus dieser qualitativ anspruchsvol-len Weiterbildung eine beruflicheErstausbildung auf Kinderpflege-oder Assistentenniveau. Es gibteinen riesigen Druck der kommu-nalen Spitzenverbände, vor allemin Frankfurt und im Rhein-Main-Gebiet, wo großer Fachkräftemangelherrscht.

Mit einer dualen Ausbildungbekämen wir aber hessenweitFachkräfte auf niedrigerem Niveau.Die Verantwortung und inhaltlicheAusgestaltung für die Ausbildungwürde von den Fachschulen aufdie Träger verlagert. Die bundes-weiten Qualitätsstandards derAusbildung für ein extrem an-spruchsvolles Arbeitsfeld könntennicht eingehalten werden. Fach-schulen als professioneller Lernortfür berufliche Weiterbildung er-möglichen den Aufbau von not-wendigem vertieftem Theorie-wissen und Reflexionsfähigkeitsowie einen kritisch distanziertenBlick auf die eigene Praxis(-stelle). Letztendlich würde auch dasEinkommen sinken, denn Grund-lage der Bezahlung von Erzieher-Innen ist die professionelle Eigen-ständigkeit als Fachkraft im Bereichder gesamten Kinder- und Jugend-hilfe. Bei einer dualen Erstausbildungwürden vermutlich die Erzieherinnendie assistierenden Aufgaben in denKitas übernehmen. Der Fachkraft-status ginge im Übrigen auch in derArbeit mit Menschen mit Behin-derung oder der Heimerziehungverloren.

Die Beruflichen Schulen Berta Jourdan inFrankfurt sprechen vor allem Lebensälteremit Berufserfahrung im sozialpädagogi-schem Bereich an (s. S. 1). Eine „richtige“duale Ausbildung lehnt der stellvertretendeSchulleiter Michael Baumeister jedoch ab.

März/2016 3

Ende Oktober hatten die ver.di-Mitglieder dem Tarifkompromiss mitden kommunalen Arbeitgebern mit57,2 Prozent zugestimmt. Erreichtwurde unter anderem, dass Erzie-herInnen nun nach EntgeltgruppeS 8a und nicht mehr nach S 6bezahlt werden. Die Kita-Leitun-gen können sogar höhergruppiertwerden. Vor allem die Leitungenkleiner Einrichtungen von bis zu40 Kindern machen einen Sprungvon S 10 nach S 13. Damit ist einEinstieg in die Aufwertung ge-schafft. Etwa 90 Prozent derBeschäftigten profitieren davon.Es bleibt aber noch viel zu tun.

Die Redaktionsverhandlungenzogen sich bis Dezember hin. Hierwurden der Tarifvertragstext aus-formuliert und Fragen geklärt, die inden Tarifverhandlungen offen blie-ben. Dies betraf vor allem die Be-dingungen und Verfahren für Höher-gruppierungen und Überleitungen.

Nun muss der Tarifvertrag um-gesetzt werden. ErzieherInnen bisS 9 und KinderpflegerInnen, dieeiner höheren Entgeltgruppe zuge-ordnet werden oder in der gleichenEntgeltgruppe mehr Geld erhalten,müssen nichts tun. Hier ist der Ar-beitgeber in der Pflicht. Wichtig istjedoch, die Vergütungsabrechnungzu kontrollieren.

Anders ist das vor allem beiKita-Leitungen. Sie müssen dieHöhergruppierung beim Arbeitgeberbeantragen und haben dafür bis

zum 30. Juni 2016 Zeit. Bei älterenLeiterInnen, die nur noch wenigeJahre bis zur Rente haben, könntedie Spezifik des Stufensystems in derneuen Eingruppierung zu finanziel-len Nachteilen führen. Sie sollten indiesem Fall auf einen Antrag ver-zichten und lieber im alten Systembleiben. Alle ver.di-Mitglieder, die

höhergruppiert werden können,sollten sich unbedingt beim ver.di-Bezirk beraten lassen.

Die Erhöhungen gelten rückwir-kend zum 1. Juli 2015. Nachzah-lungen sollten bei der Vergütungs-abrechnung für Februar oder März2016 berücksichtigt sein. Wegender Steuerprogression kann dieNachzahlung einmalig mit höherenEinkommensteuern einher gehen.Deswegen ist es 2016 besonderswichtig, einen Einkommensteuer-jahresausgleich zu machen.

In den Tarifverhandlungen fürden Sozial- und Erziehungsdienstging es um Aufwertung und Ent-geltgruppen. Gehaltserhöhungenwerden in der allgemeinen Tarif-runde für den Bund und die Kom-munen durchgesetzt. Am 18. Feb-ruar hat die Bundestarifkommis-sion für den öffentlichen Dienstder ver.di beschlossen, sechs Pro-zent mehr Geld und 100 Euro mehrfür Azubis zu fordern. Die Arbeit-geber haben die Zusatzversorgung(ZVK), also die Betriebsrente im Blick.Sie wollen entweder Beiträge erhö-

hen oder Anwartschaften verrin-gern. Die negativen Auswirkungenwären umso gravierender je jüngerdie Beschäftigten heute sind. ver.dilehnt das ab und fordert alle Mit-glieder auf, sich in die nächsteTarifrunde einzumischen.

Das Tarifergebnis Sozial- undErziehungsdienst im Einzelnen:http://gemeinden-hessen.verdi.de/soziale-berufe-aufwertenInfos zur Tarifrunde 2016: www.verdi.de/themen/geld-tarif/tarifrunde-oed-2016

Im vergangenen Dezember wurden die Redaktionsverhandlungenzum Tarifergebnis im Sozial- und Erziehungsdienst abgeschlossen.Dabei ging es um das „Kleingedruckte“. Jetzt laufen die Fristenfür Anträge zur Höhergruppierung. Und im März steht die all-gemeine Tarifrunde an.

Was der neue Tarifvertrag Sozial- und Erziehungsdienst bringt

Jeder Einzelfall ist anders

Streit um gebührenfreie Kitas

Qualität nicht vernachlässigenIm Kommunalwahlkampf in Hessenist der Streit um gebührenfreieKitas voll entbrannt. Die SPD hateinen Gesetzentwurf vorgelegt,mit dem die Gebühren ab 2017stufenweise abgeschafft werden,und eine Unterschriften-Kampagnegestartet. Finanziert werden soll dasmit den zusätzlichen 580 Millio-nen Euro, die Hessen ab 2020 ausdem neu geordneten Länderfinanz-ausgleich erhalten soll.

Die schwarzgrüne Koalition wiesden SPD-Entwurf zurück. DieGrünen kündigten an, lieber Geldin den Ausbau der Kinderbetreuungstecken zu wollen. Hingegen willauch die Partei Die Linke die Kita-Gebühren abschaffen und hatebenfalls einen Gesetzentwurf ein-gebracht. Ziel ist, die Pauschalen, diedas Land an die Träger zahlt, zuvereinfachen und zu erhöhen. Damitkönnten Elternbeiträge entfallen.

Auch wenn 2014 aus einemneuen Fördertopf 324 MillionenEuro zusätzlich in den Kita-Ausbaugeflossen sind, bleiben HessensKitas massiv unterfinanziert. DasKinderförderungsgesetz (KiföG)von 2013 hat die Situation weiterverschlechtert. Wegen niedrigerBezahlung und unbefriedigendenArbeitsbedingungen herrscht vorallem in den Ballungsräumen großerFachkräftemangel. Was also nützteine gebührenfreie Kita, wenn das,was sich die SPD zu Recht davonverspricht – nämlich mehr Chancen-gleichheit zu Beginn des Lebens –wegen Personalmangels und zuwenig Zeit für die pädagogischeQualität nicht eingelöst werdenkann? „Um nicht falsch verstandenzu werden,“ präzisiert GerhardAbendschein, Leiter des Fachbe-reichs Gemeinden der ver.di Hessen:„Wir befürworten eine gebühren-freie Kita. Doch man muss einenAusgleich finden zwischen dieserForderung einerseits und besserenQualitätsstandards und Arbeitsbe-dingungen andererseits. Denn bei-des kostet Geld.“

Mehr Infos zur Kosten- und Per-sonalsituation in Hessens Kitas gibtes im WISO-Info 3/2015 des DGB: http://niedersachsen.dgb.de,

Link: WISO-Info.

… wir unser Ziel in dieser Aus-einandersetzung nicht erreichthaben. Unsere Forderung bein-haltete neue Eingruppierungs-merkmale, sowie z.B. die Berück-sichtigung von Praxisanleitung.

Außerdem wollten wir eine deutlich höhere Ein-gruppierung und damit eine höhere Bezahlung.Ralf Fröhlich, Vorsitzender des Personalratsbeim Eigenbetrieb Kita Frankfurt

… weil sich die gesellschafts-politische Bedeutung diesesArbeitsfeldes in guten Arbeits-und Rahmenbedingungen so-wie in angemessener Bezahlungwiderspiegelt. Das alles zu er-

reichen braucht gemeinsames Handeln.Angelika Spautz, Projektsekretärin ver.diBundesfachgruppe Soziales Kinder- und Ju-gendhilfe

Ob die Höhergruppierung nach dem neuen Tarifvertrag Sozial- undErziehungsdienst finanzielle Vor- oder Nachteile bringt, hängt vomEinzelfall ab. Da heißt es abzuwägen, ob ein Antrag auf Höher-gruppierung lohnt oder nicht. Exklusiv für ver.di-Mitglieder gibt es injedem ver.di-Bezirk ein Rechenprogramm, mit dem dies ermitteltwerden kann. Dazu ist ein Beratungstermin bei dem oder der zustän-digen GewerkschaftssekretärIn notwendig. Auf der Webseite derver.di Hessen sind die Kontaktpersonen genannt:

http://gemeinden-hessen.verdi.de/ueber-uns

Was bringt mir die Höhergruppierung?

Exklusiv für ver.di-Mitglieder

Die Aufwertung des Sozial- und Erziehungsdienstes muss weitergehen, weil …

4 März/2016

Baden-Württemberg:Freistellung aufstockenWenige Wochen vor der Landtags-wahl ist ver.di in Baden-Württem-berg mit Forderungen zur Verbes-serung der Kinderbetreuung an diedortige Landesregierung herange-treten. Grundlage ist eine Befra-gung, an der sich 1.103 von7.458 Kita-Leitungen beteiligthaben. Zwar hat die grün-roteLandesregierung die Investitionenin die Kindertagesbetreuung ver-dreifacht. Doch die Zuwendungenin Höhe von 63 Prozent derBetriebskosten für Kita-Gruppenund 68 Prozent für Krippen-Gruppen sind nicht zweckgebun-den. In mancher Kommune ver-schwinde das Geld im allgemei-nen Haushalt, bemängelt ver.di.Das müsse geändert werden.

Handlungsbedarf sieht ver.divor allem bei den mittelbaren päda-gogischen Tätigkeiten und bei derLeitung. Rund 70 Prozent der Lei-tungen haben 20 Stunden proWoche für diese Funktion. Eben-falls 70 Prozent der stellvertretendenLeitungen sind für zehn Stundenvon der Gruppenarbeit freigestellt.Jedoch gaben 35,4 Prozent derLeitungen und 55,2 Prozent derstellvertretenden Leitungen an,damit nicht zurecht zu kommen.Sie müssen Überstunden machenoder Leitungstätigkeiten in die Frei-zeit verlegen.

In über 90 Prozent der Kitaskönnen die Fachkräfte bis zu zehnStunden pro Woche für mittelbarepädagogische Arbeit aufwenden,ein Zustand, von dem die Erzieher-Innen in Hessen noch träumen.ver.di Baden-Württemberg for-dert, zehn Stunden für alle fest-zuschreiben. Für die Anleitung derPraktikantInnen im Rahmen derpraxisintegrierten Ausbildungsind nur ein bis zwei Stunden proWoche vorgesehen, was im Alltagmeist nicht ausreicht. Auch hierfordert ver.di Verbesserungen.Nicht zuletzt erinnerte die stell-vertretende LandesbezirksleiterinDagmar Schorsch-Brandt an dieFlüchtlingskinder. Auch für derenIntegration müssten Ressourcenbereitgestellt werden.

Alltag in der Caperucita RojaDie Karibikinsel Kuba legt Wert auf frühkindliche Bildung

Die rosa Kittel als Dienstkleidungder Erzieherinnen sind für deutscheVerhältnisse gewöhnungsbedürftig.Ansonsten geht es im „Circulo In-fantil Caperucita Roja“ (KindergartenRotkäppchen) in Havanna so quir-lig zu wie in jeder anderen Kita.Mit 63 Kindern im Alter zwischenzwei und sechs Jahren ist dieCaperucita Roja eine kleine Kita.Andere betreuen bis zu 180 Kin-der. Die Kolonialstil-Villa im Stadt-teil Miramar beherbergt je eineGruppe mit Zweijährigen, mit Drei-und Vierjährigen sowie mit Fünf-und Sechsjährigen. Die zwölf Jüngs-ten werden von zwei Erzieherinnen

und einer Helferin betreut. Für diefünf Kinder, die sich gerade ein-gewöhnen, gibt es einen eigenenGruppenraum mit Bad und eineeigene Erzieherin. Bei den Größerenarbeitet die gleiche Anzahl Erzieher-innen in Gruppen mit rund 25 Kin-dern. In Hessen ist der Betreuungs-schlüssel schlechter.

Die weibliche Sprachform ist hierangebracht. In Kuba sind die Kitasund Grundschulen fest in Frauen-hand. Die kubanischen Erziehe-rinnen sind überrascht, dass bei uns

männliche Erzieher sogar Kinderunter drei Jahren betreuen. Für ku-banische Männer undenkbar! Auchdie voll bezahlte Elternzeit imersten Lebensjahr des Kindes istder Mutter vorbehalten.

Neben den Gruppenräumen hatdie Caperucita Roja zwei Speise-räume. Einer davon ist für die Jüngs-ten reserviert. Zur Kita gehört einFreigelände. Das Blumen Gießen ge-hört zu den Diensten, die jedesKind reihum übernimmt. Genausowie das Füttern der Fische im Aqua-rium der Einrichtung. Auch eineEcke mit den Idolen der kubani-schen Geschichte darf nicht fehlen:José Martí, Che Guevara und dieGuerillakämpferin Vilma Espín.An der Ausstattung sind die Aus-wirkungen der Wirtschaftsblocka-de und der Geldmangel zu erken-nen. Die Erzieherinnen stellenviele Spielsachen und Spielmöbelmit großer Kreativität selbst her.

Die Bildungsziele der Kitaswerden im Bildungsministerium fürjede Altersgruppe erarbeitet undsind für ganz Kuba maßgeblich. Inallen Gruppenräumen sind sie aufbunten Plakaten präsent. AuchBildungsprogramme im Fernsehen,die einmal in der Woche für jedeAltersgruppe ausgestrahlt werden,gehören zum Stundenplan der Kitas.Generell sollen die intellektuellen,sozialen und motorischen Fähig-keiten der Kinder altersgemäß ent-wickelt werden. Einmal im Jahr er-halten die Eltern in einem Entwick-lungsbrief eine Rückmeldung zumStand ihres Kindes.

Die Kosten für die Eltern sindüberschaubar. 40 kubanische Pesosfür ein Kind, 60 für zwei. Das ent-spricht rund zwei bzw. drei Euro.Elternarbeit wird in den CirculosInfantiles groß geschrieben. Einmalim Monat ist Elternnachmittag. Wernicht kommen kann, schickt eineVertretung. Besprochen werden ak-tuelle Themen aus der Kita undErziehungsfragen. Auch zur päda-gogischen und lebenspraktischenUnterstützung der Eltern gibt es einspezielles Fernsehprogramm.

Marianne Hübinger, Erzieherinin Frankfurt, ist beeindruckt, dassKuba auch in Zeiten finanziellerNot seinen Fokus auf Kinder undBildung gesetzt hat und dies nochtut. „Hier bestätigt sich, dass einLand entscheidet, wofür es seinefinanziellen Mittel verwendet. EinAnsatz, den ich mir für Deutschlandschon lange wünsche!“ HübingersKollege Paul Hafner weist daraufhin, dass Bildung und Gesundheitauf der Karibikinsel soziale Grund-rechte sind. „Das macht Kuba zueinem Leuchtturm in der Region.“

Kuba hat das beste Bildungs- und Gesundheitssystem in Mittel-und Südamerika. Auf einer Bildungsreise informierte sich eineGruppe ver.di-GewerkschafterInnen aus Hessen über die früh-kindliche Bildung auf der Karibikinsel.

Die Fachgruppe Soziales, Kinder- und Jugendhilfe der ver.diHessen hat ihre Mitglieder für die Bundesfachgruppe neu be-stimmt. Die ErzieherInnen werden künftig von Ralf Fröhlich(2. v. re.) vertreten, Vorsitzender des Personalrats beim Eigenbe-trieb Kindertagesstätten der Stadt Frankfurt. Seine Stellver-treterin ist die Kasseler Personalrätin Vera Reinbold (1. v. re.).Sandra Hoffmann aus Kassel vertritt die Sozialarbeiter-Innen (2. v. li.). Sie arbeitet im Allgemeinen Sozialen Dienst,

genauso wie ihre Vertreterin Runa Pal (1. v. li), die zugleich Personalrätin in der KreisverwaltungOffenbach ist. Mit auf dem Foto: Gewerkschaftssekretärin Kristin Ideler.