48
Das Wissenschaftsmagazin des Bundesinstituts für Risikobewertung Ausgabe 1/2017 Lebensmittelauthentizität Lebensmittel- fälschern auf der Spur BfR-Verbrauchermonitor Gefühlte Risiken im Visier Pyrrolizidinalkaloide Unerwünscht in Lebensmitteln Mehrfachrückstände Auf die Mischung kommt es an

fälschern auf der Spur - Startseite - BfR · 26 „Nur eine gemeinsame Strategie ist effektiv“ Interview mit Professorin Dr. Annemarie Käsbohrer 30rodukt- und Chemikaliensicherheit

  • Upload
    vandien

  • View
    213

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Das Wissenschaftsmagazin des Bundesinstituts fuumlr Risikobewertung Ausgabe 12017

Lebensmittelauthentizitaumlt

Lebensmittel-faumllschernauf der Spur

BfR-Verbrauchermonitor

Gefuumlhlte Risiken im Visier

Pyrrolizidinalkaloide

Unerwuumlnscht in Lebensmitteln

Mehrfachruumlckstaumlnde

Auf die Mischungkommt es an

BfR 2 GO

1012017

in Zeiten weltweiter Vernetzung aumlndern sich Lebens-mittel Produkte und Materialien rasant taumlglich erscheinen neue wissenschaftliche Erkenntnisse selbst die Dynamik der oumlffentlichen Wahrnehmung wandelt sich stetig Diesen Prozessen wollen wir mit einem geeigneten Kommunikationsformat begegnen einem Format das aktuell ist und doch fundierte Informa-tionen uumlber die Forschung und Bewertung moumlglicher gesundheitlicher Risiken liefert Ab sofort erhalten Sie zweimal im Jahr kompakt und doch bis zum Rand gefuumlllt mit Wissen das BfR zum Mitnehmen BfR 2 GO

Das Wissenschaftsmagazin BfR 2 GO beleuchtet in jeder Ausgabe ein aktuelles Schwer-punktthema des BfR und informiert Sie uumlber die neuesten Entwicklungen in der Bewertung und Forschung im Themenfeld des gesundheitlichen Verbraucherschutzes In diesem Heft koumlnnen Sie das Thema der Authentizitaumlt kennenlernen Sie erhalten Einblicke wie der Fin-gerabdruck von Lebensmitteln im Labor bestimmt wird und erfahren welche Forschungs-projekte das BfR gegenwaumlrtig begleitet Welche Lebensmittel bevorzugt gefaumllscht werden und worin die Risiken des Betrugs bestehen lesen Sie im Interview des Schwerpunktthemas Neben dem Schwerpunktthema finden Sie Berichte Interviews und praumlgnante Meldungen aufgeteilt nach den Arbeitsgebieten des BfR Risikokommunikation Lebensmittelsicherheit Produkt- und Chemikaliensicherheit sowie Schutz von Versuchstieren In dieser Ausgabe erfahren Sie unter anderem dass Vegetarismus die Entscheidung zur veganen Ernaumlhrung beguumlnstigt Auszligerdem koumlnnen Sie anhand einer uumlbersichtlichen Infografik lernen wie sich Antibiotikaresistenzen ausbreiten Lesen Sie auch wie sich Tierversuche durch die Wahl des passenden Modells verringern lassen und welche Risiken mit Mehrfachruumlckstaumlnden von Pflanzenschutzmitteln in Lebensmitteln verbunden sind

Stellungnahmen Pressemitteilungen Videos Wissenschaftsberichte Infografiken und Jahresberichte ndash in der 15-jaumlhrigen Geschichte des BfR wurden viele Kommunikations-instrumente entwickelt um die Oumlffentlichkeit und politische Entscheidungstraumlger uumlber moumlgliche Risiken gesundheitlicher Art zu informieren Allen liegen die drei Prinzipien des BfR zugrunde Transparenz Verlaumlsslichkeit und groumlszligtmoumlgliche Offenheit So wird die Basis fuumlr einen sachlichen und gesellschaftlichen Diskurs aller Interessengruppen gelegt und das Vertrauen in den Prozess der Forschung Bewertung und Risikokommunikation gestaumlrkt Neben der Kommunikation moumlglicher gesundheitlicher Risiken traumlgt das BfR durch seine unabhaumlngige wissenschaftliche Bewertung und Forschung unparteilich zur Sicherheit von Lebens- und Futtermitteln Produkten und Chemikalien bei Diese Tradi-tion setzt das Wissenschaftsmagazin BfR 2 GO fort

Ich wuumlnsche Ihnen viel Freude beim Erforschen des BfR

Professor Dr Dr Andreas HenselPraumlsident des BfR

Liebe Leserinnen und Leser

copy B

fR

EDITORIAL

2 BfR 2 GO

BfR-MEAL-Studie

Mahlzeiten fuumlr die Expositionsschaumlt- zung und Analytik von Lebensmitteln Die BfR-MEAL-Studie analysiert erst-mals in Deutschland systematisch und repraumlsentativ Lebensmittel im ver-zehrfertigen Zustand und folgt in ihrer Methodik einer sogenannten Total-Diet- Studie (TDS) TDS werden von der Ernaumlhrungs- und Landwirtschaftsorga-nisation der Vereinten Nationen (FAO) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlen um mittlere Gehalte an Stoffen in der durchschnittlichen Ernaumlhrung des Menschen zu ermitteln Die ersten Ergebnisse der BfR-MEAL- Studie werden voraussichtlich zu Beginn des Jahres 2019 vorliegen und dafuumlr genutzt werden die Aufnahme von Stoffen uumlber Lebensmittel zu schaumltzen

IM BILD

3012017

copy B

fR

4 BfR 2 GO

30

14

20

38

Bewerten ForschenKommunizieren

INHALT

6

Impressum

06 Schwerpunkt Authentizitaumlt

5012017

BfR 2 GO ndash Das BfR-Wissenschaftsmagazinerscheint zweimal jaumlhrlich

HerausgeberBundesinstitut fuumlr Risikobewertung (BfR) Anstalt des oumlffentlichen Rechts

vertreten durch den Praumlsidenten Professor Dr Dr Andreas Hensel ViSdP Dr Suzan Fiack

Redaktionsanschrift Bundesinstitut fur Risikobewertung (BfR)Max-Dohrn-Straszlige 8ndash1010589 Berlinwwwbfrbunddepublikationenbfrbundde

Redaktion BfR Presse- und Oumlffentlichkeitsarbeit

Gestaltung Grafiken amp BildbearbeitungStudio GOOD Berlin

DruckRuksaldruck Berlin

Auflage 4000 (Deutsch) 1500 (Englisch)

ISSN Print-ISSN 2567-3858Online-ISSN 2567-3866

DOI 101759020170921-151257

copy Bundesinstitut fuumlr Risikobewertung Alle Rechte vorbehalten Wenn Sie einen Nachdruck einzelner Artikel zu nicht-kommerziellen Zwecken wuumlnschen wenden Sie sich bitte an die Redaktion unter publikationenbfrbundde

gedruckt auf PEFC-zertifiziertem Papier

06 Lebensmittelfaumllschern auf der Spur Nicht zielgerichtete Analyseverfahren

11 Original oder Faumllschung Forschungsprojekte zu Authentizitaumlt

12 bdquoWir wollen Faumllschungen einen Riegel vorschiebenldquo Interview mit Professor Dr Reiner Wittkowski

14 Risikowahrnehmung14 Gefuumlhlte Risiken im Visier

BfR-Verbrauchermonitor

17 Vegan und informiert Befragung zu Veganismus

18 Guten Appetit Infografik zu Insekten

20 Lebensmittelsicherheit20 Unerwuumlnscht in Lebensmitteln

Pyrrolizidinalkaloide

24 Post aus hellip Sambia

25 Spektrum Ciguatera Lupinensamen Hepatitis E

26 bdquoNur eine gemeinsame Strategie ist effektivldquo Interview mit Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer

30 Produkt- und Chemikaliensicherheit30 Auf die Mischung kommt es an

Mehrfachruumlckstaumlnde

33 Kombinationseffekte Forschungsprojekte des BfR

34 bdquoZiel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertungldquo Interview mit Dr Roland Solecki

35 Spektrum Aluminium Endokrine Disruptoren Permethrin

36 Nanopartikel in Funktionskleidung Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

38 Schutz von Versuchstieren38 Spiegelbild gesucht

Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

43 Spektrum Belastung von Laborfischen Forschungsplattform Alternativmethoden

44 Institutsleben

Hergestellt in Parma

Wie vielSchafsmilchist drin

Ist es reiner Wein

copy O

ben

und

Unt

en b

igac

iss

hutte

rsto

ckc

om M

itte

gre

seis

hutte

rsto

ckc

om

6 BfR 2 GO

SCHWERPUNKT AUTHENTIZITAumlT

Lebensmittelfaumllschernauf der SpurGestreckt gepanscht gefaumllscht ndash Lebensmittelbetrug ist ein globales Problem Das BfR erforscht wie Verfahren zum Nachweis der Authen-tizitaumlt von Lebensmitteln harmonisiert werden koumlnnen Dabei schluumlp-fen die Forscherinnen und Forscher am BfR auch selbst in die Rolle der Lebensmittelfaumllscher

Kommt er aus dem Allgaumlu

Wurde eskaltgepresst

copy O

ben

Cop

rids

hutte

rsto

ckc

om U

nten

Ale

nKad

rshu

tters

tock

com

7012017

Ein Bildschirm ein Rechner ein Infra-rotspektrometer und viele kleine Pro-bengefaumlszlige gefuumlllt mit Fett extrahiert

aus Hartkaumlse Allgaumluer Emmentaler Ein Laborant entnimmt eine stecknadelkopf-groszlige Fettprobe und bringt sie auf das Ana-lysegeraumlt auf Sekunden spaumlter erscheint auf dem Bildschirm eine Wellenlinie aus 1800 Datenpunkten das Spektrum der Kaumlse-fettprobe Ein zweites Labor eine weitere Analyse Roumlhrchen fuumlr Roumlhrchen holt sich ein Greifarm Allgaumluer-Emmentaler-Proben und bringt sie in das starke Magnetfeld ei-nes Kernspinresonanz-Spektrometers ein Die Messung erzeugt bis zu 130000 Da-tenpunkte die fuumlr die jeweilige Kaumlseprobe charakteristisch sind Ein drittes Labor eine dritte Messmethode Mit der Isotopen-verhaumlltnis-Massenspektrometrie wird hier die Herkunft der Hartkaumlse-Proben be-stimmt Insgesamt sollen 150 bis 200 Pro-ben beschafft und analysiert werden bdquoAlle Daten werden aufgearbeitet und flieszligen in eine Auswertungs-Software die fuumlr jede Methode ein charakteristisches Datenspek-trum ndash den authentischen Fingerabdruck von Allgaumluer Emmentaler ndash berechnetldquo so Dr Susanne Esslinger Sie koordiniert die Versuche zum Authentizitaumltsnachweis von Allgaumluer Emmentaler

Die Suche nach dem Fingerabdruck

In den BfR-Laboren arbeiten Wissenschaft-lerinnen und Wissenschaftler daran den typischen unverwechselbaren Fingerab-

druck von verschiedenen Lebens- und Futtermitteln darunter Wein Spirituosen Kraumluter und Gewuumlrze Hartkaumlse Speiseoumlle und Mais zu finden Ihr Ziel ist es die Echtheit dieser Produkte bzw Abweichun-gen und somit Verfaumllschungen erkennen zu koumlnnen Ist dies gelungen wird Lebens-mittelfaumllschung erschwert Die Vergabe des EU-Guumltezeichens bdquoGeschuumltzte Ursprungs-bezeichnungldquo garantiert dass fuumlr die spe-zielle Produktbezeichnung bdquoAllgaumluer Em-mentalerldquo die Erzeugung Verarbeitung und Herstellung tatsaumlchlich im Allgaumlu erfolgt sein muumlssen Was nuumltzt das Guumlte-zeichen aber wenn es keine Methoden gibt um Original und Faumllschung zu unterschei-den Das BfR hat daher eine Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Waren-ketteldquo eingerichtet um die Forschung und interdisziplinaumlre Vernetzung zur Standar-disierung von Datenerhebungen zum Au-thentizitaumltsnachweis zu staumlrken

Das BfR beteiligt sich an mehreren natio-nalen und internationalen Verbundprojek-ten um neuartige Ansaumltze und Strategien fuumlr den Nachweis von Lebensmittel- und Futtermittelverfaumllschungen zu entwickeln mit denen derartige Praktiken weltweit besser aufgedeckt werden koumlnnen Die Schwerpunkte der BfR-Forschung zu die-sem Thema sind die Herkunftsbestimmung und Identifizierung unbekannter Zusaumltze mittels zielgerichteter sowie nicht zielge-richteter Analytik in Kombination mit sta-tistischen Verfahren und Fragen zur Daten-aufbereitung und -interpretation

Nicht zielgerichtete Analytik

Eine Herausforderung bei der Suche nach dem analytischen Charakteristikum von Lebensmitteln ist die natuumlrliche Variation von Inhaltsstoffen bdquoDeswegen muss erst einmal eine Vielzahl von unverfaumllschten Proben genommen werden um charak-teristische Merkmale in den Datensaumltzen zu findenldquo erklaumlrt Dr Carsten Fauhl-Has-sek der im BfR verschiedene Forschungs-projekte zur Authentizitaumltspruumlfung von Lebens- und Futtermitteln leitet bdquoUnsere Ergebnisse zeigen dass die Idee des unver-wechselbaren Fingerabdrucks von Lebens-mitteln funktioniertldquo Das BfR hat bereits

Die Vorbereitung der Kaumlseproben fuumlr die Untersuchung beinhaltet die Homogenisierung mit fluumlssigem Stickstoff

bdquoSehr deutlich sind die Datenpunkte zu erkennen die sich auszligerhalb des Normbereichs ndash der Bande ndash be-wegen Faumlllt ein Lebensmittel aus diesem Raster ist es verdaumlchtig

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

SCHWERPUNKTTHEMA AUTHENTIZITAumlT

8 BfR 2 GO

den physikalisch-chemischen Fingerab-druck verschiedener Weine Speiseoumlle oder juumlngst von Kraumlutern und Gewuumlrzen mittels Infrarot- und Kernspinresonanz-Spektro- skopie erfasst Das BfR-Labor wurde dafuumlr auch zur Faumllscherhoumlhle Kraumluter und Ge-wuumlrze sind mit unterschiedlichsten Zusaumlt-zen gemischt und deren aufbereitete Pro-ben ebenfalls mithilfe der Analysegeraumlte vermessen worden bdquoSehr deutlich sind die Datenpunkte zu erkennen die sich auszliger-halb des Normbereichs ndash der Bande ndash be-wegen Faumlllt ein Lebensmittel aus diesem Raster ist es verdaumlchtigldquo so Dr Fauhl-Has-sek So sehen die Spektren von z B mit Oli-venblaumlttern gestrecktem Oregano oder die von mit Sudanrot ndash eine Substanz die im Verdacht steht ein genotoxisches Kanzero-gen zu sein ndash gepanschtem Paprikapulver eindeutig anders aus

Die neuen Analyseverfahren mittels des charakteristischen Fingerabdrucks eines Lebensmittels ermoumlglichen somit eine flexible und schnelle Form der Echtheits-pruumlfung Statt gezielt nach gefaumllschten Produkten zu suchen steht hier der Au-thentizitaumltsnachweis im Fokus Diese neue Herangehensweise bezeichnet man auch als nicht zielgerichtete Analytik

Cloud der Fingerabdruumlcke

Zur perspektivischen routinemaumlszligigen An-wendung der nicht zielgerichteten Analytik fuumlr die Lebensmittelsicherheit muss aller-dings zunaumlchst eine gemeinsame Nutzung der Datenbanken fuumlr Referenz-Lebensmit-tel-Fingerabdruumlcke aller Akteure im Bereich Lebensmittelsicherheit ermoumlglicht werden Auch muss sichergestellt sein dass die Daten- erhebung sowie die anschlieszligende Analyse aller Nutzer vergleichbare Ergebnisse liefern

Das BfR arbeitet im Forschungsverbund an folgendem vereinfacht skizziertem Zu-kunftsszenario Zertifizierte amtliche und private Labore stellen ihre Lebensmit-tel-Fingerabdruumlcke uumlber eine Daten-Cloud bereit Hersteller Verarbeitungs- und Ver-edlungsbetriebe steuern die dazugehoumlrigen Produktinformationen bei Wenn Uumlber-wachungsbehoumlrden oder der Groszlig- und Einzelhandel Lebensmittelproben auf ihre Echtheit uumlberpruumlfen wollen vergleichen sie den Fingerabdruck ihrer eigenen Probe mit denen in der Fingerprint-Cloud Gibt es sig-nifikante Abweichungen ist das Lebensmit-tel zunaumlchst auffaumlllig und sollte weiter un-tersucht werden Noch sind viele technische und organisatorische Huumlrden zu nehmen

Das Prinzip bdquoNicht zielgerichteter Verfahrenldquo

Wavenumbers (cm-1)

Ab

sorb

anc

e

Paprikaproben Paprika dotiert mit Siliciumdioxid

Relevante Aspekte bei der Pruumlfung

Authentizitaumltspruumlfungen koumlnnen offizielle Produktbeschreibungen bestaumltigen oder betruumlgerische Aussagen nachweisen Relevante Aspekte dabei sind die Sub-stitution durch preiswertere aber aumlhnli-che Zusaumltze die Streckung mit fremdar-tigen Substanzen (z B Wasser Staumlrke) oder die Anwendung nicht gekenn-zeichneter oder unzulaumlssiger Verfahren wie Bestrahlung oder Extraktion die Bestaumltigung der geografischen Herkunft der botanischen oder zoologischen Spezies oder der Herstellungsprozesse wie bio konventionell oder gentechnisch veraumlndert sowie die Deklaration und Angaben zur Ruumlckverfolgbarkeit (Pro-duktkennzeichnung Prozessablaumlufe Chargenidentifikation)

Exogene Signale bei Verfaumllschung

copy M

Una

l Ozm

ens

hutte

rsto

ckc

om

LEBENSMITTELFAumlLSCHERN AUF DER SPUR

9012017

Eine stecknadelkopfgroszlige Kaumlsefettprobe wird auf das Analysegeraumlt aufgebracht Um charakteristische Merkmale in den Datensaumltzen zu finden muumlssen Dr Carsten Fauhl-Hassek (im Bild rechts oben) und sein Team eine Vielzahl solcher Proben nehmen und am Computer analysieren

bdquoErst muumlssen einheitliche Datenstandards verteilt operierende Systemloumlsungen und organisatorische Loumlsungsansaumltze zur Ge-waumlhrleistung der Datenintegritaumlt und -qua-litaumlt entwickelt werdenldquo erlaumlutert Matthias Filter bdquodamit diese Vision im Bereich Le-bensmittelsicherheit realisierbar istldquo Er ko-ordiniert am BfR die Arbeiten zum Schwer-punkt bdquoGlobale Warenkettenldquo

Vernetzte Referenzdatenbanken

Damit das Zukunftsszenario naumlher ruumlckt forschen Wissenschaftlerinnen und Wis-senschaftler am BfR zu der Entwicklung von mathematischen und statistischen Mo-dellen fuumlr die Datenauswertung und Har-monisierung von Datenaustauschformaten sowie zur harmonisierten Probennahme Dies sind wesentliche Voraussetzungen fuumlr den Aufbau und die Routineanwendung

von kollaborativen Referenzdatenbanken die uumlber die Cloud verfuumlgbar gemacht wer-den koumlnnen bdquoBislang verwendet jeder Her-steller von Spektrometern aber beispiels-weise noch eigene Datenformate sodass die Daten erst einmal dechiffriert werden muumlssen damit sie fuumlr alle Beteiligten ver-wendbar sindldquo sagt Filter

Bis solche Referenzdatenbanken der typi-schen chemisch-analytischen Profile von Lebensmitteln aufgebaut und fuumlr den flauml-chendeckenden Einsatz im Netzwerk aus Uumlberwachungsbehoumlrden Laboratorien so-wie Herstellern und Haumlndlern fertiggestellt sind dauert es nach Einschaumltzung der Exper-ten sicher noch 10 bis 15 Jahre Umso wichti-ger ist es jetzt die Weichen zu stellen

Mehr erfahrenwwwbfrbundde gt A-Z-Index Authentizitaumlt

Die Suche nach dem Fingerabdruck

Beim Aufbau von standardisierten Referenzdatenbanken kommen soge-nannte nicht zielgerichtete Verfahren zum Einsatz Dabei wird der physika-lisch-chemische Fingerabdruck von Lebensmitteln anhand spektromet-rischer undoder spektroskopischer Daten erhoben Dieser dient als Vergleichsstandard mit dem die Daten unbekannter Lebensmittelproben vergli-chen werden Abweichungen koumlnnen so leichter erkannt werden und Uumlber-wachungsbehoumlrden muumlssen nicht mehr gezielt nach bestimmten unerwuumlnsch-ten Substanzen suchen die oftmals noch gar nicht bekannt sind

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

10 BfR 2 GO

SCHWERPUNKTTHEMA AUTHENTIZITAumlT

Food Integrity EU-Konsortium gegen gefaumllschte Lebensmittel Das EU-Konsortium aus 38 Projektpartnern will strukturelle und methodische Voraus-setzungen schaffen um Verfaumllschungen fruumlhzeitig einheitlich erkennen zu koumlnnen Dazu sollen u a ein Netzwerk zwischen Be-houmlrden Industrie und Forschung aufgebaut Pruumlfprozesse harmonisiert und Wissensda-tenbanken erstellt werden Das Projekt laumluft bis Ende 2018

FoodAuthent Kollaborative Referenzdatenbanken fuumlr chemische Fingerabdruumlcke In dem dreijaumlhrigen Projekt werden Grundlagen fuumlr den Routineeinsatz von Fingerprinting-Analyseverfahren im Lebensmittelsektor und in der amtlichen Uumlberwachung geschaffen Zusammen mit den Projektpartnern entwickelt das BfR bis April 2019 gemeinschaftliche Fingerprin-ting-Datenbanken sowie Schnittstellen zu privatwirtschaftlich betriebenen Pro-duktinformationssystemen Exemplarisch erfolgt dies fuumlr Hartkaumlse Speiseoumlle und Spirituosen Die Daten sollen fuumlr die mit-wirkenden Akteure im Lebensmittelbereich frei zugaumlnglich sein

Original oder Faumllschung ndash Gemeinsam gegen Lebensmittelgaunerei

Das BfR beteiligt sich an Drittmittelprojekten um Herstellern und Uumlberwa-chungsbehoumlrden Methoden an die Hand zu geben mit denen schnell sicher und kosteneffizient die Echtheit eines Lebensmittels erkannt werden kann Einige werden hier vorgestellt

Animal-IDHerkunftsnachweis von tierischen Proteinen in Futter- und Lebens-mitteln Die Projektpartner kombinieren Massen- spektrometrie mit Verfahren zur Protein-anreicherung um Analysemethoden zur gewebespezifischen Herkunftsbestimmung von Futtermitteln zu entwickeln sowie Schnelltests auf Basis von proteinbasierten ELISA DipStick-Tests fuumlr die wichtigsten Tierarten in der Fleischproduktion wie Rind Schwein Pferd und Huhn Das BfR koordiniert das Vier-Jahres-Projekt (2016 bis 2019)

FoodRisk-Lab Softwareloumlsungen zur Unterstuumlt-zung der Bewertung von Risiken Das BfR entwickelt frei verfuumlgbare Soft-wareloumlsungen und Web-Dienste fuumlr die Bewertungsarbeit behoumlrdlicher Einrichtun-gen sowie fuumlr Wissenschaft und Forschung FoodChain-Lab unterstuumltzt z B die Ruumlckverfolgung von Futter- und Lebens-mitteln entlang der Warenketten und ermoumlglicht eine interaktive Analyse von Ausbruchsgeschehen Weitere Programme dienen der mathematischen Modellierung von Gefahren im Bereich der Futter- und Lebensmittelsicherheit

SPICEDSicherung der Gewuumlrz- und Kraumluterwarenketten Europas Gewuumlrze und Kraumluter werden sehr vielen Lebensmitteln zugesetzt Die Ergebnisse des Forschungsprojektes tragen dazu bei die Gewuumlrz- und Kraumluterwarenketten Euro-pas gegen natuumlrliche unabsichtliche und absichtliche biologische und chemische Ver-unreinigungen zu schuumltzen Das Projekt mit 11 Partnern aus sieben EU-Laumlndern wurde von 2013 bis 2016 im 7 Rahmenprogramm der EU gefoumlrdert und vom BfR koordiniert

11012017

FORSCHUNGSPROJEKTE

bdquoWir wollen Faumllschungen einen Riegel vorschiebenldquo

Professor Wittkowski welche Lebens- mittel werden uumlblicherweise verfaumllschtGefaumllscht wird uumlberall dort wo ein oumlkono-mischer Vorteil erzielt werden kann Pro-duktpiraterie kommt deswegen vor allem bei hochqualitativen und teuren Markenpro-dukten wie Olivenoumll Schafskaumlse Wein oder Spirituosen vor Ein uumlblicher Trick ist min-derwertige Zutaten als hochwertige zu ver-kaufen wie Shrimps als Garnelen Bei Pro-dukten bei denen die geografische Herkunft ein Qualitaumltsmerkmal ist wie Parma- oderSerrano-Schinken Irischer Whiskey oder Champagner wird versucht die Herkunft vorzutaumluschen

Koumlnnen Verbraucher denn noch der Le-bensmittelsicherheit vertrauen Glaubwuumlrdigkeit Vertrauen und Sicherheit sind eng miteinander verknuumlpft Menschen wollen einkaufen kochen essen und trin-ken gesund bleiben und es soll schmecken Sie wollen nicht wissen wie der Wein filt-riert oder bei welcher Temperatur der Kaf-fee geroumlstet wurde aber sie wollen darauf vertrauen dass die Angaben stimmen und dass diese Technologien sichere Lebens-mittel erzeugen Dies ist nur moumlglich weil es Standards fuumlr die Lebensmittelwirtschaft gibt und Uumlberwachungsbehoumlrden die Ein-haltung pruumlfen

Nur weil Parma-Schinken nicht aus Par-ma kommt stellt er doch noch kein Ge-sundheitsrisiko dar Geht es nicht viel-mehr um oumlkonomische Interessen der Hersteller Wissenschaftler koumlnnen zunaumlchst Normab-weichungen erkennen nicht aber die Mo-tivation von Verfaumllschern Zunaumlchst wird selbstverstaumlndlich eine Risikobewertung derartiger Befunde durchgefuumlhrt Anschlie-szligend kann man nach weiterer Uumlberpruumlfung und Ruumlckverfolgung der Lieferketten ent-scheiden ob es eine gezielte Verfaumllschung war oder nicht

Koumlnnen Sie ein Beispiel gebenStatt Rindfleisch wurde vor einigen Jahren in Lasagne Pferdefleisch nachgewiesen Im ersten Moment ein gesundheitlich unbe-denklicher Betrugsfall Pferdefleisch ist ein hochwertiges Lebensmittel Allerdings war nicht bekannt woher das Fleisch kam und ob es mit verbotenen undoder gesundheits-schaumldlichen Arzneimitteln belastet war Das wurde dann uumlberpruumlft und das Fleisch fuumlr unbedenklich erklaumlrt Oder Aufgrund des traditionellen Anbaus hatten Pistazien aus dem Iran eine Zeit lang erhoumlhte Mykoto-xingehalte und unterlagen daher strengen Auflagen bei der Einfuhr nach Europa Zur Umgehung dieser Auflagen traten Falsch-deklarationen der Herkunft auf Iranische Pistazien wurden als Pistazien aus Kaliforni-en in den Markt gebracht

Es geht also in erster Linie immer um Verbraucherschutz und nicht um Taumlu-schungs- oder Betrugsschutz Aus meiner Sicht ja Teilweise nehmen Faumllscher auch billigend in Kauf dass Men-schen zu Schaden kommen Mit Methanol gepanschter Alkohol oder mit Melamin gestrecktes Milchpulver sind Beispiele Die Verfaumllscher sind naumlmlich keine Toxikologen Die Frage ist also welche Methoden koumlnnen Behoumlrden bereitstellen um das Vertrauen in die Sicherheit der Lebensmittel zu erhalten

Das houmlrt sich an wie ein Wettlauf For-schung gegen Faumllschung Gibt es denn immer die richtige MethodeDas Gute an der Analytik ist dass man mit der richtigen Methode findet was man sucht Allerdings wissen wir nicht immer auf welche neuen betruumlgerischen Ideen Faumll-scher kommen Deswegen beteiligen wir uns in internationalen Forschungsvorhaben an der Entwicklung von Referenzdaten-banken mit dem typischen Fingerabdruck von Lebensmitteln Die sogenannte Finger-print-Analyse bietet die Moumlglichkeit nicht

nur Lebensmittel durch ihre Normabwei-chung als gefaumllscht zu identifizieren sondern auch bisher unbekannte Verfaumllschungen und gesundheitlich bedenkliche Manipulationen aufzudecken bevor die Ware in den Regalen steht

In der Praxis gibt es dazu doch sicher schon MaszlignahmenPrivate Analysefirmen haben sich bereits auf die Fingerprint-Methode fuumlr bestimmte Produkte spezialisiert und groszlige Datenban-ken angelegt Doch hier liegt ein Problem Jeder arbeitet mit seinen eigenen Daten Auch sind die Ergebnisse der Firmen nicht gerichtsfest weil die Datengrundlage nicht oumlffentlich ist Staatliche Institutionen ar-beiten dagegen mit transparenten und ver-gleichbaren Daten damit Beanstandungen gerichtsfest sind Deswegen muumlssen fuumlr ei-nen Erfolg der Fingerprint-Methoden die Messungen der verschiedenen Labore va-lidiert und die Datenbanken harmonisiert werden

bdquoUnser Allein- stellungsmerkmal ist dass wir Risikobewertung und Forschung betreiben

12 BfR 2 GO

SCHWERPUNKTTHEMA AUTHENTIZITAumlT

BfR-Vizepraumlsident Professor Dr Reiner Wittkowski setzt sich dafuumlr ein dass am BfR zu neuartigen Verfah-ren zur Authentifizierung von Lebensmitteln geforscht wird Als junger Lebensmittelchemiker hat er am Vorgaumlngerinstitut des BfR dem Bundesgesundheitsamt bereits fuumlr die Uumlberpruumlfung der Echtheit von Wein Methoden entwickelt etabliert und begonnen eine Fingerabdruck-Datenbank anzulegen

Was traumlgt das BfR zur Uumlberpruumlfung der Echtheit von Lebensmitteln bei Wir beteiligen uns seit Langem an allen maszliggeblichen EU-Forschungsvorhaben zur Authentizitaumltspruumlfung Unser Alleinstel-lungsmerkmal ist dass wir Risikobewertung und Forschung betreiben Das BfR hat an-ders als andere Bewertungsbehoumlrden eigene Laboratorien Wir haben deswegen einen sehr strengen Blick auf Bewertungsmetho-den und fragen wie sicher die Aussagekraft der Daten ist Das Kerngeschaumlft der 17 Re-ferenzlabore des BfR ist Methodenvali-dierungen durchzufuumlhren Auf nationaler Ebene arbeitet das BfR bereits eng mit der amtlichen Lebensmitteluumlberwachung der Bundeslaumlnder zusammen

Welchen konkreten Ansatz nutzt das BfRWir kombinieren Analytik und Daten-modellierung Das Institut hat eine lange Historie hinsichtlich des Nachweises der Echtheit von Lebensmitteln da auch in den Vorgaumlngerinstitutionen dazu geforscht wur-de In den 1990er-Jahren wurde hier eine der ersten Datenbanken zur Uumlberpruumlfung der Authentizitaumlt von Wein aufgebaut und wurden erstmals Kernresonanz-spektrosko-pische Verfahren in der Lebensmittel-Ana-lytik angewandt Die Expertise zum Thema Wein haben wir dann auf andere Lebens-mittel-Matrizes uumlbertragen Neben der Ana-lytik ist die Statistik unser zweiter Impetus Das BfR hat viel Erfahrung im Bereich der Datenanalyse fuumlr die Vor- und Ruumlckverfolg-barkeit von Lieferketten aufgebaut Mit der FoodChainLab-Software die im Rahmen der EHEC-Krise entwickelt wurde sind komplexe Datenmodellierungen moumlglich

Was sind die naumlchsten SchritteWir haben bereits ein nationales Kompe-tenznetzwerk zwischen Bundesbehoumlrden Landesuntersuchungsaumlmtern Universitaumlten und Forschungseinrichtungen etabliert und wir bringen das Thema weltweit voran Das BfR hat im November 2016 ein Symposium organisiert auf dem rund 100 Fachleute aus Deutschland Europa Nordamerika Afrika Asien und Neuseeland uumlber die Herausfor-derungen der Standardisierung diskutierten Aus meiner Sicht sollte unbedingt ein euro-paumlisches Referenzlabor eingerichtet werden ndash die EU-Kommission erwaumlgt dies bereits ndash um in Europa ein harmonisiertes System der angewendeten Methoden und der Datener-fassung fuumlr die Authentizitaumltspruumlfung von Lebensmitteln zu etablieren Nur das ist ziel-fuumlhrend wenn wir Faumllschungen global einen Riegel vorschieben wollen

copy B

fR

13012017

INTERVIEW MIT PROFESSOR DR REINER WITTKOWSKI

Der BfR-Verbrauchermonitor ist ein zentrales Instru-ment des gesundheitlichen Verbraucherschutzes Er zeigt wie die Oumlffentlichkeit Risiken wahrnimmt

Gefuumlhlte Risiken im Visier

copy ig

orst

evan

ovic

Shu

tters

tock

com

RISIKOWAHRNEHMUNG

14 BfR 2 GO

Welche Themen bewegen Verbraucherinnen und Verbrau-cher Was ist ihnen vertraut was beunruhigt sie Ant-worten auf diese Fragen liefert der BfR-Verbrauchermo-

nitor ndash eine seit 2014 regelmaumlszligig durchgefuumlhrte repraumlsentative Bevoumllkerungsbefragung mit der das BfR die generelle Einschaumlt-zung der Oumlffentlichkeit zu Verbraucherschutzthemen ermittelt In Ergaumlnzung dazu fuumlhrt das BfR Repraumlsentativbefragungen zu Ein-zelthemen durch die von besonderem aktuellem Interesse sind wie Antibiotikaresistenzen oder Pflanzenschutzmittel Die Ergeb-nisse dazu erscheinen als bdquoBfR-Verbrauchermonitor Spezialldquo Der Verbrauchermonitor ist ein wesentlicher Indikator um moumlgliche Missverstaumlndnisse oder Fehleinschaumltzungen seitens der Bevoumllke-rung fruumlhzeitig zu erkennen bdquoFuumlr uns ist es sehr wichtig konkret zu wissen was die Bevoumllkerung warum bewegt Daraus folgern wir welche kommunikativen Maszlignahmen zu ergreifen sindldquo sagt PD Dr Gaby-Fleur Boumll Leiterin der Abteilung Risikokommunika-tion am BfR

Methode der Datenerhebung

Fuumlr die repraumlsentative Umfrage des Verbrauchermonitors werden ca 1000 Personen die in Privathaushalten in Deutschland leben und mindestens 14 Jahre alt sind im Auftrag des BfR von Markt- und Meinungsforschungsinstituten telefonisch interviewt Diese Interviews werden computergestuumltzt anhand eines programmier-ten Fragebogens von geschulten Interviewern durchgefuumlhrt ndash kurz CATI-Methode genannt nach der englischen Bezeichnung compu-ter-assisted telephone interviewing Dabei werden die Fragen zum gesundheitlichen Verbraucherschutz und Fragen zu anderen The-menbereichen zu einer sogenannten Omnibus- oder Mehrthemen-befragung zusammengefasst Die Fragen des Verbrauchermonitors koumlnnen einen offenen Charakter haben (ungestuumltzte Fragen) oder geschlossen formuliert sein (gestuumltzte Fragen) Um die Ergebnisse der Verbrauchermonitore im Zeitverlauf miteinander vergleichen zu koumlnnen ist jede Umfrage aumlhnlich aufgebaut Das BfR widmet sich einerseits Themen die in der Oumlffentlichkeit eine groszlige Auf-merksamkeit erhalten Andererseits analysiert es Fragen die bisher weniger im oumlffentlichen Fokus stehen aber ebenfalls relevant sind wie beispielsweise gesundheitsschaumldliche Pflanzeninhaltsstoffe Auch das Ausmaszlig des Vertrauens in die staatlichen Strukturen des gesundheitlichen Verbraucherschutzes wird abgefragt da dies wie-derum die Wahrnehmung von Risiken beeinflussen kann

bdquoFuumlr uns ist es sehr wichtig konkret zu wissen was die Bevoumllkerung warum bewegt

Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher

Kaum veraumlndert hat sich in den letzten Jahren die Ansicht von Ver-braucherinnen und Verbrauchern dass Lebensmittel in Deutsch-land sicher sind Fragt man in der ungestuumltzten Abfrage nach den groumlszligten gesundheitlichen Risiken so sind dies im aktuellen Ver-brauchermonitor (082017) nach wie vor das Rauchen die Klima- bzw Umweltbelastung und ungesunde oder falsche Ernaumlhrung Da-nach werden Alkohol sowie ungesunde oder belastete Lebensmittel genannt Fragt man in der gestuumltzten Abfrage gezielt nach ausge-waumlhlten Themen so fuumlhren Salmonellen gentechnisch veraumlnderte Lebensmittel Antibiotikaresistenzen und Ruumlckstaumlnde von Pflan-zenschutzmitteln die Bekanntheitsskala an Dies sind auch die vier Themen die bei den meisten Befragten fuumlr Beunruhigung sorgen Es zeigt sich immer wieder dass Verbraucherinnen und Verbrau-cher Risiken unterschaumltzen die aus Sicht der Risikobewertung als

ZielsetzungVerbrauchermonitor

gt Erfassung und Analyse von Trends und Themen in der Verbraucherwahrnehmunggt Uumlber- bzw Unterschaumltzung von gesundheitlichen Risiken durch die Bevoumllkerunggt Beobachtung von Veraumlnderungen im Verbraucherverhaltengt Schnelle Erfassung der Verbraucherwahrnehmung in Krisensituationen

BfR-VERBRAUCHERMONITOR

15012017

gesundheitsrelevant eingestuft werden wie z B die Lebensmittelhygiene im eigenen Haushalt Noch weitgehend unbekannt ist der breiten Oumlffentlichkeit eine neue derzeit in der Wissenschaft diskutierte Metho-de zur Genveraumlnderung ndash das sogenannte bdquoGenome Editingldquo

Vertrauen staumlrken

Verschiedene Bevoumllkerungsgruppen neh-men Ereignisse oder Sachverhalte unter-schiedlich wahr Es haumlngt von vielen Fakto-ren ab wie groszlig ihnen ein Risiko erscheint Insbesondere zwischen der Wahrnehmung von Laien und Fachleuten koumlnnen sich Un-terschiede ergeben da die intuitive Risiko-einschaumltzung der Bevoumllkerung haumlufig auf anderen Prinzipien und Kriterien beruht als die wissenschaftliche Risikobewertung Aus der Risikowahrnehmungsforschung ist beispielsweise bekannt dass die Sorge vor

synthetisch hergestellten Stoffen groumlszliger ist als die Sorge vor natuumlrlich vorkommenden Stoffen wie beispielsweise giftigen Pflanze-ninhaltsstoffen

Der BfR-Verbrauchermonitor Spezial zum Thema Pflanzenschutzmittel hat zudem gezeigt dass ein Groszligteil der Bevoumllkerung faumllschlicherweise davon ausgeht dass in Lebensmitteln generell keine Reste von Pflanzenschutzmitteln vorkommen duumlr-fen Tatsaumlchlich sind Ruumlckstaumlnde von zu-gelassenen Pflanzenschutzmitteln bis zum erlaubten Ruumlckstandshoumlchstgehalt zulaumls-sig und als gesundheitlich unbedenklich eingestuft Auf diese Diskrepanz kann die Risikokommunikation gezielt reagieren indem sie die Oumlffentlichkeit mit geeigne-ten Kommunikationsformen umfassend uumlber die rechtlichen und wissenschaftli-chen Grundlagen der Risikobewertung bei Pflanzenschutzmitteln informiert

Die Ergebnisse solcher Bevoumllkerungsum-fragen liefern wichtige Einsichten in die Risikowahrnehmung verschiedener Bevoumll-kerungsgruppen und zeigen Unterschiede hinsichtlich demografischer Faktoren wie Alter Bildungshintergrund Berufsgrup-pe und Geschlecht auf So ist Frauen das Vorkommen von Pyrrolizidinalkaloiden in Kraumlutertee beispielsweise haumlufiger bekannt als Maumlnnern Auch hat sich gezeigt dass Maumlnner Prozesskontaminanten in Grill-fleisch weniger bedenklich einschaumltzen als Frauen

Mit dem Verbrauchermonitor hat das BfR ein Instrument etabliert mit dem noch fruumlher auf Informations- und Kommuni-kationsbeduumlrfnisse eingegangen und damit das Vertrauen der Oumlffentlichkeit in den ge-sundheitlichen Verbraucherschutz weiter gestaumlrkt werden kann

Alle bisher erschienenen BfR-Verbrauchermonitore koumlnnen abgerufen werden unter wwwbfrbundde gt Publikationen gt Broschuumlren gt BfR-Verbrauchermonitor

Welche Themen betrachten Sie persoumlnlich als die groumlszligten gesundheitlichen Risiken fuumlr Verbraucherinnen und Verbraucher

Inwieweit sind Sie persoumlnlich uumlber die folgenden Themen zur Lebensmittel-sicherheit beunruhigt oder nicht beunruhigt

16 BfR 2 GO

RISIKOWAHRNEHMUNG

2016 gab es in Deutschland in der deutsch-sprachigen Bevoumllkerung ab 14 Jahren rund 08 Millionen Personen die sich selbst als Veganer bezeichnen wuumlrden oder als je-mand der weitgehend auf tierische Produk-te verzichtet (2016 Allensbacher Markt- und Werbetraumlger-Analyse IfD Allensbach) Ei-nige Studien zeigen dass eine vegane Ernaumlh-rung positive Einfluumlsse auf die Gesundheit haben kann wie zum Beispiel ein geringeres Risiko fuumlr Typ-2-Diabetes Beschrieben wer-den allerdings auch gesundheitliche Risiken durch Naumlhrstoffmangelzustaumlnde etwa fuumlr Schwangere und Kinder Wer keine tierische Produkte zu sich nimmt riskiert unter an-derem eine Unterversorgung mit Vitamin B12 Eisen Calcium Jod und Zink sowie mit langkettigen Omega-3-Fettsaumluren

Vor diesem Hintergrund entwickelte das BfR geeignete Risikokommunikationsstra-tegien Ein Forschungsprojekt widmete sich den individuellen und sozialen Einflussfak-toren die zur Motivation und Aufrechter-haltung einer veganen Ernaumlhrung fuumlhren Insgesamt wurden 42 Veganerinnen und Veganer zu ihren Werten Einstellungen und Meinungen befragt Aufgrund der zum Teil sehr ausgepraumlgten Abweichun-gen zur Durchschnittsbevoumllkerung lassen sich verallgemeinernde Aussagen treffen Repraumlsentativ sind die Befragungsdaten al-lerdings nicht

Ethische Entscheidung

Fast immer begruumlnden Veganerinnen und Veganer ihre Entscheidung fuumlr eine vega-ne Ernaumlhrung mit ethischen Argumenten Gesundheitliche Motive werden selten ge-nannt Die Befragten sind uumlberwiegend konfessionslos und uumlberdurchschnittlich

gebildet Auszligerdem beguumlnstigt Vegetaris-mus die Entscheidung sich vegan zu ernaumlh-ren Zwei Drittel der Teilnehmenden haben sich bereits vorher vegetarisch ernaumlhrt Er-naumlhren sich bereits Personen aus dem na-hen Umfeld vegan kann dies die Entschei-dung auch vorantreiben

Fuumlr die uumlberwiegende Mehrheit der Be-fragten ist die Ruumlckkehr zur omnivoren Ernaumlhrung die tierische Produkte zulaumlsst nicht vorstellbar Auch eine Schwanger-schaft wird meist nicht als Grund dafuumlr angesehen Oft werden auch Kinder vegan ernaumlhrt Nach Aussagen der Befragten re-agiert das soziale Umfeld haumlufig mit Skepsis und Aversion Um eine soziale Ausgren-

zung der Kinder zu verhindern lassen die Befragten teils Kompromisse zu So koumlnn-ten Kinder zum Beispiel selbst waumlhlen ob sie auswaumlrts Tierprodukte essen

Wissen kommt an

Wer sich vegan ernaumlhrt verfuumlgt in der Re-gel uumlber ein fundiertes Ernaumlhrungswissen 40 der 42 Teilnehmenden der BfR-Studie waren sich zum Beispiel daruumlber im Klaren dass es ohne tierische Produkte zu einer Mangelversorgung mit Vitamin B12 kom-men kann Viele nehmen dieses Vitamin zusaumltzlich ein Bei der Informationssuche rund um vegane Ernaumlhrung ist das Inter-net die wichtigste Informationsquelle (siehe Grafik)

Strategie der Risikokommunikation

Im Rahmen der Befragung stellten sich wichtige Anknuumlpfungspunkte fuumlr die Risi-kokommunikation heraus Unter anderem wurde klar dass ein negativer Ansatz der die vegane Ernaumlhrung als gefaumlhrlich oder abnormal darstellt nur wenig Erfolg haben kann Eine effektive Risikokommunikation sollte an bestehende Uumlberzeugungen der Veganerinnen und Veganer anknuumlpfen Ziel sollte dabei sein konkrete Tipps fuumlr den Alltag zu geben die sich mit einer vega-nen Ernaumlhrung verbinden lassen Informa-tionen wie bei einer veganen Ernaumlhrung eine moumlgliche defizitaumlre Naumlhrstoffversor-gung verhindert werden kann sind grund-saumltzlich erfolgversprechend Insbesondere uumlber Alternativen oder Supplementierung in der Schwangerschaft bei Saumluglingen und Kleinkindern sollte umfassend informiert werden

Vegan und informiert

Welche Informationsquellen nutzen Sie um sich

uumlber vegane Ernaumlhrung zu informieren

Kochbuumlcher mit veganen Rezepten Blogs zum Thema und tierfreie Supermaumlrkte ndash die vegane Ernaumlhrung liegt im Trend Wer ganz auf tierische Produkte verzichtet riskiert jedoch eine Unterversorgung mit bestimmten Naumlhrstoffen Um eine effiziente Risikokommunikation zu gewaumlhrleis-ten hat das BfR Veganerinnen und Veganer zu Wissens-stand und Einstellungen befragt

Foren im Internet

Sonstige Quellen im Internet

Buumlcher

Zeitschriften

Freunde Bekannte

Sonstigen = 42 Mehrfachnennungen moumlglich

74

71

52

36

12

5

copy S

tudi

oPho

toD

Flor

ezs

hutte

rsto

ckc

om

BEFRAGUNG ZU VEGANISMUS

17012017

63

72 Ekel

Fremdheit

Bedenken zu Hygiene und Vertraumlglichkeit

Grillen Mehlwuumlrmer und Wanderheuschrecken ndash in vielen Regionen der Welt werden Insekten von Menschen verspeist Auch in der Schweiz sind Insek-ten seit dem Fruumlhjahr 2017 offiziell als Lebensmittel zugelassen Ihr Verzehr ist in Europa jedoch generell wenig verbreitet und die oumlffentliche Diskussion steckt noch in den Anfaumlngen Wie bekannt ist das Thema in der deutschen Bevoumllkerung Welche Einstellungen bestehen gegenuumlber essbaren Insekten Wie wird das Thema in den Medien dargestellt In zwei Studien hat das BfR Antworten auf diese Fragen gefunden

Die Mehrheit der Deutschen vermutet keine gesundheitlichen Risiken durch den Verzehr von Insekten wuumlrde sieaber dennoch nicht verzehren Hauptgruumlnde gegen den Verzehr

sind Ekel Fremdheit Bedenken zu Hygiene und Vertraumlglichkeit

46 13 15

Insekten als Lebensmittel fuumlr Menschen ndash 72 Prozent der Befragten haben schon davon gehoumlrt Insekten gelten als eiweiszlig- naumlhrstoff- und vitaminreich und als eine wesentliche Nahrungsquelle hinsichtlich des Welternaumlhrungsproblems

Insekten essen Mehr Theorie als Praxis

18 BfR 2 GO

RISIKOWAHRNEHMUNG

2014

27 Artikel

14

Zugrundeliegende Studien telefonische Repraumlsentativbefragung von 1000 Personen (deutschsprachige Bevoumllkerung ab 14 Jahren) Medienanalyse von 17 deutschen Print- und Onlinemedien (uumlberregionale Qualitaumltszei-tungen Hauptstadtpresse und woumlchentliche Zeitungen) im Zeitraum Januar 2014 bis Dezember 2015 zur Art und Haumlufigkeit der Berichterstattung uumlber essbare Insekten

14 Prozent der Befragten haben schon einmal Insekten verzehrt mehrheit-lich im Ausland Uumlberwiegend sind es Maumlnner 18 ndash 29-Jaumlhrige gut Gebildete und Staumldter

Die Medienberichterstattung zu Insekten als Lebens- und Futtermittel verdoppelte sich von 2014 zu 2015 In der Mehrheit ging es um Nutzen- aspekte Insekten wurden medial als bdquozukunftsweisendes sinnvolles Lebensmittel bei dem der Nutzen gegenuumlber moumlglichen Risiken uumlber-wiegtldquo dargestellt

Verbraucherinnen und Verbraucher wuumlnschen sich mehr Informationen zu moumlglichen gesundheitlichen Risiken von Insekten als Lebens- und Fut-termittel zu ihrer Produktion und zum Naumlhrstoffgehalt Dies koumlnnte die oumlffentliche Akzeptanz fuumlr den Verzehr von Insekten erhoumlhen Auch bdquounkenntlich gemachteldquo Insekten in Form verarbeiteter Lebensmittel wuumlrden eher akzeptiert als Insekten im urspruumlnglichen Zustand

WeiterlesenBfR-Symposium bdquoInsekten als Lebens- oder Futtermittel Nah-rung der Zukunftldquo Bericht zum Symposium am 24 Mai 2016 in 2016 Journal fuumlr Verbraucher-schutz und Lebensmittelsicher-heit 11 3 281ndash289

2015

60 Artikel

i

Insekten als Lebensmittel

gt zaumlhlen lebensmittelrechtlich in der EU zu den neuartigen Lebensmitteln und muumlssen zugelassen werden

gt unerforschte Aspekte Toxikologie Gehalt an Kontaminanten und Ruumlckstaumlnden allergenes Potenzial mikrobiologische Risiken

copy a

rka3

8sh

utte

rsto

ckc

om

19012017

INFOGRAFIK ZU INSEKTEN

Unerwuumlnscht inLebensmitteln

Gelangen Pyrrolizidinalkaloide (PA) in die Lebensmittelkette koumlnnen insbesondere 12-ungesaumlttigte PA dem Menschen schaden Seit Jahren

befasst sich das BfR mit der Frage welches gesundheitliche Risiko von 12-ungesaumlttigten PA in Lebensmitteln ausgeht Klar ist die PA-Kontami-

nation in der Lebensmittelkette sollte so gering wie moumlglich sein

LEBENSMITTELSICHERHEIT

20 BfR 2 GO

Unerwuumlnschte Stoffe die in die Lebensmittelkette gelangen koumlnnen fuumlr Verbraucherinnen und Verbraucher ein gesund-heitliches Risiko darstellen Ein Beispiel fuumlr solche Eintraumlge

sind 12-ungesaumlttigte Pyrrolizidinalkaloide (PA) Das sind Stoffe die von einigen Pflanzen als Schutz vor Fraszligfeinden gebildet werden Sie konnten zunaumlchst in Honig und anderen Bienenprodukten spaumlter auch in Tees Kraumlutertees und Gewuumlrzen aber auch in pflanzenba-sierten Nahrungsergaumlnzungsmitteln nachgewiesen werden

Toxische Wirkungen bei Mensch und Tier

Beim Menschen sind vereinzelt Vergiftungsfaumllle nach arzneilicher Einnahme von PA-haltigen Kraumlutertees und -erzeugnissen bekannt Weiterhin gibt es Berichte uumlber epidemische Lebererkrankungen mit Todesfaumlllen in Pakistan Indien Afghanistan Tadschikistan und der ehemaligen UdSSR nach Verzehr von Getreide das mit Samen von Heliotropium- oder Crotalaria-Arten kontaminiert war Aus der Nutztierhaltung ist das gehaumlufte Auftreten von Leberzirrhosen bei Schlachtrindern bekannt die mit Heu und Silage auch Alpenkreuz-kraut aufgenommen hatten Auch bei Pferden wurden mit Leberde-generation einhergehende durch PA im Futter verursachte Erkran-kungen die Seneciosen beobachtet

Die Leber ist das primaumlre Zielorgan von Schaumldigungen durch 12-ungesaumlttigte PA Jedoch koumlnnen auch die Lunge oder andere Organe betroffen sein Insbesondere bei Aufnahme houmlherer Dosen treten akute venookklusive Veraumlnderungen in der Leber (hepatic veno-occlusive disease HVOD) oder der Lunge auf In houmlheren Dosen wurden im Tierversuch mit 12-ungesaumlttigten PA auch ent-wicklungstoxische Effekte beobachtet Nach den vorliegenden tier- experimentellen Daten gilt die kanzerogene Wirkung von 12-un-gesaumlttigten PA als gesichert und ein entsprechendes Risiko fuumlr den Menschen wird in Betracht gezogen Vielfach zeigten Verbindungen die sich im Tierversuch als kanzerogen erwiesen in entsprechenden Mutagenitaumltstests eine genotoxische Wirkung

Wie 12-ungesaumlttigte PA in Lebensmittel gelangen koumlnnen

Nach bisherigem Kenntnisstand koumlnnen 12-ungesaumlttigte PA uumlber mehrere Wege in Lebensmittel gelangen In Deutschland sind Ver-unreinigungen vor allem in den Anbauflaumlchen von Nutzpflanzen mit PA-bildenden Wildkraumlutern wie z B bei Salaten mit Kreuzkraut oder Greiskraut aufgetreten Aus Afghanistan sind erhoumlhte Belastungen in Getreide bekannt Auch die Belastung von Tee und Kraumlutertee-Sor-ten mit PA wird auf eine Kontamination mit bestimmten Wildkraumlu-tern in den Anbauflaumlchen zuruumlckgefuumlhrt Auszligerdem koumlnnen Bienen-produkte wie Honig und Pollen mit PA belastet sein wenn die Tracht von bestimmten Wildpflanzen stammt 12-ungesaumlttigte PA koumlnnen auch uumlber verunreinigte Futtermittel in Milch Eier und Fleisch ge-langen Auch Nahrungsergaumlnzungsmittel koumlnnen auf der Basis von Pflanzen hergestellt sein die selbst 12-ungesaumlttigte PA bilden

Gesundheitliche Risiken durch belastete Lebensmittel

Das BfR hat 2016 eine Bewertung der gesundheitlichen Risiken durch 12-ungesaumlttigte PA erarbeitet Dabei wurde die Belastung aller wichtigen Lebensmittelgruppen beruumlcksichtigt fuumlr die aktuell Daten zum Vorkommen von 12-ungesaumlttigten PA vorliegen Bei der Bewertung wurde die genotoxisch-kanzerogene Wirkung als emp-findlichster Endpunkt zugrunde gelegt

copy F

eyya

z A

laca

ms

hutte

rsto

ckc

om

copy e

mbe

riza

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

21012017

Danach geht bei Kindern im Alter von sechs Monaten bis unter fuumlnf Jahren die Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA im Wesentlichen auf Kraumlutertee einschlieszliglich Rooibostee Schwarztee und Honig zuruumlck Fruumlchtetee Milch Eier und Fleisch tragen nur wenig zur Gesamtaufnahme von 12-un-gesaumlttigten PA bei Sieht man von bestimm-ten Nahrungsergaumlnzungsmitteln ab zeigt sich bei Erwachsenen ein aumlhnliches Bild Bei Erwachsenen ist der Beitrag von Honig zur Gesamtaufnahme an 12-ungesaumlttigten PA geringer und der von Gruumlntee houmlher als bei Kindern Bei hohen Gehalten koumlnnen Nahrungsergaumlnzungsmittel als zusaumltzliche Expositionsquelle zur Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber Lebensmittel beitragen Gewuumlrze und Kraumluter aber auch Mehle stellen moumlglicherweise eine relevante zusaumltzliche Expositionsquelle dar Fuumlr eine abschlieszligende Bewertung fehlen hier jedoch noch Daten

Obwohl in Einzelfaumlllen hohe Gehalte an 12-ungesaumlttigten PA in bestimmten Le-bensmitteln des allgemeinen Verzehrs nachgewiesen wurden haumllt das BfR nach derzeitiger Datenlage auch bei hoher Auf-nahme dieser Lebensmittel eine akute Ge-sundheitsschaumldigung fuumlr unwahrscheinlich Zur Abschaumltzung des potenziellen Risikos von genotoxisch-kanzerogenen Wirkungen legte das BfR wie international uumlblich den MOE-Ansatz (Margin of Exposure) zugrun-de Dabei wird ausgehend von Tierstudien angenommen dass fuumlr genotoxische Kan-zerogene ein MOE-Wert von 10000 oder houmlher aus Sicht der oumlffentlichen Gesundheit als wenig bedenklich und die Prioritaumlt fuumlr Maszlignahmen im Rahmen des Risikomanage-ments als niedrig angesehen werden kann Bei genotoxisch-kanzerogenen Stoffen kann keine Schwellendosis angenommen werden unterhalb derer keine unerwuumlnschten Wir-kungen mehr erwartet werden Daher gilt in der Europaumlischen Union die Empfehlung die Exposition gegenuumlber genotoxisch und kanzerogen wirkenden Substanzen so weit zu minimieren wie dies vernuumlnftig erreich-bar ist ndash das sogenannte ALARA-Prinzip (as low as reasonably achievable) Selbst geringe Aufnahmemengen koumlnnen insbesondere bei regelmaumlszligigem Verzehr mit einer Erhouml-hung gesundheitlicher Risiken verbunden sein

Die Bewertung des genotoxischen und kan-zerogenen Risikos erfolgt als Vergleich der Gesamtaufnahme uumlber verschiedene Tees Milch und Honig bei Kindern und Er-wachsenen auf der Basis verschiedener Ver-zehrszenarien mit dem BMDL10-Wert von

73 Mikrogramm pro Kilogramm Koumlrperge-wicht und Tag unter Berechnung des MOE Der BMDL10-Wert (Benchmark dose lower confidence limit 10) ist ein Schaumltzwert der niedrigsten Dosis die im Tierexperiment mit 95-prozentiger Sicherheit eine Krebsin-zidenz von nicht mehr als 10 Prozent ver-ursacht Alle Berechnungsansaumltze sowohl fuumlr Kinder als auch fuumlr die erwachsene Be-voumllkerung ergaben MOE-Werte deutlich unterhalb von 10000 Da nach Ansicht des Wissenschaftlichen Ausschusses der EFSA ein MOE erst ab einem Wert von mindes-tens 10000 aus Sicht der oumlffentlichen Ge-sundheit als wenig bedenklich anzusehen ist empfiehlt das BfR die Gesamtexposition mit PA aus allen Lebensmitteln so niedrig wie moumlglich zu halten und einen MOE von 10000 bei Beruumlcksichtigung der PA-Zufuhr aus allen Quellen nicht zu unterschreiten Dazu sollten die Bemuumlhungen fortgesetzt werden die PA-Gehalte in Lebensmitteln weiter zu senken

Forschungsansaumltze des BfR

Das BfR befasst sich seit einigen Jahren mit der Problematik der Verunreinigung von Lebensmitteln mit 12-ungesaumlttigten PA und verfolgt hierzu verschiedene Forschungs-ansaumltze Die Analytik der 12-ungesaumlttigten PA stellt aufgrund ihrer groszligen strukturel-len Vielfalt und des Vorkommens in unter-schiedlichen Lebensmitteln eine besondere Herausforderung dar In den letzten Jahren hat das BfR spezifische Nachweismethoden entwickelt und in Ringversuchen validiert Diese Methoden stehen auf der Homepage des BfR zur Verfuumlgung und koumlnnen z B in der Lebensmittel- und Futtermitteluumlberwa-chung eingesetzt werden

Neben der Entwicklung analytischer Me-thoden werden am BfR die molekularen Mechanismen der Toxizitaumlt von 12-unge-saumlttigten PA untersucht Hier stehen vor allem Untersuchungen zur strukturabhaumln-gigen Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber die Darmbarriere im Vordergrund Die Ergebnisse zeigen dass sich das Wirkungs-potenzial der 12-ungesaumlttigten PA aufgrund von Unterschieden im strukturabhaumlngigen Transport uumlber die Darmbarriere unter-scheiden kann Auch zeigten die getesteten Modellsubstanzen in einem Zellkulturmo-dell deutliche strukturspezifische Unter-schiede im Metabolismus Weitere Untersu-

Pflanzen die Pyrrolizidinalkaloi-de bilden finden sich vor allem in den Familien der Korbbluumltler (Asteraceae) der Raublatt- oder Borretschgewaumlchse (Boraginaceae) und der Huumllsenfruumlchtler (Faba-ceae)

22 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

chungen zu der Zerstoumlrung der sinusoidalen Endothelzellen durch 12-ungesaumlttigte PA sollen zum Verstaumlndnis der Mechanismen beitragen die zu den venookklusiven Ver-aumlnderungen in der Leber fuumlhren Auch wer-den Untersuchungen zur Metabolisierung nahrungsrelevanter Pyrrolizidinalkaloide durchgefuumlhrt Die Forschungsprojekte wer-den von der Deutschen Forschungsgemein-schaft (DFG) gefoumlrdert

Empfehlungen zur Reduktion der PA-Gehalte

Das BfR empfiehlt dass sich Management-maszlignahmen an der Vermeidung genoto-xisch-kanzerogener Effekte der 12-ungesaumlt-tigten PA als dem empfindlichsten Endpunkt orientieren Die Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA sollte fuumlr Verbrau-cherinnen und Verbraucher so gering wie moumlglich sein Dazu sollten die PA-Gehalte in Lebensmitteln so weit wie moumlglich sin-ken Dies gilt insbesondere fuumlr Kraumlutertees Rooibostee Schwarzen Tee und Gruumlnen Tee sowie bestimmte Nahrungsergaumlnzungsmit-tel Hier sollten Anbau- Ernte- und Reini-gungsmethoden weiterhin verbessert wer-den Auch die Auswahl der Rohhonige kann zu einer Reduzierung der Gehalte an 12-un-gesaumlttigten PA in verzehrfertigen Honigen beitragen Auszligerdem sind vor der Vermark-tung seitens der Lebensmittelunternehmer weiterhin Kontrollen in allen betroffenen Lebensmittelkategorien notwendig

Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das potenzielle gesundheitliche Risiko durch PA durch eine abwechslungsreiche Ernaumlh-rung verringern und so generell einseitigen Belastungen mit verschiedenen potenziell gesundheitsgefaumlhrdenden Stoffen vorbeu-gen Insbesondere fuumlr Kinder Schwangere und Stillende empfiehlt das BfR den taumlgli-chen Fluumlssigkeitsbedarf nicht ausschlieszliglich mit Kraumlutertee und Tee zu decken

Bei der Zubereitung von Salat Blattgemuumlse und Kraumlutern sollten Verbraucherinnen und Verbraucher Pflanzenteile aussortieren die sie keinen bekannten essbaren Pflanzen zu-ordnen koumlnnen

Wer Nahrungsergaumlnzungsmittel auf Pollen-basis oder auf Basis von Pflanzen einnimmt die 12-ungesaumlttigte PA bilden sollte sich bewusst sein dass diese Produkte 12-un-gesaumlttigte PA in houmlheren Konzentrationen enthalten koumlnnen

Mehr erfahrenStellungnahme Nr 0302016 des BfR vom 28 September 2016

Necinbase

Necinsaumlure

Die Struktur von PA

Chemisch handelt es sich um Ester aus einer Necinbase und aliphatischen Mono- oder Dicarbonsaumluren (Necin-saumluren) Aus toxikologischer Sicht besonders bedeutsam sind Pyrroli-zidinalkaloide mit 12-ungesaumlttigter Necinstruktur (12-ungesaumlttigte PA) Die 12-ungesaumlttigte Necinstruktur als gemeinsames Strukturmerkmal erlaubt grundsaumltzlich die Giftung durch Oxidation zum Dehydropyrrolizidin das durch seine alkylierenden Eigenschaf-ten fuumlr die genotoxische und karzino-gene Wirkung dieser Substanzgruppe verantwortlich ist

copy R

ukiM

edia

shu

tters

tock

com

copy J

iri H

era

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

23012017

Im suumldlichen Afrika spielt die Landwirt-schaft eine Schluumlsselrolle bei der Armuts-bekaumlmpfung Eine wachsende Produktion tierischer Lebensmittel bringt jedoch auch neue Herausforderungen an die Lebensmit-telsicherheit mit sich Das BfR-Forschungs-projekt bdquoSAD-Zambialdquo (bdquoStaphylococcus aureus in der Milchlebensmittelkette in Sambia ndash Bekaumlmpfung lebensmittelbeding-ter Erkrankungen und Antibiotikaresisten-zen beim Menschldquo) befasst sich damit wie die Produktion und der Vertrieb von Milch und Milchprodukten in Sambia sicherer gestaltet werden koumlnnen Ziel ist es zu be-werten in welchem Umfang das Bakterium Staphylococcus (S) aureus uumlber Milch und Milchprodukte auf den Menschen uumlbertra-gen wird In einem ersten Schritt werden Feldstudien in verschiedenen Provinzen des Landes durchgefuumlhrt um das Vorkommen dieses Erregers und moumlgliche Schwachstel-len in der Milchlebensmittelkette in Sambia zu analysieren Hierbei stehen Toxin-bil-dende S aureus-Staumlmme im Fokus Auszliger-dem wird untersucht in welchem Umfang Methicillin-resistente S aureus (MRSA) die gegen eine bestimmte Klasse von Antibio-tika resistent sind in der Milchlebensmit-

telkette vorkommen Die Bewertungsarbeit beinhaltet auch einen Vergleich traditio-neller und moderner Produktionssysteme Am BfR werden anschlieszligend die Analysen zu den Eigenschaften der gewonnenen Bakterienstaumlmme sowie stammvergleichen-de Untersuchungen durchgefuumlhrt In einem weiteren Schritt werden Ansatzpunkte zur Reduzierung der Bakterien sowie Methoden zum Monitoring von zoonotischen und An-tibiotika-resistenten S aureus in der Milch-lebensmittelkette in Sambia entwickelt So soll zum Verstaumlndnis der lebensmittelbe-dingten Risiken entlang der Milchlebens-mittelkette in Sambia beigetragen werden Das Projekt begann am 01072016 und laumluft drei Jahre Es wird vom Bundesminis-terium fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft gefoumlrdert und aus BfR-Mitteln co-finanziert Neben dem BfR beteiligen sich an dem For-schungsprojekt das International Livestock Research Institute die University of Zambia und das Central Veterinary Research Insti-tute als Teil des sambischen Ministeriums fuumlr Nutztiere und Fischerei Durch dieses Forschungsnetzwerk soll eine nachhaltige Partnerschaft aufgebaut werden

Mit dem Forschungsprojekt bdquoSAD-Zambialdquo leistet das BfR einen Beitrag zur Staumlrkung der Lebensmittelsicherheit und damit zur Ernaumlhrungssicherheit im suumldlichen Afrika Koordinatorin des Projekts ist Frau Dr Alexandra Fetsch Der sambische Doktorand Herr Bruno Phiri berichtet von seiner alltaumlglichen Arbeit Beide arbeiten in der Fach-gruppe bdquoMikrobielle Toxineldquo des BfR

POST AUS hellipSAMBIA

raquobdquoDas SAD-Zambia Projekt ist fuumlr mich ein Meilenstein und ich bin dem BfR sehr dankbar dass es mir diese Moumlglichkeit gibt Ich habe schon viel dazugelernt und konnte meine Kompetenzen bezuumlglich der Diagnose von Krankheitserregern verbessern Das Projekt bringt mich aber nicht nur persoumlnlich voran auch mein Land kann davon profitieren Mein Arbeitsalltag beginnt meist mit einem Besuch bei den Milchbauern und ihren Herden Dort schaue ich mir an wie die Kuumlhe gemolken werden und nehme Proben von den Tieren der Milch und der Umge-bung Auch in Milchsammelstellen und auf Maumlrkten nehme ich Proben Diese analysiere ich anschlieszligend im Labor an der Universitaumlt Schon jetzt freue ich mich auf die weiteren Untersuchungen der Bakterienstaumlm-me am BfR Ich war zu Beginn des Projektes dort ndash eine sehr eindrucks-volle Erfahrungldquo

(Bruno Phiri)

copy a

stud

ios

hutte

rsto

ckc

om

copy B

fR

24 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

Algengift in Tropenfischen

Bisher traten Lebensmittelvergiftungen durch Ciguato-xin ndash einem Algentoxin das in tropischen Speisefischen wie Barrakuda Schnapper oder Zackenbarsch enthalten sein kann ndash vorwiegend in den Tropen auf Mit dem zunehmenden Import von Fischen aus Suumldostasien haumlufen sich auch in Europa und seit 2012 in Deutschland Faumllle von Ciguatera Ein Problem dabei Eine Analyse-methode mit der Fisch routinemaumlszligig auf Ciguatoxine untersucht werden kann ist derzeit noch nicht verfuumlgbar Da weltweit nur wenige Labore auf den Nachweis von Ci-guatoxinen in Fischen spezialisiert sind wird im Projekt bdquoEuroCigualdquo der Europaumlischen Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit (EFSA) unter anderem an der Verbesserung entsprechender Analysemethoden und zum Vorkommen ciguatoxischer Fische in Europa geforscht Das BfR liefert fuumlr das Projekt Angaben zu Erkrankungsfaumlllen in Deutschland Die krankmachenden Algentoxine reichern sich uumlber die Nahrungskette in Raubfischen an und sind uumlberaus stabil Durch Erhitzen oder Tiefkuumlhlen lassen sie sich nicht entfernen Beim Menschen kann der Verzehr betroffener Fische dann zu Vergiftungen mit zum Teil schweren oder andauernden Beeintraumlchtigungen des Nervensystems fuumlhren An Ciguatera Erkrankte nehmen normale Kaumlltereize als ungewoumlhnlich schmerzhaft wahr

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt A-Z-Index Ciguatoxin

Alkaloide in Lupinensamen

In verarbeiteten Produkten oder zum Knabbern Lupinensamen sind im Trend Da sie jedoch toxikologisch relevante bittere Chinolizidinalkaloide enthalten koumlnnen bewertet das BfR ihr gesundheitliches Risiko Der Gehalt an Chinolizi-dinalkaloiden in Lupinensamen variiert je nach botanischer und geografischer Abstammung Samen die von bdquoBitterlupinenldquo stammen sind aufgrund ihrer houmlheren Gehalte ohne geeignete Vorbehandlung der bdquoEntbitterungldquo nicht zum Verzehr geeignet Denn Sie koumlnnen beim Menschen Vergiftungssymptome her-vorrufen Lupinenvarietaumlten die Samen mit niedrigen Alkaloidgehalten liefern werden als bdquoSuumlszliglupinenldquo bezeichnet Suumlszliglupinensamen sind auch ohne Entbitte-rung verzehrsfaumlhig In Deutschland kam es mit Bitterlupinensamen vereinzelt zu Vergiftungsfaumlllen Das BfR empfiehlt Herstellern daher nur ganze Lupinensamen in den Verkehr zu bringen die ohne weitere Entbitterungsprozesse verzehrsfaumlhig sind Mehl aus Lupinensamen sollten Hersteller aus alkaloidarmen oder ausrei-chend entbitterten Samen herstellen

Uumlbertragungswege des Hepatitis-E-Virus

Infektionen mit dem Hepatitis-E-Virus (HEV) koumlnnen zu einer akuten Leberentzuumlndung fuumlhren In den letzten Jahren sind die Zahlen gemeldeter Hepatitis-E-Faumllle des Menschen in Deutsch-land stark angestiegen Forschungsergebnisse des BfR in Zusam-menarbeit mit anderen Einrichtungen haben gezeigt dass das Virus in deutschen Haus- und Wildschweinen weit verbreitet ist Vereinzelt wurde HEV auch in Rehen und Rotwild nachgewiesen

Unklar ist derzeit noch auf welchen Wegen sich die Patienten mit dem Virus anstecken Moumlglich sind direkte Virusuumlbertra-gungen zum Beispiel vom Wildtier auf den Jaumlger und indirekte uumlber Lebensmittel die aus infizierten Tieren hergestellt wurden Wie aktuelle Studien des BfR zeigen kann HEV in verschiedenen Wurstwaren aus dem deutschen Einzelhandel nachgewiesen wer-den Fraglich ist ob das Virus in diesen Produkten noch anste-ckend ist oder ob es bei der Herstellung der Lebensmittel zerstoumlrt wird Hierfuumlr noumltige Untersuchungen waren in der Vergangenheit erschwert da sich HEV im Labor nur schlecht kultivieren lieszlig Erste Ergebnisse von Untersuchungen mithilfe eines am BfR ent-wickelten neuartigen Zellkultur-Systems weisen darauf hin dass HEV hitzeempfindlich ist aber bei Kuumlhlung oder Raumtempera-tur mehrere Wochen infektioumls bleiben kann

SPEKTRUM

copy N

eil B

urto

nsh

utte

rsto

ckc

om

copy N

atal

ia M

ylov

ash

utte

rsto

ckc

om

copy iS

tock

com

Mee

Poo

hyap

hoto

25012017

bdquoNur eine gemeinsame Strategie ist effektivldquo

Frau Kaumlsbohrer ein zentrales Thema Ihrer Forschung sind Antibiotikaresis-tenzen In der oumlffentlichen Debatte wird oft ein Zusammenhang hergestellt zwi-schen dem haumlufigen Einsatz von Anti-biotika in der Nutztierhaltung und dem Auftreten resistenter Bakterien in der Humanmedizin Doch werden bei Tieren nicht andere Antibiotika eingesetzt als bei MenschenUm die Unterschiede zu erlaumlutern muss man zwischen Praumlparaten und den antibiotischen Wirkstoffgruppen unterscheiden Beim Tier verwenden Veterinaumlrmediziner ande-re Praumlparate als Aumlrzte beim Menschen Der wirksame Inhaltsstoff das Antibiotikum kann aber dasselbe sein Die Antibiotika lassen sich wiederum in Wirkstoffgruppen einteilen Mit Blick auf die Wirkstoffgrup-pen gilt Die meisten Antibiotika die beim Menschen eingesetzt werden gehoumlren zu Wirkstoffgruppen die wir auch in der Vete-rinaumlrmedizin nutzen Es gibt nur ganz weni-ge Antibiotikagruppen die nur auf der einen oder der anderen Seite verwendet werden Dazu gehoumlren zum Beispiel die Carbapene-me die nicht beim Nutztier eingesetzt wer-den duumlrfen In der Humanmedizin kommen sie insbesondere zum Einsatz wenn andere Antibiotika nicht mehr wirksam sind

bdquoEine Resistenz ge-gen einen bestimm-ten Wirkstoff kann sich auch ausbrei-ten obwohl diese Wirkstoffgruppe nicht eingesetzt wurde

Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer leitet am BfR die Fachgruppe bdquoEpide-miologie Zoonosen und Antibiotika-resistenzldquo die unter anderem auch das Nationale Referenzlabor fuumlr Antibiotika- resistenzen umfasst Seit April 2016 ist sie auszligerdem Professorin an der Vetmeduni Vienna und leitet dort das Institut bdquoOumlffentliches Veterinaumlrwesenldquo

Wenn sie beim Nutztier nicht eingesetzt werden duumlrfen wie kann es dann sein dass Sie am BfR im Rahmen des For-schungsprojekts RESET Carbapene-mase-bildende Bakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden gefunden habenDie Entstehung von Antibiotikaresistenzen ist ein natuumlrlicher Vorgang bei Bakterien Durch den Gebrauch von Antibiotika wird dieser Prozess beschleunigt Eine Resistenz gegen einen bestimmten Wirkstoff kann sich auch ausbreiten obwohl diese Wirk-stoffgruppe nicht eingesetzt wurde Dank der Selektion gilt meist Wenn ich einen Wirkstoff einsetze gebe ich jenen Bakterien einen Vorteil die gegen den Wirkstoff resis-tent sind Aber Carbapenemasen also die Enzyme die von Carbapenem-resistenten Bakterien gebildet werden koumlnnen neben den Carbapenemen auch fast alle anderen

Bakterien die gegen Antibiotika resistent sind stellen ein Risiko fuumlr die oumlffentliche Gesundheit dar Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer widmet sich am BfR dieser Problematik Im Gespraumlch erklaumlrt sie welche Faktoren bei der Ausbreitung von Resistenzen eine Rolle spielen

copy M

icha

el B

ernk

opf

Vetm

edun

i Vie

nna

26 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

β-Laktam-Antibiotika inaktivieren Theo-retisch ist es daher moumlglich dass sich eine Resistenz gegen Carbapeneme ausbreitet obwohl der Tierarzt beim Nutztier eine an-dere Wirkstoffgruppe eingesetzt hat Ist die Resistenz bei Bakterien vorhanden gibt es viele Ausbreitungswege Ein Stall ist kein steriler Ort sondern belebte Umwelt Moumlg-liche Eintragswege fuumlr resistente Bakterien in einen Stall sind z B belebte Vektoren wie neu eingestallte Tiere Maumluse Fliegen oder Voumlgel aber auch unbelebte Vektoren wie Futter Wasser Staub oder Geraumltschaften

Was hat sich seit dem Fund der Carba-penemase-bildenden Enterobakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden fuumlr Ihre Arbeit beim BfR geaumlndert Der Fund hatte vielfaumlltige Konsequenzen Wir haben vor allem die gezielten Untersu-chungsaktivitaumlten verstaumlrkt Bakterien-Iso-late aus Tierbestaumlnden und Lebensmitteln werden seit 2014 im Rahmen des Resistenz-monitorings im BfR routinemaumlszligig auf eine Carbapenem-Resistenz getestet Auszligerdem steht seit 2015 fuumlr den Nachweis von Carba-penemase-bildenden Bakterien ein weiteres gezieltes Nachweisverfahren zur Verfuumlgung Hierzu muumlssen die Labore geschult werden Zusaumltzlich werden im Nationalen Refe-renzlabor fuumlr Antibiotikaresistenz am BfR Carbapenemase-verdaumlchtige Bakterien auf die charakteristischen Resistenzgene hin un-tersucht Am BfR wurden hierfuumlr verschie-dene Methoden fuumlr die Untersuchung von E coli und Salmonella etabliert Bisher wur-den sehr selten solche Resistenzgene nach-gewiesen bei Nutztieren das Gen blaVIM-1 bei einem Wildvogel das Gen blaNDM-1

Oftmals sind die Resistenzgene gegen Carbapeneme zusammen mit anderen Resistenzgenen auf mobilen geneti-schen Elementen lokalisiert Warum ist hier besondere Vorsicht gebotenZunaumlchst ist die Trefferwahrscheinlichkeit fuumlr eine Selektion houmlher wenn mehrere Re-sistenzgene auf einem genetischen Element liegen d h der Einsatz verschiedener Anti-biotika kann zu einem Selektionsvorteil fuumlh-ren Die Lokalisation von Resistenzgenen auf mobilen genetischen Elementen spielt fuumlr die Uumlbertragbarkeit von Resistenzen eine wichtige Rolle Denn Diese Resistenzgene koumlnnen mittels horizontalem Gentransfer auf ganz unterschiedliche Bakteriengruppen uumlbertragen werden Diese Erkenntnis hat eine Art Revolution ausgeloumlst Lange Zeit wurde ein Erreger mit all seinen Eigenschaf-ten als Einheit betrachtet Kann die Resis-tenz aber zwischen Bakteriengruppen hin

und her uumlbertragen werden verfaumllscht das moumlglicherweise den Blick auf eine Gruppe Folglich mussten die Nachweisverfahren umgestellt und die Uumlbertragbarkeit von Re-sistenzen mit analysiert werden Erschwe-rend kommt hinzu dass ein Resistenzgen auf einem grundsaumltzlich ungefaumlhrlichen

Bakterium zum Problem werden kann Manche Bakterien wie beispielsweise E coli gehoumlren zur normalen Darmflora Traumlgt so ein Bakterium eine Resistenzeigenschaft ist das erstmal nicht gefaumlhrlich Aber Es kann diese Eigenschaft moumlglicherweise an einen Infektionserreger weitergeben

Welche konkreten Folgen kann eine solche Weitergabe von Resistenzeigen-schaften habenSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt Schon jetzt weichen Aumlrzte auf Wirk-stoffgruppen aus die in der Humanmedizin lange verpoumlnt waren Dies gilt zum Beispiel fuumlr Colistin Fuumlr den Menschen ist es nicht gut vertraumlglich moumlgliche Nebenwirkun-gen sind beispielsweise die Schaumldigung der Nieren oder des Nervensystems In der Ve-terinaumlrmedizin hat Colistin seit Jahrzehnten eine erhebliche Bedeutung vor allem fuumlr die Behandlung von Infektionen des Ma-gen-Darm-Traktes bei Nutztieren auch um andere Wirkstoffgruppen zu vermeiden

Spielt im Fall von Colistin die Mobilitaumlt des Resistenzgens auch eine besonde-re Rolle Inzwischen ja Bis Ende 2015 waren sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler einig Eine Colistin-Resistenz ist nicht uumlbertragbar Das heiszligt kommt eine solche Resistenz bei einem Infektionserreger beim Nutztier vor ist sie nicht per se auf ein hu-manpathogenes Bakterium uumlbertragbar Doch Ende 2015 wurde in China erstmals das uumlbertragbare Gen mcr-1 beschrieben Untersuchungen in Belgien haben spaumlter zur Beschreibung eines weiteren mobilen Gens fuumlr die Colistin-Resistenz bei Nutztieren

bdquoSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

27012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Ausbreitung von Resistenzen

Haustiere

Krankenhaus

Belastetepflanzliche Lebensmittel

Belastete tierische Lebensmittel

Nutztiere

Futtermittel

Schaumldlinge

Uumlbertragungswege resistenter Bakterien

Menschen

Eine Antibiotikaresistenz entsteht

(z B durch Mutation)

Antibiotikatherapie beguumlnstigt die

Selektion resistenter Bakterien

Nahrung

Duumlnger Abwasser

Abwasser

28 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

gefuumlhrt mcr-2 Das bedeutet eine Uumlbertra-gung der durch diese Gene vermittelten Re-sistenz auf ein humanpathogenes Bakterium ist theoretisch moumlglich Allerdings scheint dies bisher selten der Fall zu sein

Diese Erkenntnisse offenbaren einen groszligen Forschungsbedarf Was tun Sie in der Abteilung bdquoBiologische Sicher-heitldquo um das Risiko zu bewerten Als 2015 klar wurde dass es eine uumlbertrag-bare Colistin-Resistenz gibt haben wir diese neue Erkenntnis in den laufenden Projekten natuumlrlich sofort aufgegriffen Im Rahmen des Forschungsprojekts RE-SET haben wir zum Beispiel vorhandenes Bakterienmaterial und die bei unseren Ko-operationspartnern verfuumlgbaren Gesamt-genominformationen auf das Vorkommen dieses neuen Resistenzgens gepruumlft Schnell war klar Ja dieses Gen finden wir in den Sequenzen Und die Pruumlfung von Colis-tin-resistenten Isolaten aus unserer Stamm-sammlung hat bestaumltigt dass dieses Resis-tenzgen bereits weit verbreitet ist

Muumlssen nun neue Forschungsprojekte zu dem Thema initiiert werdenJa denn viele Fragen bleiben bislang offen Wie haumlufig wird die Resistenz tatsaumlchlich uumlbertragen Was triggert diese Uumlbertra-gung Es gibt auch diagnostische Probleme Das uumlbliche Verfahren in der Humanmedi-zin um Resistenzen zu testen umfasst in der Regel nicht die Resistenz gegen Colistin Es gibt also viel zu tun Neue Diagnose- und Typisierungsverfahren aufbauen unser Re-sistenzmonitoring erweitern und routine-maumlszligig phaumlnotypisch resistente Isolate auf das Gen pruumlfen Die Ergebnisse muumlssen wir dann uumlbergreifend bewerten um Hand-lungsoptionen aufzuzeigen

Welche Uumlbertragungswege spielen bei der Colistin-Resistenz fuumlr den Men-schen eine Rolle Mit Sicherheit koumlnnen wir das derzeit nicht sagen Die chinesische Arbeitsgruppe hat Colistin-Resistenzen sowohl im Schweine-fleisch als auch beim Menschen gefunden Daher liegt die Hypothese nahe dass es eine Uumlbertragung uumlber Lebensmittel gibt Gleichzeitig gibt es generell die Beobachtung von nosokomialen Ausbreitungen resisten-ter Bakterien Das sind Ausbreitungen von Antibiotikaresistenzen im Krankenhaus

Resistenzen breiten sich aus Wunder-waffen verlieren ihre Wirkung selbst im Krankenhaus sind wir nicht sicher Gibt es uumlberhaupt eine effiziente Strategie gegen die Ausbreitung der Antibiotika- resistenzen Und wer ist dabei gefor-dertUm die Ausbreitung von Antibiotika- resistenzen zu verhindern braucht es eine gemeinsame Strategie Schlieszliglich sind hier komplexe Zusammenhaumlnge zwischen Mensch Tier und Umwelt am Werk Am BfR streben wir deswegen eine enge Zu-sammenarbeit mit allen Akteuren im oumlffent-lichen Gesundheits- und Veterinaumlrwesen an Bei diesem bdquoOne Health-Ansatzldquo sind sowohl Veterinaumlr- als auch Humanmedizi-ner gefordert Auch Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

Was sollten Verbraucherinnen und Ver-braucher beachtenHier gelten dieselben Hygieneregeln die auch fuumlr andere vom Tier oder vom Le-bensmittel auf den Menschen uumlbertragba-re Krankheitserreger gelten Zum Beispiel sollten sie sich nach dem Kontakt mit Tie-ren die Haumlnde mit warmem Wasser und Seife waschen Auch nach der Zubereitung von rohem Fleisch sollten die Haumlnde gruumlnd-lich gewaschen werden Fleisch Eier und Rohmilch sollten vor dem Verzehr durcher-hitzt werden Rohkost und Obst sollten vor dem Verzehr gruumlndlich mit Trinkwasser gewaschen oder geschaumllt werden Weiterhin wichtig ist den direkten oder indirekten Kontakt von rohem Fleisch und rohen Ei-ern mit verzehrfertigen Speisen die spaumlter nicht mehr erhitzt werden zu vermeiden Durch die Einhaltung der Hygieneregeln kann man einer Uumlbertragung von resisten-ten und oder pathogenen Bakterien auf an-dere Lebensmittel vorbeugen

Mehr erfahren Irrgang et al 2017 Recurrent detection of VIM-1-producing Escherichia coli clone in German pig production Journal ofAntimicrobial Chemotherapy 72 3 944ndash946

bdquoVerbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

RESET

Der Forschungsverbund RESET ndash Antibiotika-Resistenzen bei Tier und Mensch ndash beschaumlftigte sich von 2010 bis 2017 mit Resistenzen gegen die besonders wichtigen Antibiotika-Klas-sen der β-Laktam-Antibiotika und (Fluor-)Chinolone bei Darmbakterien wie Escherichia (E) coli Sind Bak-terien gegen beide Wirkstoffklassen resistent werden die therapeutischen Moumlglichkeiten drastisch eingeschraumlnkt Bei E coli und Salmonella enterica wurden derartige Resistenzen bereits nachgewiesen Das BfR beteiligte sich mit zwei Projekten an dem Forschungs-verbund Durch das konsequente Zusammenfuumlhren von Ergebnissen der unterschiedlichen Forschungsgebiete in einer gemeinsamen Datenbank konnten Erkenntnisluumlcken geschlossen und Risiken bewertet werden Das Projekt wurde vom Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) gefoumlrdert

29012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Kann es durch die Mischung verschiedener Pestizid-Ruumlckstaumlnde beim taumlglichen Verzehr zu gesundheitsgefaumlhrdenden Belastungen kommen

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

30 BfR 2 GO

Wenn von Paradigmenwechseln die Rede ist findet meist ein grundlegendes Umdenken statt In der Risikobewertung von Chemikalien habe ein Paradigmenwechsel stattge-

funden der die traditionelle Einzelsubstanz-Bewertung hinter sich lasse schrieben BfR-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler vor einiger Zeit Man koumlnnte meinen in der Toxikologie wird der Paracelsus-Satz kuumlnftig umgeschrieben Nicht nur die Dosis son-dern auch die Aufsummierung der Dosierungen in einer Mischung macht das Gift

Gift- oder Todescocktail ndash plakative Medienbegriffe

Denn tatsaumlchlich In den letzten Jahren beschaumlftigen sich weltweit immer mehr Gremien politische Ausschuumlsse und Forschungspro-jekte mit der Frage wie man die Auswirkungen von Mischungen auf Umwelt und Gesundheit kuumlnftig bewerten kann Auch in der Oumlffentlichkeit wird das Thema emotional verhandelt Chemikali-enmix Gift- oder sogar Todescocktail ndash mit plakativen Begriffen umschreiben Medien das Phaumlnomen der Mehrfachruumlckstaumlnde Entsprechend tief sitzt die Angst bei Verbraucherinnen und Ver-brauchern In einer vom BfR in Deutschland durchgefuumlhrten re-praumlsentativen Wahrnehmungsstudie vermuten 80 Prozent der Befragten dass der Einsatz mehrerer unterschiedlicher Pflanzen-schutzmittel zu gesundheitlichen Beeintraumlchtigungen durch Le-bensmittel fuumlhren kann

Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck sein

Zwar zeigen verschiedene aktuelle Monitoring-Projekte dass das gesundheitliche Risiko durch Mehrfachruumlckstaumlnde von Pflanzen-schutzmitteln unwahrscheinlich ist (s Interview) aber das Thema bleibt auch fuumlr die Wissenschaft draumlngend Denn auch wenn Mi-schungen schon seit Jahrzehnten wissenschaftlich analysiert und bewertet werden das Beduumlrfnis nach einer zuverlaumlssigen Bewertung der Risiken fuumlr Mensch und Umwelt steigt Grund dafuumlr ist zum einen die Vielzahl immer neuer Wirkstoffe Zusatzstoffe Chemika-lien Ruumlckstaumlnde und Kontaminanten gegenuumlber denen Menschen exponiert sind verbunden mit immer verfeinerten wissenschaftli-chen Nachweismethoden Zum anderen steigt der Druck aus der Oumlffentlichkeit Um wissenschaftliche Divergenzen zu vermeiden muumlssen transparente und international harmonisierte Verfahren entwickelt werden Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck in der Risikobewertung sein

Alle Gemische im Tierversuch zu testen ist nicht durchfuumlhrbar

Worum geht es im Einzelnen Mischungen liegen immer dann vor wenn ein Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt verschiedene Stoffe gleichzeitig aufnimmt z B Ruumlckstaumlnde Kontaminanten oder Chemikalien die nach der Europaumlischen Chemikalienverordnung REACH registriert sind Das geschieht wenn sogenannte intentional mixtures also beabsichtigte Mischungen wie Pflanzenschutzmittel oder Biozide in den Verkehr gebracht werden Aber auch unintenti-onal mixtures nimmt der Koumlrper auf Sei es dass verschiedene Stoffe in einem Produkt enthalten sind z B mehrere Pflanzenschutzmit-telruumlckstaumlnde in einem Apfel Oder sei es dass Stoffe gleichzeitig uumlber unterschiedliche Produkte aufgenommen werden In all diesen Faumlllen koumlnnen Mischungseffekte auftreten Diese sind je nach Wirk-mechanismus unterschiedlich stark ausgepraumlgt So koumlnnen sich die Wirkungen von Stoffen gegenseitig potenzieren oder auch aufheben Nach derzeitigem Kenntnisstand wird davon ausgegangen dass sich Wirkungen in der Regel addieren wenn die aufgenommenen Stoffe oberhalb der Wirkschwelle liegen den gleichen Wirkmechanismus haben und zu einem relevanten Zeitpunkt vom Organismus aufge-nommen wurden

Hier beginnen die Schwierigkeiten Es gibt zu viele intentional mix-tures die eine nahezu unuumlbersehbar groszlige Anzahl von Kombinati-onen ermoumlglichen Diese Gemische alle im Tierversuch zu testen wie sonst bei Einzelsubstanzen uumlblich waumlre sowohl ethisch nicht zu vertreten als auch praktisch nicht durchfuumlhrbar Daher arbeiten viele Forschungsprojekte u a der EU-Kommission daran tierversuchs-freie Methoden fuumlr die kumulative Bewertung zu entwickeln die die Effekte von Mischungen in vitro oder durch computergestuumltzte Be-rechnungen in silico berechnen (s Interview und Kasten)

Weltweit setzen Laumlnder das Thema auf ihre Agenda

Nicht nur fuumlr die Wissenschaft auch fuumlr den harmonisierten Voll-zug von Gesetzen ergeben sich dadurch neue Herausforderungen So schreibt z B die EU-Verordnung uumlber das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vor Kumulations- und Synergieeffekte zu be-ruumlcksichtigen ndash sofern es von der Behoumlrde anerkannte wissenschaft-liche Methoden zur Messung solcher Effekte gibt Doch die lagen bisher nicht vor Deshalb werden nun auf allen Ebenen technische Leitfaumlden fuumlr die neuen Methoden erstellt um eine harmonisierte

Auf die Mischung kommt es anKumulative Risikobewertung nimmt weltweit eine immer groumlszligere Bedeu-tung in der Toxikologie ein Das BfR arbeitet an einer Vielzahl von Projek-ten wie Mischungen in Zukunft bewertet werden koumlnnen

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

31012017

Vorgehensweise und transparente Nachvollziehbarkeit bei der Zu-lassung von Produkten zu gewaumlhrleisten Unter anderem die EFSA die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmittelsicherheit die Europauml-ische Chemikalienagentur ECHA und das JRC die Gemeinsame Forschungsstelle der Europaumlischen Kommission erarbeiten solche technischen Leitfaumlden

Neben der wissenschaftlichen Komplexitaumlt muumlssen diese techni-schen Leitfaumlden weitere Herausforderungen meistern Sie sollen fuumlr alle Bereiche gelten in denen Mischungen in Verkehr gebracht werden oder entstehen koumlnnen Bisher wurden Mischungen haumlufig nur in einem regulatorischen Bereich untersucht z B als Pflan-zenschutzmittel Biozid oder Arzneimittel Fuumlr andere Stoffe wie Lebensmittelzusatzstoffe oder Kontaminanten war die Bewertung von Mischungen bisher nicht klar gesetzlich reguliert In Zukunft sollen auch diese Stoffe bei einer Bewertung von Mischungen besser beruumlcksichtigt werden Auch soll nicht nur die chemische Zusam-mensetzung eines einzelnen Produktes systematisch bei der Zu-lassung beruumlcksichtigt werden sondern auch Mehrfachruumlckstaumlnde im gesamten Warenkorb den Verbraucherinnen und Verbraucher durchschnittlich zu einer gegebenen Zeit konsumieren Und zu gu-ter Letzt muumlssen die neuen Verfahren weltweit harmonisiert werden um das kumulative Risiko fuumlr Mensch und Umwelt auch angesichts globaler Warenketten gering zu halten Deshalb diskutieren Politik und Wissenschaft zurzeit nicht nur auf europaumlischer Ebene entspre-chende Leitfaumlden auch andere Laumlnder weltweit sowie die Weltge-sundheitsorganisation WHO und die Organisation fuumlr wirtschaftli-che Zusammenarbeit und Entwicklung OECD haben die kumulative Bewertung auf ihre Agenda genommen und stimmen ihre Guidance Documents mit den uumlbrigen Behoumlrden ab

Deutschland wendet die kumulative Bewertung schon an

Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR sind an zahlreichen dieser internationalen Projekte beteiligt sowohl an der wissenschaftlichen Erforschung kumulativer Effekte als auch an der Entwicklung technischer Leitfaumlden Einen wichtigen Schritt bei der kumulativen Bewertung hat Deutschland in der Europaumlischen Uni-

Stufe um Stufe zu einer gesicherten Bewertung

Seit Maumlrz 2017 wird in Deutschland eine Methodik fuumlr die Bewertung von Kumulations- und Synergie-effekten bei der gesundheitlichen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln in den Zulassungsverfahren angewandt Grundlage fuumlr das gestufte kumulative Bewertungsverfahren ist der sogenannte bdquoHazard Quotientldquo (HQ) der fuumlr jeden einzelnen Stoff ermit-telt wird Der HQ errechnet sich aus dem Verhaumlltnis zwischen dem relevanten gesundheitlichen Grenz-wert und der geschaumltzten Exposition

In einer ersten Stufe wird der HQ fuumlr alle Stoffe eines Gemisches einzeln ermittelt Liegt der HQ jedes Stoffes unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko fuumlr die einzelnen Bestandteile der Mischung zu erwarten Liegt dieser bei einzelnen Stoffen uumlber 1 wird gepruumlft ob die Exposition durch geeignete Maszlignahmen weiter vermindert werden kann zum Beispiel durch das Tragen entsprechender Schutz-kleidung

Liegt der HQ fuumlr alle Komponenten unter 1 wird in einer zweiten Stufe der sogenannte bdquoHazard Indexldquo (HI) des Gemisches ermittelt indem alle Gefahren-quotienten der verwendeten Stoffe addiert werden Liegt der ermittelte Wert weiterhin unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko durch das Gemisch zu erwarten

Liegt der HI uumlber 1 geht die Bewertung mit weiter verfeinerten Methoden in die dritte Stufe uumlber In dieser wird gepruumlft ob ein gesundheitliches Risiko vorliegt wenn eine Gruppierung der Einzelstoffe vorgenommen wird Dazu koumlnnen die einzelnen Stoffe in kumulative Bewertungsgruppen (cumula-tive assessment groups CAGs) eingeteilt werden die z B nach Effekten im gleichen Zielorgan oder nach dem gleichen Wirkmechanismus oder nach chemischer Verwandtschaft definiert sein koumlnnen Hintergrund dieser Einteilung ist die Annahme dass sich nach gegenwaumlrtigem Kenntnisstand nur Effek-te addieren die hinsichtlich der Zielorgane oder der Wirkmechanismen (MOA) vergleichbar sind Auch die relative Potenz der einzelnen Stoffe soll bei der verfeinerten Bewertung beruumlcksichtigt werden Liegt der HI innerhalb einer CAG unter 1 ist deshalb kein gesundheitliches Risiko zu erwarten Liegt er oberhalb des Wertes und koumlnnen weder Expositionsschaumltzung noch Gefahrenbewertung weiter verfeinert werden gilt das Gemisch als nicht sicher

Das mehrstufige Verfahren hat den Vorteil dass die ressourcenaufwendigeren Methoden zur verfei-nerten Bewertung z B in vergleichbaren CAGs oder MOAs nur zum Einsatz kommen wenn mit den ersten einfacheren Bewertungsmethoden nicht nachweisbar ist dass kein gesundheitliches Risiko zu erwarten ist

copy T

atom

mis

tock

com

32 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

EuroMix A tiered strategy for risk assessment of mixtures of multiple chemicals

EuroMix ist ein laumlnderuumlbergreifendes Projekt der EU-Kommission das die nie-derlaumlndische Behoumlrde fuumlr Gesundheit und Umweltschutz RIVM koordiniert Es zielt darauf ab eine tierversuchsfreie experi-mentelle Test-Strategie zu entwickeln um die Toxizitaumlt von Gemischen verschiedener toxikologisch relevanter Lebensmittelin-haltsstoffe Lebensmittelkontaminanten und Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde besser zu bestimmen Aus den Forschungsergeb-nissen wird ein Leitfaden fuumlr die kuumlnftige Umsetzung einer experimentellen Test-Stra-tegie entwickelt Das Acht-Millionen-Eu-ro-Projekt laumluft bis Mai 2019

Mehr erfahren wwweuromixprojecteu

Kombinationseffekte Forschungsprojekte des BfR

Am BfR werden in verschiedenen Abteilungen mehrere interne Forschungsprojekte zu Kombinationseffekten durch-gefuumlhrt Dazu gehoumlren u a Forschungsprojekte zu kumulativen Wirkungen in Pflanzenschutzmitteln und Bioziden zu Mehrfachruumlckstaumlnden in Lebensmitteln zur Expositionsschaumltzung sowie zu wirbeltierfreien Alternativmethoden Daruumlber hinaus ist und war das BfR auch an folgenden Drittmittel-Projekten beteiligt die zu Kombinationseffekten forschen

Combiomics Analyse von Kombinationseffekten von Pestiziden in vitro

Combiomics war ein zweieinhalbjaumlhri-ges Projekt des Bundesministeriums fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) das im Fruumlhling 2016 abgeschlossen wurde In dem vom BfR koordinierten Projekt wurden moumlgliche Kombinationswirkungen durch Mehrfachruumlckstaumlnde beispielhaft anhand einer Gruppe von Fungiziden in vitro unter-sucht Dazu wurden die molekularen Effek-te der Triazole mittels multi level omics und praumldiktiver mathematischer Modellierung untersucht Ausgehend von den Ergebnissen wurde ein Praumldiktionsmodell fuumlr Substanz-kombinationen erstellt validiert und auf Pestizide anderer Stoffgruppen bzw weitere Substanzklassen ausgedehnt um Kombi-nationseffekte kuumlnftig weitgehend ohne Tierversuche durchfuumlhrbar zu machen

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschung gt Drittmittelprojekte gt Combiomics

Combiomics 2Auch die zweite Projektphase von Com-biomics wird vom BfR koordiniert Hier sollen erfolgreich getestete Methoden und Zelllinien in Form einer standardisierten In-vitro-Testbatterie validiert und in ein Standardverfahren integriert werden das auch kuumlnftigen regulatorischen Anforde-rungen entspricht Das dreijaumlhrige Projekt wird vom BMBF bis Ende 2019 gefoumlrdert

Mehr erfahren wwwfisaonlinede gt Kombinationseffekte Pestizide

on schon jetzt unternommen Am 1 Maumlrz 2017 erschien im Bundesanzeiger eine Be-kanntmachung dass Kumulations- und Synergieeffekte in der gesundheitlichen Be-wertung von Pflanzenschutzmitteln kuumlnf-tig durch das BfR beruumlcksichtigt werden Damit bezieht Deutschland bei der zonalen Zulassung von Pflanzenschutzmitteln eine systematische kumulative Bewertung ein

Ein Leitfaden zur kumulativen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln wurde am BfR erarbeitet basierend auf den internatio-nalen Diskussionen bei EFSA und ECHA und 2014 veroumlffentlicht Seitdem wird das Verfahren am BfR angewandt uumlberpruumlft und verfeinert Im Kern geht es darum in einem mehrstufigen Verfahren verschie-dene Wirkstoffe in einem Pflanzenschutz-mittel oder in einer beantragten Tankmi-

schung kumulativ zu bewerten (s Kasten) Dazu werden sowohl die Exposition der Anwenderinnen und Anwender als auch die akute Exposition der Verbraucherinnen und Verbraucher betrachtet sodass die am meisten exponierten Gruppen beruumlcksich-tigt sind

Das Ziel Mischungen weltweit harmonisiert zu bewerten

Die Einfuumlhrung der Konzepte zur kumu-lativen Bewertung von Pflanzenschutzmit-teln hat auch in anderen EU-Laumlndern Aus-wirkungen auf die Risikobewertung Wenn Deutschland im zonalen Zulassungsverfah-ren bewertender Mitgliedstaat ist wird das Verfahren grundsaumltzlich angewandt Aber auch in die Bewertungsberichte anderer Laumlnder flieszligt die kumulative Bewertung als

deutscher Kommentar mit ein Durch den fachlichen Austausch zwischen den Mit-gliedstaaten wurde das Konzept in den letz-ten Jahren einem Peer-Review unterzogen Um die Praxis europaweit noch besser zu harmonisieren werden derzeit auszligerdem internationale Workshops organisiert auf denen diskutiert wird wie Mischungen bei der Risikobewertung kuumlnftig beruumlcksichtigt werden sollen Das BfR veranstaltet einen solchen Workshop im November 2017 im Auftrag der Europaumlischen Kommission die Franzoumlsische Behoumlrde fuumlr gesundheitlichen Verbraucher- Umwelt- und Arbeitsschutz (ANSES) einen weiteren im Februar 2018 unter aktiver Beteiligung des BfR

Das Ziel Mischungen weltweit harmoni-siert zu bewerten um Mensch und Umwelt besser zu schuumltzen ruumlckt damit naumlher

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

33012017

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

bdquoZiel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertungldquo Interview mit Herrn Dr Roland Solecki uumlber die Forschungsaktivitaumlten des BfR zu Mehrfachruumlckstaumlnden

Herr Solecki bei Mehrfachruumlckstaumlnden von Pflanzenschutzmitteln sprechen die Medien oft von einem bdquoGiftcocktailldquo Haben Sie Erkenntnisse daruumlber wie groszlig das gesundheitliche Risiko tat-saumlchlich istDas BfR hat dazu gemeinsam mit dem Bun-desministerium fuumlr Ernaumlhrung und Land-wirtschaft und dem Bundesamt fuumlr Ver-braucherschutz und Lebensmittelsicherheit einen Bericht uumlber die kumulativen Wir-kungen von Pflanzenschutzmitteln veroumlf-fentlicht Dieser basiert auf einer Methodik der niederlaumlndischen Behoumlrde fuumlr Gesund-heit und Umweltschutz RIVM Hintergrund ist ein Monitoring das uumlber einen Zeitraum von sechs Jahren in Deutschland durchge-fuumlhrt wurde Darin wurde untersucht wel-che Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde durch-schnittlich uumlber Lebensmittel aufgenommen werden Das Ergebnis war dass auch unter Worst-Case-Annahmen fuumlr die Mischungen von Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnden ein gesundheitliches Risiko unwahrscheinlich ist Die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit EFSA kam in ihrem Monito-ring-Bericht von 2015 fuumlr Gesamteuropa zu einem aumlhnlichen Ergebnis

Sie arbeiten unter anderem bei dem Pro-jekt EuroMix mit Worum geht es dabeiEs handelt sich um ein groszliges Forschungs-projekt der EU-Kommission zur kumulati-ven Bewertung von Mischungen im Rahmen von Horizont 2020 dem Rahmenprogramm der Europaumlischen Union fuumlr Forschung und Innovation Das Projekt hat zum Ziel neue Bewertungsmethoden fuumlr Mischungseffekte zu erarbeiten besonders auch im Hinblick auf Alternativen zu Tierversuchen innovati-ve Wege der Expositionsschaumltzung und Mo-dellierung von kumulativen Risiken Dabei geht es nicht nur um Pflanzenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatzstoffe und andere Chemikalien

Wie ist das BfR da in EuroMix einge-bundenVom BfR arbeiten sowohl die Abteilung Sicherheit von Pestiziden als auch die Ab-teilung fuumlr Lebensmittelsicherheit am Eu-roMix-Projekt mit Waumlhrend die von mir geleitete Abteilung fuumlr die regulative Bewer-tung eingebunden ist werden in der Abtei-lung Lebensmittelsicherheit experimentelle Arbeiten unter anderem zur Lebertoxizitaumlt durchgefuumlhrt in denen auch Kombinatio-nen von Pestiziden mit anderen Lebensmit-telinhaltsstoffen gepruumlft werden

Woran forschen Sie im EuroMix-ProjektWir haben zunaumlchst recherchiert welche gesetzlichen Anforderungen bestehen und wie unterschiedliche Behoumlrden weltweit

Mischungseffekte bewerten Und wir haben Forschungen zu Mischungen durchgefuumlhrt die bestimmte adverse Effekte auf die Leber verursachen Dabei wurden bestimmte Schluumlsselelemente untersucht um daraus ein Konzept fuumlr die Bewertung zu erarbei-ten Jetzt werden die Omics-Untersuchun-gen und andere alternative Pruumlfverfahren noch durch Tierversuche ergaumlnzt sodass wir auch am Gesamtorganismus die Effek-te uumlberpruumlfen koumlnnen Gleichzeitig werden die statistischen Hilfsmittel und die ande-ren elektronisch basierten Tools weiterent-wickelt Auszligerdem folgen noch weitere Stu-dien zur Exposition Die finalen Ergebnisse liegen am Ende des Projekts im Jahr 2019 vor

In welche weiteren europaumlischen Aktivi-taumlten ist das BfR eingebundenDie EFSA hat bereits einige Ansaumltze zur Bewertung der kombinierten Exposition gegenuumlber mehreren Pestiziden und Kon-taminanten bei Menschen sowie mehreren Pestiziden bei Bienen entwickelt Derzeit ist die EFSA damit befasst neue Ansaumltze und Instrumente zur Harmonisierung der Be-wertung von Risiken fuumlr Mensch und Um-welt zu erarbeiten die von der Exposition gegenuumlber mehreren chemischen Stoffen in der Lebensmittelkette ausgehen Ich bin derzeit Mitglied einer Arbeitsgruppe von Sachverstaumlndigen die der Wissenschaftliche Ausschuss der EFSA eingerichtet hat um Leitlinien im Hinblick auf die kombinierte Exposition gegenuumlber mehreren chemi-schen Stoffen zu entwickeln Diese Initiative unter dem Namen bdquoMixToxldquo wird 2018 den Leitfaden in einer oumlffentlichen Konsultation diskutieren

Bei dieser Vielzahl an Aktivitaumlten Wel-ches Ziel haben Sie persoumlnlich vor Au-genDas Ziel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertung von Stoffen in der gesundheitlichen Risikocharakterisie-rung und deren harmonisierte Implemen-tierung in den gesetzlichen Verfahren Dies wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen

bdquoBei den kumulati-ven Risiken geht es nicht nur um Pflan-zenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatz-stoffe und andere Chemikalien

Dr Roland Solecki leitet die Abteilung bdquoSicherheit von Pestizidenldquo am BfR

copy B

fR

34 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

SPEKTRUM

Identifizierung endokriner Disruptoren Vom Grundsatz in die Praxis

Fuumlr Pestizid-Wirkstoffe und andere Chemikalien sind harmonisierte wissenschaftliche Kriterien erforderlich mit denen hormonschaumldigende Substanzen identifiziert werden koumlnnen Das BfR veroumlffentlichte hierzu bereits 2016 ein Konsenspapier als wissenschaftliche Grundlage fuumlr die darauffolgende Arbeit der EU-Behoumlrden Auf legislativer Ebene werden aktuell EU-weit geltende Ver-ordnungen festgelegt um auf wissenschaftlicher Ebene Leitlinien zur regulatorisch harmonisierten Umsetzung dieser Verordnungen zu erarbeiten Mit dieser Aufga-be hat die EU-Kommission die EFSA und die ECHA gemeinsam beauftragt Das BfR unterstuumltzt die Behoumlr-den mit wissenschaftlicher und technischer Expertise indem es die entsprechende Arbeitsgruppe bei der EFSA personell verstaumlrkt sowie Recherchen und Umfragen zur Praktikabilitaumlt von Untersuchungsmethoden durchfuumlhrt Die Publikation der Leitlinien wird fuumlr Fruumlhjahr 2018 erwartet Sie koumlnnen auf Basis der verabschiedeten Ver-ordnungen nach ihrer Implementierung in der Genehmi-gungspraxis angewendet werden

Mehr erfahren Solecki et al 2017 Scientific principles for the identification of endocrine-disrupting chemicals a consensus statement Arch Toxicol 91 1001ndash1006

Insekten-Stopp in Textilien Allergene Wirkung unwahrscheinlich

Das Risiko fuumlr eine Allergie nach dem Kontakt mit Kleidung und Produkten die mit dem Biozid Permethrin behandelt sind ist nach derzeitigem Kenntnisstand unwahrscheinlich Das ist das Ergebnis einer aktuellen Risikobewertung des BfR Gestuumltzt wird das Ergebnis dadurch dass trotz weitverbreiteter Anwendung des Wirkstoffs in Medikamenten und Verbraucherprodukten kein Anstieg der Kontaktallergien gegenuumlber Permethrin zu verzeichnen ist Das Risiko fuumlr kanzero-gene systemische Effekte infolge einer dermalen und oralen Exposition gegenuumlber Permethrin aus Textilien ist nach Ansicht des BfR vernachlaumlssigbar gering Permethrin ist ein biozider Wirkstoff der zum Schutz gegen Insekten in Produkten wie Schlafsaumlcken Picknick- und Yogadecken sowie Teppichen und Kleidung eingesetzt wird Er ist im Chemikalienrecht als sensibilisierend eingestuft ein moumlgliches geringes kanzerogenes Potenzial wird von verschiedenen wissenschaftlichen Gremien diskutiert Der Wirkstoff kann aus Textilien freigesetzt und uumlber die Haut aufgenommen werden Bei kleinen Kindern die viele Produkte in den Mund nehmen kommt eine moumlgliche orale Aufnah-me des Stoffes hinzu

Mehr erfahren Stellungnahme Nr 0062017 des BfR vom 25 April 2017

Wie wirkt Aluminium in Leber und Darm

Aluminium ist in Lebensmitteln Kosmetika und Bedarfsge-genstaumlnden enthalten und kann uumlber die Nahrung aufgenom-men werden Erste Ergebnisse aus dem deutsch-franzoumlsischen Forschungsprojekt bdquoSolNanoToxldquo mit Beteiligung des BfR zeigen dass sich aus der Nahrung aufgenommene Aluminiumverbin- dungen temporaumlr im Darm anreichern Ob und in welchen Men-gen die Partikel weiter in den Koumlrper insbesondere in die Leber gelangen und welche Faktoren ihre Wirkung beeinflussen wird aktuell erforscht Die Forschungsgruppe sieht Anhaltspunkte dafuumlr dass ein Teil der angereicherten Partikel mit dem Stuhl wieder ausgeschieden wird Fuumlr seine Untersuchung simulierte das BfR anhand biologischer Proben die Verdauung verschiede-ner Aluminiumarten vom Mund uumlber den Magen bis zum Darm Mithilfe von Enzymen und Salzen wurden dabei physiologische Parameter wie der pH-Wert gesteuert Waumlhrend des simulierten Verdauungsprozesses veraumlnderten die Aluminiumverbindungen ihre chemische Reaktionsfaumlhigkeit und Loumlslichkeit Die Erkennt-nisse sind ein erster Schritt um den Prozess der Aufnahme Resorption und Verteilung von Aluminium im Koumlrper besser zu verstehen und daraus Daten fuumlr die Risikobewertung abzuleiten Aluminiumverbindungen koumlnnen in zu hohen Dosen toxisch auf das Nervensystem und ungeborenes Leben wirken sowie die Fruchtbarkeit und Knochenentwicklung beeinflussen

copy B

fR

copy c

gsto

cks

hutte

rsto

ckc

om

copy R

osel

ynne

shu

tters

tock

com

35012017

Bei Kleidung ist besonders der Einsatz von Silber-Nanopartikeln weit verbreitet Silber wirkt antibakteriell und soll die Geruchs-bildung durch Schwitzen reduzieren Beim Einsatz von Nanosilber in Kleidungsstuuml-cken ist in erster Linie eine Freisetzung in Schweiszlig und somit ein moumlglicher Hautkon-takt relevant Neben der Frage ob und in welcher Menge Silber prinzipiell aus Texti-lien herausgeloumlst wird beschaumlftigt sich die Forschung mit der Frage welchen Einfluss die Technologie hat mit der Nanosilber auf Textilien aufgetragen bzw eingebracht wird Bisher war zudem unklar inwiefern die Oberflaumlchenbeschichtung der Nano-partikel die Abgabe beeinflusst

Kuumlnstlicher Schweiszlig simuliert Freisetzung

In einem Forschungsprojekt pruumlfte das BfR neun Proben von Textilien die mit Nanosil-ber veredelt waren Als Vergleich diente ein mit konventionellem Silber (hier Silbersalz mit einem Partikeldurchmesser groumlszliger als 100 Nanometer) ausgeruumlstetes Textil Zwei der Textilien waren sogenannte Komposite bei denen Nanosilber in die Faser integriert ist Bei den anderen getesteten Textilien war die Faseroberflaumlche mit Silber-Nano-partikeln bzw in einem Fall mit konventio-nellem Silber beschichtet (Textil-Coating) Um die Abgabe von Silber durch Schwitzen

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

Kleidung wird durch sie wasser- und schmutzabweisend sie blocken UV-Strahlen und mindern Geruumlche Nanoma-terialien haben beliebte funktionelle Eigenschaften Ob sie aufgrund ihrer Winzigkeit gesundheitliche Risiken bergen ist indes noch weitgehend unbekannt In einem Forschungsprojekt uumlber Nanosilber hat das BfR ermittelt ob sich die Kleinstteilchen aus Textilien herausloumlsen und damit zum gesundheitlichen Risiko werden koumlnnen

Nanomaterial

ist ein natuumlrliches bei Prozessen anfallendes oder kuumlnstlich hergestelltes Material das Partikel in ungebundenem Zustand als Aggregat oder als Agglo-merat enthaumllt und bei dem die Mehrheit der Partikel ein oder mehrere Auszligen-maszlige im Bereich unter 100 Nanometer hat In Nanogroumlszlige kann ein Stoff andere Eigenschaften besitzen als wenn er in Form groumlszligerer Partikel vorliegt

copy o

still

shu

tters

tock

com

36 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von Textilfasern Links Nanokomposit bei dem kaum Silberpartikel an der Faseroberflaumlche zu finden sind Mitte und rechts Textilien mit Silbercoating hier befindet sich insgesamt mehr Silber auf der Oberflaumlche

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

zu simulieren wurden die Textilien fuumlr 24 Stunden in einer Schweiszligsimulanz-Louml-sung inkubiert Fuumlr die Auswertung wurde zunaumlchst der gesamte Silbergehalt in den Schweiszligloumlsungen mit massenspektromet-rischen Messmethoden bestimmt In den Proben in denen Silber vorhanden war wurden anschlieszligend mit Zentrifugation und einer speziellen Methode zum Messen von Einzelpartikeln geloumlstes und partikulauml-res Silber unterschieden Im letzten Schritt wurden die Partikelgroumlszligen des vorgefun-denen partikulaumlren Silbers gemessen um nanoskaliges Silber zu identifizieren

Silber aus Kleidung freigesetzt

Die Untersuchung des BfR zeigte dass von jeder Textilprobe Silber in die Schweiszligsi-mulanz-Loumlsung uumlberging je nach geteste-tem Textil zwischen 7 und 75 Prozent des originaumlr in den Textilien enthaltenen Sil-bers Dabei setzten die beschichteten Tex-tilien mehr Silber frei als die Komposite Den houmlchsten abgegebenen Anteil fand das BfR bei dem mit konventionellem Silber beschichteten Textil Die Freisetzung wird demnach staumlrker durch die Technologie der Veredelung bestimmt als durch die im Tex-til enthaltene Menge Auszligerdem scheint die Abgaberate von Silber aus Nanosilber im Vergleich zu konventionellem Silber nicht erhoumlht zu sein

In der Schweiszligloumlsung lag das freigesetzte Silber uumlberwiegend geloumlst vor Partikulaumlres Silber fand sich nur zum geringeren Teil dann jedoch auch im Nanometerbereich Ob es sich dabei um einzelne Nanoparti-kel handelt oder ob das Silber an groumlszligere Partikel gebunden ist muss in weiteren Untersuchungen uumlberpruumlft werden Nach

derzeitigem wissenschaftlichem Kennt-nisstand geht man davon aus dass sich Nanopartikel im Koumlrper anders verhalten als groumlszligere Partikel Uumlberraschenderweise detektierte die Forschungsgruppe auch in den Schweiszligsimulanzien der mit konven-tionellem Silber beschichteten Textilien partikulaumlres Silber in Nanogroumlszlige Das Vor-kommen von Silberpartikeln scheint also nicht davon abhaumlngig zu sein ob das Silber in Nano- oder konventioneller Form auf das Textil aufgebracht wurde

In einer parallelen Untersuchung fanden die Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler heraus dass zudem die Beschaffenheit der Nanopartikel beispielsweise in Form einer speziellen Beschichtung ihre Loumlslichkeit in der Schweiszligloumlsung beeinflusst

Art der Beschichtung relevant

Silber wird demnach aus Textilien freige-setzt in geringen Teilen sogar in partiku- laumlrer Form Die gewaumlhlte Form der Tex-tilfunktionalisierung aber auch die Be-schaffenheit der Nanopartikel stellen dabei wichtige Kriterien fuumlr das Freisetzungsver-halten dar Solche Erkenntnisse sind vor al-lem fuumlr den sicheren Einsatz von Nanoma-terialien in Alltagsprodukten wichtig weil die Exposition des Menschen gegenuumlber derartigen Stoffen moumlglichst klein gehalten werden sollte Auszligerdem geben sie Hin-weise in welcher Anwendungsform Nano-materialien im verbrauchernahen Bereich sicher eingesetzt werden koumlnnen

Mehr erfahren Wagener et al 2016 Textile Functionalization and Its Effects on the Release of Silver Nanoparticles into Artificial Sweat Environ Sci Technol 50 11 5927ndash5934

Per Flugzeitmassenspek-trometer laumlsst sich Silber auf beschichteten Textil-fasern detektieren

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

NANOPARTIKEL

37012017

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

38 BfR 2 GO

Neuer Ansatz fuumlr Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

Spiegelbild gesucht

Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR zeigt einen neuen Ansatz um mithilfe von Genexpressionsdaten das geeignete Tiermodell fuumlr die Grundlagenforschung oder fuumlr spezifische klinische Fra-gestellungen zu identifizieren Damit koumlnnen zukuumlnftig unnoumltige Tierversu-che vermieden werden Hamburger Wissenschaftsbehoumlrden wuumlrdigten die Erkenntnisse mit einem Forschungspreis

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

39012017

Fragestellung

Vergleich

Auswahl

z B bdquoMit welchem Mausmodell koumlnnen die Ursachen von Alzheimer erforscht werdenldquo

Vergleich von vorhandenen Omics-Expressionsdaten von Mensch und Tier

Auswahl des geeigneten Modells

1

2

3

Geeignete Tiermodelle identifizieren

An Tiermodellen werden zahlreiche biologische Prozesse und Krankheiten wie Wund-

heilung Diabetes Tumoren oder entzuumlndliche Erkrankungen erforscht Durch den

Vergleich der Omics-Expressionsdaten von Tiermodell und Mensch koumlnnen geeignete

Modelle fuumlr die jeweilige Fragestellung identifiziert werden

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

40 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Verlaumluft ein entzuumlndlicher Prozess bei Maumlusen aumlhnlich wie beim Menschen Sind Maumluse daher geeignete Ver-

suchstiere fuumlr Tests von antientzuumlndlichen Substanzen Um Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung in den klinischen Alltag zu uumlberfuumlhren ndash Aufgabengebiet der translationalen Forschung ndash werden wissen-schaftliche Fragestellungen oft in Tierversu-chen erprobt Ob und inwieweit die Ergeb-nisse auf den Menschen uumlbertragbar sind ist dabei immer wieder Gegenstand kontrover-ser Diskussionen Geeignete Methoden mit denen die Wissenschaft Tiermodelle mit op-timaler Uumlbertragbarkeit auf den Menschen auswaumlhlen kann wuumlrden dem wissenschaft-lichen Fortschritt helfen und die Zahl der Tierversuche reduzieren Es geht dabei um die Frage welches Tiermodell am besten das menschliche System widerspiegelt

Vergleichbarkeit von Genom- daten fehleranfaumlllig

Als Grundlage fuumlr diese Uumlberlegungen die-nen Daten aus modernen bioanalytischen Hochdurchsatzverfahren Immer haumlufiger setzt die Wissenschaft auf diese sogenannten Omics-Technologien die die Gesamtheit aller Gene und ihrer Produkte analysieren ndash sowohl beim Tier als auch beim Menschen Mit ihnen lassen sich molekulare Prozesse in lebenden Systemen umfassend darstel-len indem sie beispielsweise die Interaktion hunderter bis tausender Genprodukte zei-gen Die Analyse dieser zunehmend kom-plexen Omics-Datensaumltze stellt die Wissen-schaft jedoch vor Probleme da das Vorgehen dazu nicht standardisiert ist Die Interpreta-tion der Ergebnisse ist bisher meist von der Kompetenz der Durchfuumlhrenden und von der angewandten Methode abhaumlngig Im Ergebnis war die Entscheidung zur Frage der Uumlbertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen fehleranfaumlllig und die Suche nach

geeigneten Tiermodellen erschwert Die ge-ringe Standardisierung der Interpretation von Omics-Daten fuumlhrte in Forschungs-kreisen bereits zu widerspruumlchlichen Er-gebnissen so zum Beispiel bei zwei Studien aus den Jahren 2013 und 2015 die sich mit der Vergleichbarkeit von entzuumlndlichen Er-krankungen beim Menschen und gaumlngigen Mausmodellen beschaumlftigten Waumlhrend eine Forschungsgruppe im Jahr 2013 schlussfol-gerte dass entzuumlndliche Prozesse zwischen Mensch und Maus nicht vergleichbar seien kam eine andere Gruppe zwei Jahre spaumlter anhand der gleichen Omics-Daten zum ge-genteiligen Schluss Die Maus reagiere auf der molekularen Ebene sehr aumlhnlich wie der Mensch und sei daher als Tiermodell sehr nuumltzlich fuumlr die Erforschung menschlicher Erkrankungen Zwar ist es nicht ungewoumlhn-lich dass Ergebnisse von Studien unter-schiedlich eingeschaumltzt werden ndash allerdings selten auf Basis der gleichen Daten

Motivation des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR war es diese Widerspruumlche aufzuklaumlren und einen standardisierten und zielgerichteten Analyseansatz zu entwickeln der die Suche nach geeigneten Tiermodellen vereinfacht und somit unnoumltige Tierversuche vermei-den hilft Es gehoumlrt zu den Kernaufgaben des Bf3R bundesweit alle Aktivitaumlten zu koordi-nieren mit den Zielen Tierversuche auf das unerlaumlssliche Maszlig zu beschraumlnken und fuumlr Versuchstiere den bestmoumlglichen Schutz zu gewaumlhrleisten Die Aufgaben des Bf3R wer-den vom BfR wahrgenommen

Genomdaten von Tier und Mensch gezielt vergleichen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler des Bf3R haben die Omics-Daten aus den beiden erwaumlhnten widerspruumlchlichen Studien mithilfe hochperformanter Com-

puter nochmals systematisch ausgewertet Dabei wurden zunaumlchst die zu verglei-chenden Gene gruppenweise biologischen Prozessen zugeordnet die wesentlich fuumlr ein Entzuumlndungsgeschehen sind Diese Gene Set Enrichment Analysis (GSEA) ge-nannte Methode greift auf umfangreiche in oumlffentlichen Datenbanken hinterlegte Genomdaten gaumlngiger Tiermodelle und von Erkrankten zuruumlck Mit ihrer Heran-gehensweise konnten die Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler des BfR an-schlieszligend Veraumlnderungen auf der Ebene pathologischer Signalwege erkennen und Unterschiede zwischen Tiermodell und Mensch identifizieren Da der Groszligteil der untersuchten Genprodukte haumlufig nur geringfuumlgig veraumlndert war konnten bei der Analyse auf Ebene vollstaumlndiger bio-logischer Signalwege alle Gene einbezogen und Aumlnderungen in der Gesamtheit eines biologischen Signalwegs bewertet werden Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu bisherigen Analyseansaumltzen da fuumlr die Klauml-rung translationaler Fragestellungen bisher haumlufig willkuumlrlich und subjektiv Gene von Mensch und Tiermodell fuumlr einen direkten Eins-zu-eins-Vergleich ausgewaumlhlt wurden

Die systematische Auswertung des Bf3R zeigte dass die Ergebnisse beim vorlie-genden Genomdatenvergleich bei einigen Mausmodellen gut mit den beim Menschen ermittelten Daten uumlbereinstimmten Bei an-deren Mausmodellen hingegen war es nicht so So aumlhnelt das Entzuumlndungsgeschehen bei Maumlusen die mit Staphylococcus aureus (Staphylococcus-aureus-Injektionsmodell) infiziert sind oder eine Darmperforation (Cecal-ligation-and-puncture-Modell) erfah-ren den meisten klinischen Proben Hin-gegen verlaufen Erkrankungen die durch Lipopolysaccharide (LPS) und Streptococcus pneumoniae verursacht werden bei Mensch und Maus verschieden

Omics

Der Terminus beschreibt Methoden zur

Analyse komplexer biologischer Proben

auf der Ebene des gesamten Genoms

von Transkripten Proteinen oder Meta-

boliten

41012017

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

Forschungsansatz hilft Tierversuche zu reduzieren

Die Methode der Datenanalyse mittels GSEA-Ansatz erleichtert es Forschungs-gruppen zukuumlnftig zielgerichtet und stan-dardisiert das optimale Tiermodell aus-zuwaumlhlen das am besten die menschliche Situation abbildet Voraussetzung dafuumlr ist die Existenz von Omics-Daten zur klini-schen Fragestellung sowie zu den infrage kommenden Tierversuchen Dies ist bereits fuumlr eine Vielzahl von Tiermodellen sowie von humanen Erkrankungen der Fall neben Entzuumlndungserkrankungen beispielsweise fuumlr Herz-Kreislauf-Erkrankungen Krebser-krankungen Atemwegserkrankungen Stoff-wechselerkrankungen und neurologische Erkrankungen Aufgrund der vermehrten Verwendung von Omics-Methoden kann davon ausgegangen werden dass stetig wei-tere systembiologische Daten ermittelt und veroumlffentlicht werden Die vom Bf3R ange-wandte Methode wird daher weiterhin bei der gezielten Auswahl von Tiermodellen nuumltzlich sein

Das Verfahren kann in der Grundlagen-forschung sowie in der translationalen und angewandten Forschung eingesetzt werden Diese Bereiche machten 2015 nach Anga-ben des Bundesministeriums fuumlr Ernaumlh-rung und Landwirtschaft mit insgesamt 73 Prozent den groumlszligten Teil der Tierversuche aus Ein Groszligteil davon entfaumlllt auf Maumluse Ratten und zunehmend auch auf Fische Grundsaumltzlich kann die neue Methode zur Auswahl des geeigneten Versuchstiermo-dells bzw zum Ausschluss nicht geeigneter Versuchstiermodelle bei jeglichen Tierver-suchen in diesen Bereichen genutzt werden Analog zu den Versuchstierzahlen liegen derzeit die meisten Omics-Daten fuumlr Maus und Ratte vor So sind beispielsweise allein in der oumlffentlichen NCBI GEO-Datenbank (National Center for Biotechnology Informa-tion Gene Expression Omnibus) derzeit Da-ten zu ca 340000 Maus-Proben und 75000 Ratte-Proben gelistet

Methode identifiziert geeignete Zellkulturmodelle

Dabei ist die Methode des Bf3R nicht auf humane und murine Datensaumltze beschraumlnkt sondern kann auf alle weiteren Spezies an-gewandt werden fuumlr die umfangreiche Da-tenbanken zu biologischen Signalwegen oder Gengruppen vorliegen Auch fuumlr die Beurteilung von zellbasierten Alternativ-methoden kann der neue Forschungsansatz

herangezogen werden Durch einen system-biologischen Abgleich der klinischen Daten mit Omics-Daten aus beispielsweise neuar-tigen 3D-Zellkulturen oder organaumlhnlichen Mikrostrukturen wird die Charakterisierung und Verifizierung von zellbasierten Alterna-tivmethoden ermoumlglicht

Praumlmierte Forschungsleistung

Fuumlr ihre Forschung erhielten die Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR 2016 den Hamburger Forschungspreis zur Foumlrderung der Entwicklung von Ersatz- und

Ergaumlnzungsmethoden Die Auszeichnung wurde zum erstem Mal von den Hamburger Behoumlrden fuumlr Gesundheit und Verbraucher-schutz sowie fuumlr Wissenschaft Forschung und Gleichstellung mit einem Foumlrderpreis in Houmlhe von 20000 Euro ausgeschrieben Der Preis wird fuumlr Arbeiten vergeben die einen Beitrag leisten Tierversuche zu ersetzen oder zu minimieren

Mehr erfahrenWeidner et al 2016 Defining the optimal animal model for translational research using gene set enrichment analysis EMBO Molecular Medicine 8 8 831ndash838

Wofuumlr Versuchstiere in Deutschland eingesetzt werden

630255Herstellung und Qualitaumlts-kontrolle medizinischer Produkte toxikologische Sicherheitspruumlfungen

22

59

14 5

1643259Grundlagenforschung

144997sonstige Zweckez B Zucht Aus- und Weiterbildung

381450translationale und angewandte Forschung

Que

lle B

unde

smin

iste

rium

fuumlr E

rnaumlh

rung

und

Lan

dwirt

scha

ft V

ersu

chst

ierz

ahle

n 20

15

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

42 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Alternativen zu Tierversuchen Forschung regional buumlndeln

Eine individualisierte Schmerztherapie fuumlr Versuchsmaumluse und eine Verringerung von Tierexperimenten zum Test der Inhala- tionstoxizitaumlt von Nanomaterialien (siehe rechte Spalte) ndash hierzu sollen die ersten Arbeitsergebnisse des BfR im Berlin-Bran-denburgischen Verbundprojekt BB3R zukuumlnftig beitragen Das Netzwerk aus Universitaumlten und Bundesinstitutionen forscht um Tierversuche zu vermeiden (Replacement) bzw zu verringern (Reduction) sowie das Leiden von Versuchstieren zu vermindern (Refinement) Das BfR ist als einer von sechs Verbundpartnern in den Bereichen der Refinement- und Replacement-Forschung beteiligt Das Bundesforschungsministerium foumlrdert das mit BB3R abgekuumlrzte Projekt fuumlr vier Jahre bis Fruumlhjahr 2018 es ist als Plattform fuumlr den wissenschaftlichen Austausch konzipiert und integriert ein Graduiertenkolleg

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschungwwwbb3rde

Belastung von Laborfischen erkennen

Koumlrperbau

Koumlrpermerkmale

Verhaltenkreisendes Schwimmen

Belastung von Laborfischen erkennen

Ob Laborfische Schmerzen empfinden oder leiden laumlsst sich mithilfe konkreter Kriterien beurteilen Die Vorarbeiten hierzu koordinierte der bdquoNationale Ausschuss zumSchutz von fuumlr wissenschaftliche Zweckeverwendeten Tierenldquo am BfR gemeinsam mit externen Sachverstaumlndigen und Beauf-tragten von Genehmigungsbehoumlrden Die erstmals definierten Kriterien bewerten unter anderem Auffaumllligkeiten im Koumlrper-bau sowie im Verhalten der Tiere Schmer-zen und Leiden koumlnnen so gezielt behandelt und gelindert werden Da die Frage der Belastung der Tiere anhand der Kriterien eindeutig geklaumlrt werden kann dienen sie zudem als Entscheidungshilfe fuumlr Behoumlr-den welche die Zucht belasteter genetisch veraumlnderter Tiere genehmigen muumlssen Fische insbesondere Zebrafische sind nach Maumlusen und Ratten die am dritthaumlufigsten verwendete Versuchstierart Die Zahl der Versuchsfische hat in den letzten Jahren stetig zugenommen

Mehr erfahren Bert et al 2016 Considerations for aEuropean animal welfare standard toevaluate adverse phenotypes in teleost fish EMBO J 35 11 1151ndash1154Empfehlung des Nationalen Ausschusses TierSchG Nr 0012015

Test der Inhalationstoxizitaumlt von Nanomaterialien

Die Einatmung gilt als wichtigster Aufnahmeweg fuumlr Nanomaterialien Im Rahmen der BB3R-Forschung bildet das BfR diese Art der Exposition mit In-vitro- Atemwegsepithelmodellen an ihrer Grenzflaumlche zur Luft ab Dieser Ansatz zum Test der Inhalationstoxi-zitaumlt hilft Anzahl und Umfang von Tierversuchen zu verringern

Versuchsaufbau Drei Roumlhrchen leiten ein Testaerosol mit luftgetragenen Nanomaterialien auf Epithelzellen

SPEKTRUM

copy B

fR

43012017

Jubilaumlumsfeier und internationales Symposium

Am 29 November 2017 feiert das BfR sein 15-jaumlh-riges Bestehen mit einem Festakt Geplant ist eine Feier mit ausgewaumlhlten Gaumlsten in der Akademie der Kuumlnste Anschlieszligend findet vom 30 Novem-ber bis zum 01 Dezember 2017 das gemeinsame internationale Symposium des BfR und seiner Schwesterinstitutionen aus Daumlnemark (DTU Food) und Frankreich (ANSES) sowie der suumldko-reanischen Behoumlrde fuumlr Lebens- und Arzneimittel-sicherheit (NIFDS) statt Unter dem Motto bdquoPast Present and Future Challenges in Risk Assessment ndash Strengthening Consumer Health Protectionldquo werden die letzten anderthalb Jahrzehnte Risikobewer-tung betrachtet Daruumlber hinaus werden aktuelle Aktivitaumlten sowie zukuumlnftige Herausforderungen des Verbraucherschutzes wie mikrobiologische Erreger chemische Substanzen Methoden und Harmonisierung auf nationaler wie internationa-ler Ebene diskutiert

VERANSTALTUNGEN

Nachwuchs foumlrdern

Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu foumlr-dern baut das BfR wissenschaftliche Nachwuchs-gruppen zu bestimmten Schwerpunktthemen auf Die bereits 2015 eingerichtete Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Warenketteldquo wird im Herbst 2017 durch einen weiteren Dokto-randen verstaumlrkt

Verstaumlrkung im Versuchstierschutz

Seit dem 1 April 2017 staumlrkt die Berufung von Herrn Universitaumltsprofessor Dr Lars Lewejo-hann den Kompetenzbereich bdquoVerminderung der Belastung und Verbesserung der Lebenssitua-tionldquo des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) Neben der Leitung der Fachgruppe bdquoTierschutz und Versuchstierkundeldquo im BfR wird Lars Lewejohann sein Wissen und neue Erkenntnisse als Hochschullehrer fuumlr bdquoTier-schutz mit dem Schwerpunkt Refinementldquo an der veterinaumlrmedizinischen Fakultaumlt der Freien Universitaumlt Berlin an Studierende und Doktoran-den weitergeben

PERSONALIEN

Alternativmethode zum Tierversuch bdquoKnochen-auf-dem-Chipldquo

Im Mai 2017 fand bei der Gemeinsamen For-schungsstelle (GFS)Joint Research Centre (JRC) der Generaldirektion (Directorate General) der Europaumlischen Kommission eine Summer School zu alternativen Ansaumltzen zum Tierversuch fuumlr die Risikobewertung in Ispra (Italien) statt Dort wurde Herr Dr Ing Frank Schulze aus der BfR-Fachgruppe bdquoZEBET ndash Alternativmethoden zu Tierversuchenldquo fuumlr seine Praumlsentation und das dazugehoumlrige Poster zum Thema bdquoEin Knochen-auf-dem-Chip fuumlr die Grundlagenwissenschaft und die Identifizierung von knochenschaumldigen-den Substanzenldquo mit einem Posterpreis (1 Platz) ausgezeichnet

copy B

fR

copy p

rivat

INSTITUTSLEBEN

44 BfR 2 GO

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

BfR 2 GO

1012017

in Zeiten weltweiter Vernetzung aumlndern sich Lebens-mittel Produkte und Materialien rasant taumlglich erscheinen neue wissenschaftliche Erkenntnisse selbst die Dynamik der oumlffentlichen Wahrnehmung wandelt sich stetig Diesen Prozessen wollen wir mit einem geeigneten Kommunikationsformat begegnen einem Format das aktuell ist und doch fundierte Informa-tionen uumlber die Forschung und Bewertung moumlglicher gesundheitlicher Risiken liefert Ab sofort erhalten Sie zweimal im Jahr kompakt und doch bis zum Rand gefuumlllt mit Wissen das BfR zum Mitnehmen BfR 2 GO

Das Wissenschaftsmagazin BfR 2 GO beleuchtet in jeder Ausgabe ein aktuelles Schwer-punktthema des BfR und informiert Sie uumlber die neuesten Entwicklungen in der Bewertung und Forschung im Themenfeld des gesundheitlichen Verbraucherschutzes In diesem Heft koumlnnen Sie das Thema der Authentizitaumlt kennenlernen Sie erhalten Einblicke wie der Fin-gerabdruck von Lebensmitteln im Labor bestimmt wird und erfahren welche Forschungs-projekte das BfR gegenwaumlrtig begleitet Welche Lebensmittel bevorzugt gefaumllscht werden und worin die Risiken des Betrugs bestehen lesen Sie im Interview des Schwerpunktthemas Neben dem Schwerpunktthema finden Sie Berichte Interviews und praumlgnante Meldungen aufgeteilt nach den Arbeitsgebieten des BfR Risikokommunikation Lebensmittelsicherheit Produkt- und Chemikaliensicherheit sowie Schutz von Versuchstieren In dieser Ausgabe erfahren Sie unter anderem dass Vegetarismus die Entscheidung zur veganen Ernaumlhrung beguumlnstigt Auszligerdem koumlnnen Sie anhand einer uumlbersichtlichen Infografik lernen wie sich Antibiotikaresistenzen ausbreiten Lesen Sie auch wie sich Tierversuche durch die Wahl des passenden Modells verringern lassen und welche Risiken mit Mehrfachruumlckstaumlnden von Pflanzenschutzmitteln in Lebensmitteln verbunden sind

Stellungnahmen Pressemitteilungen Videos Wissenschaftsberichte Infografiken und Jahresberichte ndash in der 15-jaumlhrigen Geschichte des BfR wurden viele Kommunikations-instrumente entwickelt um die Oumlffentlichkeit und politische Entscheidungstraumlger uumlber moumlgliche Risiken gesundheitlicher Art zu informieren Allen liegen die drei Prinzipien des BfR zugrunde Transparenz Verlaumlsslichkeit und groumlszligtmoumlgliche Offenheit So wird die Basis fuumlr einen sachlichen und gesellschaftlichen Diskurs aller Interessengruppen gelegt und das Vertrauen in den Prozess der Forschung Bewertung und Risikokommunikation gestaumlrkt Neben der Kommunikation moumlglicher gesundheitlicher Risiken traumlgt das BfR durch seine unabhaumlngige wissenschaftliche Bewertung und Forschung unparteilich zur Sicherheit von Lebens- und Futtermitteln Produkten und Chemikalien bei Diese Tradi-tion setzt das Wissenschaftsmagazin BfR 2 GO fort

Ich wuumlnsche Ihnen viel Freude beim Erforschen des BfR

Professor Dr Dr Andreas HenselPraumlsident des BfR

Liebe Leserinnen und Leser

copy B

fR

EDITORIAL

2 BfR 2 GO

BfR-MEAL-Studie

Mahlzeiten fuumlr die Expositionsschaumlt- zung und Analytik von Lebensmitteln Die BfR-MEAL-Studie analysiert erst-mals in Deutschland systematisch und repraumlsentativ Lebensmittel im ver-zehrfertigen Zustand und folgt in ihrer Methodik einer sogenannten Total-Diet- Studie (TDS) TDS werden von der Ernaumlhrungs- und Landwirtschaftsorga-nisation der Vereinten Nationen (FAO) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlen um mittlere Gehalte an Stoffen in der durchschnittlichen Ernaumlhrung des Menschen zu ermitteln Die ersten Ergebnisse der BfR-MEAL- Studie werden voraussichtlich zu Beginn des Jahres 2019 vorliegen und dafuumlr genutzt werden die Aufnahme von Stoffen uumlber Lebensmittel zu schaumltzen

IM BILD

3012017

copy B

fR

4 BfR 2 GO

30

14

20

38

Bewerten ForschenKommunizieren

INHALT

6

Impressum

06 Schwerpunkt Authentizitaumlt

5012017

BfR 2 GO ndash Das BfR-Wissenschaftsmagazinerscheint zweimal jaumlhrlich

HerausgeberBundesinstitut fuumlr Risikobewertung (BfR) Anstalt des oumlffentlichen Rechts

vertreten durch den Praumlsidenten Professor Dr Dr Andreas Hensel ViSdP Dr Suzan Fiack

Redaktionsanschrift Bundesinstitut fur Risikobewertung (BfR)Max-Dohrn-Straszlige 8ndash1010589 Berlinwwwbfrbunddepublikationenbfrbundde

Redaktion BfR Presse- und Oumlffentlichkeitsarbeit

Gestaltung Grafiken amp BildbearbeitungStudio GOOD Berlin

DruckRuksaldruck Berlin

Auflage 4000 (Deutsch) 1500 (Englisch)

ISSN Print-ISSN 2567-3858Online-ISSN 2567-3866

DOI 101759020170921-151257

copy Bundesinstitut fuumlr Risikobewertung Alle Rechte vorbehalten Wenn Sie einen Nachdruck einzelner Artikel zu nicht-kommerziellen Zwecken wuumlnschen wenden Sie sich bitte an die Redaktion unter publikationenbfrbundde

gedruckt auf PEFC-zertifiziertem Papier

06 Lebensmittelfaumllschern auf der Spur Nicht zielgerichtete Analyseverfahren

11 Original oder Faumllschung Forschungsprojekte zu Authentizitaumlt

12 bdquoWir wollen Faumllschungen einen Riegel vorschiebenldquo Interview mit Professor Dr Reiner Wittkowski

14 Risikowahrnehmung14 Gefuumlhlte Risiken im Visier

BfR-Verbrauchermonitor

17 Vegan und informiert Befragung zu Veganismus

18 Guten Appetit Infografik zu Insekten

20 Lebensmittelsicherheit20 Unerwuumlnscht in Lebensmitteln

Pyrrolizidinalkaloide

24 Post aus hellip Sambia

25 Spektrum Ciguatera Lupinensamen Hepatitis E

26 bdquoNur eine gemeinsame Strategie ist effektivldquo Interview mit Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer

30 Produkt- und Chemikaliensicherheit30 Auf die Mischung kommt es an

Mehrfachruumlckstaumlnde

33 Kombinationseffekte Forschungsprojekte des BfR

34 bdquoZiel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertungldquo Interview mit Dr Roland Solecki

35 Spektrum Aluminium Endokrine Disruptoren Permethrin

36 Nanopartikel in Funktionskleidung Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

38 Schutz von Versuchstieren38 Spiegelbild gesucht

Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

43 Spektrum Belastung von Laborfischen Forschungsplattform Alternativmethoden

44 Institutsleben

Hergestellt in Parma

Wie vielSchafsmilchist drin

Ist es reiner Wein

copy O

ben

und

Unt

en b

igac

iss

hutte

rsto

ckc

om M

itte

gre

seis

hutte

rsto

ckc

om

6 BfR 2 GO

SCHWERPUNKT AUTHENTIZITAumlT

Lebensmittelfaumllschernauf der SpurGestreckt gepanscht gefaumllscht ndash Lebensmittelbetrug ist ein globales Problem Das BfR erforscht wie Verfahren zum Nachweis der Authen-tizitaumlt von Lebensmitteln harmonisiert werden koumlnnen Dabei schluumlp-fen die Forscherinnen und Forscher am BfR auch selbst in die Rolle der Lebensmittelfaumllscher

Kommt er aus dem Allgaumlu

Wurde eskaltgepresst

copy O

ben

Cop

rids

hutte

rsto

ckc

om U

nten

Ale

nKad

rshu

tters

tock

com

7012017

Ein Bildschirm ein Rechner ein Infra-rotspektrometer und viele kleine Pro-bengefaumlszlige gefuumlllt mit Fett extrahiert

aus Hartkaumlse Allgaumluer Emmentaler Ein Laborant entnimmt eine stecknadelkopf-groszlige Fettprobe und bringt sie auf das Ana-lysegeraumlt auf Sekunden spaumlter erscheint auf dem Bildschirm eine Wellenlinie aus 1800 Datenpunkten das Spektrum der Kaumlse-fettprobe Ein zweites Labor eine weitere Analyse Roumlhrchen fuumlr Roumlhrchen holt sich ein Greifarm Allgaumluer-Emmentaler-Proben und bringt sie in das starke Magnetfeld ei-nes Kernspinresonanz-Spektrometers ein Die Messung erzeugt bis zu 130000 Da-tenpunkte die fuumlr die jeweilige Kaumlseprobe charakteristisch sind Ein drittes Labor eine dritte Messmethode Mit der Isotopen-verhaumlltnis-Massenspektrometrie wird hier die Herkunft der Hartkaumlse-Proben be-stimmt Insgesamt sollen 150 bis 200 Pro-ben beschafft und analysiert werden bdquoAlle Daten werden aufgearbeitet und flieszligen in eine Auswertungs-Software die fuumlr jede Methode ein charakteristisches Datenspek-trum ndash den authentischen Fingerabdruck von Allgaumluer Emmentaler ndash berechnetldquo so Dr Susanne Esslinger Sie koordiniert die Versuche zum Authentizitaumltsnachweis von Allgaumluer Emmentaler

Die Suche nach dem Fingerabdruck

In den BfR-Laboren arbeiten Wissenschaft-lerinnen und Wissenschaftler daran den typischen unverwechselbaren Fingerab-

druck von verschiedenen Lebens- und Futtermitteln darunter Wein Spirituosen Kraumluter und Gewuumlrze Hartkaumlse Speiseoumlle und Mais zu finden Ihr Ziel ist es die Echtheit dieser Produkte bzw Abweichun-gen und somit Verfaumllschungen erkennen zu koumlnnen Ist dies gelungen wird Lebens-mittelfaumllschung erschwert Die Vergabe des EU-Guumltezeichens bdquoGeschuumltzte Ursprungs-bezeichnungldquo garantiert dass fuumlr die spe-zielle Produktbezeichnung bdquoAllgaumluer Em-mentalerldquo die Erzeugung Verarbeitung und Herstellung tatsaumlchlich im Allgaumlu erfolgt sein muumlssen Was nuumltzt das Guumlte-zeichen aber wenn es keine Methoden gibt um Original und Faumllschung zu unterschei-den Das BfR hat daher eine Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Waren-ketteldquo eingerichtet um die Forschung und interdisziplinaumlre Vernetzung zur Standar-disierung von Datenerhebungen zum Au-thentizitaumltsnachweis zu staumlrken

Das BfR beteiligt sich an mehreren natio-nalen und internationalen Verbundprojek-ten um neuartige Ansaumltze und Strategien fuumlr den Nachweis von Lebensmittel- und Futtermittelverfaumllschungen zu entwickeln mit denen derartige Praktiken weltweit besser aufgedeckt werden koumlnnen Die Schwerpunkte der BfR-Forschung zu die-sem Thema sind die Herkunftsbestimmung und Identifizierung unbekannter Zusaumltze mittels zielgerichteter sowie nicht zielge-richteter Analytik in Kombination mit sta-tistischen Verfahren und Fragen zur Daten-aufbereitung und -interpretation

Nicht zielgerichtete Analytik

Eine Herausforderung bei der Suche nach dem analytischen Charakteristikum von Lebensmitteln ist die natuumlrliche Variation von Inhaltsstoffen bdquoDeswegen muss erst einmal eine Vielzahl von unverfaumllschten Proben genommen werden um charak-teristische Merkmale in den Datensaumltzen zu findenldquo erklaumlrt Dr Carsten Fauhl-Has-sek der im BfR verschiedene Forschungs-projekte zur Authentizitaumltspruumlfung von Lebens- und Futtermitteln leitet bdquoUnsere Ergebnisse zeigen dass die Idee des unver-wechselbaren Fingerabdrucks von Lebens-mitteln funktioniertldquo Das BfR hat bereits

Die Vorbereitung der Kaumlseproben fuumlr die Untersuchung beinhaltet die Homogenisierung mit fluumlssigem Stickstoff

bdquoSehr deutlich sind die Datenpunkte zu erkennen die sich auszligerhalb des Normbereichs ndash der Bande ndash be-wegen Faumlllt ein Lebensmittel aus diesem Raster ist es verdaumlchtig

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

SCHWERPUNKTTHEMA AUTHENTIZITAumlT

8 BfR 2 GO

den physikalisch-chemischen Fingerab-druck verschiedener Weine Speiseoumlle oder juumlngst von Kraumlutern und Gewuumlrzen mittels Infrarot- und Kernspinresonanz-Spektro- skopie erfasst Das BfR-Labor wurde dafuumlr auch zur Faumllscherhoumlhle Kraumluter und Ge-wuumlrze sind mit unterschiedlichsten Zusaumlt-zen gemischt und deren aufbereitete Pro-ben ebenfalls mithilfe der Analysegeraumlte vermessen worden bdquoSehr deutlich sind die Datenpunkte zu erkennen die sich auszliger-halb des Normbereichs ndash der Bande ndash be-wegen Faumlllt ein Lebensmittel aus diesem Raster ist es verdaumlchtigldquo so Dr Fauhl-Has-sek So sehen die Spektren von z B mit Oli-venblaumlttern gestrecktem Oregano oder die von mit Sudanrot ndash eine Substanz die im Verdacht steht ein genotoxisches Kanzero-gen zu sein ndash gepanschtem Paprikapulver eindeutig anders aus

Die neuen Analyseverfahren mittels des charakteristischen Fingerabdrucks eines Lebensmittels ermoumlglichen somit eine flexible und schnelle Form der Echtheits-pruumlfung Statt gezielt nach gefaumllschten Produkten zu suchen steht hier der Au-thentizitaumltsnachweis im Fokus Diese neue Herangehensweise bezeichnet man auch als nicht zielgerichtete Analytik

Cloud der Fingerabdruumlcke

Zur perspektivischen routinemaumlszligigen An-wendung der nicht zielgerichteten Analytik fuumlr die Lebensmittelsicherheit muss aller-dings zunaumlchst eine gemeinsame Nutzung der Datenbanken fuumlr Referenz-Lebensmit-tel-Fingerabdruumlcke aller Akteure im Bereich Lebensmittelsicherheit ermoumlglicht werden Auch muss sichergestellt sein dass die Daten- erhebung sowie die anschlieszligende Analyse aller Nutzer vergleichbare Ergebnisse liefern

Das BfR arbeitet im Forschungsverbund an folgendem vereinfacht skizziertem Zu-kunftsszenario Zertifizierte amtliche und private Labore stellen ihre Lebensmit-tel-Fingerabdruumlcke uumlber eine Daten-Cloud bereit Hersteller Verarbeitungs- und Ver-edlungsbetriebe steuern die dazugehoumlrigen Produktinformationen bei Wenn Uumlber-wachungsbehoumlrden oder der Groszlig- und Einzelhandel Lebensmittelproben auf ihre Echtheit uumlberpruumlfen wollen vergleichen sie den Fingerabdruck ihrer eigenen Probe mit denen in der Fingerprint-Cloud Gibt es sig-nifikante Abweichungen ist das Lebensmit-tel zunaumlchst auffaumlllig und sollte weiter un-tersucht werden Noch sind viele technische und organisatorische Huumlrden zu nehmen

Das Prinzip bdquoNicht zielgerichteter Verfahrenldquo

Wavenumbers (cm-1)

Ab

sorb

anc

e

Paprikaproben Paprika dotiert mit Siliciumdioxid

Relevante Aspekte bei der Pruumlfung

Authentizitaumltspruumlfungen koumlnnen offizielle Produktbeschreibungen bestaumltigen oder betruumlgerische Aussagen nachweisen Relevante Aspekte dabei sind die Sub-stitution durch preiswertere aber aumlhnli-che Zusaumltze die Streckung mit fremdar-tigen Substanzen (z B Wasser Staumlrke) oder die Anwendung nicht gekenn-zeichneter oder unzulaumlssiger Verfahren wie Bestrahlung oder Extraktion die Bestaumltigung der geografischen Herkunft der botanischen oder zoologischen Spezies oder der Herstellungsprozesse wie bio konventionell oder gentechnisch veraumlndert sowie die Deklaration und Angaben zur Ruumlckverfolgbarkeit (Pro-duktkennzeichnung Prozessablaumlufe Chargenidentifikation)

Exogene Signale bei Verfaumllschung

copy M

Una

l Ozm

ens

hutte

rsto

ckc

om

LEBENSMITTELFAumlLSCHERN AUF DER SPUR

9012017

Eine stecknadelkopfgroszlige Kaumlsefettprobe wird auf das Analysegeraumlt aufgebracht Um charakteristische Merkmale in den Datensaumltzen zu finden muumlssen Dr Carsten Fauhl-Hassek (im Bild rechts oben) und sein Team eine Vielzahl solcher Proben nehmen und am Computer analysieren

bdquoErst muumlssen einheitliche Datenstandards verteilt operierende Systemloumlsungen und organisatorische Loumlsungsansaumltze zur Ge-waumlhrleistung der Datenintegritaumlt und -qua-litaumlt entwickelt werdenldquo erlaumlutert Matthias Filter bdquodamit diese Vision im Bereich Le-bensmittelsicherheit realisierbar istldquo Er ko-ordiniert am BfR die Arbeiten zum Schwer-punkt bdquoGlobale Warenkettenldquo

Vernetzte Referenzdatenbanken

Damit das Zukunftsszenario naumlher ruumlckt forschen Wissenschaftlerinnen und Wis-senschaftler am BfR zu der Entwicklung von mathematischen und statistischen Mo-dellen fuumlr die Datenauswertung und Har-monisierung von Datenaustauschformaten sowie zur harmonisierten Probennahme Dies sind wesentliche Voraussetzungen fuumlr den Aufbau und die Routineanwendung

von kollaborativen Referenzdatenbanken die uumlber die Cloud verfuumlgbar gemacht wer-den koumlnnen bdquoBislang verwendet jeder Her-steller von Spektrometern aber beispiels-weise noch eigene Datenformate sodass die Daten erst einmal dechiffriert werden muumlssen damit sie fuumlr alle Beteiligten ver-wendbar sindldquo sagt Filter

Bis solche Referenzdatenbanken der typi-schen chemisch-analytischen Profile von Lebensmitteln aufgebaut und fuumlr den flauml-chendeckenden Einsatz im Netzwerk aus Uumlberwachungsbehoumlrden Laboratorien so-wie Herstellern und Haumlndlern fertiggestellt sind dauert es nach Einschaumltzung der Exper-ten sicher noch 10 bis 15 Jahre Umso wichti-ger ist es jetzt die Weichen zu stellen

Mehr erfahrenwwwbfrbundde gt A-Z-Index Authentizitaumlt

Die Suche nach dem Fingerabdruck

Beim Aufbau von standardisierten Referenzdatenbanken kommen soge-nannte nicht zielgerichtete Verfahren zum Einsatz Dabei wird der physika-lisch-chemische Fingerabdruck von Lebensmitteln anhand spektromet-rischer undoder spektroskopischer Daten erhoben Dieser dient als Vergleichsstandard mit dem die Daten unbekannter Lebensmittelproben vergli-chen werden Abweichungen koumlnnen so leichter erkannt werden und Uumlber-wachungsbehoumlrden muumlssen nicht mehr gezielt nach bestimmten unerwuumlnsch-ten Substanzen suchen die oftmals noch gar nicht bekannt sind

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

10 BfR 2 GO

SCHWERPUNKTTHEMA AUTHENTIZITAumlT

Food Integrity EU-Konsortium gegen gefaumllschte Lebensmittel Das EU-Konsortium aus 38 Projektpartnern will strukturelle und methodische Voraus-setzungen schaffen um Verfaumllschungen fruumlhzeitig einheitlich erkennen zu koumlnnen Dazu sollen u a ein Netzwerk zwischen Be-houmlrden Industrie und Forschung aufgebaut Pruumlfprozesse harmonisiert und Wissensda-tenbanken erstellt werden Das Projekt laumluft bis Ende 2018

FoodAuthent Kollaborative Referenzdatenbanken fuumlr chemische Fingerabdruumlcke In dem dreijaumlhrigen Projekt werden Grundlagen fuumlr den Routineeinsatz von Fingerprinting-Analyseverfahren im Lebensmittelsektor und in der amtlichen Uumlberwachung geschaffen Zusammen mit den Projektpartnern entwickelt das BfR bis April 2019 gemeinschaftliche Fingerprin-ting-Datenbanken sowie Schnittstellen zu privatwirtschaftlich betriebenen Pro-duktinformationssystemen Exemplarisch erfolgt dies fuumlr Hartkaumlse Speiseoumlle und Spirituosen Die Daten sollen fuumlr die mit-wirkenden Akteure im Lebensmittelbereich frei zugaumlnglich sein

Original oder Faumllschung ndash Gemeinsam gegen Lebensmittelgaunerei

Das BfR beteiligt sich an Drittmittelprojekten um Herstellern und Uumlberwa-chungsbehoumlrden Methoden an die Hand zu geben mit denen schnell sicher und kosteneffizient die Echtheit eines Lebensmittels erkannt werden kann Einige werden hier vorgestellt

Animal-IDHerkunftsnachweis von tierischen Proteinen in Futter- und Lebens-mitteln Die Projektpartner kombinieren Massen- spektrometrie mit Verfahren zur Protein-anreicherung um Analysemethoden zur gewebespezifischen Herkunftsbestimmung von Futtermitteln zu entwickeln sowie Schnelltests auf Basis von proteinbasierten ELISA DipStick-Tests fuumlr die wichtigsten Tierarten in der Fleischproduktion wie Rind Schwein Pferd und Huhn Das BfR koordiniert das Vier-Jahres-Projekt (2016 bis 2019)

FoodRisk-Lab Softwareloumlsungen zur Unterstuumlt-zung der Bewertung von Risiken Das BfR entwickelt frei verfuumlgbare Soft-wareloumlsungen und Web-Dienste fuumlr die Bewertungsarbeit behoumlrdlicher Einrichtun-gen sowie fuumlr Wissenschaft und Forschung FoodChain-Lab unterstuumltzt z B die Ruumlckverfolgung von Futter- und Lebens-mitteln entlang der Warenketten und ermoumlglicht eine interaktive Analyse von Ausbruchsgeschehen Weitere Programme dienen der mathematischen Modellierung von Gefahren im Bereich der Futter- und Lebensmittelsicherheit

SPICEDSicherung der Gewuumlrz- und Kraumluterwarenketten Europas Gewuumlrze und Kraumluter werden sehr vielen Lebensmitteln zugesetzt Die Ergebnisse des Forschungsprojektes tragen dazu bei die Gewuumlrz- und Kraumluterwarenketten Euro-pas gegen natuumlrliche unabsichtliche und absichtliche biologische und chemische Ver-unreinigungen zu schuumltzen Das Projekt mit 11 Partnern aus sieben EU-Laumlndern wurde von 2013 bis 2016 im 7 Rahmenprogramm der EU gefoumlrdert und vom BfR koordiniert

11012017

FORSCHUNGSPROJEKTE

bdquoWir wollen Faumllschungen einen Riegel vorschiebenldquo

Professor Wittkowski welche Lebens- mittel werden uumlblicherweise verfaumllschtGefaumllscht wird uumlberall dort wo ein oumlkono-mischer Vorteil erzielt werden kann Pro-duktpiraterie kommt deswegen vor allem bei hochqualitativen und teuren Markenpro-dukten wie Olivenoumll Schafskaumlse Wein oder Spirituosen vor Ein uumlblicher Trick ist min-derwertige Zutaten als hochwertige zu ver-kaufen wie Shrimps als Garnelen Bei Pro-dukten bei denen die geografische Herkunft ein Qualitaumltsmerkmal ist wie Parma- oderSerrano-Schinken Irischer Whiskey oder Champagner wird versucht die Herkunft vorzutaumluschen

Koumlnnen Verbraucher denn noch der Le-bensmittelsicherheit vertrauen Glaubwuumlrdigkeit Vertrauen und Sicherheit sind eng miteinander verknuumlpft Menschen wollen einkaufen kochen essen und trin-ken gesund bleiben und es soll schmecken Sie wollen nicht wissen wie der Wein filt-riert oder bei welcher Temperatur der Kaf-fee geroumlstet wurde aber sie wollen darauf vertrauen dass die Angaben stimmen und dass diese Technologien sichere Lebens-mittel erzeugen Dies ist nur moumlglich weil es Standards fuumlr die Lebensmittelwirtschaft gibt und Uumlberwachungsbehoumlrden die Ein-haltung pruumlfen

Nur weil Parma-Schinken nicht aus Par-ma kommt stellt er doch noch kein Ge-sundheitsrisiko dar Geht es nicht viel-mehr um oumlkonomische Interessen der Hersteller Wissenschaftler koumlnnen zunaumlchst Normab-weichungen erkennen nicht aber die Mo-tivation von Verfaumllschern Zunaumlchst wird selbstverstaumlndlich eine Risikobewertung derartiger Befunde durchgefuumlhrt Anschlie-szligend kann man nach weiterer Uumlberpruumlfung und Ruumlckverfolgung der Lieferketten ent-scheiden ob es eine gezielte Verfaumllschung war oder nicht

Koumlnnen Sie ein Beispiel gebenStatt Rindfleisch wurde vor einigen Jahren in Lasagne Pferdefleisch nachgewiesen Im ersten Moment ein gesundheitlich unbe-denklicher Betrugsfall Pferdefleisch ist ein hochwertiges Lebensmittel Allerdings war nicht bekannt woher das Fleisch kam und ob es mit verbotenen undoder gesundheits-schaumldlichen Arzneimitteln belastet war Das wurde dann uumlberpruumlft und das Fleisch fuumlr unbedenklich erklaumlrt Oder Aufgrund des traditionellen Anbaus hatten Pistazien aus dem Iran eine Zeit lang erhoumlhte Mykoto-xingehalte und unterlagen daher strengen Auflagen bei der Einfuhr nach Europa Zur Umgehung dieser Auflagen traten Falsch-deklarationen der Herkunft auf Iranische Pistazien wurden als Pistazien aus Kaliforni-en in den Markt gebracht

Es geht also in erster Linie immer um Verbraucherschutz und nicht um Taumlu-schungs- oder Betrugsschutz Aus meiner Sicht ja Teilweise nehmen Faumllscher auch billigend in Kauf dass Men-schen zu Schaden kommen Mit Methanol gepanschter Alkohol oder mit Melamin gestrecktes Milchpulver sind Beispiele Die Verfaumllscher sind naumlmlich keine Toxikologen Die Frage ist also welche Methoden koumlnnen Behoumlrden bereitstellen um das Vertrauen in die Sicherheit der Lebensmittel zu erhalten

Das houmlrt sich an wie ein Wettlauf For-schung gegen Faumllschung Gibt es denn immer die richtige MethodeDas Gute an der Analytik ist dass man mit der richtigen Methode findet was man sucht Allerdings wissen wir nicht immer auf welche neuen betruumlgerischen Ideen Faumll-scher kommen Deswegen beteiligen wir uns in internationalen Forschungsvorhaben an der Entwicklung von Referenzdaten-banken mit dem typischen Fingerabdruck von Lebensmitteln Die sogenannte Finger-print-Analyse bietet die Moumlglichkeit nicht

nur Lebensmittel durch ihre Normabwei-chung als gefaumllscht zu identifizieren sondern auch bisher unbekannte Verfaumllschungen und gesundheitlich bedenkliche Manipulationen aufzudecken bevor die Ware in den Regalen steht

In der Praxis gibt es dazu doch sicher schon MaszlignahmenPrivate Analysefirmen haben sich bereits auf die Fingerprint-Methode fuumlr bestimmte Produkte spezialisiert und groszlige Datenban-ken angelegt Doch hier liegt ein Problem Jeder arbeitet mit seinen eigenen Daten Auch sind die Ergebnisse der Firmen nicht gerichtsfest weil die Datengrundlage nicht oumlffentlich ist Staatliche Institutionen ar-beiten dagegen mit transparenten und ver-gleichbaren Daten damit Beanstandungen gerichtsfest sind Deswegen muumlssen fuumlr ei-nen Erfolg der Fingerprint-Methoden die Messungen der verschiedenen Labore va-lidiert und die Datenbanken harmonisiert werden

bdquoUnser Allein- stellungsmerkmal ist dass wir Risikobewertung und Forschung betreiben

12 BfR 2 GO

SCHWERPUNKTTHEMA AUTHENTIZITAumlT

BfR-Vizepraumlsident Professor Dr Reiner Wittkowski setzt sich dafuumlr ein dass am BfR zu neuartigen Verfah-ren zur Authentifizierung von Lebensmitteln geforscht wird Als junger Lebensmittelchemiker hat er am Vorgaumlngerinstitut des BfR dem Bundesgesundheitsamt bereits fuumlr die Uumlberpruumlfung der Echtheit von Wein Methoden entwickelt etabliert und begonnen eine Fingerabdruck-Datenbank anzulegen

Was traumlgt das BfR zur Uumlberpruumlfung der Echtheit von Lebensmitteln bei Wir beteiligen uns seit Langem an allen maszliggeblichen EU-Forschungsvorhaben zur Authentizitaumltspruumlfung Unser Alleinstel-lungsmerkmal ist dass wir Risikobewertung und Forschung betreiben Das BfR hat an-ders als andere Bewertungsbehoumlrden eigene Laboratorien Wir haben deswegen einen sehr strengen Blick auf Bewertungsmetho-den und fragen wie sicher die Aussagekraft der Daten ist Das Kerngeschaumlft der 17 Re-ferenzlabore des BfR ist Methodenvali-dierungen durchzufuumlhren Auf nationaler Ebene arbeitet das BfR bereits eng mit der amtlichen Lebensmitteluumlberwachung der Bundeslaumlnder zusammen

Welchen konkreten Ansatz nutzt das BfRWir kombinieren Analytik und Daten-modellierung Das Institut hat eine lange Historie hinsichtlich des Nachweises der Echtheit von Lebensmitteln da auch in den Vorgaumlngerinstitutionen dazu geforscht wur-de In den 1990er-Jahren wurde hier eine der ersten Datenbanken zur Uumlberpruumlfung der Authentizitaumlt von Wein aufgebaut und wurden erstmals Kernresonanz-spektrosko-pische Verfahren in der Lebensmittel-Ana-lytik angewandt Die Expertise zum Thema Wein haben wir dann auf andere Lebens-mittel-Matrizes uumlbertragen Neben der Ana-lytik ist die Statistik unser zweiter Impetus Das BfR hat viel Erfahrung im Bereich der Datenanalyse fuumlr die Vor- und Ruumlckverfolg-barkeit von Lieferketten aufgebaut Mit der FoodChainLab-Software die im Rahmen der EHEC-Krise entwickelt wurde sind komplexe Datenmodellierungen moumlglich

Was sind die naumlchsten SchritteWir haben bereits ein nationales Kompe-tenznetzwerk zwischen Bundesbehoumlrden Landesuntersuchungsaumlmtern Universitaumlten und Forschungseinrichtungen etabliert und wir bringen das Thema weltweit voran Das BfR hat im November 2016 ein Symposium organisiert auf dem rund 100 Fachleute aus Deutschland Europa Nordamerika Afrika Asien und Neuseeland uumlber die Herausfor-derungen der Standardisierung diskutierten Aus meiner Sicht sollte unbedingt ein euro-paumlisches Referenzlabor eingerichtet werden ndash die EU-Kommission erwaumlgt dies bereits ndash um in Europa ein harmonisiertes System der angewendeten Methoden und der Datener-fassung fuumlr die Authentizitaumltspruumlfung von Lebensmitteln zu etablieren Nur das ist ziel-fuumlhrend wenn wir Faumllschungen global einen Riegel vorschieben wollen

copy B

fR

13012017

INTERVIEW MIT PROFESSOR DR REINER WITTKOWSKI

Der BfR-Verbrauchermonitor ist ein zentrales Instru-ment des gesundheitlichen Verbraucherschutzes Er zeigt wie die Oumlffentlichkeit Risiken wahrnimmt

Gefuumlhlte Risiken im Visier

copy ig

orst

evan

ovic

Shu

tters

tock

com

RISIKOWAHRNEHMUNG

14 BfR 2 GO

Welche Themen bewegen Verbraucherinnen und Verbrau-cher Was ist ihnen vertraut was beunruhigt sie Ant-worten auf diese Fragen liefert der BfR-Verbrauchermo-

nitor ndash eine seit 2014 regelmaumlszligig durchgefuumlhrte repraumlsentative Bevoumllkerungsbefragung mit der das BfR die generelle Einschaumlt-zung der Oumlffentlichkeit zu Verbraucherschutzthemen ermittelt In Ergaumlnzung dazu fuumlhrt das BfR Repraumlsentativbefragungen zu Ein-zelthemen durch die von besonderem aktuellem Interesse sind wie Antibiotikaresistenzen oder Pflanzenschutzmittel Die Ergeb-nisse dazu erscheinen als bdquoBfR-Verbrauchermonitor Spezialldquo Der Verbrauchermonitor ist ein wesentlicher Indikator um moumlgliche Missverstaumlndnisse oder Fehleinschaumltzungen seitens der Bevoumllke-rung fruumlhzeitig zu erkennen bdquoFuumlr uns ist es sehr wichtig konkret zu wissen was die Bevoumllkerung warum bewegt Daraus folgern wir welche kommunikativen Maszlignahmen zu ergreifen sindldquo sagt PD Dr Gaby-Fleur Boumll Leiterin der Abteilung Risikokommunika-tion am BfR

Methode der Datenerhebung

Fuumlr die repraumlsentative Umfrage des Verbrauchermonitors werden ca 1000 Personen die in Privathaushalten in Deutschland leben und mindestens 14 Jahre alt sind im Auftrag des BfR von Markt- und Meinungsforschungsinstituten telefonisch interviewt Diese Interviews werden computergestuumltzt anhand eines programmier-ten Fragebogens von geschulten Interviewern durchgefuumlhrt ndash kurz CATI-Methode genannt nach der englischen Bezeichnung compu-ter-assisted telephone interviewing Dabei werden die Fragen zum gesundheitlichen Verbraucherschutz und Fragen zu anderen The-menbereichen zu einer sogenannten Omnibus- oder Mehrthemen-befragung zusammengefasst Die Fragen des Verbrauchermonitors koumlnnen einen offenen Charakter haben (ungestuumltzte Fragen) oder geschlossen formuliert sein (gestuumltzte Fragen) Um die Ergebnisse der Verbrauchermonitore im Zeitverlauf miteinander vergleichen zu koumlnnen ist jede Umfrage aumlhnlich aufgebaut Das BfR widmet sich einerseits Themen die in der Oumlffentlichkeit eine groszlige Auf-merksamkeit erhalten Andererseits analysiert es Fragen die bisher weniger im oumlffentlichen Fokus stehen aber ebenfalls relevant sind wie beispielsweise gesundheitsschaumldliche Pflanzeninhaltsstoffe Auch das Ausmaszlig des Vertrauens in die staatlichen Strukturen des gesundheitlichen Verbraucherschutzes wird abgefragt da dies wie-derum die Wahrnehmung von Risiken beeinflussen kann

bdquoFuumlr uns ist es sehr wichtig konkret zu wissen was die Bevoumllkerung warum bewegt

Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher

Kaum veraumlndert hat sich in den letzten Jahren die Ansicht von Ver-braucherinnen und Verbrauchern dass Lebensmittel in Deutsch-land sicher sind Fragt man in der ungestuumltzten Abfrage nach den groumlszligten gesundheitlichen Risiken so sind dies im aktuellen Ver-brauchermonitor (082017) nach wie vor das Rauchen die Klima- bzw Umweltbelastung und ungesunde oder falsche Ernaumlhrung Da-nach werden Alkohol sowie ungesunde oder belastete Lebensmittel genannt Fragt man in der gestuumltzten Abfrage gezielt nach ausge-waumlhlten Themen so fuumlhren Salmonellen gentechnisch veraumlnderte Lebensmittel Antibiotikaresistenzen und Ruumlckstaumlnde von Pflan-zenschutzmitteln die Bekanntheitsskala an Dies sind auch die vier Themen die bei den meisten Befragten fuumlr Beunruhigung sorgen Es zeigt sich immer wieder dass Verbraucherinnen und Verbrau-cher Risiken unterschaumltzen die aus Sicht der Risikobewertung als

ZielsetzungVerbrauchermonitor

gt Erfassung und Analyse von Trends und Themen in der Verbraucherwahrnehmunggt Uumlber- bzw Unterschaumltzung von gesundheitlichen Risiken durch die Bevoumllkerunggt Beobachtung von Veraumlnderungen im Verbraucherverhaltengt Schnelle Erfassung der Verbraucherwahrnehmung in Krisensituationen

BfR-VERBRAUCHERMONITOR

15012017

gesundheitsrelevant eingestuft werden wie z B die Lebensmittelhygiene im eigenen Haushalt Noch weitgehend unbekannt ist der breiten Oumlffentlichkeit eine neue derzeit in der Wissenschaft diskutierte Metho-de zur Genveraumlnderung ndash das sogenannte bdquoGenome Editingldquo

Vertrauen staumlrken

Verschiedene Bevoumllkerungsgruppen neh-men Ereignisse oder Sachverhalte unter-schiedlich wahr Es haumlngt von vielen Fakto-ren ab wie groszlig ihnen ein Risiko erscheint Insbesondere zwischen der Wahrnehmung von Laien und Fachleuten koumlnnen sich Un-terschiede ergeben da die intuitive Risiko-einschaumltzung der Bevoumllkerung haumlufig auf anderen Prinzipien und Kriterien beruht als die wissenschaftliche Risikobewertung Aus der Risikowahrnehmungsforschung ist beispielsweise bekannt dass die Sorge vor

synthetisch hergestellten Stoffen groumlszliger ist als die Sorge vor natuumlrlich vorkommenden Stoffen wie beispielsweise giftigen Pflanze-ninhaltsstoffen

Der BfR-Verbrauchermonitor Spezial zum Thema Pflanzenschutzmittel hat zudem gezeigt dass ein Groszligteil der Bevoumllkerung faumllschlicherweise davon ausgeht dass in Lebensmitteln generell keine Reste von Pflanzenschutzmitteln vorkommen duumlr-fen Tatsaumlchlich sind Ruumlckstaumlnde von zu-gelassenen Pflanzenschutzmitteln bis zum erlaubten Ruumlckstandshoumlchstgehalt zulaumls-sig und als gesundheitlich unbedenklich eingestuft Auf diese Diskrepanz kann die Risikokommunikation gezielt reagieren indem sie die Oumlffentlichkeit mit geeigne-ten Kommunikationsformen umfassend uumlber die rechtlichen und wissenschaftli-chen Grundlagen der Risikobewertung bei Pflanzenschutzmitteln informiert

Die Ergebnisse solcher Bevoumllkerungsum-fragen liefern wichtige Einsichten in die Risikowahrnehmung verschiedener Bevoumll-kerungsgruppen und zeigen Unterschiede hinsichtlich demografischer Faktoren wie Alter Bildungshintergrund Berufsgrup-pe und Geschlecht auf So ist Frauen das Vorkommen von Pyrrolizidinalkaloiden in Kraumlutertee beispielsweise haumlufiger bekannt als Maumlnnern Auch hat sich gezeigt dass Maumlnner Prozesskontaminanten in Grill-fleisch weniger bedenklich einschaumltzen als Frauen

Mit dem Verbrauchermonitor hat das BfR ein Instrument etabliert mit dem noch fruumlher auf Informations- und Kommuni-kationsbeduumlrfnisse eingegangen und damit das Vertrauen der Oumlffentlichkeit in den ge-sundheitlichen Verbraucherschutz weiter gestaumlrkt werden kann

Alle bisher erschienenen BfR-Verbrauchermonitore koumlnnen abgerufen werden unter wwwbfrbundde gt Publikationen gt Broschuumlren gt BfR-Verbrauchermonitor

Welche Themen betrachten Sie persoumlnlich als die groumlszligten gesundheitlichen Risiken fuumlr Verbraucherinnen und Verbraucher

Inwieweit sind Sie persoumlnlich uumlber die folgenden Themen zur Lebensmittel-sicherheit beunruhigt oder nicht beunruhigt

16 BfR 2 GO

RISIKOWAHRNEHMUNG

2016 gab es in Deutschland in der deutsch-sprachigen Bevoumllkerung ab 14 Jahren rund 08 Millionen Personen die sich selbst als Veganer bezeichnen wuumlrden oder als je-mand der weitgehend auf tierische Produk-te verzichtet (2016 Allensbacher Markt- und Werbetraumlger-Analyse IfD Allensbach) Ei-nige Studien zeigen dass eine vegane Ernaumlh-rung positive Einfluumlsse auf die Gesundheit haben kann wie zum Beispiel ein geringeres Risiko fuumlr Typ-2-Diabetes Beschrieben wer-den allerdings auch gesundheitliche Risiken durch Naumlhrstoffmangelzustaumlnde etwa fuumlr Schwangere und Kinder Wer keine tierische Produkte zu sich nimmt riskiert unter an-derem eine Unterversorgung mit Vitamin B12 Eisen Calcium Jod und Zink sowie mit langkettigen Omega-3-Fettsaumluren

Vor diesem Hintergrund entwickelte das BfR geeignete Risikokommunikationsstra-tegien Ein Forschungsprojekt widmete sich den individuellen und sozialen Einflussfak-toren die zur Motivation und Aufrechter-haltung einer veganen Ernaumlhrung fuumlhren Insgesamt wurden 42 Veganerinnen und Veganer zu ihren Werten Einstellungen und Meinungen befragt Aufgrund der zum Teil sehr ausgepraumlgten Abweichun-gen zur Durchschnittsbevoumllkerung lassen sich verallgemeinernde Aussagen treffen Repraumlsentativ sind die Befragungsdaten al-lerdings nicht

Ethische Entscheidung

Fast immer begruumlnden Veganerinnen und Veganer ihre Entscheidung fuumlr eine vega-ne Ernaumlhrung mit ethischen Argumenten Gesundheitliche Motive werden selten ge-nannt Die Befragten sind uumlberwiegend konfessionslos und uumlberdurchschnittlich

gebildet Auszligerdem beguumlnstigt Vegetaris-mus die Entscheidung sich vegan zu ernaumlh-ren Zwei Drittel der Teilnehmenden haben sich bereits vorher vegetarisch ernaumlhrt Er-naumlhren sich bereits Personen aus dem na-hen Umfeld vegan kann dies die Entschei-dung auch vorantreiben

Fuumlr die uumlberwiegende Mehrheit der Be-fragten ist die Ruumlckkehr zur omnivoren Ernaumlhrung die tierische Produkte zulaumlsst nicht vorstellbar Auch eine Schwanger-schaft wird meist nicht als Grund dafuumlr angesehen Oft werden auch Kinder vegan ernaumlhrt Nach Aussagen der Befragten re-agiert das soziale Umfeld haumlufig mit Skepsis und Aversion Um eine soziale Ausgren-

zung der Kinder zu verhindern lassen die Befragten teils Kompromisse zu So koumlnn-ten Kinder zum Beispiel selbst waumlhlen ob sie auswaumlrts Tierprodukte essen

Wissen kommt an

Wer sich vegan ernaumlhrt verfuumlgt in der Re-gel uumlber ein fundiertes Ernaumlhrungswissen 40 der 42 Teilnehmenden der BfR-Studie waren sich zum Beispiel daruumlber im Klaren dass es ohne tierische Produkte zu einer Mangelversorgung mit Vitamin B12 kom-men kann Viele nehmen dieses Vitamin zusaumltzlich ein Bei der Informationssuche rund um vegane Ernaumlhrung ist das Inter-net die wichtigste Informationsquelle (siehe Grafik)

Strategie der Risikokommunikation

Im Rahmen der Befragung stellten sich wichtige Anknuumlpfungspunkte fuumlr die Risi-kokommunikation heraus Unter anderem wurde klar dass ein negativer Ansatz der die vegane Ernaumlhrung als gefaumlhrlich oder abnormal darstellt nur wenig Erfolg haben kann Eine effektive Risikokommunikation sollte an bestehende Uumlberzeugungen der Veganerinnen und Veganer anknuumlpfen Ziel sollte dabei sein konkrete Tipps fuumlr den Alltag zu geben die sich mit einer vega-nen Ernaumlhrung verbinden lassen Informa-tionen wie bei einer veganen Ernaumlhrung eine moumlgliche defizitaumlre Naumlhrstoffversor-gung verhindert werden kann sind grund-saumltzlich erfolgversprechend Insbesondere uumlber Alternativen oder Supplementierung in der Schwangerschaft bei Saumluglingen und Kleinkindern sollte umfassend informiert werden

Vegan und informiert

Welche Informationsquellen nutzen Sie um sich

uumlber vegane Ernaumlhrung zu informieren

Kochbuumlcher mit veganen Rezepten Blogs zum Thema und tierfreie Supermaumlrkte ndash die vegane Ernaumlhrung liegt im Trend Wer ganz auf tierische Produkte verzichtet riskiert jedoch eine Unterversorgung mit bestimmten Naumlhrstoffen Um eine effiziente Risikokommunikation zu gewaumlhrleis-ten hat das BfR Veganerinnen und Veganer zu Wissens-stand und Einstellungen befragt

Foren im Internet

Sonstige Quellen im Internet

Buumlcher

Zeitschriften

Freunde Bekannte

Sonstigen = 42 Mehrfachnennungen moumlglich

74

71

52

36

12

5

copy S

tudi

oPho

toD

Flor

ezs

hutte

rsto

ckc

om

BEFRAGUNG ZU VEGANISMUS

17012017

63

72 Ekel

Fremdheit

Bedenken zu Hygiene und Vertraumlglichkeit

Grillen Mehlwuumlrmer und Wanderheuschrecken ndash in vielen Regionen der Welt werden Insekten von Menschen verspeist Auch in der Schweiz sind Insek-ten seit dem Fruumlhjahr 2017 offiziell als Lebensmittel zugelassen Ihr Verzehr ist in Europa jedoch generell wenig verbreitet und die oumlffentliche Diskussion steckt noch in den Anfaumlngen Wie bekannt ist das Thema in der deutschen Bevoumllkerung Welche Einstellungen bestehen gegenuumlber essbaren Insekten Wie wird das Thema in den Medien dargestellt In zwei Studien hat das BfR Antworten auf diese Fragen gefunden

Die Mehrheit der Deutschen vermutet keine gesundheitlichen Risiken durch den Verzehr von Insekten wuumlrde sieaber dennoch nicht verzehren Hauptgruumlnde gegen den Verzehr

sind Ekel Fremdheit Bedenken zu Hygiene und Vertraumlglichkeit

46 13 15

Insekten als Lebensmittel fuumlr Menschen ndash 72 Prozent der Befragten haben schon davon gehoumlrt Insekten gelten als eiweiszlig- naumlhrstoff- und vitaminreich und als eine wesentliche Nahrungsquelle hinsichtlich des Welternaumlhrungsproblems

Insekten essen Mehr Theorie als Praxis

18 BfR 2 GO

RISIKOWAHRNEHMUNG

2014

27 Artikel

14

Zugrundeliegende Studien telefonische Repraumlsentativbefragung von 1000 Personen (deutschsprachige Bevoumllkerung ab 14 Jahren) Medienanalyse von 17 deutschen Print- und Onlinemedien (uumlberregionale Qualitaumltszei-tungen Hauptstadtpresse und woumlchentliche Zeitungen) im Zeitraum Januar 2014 bis Dezember 2015 zur Art und Haumlufigkeit der Berichterstattung uumlber essbare Insekten

14 Prozent der Befragten haben schon einmal Insekten verzehrt mehrheit-lich im Ausland Uumlberwiegend sind es Maumlnner 18 ndash 29-Jaumlhrige gut Gebildete und Staumldter

Die Medienberichterstattung zu Insekten als Lebens- und Futtermittel verdoppelte sich von 2014 zu 2015 In der Mehrheit ging es um Nutzen- aspekte Insekten wurden medial als bdquozukunftsweisendes sinnvolles Lebensmittel bei dem der Nutzen gegenuumlber moumlglichen Risiken uumlber-wiegtldquo dargestellt

Verbraucherinnen und Verbraucher wuumlnschen sich mehr Informationen zu moumlglichen gesundheitlichen Risiken von Insekten als Lebens- und Fut-termittel zu ihrer Produktion und zum Naumlhrstoffgehalt Dies koumlnnte die oumlffentliche Akzeptanz fuumlr den Verzehr von Insekten erhoumlhen Auch bdquounkenntlich gemachteldquo Insekten in Form verarbeiteter Lebensmittel wuumlrden eher akzeptiert als Insekten im urspruumlnglichen Zustand

WeiterlesenBfR-Symposium bdquoInsekten als Lebens- oder Futtermittel Nah-rung der Zukunftldquo Bericht zum Symposium am 24 Mai 2016 in 2016 Journal fuumlr Verbraucher-schutz und Lebensmittelsicher-heit 11 3 281ndash289

2015

60 Artikel

i

Insekten als Lebensmittel

gt zaumlhlen lebensmittelrechtlich in der EU zu den neuartigen Lebensmitteln und muumlssen zugelassen werden

gt unerforschte Aspekte Toxikologie Gehalt an Kontaminanten und Ruumlckstaumlnden allergenes Potenzial mikrobiologische Risiken

copy a

rka3

8sh

utte

rsto

ckc

om

19012017

INFOGRAFIK ZU INSEKTEN

Unerwuumlnscht inLebensmitteln

Gelangen Pyrrolizidinalkaloide (PA) in die Lebensmittelkette koumlnnen insbesondere 12-ungesaumlttigte PA dem Menschen schaden Seit Jahren

befasst sich das BfR mit der Frage welches gesundheitliche Risiko von 12-ungesaumlttigten PA in Lebensmitteln ausgeht Klar ist die PA-Kontami-

nation in der Lebensmittelkette sollte so gering wie moumlglich sein

LEBENSMITTELSICHERHEIT

20 BfR 2 GO

Unerwuumlnschte Stoffe die in die Lebensmittelkette gelangen koumlnnen fuumlr Verbraucherinnen und Verbraucher ein gesund-heitliches Risiko darstellen Ein Beispiel fuumlr solche Eintraumlge

sind 12-ungesaumlttigte Pyrrolizidinalkaloide (PA) Das sind Stoffe die von einigen Pflanzen als Schutz vor Fraszligfeinden gebildet werden Sie konnten zunaumlchst in Honig und anderen Bienenprodukten spaumlter auch in Tees Kraumlutertees und Gewuumlrzen aber auch in pflanzenba-sierten Nahrungsergaumlnzungsmitteln nachgewiesen werden

Toxische Wirkungen bei Mensch und Tier

Beim Menschen sind vereinzelt Vergiftungsfaumllle nach arzneilicher Einnahme von PA-haltigen Kraumlutertees und -erzeugnissen bekannt Weiterhin gibt es Berichte uumlber epidemische Lebererkrankungen mit Todesfaumlllen in Pakistan Indien Afghanistan Tadschikistan und der ehemaligen UdSSR nach Verzehr von Getreide das mit Samen von Heliotropium- oder Crotalaria-Arten kontaminiert war Aus der Nutztierhaltung ist das gehaumlufte Auftreten von Leberzirrhosen bei Schlachtrindern bekannt die mit Heu und Silage auch Alpenkreuz-kraut aufgenommen hatten Auch bei Pferden wurden mit Leberde-generation einhergehende durch PA im Futter verursachte Erkran-kungen die Seneciosen beobachtet

Die Leber ist das primaumlre Zielorgan von Schaumldigungen durch 12-ungesaumlttigte PA Jedoch koumlnnen auch die Lunge oder andere Organe betroffen sein Insbesondere bei Aufnahme houmlherer Dosen treten akute venookklusive Veraumlnderungen in der Leber (hepatic veno-occlusive disease HVOD) oder der Lunge auf In houmlheren Dosen wurden im Tierversuch mit 12-ungesaumlttigten PA auch ent-wicklungstoxische Effekte beobachtet Nach den vorliegenden tier- experimentellen Daten gilt die kanzerogene Wirkung von 12-un-gesaumlttigten PA als gesichert und ein entsprechendes Risiko fuumlr den Menschen wird in Betracht gezogen Vielfach zeigten Verbindungen die sich im Tierversuch als kanzerogen erwiesen in entsprechenden Mutagenitaumltstests eine genotoxische Wirkung

Wie 12-ungesaumlttigte PA in Lebensmittel gelangen koumlnnen

Nach bisherigem Kenntnisstand koumlnnen 12-ungesaumlttigte PA uumlber mehrere Wege in Lebensmittel gelangen In Deutschland sind Ver-unreinigungen vor allem in den Anbauflaumlchen von Nutzpflanzen mit PA-bildenden Wildkraumlutern wie z B bei Salaten mit Kreuzkraut oder Greiskraut aufgetreten Aus Afghanistan sind erhoumlhte Belastungen in Getreide bekannt Auch die Belastung von Tee und Kraumlutertee-Sor-ten mit PA wird auf eine Kontamination mit bestimmten Wildkraumlu-tern in den Anbauflaumlchen zuruumlckgefuumlhrt Auszligerdem koumlnnen Bienen-produkte wie Honig und Pollen mit PA belastet sein wenn die Tracht von bestimmten Wildpflanzen stammt 12-ungesaumlttigte PA koumlnnen auch uumlber verunreinigte Futtermittel in Milch Eier und Fleisch ge-langen Auch Nahrungsergaumlnzungsmittel koumlnnen auf der Basis von Pflanzen hergestellt sein die selbst 12-ungesaumlttigte PA bilden

Gesundheitliche Risiken durch belastete Lebensmittel

Das BfR hat 2016 eine Bewertung der gesundheitlichen Risiken durch 12-ungesaumlttigte PA erarbeitet Dabei wurde die Belastung aller wichtigen Lebensmittelgruppen beruumlcksichtigt fuumlr die aktuell Daten zum Vorkommen von 12-ungesaumlttigten PA vorliegen Bei der Bewertung wurde die genotoxisch-kanzerogene Wirkung als emp-findlichster Endpunkt zugrunde gelegt

copy F

eyya

z A

laca

ms

hutte

rsto

ckc

om

copy e

mbe

riza

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

21012017

Danach geht bei Kindern im Alter von sechs Monaten bis unter fuumlnf Jahren die Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA im Wesentlichen auf Kraumlutertee einschlieszliglich Rooibostee Schwarztee und Honig zuruumlck Fruumlchtetee Milch Eier und Fleisch tragen nur wenig zur Gesamtaufnahme von 12-un-gesaumlttigten PA bei Sieht man von bestimm-ten Nahrungsergaumlnzungsmitteln ab zeigt sich bei Erwachsenen ein aumlhnliches Bild Bei Erwachsenen ist der Beitrag von Honig zur Gesamtaufnahme an 12-ungesaumlttigten PA geringer und der von Gruumlntee houmlher als bei Kindern Bei hohen Gehalten koumlnnen Nahrungsergaumlnzungsmittel als zusaumltzliche Expositionsquelle zur Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber Lebensmittel beitragen Gewuumlrze und Kraumluter aber auch Mehle stellen moumlglicherweise eine relevante zusaumltzliche Expositionsquelle dar Fuumlr eine abschlieszligende Bewertung fehlen hier jedoch noch Daten

Obwohl in Einzelfaumlllen hohe Gehalte an 12-ungesaumlttigten PA in bestimmten Le-bensmitteln des allgemeinen Verzehrs nachgewiesen wurden haumllt das BfR nach derzeitiger Datenlage auch bei hoher Auf-nahme dieser Lebensmittel eine akute Ge-sundheitsschaumldigung fuumlr unwahrscheinlich Zur Abschaumltzung des potenziellen Risikos von genotoxisch-kanzerogenen Wirkungen legte das BfR wie international uumlblich den MOE-Ansatz (Margin of Exposure) zugrun-de Dabei wird ausgehend von Tierstudien angenommen dass fuumlr genotoxische Kan-zerogene ein MOE-Wert von 10000 oder houmlher aus Sicht der oumlffentlichen Gesundheit als wenig bedenklich und die Prioritaumlt fuumlr Maszlignahmen im Rahmen des Risikomanage-ments als niedrig angesehen werden kann Bei genotoxisch-kanzerogenen Stoffen kann keine Schwellendosis angenommen werden unterhalb derer keine unerwuumlnschten Wir-kungen mehr erwartet werden Daher gilt in der Europaumlischen Union die Empfehlung die Exposition gegenuumlber genotoxisch und kanzerogen wirkenden Substanzen so weit zu minimieren wie dies vernuumlnftig erreich-bar ist ndash das sogenannte ALARA-Prinzip (as low as reasonably achievable) Selbst geringe Aufnahmemengen koumlnnen insbesondere bei regelmaumlszligigem Verzehr mit einer Erhouml-hung gesundheitlicher Risiken verbunden sein

Die Bewertung des genotoxischen und kan-zerogenen Risikos erfolgt als Vergleich der Gesamtaufnahme uumlber verschiedene Tees Milch und Honig bei Kindern und Er-wachsenen auf der Basis verschiedener Ver-zehrszenarien mit dem BMDL10-Wert von

73 Mikrogramm pro Kilogramm Koumlrperge-wicht und Tag unter Berechnung des MOE Der BMDL10-Wert (Benchmark dose lower confidence limit 10) ist ein Schaumltzwert der niedrigsten Dosis die im Tierexperiment mit 95-prozentiger Sicherheit eine Krebsin-zidenz von nicht mehr als 10 Prozent ver-ursacht Alle Berechnungsansaumltze sowohl fuumlr Kinder als auch fuumlr die erwachsene Be-voumllkerung ergaben MOE-Werte deutlich unterhalb von 10000 Da nach Ansicht des Wissenschaftlichen Ausschusses der EFSA ein MOE erst ab einem Wert von mindes-tens 10000 aus Sicht der oumlffentlichen Ge-sundheit als wenig bedenklich anzusehen ist empfiehlt das BfR die Gesamtexposition mit PA aus allen Lebensmitteln so niedrig wie moumlglich zu halten und einen MOE von 10000 bei Beruumlcksichtigung der PA-Zufuhr aus allen Quellen nicht zu unterschreiten Dazu sollten die Bemuumlhungen fortgesetzt werden die PA-Gehalte in Lebensmitteln weiter zu senken

Forschungsansaumltze des BfR

Das BfR befasst sich seit einigen Jahren mit der Problematik der Verunreinigung von Lebensmitteln mit 12-ungesaumlttigten PA und verfolgt hierzu verschiedene Forschungs-ansaumltze Die Analytik der 12-ungesaumlttigten PA stellt aufgrund ihrer groszligen strukturel-len Vielfalt und des Vorkommens in unter-schiedlichen Lebensmitteln eine besondere Herausforderung dar In den letzten Jahren hat das BfR spezifische Nachweismethoden entwickelt und in Ringversuchen validiert Diese Methoden stehen auf der Homepage des BfR zur Verfuumlgung und koumlnnen z B in der Lebensmittel- und Futtermitteluumlberwa-chung eingesetzt werden

Neben der Entwicklung analytischer Me-thoden werden am BfR die molekularen Mechanismen der Toxizitaumlt von 12-unge-saumlttigten PA untersucht Hier stehen vor allem Untersuchungen zur strukturabhaumln-gigen Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber die Darmbarriere im Vordergrund Die Ergebnisse zeigen dass sich das Wirkungs-potenzial der 12-ungesaumlttigten PA aufgrund von Unterschieden im strukturabhaumlngigen Transport uumlber die Darmbarriere unter-scheiden kann Auch zeigten die getesteten Modellsubstanzen in einem Zellkulturmo-dell deutliche strukturspezifische Unter-schiede im Metabolismus Weitere Untersu-

Pflanzen die Pyrrolizidinalkaloi-de bilden finden sich vor allem in den Familien der Korbbluumltler (Asteraceae) der Raublatt- oder Borretschgewaumlchse (Boraginaceae) und der Huumllsenfruumlchtler (Faba-ceae)

22 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

chungen zu der Zerstoumlrung der sinusoidalen Endothelzellen durch 12-ungesaumlttigte PA sollen zum Verstaumlndnis der Mechanismen beitragen die zu den venookklusiven Ver-aumlnderungen in der Leber fuumlhren Auch wer-den Untersuchungen zur Metabolisierung nahrungsrelevanter Pyrrolizidinalkaloide durchgefuumlhrt Die Forschungsprojekte wer-den von der Deutschen Forschungsgemein-schaft (DFG) gefoumlrdert

Empfehlungen zur Reduktion der PA-Gehalte

Das BfR empfiehlt dass sich Management-maszlignahmen an der Vermeidung genoto-xisch-kanzerogener Effekte der 12-ungesaumlt-tigten PA als dem empfindlichsten Endpunkt orientieren Die Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA sollte fuumlr Verbrau-cherinnen und Verbraucher so gering wie moumlglich sein Dazu sollten die PA-Gehalte in Lebensmitteln so weit wie moumlglich sin-ken Dies gilt insbesondere fuumlr Kraumlutertees Rooibostee Schwarzen Tee und Gruumlnen Tee sowie bestimmte Nahrungsergaumlnzungsmit-tel Hier sollten Anbau- Ernte- und Reini-gungsmethoden weiterhin verbessert wer-den Auch die Auswahl der Rohhonige kann zu einer Reduzierung der Gehalte an 12-un-gesaumlttigten PA in verzehrfertigen Honigen beitragen Auszligerdem sind vor der Vermark-tung seitens der Lebensmittelunternehmer weiterhin Kontrollen in allen betroffenen Lebensmittelkategorien notwendig

Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das potenzielle gesundheitliche Risiko durch PA durch eine abwechslungsreiche Ernaumlh-rung verringern und so generell einseitigen Belastungen mit verschiedenen potenziell gesundheitsgefaumlhrdenden Stoffen vorbeu-gen Insbesondere fuumlr Kinder Schwangere und Stillende empfiehlt das BfR den taumlgli-chen Fluumlssigkeitsbedarf nicht ausschlieszliglich mit Kraumlutertee und Tee zu decken

Bei der Zubereitung von Salat Blattgemuumlse und Kraumlutern sollten Verbraucherinnen und Verbraucher Pflanzenteile aussortieren die sie keinen bekannten essbaren Pflanzen zu-ordnen koumlnnen

Wer Nahrungsergaumlnzungsmittel auf Pollen-basis oder auf Basis von Pflanzen einnimmt die 12-ungesaumlttigte PA bilden sollte sich bewusst sein dass diese Produkte 12-un-gesaumlttigte PA in houmlheren Konzentrationen enthalten koumlnnen

Mehr erfahrenStellungnahme Nr 0302016 des BfR vom 28 September 2016

Necinbase

Necinsaumlure

Die Struktur von PA

Chemisch handelt es sich um Ester aus einer Necinbase und aliphatischen Mono- oder Dicarbonsaumluren (Necin-saumluren) Aus toxikologischer Sicht besonders bedeutsam sind Pyrroli-zidinalkaloide mit 12-ungesaumlttigter Necinstruktur (12-ungesaumlttigte PA) Die 12-ungesaumlttigte Necinstruktur als gemeinsames Strukturmerkmal erlaubt grundsaumltzlich die Giftung durch Oxidation zum Dehydropyrrolizidin das durch seine alkylierenden Eigenschaf-ten fuumlr die genotoxische und karzino-gene Wirkung dieser Substanzgruppe verantwortlich ist

copy R

ukiM

edia

shu

tters

tock

com

copy J

iri H

era

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

23012017

Im suumldlichen Afrika spielt die Landwirt-schaft eine Schluumlsselrolle bei der Armuts-bekaumlmpfung Eine wachsende Produktion tierischer Lebensmittel bringt jedoch auch neue Herausforderungen an die Lebensmit-telsicherheit mit sich Das BfR-Forschungs-projekt bdquoSAD-Zambialdquo (bdquoStaphylococcus aureus in der Milchlebensmittelkette in Sambia ndash Bekaumlmpfung lebensmittelbeding-ter Erkrankungen und Antibiotikaresisten-zen beim Menschldquo) befasst sich damit wie die Produktion und der Vertrieb von Milch und Milchprodukten in Sambia sicherer gestaltet werden koumlnnen Ziel ist es zu be-werten in welchem Umfang das Bakterium Staphylococcus (S) aureus uumlber Milch und Milchprodukte auf den Menschen uumlbertra-gen wird In einem ersten Schritt werden Feldstudien in verschiedenen Provinzen des Landes durchgefuumlhrt um das Vorkommen dieses Erregers und moumlgliche Schwachstel-len in der Milchlebensmittelkette in Sambia zu analysieren Hierbei stehen Toxin-bil-dende S aureus-Staumlmme im Fokus Auszliger-dem wird untersucht in welchem Umfang Methicillin-resistente S aureus (MRSA) die gegen eine bestimmte Klasse von Antibio-tika resistent sind in der Milchlebensmit-

telkette vorkommen Die Bewertungsarbeit beinhaltet auch einen Vergleich traditio-neller und moderner Produktionssysteme Am BfR werden anschlieszligend die Analysen zu den Eigenschaften der gewonnenen Bakterienstaumlmme sowie stammvergleichen-de Untersuchungen durchgefuumlhrt In einem weiteren Schritt werden Ansatzpunkte zur Reduzierung der Bakterien sowie Methoden zum Monitoring von zoonotischen und An-tibiotika-resistenten S aureus in der Milch-lebensmittelkette in Sambia entwickelt So soll zum Verstaumlndnis der lebensmittelbe-dingten Risiken entlang der Milchlebens-mittelkette in Sambia beigetragen werden Das Projekt begann am 01072016 und laumluft drei Jahre Es wird vom Bundesminis-terium fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft gefoumlrdert und aus BfR-Mitteln co-finanziert Neben dem BfR beteiligen sich an dem For-schungsprojekt das International Livestock Research Institute die University of Zambia und das Central Veterinary Research Insti-tute als Teil des sambischen Ministeriums fuumlr Nutztiere und Fischerei Durch dieses Forschungsnetzwerk soll eine nachhaltige Partnerschaft aufgebaut werden

Mit dem Forschungsprojekt bdquoSAD-Zambialdquo leistet das BfR einen Beitrag zur Staumlrkung der Lebensmittelsicherheit und damit zur Ernaumlhrungssicherheit im suumldlichen Afrika Koordinatorin des Projekts ist Frau Dr Alexandra Fetsch Der sambische Doktorand Herr Bruno Phiri berichtet von seiner alltaumlglichen Arbeit Beide arbeiten in der Fach-gruppe bdquoMikrobielle Toxineldquo des BfR

POST AUS hellipSAMBIA

raquobdquoDas SAD-Zambia Projekt ist fuumlr mich ein Meilenstein und ich bin dem BfR sehr dankbar dass es mir diese Moumlglichkeit gibt Ich habe schon viel dazugelernt und konnte meine Kompetenzen bezuumlglich der Diagnose von Krankheitserregern verbessern Das Projekt bringt mich aber nicht nur persoumlnlich voran auch mein Land kann davon profitieren Mein Arbeitsalltag beginnt meist mit einem Besuch bei den Milchbauern und ihren Herden Dort schaue ich mir an wie die Kuumlhe gemolken werden und nehme Proben von den Tieren der Milch und der Umge-bung Auch in Milchsammelstellen und auf Maumlrkten nehme ich Proben Diese analysiere ich anschlieszligend im Labor an der Universitaumlt Schon jetzt freue ich mich auf die weiteren Untersuchungen der Bakterienstaumlm-me am BfR Ich war zu Beginn des Projektes dort ndash eine sehr eindrucks-volle Erfahrungldquo

(Bruno Phiri)

copy a

stud

ios

hutte

rsto

ckc

om

copy B

fR

24 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

Algengift in Tropenfischen

Bisher traten Lebensmittelvergiftungen durch Ciguato-xin ndash einem Algentoxin das in tropischen Speisefischen wie Barrakuda Schnapper oder Zackenbarsch enthalten sein kann ndash vorwiegend in den Tropen auf Mit dem zunehmenden Import von Fischen aus Suumldostasien haumlufen sich auch in Europa und seit 2012 in Deutschland Faumllle von Ciguatera Ein Problem dabei Eine Analyse-methode mit der Fisch routinemaumlszligig auf Ciguatoxine untersucht werden kann ist derzeit noch nicht verfuumlgbar Da weltweit nur wenige Labore auf den Nachweis von Ci-guatoxinen in Fischen spezialisiert sind wird im Projekt bdquoEuroCigualdquo der Europaumlischen Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit (EFSA) unter anderem an der Verbesserung entsprechender Analysemethoden und zum Vorkommen ciguatoxischer Fische in Europa geforscht Das BfR liefert fuumlr das Projekt Angaben zu Erkrankungsfaumlllen in Deutschland Die krankmachenden Algentoxine reichern sich uumlber die Nahrungskette in Raubfischen an und sind uumlberaus stabil Durch Erhitzen oder Tiefkuumlhlen lassen sie sich nicht entfernen Beim Menschen kann der Verzehr betroffener Fische dann zu Vergiftungen mit zum Teil schweren oder andauernden Beeintraumlchtigungen des Nervensystems fuumlhren An Ciguatera Erkrankte nehmen normale Kaumlltereize als ungewoumlhnlich schmerzhaft wahr

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt A-Z-Index Ciguatoxin

Alkaloide in Lupinensamen

In verarbeiteten Produkten oder zum Knabbern Lupinensamen sind im Trend Da sie jedoch toxikologisch relevante bittere Chinolizidinalkaloide enthalten koumlnnen bewertet das BfR ihr gesundheitliches Risiko Der Gehalt an Chinolizi-dinalkaloiden in Lupinensamen variiert je nach botanischer und geografischer Abstammung Samen die von bdquoBitterlupinenldquo stammen sind aufgrund ihrer houmlheren Gehalte ohne geeignete Vorbehandlung der bdquoEntbitterungldquo nicht zum Verzehr geeignet Denn Sie koumlnnen beim Menschen Vergiftungssymptome her-vorrufen Lupinenvarietaumlten die Samen mit niedrigen Alkaloidgehalten liefern werden als bdquoSuumlszliglupinenldquo bezeichnet Suumlszliglupinensamen sind auch ohne Entbitte-rung verzehrsfaumlhig In Deutschland kam es mit Bitterlupinensamen vereinzelt zu Vergiftungsfaumlllen Das BfR empfiehlt Herstellern daher nur ganze Lupinensamen in den Verkehr zu bringen die ohne weitere Entbitterungsprozesse verzehrsfaumlhig sind Mehl aus Lupinensamen sollten Hersteller aus alkaloidarmen oder ausrei-chend entbitterten Samen herstellen

Uumlbertragungswege des Hepatitis-E-Virus

Infektionen mit dem Hepatitis-E-Virus (HEV) koumlnnen zu einer akuten Leberentzuumlndung fuumlhren In den letzten Jahren sind die Zahlen gemeldeter Hepatitis-E-Faumllle des Menschen in Deutsch-land stark angestiegen Forschungsergebnisse des BfR in Zusam-menarbeit mit anderen Einrichtungen haben gezeigt dass das Virus in deutschen Haus- und Wildschweinen weit verbreitet ist Vereinzelt wurde HEV auch in Rehen und Rotwild nachgewiesen

Unklar ist derzeit noch auf welchen Wegen sich die Patienten mit dem Virus anstecken Moumlglich sind direkte Virusuumlbertra-gungen zum Beispiel vom Wildtier auf den Jaumlger und indirekte uumlber Lebensmittel die aus infizierten Tieren hergestellt wurden Wie aktuelle Studien des BfR zeigen kann HEV in verschiedenen Wurstwaren aus dem deutschen Einzelhandel nachgewiesen wer-den Fraglich ist ob das Virus in diesen Produkten noch anste-ckend ist oder ob es bei der Herstellung der Lebensmittel zerstoumlrt wird Hierfuumlr noumltige Untersuchungen waren in der Vergangenheit erschwert da sich HEV im Labor nur schlecht kultivieren lieszlig Erste Ergebnisse von Untersuchungen mithilfe eines am BfR ent-wickelten neuartigen Zellkultur-Systems weisen darauf hin dass HEV hitzeempfindlich ist aber bei Kuumlhlung oder Raumtempera-tur mehrere Wochen infektioumls bleiben kann

SPEKTRUM

copy N

eil B

urto

nsh

utte

rsto

ckc

om

copy N

atal

ia M

ylov

ash

utte

rsto

ckc

om

copy iS

tock

com

Mee

Poo

hyap

hoto

25012017

bdquoNur eine gemeinsame Strategie ist effektivldquo

Frau Kaumlsbohrer ein zentrales Thema Ihrer Forschung sind Antibiotikaresis-tenzen In der oumlffentlichen Debatte wird oft ein Zusammenhang hergestellt zwi-schen dem haumlufigen Einsatz von Anti-biotika in der Nutztierhaltung und dem Auftreten resistenter Bakterien in der Humanmedizin Doch werden bei Tieren nicht andere Antibiotika eingesetzt als bei MenschenUm die Unterschiede zu erlaumlutern muss man zwischen Praumlparaten und den antibiotischen Wirkstoffgruppen unterscheiden Beim Tier verwenden Veterinaumlrmediziner ande-re Praumlparate als Aumlrzte beim Menschen Der wirksame Inhaltsstoff das Antibiotikum kann aber dasselbe sein Die Antibiotika lassen sich wiederum in Wirkstoffgruppen einteilen Mit Blick auf die Wirkstoffgrup-pen gilt Die meisten Antibiotika die beim Menschen eingesetzt werden gehoumlren zu Wirkstoffgruppen die wir auch in der Vete-rinaumlrmedizin nutzen Es gibt nur ganz weni-ge Antibiotikagruppen die nur auf der einen oder der anderen Seite verwendet werden Dazu gehoumlren zum Beispiel die Carbapene-me die nicht beim Nutztier eingesetzt wer-den duumlrfen In der Humanmedizin kommen sie insbesondere zum Einsatz wenn andere Antibiotika nicht mehr wirksam sind

bdquoEine Resistenz ge-gen einen bestimm-ten Wirkstoff kann sich auch ausbrei-ten obwohl diese Wirkstoffgruppe nicht eingesetzt wurde

Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer leitet am BfR die Fachgruppe bdquoEpide-miologie Zoonosen und Antibiotika-resistenzldquo die unter anderem auch das Nationale Referenzlabor fuumlr Antibiotika- resistenzen umfasst Seit April 2016 ist sie auszligerdem Professorin an der Vetmeduni Vienna und leitet dort das Institut bdquoOumlffentliches Veterinaumlrwesenldquo

Wenn sie beim Nutztier nicht eingesetzt werden duumlrfen wie kann es dann sein dass Sie am BfR im Rahmen des For-schungsprojekts RESET Carbapene-mase-bildende Bakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden gefunden habenDie Entstehung von Antibiotikaresistenzen ist ein natuumlrlicher Vorgang bei Bakterien Durch den Gebrauch von Antibiotika wird dieser Prozess beschleunigt Eine Resistenz gegen einen bestimmten Wirkstoff kann sich auch ausbreiten obwohl diese Wirk-stoffgruppe nicht eingesetzt wurde Dank der Selektion gilt meist Wenn ich einen Wirkstoff einsetze gebe ich jenen Bakterien einen Vorteil die gegen den Wirkstoff resis-tent sind Aber Carbapenemasen also die Enzyme die von Carbapenem-resistenten Bakterien gebildet werden koumlnnen neben den Carbapenemen auch fast alle anderen

Bakterien die gegen Antibiotika resistent sind stellen ein Risiko fuumlr die oumlffentliche Gesundheit dar Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer widmet sich am BfR dieser Problematik Im Gespraumlch erklaumlrt sie welche Faktoren bei der Ausbreitung von Resistenzen eine Rolle spielen

copy M

icha

el B

ernk

opf

Vetm

edun

i Vie

nna

26 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

β-Laktam-Antibiotika inaktivieren Theo-retisch ist es daher moumlglich dass sich eine Resistenz gegen Carbapeneme ausbreitet obwohl der Tierarzt beim Nutztier eine an-dere Wirkstoffgruppe eingesetzt hat Ist die Resistenz bei Bakterien vorhanden gibt es viele Ausbreitungswege Ein Stall ist kein steriler Ort sondern belebte Umwelt Moumlg-liche Eintragswege fuumlr resistente Bakterien in einen Stall sind z B belebte Vektoren wie neu eingestallte Tiere Maumluse Fliegen oder Voumlgel aber auch unbelebte Vektoren wie Futter Wasser Staub oder Geraumltschaften

Was hat sich seit dem Fund der Carba-penemase-bildenden Enterobakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden fuumlr Ihre Arbeit beim BfR geaumlndert Der Fund hatte vielfaumlltige Konsequenzen Wir haben vor allem die gezielten Untersu-chungsaktivitaumlten verstaumlrkt Bakterien-Iso-late aus Tierbestaumlnden und Lebensmitteln werden seit 2014 im Rahmen des Resistenz-monitorings im BfR routinemaumlszligig auf eine Carbapenem-Resistenz getestet Auszligerdem steht seit 2015 fuumlr den Nachweis von Carba-penemase-bildenden Bakterien ein weiteres gezieltes Nachweisverfahren zur Verfuumlgung Hierzu muumlssen die Labore geschult werden Zusaumltzlich werden im Nationalen Refe-renzlabor fuumlr Antibiotikaresistenz am BfR Carbapenemase-verdaumlchtige Bakterien auf die charakteristischen Resistenzgene hin un-tersucht Am BfR wurden hierfuumlr verschie-dene Methoden fuumlr die Untersuchung von E coli und Salmonella etabliert Bisher wur-den sehr selten solche Resistenzgene nach-gewiesen bei Nutztieren das Gen blaVIM-1 bei einem Wildvogel das Gen blaNDM-1

Oftmals sind die Resistenzgene gegen Carbapeneme zusammen mit anderen Resistenzgenen auf mobilen geneti-schen Elementen lokalisiert Warum ist hier besondere Vorsicht gebotenZunaumlchst ist die Trefferwahrscheinlichkeit fuumlr eine Selektion houmlher wenn mehrere Re-sistenzgene auf einem genetischen Element liegen d h der Einsatz verschiedener Anti-biotika kann zu einem Selektionsvorteil fuumlh-ren Die Lokalisation von Resistenzgenen auf mobilen genetischen Elementen spielt fuumlr die Uumlbertragbarkeit von Resistenzen eine wichtige Rolle Denn Diese Resistenzgene koumlnnen mittels horizontalem Gentransfer auf ganz unterschiedliche Bakteriengruppen uumlbertragen werden Diese Erkenntnis hat eine Art Revolution ausgeloumlst Lange Zeit wurde ein Erreger mit all seinen Eigenschaf-ten als Einheit betrachtet Kann die Resis-tenz aber zwischen Bakteriengruppen hin

und her uumlbertragen werden verfaumllscht das moumlglicherweise den Blick auf eine Gruppe Folglich mussten die Nachweisverfahren umgestellt und die Uumlbertragbarkeit von Re-sistenzen mit analysiert werden Erschwe-rend kommt hinzu dass ein Resistenzgen auf einem grundsaumltzlich ungefaumlhrlichen

Bakterium zum Problem werden kann Manche Bakterien wie beispielsweise E coli gehoumlren zur normalen Darmflora Traumlgt so ein Bakterium eine Resistenzeigenschaft ist das erstmal nicht gefaumlhrlich Aber Es kann diese Eigenschaft moumlglicherweise an einen Infektionserreger weitergeben

Welche konkreten Folgen kann eine solche Weitergabe von Resistenzeigen-schaften habenSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt Schon jetzt weichen Aumlrzte auf Wirk-stoffgruppen aus die in der Humanmedizin lange verpoumlnt waren Dies gilt zum Beispiel fuumlr Colistin Fuumlr den Menschen ist es nicht gut vertraumlglich moumlgliche Nebenwirkun-gen sind beispielsweise die Schaumldigung der Nieren oder des Nervensystems In der Ve-terinaumlrmedizin hat Colistin seit Jahrzehnten eine erhebliche Bedeutung vor allem fuumlr die Behandlung von Infektionen des Ma-gen-Darm-Traktes bei Nutztieren auch um andere Wirkstoffgruppen zu vermeiden

Spielt im Fall von Colistin die Mobilitaumlt des Resistenzgens auch eine besonde-re Rolle Inzwischen ja Bis Ende 2015 waren sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler einig Eine Colistin-Resistenz ist nicht uumlbertragbar Das heiszligt kommt eine solche Resistenz bei einem Infektionserreger beim Nutztier vor ist sie nicht per se auf ein hu-manpathogenes Bakterium uumlbertragbar Doch Ende 2015 wurde in China erstmals das uumlbertragbare Gen mcr-1 beschrieben Untersuchungen in Belgien haben spaumlter zur Beschreibung eines weiteren mobilen Gens fuumlr die Colistin-Resistenz bei Nutztieren

bdquoSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

27012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Ausbreitung von Resistenzen

Haustiere

Krankenhaus

Belastetepflanzliche Lebensmittel

Belastete tierische Lebensmittel

Nutztiere

Futtermittel

Schaumldlinge

Uumlbertragungswege resistenter Bakterien

Menschen

Eine Antibiotikaresistenz entsteht

(z B durch Mutation)

Antibiotikatherapie beguumlnstigt die

Selektion resistenter Bakterien

Nahrung

Duumlnger Abwasser

Abwasser

28 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

gefuumlhrt mcr-2 Das bedeutet eine Uumlbertra-gung der durch diese Gene vermittelten Re-sistenz auf ein humanpathogenes Bakterium ist theoretisch moumlglich Allerdings scheint dies bisher selten der Fall zu sein

Diese Erkenntnisse offenbaren einen groszligen Forschungsbedarf Was tun Sie in der Abteilung bdquoBiologische Sicher-heitldquo um das Risiko zu bewerten Als 2015 klar wurde dass es eine uumlbertrag-bare Colistin-Resistenz gibt haben wir diese neue Erkenntnis in den laufenden Projekten natuumlrlich sofort aufgegriffen Im Rahmen des Forschungsprojekts RE-SET haben wir zum Beispiel vorhandenes Bakterienmaterial und die bei unseren Ko-operationspartnern verfuumlgbaren Gesamt-genominformationen auf das Vorkommen dieses neuen Resistenzgens gepruumlft Schnell war klar Ja dieses Gen finden wir in den Sequenzen Und die Pruumlfung von Colis-tin-resistenten Isolaten aus unserer Stamm-sammlung hat bestaumltigt dass dieses Resis-tenzgen bereits weit verbreitet ist

Muumlssen nun neue Forschungsprojekte zu dem Thema initiiert werdenJa denn viele Fragen bleiben bislang offen Wie haumlufig wird die Resistenz tatsaumlchlich uumlbertragen Was triggert diese Uumlbertra-gung Es gibt auch diagnostische Probleme Das uumlbliche Verfahren in der Humanmedi-zin um Resistenzen zu testen umfasst in der Regel nicht die Resistenz gegen Colistin Es gibt also viel zu tun Neue Diagnose- und Typisierungsverfahren aufbauen unser Re-sistenzmonitoring erweitern und routine-maumlszligig phaumlnotypisch resistente Isolate auf das Gen pruumlfen Die Ergebnisse muumlssen wir dann uumlbergreifend bewerten um Hand-lungsoptionen aufzuzeigen

Welche Uumlbertragungswege spielen bei der Colistin-Resistenz fuumlr den Men-schen eine Rolle Mit Sicherheit koumlnnen wir das derzeit nicht sagen Die chinesische Arbeitsgruppe hat Colistin-Resistenzen sowohl im Schweine-fleisch als auch beim Menschen gefunden Daher liegt die Hypothese nahe dass es eine Uumlbertragung uumlber Lebensmittel gibt Gleichzeitig gibt es generell die Beobachtung von nosokomialen Ausbreitungen resisten-ter Bakterien Das sind Ausbreitungen von Antibiotikaresistenzen im Krankenhaus

Resistenzen breiten sich aus Wunder-waffen verlieren ihre Wirkung selbst im Krankenhaus sind wir nicht sicher Gibt es uumlberhaupt eine effiziente Strategie gegen die Ausbreitung der Antibiotika- resistenzen Und wer ist dabei gefor-dertUm die Ausbreitung von Antibiotika- resistenzen zu verhindern braucht es eine gemeinsame Strategie Schlieszliglich sind hier komplexe Zusammenhaumlnge zwischen Mensch Tier und Umwelt am Werk Am BfR streben wir deswegen eine enge Zu-sammenarbeit mit allen Akteuren im oumlffent-lichen Gesundheits- und Veterinaumlrwesen an Bei diesem bdquoOne Health-Ansatzldquo sind sowohl Veterinaumlr- als auch Humanmedizi-ner gefordert Auch Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

Was sollten Verbraucherinnen und Ver-braucher beachtenHier gelten dieselben Hygieneregeln die auch fuumlr andere vom Tier oder vom Le-bensmittel auf den Menschen uumlbertragba-re Krankheitserreger gelten Zum Beispiel sollten sie sich nach dem Kontakt mit Tie-ren die Haumlnde mit warmem Wasser und Seife waschen Auch nach der Zubereitung von rohem Fleisch sollten die Haumlnde gruumlnd-lich gewaschen werden Fleisch Eier und Rohmilch sollten vor dem Verzehr durcher-hitzt werden Rohkost und Obst sollten vor dem Verzehr gruumlndlich mit Trinkwasser gewaschen oder geschaumllt werden Weiterhin wichtig ist den direkten oder indirekten Kontakt von rohem Fleisch und rohen Ei-ern mit verzehrfertigen Speisen die spaumlter nicht mehr erhitzt werden zu vermeiden Durch die Einhaltung der Hygieneregeln kann man einer Uumlbertragung von resisten-ten und oder pathogenen Bakterien auf an-dere Lebensmittel vorbeugen

Mehr erfahren Irrgang et al 2017 Recurrent detection of VIM-1-producing Escherichia coli clone in German pig production Journal ofAntimicrobial Chemotherapy 72 3 944ndash946

bdquoVerbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

RESET

Der Forschungsverbund RESET ndash Antibiotika-Resistenzen bei Tier und Mensch ndash beschaumlftigte sich von 2010 bis 2017 mit Resistenzen gegen die besonders wichtigen Antibiotika-Klas-sen der β-Laktam-Antibiotika und (Fluor-)Chinolone bei Darmbakterien wie Escherichia (E) coli Sind Bak-terien gegen beide Wirkstoffklassen resistent werden die therapeutischen Moumlglichkeiten drastisch eingeschraumlnkt Bei E coli und Salmonella enterica wurden derartige Resistenzen bereits nachgewiesen Das BfR beteiligte sich mit zwei Projekten an dem Forschungs-verbund Durch das konsequente Zusammenfuumlhren von Ergebnissen der unterschiedlichen Forschungsgebiete in einer gemeinsamen Datenbank konnten Erkenntnisluumlcken geschlossen und Risiken bewertet werden Das Projekt wurde vom Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) gefoumlrdert

29012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Kann es durch die Mischung verschiedener Pestizid-Ruumlckstaumlnde beim taumlglichen Verzehr zu gesundheitsgefaumlhrdenden Belastungen kommen

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

30 BfR 2 GO

Wenn von Paradigmenwechseln die Rede ist findet meist ein grundlegendes Umdenken statt In der Risikobewertung von Chemikalien habe ein Paradigmenwechsel stattge-

funden der die traditionelle Einzelsubstanz-Bewertung hinter sich lasse schrieben BfR-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler vor einiger Zeit Man koumlnnte meinen in der Toxikologie wird der Paracelsus-Satz kuumlnftig umgeschrieben Nicht nur die Dosis son-dern auch die Aufsummierung der Dosierungen in einer Mischung macht das Gift

Gift- oder Todescocktail ndash plakative Medienbegriffe

Denn tatsaumlchlich In den letzten Jahren beschaumlftigen sich weltweit immer mehr Gremien politische Ausschuumlsse und Forschungspro-jekte mit der Frage wie man die Auswirkungen von Mischungen auf Umwelt und Gesundheit kuumlnftig bewerten kann Auch in der Oumlffentlichkeit wird das Thema emotional verhandelt Chemikali-enmix Gift- oder sogar Todescocktail ndash mit plakativen Begriffen umschreiben Medien das Phaumlnomen der Mehrfachruumlckstaumlnde Entsprechend tief sitzt die Angst bei Verbraucherinnen und Ver-brauchern In einer vom BfR in Deutschland durchgefuumlhrten re-praumlsentativen Wahrnehmungsstudie vermuten 80 Prozent der Befragten dass der Einsatz mehrerer unterschiedlicher Pflanzen-schutzmittel zu gesundheitlichen Beeintraumlchtigungen durch Le-bensmittel fuumlhren kann

Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck sein

Zwar zeigen verschiedene aktuelle Monitoring-Projekte dass das gesundheitliche Risiko durch Mehrfachruumlckstaumlnde von Pflanzen-schutzmitteln unwahrscheinlich ist (s Interview) aber das Thema bleibt auch fuumlr die Wissenschaft draumlngend Denn auch wenn Mi-schungen schon seit Jahrzehnten wissenschaftlich analysiert und bewertet werden das Beduumlrfnis nach einer zuverlaumlssigen Bewertung der Risiken fuumlr Mensch und Umwelt steigt Grund dafuumlr ist zum einen die Vielzahl immer neuer Wirkstoffe Zusatzstoffe Chemika-lien Ruumlckstaumlnde und Kontaminanten gegenuumlber denen Menschen exponiert sind verbunden mit immer verfeinerten wissenschaftli-chen Nachweismethoden Zum anderen steigt der Druck aus der Oumlffentlichkeit Um wissenschaftliche Divergenzen zu vermeiden muumlssen transparente und international harmonisierte Verfahren entwickelt werden Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck in der Risikobewertung sein

Alle Gemische im Tierversuch zu testen ist nicht durchfuumlhrbar

Worum geht es im Einzelnen Mischungen liegen immer dann vor wenn ein Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt verschiedene Stoffe gleichzeitig aufnimmt z B Ruumlckstaumlnde Kontaminanten oder Chemikalien die nach der Europaumlischen Chemikalienverordnung REACH registriert sind Das geschieht wenn sogenannte intentional mixtures also beabsichtigte Mischungen wie Pflanzenschutzmittel oder Biozide in den Verkehr gebracht werden Aber auch unintenti-onal mixtures nimmt der Koumlrper auf Sei es dass verschiedene Stoffe in einem Produkt enthalten sind z B mehrere Pflanzenschutzmit-telruumlckstaumlnde in einem Apfel Oder sei es dass Stoffe gleichzeitig uumlber unterschiedliche Produkte aufgenommen werden In all diesen Faumlllen koumlnnen Mischungseffekte auftreten Diese sind je nach Wirk-mechanismus unterschiedlich stark ausgepraumlgt So koumlnnen sich die Wirkungen von Stoffen gegenseitig potenzieren oder auch aufheben Nach derzeitigem Kenntnisstand wird davon ausgegangen dass sich Wirkungen in der Regel addieren wenn die aufgenommenen Stoffe oberhalb der Wirkschwelle liegen den gleichen Wirkmechanismus haben und zu einem relevanten Zeitpunkt vom Organismus aufge-nommen wurden

Hier beginnen die Schwierigkeiten Es gibt zu viele intentional mix-tures die eine nahezu unuumlbersehbar groszlige Anzahl von Kombinati-onen ermoumlglichen Diese Gemische alle im Tierversuch zu testen wie sonst bei Einzelsubstanzen uumlblich waumlre sowohl ethisch nicht zu vertreten als auch praktisch nicht durchfuumlhrbar Daher arbeiten viele Forschungsprojekte u a der EU-Kommission daran tierversuchs-freie Methoden fuumlr die kumulative Bewertung zu entwickeln die die Effekte von Mischungen in vitro oder durch computergestuumltzte Be-rechnungen in silico berechnen (s Interview und Kasten)

Weltweit setzen Laumlnder das Thema auf ihre Agenda

Nicht nur fuumlr die Wissenschaft auch fuumlr den harmonisierten Voll-zug von Gesetzen ergeben sich dadurch neue Herausforderungen So schreibt z B die EU-Verordnung uumlber das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vor Kumulations- und Synergieeffekte zu be-ruumlcksichtigen ndash sofern es von der Behoumlrde anerkannte wissenschaft-liche Methoden zur Messung solcher Effekte gibt Doch die lagen bisher nicht vor Deshalb werden nun auf allen Ebenen technische Leitfaumlden fuumlr die neuen Methoden erstellt um eine harmonisierte

Auf die Mischung kommt es anKumulative Risikobewertung nimmt weltweit eine immer groumlszligere Bedeu-tung in der Toxikologie ein Das BfR arbeitet an einer Vielzahl von Projek-ten wie Mischungen in Zukunft bewertet werden koumlnnen

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

31012017

Vorgehensweise und transparente Nachvollziehbarkeit bei der Zu-lassung von Produkten zu gewaumlhrleisten Unter anderem die EFSA die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmittelsicherheit die Europauml-ische Chemikalienagentur ECHA und das JRC die Gemeinsame Forschungsstelle der Europaumlischen Kommission erarbeiten solche technischen Leitfaumlden

Neben der wissenschaftlichen Komplexitaumlt muumlssen diese techni-schen Leitfaumlden weitere Herausforderungen meistern Sie sollen fuumlr alle Bereiche gelten in denen Mischungen in Verkehr gebracht werden oder entstehen koumlnnen Bisher wurden Mischungen haumlufig nur in einem regulatorischen Bereich untersucht z B als Pflan-zenschutzmittel Biozid oder Arzneimittel Fuumlr andere Stoffe wie Lebensmittelzusatzstoffe oder Kontaminanten war die Bewertung von Mischungen bisher nicht klar gesetzlich reguliert In Zukunft sollen auch diese Stoffe bei einer Bewertung von Mischungen besser beruumlcksichtigt werden Auch soll nicht nur die chemische Zusam-mensetzung eines einzelnen Produktes systematisch bei der Zu-lassung beruumlcksichtigt werden sondern auch Mehrfachruumlckstaumlnde im gesamten Warenkorb den Verbraucherinnen und Verbraucher durchschnittlich zu einer gegebenen Zeit konsumieren Und zu gu-ter Letzt muumlssen die neuen Verfahren weltweit harmonisiert werden um das kumulative Risiko fuumlr Mensch und Umwelt auch angesichts globaler Warenketten gering zu halten Deshalb diskutieren Politik und Wissenschaft zurzeit nicht nur auf europaumlischer Ebene entspre-chende Leitfaumlden auch andere Laumlnder weltweit sowie die Weltge-sundheitsorganisation WHO und die Organisation fuumlr wirtschaftli-che Zusammenarbeit und Entwicklung OECD haben die kumulative Bewertung auf ihre Agenda genommen und stimmen ihre Guidance Documents mit den uumlbrigen Behoumlrden ab

Deutschland wendet die kumulative Bewertung schon an

Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR sind an zahlreichen dieser internationalen Projekte beteiligt sowohl an der wissenschaftlichen Erforschung kumulativer Effekte als auch an der Entwicklung technischer Leitfaumlden Einen wichtigen Schritt bei der kumulativen Bewertung hat Deutschland in der Europaumlischen Uni-

Stufe um Stufe zu einer gesicherten Bewertung

Seit Maumlrz 2017 wird in Deutschland eine Methodik fuumlr die Bewertung von Kumulations- und Synergie-effekten bei der gesundheitlichen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln in den Zulassungsverfahren angewandt Grundlage fuumlr das gestufte kumulative Bewertungsverfahren ist der sogenannte bdquoHazard Quotientldquo (HQ) der fuumlr jeden einzelnen Stoff ermit-telt wird Der HQ errechnet sich aus dem Verhaumlltnis zwischen dem relevanten gesundheitlichen Grenz-wert und der geschaumltzten Exposition

In einer ersten Stufe wird der HQ fuumlr alle Stoffe eines Gemisches einzeln ermittelt Liegt der HQ jedes Stoffes unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko fuumlr die einzelnen Bestandteile der Mischung zu erwarten Liegt dieser bei einzelnen Stoffen uumlber 1 wird gepruumlft ob die Exposition durch geeignete Maszlignahmen weiter vermindert werden kann zum Beispiel durch das Tragen entsprechender Schutz-kleidung

Liegt der HQ fuumlr alle Komponenten unter 1 wird in einer zweiten Stufe der sogenannte bdquoHazard Indexldquo (HI) des Gemisches ermittelt indem alle Gefahren-quotienten der verwendeten Stoffe addiert werden Liegt der ermittelte Wert weiterhin unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko durch das Gemisch zu erwarten

Liegt der HI uumlber 1 geht die Bewertung mit weiter verfeinerten Methoden in die dritte Stufe uumlber In dieser wird gepruumlft ob ein gesundheitliches Risiko vorliegt wenn eine Gruppierung der Einzelstoffe vorgenommen wird Dazu koumlnnen die einzelnen Stoffe in kumulative Bewertungsgruppen (cumula-tive assessment groups CAGs) eingeteilt werden die z B nach Effekten im gleichen Zielorgan oder nach dem gleichen Wirkmechanismus oder nach chemischer Verwandtschaft definiert sein koumlnnen Hintergrund dieser Einteilung ist die Annahme dass sich nach gegenwaumlrtigem Kenntnisstand nur Effek-te addieren die hinsichtlich der Zielorgane oder der Wirkmechanismen (MOA) vergleichbar sind Auch die relative Potenz der einzelnen Stoffe soll bei der verfeinerten Bewertung beruumlcksichtigt werden Liegt der HI innerhalb einer CAG unter 1 ist deshalb kein gesundheitliches Risiko zu erwarten Liegt er oberhalb des Wertes und koumlnnen weder Expositionsschaumltzung noch Gefahrenbewertung weiter verfeinert werden gilt das Gemisch als nicht sicher

Das mehrstufige Verfahren hat den Vorteil dass die ressourcenaufwendigeren Methoden zur verfei-nerten Bewertung z B in vergleichbaren CAGs oder MOAs nur zum Einsatz kommen wenn mit den ersten einfacheren Bewertungsmethoden nicht nachweisbar ist dass kein gesundheitliches Risiko zu erwarten ist

copy T

atom

mis

tock

com

32 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

EuroMix A tiered strategy for risk assessment of mixtures of multiple chemicals

EuroMix ist ein laumlnderuumlbergreifendes Projekt der EU-Kommission das die nie-derlaumlndische Behoumlrde fuumlr Gesundheit und Umweltschutz RIVM koordiniert Es zielt darauf ab eine tierversuchsfreie experi-mentelle Test-Strategie zu entwickeln um die Toxizitaumlt von Gemischen verschiedener toxikologisch relevanter Lebensmittelin-haltsstoffe Lebensmittelkontaminanten und Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde besser zu bestimmen Aus den Forschungsergeb-nissen wird ein Leitfaden fuumlr die kuumlnftige Umsetzung einer experimentellen Test-Stra-tegie entwickelt Das Acht-Millionen-Eu-ro-Projekt laumluft bis Mai 2019

Mehr erfahren wwweuromixprojecteu

Kombinationseffekte Forschungsprojekte des BfR

Am BfR werden in verschiedenen Abteilungen mehrere interne Forschungsprojekte zu Kombinationseffekten durch-gefuumlhrt Dazu gehoumlren u a Forschungsprojekte zu kumulativen Wirkungen in Pflanzenschutzmitteln und Bioziden zu Mehrfachruumlckstaumlnden in Lebensmitteln zur Expositionsschaumltzung sowie zu wirbeltierfreien Alternativmethoden Daruumlber hinaus ist und war das BfR auch an folgenden Drittmittel-Projekten beteiligt die zu Kombinationseffekten forschen

Combiomics Analyse von Kombinationseffekten von Pestiziden in vitro

Combiomics war ein zweieinhalbjaumlhri-ges Projekt des Bundesministeriums fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) das im Fruumlhling 2016 abgeschlossen wurde In dem vom BfR koordinierten Projekt wurden moumlgliche Kombinationswirkungen durch Mehrfachruumlckstaumlnde beispielhaft anhand einer Gruppe von Fungiziden in vitro unter-sucht Dazu wurden die molekularen Effek-te der Triazole mittels multi level omics und praumldiktiver mathematischer Modellierung untersucht Ausgehend von den Ergebnissen wurde ein Praumldiktionsmodell fuumlr Substanz-kombinationen erstellt validiert und auf Pestizide anderer Stoffgruppen bzw weitere Substanzklassen ausgedehnt um Kombi-nationseffekte kuumlnftig weitgehend ohne Tierversuche durchfuumlhrbar zu machen

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschung gt Drittmittelprojekte gt Combiomics

Combiomics 2Auch die zweite Projektphase von Com-biomics wird vom BfR koordiniert Hier sollen erfolgreich getestete Methoden und Zelllinien in Form einer standardisierten In-vitro-Testbatterie validiert und in ein Standardverfahren integriert werden das auch kuumlnftigen regulatorischen Anforde-rungen entspricht Das dreijaumlhrige Projekt wird vom BMBF bis Ende 2019 gefoumlrdert

Mehr erfahren wwwfisaonlinede gt Kombinationseffekte Pestizide

on schon jetzt unternommen Am 1 Maumlrz 2017 erschien im Bundesanzeiger eine Be-kanntmachung dass Kumulations- und Synergieeffekte in der gesundheitlichen Be-wertung von Pflanzenschutzmitteln kuumlnf-tig durch das BfR beruumlcksichtigt werden Damit bezieht Deutschland bei der zonalen Zulassung von Pflanzenschutzmitteln eine systematische kumulative Bewertung ein

Ein Leitfaden zur kumulativen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln wurde am BfR erarbeitet basierend auf den internatio-nalen Diskussionen bei EFSA und ECHA und 2014 veroumlffentlicht Seitdem wird das Verfahren am BfR angewandt uumlberpruumlft und verfeinert Im Kern geht es darum in einem mehrstufigen Verfahren verschie-dene Wirkstoffe in einem Pflanzenschutz-mittel oder in einer beantragten Tankmi-

schung kumulativ zu bewerten (s Kasten) Dazu werden sowohl die Exposition der Anwenderinnen und Anwender als auch die akute Exposition der Verbraucherinnen und Verbraucher betrachtet sodass die am meisten exponierten Gruppen beruumlcksich-tigt sind

Das Ziel Mischungen weltweit harmonisiert zu bewerten

Die Einfuumlhrung der Konzepte zur kumu-lativen Bewertung von Pflanzenschutzmit-teln hat auch in anderen EU-Laumlndern Aus-wirkungen auf die Risikobewertung Wenn Deutschland im zonalen Zulassungsverfah-ren bewertender Mitgliedstaat ist wird das Verfahren grundsaumltzlich angewandt Aber auch in die Bewertungsberichte anderer Laumlnder flieszligt die kumulative Bewertung als

deutscher Kommentar mit ein Durch den fachlichen Austausch zwischen den Mit-gliedstaaten wurde das Konzept in den letz-ten Jahren einem Peer-Review unterzogen Um die Praxis europaweit noch besser zu harmonisieren werden derzeit auszligerdem internationale Workshops organisiert auf denen diskutiert wird wie Mischungen bei der Risikobewertung kuumlnftig beruumlcksichtigt werden sollen Das BfR veranstaltet einen solchen Workshop im November 2017 im Auftrag der Europaumlischen Kommission die Franzoumlsische Behoumlrde fuumlr gesundheitlichen Verbraucher- Umwelt- und Arbeitsschutz (ANSES) einen weiteren im Februar 2018 unter aktiver Beteiligung des BfR

Das Ziel Mischungen weltweit harmoni-siert zu bewerten um Mensch und Umwelt besser zu schuumltzen ruumlckt damit naumlher

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

33012017

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

bdquoZiel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertungldquo Interview mit Herrn Dr Roland Solecki uumlber die Forschungsaktivitaumlten des BfR zu Mehrfachruumlckstaumlnden

Herr Solecki bei Mehrfachruumlckstaumlnden von Pflanzenschutzmitteln sprechen die Medien oft von einem bdquoGiftcocktailldquo Haben Sie Erkenntnisse daruumlber wie groszlig das gesundheitliche Risiko tat-saumlchlich istDas BfR hat dazu gemeinsam mit dem Bun-desministerium fuumlr Ernaumlhrung und Land-wirtschaft und dem Bundesamt fuumlr Ver-braucherschutz und Lebensmittelsicherheit einen Bericht uumlber die kumulativen Wir-kungen von Pflanzenschutzmitteln veroumlf-fentlicht Dieser basiert auf einer Methodik der niederlaumlndischen Behoumlrde fuumlr Gesund-heit und Umweltschutz RIVM Hintergrund ist ein Monitoring das uumlber einen Zeitraum von sechs Jahren in Deutschland durchge-fuumlhrt wurde Darin wurde untersucht wel-che Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde durch-schnittlich uumlber Lebensmittel aufgenommen werden Das Ergebnis war dass auch unter Worst-Case-Annahmen fuumlr die Mischungen von Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnden ein gesundheitliches Risiko unwahrscheinlich ist Die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit EFSA kam in ihrem Monito-ring-Bericht von 2015 fuumlr Gesamteuropa zu einem aumlhnlichen Ergebnis

Sie arbeiten unter anderem bei dem Pro-jekt EuroMix mit Worum geht es dabeiEs handelt sich um ein groszliges Forschungs-projekt der EU-Kommission zur kumulati-ven Bewertung von Mischungen im Rahmen von Horizont 2020 dem Rahmenprogramm der Europaumlischen Union fuumlr Forschung und Innovation Das Projekt hat zum Ziel neue Bewertungsmethoden fuumlr Mischungseffekte zu erarbeiten besonders auch im Hinblick auf Alternativen zu Tierversuchen innovati-ve Wege der Expositionsschaumltzung und Mo-dellierung von kumulativen Risiken Dabei geht es nicht nur um Pflanzenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatzstoffe und andere Chemikalien

Wie ist das BfR da in EuroMix einge-bundenVom BfR arbeiten sowohl die Abteilung Sicherheit von Pestiziden als auch die Ab-teilung fuumlr Lebensmittelsicherheit am Eu-roMix-Projekt mit Waumlhrend die von mir geleitete Abteilung fuumlr die regulative Bewer-tung eingebunden ist werden in der Abtei-lung Lebensmittelsicherheit experimentelle Arbeiten unter anderem zur Lebertoxizitaumlt durchgefuumlhrt in denen auch Kombinatio-nen von Pestiziden mit anderen Lebensmit-telinhaltsstoffen gepruumlft werden

Woran forschen Sie im EuroMix-ProjektWir haben zunaumlchst recherchiert welche gesetzlichen Anforderungen bestehen und wie unterschiedliche Behoumlrden weltweit

Mischungseffekte bewerten Und wir haben Forschungen zu Mischungen durchgefuumlhrt die bestimmte adverse Effekte auf die Leber verursachen Dabei wurden bestimmte Schluumlsselelemente untersucht um daraus ein Konzept fuumlr die Bewertung zu erarbei-ten Jetzt werden die Omics-Untersuchun-gen und andere alternative Pruumlfverfahren noch durch Tierversuche ergaumlnzt sodass wir auch am Gesamtorganismus die Effek-te uumlberpruumlfen koumlnnen Gleichzeitig werden die statistischen Hilfsmittel und die ande-ren elektronisch basierten Tools weiterent-wickelt Auszligerdem folgen noch weitere Stu-dien zur Exposition Die finalen Ergebnisse liegen am Ende des Projekts im Jahr 2019 vor

In welche weiteren europaumlischen Aktivi-taumlten ist das BfR eingebundenDie EFSA hat bereits einige Ansaumltze zur Bewertung der kombinierten Exposition gegenuumlber mehreren Pestiziden und Kon-taminanten bei Menschen sowie mehreren Pestiziden bei Bienen entwickelt Derzeit ist die EFSA damit befasst neue Ansaumltze und Instrumente zur Harmonisierung der Be-wertung von Risiken fuumlr Mensch und Um-welt zu erarbeiten die von der Exposition gegenuumlber mehreren chemischen Stoffen in der Lebensmittelkette ausgehen Ich bin derzeit Mitglied einer Arbeitsgruppe von Sachverstaumlndigen die der Wissenschaftliche Ausschuss der EFSA eingerichtet hat um Leitlinien im Hinblick auf die kombinierte Exposition gegenuumlber mehreren chemi-schen Stoffen zu entwickeln Diese Initiative unter dem Namen bdquoMixToxldquo wird 2018 den Leitfaden in einer oumlffentlichen Konsultation diskutieren

Bei dieser Vielzahl an Aktivitaumlten Wel-ches Ziel haben Sie persoumlnlich vor Au-genDas Ziel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertung von Stoffen in der gesundheitlichen Risikocharakterisie-rung und deren harmonisierte Implemen-tierung in den gesetzlichen Verfahren Dies wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen

bdquoBei den kumulati-ven Risiken geht es nicht nur um Pflan-zenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatz-stoffe und andere Chemikalien

Dr Roland Solecki leitet die Abteilung bdquoSicherheit von Pestizidenldquo am BfR

copy B

fR

34 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

SPEKTRUM

Identifizierung endokriner Disruptoren Vom Grundsatz in die Praxis

Fuumlr Pestizid-Wirkstoffe und andere Chemikalien sind harmonisierte wissenschaftliche Kriterien erforderlich mit denen hormonschaumldigende Substanzen identifiziert werden koumlnnen Das BfR veroumlffentlichte hierzu bereits 2016 ein Konsenspapier als wissenschaftliche Grundlage fuumlr die darauffolgende Arbeit der EU-Behoumlrden Auf legislativer Ebene werden aktuell EU-weit geltende Ver-ordnungen festgelegt um auf wissenschaftlicher Ebene Leitlinien zur regulatorisch harmonisierten Umsetzung dieser Verordnungen zu erarbeiten Mit dieser Aufga-be hat die EU-Kommission die EFSA und die ECHA gemeinsam beauftragt Das BfR unterstuumltzt die Behoumlr-den mit wissenschaftlicher und technischer Expertise indem es die entsprechende Arbeitsgruppe bei der EFSA personell verstaumlrkt sowie Recherchen und Umfragen zur Praktikabilitaumlt von Untersuchungsmethoden durchfuumlhrt Die Publikation der Leitlinien wird fuumlr Fruumlhjahr 2018 erwartet Sie koumlnnen auf Basis der verabschiedeten Ver-ordnungen nach ihrer Implementierung in der Genehmi-gungspraxis angewendet werden

Mehr erfahren Solecki et al 2017 Scientific principles for the identification of endocrine-disrupting chemicals a consensus statement Arch Toxicol 91 1001ndash1006

Insekten-Stopp in Textilien Allergene Wirkung unwahrscheinlich

Das Risiko fuumlr eine Allergie nach dem Kontakt mit Kleidung und Produkten die mit dem Biozid Permethrin behandelt sind ist nach derzeitigem Kenntnisstand unwahrscheinlich Das ist das Ergebnis einer aktuellen Risikobewertung des BfR Gestuumltzt wird das Ergebnis dadurch dass trotz weitverbreiteter Anwendung des Wirkstoffs in Medikamenten und Verbraucherprodukten kein Anstieg der Kontaktallergien gegenuumlber Permethrin zu verzeichnen ist Das Risiko fuumlr kanzero-gene systemische Effekte infolge einer dermalen und oralen Exposition gegenuumlber Permethrin aus Textilien ist nach Ansicht des BfR vernachlaumlssigbar gering Permethrin ist ein biozider Wirkstoff der zum Schutz gegen Insekten in Produkten wie Schlafsaumlcken Picknick- und Yogadecken sowie Teppichen und Kleidung eingesetzt wird Er ist im Chemikalienrecht als sensibilisierend eingestuft ein moumlgliches geringes kanzerogenes Potenzial wird von verschiedenen wissenschaftlichen Gremien diskutiert Der Wirkstoff kann aus Textilien freigesetzt und uumlber die Haut aufgenommen werden Bei kleinen Kindern die viele Produkte in den Mund nehmen kommt eine moumlgliche orale Aufnah-me des Stoffes hinzu

Mehr erfahren Stellungnahme Nr 0062017 des BfR vom 25 April 2017

Wie wirkt Aluminium in Leber und Darm

Aluminium ist in Lebensmitteln Kosmetika und Bedarfsge-genstaumlnden enthalten und kann uumlber die Nahrung aufgenom-men werden Erste Ergebnisse aus dem deutsch-franzoumlsischen Forschungsprojekt bdquoSolNanoToxldquo mit Beteiligung des BfR zeigen dass sich aus der Nahrung aufgenommene Aluminiumverbin- dungen temporaumlr im Darm anreichern Ob und in welchen Men-gen die Partikel weiter in den Koumlrper insbesondere in die Leber gelangen und welche Faktoren ihre Wirkung beeinflussen wird aktuell erforscht Die Forschungsgruppe sieht Anhaltspunkte dafuumlr dass ein Teil der angereicherten Partikel mit dem Stuhl wieder ausgeschieden wird Fuumlr seine Untersuchung simulierte das BfR anhand biologischer Proben die Verdauung verschiede-ner Aluminiumarten vom Mund uumlber den Magen bis zum Darm Mithilfe von Enzymen und Salzen wurden dabei physiologische Parameter wie der pH-Wert gesteuert Waumlhrend des simulierten Verdauungsprozesses veraumlnderten die Aluminiumverbindungen ihre chemische Reaktionsfaumlhigkeit und Loumlslichkeit Die Erkennt-nisse sind ein erster Schritt um den Prozess der Aufnahme Resorption und Verteilung von Aluminium im Koumlrper besser zu verstehen und daraus Daten fuumlr die Risikobewertung abzuleiten Aluminiumverbindungen koumlnnen in zu hohen Dosen toxisch auf das Nervensystem und ungeborenes Leben wirken sowie die Fruchtbarkeit und Knochenentwicklung beeinflussen

copy B

fR

copy c

gsto

cks

hutte

rsto

ckc

om

copy R

osel

ynne

shu

tters

tock

com

35012017

Bei Kleidung ist besonders der Einsatz von Silber-Nanopartikeln weit verbreitet Silber wirkt antibakteriell und soll die Geruchs-bildung durch Schwitzen reduzieren Beim Einsatz von Nanosilber in Kleidungsstuuml-cken ist in erster Linie eine Freisetzung in Schweiszlig und somit ein moumlglicher Hautkon-takt relevant Neben der Frage ob und in welcher Menge Silber prinzipiell aus Texti-lien herausgeloumlst wird beschaumlftigt sich die Forschung mit der Frage welchen Einfluss die Technologie hat mit der Nanosilber auf Textilien aufgetragen bzw eingebracht wird Bisher war zudem unklar inwiefern die Oberflaumlchenbeschichtung der Nano-partikel die Abgabe beeinflusst

Kuumlnstlicher Schweiszlig simuliert Freisetzung

In einem Forschungsprojekt pruumlfte das BfR neun Proben von Textilien die mit Nanosil-ber veredelt waren Als Vergleich diente ein mit konventionellem Silber (hier Silbersalz mit einem Partikeldurchmesser groumlszliger als 100 Nanometer) ausgeruumlstetes Textil Zwei der Textilien waren sogenannte Komposite bei denen Nanosilber in die Faser integriert ist Bei den anderen getesteten Textilien war die Faseroberflaumlche mit Silber-Nano-partikeln bzw in einem Fall mit konventio-nellem Silber beschichtet (Textil-Coating) Um die Abgabe von Silber durch Schwitzen

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

Kleidung wird durch sie wasser- und schmutzabweisend sie blocken UV-Strahlen und mindern Geruumlche Nanoma-terialien haben beliebte funktionelle Eigenschaften Ob sie aufgrund ihrer Winzigkeit gesundheitliche Risiken bergen ist indes noch weitgehend unbekannt In einem Forschungsprojekt uumlber Nanosilber hat das BfR ermittelt ob sich die Kleinstteilchen aus Textilien herausloumlsen und damit zum gesundheitlichen Risiko werden koumlnnen

Nanomaterial

ist ein natuumlrliches bei Prozessen anfallendes oder kuumlnstlich hergestelltes Material das Partikel in ungebundenem Zustand als Aggregat oder als Agglo-merat enthaumllt und bei dem die Mehrheit der Partikel ein oder mehrere Auszligen-maszlige im Bereich unter 100 Nanometer hat In Nanogroumlszlige kann ein Stoff andere Eigenschaften besitzen als wenn er in Form groumlszligerer Partikel vorliegt

copy o

still

shu

tters

tock

com

36 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von Textilfasern Links Nanokomposit bei dem kaum Silberpartikel an der Faseroberflaumlche zu finden sind Mitte und rechts Textilien mit Silbercoating hier befindet sich insgesamt mehr Silber auf der Oberflaumlche

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

zu simulieren wurden die Textilien fuumlr 24 Stunden in einer Schweiszligsimulanz-Louml-sung inkubiert Fuumlr die Auswertung wurde zunaumlchst der gesamte Silbergehalt in den Schweiszligloumlsungen mit massenspektromet-rischen Messmethoden bestimmt In den Proben in denen Silber vorhanden war wurden anschlieszligend mit Zentrifugation und einer speziellen Methode zum Messen von Einzelpartikeln geloumlstes und partikulauml-res Silber unterschieden Im letzten Schritt wurden die Partikelgroumlszligen des vorgefun-denen partikulaumlren Silbers gemessen um nanoskaliges Silber zu identifizieren

Silber aus Kleidung freigesetzt

Die Untersuchung des BfR zeigte dass von jeder Textilprobe Silber in die Schweiszligsi-mulanz-Loumlsung uumlberging je nach geteste-tem Textil zwischen 7 und 75 Prozent des originaumlr in den Textilien enthaltenen Sil-bers Dabei setzten die beschichteten Tex-tilien mehr Silber frei als die Komposite Den houmlchsten abgegebenen Anteil fand das BfR bei dem mit konventionellem Silber beschichteten Textil Die Freisetzung wird demnach staumlrker durch die Technologie der Veredelung bestimmt als durch die im Tex-til enthaltene Menge Auszligerdem scheint die Abgaberate von Silber aus Nanosilber im Vergleich zu konventionellem Silber nicht erhoumlht zu sein

In der Schweiszligloumlsung lag das freigesetzte Silber uumlberwiegend geloumlst vor Partikulaumlres Silber fand sich nur zum geringeren Teil dann jedoch auch im Nanometerbereich Ob es sich dabei um einzelne Nanoparti-kel handelt oder ob das Silber an groumlszligere Partikel gebunden ist muss in weiteren Untersuchungen uumlberpruumlft werden Nach

derzeitigem wissenschaftlichem Kennt-nisstand geht man davon aus dass sich Nanopartikel im Koumlrper anders verhalten als groumlszligere Partikel Uumlberraschenderweise detektierte die Forschungsgruppe auch in den Schweiszligsimulanzien der mit konven-tionellem Silber beschichteten Textilien partikulaumlres Silber in Nanogroumlszlige Das Vor-kommen von Silberpartikeln scheint also nicht davon abhaumlngig zu sein ob das Silber in Nano- oder konventioneller Form auf das Textil aufgebracht wurde

In einer parallelen Untersuchung fanden die Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler heraus dass zudem die Beschaffenheit der Nanopartikel beispielsweise in Form einer speziellen Beschichtung ihre Loumlslichkeit in der Schweiszligloumlsung beeinflusst

Art der Beschichtung relevant

Silber wird demnach aus Textilien freige-setzt in geringen Teilen sogar in partiku- laumlrer Form Die gewaumlhlte Form der Tex-tilfunktionalisierung aber auch die Be-schaffenheit der Nanopartikel stellen dabei wichtige Kriterien fuumlr das Freisetzungsver-halten dar Solche Erkenntnisse sind vor al-lem fuumlr den sicheren Einsatz von Nanoma-terialien in Alltagsprodukten wichtig weil die Exposition des Menschen gegenuumlber derartigen Stoffen moumlglichst klein gehalten werden sollte Auszligerdem geben sie Hin-weise in welcher Anwendungsform Nano-materialien im verbrauchernahen Bereich sicher eingesetzt werden koumlnnen

Mehr erfahren Wagener et al 2016 Textile Functionalization and Its Effects on the Release of Silver Nanoparticles into Artificial Sweat Environ Sci Technol 50 11 5927ndash5934

Per Flugzeitmassenspek-trometer laumlsst sich Silber auf beschichteten Textil-fasern detektieren

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

NANOPARTIKEL

37012017

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

38 BfR 2 GO

Neuer Ansatz fuumlr Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

Spiegelbild gesucht

Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR zeigt einen neuen Ansatz um mithilfe von Genexpressionsdaten das geeignete Tiermodell fuumlr die Grundlagenforschung oder fuumlr spezifische klinische Fra-gestellungen zu identifizieren Damit koumlnnen zukuumlnftig unnoumltige Tierversu-che vermieden werden Hamburger Wissenschaftsbehoumlrden wuumlrdigten die Erkenntnisse mit einem Forschungspreis

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

39012017

Fragestellung

Vergleich

Auswahl

z B bdquoMit welchem Mausmodell koumlnnen die Ursachen von Alzheimer erforscht werdenldquo

Vergleich von vorhandenen Omics-Expressionsdaten von Mensch und Tier

Auswahl des geeigneten Modells

1

2

3

Geeignete Tiermodelle identifizieren

An Tiermodellen werden zahlreiche biologische Prozesse und Krankheiten wie Wund-

heilung Diabetes Tumoren oder entzuumlndliche Erkrankungen erforscht Durch den

Vergleich der Omics-Expressionsdaten von Tiermodell und Mensch koumlnnen geeignete

Modelle fuumlr die jeweilige Fragestellung identifiziert werden

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

40 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Verlaumluft ein entzuumlndlicher Prozess bei Maumlusen aumlhnlich wie beim Menschen Sind Maumluse daher geeignete Ver-

suchstiere fuumlr Tests von antientzuumlndlichen Substanzen Um Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung in den klinischen Alltag zu uumlberfuumlhren ndash Aufgabengebiet der translationalen Forschung ndash werden wissen-schaftliche Fragestellungen oft in Tierversu-chen erprobt Ob und inwieweit die Ergeb-nisse auf den Menschen uumlbertragbar sind ist dabei immer wieder Gegenstand kontrover-ser Diskussionen Geeignete Methoden mit denen die Wissenschaft Tiermodelle mit op-timaler Uumlbertragbarkeit auf den Menschen auswaumlhlen kann wuumlrden dem wissenschaft-lichen Fortschritt helfen und die Zahl der Tierversuche reduzieren Es geht dabei um die Frage welches Tiermodell am besten das menschliche System widerspiegelt

Vergleichbarkeit von Genom- daten fehleranfaumlllig

Als Grundlage fuumlr diese Uumlberlegungen die-nen Daten aus modernen bioanalytischen Hochdurchsatzverfahren Immer haumlufiger setzt die Wissenschaft auf diese sogenannten Omics-Technologien die die Gesamtheit aller Gene und ihrer Produkte analysieren ndash sowohl beim Tier als auch beim Menschen Mit ihnen lassen sich molekulare Prozesse in lebenden Systemen umfassend darstel-len indem sie beispielsweise die Interaktion hunderter bis tausender Genprodukte zei-gen Die Analyse dieser zunehmend kom-plexen Omics-Datensaumltze stellt die Wissen-schaft jedoch vor Probleme da das Vorgehen dazu nicht standardisiert ist Die Interpreta-tion der Ergebnisse ist bisher meist von der Kompetenz der Durchfuumlhrenden und von der angewandten Methode abhaumlngig Im Ergebnis war die Entscheidung zur Frage der Uumlbertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen fehleranfaumlllig und die Suche nach

geeigneten Tiermodellen erschwert Die ge-ringe Standardisierung der Interpretation von Omics-Daten fuumlhrte in Forschungs-kreisen bereits zu widerspruumlchlichen Er-gebnissen so zum Beispiel bei zwei Studien aus den Jahren 2013 und 2015 die sich mit der Vergleichbarkeit von entzuumlndlichen Er-krankungen beim Menschen und gaumlngigen Mausmodellen beschaumlftigten Waumlhrend eine Forschungsgruppe im Jahr 2013 schlussfol-gerte dass entzuumlndliche Prozesse zwischen Mensch und Maus nicht vergleichbar seien kam eine andere Gruppe zwei Jahre spaumlter anhand der gleichen Omics-Daten zum ge-genteiligen Schluss Die Maus reagiere auf der molekularen Ebene sehr aumlhnlich wie der Mensch und sei daher als Tiermodell sehr nuumltzlich fuumlr die Erforschung menschlicher Erkrankungen Zwar ist es nicht ungewoumlhn-lich dass Ergebnisse von Studien unter-schiedlich eingeschaumltzt werden ndash allerdings selten auf Basis der gleichen Daten

Motivation des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR war es diese Widerspruumlche aufzuklaumlren und einen standardisierten und zielgerichteten Analyseansatz zu entwickeln der die Suche nach geeigneten Tiermodellen vereinfacht und somit unnoumltige Tierversuche vermei-den hilft Es gehoumlrt zu den Kernaufgaben des Bf3R bundesweit alle Aktivitaumlten zu koordi-nieren mit den Zielen Tierversuche auf das unerlaumlssliche Maszlig zu beschraumlnken und fuumlr Versuchstiere den bestmoumlglichen Schutz zu gewaumlhrleisten Die Aufgaben des Bf3R wer-den vom BfR wahrgenommen

Genomdaten von Tier und Mensch gezielt vergleichen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler des Bf3R haben die Omics-Daten aus den beiden erwaumlhnten widerspruumlchlichen Studien mithilfe hochperformanter Com-

puter nochmals systematisch ausgewertet Dabei wurden zunaumlchst die zu verglei-chenden Gene gruppenweise biologischen Prozessen zugeordnet die wesentlich fuumlr ein Entzuumlndungsgeschehen sind Diese Gene Set Enrichment Analysis (GSEA) ge-nannte Methode greift auf umfangreiche in oumlffentlichen Datenbanken hinterlegte Genomdaten gaumlngiger Tiermodelle und von Erkrankten zuruumlck Mit ihrer Heran-gehensweise konnten die Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler des BfR an-schlieszligend Veraumlnderungen auf der Ebene pathologischer Signalwege erkennen und Unterschiede zwischen Tiermodell und Mensch identifizieren Da der Groszligteil der untersuchten Genprodukte haumlufig nur geringfuumlgig veraumlndert war konnten bei der Analyse auf Ebene vollstaumlndiger bio-logischer Signalwege alle Gene einbezogen und Aumlnderungen in der Gesamtheit eines biologischen Signalwegs bewertet werden Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu bisherigen Analyseansaumltzen da fuumlr die Klauml-rung translationaler Fragestellungen bisher haumlufig willkuumlrlich und subjektiv Gene von Mensch und Tiermodell fuumlr einen direkten Eins-zu-eins-Vergleich ausgewaumlhlt wurden

Die systematische Auswertung des Bf3R zeigte dass die Ergebnisse beim vorlie-genden Genomdatenvergleich bei einigen Mausmodellen gut mit den beim Menschen ermittelten Daten uumlbereinstimmten Bei an-deren Mausmodellen hingegen war es nicht so So aumlhnelt das Entzuumlndungsgeschehen bei Maumlusen die mit Staphylococcus aureus (Staphylococcus-aureus-Injektionsmodell) infiziert sind oder eine Darmperforation (Cecal-ligation-and-puncture-Modell) erfah-ren den meisten klinischen Proben Hin-gegen verlaufen Erkrankungen die durch Lipopolysaccharide (LPS) und Streptococcus pneumoniae verursacht werden bei Mensch und Maus verschieden

Omics

Der Terminus beschreibt Methoden zur

Analyse komplexer biologischer Proben

auf der Ebene des gesamten Genoms

von Transkripten Proteinen oder Meta-

boliten

41012017

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

Forschungsansatz hilft Tierversuche zu reduzieren

Die Methode der Datenanalyse mittels GSEA-Ansatz erleichtert es Forschungs-gruppen zukuumlnftig zielgerichtet und stan-dardisiert das optimale Tiermodell aus-zuwaumlhlen das am besten die menschliche Situation abbildet Voraussetzung dafuumlr ist die Existenz von Omics-Daten zur klini-schen Fragestellung sowie zu den infrage kommenden Tierversuchen Dies ist bereits fuumlr eine Vielzahl von Tiermodellen sowie von humanen Erkrankungen der Fall neben Entzuumlndungserkrankungen beispielsweise fuumlr Herz-Kreislauf-Erkrankungen Krebser-krankungen Atemwegserkrankungen Stoff-wechselerkrankungen und neurologische Erkrankungen Aufgrund der vermehrten Verwendung von Omics-Methoden kann davon ausgegangen werden dass stetig wei-tere systembiologische Daten ermittelt und veroumlffentlicht werden Die vom Bf3R ange-wandte Methode wird daher weiterhin bei der gezielten Auswahl von Tiermodellen nuumltzlich sein

Das Verfahren kann in der Grundlagen-forschung sowie in der translationalen und angewandten Forschung eingesetzt werden Diese Bereiche machten 2015 nach Anga-ben des Bundesministeriums fuumlr Ernaumlh-rung und Landwirtschaft mit insgesamt 73 Prozent den groumlszligten Teil der Tierversuche aus Ein Groszligteil davon entfaumlllt auf Maumluse Ratten und zunehmend auch auf Fische Grundsaumltzlich kann die neue Methode zur Auswahl des geeigneten Versuchstiermo-dells bzw zum Ausschluss nicht geeigneter Versuchstiermodelle bei jeglichen Tierver-suchen in diesen Bereichen genutzt werden Analog zu den Versuchstierzahlen liegen derzeit die meisten Omics-Daten fuumlr Maus und Ratte vor So sind beispielsweise allein in der oumlffentlichen NCBI GEO-Datenbank (National Center for Biotechnology Informa-tion Gene Expression Omnibus) derzeit Da-ten zu ca 340000 Maus-Proben und 75000 Ratte-Proben gelistet

Methode identifiziert geeignete Zellkulturmodelle

Dabei ist die Methode des Bf3R nicht auf humane und murine Datensaumltze beschraumlnkt sondern kann auf alle weiteren Spezies an-gewandt werden fuumlr die umfangreiche Da-tenbanken zu biologischen Signalwegen oder Gengruppen vorliegen Auch fuumlr die Beurteilung von zellbasierten Alternativ-methoden kann der neue Forschungsansatz

herangezogen werden Durch einen system-biologischen Abgleich der klinischen Daten mit Omics-Daten aus beispielsweise neuar-tigen 3D-Zellkulturen oder organaumlhnlichen Mikrostrukturen wird die Charakterisierung und Verifizierung von zellbasierten Alterna-tivmethoden ermoumlglicht

Praumlmierte Forschungsleistung

Fuumlr ihre Forschung erhielten die Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR 2016 den Hamburger Forschungspreis zur Foumlrderung der Entwicklung von Ersatz- und

Ergaumlnzungsmethoden Die Auszeichnung wurde zum erstem Mal von den Hamburger Behoumlrden fuumlr Gesundheit und Verbraucher-schutz sowie fuumlr Wissenschaft Forschung und Gleichstellung mit einem Foumlrderpreis in Houmlhe von 20000 Euro ausgeschrieben Der Preis wird fuumlr Arbeiten vergeben die einen Beitrag leisten Tierversuche zu ersetzen oder zu minimieren

Mehr erfahrenWeidner et al 2016 Defining the optimal animal model for translational research using gene set enrichment analysis EMBO Molecular Medicine 8 8 831ndash838

Wofuumlr Versuchstiere in Deutschland eingesetzt werden

630255Herstellung und Qualitaumlts-kontrolle medizinischer Produkte toxikologische Sicherheitspruumlfungen

22

59

14 5

1643259Grundlagenforschung

144997sonstige Zweckez B Zucht Aus- und Weiterbildung

381450translationale und angewandte Forschung

Que

lle B

unde

smin

iste

rium

fuumlr E

rnaumlh

rung

und

Lan

dwirt

scha

ft V

ersu

chst

ierz

ahle

n 20

15

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

42 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Alternativen zu Tierversuchen Forschung regional buumlndeln

Eine individualisierte Schmerztherapie fuumlr Versuchsmaumluse und eine Verringerung von Tierexperimenten zum Test der Inhala- tionstoxizitaumlt von Nanomaterialien (siehe rechte Spalte) ndash hierzu sollen die ersten Arbeitsergebnisse des BfR im Berlin-Bran-denburgischen Verbundprojekt BB3R zukuumlnftig beitragen Das Netzwerk aus Universitaumlten und Bundesinstitutionen forscht um Tierversuche zu vermeiden (Replacement) bzw zu verringern (Reduction) sowie das Leiden von Versuchstieren zu vermindern (Refinement) Das BfR ist als einer von sechs Verbundpartnern in den Bereichen der Refinement- und Replacement-Forschung beteiligt Das Bundesforschungsministerium foumlrdert das mit BB3R abgekuumlrzte Projekt fuumlr vier Jahre bis Fruumlhjahr 2018 es ist als Plattform fuumlr den wissenschaftlichen Austausch konzipiert und integriert ein Graduiertenkolleg

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschungwwwbb3rde

Belastung von Laborfischen erkennen

Koumlrperbau

Koumlrpermerkmale

Verhaltenkreisendes Schwimmen

Belastung von Laborfischen erkennen

Ob Laborfische Schmerzen empfinden oder leiden laumlsst sich mithilfe konkreter Kriterien beurteilen Die Vorarbeiten hierzu koordinierte der bdquoNationale Ausschuss zumSchutz von fuumlr wissenschaftliche Zweckeverwendeten Tierenldquo am BfR gemeinsam mit externen Sachverstaumlndigen und Beauf-tragten von Genehmigungsbehoumlrden Die erstmals definierten Kriterien bewerten unter anderem Auffaumllligkeiten im Koumlrper-bau sowie im Verhalten der Tiere Schmer-zen und Leiden koumlnnen so gezielt behandelt und gelindert werden Da die Frage der Belastung der Tiere anhand der Kriterien eindeutig geklaumlrt werden kann dienen sie zudem als Entscheidungshilfe fuumlr Behoumlr-den welche die Zucht belasteter genetisch veraumlnderter Tiere genehmigen muumlssen Fische insbesondere Zebrafische sind nach Maumlusen und Ratten die am dritthaumlufigsten verwendete Versuchstierart Die Zahl der Versuchsfische hat in den letzten Jahren stetig zugenommen

Mehr erfahren Bert et al 2016 Considerations for aEuropean animal welfare standard toevaluate adverse phenotypes in teleost fish EMBO J 35 11 1151ndash1154Empfehlung des Nationalen Ausschusses TierSchG Nr 0012015

Test der Inhalationstoxizitaumlt von Nanomaterialien

Die Einatmung gilt als wichtigster Aufnahmeweg fuumlr Nanomaterialien Im Rahmen der BB3R-Forschung bildet das BfR diese Art der Exposition mit In-vitro- Atemwegsepithelmodellen an ihrer Grenzflaumlche zur Luft ab Dieser Ansatz zum Test der Inhalationstoxi-zitaumlt hilft Anzahl und Umfang von Tierversuchen zu verringern

Versuchsaufbau Drei Roumlhrchen leiten ein Testaerosol mit luftgetragenen Nanomaterialien auf Epithelzellen

SPEKTRUM

copy B

fR

43012017

Jubilaumlumsfeier und internationales Symposium

Am 29 November 2017 feiert das BfR sein 15-jaumlh-riges Bestehen mit einem Festakt Geplant ist eine Feier mit ausgewaumlhlten Gaumlsten in der Akademie der Kuumlnste Anschlieszligend findet vom 30 Novem-ber bis zum 01 Dezember 2017 das gemeinsame internationale Symposium des BfR und seiner Schwesterinstitutionen aus Daumlnemark (DTU Food) und Frankreich (ANSES) sowie der suumldko-reanischen Behoumlrde fuumlr Lebens- und Arzneimittel-sicherheit (NIFDS) statt Unter dem Motto bdquoPast Present and Future Challenges in Risk Assessment ndash Strengthening Consumer Health Protectionldquo werden die letzten anderthalb Jahrzehnte Risikobewer-tung betrachtet Daruumlber hinaus werden aktuelle Aktivitaumlten sowie zukuumlnftige Herausforderungen des Verbraucherschutzes wie mikrobiologische Erreger chemische Substanzen Methoden und Harmonisierung auf nationaler wie internationa-ler Ebene diskutiert

VERANSTALTUNGEN

Nachwuchs foumlrdern

Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu foumlr-dern baut das BfR wissenschaftliche Nachwuchs-gruppen zu bestimmten Schwerpunktthemen auf Die bereits 2015 eingerichtete Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Warenketteldquo wird im Herbst 2017 durch einen weiteren Dokto-randen verstaumlrkt

Verstaumlrkung im Versuchstierschutz

Seit dem 1 April 2017 staumlrkt die Berufung von Herrn Universitaumltsprofessor Dr Lars Lewejo-hann den Kompetenzbereich bdquoVerminderung der Belastung und Verbesserung der Lebenssitua-tionldquo des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) Neben der Leitung der Fachgruppe bdquoTierschutz und Versuchstierkundeldquo im BfR wird Lars Lewejohann sein Wissen und neue Erkenntnisse als Hochschullehrer fuumlr bdquoTier-schutz mit dem Schwerpunkt Refinementldquo an der veterinaumlrmedizinischen Fakultaumlt der Freien Universitaumlt Berlin an Studierende und Doktoran-den weitergeben

PERSONALIEN

Alternativmethode zum Tierversuch bdquoKnochen-auf-dem-Chipldquo

Im Mai 2017 fand bei der Gemeinsamen For-schungsstelle (GFS)Joint Research Centre (JRC) der Generaldirektion (Directorate General) der Europaumlischen Kommission eine Summer School zu alternativen Ansaumltzen zum Tierversuch fuumlr die Risikobewertung in Ispra (Italien) statt Dort wurde Herr Dr Ing Frank Schulze aus der BfR-Fachgruppe bdquoZEBET ndash Alternativmethoden zu Tierversuchenldquo fuumlr seine Praumlsentation und das dazugehoumlrige Poster zum Thema bdquoEin Knochen-auf-dem-Chip fuumlr die Grundlagenwissenschaft und die Identifizierung von knochenschaumldigen-den Substanzenldquo mit einem Posterpreis (1 Platz) ausgezeichnet

copy B

fR

copy p

rivat

INSTITUTSLEBEN

44 BfR 2 GO

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

1012017

in Zeiten weltweiter Vernetzung aumlndern sich Lebens-mittel Produkte und Materialien rasant taumlglich erscheinen neue wissenschaftliche Erkenntnisse selbst die Dynamik der oumlffentlichen Wahrnehmung wandelt sich stetig Diesen Prozessen wollen wir mit einem geeigneten Kommunikationsformat begegnen einem Format das aktuell ist und doch fundierte Informa-tionen uumlber die Forschung und Bewertung moumlglicher gesundheitlicher Risiken liefert Ab sofort erhalten Sie zweimal im Jahr kompakt und doch bis zum Rand gefuumlllt mit Wissen das BfR zum Mitnehmen BfR 2 GO

Das Wissenschaftsmagazin BfR 2 GO beleuchtet in jeder Ausgabe ein aktuelles Schwer-punktthema des BfR und informiert Sie uumlber die neuesten Entwicklungen in der Bewertung und Forschung im Themenfeld des gesundheitlichen Verbraucherschutzes In diesem Heft koumlnnen Sie das Thema der Authentizitaumlt kennenlernen Sie erhalten Einblicke wie der Fin-gerabdruck von Lebensmitteln im Labor bestimmt wird und erfahren welche Forschungs-projekte das BfR gegenwaumlrtig begleitet Welche Lebensmittel bevorzugt gefaumllscht werden und worin die Risiken des Betrugs bestehen lesen Sie im Interview des Schwerpunktthemas Neben dem Schwerpunktthema finden Sie Berichte Interviews und praumlgnante Meldungen aufgeteilt nach den Arbeitsgebieten des BfR Risikokommunikation Lebensmittelsicherheit Produkt- und Chemikaliensicherheit sowie Schutz von Versuchstieren In dieser Ausgabe erfahren Sie unter anderem dass Vegetarismus die Entscheidung zur veganen Ernaumlhrung beguumlnstigt Auszligerdem koumlnnen Sie anhand einer uumlbersichtlichen Infografik lernen wie sich Antibiotikaresistenzen ausbreiten Lesen Sie auch wie sich Tierversuche durch die Wahl des passenden Modells verringern lassen und welche Risiken mit Mehrfachruumlckstaumlnden von Pflanzenschutzmitteln in Lebensmitteln verbunden sind

Stellungnahmen Pressemitteilungen Videos Wissenschaftsberichte Infografiken und Jahresberichte ndash in der 15-jaumlhrigen Geschichte des BfR wurden viele Kommunikations-instrumente entwickelt um die Oumlffentlichkeit und politische Entscheidungstraumlger uumlber moumlgliche Risiken gesundheitlicher Art zu informieren Allen liegen die drei Prinzipien des BfR zugrunde Transparenz Verlaumlsslichkeit und groumlszligtmoumlgliche Offenheit So wird die Basis fuumlr einen sachlichen und gesellschaftlichen Diskurs aller Interessengruppen gelegt und das Vertrauen in den Prozess der Forschung Bewertung und Risikokommunikation gestaumlrkt Neben der Kommunikation moumlglicher gesundheitlicher Risiken traumlgt das BfR durch seine unabhaumlngige wissenschaftliche Bewertung und Forschung unparteilich zur Sicherheit von Lebens- und Futtermitteln Produkten und Chemikalien bei Diese Tradi-tion setzt das Wissenschaftsmagazin BfR 2 GO fort

Ich wuumlnsche Ihnen viel Freude beim Erforschen des BfR

Professor Dr Dr Andreas HenselPraumlsident des BfR

Liebe Leserinnen und Leser

copy B

fR

EDITORIAL

2 BfR 2 GO

BfR-MEAL-Studie

Mahlzeiten fuumlr die Expositionsschaumlt- zung und Analytik von Lebensmitteln Die BfR-MEAL-Studie analysiert erst-mals in Deutschland systematisch und repraumlsentativ Lebensmittel im ver-zehrfertigen Zustand und folgt in ihrer Methodik einer sogenannten Total-Diet- Studie (TDS) TDS werden von der Ernaumlhrungs- und Landwirtschaftsorga-nisation der Vereinten Nationen (FAO) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlen um mittlere Gehalte an Stoffen in der durchschnittlichen Ernaumlhrung des Menschen zu ermitteln Die ersten Ergebnisse der BfR-MEAL- Studie werden voraussichtlich zu Beginn des Jahres 2019 vorliegen und dafuumlr genutzt werden die Aufnahme von Stoffen uumlber Lebensmittel zu schaumltzen

IM BILD

3012017

copy B

fR

4 BfR 2 GO

30

14

20

38

Bewerten ForschenKommunizieren

INHALT

6

Impressum

06 Schwerpunkt Authentizitaumlt

5012017

BfR 2 GO ndash Das BfR-Wissenschaftsmagazinerscheint zweimal jaumlhrlich

HerausgeberBundesinstitut fuumlr Risikobewertung (BfR) Anstalt des oumlffentlichen Rechts

vertreten durch den Praumlsidenten Professor Dr Dr Andreas Hensel ViSdP Dr Suzan Fiack

Redaktionsanschrift Bundesinstitut fur Risikobewertung (BfR)Max-Dohrn-Straszlige 8ndash1010589 Berlinwwwbfrbunddepublikationenbfrbundde

Redaktion BfR Presse- und Oumlffentlichkeitsarbeit

Gestaltung Grafiken amp BildbearbeitungStudio GOOD Berlin

DruckRuksaldruck Berlin

Auflage 4000 (Deutsch) 1500 (Englisch)

ISSN Print-ISSN 2567-3858Online-ISSN 2567-3866

DOI 101759020170921-151257

copy Bundesinstitut fuumlr Risikobewertung Alle Rechte vorbehalten Wenn Sie einen Nachdruck einzelner Artikel zu nicht-kommerziellen Zwecken wuumlnschen wenden Sie sich bitte an die Redaktion unter publikationenbfrbundde

gedruckt auf PEFC-zertifiziertem Papier

06 Lebensmittelfaumllschern auf der Spur Nicht zielgerichtete Analyseverfahren

11 Original oder Faumllschung Forschungsprojekte zu Authentizitaumlt

12 bdquoWir wollen Faumllschungen einen Riegel vorschiebenldquo Interview mit Professor Dr Reiner Wittkowski

14 Risikowahrnehmung14 Gefuumlhlte Risiken im Visier

BfR-Verbrauchermonitor

17 Vegan und informiert Befragung zu Veganismus

18 Guten Appetit Infografik zu Insekten

20 Lebensmittelsicherheit20 Unerwuumlnscht in Lebensmitteln

Pyrrolizidinalkaloide

24 Post aus hellip Sambia

25 Spektrum Ciguatera Lupinensamen Hepatitis E

26 bdquoNur eine gemeinsame Strategie ist effektivldquo Interview mit Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer

30 Produkt- und Chemikaliensicherheit30 Auf die Mischung kommt es an

Mehrfachruumlckstaumlnde

33 Kombinationseffekte Forschungsprojekte des BfR

34 bdquoZiel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertungldquo Interview mit Dr Roland Solecki

35 Spektrum Aluminium Endokrine Disruptoren Permethrin

36 Nanopartikel in Funktionskleidung Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

38 Schutz von Versuchstieren38 Spiegelbild gesucht

Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

43 Spektrum Belastung von Laborfischen Forschungsplattform Alternativmethoden

44 Institutsleben

Hergestellt in Parma

Wie vielSchafsmilchist drin

Ist es reiner Wein

copy O

ben

und

Unt

en b

igac

iss

hutte

rsto

ckc

om M

itte

gre

seis

hutte

rsto

ckc

om

6 BfR 2 GO

SCHWERPUNKT AUTHENTIZITAumlT

Lebensmittelfaumllschernauf der SpurGestreckt gepanscht gefaumllscht ndash Lebensmittelbetrug ist ein globales Problem Das BfR erforscht wie Verfahren zum Nachweis der Authen-tizitaumlt von Lebensmitteln harmonisiert werden koumlnnen Dabei schluumlp-fen die Forscherinnen und Forscher am BfR auch selbst in die Rolle der Lebensmittelfaumllscher

Kommt er aus dem Allgaumlu

Wurde eskaltgepresst

copy O

ben

Cop

rids

hutte

rsto

ckc

om U

nten

Ale

nKad

rshu

tters

tock

com

7012017

Ein Bildschirm ein Rechner ein Infra-rotspektrometer und viele kleine Pro-bengefaumlszlige gefuumlllt mit Fett extrahiert

aus Hartkaumlse Allgaumluer Emmentaler Ein Laborant entnimmt eine stecknadelkopf-groszlige Fettprobe und bringt sie auf das Ana-lysegeraumlt auf Sekunden spaumlter erscheint auf dem Bildschirm eine Wellenlinie aus 1800 Datenpunkten das Spektrum der Kaumlse-fettprobe Ein zweites Labor eine weitere Analyse Roumlhrchen fuumlr Roumlhrchen holt sich ein Greifarm Allgaumluer-Emmentaler-Proben und bringt sie in das starke Magnetfeld ei-nes Kernspinresonanz-Spektrometers ein Die Messung erzeugt bis zu 130000 Da-tenpunkte die fuumlr die jeweilige Kaumlseprobe charakteristisch sind Ein drittes Labor eine dritte Messmethode Mit der Isotopen-verhaumlltnis-Massenspektrometrie wird hier die Herkunft der Hartkaumlse-Proben be-stimmt Insgesamt sollen 150 bis 200 Pro-ben beschafft und analysiert werden bdquoAlle Daten werden aufgearbeitet und flieszligen in eine Auswertungs-Software die fuumlr jede Methode ein charakteristisches Datenspek-trum ndash den authentischen Fingerabdruck von Allgaumluer Emmentaler ndash berechnetldquo so Dr Susanne Esslinger Sie koordiniert die Versuche zum Authentizitaumltsnachweis von Allgaumluer Emmentaler

Die Suche nach dem Fingerabdruck

In den BfR-Laboren arbeiten Wissenschaft-lerinnen und Wissenschaftler daran den typischen unverwechselbaren Fingerab-

druck von verschiedenen Lebens- und Futtermitteln darunter Wein Spirituosen Kraumluter und Gewuumlrze Hartkaumlse Speiseoumlle und Mais zu finden Ihr Ziel ist es die Echtheit dieser Produkte bzw Abweichun-gen und somit Verfaumllschungen erkennen zu koumlnnen Ist dies gelungen wird Lebens-mittelfaumllschung erschwert Die Vergabe des EU-Guumltezeichens bdquoGeschuumltzte Ursprungs-bezeichnungldquo garantiert dass fuumlr die spe-zielle Produktbezeichnung bdquoAllgaumluer Em-mentalerldquo die Erzeugung Verarbeitung und Herstellung tatsaumlchlich im Allgaumlu erfolgt sein muumlssen Was nuumltzt das Guumlte-zeichen aber wenn es keine Methoden gibt um Original und Faumllschung zu unterschei-den Das BfR hat daher eine Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Waren-ketteldquo eingerichtet um die Forschung und interdisziplinaumlre Vernetzung zur Standar-disierung von Datenerhebungen zum Au-thentizitaumltsnachweis zu staumlrken

Das BfR beteiligt sich an mehreren natio-nalen und internationalen Verbundprojek-ten um neuartige Ansaumltze und Strategien fuumlr den Nachweis von Lebensmittel- und Futtermittelverfaumllschungen zu entwickeln mit denen derartige Praktiken weltweit besser aufgedeckt werden koumlnnen Die Schwerpunkte der BfR-Forschung zu die-sem Thema sind die Herkunftsbestimmung und Identifizierung unbekannter Zusaumltze mittels zielgerichteter sowie nicht zielge-richteter Analytik in Kombination mit sta-tistischen Verfahren und Fragen zur Daten-aufbereitung und -interpretation

Nicht zielgerichtete Analytik

Eine Herausforderung bei der Suche nach dem analytischen Charakteristikum von Lebensmitteln ist die natuumlrliche Variation von Inhaltsstoffen bdquoDeswegen muss erst einmal eine Vielzahl von unverfaumllschten Proben genommen werden um charak-teristische Merkmale in den Datensaumltzen zu findenldquo erklaumlrt Dr Carsten Fauhl-Has-sek der im BfR verschiedene Forschungs-projekte zur Authentizitaumltspruumlfung von Lebens- und Futtermitteln leitet bdquoUnsere Ergebnisse zeigen dass die Idee des unver-wechselbaren Fingerabdrucks von Lebens-mitteln funktioniertldquo Das BfR hat bereits

Die Vorbereitung der Kaumlseproben fuumlr die Untersuchung beinhaltet die Homogenisierung mit fluumlssigem Stickstoff

bdquoSehr deutlich sind die Datenpunkte zu erkennen die sich auszligerhalb des Normbereichs ndash der Bande ndash be-wegen Faumlllt ein Lebensmittel aus diesem Raster ist es verdaumlchtig

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

SCHWERPUNKTTHEMA AUTHENTIZITAumlT

8 BfR 2 GO

den physikalisch-chemischen Fingerab-druck verschiedener Weine Speiseoumlle oder juumlngst von Kraumlutern und Gewuumlrzen mittels Infrarot- und Kernspinresonanz-Spektro- skopie erfasst Das BfR-Labor wurde dafuumlr auch zur Faumllscherhoumlhle Kraumluter und Ge-wuumlrze sind mit unterschiedlichsten Zusaumlt-zen gemischt und deren aufbereitete Pro-ben ebenfalls mithilfe der Analysegeraumlte vermessen worden bdquoSehr deutlich sind die Datenpunkte zu erkennen die sich auszliger-halb des Normbereichs ndash der Bande ndash be-wegen Faumlllt ein Lebensmittel aus diesem Raster ist es verdaumlchtigldquo so Dr Fauhl-Has-sek So sehen die Spektren von z B mit Oli-venblaumlttern gestrecktem Oregano oder die von mit Sudanrot ndash eine Substanz die im Verdacht steht ein genotoxisches Kanzero-gen zu sein ndash gepanschtem Paprikapulver eindeutig anders aus

Die neuen Analyseverfahren mittels des charakteristischen Fingerabdrucks eines Lebensmittels ermoumlglichen somit eine flexible und schnelle Form der Echtheits-pruumlfung Statt gezielt nach gefaumllschten Produkten zu suchen steht hier der Au-thentizitaumltsnachweis im Fokus Diese neue Herangehensweise bezeichnet man auch als nicht zielgerichtete Analytik

Cloud der Fingerabdruumlcke

Zur perspektivischen routinemaumlszligigen An-wendung der nicht zielgerichteten Analytik fuumlr die Lebensmittelsicherheit muss aller-dings zunaumlchst eine gemeinsame Nutzung der Datenbanken fuumlr Referenz-Lebensmit-tel-Fingerabdruumlcke aller Akteure im Bereich Lebensmittelsicherheit ermoumlglicht werden Auch muss sichergestellt sein dass die Daten- erhebung sowie die anschlieszligende Analyse aller Nutzer vergleichbare Ergebnisse liefern

Das BfR arbeitet im Forschungsverbund an folgendem vereinfacht skizziertem Zu-kunftsszenario Zertifizierte amtliche und private Labore stellen ihre Lebensmit-tel-Fingerabdruumlcke uumlber eine Daten-Cloud bereit Hersteller Verarbeitungs- und Ver-edlungsbetriebe steuern die dazugehoumlrigen Produktinformationen bei Wenn Uumlber-wachungsbehoumlrden oder der Groszlig- und Einzelhandel Lebensmittelproben auf ihre Echtheit uumlberpruumlfen wollen vergleichen sie den Fingerabdruck ihrer eigenen Probe mit denen in der Fingerprint-Cloud Gibt es sig-nifikante Abweichungen ist das Lebensmit-tel zunaumlchst auffaumlllig und sollte weiter un-tersucht werden Noch sind viele technische und organisatorische Huumlrden zu nehmen

Das Prinzip bdquoNicht zielgerichteter Verfahrenldquo

Wavenumbers (cm-1)

Ab

sorb

anc

e

Paprikaproben Paprika dotiert mit Siliciumdioxid

Relevante Aspekte bei der Pruumlfung

Authentizitaumltspruumlfungen koumlnnen offizielle Produktbeschreibungen bestaumltigen oder betruumlgerische Aussagen nachweisen Relevante Aspekte dabei sind die Sub-stitution durch preiswertere aber aumlhnli-che Zusaumltze die Streckung mit fremdar-tigen Substanzen (z B Wasser Staumlrke) oder die Anwendung nicht gekenn-zeichneter oder unzulaumlssiger Verfahren wie Bestrahlung oder Extraktion die Bestaumltigung der geografischen Herkunft der botanischen oder zoologischen Spezies oder der Herstellungsprozesse wie bio konventionell oder gentechnisch veraumlndert sowie die Deklaration und Angaben zur Ruumlckverfolgbarkeit (Pro-duktkennzeichnung Prozessablaumlufe Chargenidentifikation)

Exogene Signale bei Verfaumllschung

copy M

Una

l Ozm

ens

hutte

rsto

ckc

om

LEBENSMITTELFAumlLSCHERN AUF DER SPUR

9012017

Eine stecknadelkopfgroszlige Kaumlsefettprobe wird auf das Analysegeraumlt aufgebracht Um charakteristische Merkmale in den Datensaumltzen zu finden muumlssen Dr Carsten Fauhl-Hassek (im Bild rechts oben) und sein Team eine Vielzahl solcher Proben nehmen und am Computer analysieren

bdquoErst muumlssen einheitliche Datenstandards verteilt operierende Systemloumlsungen und organisatorische Loumlsungsansaumltze zur Ge-waumlhrleistung der Datenintegritaumlt und -qua-litaumlt entwickelt werdenldquo erlaumlutert Matthias Filter bdquodamit diese Vision im Bereich Le-bensmittelsicherheit realisierbar istldquo Er ko-ordiniert am BfR die Arbeiten zum Schwer-punkt bdquoGlobale Warenkettenldquo

Vernetzte Referenzdatenbanken

Damit das Zukunftsszenario naumlher ruumlckt forschen Wissenschaftlerinnen und Wis-senschaftler am BfR zu der Entwicklung von mathematischen und statistischen Mo-dellen fuumlr die Datenauswertung und Har-monisierung von Datenaustauschformaten sowie zur harmonisierten Probennahme Dies sind wesentliche Voraussetzungen fuumlr den Aufbau und die Routineanwendung

von kollaborativen Referenzdatenbanken die uumlber die Cloud verfuumlgbar gemacht wer-den koumlnnen bdquoBislang verwendet jeder Her-steller von Spektrometern aber beispiels-weise noch eigene Datenformate sodass die Daten erst einmal dechiffriert werden muumlssen damit sie fuumlr alle Beteiligten ver-wendbar sindldquo sagt Filter

Bis solche Referenzdatenbanken der typi-schen chemisch-analytischen Profile von Lebensmitteln aufgebaut und fuumlr den flauml-chendeckenden Einsatz im Netzwerk aus Uumlberwachungsbehoumlrden Laboratorien so-wie Herstellern und Haumlndlern fertiggestellt sind dauert es nach Einschaumltzung der Exper-ten sicher noch 10 bis 15 Jahre Umso wichti-ger ist es jetzt die Weichen zu stellen

Mehr erfahrenwwwbfrbundde gt A-Z-Index Authentizitaumlt

Die Suche nach dem Fingerabdruck

Beim Aufbau von standardisierten Referenzdatenbanken kommen soge-nannte nicht zielgerichtete Verfahren zum Einsatz Dabei wird der physika-lisch-chemische Fingerabdruck von Lebensmitteln anhand spektromet-rischer undoder spektroskopischer Daten erhoben Dieser dient als Vergleichsstandard mit dem die Daten unbekannter Lebensmittelproben vergli-chen werden Abweichungen koumlnnen so leichter erkannt werden und Uumlber-wachungsbehoumlrden muumlssen nicht mehr gezielt nach bestimmten unerwuumlnsch-ten Substanzen suchen die oftmals noch gar nicht bekannt sind

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

10 BfR 2 GO

SCHWERPUNKTTHEMA AUTHENTIZITAumlT

Food Integrity EU-Konsortium gegen gefaumllschte Lebensmittel Das EU-Konsortium aus 38 Projektpartnern will strukturelle und methodische Voraus-setzungen schaffen um Verfaumllschungen fruumlhzeitig einheitlich erkennen zu koumlnnen Dazu sollen u a ein Netzwerk zwischen Be-houmlrden Industrie und Forschung aufgebaut Pruumlfprozesse harmonisiert und Wissensda-tenbanken erstellt werden Das Projekt laumluft bis Ende 2018

FoodAuthent Kollaborative Referenzdatenbanken fuumlr chemische Fingerabdruumlcke In dem dreijaumlhrigen Projekt werden Grundlagen fuumlr den Routineeinsatz von Fingerprinting-Analyseverfahren im Lebensmittelsektor und in der amtlichen Uumlberwachung geschaffen Zusammen mit den Projektpartnern entwickelt das BfR bis April 2019 gemeinschaftliche Fingerprin-ting-Datenbanken sowie Schnittstellen zu privatwirtschaftlich betriebenen Pro-duktinformationssystemen Exemplarisch erfolgt dies fuumlr Hartkaumlse Speiseoumlle und Spirituosen Die Daten sollen fuumlr die mit-wirkenden Akteure im Lebensmittelbereich frei zugaumlnglich sein

Original oder Faumllschung ndash Gemeinsam gegen Lebensmittelgaunerei

Das BfR beteiligt sich an Drittmittelprojekten um Herstellern und Uumlberwa-chungsbehoumlrden Methoden an die Hand zu geben mit denen schnell sicher und kosteneffizient die Echtheit eines Lebensmittels erkannt werden kann Einige werden hier vorgestellt

Animal-IDHerkunftsnachweis von tierischen Proteinen in Futter- und Lebens-mitteln Die Projektpartner kombinieren Massen- spektrometrie mit Verfahren zur Protein-anreicherung um Analysemethoden zur gewebespezifischen Herkunftsbestimmung von Futtermitteln zu entwickeln sowie Schnelltests auf Basis von proteinbasierten ELISA DipStick-Tests fuumlr die wichtigsten Tierarten in der Fleischproduktion wie Rind Schwein Pferd und Huhn Das BfR koordiniert das Vier-Jahres-Projekt (2016 bis 2019)

FoodRisk-Lab Softwareloumlsungen zur Unterstuumlt-zung der Bewertung von Risiken Das BfR entwickelt frei verfuumlgbare Soft-wareloumlsungen und Web-Dienste fuumlr die Bewertungsarbeit behoumlrdlicher Einrichtun-gen sowie fuumlr Wissenschaft und Forschung FoodChain-Lab unterstuumltzt z B die Ruumlckverfolgung von Futter- und Lebens-mitteln entlang der Warenketten und ermoumlglicht eine interaktive Analyse von Ausbruchsgeschehen Weitere Programme dienen der mathematischen Modellierung von Gefahren im Bereich der Futter- und Lebensmittelsicherheit

SPICEDSicherung der Gewuumlrz- und Kraumluterwarenketten Europas Gewuumlrze und Kraumluter werden sehr vielen Lebensmitteln zugesetzt Die Ergebnisse des Forschungsprojektes tragen dazu bei die Gewuumlrz- und Kraumluterwarenketten Euro-pas gegen natuumlrliche unabsichtliche und absichtliche biologische und chemische Ver-unreinigungen zu schuumltzen Das Projekt mit 11 Partnern aus sieben EU-Laumlndern wurde von 2013 bis 2016 im 7 Rahmenprogramm der EU gefoumlrdert und vom BfR koordiniert

11012017

FORSCHUNGSPROJEKTE

bdquoWir wollen Faumllschungen einen Riegel vorschiebenldquo

Professor Wittkowski welche Lebens- mittel werden uumlblicherweise verfaumllschtGefaumllscht wird uumlberall dort wo ein oumlkono-mischer Vorteil erzielt werden kann Pro-duktpiraterie kommt deswegen vor allem bei hochqualitativen und teuren Markenpro-dukten wie Olivenoumll Schafskaumlse Wein oder Spirituosen vor Ein uumlblicher Trick ist min-derwertige Zutaten als hochwertige zu ver-kaufen wie Shrimps als Garnelen Bei Pro-dukten bei denen die geografische Herkunft ein Qualitaumltsmerkmal ist wie Parma- oderSerrano-Schinken Irischer Whiskey oder Champagner wird versucht die Herkunft vorzutaumluschen

Koumlnnen Verbraucher denn noch der Le-bensmittelsicherheit vertrauen Glaubwuumlrdigkeit Vertrauen und Sicherheit sind eng miteinander verknuumlpft Menschen wollen einkaufen kochen essen und trin-ken gesund bleiben und es soll schmecken Sie wollen nicht wissen wie der Wein filt-riert oder bei welcher Temperatur der Kaf-fee geroumlstet wurde aber sie wollen darauf vertrauen dass die Angaben stimmen und dass diese Technologien sichere Lebens-mittel erzeugen Dies ist nur moumlglich weil es Standards fuumlr die Lebensmittelwirtschaft gibt und Uumlberwachungsbehoumlrden die Ein-haltung pruumlfen

Nur weil Parma-Schinken nicht aus Par-ma kommt stellt er doch noch kein Ge-sundheitsrisiko dar Geht es nicht viel-mehr um oumlkonomische Interessen der Hersteller Wissenschaftler koumlnnen zunaumlchst Normab-weichungen erkennen nicht aber die Mo-tivation von Verfaumllschern Zunaumlchst wird selbstverstaumlndlich eine Risikobewertung derartiger Befunde durchgefuumlhrt Anschlie-szligend kann man nach weiterer Uumlberpruumlfung und Ruumlckverfolgung der Lieferketten ent-scheiden ob es eine gezielte Verfaumllschung war oder nicht

Koumlnnen Sie ein Beispiel gebenStatt Rindfleisch wurde vor einigen Jahren in Lasagne Pferdefleisch nachgewiesen Im ersten Moment ein gesundheitlich unbe-denklicher Betrugsfall Pferdefleisch ist ein hochwertiges Lebensmittel Allerdings war nicht bekannt woher das Fleisch kam und ob es mit verbotenen undoder gesundheits-schaumldlichen Arzneimitteln belastet war Das wurde dann uumlberpruumlft und das Fleisch fuumlr unbedenklich erklaumlrt Oder Aufgrund des traditionellen Anbaus hatten Pistazien aus dem Iran eine Zeit lang erhoumlhte Mykoto-xingehalte und unterlagen daher strengen Auflagen bei der Einfuhr nach Europa Zur Umgehung dieser Auflagen traten Falsch-deklarationen der Herkunft auf Iranische Pistazien wurden als Pistazien aus Kaliforni-en in den Markt gebracht

Es geht also in erster Linie immer um Verbraucherschutz und nicht um Taumlu-schungs- oder Betrugsschutz Aus meiner Sicht ja Teilweise nehmen Faumllscher auch billigend in Kauf dass Men-schen zu Schaden kommen Mit Methanol gepanschter Alkohol oder mit Melamin gestrecktes Milchpulver sind Beispiele Die Verfaumllscher sind naumlmlich keine Toxikologen Die Frage ist also welche Methoden koumlnnen Behoumlrden bereitstellen um das Vertrauen in die Sicherheit der Lebensmittel zu erhalten

Das houmlrt sich an wie ein Wettlauf For-schung gegen Faumllschung Gibt es denn immer die richtige MethodeDas Gute an der Analytik ist dass man mit der richtigen Methode findet was man sucht Allerdings wissen wir nicht immer auf welche neuen betruumlgerischen Ideen Faumll-scher kommen Deswegen beteiligen wir uns in internationalen Forschungsvorhaben an der Entwicklung von Referenzdaten-banken mit dem typischen Fingerabdruck von Lebensmitteln Die sogenannte Finger-print-Analyse bietet die Moumlglichkeit nicht

nur Lebensmittel durch ihre Normabwei-chung als gefaumllscht zu identifizieren sondern auch bisher unbekannte Verfaumllschungen und gesundheitlich bedenkliche Manipulationen aufzudecken bevor die Ware in den Regalen steht

In der Praxis gibt es dazu doch sicher schon MaszlignahmenPrivate Analysefirmen haben sich bereits auf die Fingerprint-Methode fuumlr bestimmte Produkte spezialisiert und groszlige Datenban-ken angelegt Doch hier liegt ein Problem Jeder arbeitet mit seinen eigenen Daten Auch sind die Ergebnisse der Firmen nicht gerichtsfest weil die Datengrundlage nicht oumlffentlich ist Staatliche Institutionen ar-beiten dagegen mit transparenten und ver-gleichbaren Daten damit Beanstandungen gerichtsfest sind Deswegen muumlssen fuumlr ei-nen Erfolg der Fingerprint-Methoden die Messungen der verschiedenen Labore va-lidiert und die Datenbanken harmonisiert werden

bdquoUnser Allein- stellungsmerkmal ist dass wir Risikobewertung und Forschung betreiben

12 BfR 2 GO

SCHWERPUNKTTHEMA AUTHENTIZITAumlT

BfR-Vizepraumlsident Professor Dr Reiner Wittkowski setzt sich dafuumlr ein dass am BfR zu neuartigen Verfah-ren zur Authentifizierung von Lebensmitteln geforscht wird Als junger Lebensmittelchemiker hat er am Vorgaumlngerinstitut des BfR dem Bundesgesundheitsamt bereits fuumlr die Uumlberpruumlfung der Echtheit von Wein Methoden entwickelt etabliert und begonnen eine Fingerabdruck-Datenbank anzulegen

Was traumlgt das BfR zur Uumlberpruumlfung der Echtheit von Lebensmitteln bei Wir beteiligen uns seit Langem an allen maszliggeblichen EU-Forschungsvorhaben zur Authentizitaumltspruumlfung Unser Alleinstel-lungsmerkmal ist dass wir Risikobewertung und Forschung betreiben Das BfR hat an-ders als andere Bewertungsbehoumlrden eigene Laboratorien Wir haben deswegen einen sehr strengen Blick auf Bewertungsmetho-den und fragen wie sicher die Aussagekraft der Daten ist Das Kerngeschaumlft der 17 Re-ferenzlabore des BfR ist Methodenvali-dierungen durchzufuumlhren Auf nationaler Ebene arbeitet das BfR bereits eng mit der amtlichen Lebensmitteluumlberwachung der Bundeslaumlnder zusammen

Welchen konkreten Ansatz nutzt das BfRWir kombinieren Analytik und Daten-modellierung Das Institut hat eine lange Historie hinsichtlich des Nachweises der Echtheit von Lebensmitteln da auch in den Vorgaumlngerinstitutionen dazu geforscht wur-de In den 1990er-Jahren wurde hier eine der ersten Datenbanken zur Uumlberpruumlfung der Authentizitaumlt von Wein aufgebaut und wurden erstmals Kernresonanz-spektrosko-pische Verfahren in der Lebensmittel-Ana-lytik angewandt Die Expertise zum Thema Wein haben wir dann auf andere Lebens-mittel-Matrizes uumlbertragen Neben der Ana-lytik ist die Statistik unser zweiter Impetus Das BfR hat viel Erfahrung im Bereich der Datenanalyse fuumlr die Vor- und Ruumlckverfolg-barkeit von Lieferketten aufgebaut Mit der FoodChainLab-Software die im Rahmen der EHEC-Krise entwickelt wurde sind komplexe Datenmodellierungen moumlglich

Was sind die naumlchsten SchritteWir haben bereits ein nationales Kompe-tenznetzwerk zwischen Bundesbehoumlrden Landesuntersuchungsaumlmtern Universitaumlten und Forschungseinrichtungen etabliert und wir bringen das Thema weltweit voran Das BfR hat im November 2016 ein Symposium organisiert auf dem rund 100 Fachleute aus Deutschland Europa Nordamerika Afrika Asien und Neuseeland uumlber die Herausfor-derungen der Standardisierung diskutierten Aus meiner Sicht sollte unbedingt ein euro-paumlisches Referenzlabor eingerichtet werden ndash die EU-Kommission erwaumlgt dies bereits ndash um in Europa ein harmonisiertes System der angewendeten Methoden und der Datener-fassung fuumlr die Authentizitaumltspruumlfung von Lebensmitteln zu etablieren Nur das ist ziel-fuumlhrend wenn wir Faumllschungen global einen Riegel vorschieben wollen

copy B

fR

13012017

INTERVIEW MIT PROFESSOR DR REINER WITTKOWSKI

Der BfR-Verbrauchermonitor ist ein zentrales Instru-ment des gesundheitlichen Verbraucherschutzes Er zeigt wie die Oumlffentlichkeit Risiken wahrnimmt

Gefuumlhlte Risiken im Visier

copy ig

orst

evan

ovic

Shu

tters

tock

com

RISIKOWAHRNEHMUNG

14 BfR 2 GO

Welche Themen bewegen Verbraucherinnen und Verbrau-cher Was ist ihnen vertraut was beunruhigt sie Ant-worten auf diese Fragen liefert der BfR-Verbrauchermo-

nitor ndash eine seit 2014 regelmaumlszligig durchgefuumlhrte repraumlsentative Bevoumllkerungsbefragung mit der das BfR die generelle Einschaumlt-zung der Oumlffentlichkeit zu Verbraucherschutzthemen ermittelt In Ergaumlnzung dazu fuumlhrt das BfR Repraumlsentativbefragungen zu Ein-zelthemen durch die von besonderem aktuellem Interesse sind wie Antibiotikaresistenzen oder Pflanzenschutzmittel Die Ergeb-nisse dazu erscheinen als bdquoBfR-Verbrauchermonitor Spezialldquo Der Verbrauchermonitor ist ein wesentlicher Indikator um moumlgliche Missverstaumlndnisse oder Fehleinschaumltzungen seitens der Bevoumllke-rung fruumlhzeitig zu erkennen bdquoFuumlr uns ist es sehr wichtig konkret zu wissen was die Bevoumllkerung warum bewegt Daraus folgern wir welche kommunikativen Maszlignahmen zu ergreifen sindldquo sagt PD Dr Gaby-Fleur Boumll Leiterin der Abteilung Risikokommunika-tion am BfR

Methode der Datenerhebung

Fuumlr die repraumlsentative Umfrage des Verbrauchermonitors werden ca 1000 Personen die in Privathaushalten in Deutschland leben und mindestens 14 Jahre alt sind im Auftrag des BfR von Markt- und Meinungsforschungsinstituten telefonisch interviewt Diese Interviews werden computergestuumltzt anhand eines programmier-ten Fragebogens von geschulten Interviewern durchgefuumlhrt ndash kurz CATI-Methode genannt nach der englischen Bezeichnung compu-ter-assisted telephone interviewing Dabei werden die Fragen zum gesundheitlichen Verbraucherschutz und Fragen zu anderen The-menbereichen zu einer sogenannten Omnibus- oder Mehrthemen-befragung zusammengefasst Die Fragen des Verbrauchermonitors koumlnnen einen offenen Charakter haben (ungestuumltzte Fragen) oder geschlossen formuliert sein (gestuumltzte Fragen) Um die Ergebnisse der Verbrauchermonitore im Zeitverlauf miteinander vergleichen zu koumlnnen ist jede Umfrage aumlhnlich aufgebaut Das BfR widmet sich einerseits Themen die in der Oumlffentlichkeit eine groszlige Auf-merksamkeit erhalten Andererseits analysiert es Fragen die bisher weniger im oumlffentlichen Fokus stehen aber ebenfalls relevant sind wie beispielsweise gesundheitsschaumldliche Pflanzeninhaltsstoffe Auch das Ausmaszlig des Vertrauens in die staatlichen Strukturen des gesundheitlichen Verbraucherschutzes wird abgefragt da dies wie-derum die Wahrnehmung von Risiken beeinflussen kann

bdquoFuumlr uns ist es sehr wichtig konkret zu wissen was die Bevoumllkerung warum bewegt

Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher

Kaum veraumlndert hat sich in den letzten Jahren die Ansicht von Ver-braucherinnen und Verbrauchern dass Lebensmittel in Deutsch-land sicher sind Fragt man in der ungestuumltzten Abfrage nach den groumlszligten gesundheitlichen Risiken so sind dies im aktuellen Ver-brauchermonitor (082017) nach wie vor das Rauchen die Klima- bzw Umweltbelastung und ungesunde oder falsche Ernaumlhrung Da-nach werden Alkohol sowie ungesunde oder belastete Lebensmittel genannt Fragt man in der gestuumltzten Abfrage gezielt nach ausge-waumlhlten Themen so fuumlhren Salmonellen gentechnisch veraumlnderte Lebensmittel Antibiotikaresistenzen und Ruumlckstaumlnde von Pflan-zenschutzmitteln die Bekanntheitsskala an Dies sind auch die vier Themen die bei den meisten Befragten fuumlr Beunruhigung sorgen Es zeigt sich immer wieder dass Verbraucherinnen und Verbrau-cher Risiken unterschaumltzen die aus Sicht der Risikobewertung als

ZielsetzungVerbrauchermonitor

gt Erfassung und Analyse von Trends und Themen in der Verbraucherwahrnehmunggt Uumlber- bzw Unterschaumltzung von gesundheitlichen Risiken durch die Bevoumllkerunggt Beobachtung von Veraumlnderungen im Verbraucherverhaltengt Schnelle Erfassung der Verbraucherwahrnehmung in Krisensituationen

BfR-VERBRAUCHERMONITOR

15012017

gesundheitsrelevant eingestuft werden wie z B die Lebensmittelhygiene im eigenen Haushalt Noch weitgehend unbekannt ist der breiten Oumlffentlichkeit eine neue derzeit in der Wissenschaft diskutierte Metho-de zur Genveraumlnderung ndash das sogenannte bdquoGenome Editingldquo

Vertrauen staumlrken

Verschiedene Bevoumllkerungsgruppen neh-men Ereignisse oder Sachverhalte unter-schiedlich wahr Es haumlngt von vielen Fakto-ren ab wie groszlig ihnen ein Risiko erscheint Insbesondere zwischen der Wahrnehmung von Laien und Fachleuten koumlnnen sich Un-terschiede ergeben da die intuitive Risiko-einschaumltzung der Bevoumllkerung haumlufig auf anderen Prinzipien und Kriterien beruht als die wissenschaftliche Risikobewertung Aus der Risikowahrnehmungsforschung ist beispielsweise bekannt dass die Sorge vor

synthetisch hergestellten Stoffen groumlszliger ist als die Sorge vor natuumlrlich vorkommenden Stoffen wie beispielsweise giftigen Pflanze-ninhaltsstoffen

Der BfR-Verbrauchermonitor Spezial zum Thema Pflanzenschutzmittel hat zudem gezeigt dass ein Groszligteil der Bevoumllkerung faumllschlicherweise davon ausgeht dass in Lebensmitteln generell keine Reste von Pflanzenschutzmitteln vorkommen duumlr-fen Tatsaumlchlich sind Ruumlckstaumlnde von zu-gelassenen Pflanzenschutzmitteln bis zum erlaubten Ruumlckstandshoumlchstgehalt zulaumls-sig und als gesundheitlich unbedenklich eingestuft Auf diese Diskrepanz kann die Risikokommunikation gezielt reagieren indem sie die Oumlffentlichkeit mit geeigne-ten Kommunikationsformen umfassend uumlber die rechtlichen und wissenschaftli-chen Grundlagen der Risikobewertung bei Pflanzenschutzmitteln informiert

Die Ergebnisse solcher Bevoumllkerungsum-fragen liefern wichtige Einsichten in die Risikowahrnehmung verschiedener Bevoumll-kerungsgruppen und zeigen Unterschiede hinsichtlich demografischer Faktoren wie Alter Bildungshintergrund Berufsgrup-pe und Geschlecht auf So ist Frauen das Vorkommen von Pyrrolizidinalkaloiden in Kraumlutertee beispielsweise haumlufiger bekannt als Maumlnnern Auch hat sich gezeigt dass Maumlnner Prozesskontaminanten in Grill-fleisch weniger bedenklich einschaumltzen als Frauen

Mit dem Verbrauchermonitor hat das BfR ein Instrument etabliert mit dem noch fruumlher auf Informations- und Kommuni-kationsbeduumlrfnisse eingegangen und damit das Vertrauen der Oumlffentlichkeit in den ge-sundheitlichen Verbraucherschutz weiter gestaumlrkt werden kann

Alle bisher erschienenen BfR-Verbrauchermonitore koumlnnen abgerufen werden unter wwwbfrbundde gt Publikationen gt Broschuumlren gt BfR-Verbrauchermonitor

Welche Themen betrachten Sie persoumlnlich als die groumlszligten gesundheitlichen Risiken fuumlr Verbraucherinnen und Verbraucher

Inwieweit sind Sie persoumlnlich uumlber die folgenden Themen zur Lebensmittel-sicherheit beunruhigt oder nicht beunruhigt

16 BfR 2 GO

RISIKOWAHRNEHMUNG

2016 gab es in Deutschland in der deutsch-sprachigen Bevoumllkerung ab 14 Jahren rund 08 Millionen Personen die sich selbst als Veganer bezeichnen wuumlrden oder als je-mand der weitgehend auf tierische Produk-te verzichtet (2016 Allensbacher Markt- und Werbetraumlger-Analyse IfD Allensbach) Ei-nige Studien zeigen dass eine vegane Ernaumlh-rung positive Einfluumlsse auf die Gesundheit haben kann wie zum Beispiel ein geringeres Risiko fuumlr Typ-2-Diabetes Beschrieben wer-den allerdings auch gesundheitliche Risiken durch Naumlhrstoffmangelzustaumlnde etwa fuumlr Schwangere und Kinder Wer keine tierische Produkte zu sich nimmt riskiert unter an-derem eine Unterversorgung mit Vitamin B12 Eisen Calcium Jod und Zink sowie mit langkettigen Omega-3-Fettsaumluren

Vor diesem Hintergrund entwickelte das BfR geeignete Risikokommunikationsstra-tegien Ein Forschungsprojekt widmete sich den individuellen und sozialen Einflussfak-toren die zur Motivation und Aufrechter-haltung einer veganen Ernaumlhrung fuumlhren Insgesamt wurden 42 Veganerinnen und Veganer zu ihren Werten Einstellungen und Meinungen befragt Aufgrund der zum Teil sehr ausgepraumlgten Abweichun-gen zur Durchschnittsbevoumllkerung lassen sich verallgemeinernde Aussagen treffen Repraumlsentativ sind die Befragungsdaten al-lerdings nicht

Ethische Entscheidung

Fast immer begruumlnden Veganerinnen und Veganer ihre Entscheidung fuumlr eine vega-ne Ernaumlhrung mit ethischen Argumenten Gesundheitliche Motive werden selten ge-nannt Die Befragten sind uumlberwiegend konfessionslos und uumlberdurchschnittlich

gebildet Auszligerdem beguumlnstigt Vegetaris-mus die Entscheidung sich vegan zu ernaumlh-ren Zwei Drittel der Teilnehmenden haben sich bereits vorher vegetarisch ernaumlhrt Er-naumlhren sich bereits Personen aus dem na-hen Umfeld vegan kann dies die Entschei-dung auch vorantreiben

Fuumlr die uumlberwiegende Mehrheit der Be-fragten ist die Ruumlckkehr zur omnivoren Ernaumlhrung die tierische Produkte zulaumlsst nicht vorstellbar Auch eine Schwanger-schaft wird meist nicht als Grund dafuumlr angesehen Oft werden auch Kinder vegan ernaumlhrt Nach Aussagen der Befragten re-agiert das soziale Umfeld haumlufig mit Skepsis und Aversion Um eine soziale Ausgren-

zung der Kinder zu verhindern lassen die Befragten teils Kompromisse zu So koumlnn-ten Kinder zum Beispiel selbst waumlhlen ob sie auswaumlrts Tierprodukte essen

Wissen kommt an

Wer sich vegan ernaumlhrt verfuumlgt in der Re-gel uumlber ein fundiertes Ernaumlhrungswissen 40 der 42 Teilnehmenden der BfR-Studie waren sich zum Beispiel daruumlber im Klaren dass es ohne tierische Produkte zu einer Mangelversorgung mit Vitamin B12 kom-men kann Viele nehmen dieses Vitamin zusaumltzlich ein Bei der Informationssuche rund um vegane Ernaumlhrung ist das Inter-net die wichtigste Informationsquelle (siehe Grafik)

Strategie der Risikokommunikation

Im Rahmen der Befragung stellten sich wichtige Anknuumlpfungspunkte fuumlr die Risi-kokommunikation heraus Unter anderem wurde klar dass ein negativer Ansatz der die vegane Ernaumlhrung als gefaumlhrlich oder abnormal darstellt nur wenig Erfolg haben kann Eine effektive Risikokommunikation sollte an bestehende Uumlberzeugungen der Veganerinnen und Veganer anknuumlpfen Ziel sollte dabei sein konkrete Tipps fuumlr den Alltag zu geben die sich mit einer vega-nen Ernaumlhrung verbinden lassen Informa-tionen wie bei einer veganen Ernaumlhrung eine moumlgliche defizitaumlre Naumlhrstoffversor-gung verhindert werden kann sind grund-saumltzlich erfolgversprechend Insbesondere uumlber Alternativen oder Supplementierung in der Schwangerschaft bei Saumluglingen und Kleinkindern sollte umfassend informiert werden

Vegan und informiert

Welche Informationsquellen nutzen Sie um sich

uumlber vegane Ernaumlhrung zu informieren

Kochbuumlcher mit veganen Rezepten Blogs zum Thema und tierfreie Supermaumlrkte ndash die vegane Ernaumlhrung liegt im Trend Wer ganz auf tierische Produkte verzichtet riskiert jedoch eine Unterversorgung mit bestimmten Naumlhrstoffen Um eine effiziente Risikokommunikation zu gewaumlhrleis-ten hat das BfR Veganerinnen und Veganer zu Wissens-stand und Einstellungen befragt

Foren im Internet

Sonstige Quellen im Internet

Buumlcher

Zeitschriften

Freunde Bekannte

Sonstigen = 42 Mehrfachnennungen moumlglich

74

71

52

36

12

5

copy S

tudi

oPho

toD

Flor

ezs

hutte

rsto

ckc

om

BEFRAGUNG ZU VEGANISMUS

17012017

63

72 Ekel

Fremdheit

Bedenken zu Hygiene und Vertraumlglichkeit

Grillen Mehlwuumlrmer und Wanderheuschrecken ndash in vielen Regionen der Welt werden Insekten von Menschen verspeist Auch in der Schweiz sind Insek-ten seit dem Fruumlhjahr 2017 offiziell als Lebensmittel zugelassen Ihr Verzehr ist in Europa jedoch generell wenig verbreitet und die oumlffentliche Diskussion steckt noch in den Anfaumlngen Wie bekannt ist das Thema in der deutschen Bevoumllkerung Welche Einstellungen bestehen gegenuumlber essbaren Insekten Wie wird das Thema in den Medien dargestellt In zwei Studien hat das BfR Antworten auf diese Fragen gefunden

Die Mehrheit der Deutschen vermutet keine gesundheitlichen Risiken durch den Verzehr von Insekten wuumlrde sieaber dennoch nicht verzehren Hauptgruumlnde gegen den Verzehr

sind Ekel Fremdheit Bedenken zu Hygiene und Vertraumlglichkeit

46 13 15

Insekten als Lebensmittel fuumlr Menschen ndash 72 Prozent der Befragten haben schon davon gehoumlrt Insekten gelten als eiweiszlig- naumlhrstoff- und vitaminreich und als eine wesentliche Nahrungsquelle hinsichtlich des Welternaumlhrungsproblems

Insekten essen Mehr Theorie als Praxis

18 BfR 2 GO

RISIKOWAHRNEHMUNG

2014

27 Artikel

14

Zugrundeliegende Studien telefonische Repraumlsentativbefragung von 1000 Personen (deutschsprachige Bevoumllkerung ab 14 Jahren) Medienanalyse von 17 deutschen Print- und Onlinemedien (uumlberregionale Qualitaumltszei-tungen Hauptstadtpresse und woumlchentliche Zeitungen) im Zeitraum Januar 2014 bis Dezember 2015 zur Art und Haumlufigkeit der Berichterstattung uumlber essbare Insekten

14 Prozent der Befragten haben schon einmal Insekten verzehrt mehrheit-lich im Ausland Uumlberwiegend sind es Maumlnner 18 ndash 29-Jaumlhrige gut Gebildete und Staumldter

Die Medienberichterstattung zu Insekten als Lebens- und Futtermittel verdoppelte sich von 2014 zu 2015 In der Mehrheit ging es um Nutzen- aspekte Insekten wurden medial als bdquozukunftsweisendes sinnvolles Lebensmittel bei dem der Nutzen gegenuumlber moumlglichen Risiken uumlber-wiegtldquo dargestellt

Verbraucherinnen und Verbraucher wuumlnschen sich mehr Informationen zu moumlglichen gesundheitlichen Risiken von Insekten als Lebens- und Fut-termittel zu ihrer Produktion und zum Naumlhrstoffgehalt Dies koumlnnte die oumlffentliche Akzeptanz fuumlr den Verzehr von Insekten erhoumlhen Auch bdquounkenntlich gemachteldquo Insekten in Form verarbeiteter Lebensmittel wuumlrden eher akzeptiert als Insekten im urspruumlnglichen Zustand

WeiterlesenBfR-Symposium bdquoInsekten als Lebens- oder Futtermittel Nah-rung der Zukunftldquo Bericht zum Symposium am 24 Mai 2016 in 2016 Journal fuumlr Verbraucher-schutz und Lebensmittelsicher-heit 11 3 281ndash289

2015

60 Artikel

i

Insekten als Lebensmittel

gt zaumlhlen lebensmittelrechtlich in der EU zu den neuartigen Lebensmitteln und muumlssen zugelassen werden

gt unerforschte Aspekte Toxikologie Gehalt an Kontaminanten und Ruumlckstaumlnden allergenes Potenzial mikrobiologische Risiken

copy a

rka3

8sh

utte

rsto

ckc

om

19012017

INFOGRAFIK ZU INSEKTEN

Unerwuumlnscht inLebensmitteln

Gelangen Pyrrolizidinalkaloide (PA) in die Lebensmittelkette koumlnnen insbesondere 12-ungesaumlttigte PA dem Menschen schaden Seit Jahren

befasst sich das BfR mit der Frage welches gesundheitliche Risiko von 12-ungesaumlttigten PA in Lebensmitteln ausgeht Klar ist die PA-Kontami-

nation in der Lebensmittelkette sollte so gering wie moumlglich sein

LEBENSMITTELSICHERHEIT

20 BfR 2 GO

Unerwuumlnschte Stoffe die in die Lebensmittelkette gelangen koumlnnen fuumlr Verbraucherinnen und Verbraucher ein gesund-heitliches Risiko darstellen Ein Beispiel fuumlr solche Eintraumlge

sind 12-ungesaumlttigte Pyrrolizidinalkaloide (PA) Das sind Stoffe die von einigen Pflanzen als Schutz vor Fraszligfeinden gebildet werden Sie konnten zunaumlchst in Honig und anderen Bienenprodukten spaumlter auch in Tees Kraumlutertees und Gewuumlrzen aber auch in pflanzenba-sierten Nahrungsergaumlnzungsmitteln nachgewiesen werden

Toxische Wirkungen bei Mensch und Tier

Beim Menschen sind vereinzelt Vergiftungsfaumllle nach arzneilicher Einnahme von PA-haltigen Kraumlutertees und -erzeugnissen bekannt Weiterhin gibt es Berichte uumlber epidemische Lebererkrankungen mit Todesfaumlllen in Pakistan Indien Afghanistan Tadschikistan und der ehemaligen UdSSR nach Verzehr von Getreide das mit Samen von Heliotropium- oder Crotalaria-Arten kontaminiert war Aus der Nutztierhaltung ist das gehaumlufte Auftreten von Leberzirrhosen bei Schlachtrindern bekannt die mit Heu und Silage auch Alpenkreuz-kraut aufgenommen hatten Auch bei Pferden wurden mit Leberde-generation einhergehende durch PA im Futter verursachte Erkran-kungen die Seneciosen beobachtet

Die Leber ist das primaumlre Zielorgan von Schaumldigungen durch 12-ungesaumlttigte PA Jedoch koumlnnen auch die Lunge oder andere Organe betroffen sein Insbesondere bei Aufnahme houmlherer Dosen treten akute venookklusive Veraumlnderungen in der Leber (hepatic veno-occlusive disease HVOD) oder der Lunge auf In houmlheren Dosen wurden im Tierversuch mit 12-ungesaumlttigten PA auch ent-wicklungstoxische Effekte beobachtet Nach den vorliegenden tier- experimentellen Daten gilt die kanzerogene Wirkung von 12-un-gesaumlttigten PA als gesichert und ein entsprechendes Risiko fuumlr den Menschen wird in Betracht gezogen Vielfach zeigten Verbindungen die sich im Tierversuch als kanzerogen erwiesen in entsprechenden Mutagenitaumltstests eine genotoxische Wirkung

Wie 12-ungesaumlttigte PA in Lebensmittel gelangen koumlnnen

Nach bisherigem Kenntnisstand koumlnnen 12-ungesaumlttigte PA uumlber mehrere Wege in Lebensmittel gelangen In Deutschland sind Ver-unreinigungen vor allem in den Anbauflaumlchen von Nutzpflanzen mit PA-bildenden Wildkraumlutern wie z B bei Salaten mit Kreuzkraut oder Greiskraut aufgetreten Aus Afghanistan sind erhoumlhte Belastungen in Getreide bekannt Auch die Belastung von Tee und Kraumlutertee-Sor-ten mit PA wird auf eine Kontamination mit bestimmten Wildkraumlu-tern in den Anbauflaumlchen zuruumlckgefuumlhrt Auszligerdem koumlnnen Bienen-produkte wie Honig und Pollen mit PA belastet sein wenn die Tracht von bestimmten Wildpflanzen stammt 12-ungesaumlttigte PA koumlnnen auch uumlber verunreinigte Futtermittel in Milch Eier und Fleisch ge-langen Auch Nahrungsergaumlnzungsmittel koumlnnen auf der Basis von Pflanzen hergestellt sein die selbst 12-ungesaumlttigte PA bilden

Gesundheitliche Risiken durch belastete Lebensmittel

Das BfR hat 2016 eine Bewertung der gesundheitlichen Risiken durch 12-ungesaumlttigte PA erarbeitet Dabei wurde die Belastung aller wichtigen Lebensmittelgruppen beruumlcksichtigt fuumlr die aktuell Daten zum Vorkommen von 12-ungesaumlttigten PA vorliegen Bei der Bewertung wurde die genotoxisch-kanzerogene Wirkung als emp-findlichster Endpunkt zugrunde gelegt

copy F

eyya

z A

laca

ms

hutte

rsto

ckc

om

copy e

mbe

riza

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

21012017

Danach geht bei Kindern im Alter von sechs Monaten bis unter fuumlnf Jahren die Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA im Wesentlichen auf Kraumlutertee einschlieszliglich Rooibostee Schwarztee und Honig zuruumlck Fruumlchtetee Milch Eier und Fleisch tragen nur wenig zur Gesamtaufnahme von 12-un-gesaumlttigten PA bei Sieht man von bestimm-ten Nahrungsergaumlnzungsmitteln ab zeigt sich bei Erwachsenen ein aumlhnliches Bild Bei Erwachsenen ist der Beitrag von Honig zur Gesamtaufnahme an 12-ungesaumlttigten PA geringer und der von Gruumlntee houmlher als bei Kindern Bei hohen Gehalten koumlnnen Nahrungsergaumlnzungsmittel als zusaumltzliche Expositionsquelle zur Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber Lebensmittel beitragen Gewuumlrze und Kraumluter aber auch Mehle stellen moumlglicherweise eine relevante zusaumltzliche Expositionsquelle dar Fuumlr eine abschlieszligende Bewertung fehlen hier jedoch noch Daten

Obwohl in Einzelfaumlllen hohe Gehalte an 12-ungesaumlttigten PA in bestimmten Le-bensmitteln des allgemeinen Verzehrs nachgewiesen wurden haumllt das BfR nach derzeitiger Datenlage auch bei hoher Auf-nahme dieser Lebensmittel eine akute Ge-sundheitsschaumldigung fuumlr unwahrscheinlich Zur Abschaumltzung des potenziellen Risikos von genotoxisch-kanzerogenen Wirkungen legte das BfR wie international uumlblich den MOE-Ansatz (Margin of Exposure) zugrun-de Dabei wird ausgehend von Tierstudien angenommen dass fuumlr genotoxische Kan-zerogene ein MOE-Wert von 10000 oder houmlher aus Sicht der oumlffentlichen Gesundheit als wenig bedenklich und die Prioritaumlt fuumlr Maszlignahmen im Rahmen des Risikomanage-ments als niedrig angesehen werden kann Bei genotoxisch-kanzerogenen Stoffen kann keine Schwellendosis angenommen werden unterhalb derer keine unerwuumlnschten Wir-kungen mehr erwartet werden Daher gilt in der Europaumlischen Union die Empfehlung die Exposition gegenuumlber genotoxisch und kanzerogen wirkenden Substanzen so weit zu minimieren wie dies vernuumlnftig erreich-bar ist ndash das sogenannte ALARA-Prinzip (as low as reasonably achievable) Selbst geringe Aufnahmemengen koumlnnen insbesondere bei regelmaumlszligigem Verzehr mit einer Erhouml-hung gesundheitlicher Risiken verbunden sein

Die Bewertung des genotoxischen und kan-zerogenen Risikos erfolgt als Vergleich der Gesamtaufnahme uumlber verschiedene Tees Milch und Honig bei Kindern und Er-wachsenen auf der Basis verschiedener Ver-zehrszenarien mit dem BMDL10-Wert von

73 Mikrogramm pro Kilogramm Koumlrperge-wicht und Tag unter Berechnung des MOE Der BMDL10-Wert (Benchmark dose lower confidence limit 10) ist ein Schaumltzwert der niedrigsten Dosis die im Tierexperiment mit 95-prozentiger Sicherheit eine Krebsin-zidenz von nicht mehr als 10 Prozent ver-ursacht Alle Berechnungsansaumltze sowohl fuumlr Kinder als auch fuumlr die erwachsene Be-voumllkerung ergaben MOE-Werte deutlich unterhalb von 10000 Da nach Ansicht des Wissenschaftlichen Ausschusses der EFSA ein MOE erst ab einem Wert von mindes-tens 10000 aus Sicht der oumlffentlichen Ge-sundheit als wenig bedenklich anzusehen ist empfiehlt das BfR die Gesamtexposition mit PA aus allen Lebensmitteln so niedrig wie moumlglich zu halten und einen MOE von 10000 bei Beruumlcksichtigung der PA-Zufuhr aus allen Quellen nicht zu unterschreiten Dazu sollten die Bemuumlhungen fortgesetzt werden die PA-Gehalte in Lebensmitteln weiter zu senken

Forschungsansaumltze des BfR

Das BfR befasst sich seit einigen Jahren mit der Problematik der Verunreinigung von Lebensmitteln mit 12-ungesaumlttigten PA und verfolgt hierzu verschiedene Forschungs-ansaumltze Die Analytik der 12-ungesaumlttigten PA stellt aufgrund ihrer groszligen strukturel-len Vielfalt und des Vorkommens in unter-schiedlichen Lebensmitteln eine besondere Herausforderung dar In den letzten Jahren hat das BfR spezifische Nachweismethoden entwickelt und in Ringversuchen validiert Diese Methoden stehen auf der Homepage des BfR zur Verfuumlgung und koumlnnen z B in der Lebensmittel- und Futtermitteluumlberwa-chung eingesetzt werden

Neben der Entwicklung analytischer Me-thoden werden am BfR die molekularen Mechanismen der Toxizitaumlt von 12-unge-saumlttigten PA untersucht Hier stehen vor allem Untersuchungen zur strukturabhaumln-gigen Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber die Darmbarriere im Vordergrund Die Ergebnisse zeigen dass sich das Wirkungs-potenzial der 12-ungesaumlttigten PA aufgrund von Unterschieden im strukturabhaumlngigen Transport uumlber die Darmbarriere unter-scheiden kann Auch zeigten die getesteten Modellsubstanzen in einem Zellkulturmo-dell deutliche strukturspezifische Unter-schiede im Metabolismus Weitere Untersu-

Pflanzen die Pyrrolizidinalkaloi-de bilden finden sich vor allem in den Familien der Korbbluumltler (Asteraceae) der Raublatt- oder Borretschgewaumlchse (Boraginaceae) und der Huumllsenfruumlchtler (Faba-ceae)

22 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

chungen zu der Zerstoumlrung der sinusoidalen Endothelzellen durch 12-ungesaumlttigte PA sollen zum Verstaumlndnis der Mechanismen beitragen die zu den venookklusiven Ver-aumlnderungen in der Leber fuumlhren Auch wer-den Untersuchungen zur Metabolisierung nahrungsrelevanter Pyrrolizidinalkaloide durchgefuumlhrt Die Forschungsprojekte wer-den von der Deutschen Forschungsgemein-schaft (DFG) gefoumlrdert

Empfehlungen zur Reduktion der PA-Gehalte

Das BfR empfiehlt dass sich Management-maszlignahmen an der Vermeidung genoto-xisch-kanzerogener Effekte der 12-ungesaumlt-tigten PA als dem empfindlichsten Endpunkt orientieren Die Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA sollte fuumlr Verbrau-cherinnen und Verbraucher so gering wie moumlglich sein Dazu sollten die PA-Gehalte in Lebensmitteln so weit wie moumlglich sin-ken Dies gilt insbesondere fuumlr Kraumlutertees Rooibostee Schwarzen Tee und Gruumlnen Tee sowie bestimmte Nahrungsergaumlnzungsmit-tel Hier sollten Anbau- Ernte- und Reini-gungsmethoden weiterhin verbessert wer-den Auch die Auswahl der Rohhonige kann zu einer Reduzierung der Gehalte an 12-un-gesaumlttigten PA in verzehrfertigen Honigen beitragen Auszligerdem sind vor der Vermark-tung seitens der Lebensmittelunternehmer weiterhin Kontrollen in allen betroffenen Lebensmittelkategorien notwendig

Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das potenzielle gesundheitliche Risiko durch PA durch eine abwechslungsreiche Ernaumlh-rung verringern und so generell einseitigen Belastungen mit verschiedenen potenziell gesundheitsgefaumlhrdenden Stoffen vorbeu-gen Insbesondere fuumlr Kinder Schwangere und Stillende empfiehlt das BfR den taumlgli-chen Fluumlssigkeitsbedarf nicht ausschlieszliglich mit Kraumlutertee und Tee zu decken

Bei der Zubereitung von Salat Blattgemuumlse und Kraumlutern sollten Verbraucherinnen und Verbraucher Pflanzenteile aussortieren die sie keinen bekannten essbaren Pflanzen zu-ordnen koumlnnen

Wer Nahrungsergaumlnzungsmittel auf Pollen-basis oder auf Basis von Pflanzen einnimmt die 12-ungesaumlttigte PA bilden sollte sich bewusst sein dass diese Produkte 12-un-gesaumlttigte PA in houmlheren Konzentrationen enthalten koumlnnen

Mehr erfahrenStellungnahme Nr 0302016 des BfR vom 28 September 2016

Necinbase

Necinsaumlure

Die Struktur von PA

Chemisch handelt es sich um Ester aus einer Necinbase und aliphatischen Mono- oder Dicarbonsaumluren (Necin-saumluren) Aus toxikologischer Sicht besonders bedeutsam sind Pyrroli-zidinalkaloide mit 12-ungesaumlttigter Necinstruktur (12-ungesaumlttigte PA) Die 12-ungesaumlttigte Necinstruktur als gemeinsames Strukturmerkmal erlaubt grundsaumltzlich die Giftung durch Oxidation zum Dehydropyrrolizidin das durch seine alkylierenden Eigenschaf-ten fuumlr die genotoxische und karzino-gene Wirkung dieser Substanzgruppe verantwortlich ist

copy R

ukiM

edia

shu

tters

tock

com

copy J

iri H

era

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

23012017

Im suumldlichen Afrika spielt die Landwirt-schaft eine Schluumlsselrolle bei der Armuts-bekaumlmpfung Eine wachsende Produktion tierischer Lebensmittel bringt jedoch auch neue Herausforderungen an die Lebensmit-telsicherheit mit sich Das BfR-Forschungs-projekt bdquoSAD-Zambialdquo (bdquoStaphylococcus aureus in der Milchlebensmittelkette in Sambia ndash Bekaumlmpfung lebensmittelbeding-ter Erkrankungen und Antibiotikaresisten-zen beim Menschldquo) befasst sich damit wie die Produktion und der Vertrieb von Milch und Milchprodukten in Sambia sicherer gestaltet werden koumlnnen Ziel ist es zu be-werten in welchem Umfang das Bakterium Staphylococcus (S) aureus uumlber Milch und Milchprodukte auf den Menschen uumlbertra-gen wird In einem ersten Schritt werden Feldstudien in verschiedenen Provinzen des Landes durchgefuumlhrt um das Vorkommen dieses Erregers und moumlgliche Schwachstel-len in der Milchlebensmittelkette in Sambia zu analysieren Hierbei stehen Toxin-bil-dende S aureus-Staumlmme im Fokus Auszliger-dem wird untersucht in welchem Umfang Methicillin-resistente S aureus (MRSA) die gegen eine bestimmte Klasse von Antibio-tika resistent sind in der Milchlebensmit-

telkette vorkommen Die Bewertungsarbeit beinhaltet auch einen Vergleich traditio-neller und moderner Produktionssysteme Am BfR werden anschlieszligend die Analysen zu den Eigenschaften der gewonnenen Bakterienstaumlmme sowie stammvergleichen-de Untersuchungen durchgefuumlhrt In einem weiteren Schritt werden Ansatzpunkte zur Reduzierung der Bakterien sowie Methoden zum Monitoring von zoonotischen und An-tibiotika-resistenten S aureus in der Milch-lebensmittelkette in Sambia entwickelt So soll zum Verstaumlndnis der lebensmittelbe-dingten Risiken entlang der Milchlebens-mittelkette in Sambia beigetragen werden Das Projekt begann am 01072016 und laumluft drei Jahre Es wird vom Bundesminis-terium fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft gefoumlrdert und aus BfR-Mitteln co-finanziert Neben dem BfR beteiligen sich an dem For-schungsprojekt das International Livestock Research Institute die University of Zambia und das Central Veterinary Research Insti-tute als Teil des sambischen Ministeriums fuumlr Nutztiere und Fischerei Durch dieses Forschungsnetzwerk soll eine nachhaltige Partnerschaft aufgebaut werden

Mit dem Forschungsprojekt bdquoSAD-Zambialdquo leistet das BfR einen Beitrag zur Staumlrkung der Lebensmittelsicherheit und damit zur Ernaumlhrungssicherheit im suumldlichen Afrika Koordinatorin des Projekts ist Frau Dr Alexandra Fetsch Der sambische Doktorand Herr Bruno Phiri berichtet von seiner alltaumlglichen Arbeit Beide arbeiten in der Fach-gruppe bdquoMikrobielle Toxineldquo des BfR

POST AUS hellipSAMBIA

raquobdquoDas SAD-Zambia Projekt ist fuumlr mich ein Meilenstein und ich bin dem BfR sehr dankbar dass es mir diese Moumlglichkeit gibt Ich habe schon viel dazugelernt und konnte meine Kompetenzen bezuumlglich der Diagnose von Krankheitserregern verbessern Das Projekt bringt mich aber nicht nur persoumlnlich voran auch mein Land kann davon profitieren Mein Arbeitsalltag beginnt meist mit einem Besuch bei den Milchbauern und ihren Herden Dort schaue ich mir an wie die Kuumlhe gemolken werden und nehme Proben von den Tieren der Milch und der Umge-bung Auch in Milchsammelstellen und auf Maumlrkten nehme ich Proben Diese analysiere ich anschlieszligend im Labor an der Universitaumlt Schon jetzt freue ich mich auf die weiteren Untersuchungen der Bakterienstaumlm-me am BfR Ich war zu Beginn des Projektes dort ndash eine sehr eindrucks-volle Erfahrungldquo

(Bruno Phiri)

copy a

stud

ios

hutte

rsto

ckc

om

copy B

fR

24 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

Algengift in Tropenfischen

Bisher traten Lebensmittelvergiftungen durch Ciguato-xin ndash einem Algentoxin das in tropischen Speisefischen wie Barrakuda Schnapper oder Zackenbarsch enthalten sein kann ndash vorwiegend in den Tropen auf Mit dem zunehmenden Import von Fischen aus Suumldostasien haumlufen sich auch in Europa und seit 2012 in Deutschland Faumllle von Ciguatera Ein Problem dabei Eine Analyse-methode mit der Fisch routinemaumlszligig auf Ciguatoxine untersucht werden kann ist derzeit noch nicht verfuumlgbar Da weltweit nur wenige Labore auf den Nachweis von Ci-guatoxinen in Fischen spezialisiert sind wird im Projekt bdquoEuroCigualdquo der Europaumlischen Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit (EFSA) unter anderem an der Verbesserung entsprechender Analysemethoden und zum Vorkommen ciguatoxischer Fische in Europa geforscht Das BfR liefert fuumlr das Projekt Angaben zu Erkrankungsfaumlllen in Deutschland Die krankmachenden Algentoxine reichern sich uumlber die Nahrungskette in Raubfischen an und sind uumlberaus stabil Durch Erhitzen oder Tiefkuumlhlen lassen sie sich nicht entfernen Beim Menschen kann der Verzehr betroffener Fische dann zu Vergiftungen mit zum Teil schweren oder andauernden Beeintraumlchtigungen des Nervensystems fuumlhren An Ciguatera Erkrankte nehmen normale Kaumlltereize als ungewoumlhnlich schmerzhaft wahr

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt A-Z-Index Ciguatoxin

Alkaloide in Lupinensamen

In verarbeiteten Produkten oder zum Knabbern Lupinensamen sind im Trend Da sie jedoch toxikologisch relevante bittere Chinolizidinalkaloide enthalten koumlnnen bewertet das BfR ihr gesundheitliches Risiko Der Gehalt an Chinolizi-dinalkaloiden in Lupinensamen variiert je nach botanischer und geografischer Abstammung Samen die von bdquoBitterlupinenldquo stammen sind aufgrund ihrer houmlheren Gehalte ohne geeignete Vorbehandlung der bdquoEntbitterungldquo nicht zum Verzehr geeignet Denn Sie koumlnnen beim Menschen Vergiftungssymptome her-vorrufen Lupinenvarietaumlten die Samen mit niedrigen Alkaloidgehalten liefern werden als bdquoSuumlszliglupinenldquo bezeichnet Suumlszliglupinensamen sind auch ohne Entbitte-rung verzehrsfaumlhig In Deutschland kam es mit Bitterlupinensamen vereinzelt zu Vergiftungsfaumlllen Das BfR empfiehlt Herstellern daher nur ganze Lupinensamen in den Verkehr zu bringen die ohne weitere Entbitterungsprozesse verzehrsfaumlhig sind Mehl aus Lupinensamen sollten Hersteller aus alkaloidarmen oder ausrei-chend entbitterten Samen herstellen

Uumlbertragungswege des Hepatitis-E-Virus

Infektionen mit dem Hepatitis-E-Virus (HEV) koumlnnen zu einer akuten Leberentzuumlndung fuumlhren In den letzten Jahren sind die Zahlen gemeldeter Hepatitis-E-Faumllle des Menschen in Deutsch-land stark angestiegen Forschungsergebnisse des BfR in Zusam-menarbeit mit anderen Einrichtungen haben gezeigt dass das Virus in deutschen Haus- und Wildschweinen weit verbreitet ist Vereinzelt wurde HEV auch in Rehen und Rotwild nachgewiesen

Unklar ist derzeit noch auf welchen Wegen sich die Patienten mit dem Virus anstecken Moumlglich sind direkte Virusuumlbertra-gungen zum Beispiel vom Wildtier auf den Jaumlger und indirekte uumlber Lebensmittel die aus infizierten Tieren hergestellt wurden Wie aktuelle Studien des BfR zeigen kann HEV in verschiedenen Wurstwaren aus dem deutschen Einzelhandel nachgewiesen wer-den Fraglich ist ob das Virus in diesen Produkten noch anste-ckend ist oder ob es bei der Herstellung der Lebensmittel zerstoumlrt wird Hierfuumlr noumltige Untersuchungen waren in der Vergangenheit erschwert da sich HEV im Labor nur schlecht kultivieren lieszlig Erste Ergebnisse von Untersuchungen mithilfe eines am BfR ent-wickelten neuartigen Zellkultur-Systems weisen darauf hin dass HEV hitzeempfindlich ist aber bei Kuumlhlung oder Raumtempera-tur mehrere Wochen infektioumls bleiben kann

SPEKTRUM

copy N

eil B

urto

nsh

utte

rsto

ckc

om

copy N

atal

ia M

ylov

ash

utte

rsto

ckc

om

copy iS

tock

com

Mee

Poo

hyap

hoto

25012017

bdquoNur eine gemeinsame Strategie ist effektivldquo

Frau Kaumlsbohrer ein zentrales Thema Ihrer Forschung sind Antibiotikaresis-tenzen In der oumlffentlichen Debatte wird oft ein Zusammenhang hergestellt zwi-schen dem haumlufigen Einsatz von Anti-biotika in der Nutztierhaltung und dem Auftreten resistenter Bakterien in der Humanmedizin Doch werden bei Tieren nicht andere Antibiotika eingesetzt als bei MenschenUm die Unterschiede zu erlaumlutern muss man zwischen Praumlparaten und den antibiotischen Wirkstoffgruppen unterscheiden Beim Tier verwenden Veterinaumlrmediziner ande-re Praumlparate als Aumlrzte beim Menschen Der wirksame Inhaltsstoff das Antibiotikum kann aber dasselbe sein Die Antibiotika lassen sich wiederum in Wirkstoffgruppen einteilen Mit Blick auf die Wirkstoffgrup-pen gilt Die meisten Antibiotika die beim Menschen eingesetzt werden gehoumlren zu Wirkstoffgruppen die wir auch in der Vete-rinaumlrmedizin nutzen Es gibt nur ganz weni-ge Antibiotikagruppen die nur auf der einen oder der anderen Seite verwendet werden Dazu gehoumlren zum Beispiel die Carbapene-me die nicht beim Nutztier eingesetzt wer-den duumlrfen In der Humanmedizin kommen sie insbesondere zum Einsatz wenn andere Antibiotika nicht mehr wirksam sind

bdquoEine Resistenz ge-gen einen bestimm-ten Wirkstoff kann sich auch ausbrei-ten obwohl diese Wirkstoffgruppe nicht eingesetzt wurde

Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer leitet am BfR die Fachgruppe bdquoEpide-miologie Zoonosen und Antibiotika-resistenzldquo die unter anderem auch das Nationale Referenzlabor fuumlr Antibiotika- resistenzen umfasst Seit April 2016 ist sie auszligerdem Professorin an der Vetmeduni Vienna und leitet dort das Institut bdquoOumlffentliches Veterinaumlrwesenldquo

Wenn sie beim Nutztier nicht eingesetzt werden duumlrfen wie kann es dann sein dass Sie am BfR im Rahmen des For-schungsprojekts RESET Carbapene-mase-bildende Bakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden gefunden habenDie Entstehung von Antibiotikaresistenzen ist ein natuumlrlicher Vorgang bei Bakterien Durch den Gebrauch von Antibiotika wird dieser Prozess beschleunigt Eine Resistenz gegen einen bestimmten Wirkstoff kann sich auch ausbreiten obwohl diese Wirk-stoffgruppe nicht eingesetzt wurde Dank der Selektion gilt meist Wenn ich einen Wirkstoff einsetze gebe ich jenen Bakterien einen Vorteil die gegen den Wirkstoff resis-tent sind Aber Carbapenemasen also die Enzyme die von Carbapenem-resistenten Bakterien gebildet werden koumlnnen neben den Carbapenemen auch fast alle anderen

Bakterien die gegen Antibiotika resistent sind stellen ein Risiko fuumlr die oumlffentliche Gesundheit dar Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer widmet sich am BfR dieser Problematik Im Gespraumlch erklaumlrt sie welche Faktoren bei der Ausbreitung von Resistenzen eine Rolle spielen

copy M

icha

el B

ernk

opf

Vetm

edun

i Vie

nna

26 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

β-Laktam-Antibiotika inaktivieren Theo-retisch ist es daher moumlglich dass sich eine Resistenz gegen Carbapeneme ausbreitet obwohl der Tierarzt beim Nutztier eine an-dere Wirkstoffgruppe eingesetzt hat Ist die Resistenz bei Bakterien vorhanden gibt es viele Ausbreitungswege Ein Stall ist kein steriler Ort sondern belebte Umwelt Moumlg-liche Eintragswege fuumlr resistente Bakterien in einen Stall sind z B belebte Vektoren wie neu eingestallte Tiere Maumluse Fliegen oder Voumlgel aber auch unbelebte Vektoren wie Futter Wasser Staub oder Geraumltschaften

Was hat sich seit dem Fund der Carba-penemase-bildenden Enterobakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden fuumlr Ihre Arbeit beim BfR geaumlndert Der Fund hatte vielfaumlltige Konsequenzen Wir haben vor allem die gezielten Untersu-chungsaktivitaumlten verstaumlrkt Bakterien-Iso-late aus Tierbestaumlnden und Lebensmitteln werden seit 2014 im Rahmen des Resistenz-monitorings im BfR routinemaumlszligig auf eine Carbapenem-Resistenz getestet Auszligerdem steht seit 2015 fuumlr den Nachweis von Carba-penemase-bildenden Bakterien ein weiteres gezieltes Nachweisverfahren zur Verfuumlgung Hierzu muumlssen die Labore geschult werden Zusaumltzlich werden im Nationalen Refe-renzlabor fuumlr Antibiotikaresistenz am BfR Carbapenemase-verdaumlchtige Bakterien auf die charakteristischen Resistenzgene hin un-tersucht Am BfR wurden hierfuumlr verschie-dene Methoden fuumlr die Untersuchung von E coli und Salmonella etabliert Bisher wur-den sehr selten solche Resistenzgene nach-gewiesen bei Nutztieren das Gen blaVIM-1 bei einem Wildvogel das Gen blaNDM-1

Oftmals sind die Resistenzgene gegen Carbapeneme zusammen mit anderen Resistenzgenen auf mobilen geneti-schen Elementen lokalisiert Warum ist hier besondere Vorsicht gebotenZunaumlchst ist die Trefferwahrscheinlichkeit fuumlr eine Selektion houmlher wenn mehrere Re-sistenzgene auf einem genetischen Element liegen d h der Einsatz verschiedener Anti-biotika kann zu einem Selektionsvorteil fuumlh-ren Die Lokalisation von Resistenzgenen auf mobilen genetischen Elementen spielt fuumlr die Uumlbertragbarkeit von Resistenzen eine wichtige Rolle Denn Diese Resistenzgene koumlnnen mittels horizontalem Gentransfer auf ganz unterschiedliche Bakteriengruppen uumlbertragen werden Diese Erkenntnis hat eine Art Revolution ausgeloumlst Lange Zeit wurde ein Erreger mit all seinen Eigenschaf-ten als Einheit betrachtet Kann die Resis-tenz aber zwischen Bakteriengruppen hin

und her uumlbertragen werden verfaumllscht das moumlglicherweise den Blick auf eine Gruppe Folglich mussten die Nachweisverfahren umgestellt und die Uumlbertragbarkeit von Re-sistenzen mit analysiert werden Erschwe-rend kommt hinzu dass ein Resistenzgen auf einem grundsaumltzlich ungefaumlhrlichen

Bakterium zum Problem werden kann Manche Bakterien wie beispielsweise E coli gehoumlren zur normalen Darmflora Traumlgt so ein Bakterium eine Resistenzeigenschaft ist das erstmal nicht gefaumlhrlich Aber Es kann diese Eigenschaft moumlglicherweise an einen Infektionserreger weitergeben

Welche konkreten Folgen kann eine solche Weitergabe von Resistenzeigen-schaften habenSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt Schon jetzt weichen Aumlrzte auf Wirk-stoffgruppen aus die in der Humanmedizin lange verpoumlnt waren Dies gilt zum Beispiel fuumlr Colistin Fuumlr den Menschen ist es nicht gut vertraumlglich moumlgliche Nebenwirkun-gen sind beispielsweise die Schaumldigung der Nieren oder des Nervensystems In der Ve-terinaumlrmedizin hat Colistin seit Jahrzehnten eine erhebliche Bedeutung vor allem fuumlr die Behandlung von Infektionen des Ma-gen-Darm-Traktes bei Nutztieren auch um andere Wirkstoffgruppen zu vermeiden

Spielt im Fall von Colistin die Mobilitaumlt des Resistenzgens auch eine besonde-re Rolle Inzwischen ja Bis Ende 2015 waren sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler einig Eine Colistin-Resistenz ist nicht uumlbertragbar Das heiszligt kommt eine solche Resistenz bei einem Infektionserreger beim Nutztier vor ist sie nicht per se auf ein hu-manpathogenes Bakterium uumlbertragbar Doch Ende 2015 wurde in China erstmals das uumlbertragbare Gen mcr-1 beschrieben Untersuchungen in Belgien haben spaumlter zur Beschreibung eines weiteren mobilen Gens fuumlr die Colistin-Resistenz bei Nutztieren

bdquoSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

27012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Ausbreitung von Resistenzen

Haustiere

Krankenhaus

Belastetepflanzliche Lebensmittel

Belastete tierische Lebensmittel

Nutztiere

Futtermittel

Schaumldlinge

Uumlbertragungswege resistenter Bakterien

Menschen

Eine Antibiotikaresistenz entsteht

(z B durch Mutation)

Antibiotikatherapie beguumlnstigt die

Selektion resistenter Bakterien

Nahrung

Duumlnger Abwasser

Abwasser

28 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

gefuumlhrt mcr-2 Das bedeutet eine Uumlbertra-gung der durch diese Gene vermittelten Re-sistenz auf ein humanpathogenes Bakterium ist theoretisch moumlglich Allerdings scheint dies bisher selten der Fall zu sein

Diese Erkenntnisse offenbaren einen groszligen Forschungsbedarf Was tun Sie in der Abteilung bdquoBiologische Sicher-heitldquo um das Risiko zu bewerten Als 2015 klar wurde dass es eine uumlbertrag-bare Colistin-Resistenz gibt haben wir diese neue Erkenntnis in den laufenden Projekten natuumlrlich sofort aufgegriffen Im Rahmen des Forschungsprojekts RE-SET haben wir zum Beispiel vorhandenes Bakterienmaterial und die bei unseren Ko-operationspartnern verfuumlgbaren Gesamt-genominformationen auf das Vorkommen dieses neuen Resistenzgens gepruumlft Schnell war klar Ja dieses Gen finden wir in den Sequenzen Und die Pruumlfung von Colis-tin-resistenten Isolaten aus unserer Stamm-sammlung hat bestaumltigt dass dieses Resis-tenzgen bereits weit verbreitet ist

Muumlssen nun neue Forschungsprojekte zu dem Thema initiiert werdenJa denn viele Fragen bleiben bislang offen Wie haumlufig wird die Resistenz tatsaumlchlich uumlbertragen Was triggert diese Uumlbertra-gung Es gibt auch diagnostische Probleme Das uumlbliche Verfahren in der Humanmedi-zin um Resistenzen zu testen umfasst in der Regel nicht die Resistenz gegen Colistin Es gibt also viel zu tun Neue Diagnose- und Typisierungsverfahren aufbauen unser Re-sistenzmonitoring erweitern und routine-maumlszligig phaumlnotypisch resistente Isolate auf das Gen pruumlfen Die Ergebnisse muumlssen wir dann uumlbergreifend bewerten um Hand-lungsoptionen aufzuzeigen

Welche Uumlbertragungswege spielen bei der Colistin-Resistenz fuumlr den Men-schen eine Rolle Mit Sicherheit koumlnnen wir das derzeit nicht sagen Die chinesische Arbeitsgruppe hat Colistin-Resistenzen sowohl im Schweine-fleisch als auch beim Menschen gefunden Daher liegt die Hypothese nahe dass es eine Uumlbertragung uumlber Lebensmittel gibt Gleichzeitig gibt es generell die Beobachtung von nosokomialen Ausbreitungen resisten-ter Bakterien Das sind Ausbreitungen von Antibiotikaresistenzen im Krankenhaus

Resistenzen breiten sich aus Wunder-waffen verlieren ihre Wirkung selbst im Krankenhaus sind wir nicht sicher Gibt es uumlberhaupt eine effiziente Strategie gegen die Ausbreitung der Antibiotika- resistenzen Und wer ist dabei gefor-dertUm die Ausbreitung von Antibiotika- resistenzen zu verhindern braucht es eine gemeinsame Strategie Schlieszliglich sind hier komplexe Zusammenhaumlnge zwischen Mensch Tier und Umwelt am Werk Am BfR streben wir deswegen eine enge Zu-sammenarbeit mit allen Akteuren im oumlffent-lichen Gesundheits- und Veterinaumlrwesen an Bei diesem bdquoOne Health-Ansatzldquo sind sowohl Veterinaumlr- als auch Humanmedizi-ner gefordert Auch Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

Was sollten Verbraucherinnen und Ver-braucher beachtenHier gelten dieselben Hygieneregeln die auch fuumlr andere vom Tier oder vom Le-bensmittel auf den Menschen uumlbertragba-re Krankheitserreger gelten Zum Beispiel sollten sie sich nach dem Kontakt mit Tie-ren die Haumlnde mit warmem Wasser und Seife waschen Auch nach der Zubereitung von rohem Fleisch sollten die Haumlnde gruumlnd-lich gewaschen werden Fleisch Eier und Rohmilch sollten vor dem Verzehr durcher-hitzt werden Rohkost und Obst sollten vor dem Verzehr gruumlndlich mit Trinkwasser gewaschen oder geschaumllt werden Weiterhin wichtig ist den direkten oder indirekten Kontakt von rohem Fleisch und rohen Ei-ern mit verzehrfertigen Speisen die spaumlter nicht mehr erhitzt werden zu vermeiden Durch die Einhaltung der Hygieneregeln kann man einer Uumlbertragung von resisten-ten und oder pathogenen Bakterien auf an-dere Lebensmittel vorbeugen

Mehr erfahren Irrgang et al 2017 Recurrent detection of VIM-1-producing Escherichia coli clone in German pig production Journal ofAntimicrobial Chemotherapy 72 3 944ndash946

bdquoVerbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

RESET

Der Forschungsverbund RESET ndash Antibiotika-Resistenzen bei Tier und Mensch ndash beschaumlftigte sich von 2010 bis 2017 mit Resistenzen gegen die besonders wichtigen Antibiotika-Klas-sen der β-Laktam-Antibiotika und (Fluor-)Chinolone bei Darmbakterien wie Escherichia (E) coli Sind Bak-terien gegen beide Wirkstoffklassen resistent werden die therapeutischen Moumlglichkeiten drastisch eingeschraumlnkt Bei E coli und Salmonella enterica wurden derartige Resistenzen bereits nachgewiesen Das BfR beteiligte sich mit zwei Projekten an dem Forschungs-verbund Durch das konsequente Zusammenfuumlhren von Ergebnissen der unterschiedlichen Forschungsgebiete in einer gemeinsamen Datenbank konnten Erkenntnisluumlcken geschlossen und Risiken bewertet werden Das Projekt wurde vom Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) gefoumlrdert

29012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Kann es durch die Mischung verschiedener Pestizid-Ruumlckstaumlnde beim taumlglichen Verzehr zu gesundheitsgefaumlhrdenden Belastungen kommen

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

30 BfR 2 GO

Wenn von Paradigmenwechseln die Rede ist findet meist ein grundlegendes Umdenken statt In der Risikobewertung von Chemikalien habe ein Paradigmenwechsel stattge-

funden der die traditionelle Einzelsubstanz-Bewertung hinter sich lasse schrieben BfR-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler vor einiger Zeit Man koumlnnte meinen in der Toxikologie wird der Paracelsus-Satz kuumlnftig umgeschrieben Nicht nur die Dosis son-dern auch die Aufsummierung der Dosierungen in einer Mischung macht das Gift

Gift- oder Todescocktail ndash plakative Medienbegriffe

Denn tatsaumlchlich In den letzten Jahren beschaumlftigen sich weltweit immer mehr Gremien politische Ausschuumlsse und Forschungspro-jekte mit der Frage wie man die Auswirkungen von Mischungen auf Umwelt und Gesundheit kuumlnftig bewerten kann Auch in der Oumlffentlichkeit wird das Thema emotional verhandelt Chemikali-enmix Gift- oder sogar Todescocktail ndash mit plakativen Begriffen umschreiben Medien das Phaumlnomen der Mehrfachruumlckstaumlnde Entsprechend tief sitzt die Angst bei Verbraucherinnen und Ver-brauchern In einer vom BfR in Deutschland durchgefuumlhrten re-praumlsentativen Wahrnehmungsstudie vermuten 80 Prozent der Befragten dass der Einsatz mehrerer unterschiedlicher Pflanzen-schutzmittel zu gesundheitlichen Beeintraumlchtigungen durch Le-bensmittel fuumlhren kann

Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck sein

Zwar zeigen verschiedene aktuelle Monitoring-Projekte dass das gesundheitliche Risiko durch Mehrfachruumlckstaumlnde von Pflanzen-schutzmitteln unwahrscheinlich ist (s Interview) aber das Thema bleibt auch fuumlr die Wissenschaft draumlngend Denn auch wenn Mi-schungen schon seit Jahrzehnten wissenschaftlich analysiert und bewertet werden das Beduumlrfnis nach einer zuverlaumlssigen Bewertung der Risiken fuumlr Mensch und Umwelt steigt Grund dafuumlr ist zum einen die Vielzahl immer neuer Wirkstoffe Zusatzstoffe Chemika-lien Ruumlckstaumlnde und Kontaminanten gegenuumlber denen Menschen exponiert sind verbunden mit immer verfeinerten wissenschaftli-chen Nachweismethoden Zum anderen steigt der Druck aus der Oumlffentlichkeit Um wissenschaftliche Divergenzen zu vermeiden muumlssen transparente und international harmonisierte Verfahren entwickelt werden Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck in der Risikobewertung sein

Alle Gemische im Tierversuch zu testen ist nicht durchfuumlhrbar

Worum geht es im Einzelnen Mischungen liegen immer dann vor wenn ein Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt verschiedene Stoffe gleichzeitig aufnimmt z B Ruumlckstaumlnde Kontaminanten oder Chemikalien die nach der Europaumlischen Chemikalienverordnung REACH registriert sind Das geschieht wenn sogenannte intentional mixtures also beabsichtigte Mischungen wie Pflanzenschutzmittel oder Biozide in den Verkehr gebracht werden Aber auch unintenti-onal mixtures nimmt der Koumlrper auf Sei es dass verschiedene Stoffe in einem Produkt enthalten sind z B mehrere Pflanzenschutzmit-telruumlckstaumlnde in einem Apfel Oder sei es dass Stoffe gleichzeitig uumlber unterschiedliche Produkte aufgenommen werden In all diesen Faumlllen koumlnnen Mischungseffekte auftreten Diese sind je nach Wirk-mechanismus unterschiedlich stark ausgepraumlgt So koumlnnen sich die Wirkungen von Stoffen gegenseitig potenzieren oder auch aufheben Nach derzeitigem Kenntnisstand wird davon ausgegangen dass sich Wirkungen in der Regel addieren wenn die aufgenommenen Stoffe oberhalb der Wirkschwelle liegen den gleichen Wirkmechanismus haben und zu einem relevanten Zeitpunkt vom Organismus aufge-nommen wurden

Hier beginnen die Schwierigkeiten Es gibt zu viele intentional mix-tures die eine nahezu unuumlbersehbar groszlige Anzahl von Kombinati-onen ermoumlglichen Diese Gemische alle im Tierversuch zu testen wie sonst bei Einzelsubstanzen uumlblich waumlre sowohl ethisch nicht zu vertreten als auch praktisch nicht durchfuumlhrbar Daher arbeiten viele Forschungsprojekte u a der EU-Kommission daran tierversuchs-freie Methoden fuumlr die kumulative Bewertung zu entwickeln die die Effekte von Mischungen in vitro oder durch computergestuumltzte Be-rechnungen in silico berechnen (s Interview und Kasten)

Weltweit setzen Laumlnder das Thema auf ihre Agenda

Nicht nur fuumlr die Wissenschaft auch fuumlr den harmonisierten Voll-zug von Gesetzen ergeben sich dadurch neue Herausforderungen So schreibt z B die EU-Verordnung uumlber das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vor Kumulations- und Synergieeffekte zu be-ruumlcksichtigen ndash sofern es von der Behoumlrde anerkannte wissenschaft-liche Methoden zur Messung solcher Effekte gibt Doch die lagen bisher nicht vor Deshalb werden nun auf allen Ebenen technische Leitfaumlden fuumlr die neuen Methoden erstellt um eine harmonisierte

Auf die Mischung kommt es anKumulative Risikobewertung nimmt weltweit eine immer groumlszligere Bedeu-tung in der Toxikologie ein Das BfR arbeitet an einer Vielzahl von Projek-ten wie Mischungen in Zukunft bewertet werden koumlnnen

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

31012017

Vorgehensweise und transparente Nachvollziehbarkeit bei der Zu-lassung von Produkten zu gewaumlhrleisten Unter anderem die EFSA die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmittelsicherheit die Europauml-ische Chemikalienagentur ECHA und das JRC die Gemeinsame Forschungsstelle der Europaumlischen Kommission erarbeiten solche technischen Leitfaumlden

Neben der wissenschaftlichen Komplexitaumlt muumlssen diese techni-schen Leitfaumlden weitere Herausforderungen meistern Sie sollen fuumlr alle Bereiche gelten in denen Mischungen in Verkehr gebracht werden oder entstehen koumlnnen Bisher wurden Mischungen haumlufig nur in einem regulatorischen Bereich untersucht z B als Pflan-zenschutzmittel Biozid oder Arzneimittel Fuumlr andere Stoffe wie Lebensmittelzusatzstoffe oder Kontaminanten war die Bewertung von Mischungen bisher nicht klar gesetzlich reguliert In Zukunft sollen auch diese Stoffe bei einer Bewertung von Mischungen besser beruumlcksichtigt werden Auch soll nicht nur die chemische Zusam-mensetzung eines einzelnen Produktes systematisch bei der Zu-lassung beruumlcksichtigt werden sondern auch Mehrfachruumlckstaumlnde im gesamten Warenkorb den Verbraucherinnen und Verbraucher durchschnittlich zu einer gegebenen Zeit konsumieren Und zu gu-ter Letzt muumlssen die neuen Verfahren weltweit harmonisiert werden um das kumulative Risiko fuumlr Mensch und Umwelt auch angesichts globaler Warenketten gering zu halten Deshalb diskutieren Politik und Wissenschaft zurzeit nicht nur auf europaumlischer Ebene entspre-chende Leitfaumlden auch andere Laumlnder weltweit sowie die Weltge-sundheitsorganisation WHO und die Organisation fuumlr wirtschaftli-che Zusammenarbeit und Entwicklung OECD haben die kumulative Bewertung auf ihre Agenda genommen und stimmen ihre Guidance Documents mit den uumlbrigen Behoumlrden ab

Deutschland wendet die kumulative Bewertung schon an

Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR sind an zahlreichen dieser internationalen Projekte beteiligt sowohl an der wissenschaftlichen Erforschung kumulativer Effekte als auch an der Entwicklung technischer Leitfaumlden Einen wichtigen Schritt bei der kumulativen Bewertung hat Deutschland in der Europaumlischen Uni-

Stufe um Stufe zu einer gesicherten Bewertung

Seit Maumlrz 2017 wird in Deutschland eine Methodik fuumlr die Bewertung von Kumulations- und Synergie-effekten bei der gesundheitlichen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln in den Zulassungsverfahren angewandt Grundlage fuumlr das gestufte kumulative Bewertungsverfahren ist der sogenannte bdquoHazard Quotientldquo (HQ) der fuumlr jeden einzelnen Stoff ermit-telt wird Der HQ errechnet sich aus dem Verhaumlltnis zwischen dem relevanten gesundheitlichen Grenz-wert und der geschaumltzten Exposition

In einer ersten Stufe wird der HQ fuumlr alle Stoffe eines Gemisches einzeln ermittelt Liegt der HQ jedes Stoffes unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko fuumlr die einzelnen Bestandteile der Mischung zu erwarten Liegt dieser bei einzelnen Stoffen uumlber 1 wird gepruumlft ob die Exposition durch geeignete Maszlignahmen weiter vermindert werden kann zum Beispiel durch das Tragen entsprechender Schutz-kleidung

Liegt der HQ fuumlr alle Komponenten unter 1 wird in einer zweiten Stufe der sogenannte bdquoHazard Indexldquo (HI) des Gemisches ermittelt indem alle Gefahren-quotienten der verwendeten Stoffe addiert werden Liegt der ermittelte Wert weiterhin unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko durch das Gemisch zu erwarten

Liegt der HI uumlber 1 geht die Bewertung mit weiter verfeinerten Methoden in die dritte Stufe uumlber In dieser wird gepruumlft ob ein gesundheitliches Risiko vorliegt wenn eine Gruppierung der Einzelstoffe vorgenommen wird Dazu koumlnnen die einzelnen Stoffe in kumulative Bewertungsgruppen (cumula-tive assessment groups CAGs) eingeteilt werden die z B nach Effekten im gleichen Zielorgan oder nach dem gleichen Wirkmechanismus oder nach chemischer Verwandtschaft definiert sein koumlnnen Hintergrund dieser Einteilung ist die Annahme dass sich nach gegenwaumlrtigem Kenntnisstand nur Effek-te addieren die hinsichtlich der Zielorgane oder der Wirkmechanismen (MOA) vergleichbar sind Auch die relative Potenz der einzelnen Stoffe soll bei der verfeinerten Bewertung beruumlcksichtigt werden Liegt der HI innerhalb einer CAG unter 1 ist deshalb kein gesundheitliches Risiko zu erwarten Liegt er oberhalb des Wertes und koumlnnen weder Expositionsschaumltzung noch Gefahrenbewertung weiter verfeinert werden gilt das Gemisch als nicht sicher

Das mehrstufige Verfahren hat den Vorteil dass die ressourcenaufwendigeren Methoden zur verfei-nerten Bewertung z B in vergleichbaren CAGs oder MOAs nur zum Einsatz kommen wenn mit den ersten einfacheren Bewertungsmethoden nicht nachweisbar ist dass kein gesundheitliches Risiko zu erwarten ist

copy T

atom

mis

tock

com

32 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

EuroMix A tiered strategy for risk assessment of mixtures of multiple chemicals

EuroMix ist ein laumlnderuumlbergreifendes Projekt der EU-Kommission das die nie-derlaumlndische Behoumlrde fuumlr Gesundheit und Umweltschutz RIVM koordiniert Es zielt darauf ab eine tierversuchsfreie experi-mentelle Test-Strategie zu entwickeln um die Toxizitaumlt von Gemischen verschiedener toxikologisch relevanter Lebensmittelin-haltsstoffe Lebensmittelkontaminanten und Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde besser zu bestimmen Aus den Forschungsergeb-nissen wird ein Leitfaden fuumlr die kuumlnftige Umsetzung einer experimentellen Test-Stra-tegie entwickelt Das Acht-Millionen-Eu-ro-Projekt laumluft bis Mai 2019

Mehr erfahren wwweuromixprojecteu

Kombinationseffekte Forschungsprojekte des BfR

Am BfR werden in verschiedenen Abteilungen mehrere interne Forschungsprojekte zu Kombinationseffekten durch-gefuumlhrt Dazu gehoumlren u a Forschungsprojekte zu kumulativen Wirkungen in Pflanzenschutzmitteln und Bioziden zu Mehrfachruumlckstaumlnden in Lebensmitteln zur Expositionsschaumltzung sowie zu wirbeltierfreien Alternativmethoden Daruumlber hinaus ist und war das BfR auch an folgenden Drittmittel-Projekten beteiligt die zu Kombinationseffekten forschen

Combiomics Analyse von Kombinationseffekten von Pestiziden in vitro

Combiomics war ein zweieinhalbjaumlhri-ges Projekt des Bundesministeriums fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) das im Fruumlhling 2016 abgeschlossen wurde In dem vom BfR koordinierten Projekt wurden moumlgliche Kombinationswirkungen durch Mehrfachruumlckstaumlnde beispielhaft anhand einer Gruppe von Fungiziden in vitro unter-sucht Dazu wurden die molekularen Effek-te der Triazole mittels multi level omics und praumldiktiver mathematischer Modellierung untersucht Ausgehend von den Ergebnissen wurde ein Praumldiktionsmodell fuumlr Substanz-kombinationen erstellt validiert und auf Pestizide anderer Stoffgruppen bzw weitere Substanzklassen ausgedehnt um Kombi-nationseffekte kuumlnftig weitgehend ohne Tierversuche durchfuumlhrbar zu machen

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschung gt Drittmittelprojekte gt Combiomics

Combiomics 2Auch die zweite Projektphase von Com-biomics wird vom BfR koordiniert Hier sollen erfolgreich getestete Methoden und Zelllinien in Form einer standardisierten In-vitro-Testbatterie validiert und in ein Standardverfahren integriert werden das auch kuumlnftigen regulatorischen Anforde-rungen entspricht Das dreijaumlhrige Projekt wird vom BMBF bis Ende 2019 gefoumlrdert

Mehr erfahren wwwfisaonlinede gt Kombinationseffekte Pestizide

on schon jetzt unternommen Am 1 Maumlrz 2017 erschien im Bundesanzeiger eine Be-kanntmachung dass Kumulations- und Synergieeffekte in der gesundheitlichen Be-wertung von Pflanzenschutzmitteln kuumlnf-tig durch das BfR beruumlcksichtigt werden Damit bezieht Deutschland bei der zonalen Zulassung von Pflanzenschutzmitteln eine systematische kumulative Bewertung ein

Ein Leitfaden zur kumulativen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln wurde am BfR erarbeitet basierend auf den internatio-nalen Diskussionen bei EFSA und ECHA und 2014 veroumlffentlicht Seitdem wird das Verfahren am BfR angewandt uumlberpruumlft und verfeinert Im Kern geht es darum in einem mehrstufigen Verfahren verschie-dene Wirkstoffe in einem Pflanzenschutz-mittel oder in einer beantragten Tankmi-

schung kumulativ zu bewerten (s Kasten) Dazu werden sowohl die Exposition der Anwenderinnen und Anwender als auch die akute Exposition der Verbraucherinnen und Verbraucher betrachtet sodass die am meisten exponierten Gruppen beruumlcksich-tigt sind

Das Ziel Mischungen weltweit harmonisiert zu bewerten

Die Einfuumlhrung der Konzepte zur kumu-lativen Bewertung von Pflanzenschutzmit-teln hat auch in anderen EU-Laumlndern Aus-wirkungen auf die Risikobewertung Wenn Deutschland im zonalen Zulassungsverfah-ren bewertender Mitgliedstaat ist wird das Verfahren grundsaumltzlich angewandt Aber auch in die Bewertungsberichte anderer Laumlnder flieszligt die kumulative Bewertung als

deutscher Kommentar mit ein Durch den fachlichen Austausch zwischen den Mit-gliedstaaten wurde das Konzept in den letz-ten Jahren einem Peer-Review unterzogen Um die Praxis europaweit noch besser zu harmonisieren werden derzeit auszligerdem internationale Workshops organisiert auf denen diskutiert wird wie Mischungen bei der Risikobewertung kuumlnftig beruumlcksichtigt werden sollen Das BfR veranstaltet einen solchen Workshop im November 2017 im Auftrag der Europaumlischen Kommission die Franzoumlsische Behoumlrde fuumlr gesundheitlichen Verbraucher- Umwelt- und Arbeitsschutz (ANSES) einen weiteren im Februar 2018 unter aktiver Beteiligung des BfR

Das Ziel Mischungen weltweit harmoni-siert zu bewerten um Mensch und Umwelt besser zu schuumltzen ruumlckt damit naumlher

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

33012017

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

bdquoZiel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertungldquo Interview mit Herrn Dr Roland Solecki uumlber die Forschungsaktivitaumlten des BfR zu Mehrfachruumlckstaumlnden

Herr Solecki bei Mehrfachruumlckstaumlnden von Pflanzenschutzmitteln sprechen die Medien oft von einem bdquoGiftcocktailldquo Haben Sie Erkenntnisse daruumlber wie groszlig das gesundheitliche Risiko tat-saumlchlich istDas BfR hat dazu gemeinsam mit dem Bun-desministerium fuumlr Ernaumlhrung und Land-wirtschaft und dem Bundesamt fuumlr Ver-braucherschutz und Lebensmittelsicherheit einen Bericht uumlber die kumulativen Wir-kungen von Pflanzenschutzmitteln veroumlf-fentlicht Dieser basiert auf einer Methodik der niederlaumlndischen Behoumlrde fuumlr Gesund-heit und Umweltschutz RIVM Hintergrund ist ein Monitoring das uumlber einen Zeitraum von sechs Jahren in Deutschland durchge-fuumlhrt wurde Darin wurde untersucht wel-che Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde durch-schnittlich uumlber Lebensmittel aufgenommen werden Das Ergebnis war dass auch unter Worst-Case-Annahmen fuumlr die Mischungen von Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnden ein gesundheitliches Risiko unwahrscheinlich ist Die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit EFSA kam in ihrem Monito-ring-Bericht von 2015 fuumlr Gesamteuropa zu einem aumlhnlichen Ergebnis

Sie arbeiten unter anderem bei dem Pro-jekt EuroMix mit Worum geht es dabeiEs handelt sich um ein groszliges Forschungs-projekt der EU-Kommission zur kumulati-ven Bewertung von Mischungen im Rahmen von Horizont 2020 dem Rahmenprogramm der Europaumlischen Union fuumlr Forschung und Innovation Das Projekt hat zum Ziel neue Bewertungsmethoden fuumlr Mischungseffekte zu erarbeiten besonders auch im Hinblick auf Alternativen zu Tierversuchen innovati-ve Wege der Expositionsschaumltzung und Mo-dellierung von kumulativen Risiken Dabei geht es nicht nur um Pflanzenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatzstoffe und andere Chemikalien

Wie ist das BfR da in EuroMix einge-bundenVom BfR arbeiten sowohl die Abteilung Sicherheit von Pestiziden als auch die Ab-teilung fuumlr Lebensmittelsicherheit am Eu-roMix-Projekt mit Waumlhrend die von mir geleitete Abteilung fuumlr die regulative Bewer-tung eingebunden ist werden in der Abtei-lung Lebensmittelsicherheit experimentelle Arbeiten unter anderem zur Lebertoxizitaumlt durchgefuumlhrt in denen auch Kombinatio-nen von Pestiziden mit anderen Lebensmit-telinhaltsstoffen gepruumlft werden

Woran forschen Sie im EuroMix-ProjektWir haben zunaumlchst recherchiert welche gesetzlichen Anforderungen bestehen und wie unterschiedliche Behoumlrden weltweit

Mischungseffekte bewerten Und wir haben Forschungen zu Mischungen durchgefuumlhrt die bestimmte adverse Effekte auf die Leber verursachen Dabei wurden bestimmte Schluumlsselelemente untersucht um daraus ein Konzept fuumlr die Bewertung zu erarbei-ten Jetzt werden die Omics-Untersuchun-gen und andere alternative Pruumlfverfahren noch durch Tierversuche ergaumlnzt sodass wir auch am Gesamtorganismus die Effek-te uumlberpruumlfen koumlnnen Gleichzeitig werden die statistischen Hilfsmittel und die ande-ren elektronisch basierten Tools weiterent-wickelt Auszligerdem folgen noch weitere Stu-dien zur Exposition Die finalen Ergebnisse liegen am Ende des Projekts im Jahr 2019 vor

In welche weiteren europaumlischen Aktivi-taumlten ist das BfR eingebundenDie EFSA hat bereits einige Ansaumltze zur Bewertung der kombinierten Exposition gegenuumlber mehreren Pestiziden und Kon-taminanten bei Menschen sowie mehreren Pestiziden bei Bienen entwickelt Derzeit ist die EFSA damit befasst neue Ansaumltze und Instrumente zur Harmonisierung der Be-wertung von Risiken fuumlr Mensch und Um-welt zu erarbeiten die von der Exposition gegenuumlber mehreren chemischen Stoffen in der Lebensmittelkette ausgehen Ich bin derzeit Mitglied einer Arbeitsgruppe von Sachverstaumlndigen die der Wissenschaftliche Ausschuss der EFSA eingerichtet hat um Leitlinien im Hinblick auf die kombinierte Exposition gegenuumlber mehreren chemi-schen Stoffen zu entwickeln Diese Initiative unter dem Namen bdquoMixToxldquo wird 2018 den Leitfaden in einer oumlffentlichen Konsultation diskutieren

Bei dieser Vielzahl an Aktivitaumlten Wel-ches Ziel haben Sie persoumlnlich vor Au-genDas Ziel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertung von Stoffen in der gesundheitlichen Risikocharakterisie-rung und deren harmonisierte Implemen-tierung in den gesetzlichen Verfahren Dies wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen

bdquoBei den kumulati-ven Risiken geht es nicht nur um Pflan-zenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatz-stoffe und andere Chemikalien

Dr Roland Solecki leitet die Abteilung bdquoSicherheit von Pestizidenldquo am BfR

copy B

fR

34 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

SPEKTRUM

Identifizierung endokriner Disruptoren Vom Grundsatz in die Praxis

Fuumlr Pestizid-Wirkstoffe und andere Chemikalien sind harmonisierte wissenschaftliche Kriterien erforderlich mit denen hormonschaumldigende Substanzen identifiziert werden koumlnnen Das BfR veroumlffentlichte hierzu bereits 2016 ein Konsenspapier als wissenschaftliche Grundlage fuumlr die darauffolgende Arbeit der EU-Behoumlrden Auf legislativer Ebene werden aktuell EU-weit geltende Ver-ordnungen festgelegt um auf wissenschaftlicher Ebene Leitlinien zur regulatorisch harmonisierten Umsetzung dieser Verordnungen zu erarbeiten Mit dieser Aufga-be hat die EU-Kommission die EFSA und die ECHA gemeinsam beauftragt Das BfR unterstuumltzt die Behoumlr-den mit wissenschaftlicher und technischer Expertise indem es die entsprechende Arbeitsgruppe bei der EFSA personell verstaumlrkt sowie Recherchen und Umfragen zur Praktikabilitaumlt von Untersuchungsmethoden durchfuumlhrt Die Publikation der Leitlinien wird fuumlr Fruumlhjahr 2018 erwartet Sie koumlnnen auf Basis der verabschiedeten Ver-ordnungen nach ihrer Implementierung in der Genehmi-gungspraxis angewendet werden

Mehr erfahren Solecki et al 2017 Scientific principles for the identification of endocrine-disrupting chemicals a consensus statement Arch Toxicol 91 1001ndash1006

Insekten-Stopp in Textilien Allergene Wirkung unwahrscheinlich

Das Risiko fuumlr eine Allergie nach dem Kontakt mit Kleidung und Produkten die mit dem Biozid Permethrin behandelt sind ist nach derzeitigem Kenntnisstand unwahrscheinlich Das ist das Ergebnis einer aktuellen Risikobewertung des BfR Gestuumltzt wird das Ergebnis dadurch dass trotz weitverbreiteter Anwendung des Wirkstoffs in Medikamenten und Verbraucherprodukten kein Anstieg der Kontaktallergien gegenuumlber Permethrin zu verzeichnen ist Das Risiko fuumlr kanzero-gene systemische Effekte infolge einer dermalen und oralen Exposition gegenuumlber Permethrin aus Textilien ist nach Ansicht des BfR vernachlaumlssigbar gering Permethrin ist ein biozider Wirkstoff der zum Schutz gegen Insekten in Produkten wie Schlafsaumlcken Picknick- und Yogadecken sowie Teppichen und Kleidung eingesetzt wird Er ist im Chemikalienrecht als sensibilisierend eingestuft ein moumlgliches geringes kanzerogenes Potenzial wird von verschiedenen wissenschaftlichen Gremien diskutiert Der Wirkstoff kann aus Textilien freigesetzt und uumlber die Haut aufgenommen werden Bei kleinen Kindern die viele Produkte in den Mund nehmen kommt eine moumlgliche orale Aufnah-me des Stoffes hinzu

Mehr erfahren Stellungnahme Nr 0062017 des BfR vom 25 April 2017

Wie wirkt Aluminium in Leber und Darm

Aluminium ist in Lebensmitteln Kosmetika und Bedarfsge-genstaumlnden enthalten und kann uumlber die Nahrung aufgenom-men werden Erste Ergebnisse aus dem deutsch-franzoumlsischen Forschungsprojekt bdquoSolNanoToxldquo mit Beteiligung des BfR zeigen dass sich aus der Nahrung aufgenommene Aluminiumverbin- dungen temporaumlr im Darm anreichern Ob und in welchen Men-gen die Partikel weiter in den Koumlrper insbesondere in die Leber gelangen und welche Faktoren ihre Wirkung beeinflussen wird aktuell erforscht Die Forschungsgruppe sieht Anhaltspunkte dafuumlr dass ein Teil der angereicherten Partikel mit dem Stuhl wieder ausgeschieden wird Fuumlr seine Untersuchung simulierte das BfR anhand biologischer Proben die Verdauung verschiede-ner Aluminiumarten vom Mund uumlber den Magen bis zum Darm Mithilfe von Enzymen und Salzen wurden dabei physiologische Parameter wie der pH-Wert gesteuert Waumlhrend des simulierten Verdauungsprozesses veraumlnderten die Aluminiumverbindungen ihre chemische Reaktionsfaumlhigkeit und Loumlslichkeit Die Erkennt-nisse sind ein erster Schritt um den Prozess der Aufnahme Resorption und Verteilung von Aluminium im Koumlrper besser zu verstehen und daraus Daten fuumlr die Risikobewertung abzuleiten Aluminiumverbindungen koumlnnen in zu hohen Dosen toxisch auf das Nervensystem und ungeborenes Leben wirken sowie die Fruchtbarkeit und Knochenentwicklung beeinflussen

copy B

fR

copy c

gsto

cks

hutte

rsto

ckc

om

copy R

osel

ynne

shu

tters

tock

com

35012017

Bei Kleidung ist besonders der Einsatz von Silber-Nanopartikeln weit verbreitet Silber wirkt antibakteriell und soll die Geruchs-bildung durch Schwitzen reduzieren Beim Einsatz von Nanosilber in Kleidungsstuuml-cken ist in erster Linie eine Freisetzung in Schweiszlig und somit ein moumlglicher Hautkon-takt relevant Neben der Frage ob und in welcher Menge Silber prinzipiell aus Texti-lien herausgeloumlst wird beschaumlftigt sich die Forschung mit der Frage welchen Einfluss die Technologie hat mit der Nanosilber auf Textilien aufgetragen bzw eingebracht wird Bisher war zudem unklar inwiefern die Oberflaumlchenbeschichtung der Nano-partikel die Abgabe beeinflusst

Kuumlnstlicher Schweiszlig simuliert Freisetzung

In einem Forschungsprojekt pruumlfte das BfR neun Proben von Textilien die mit Nanosil-ber veredelt waren Als Vergleich diente ein mit konventionellem Silber (hier Silbersalz mit einem Partikeldurchmesser groumlszliger als 100 Nanometer) ausgeruumlstetes Textil Zwei der Textilien waren sogenannte Komposite bei denen Nanosilber in die Faser integriert ist Bei den anderen getesteten Textilien war die Faseroberflaumlche mit Silber-Nano-partikeln bzw in einem Fall mit konventio-nellem Silber beschichtet (Textil-Coating) Um die Abgabe von Silber durch Schwitzen

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

Kleidung wird durch sie wasser- und schmutzabweisend sie blocken UV-Strahlen und mindern Geruumlche Nanoma-terialien haben beliebte funktionelle Eigenschaften Ob sie aufgrund ihrer Winzigkeit gesundheitliche Risiken bergen ist indes noch weitgehend unbekannt In einem Forschungsprojekt uumlber Nanosilber hat das BfR ermittelt ob sich die Kleinstteilchen aus Textilien herausloumlsen und damit zum gesundheitlichen Risiko werden koumlnnen

Nanomaterial

ist ein natuumlrliches bei Prozessen anfallendes oder kuumlnstlich hergestelltes Material das Partikel in ungebundenem Zustand als Aggregat oder als Agglo-merat enthaumllt und bei dem die Mehrheit der Partikel ein oder mehrere Auszligen-maszlige im Bereich unter 100 Nanometer hat In Nanogroumlszlige kann ein Stoff andere Eigenschaften besitzen als wenn er in Form groumlszligerer Partikel vorliegt

copy o

still

shu

tters

tock

com

36 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von Textilfasern Links Nanokomposit bei dem kaum Silberpartikel an der Faseroberflaumlche zu finden sind Mitte und rechts Textilien mit Silbercoating hier befindet sich insgesamt mehr Silber auf der Oberflaumlche

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

zu simulieren wurden die Textilien fuumlr 24 Stunden in einer Schweiszligsimulanz-Louml-sung inkubiert Fuumlr die Auswertung wurde zunaumlchst der gesamte Silbergehalt in den Schweiszligloumlsungen mit massenspektromet-rischen Messmethoden bestimmt In den Proben in denen Silber vorhanden war wurden anschlieszligend mit Zentrifugation und einer speziellen Methode zum Messen von Einzelpartikeln geloumlstes und partikulauml-res Silber unterschieden Im letzten Schritt wurden die Partikelgroumlszligen des vorgefun-denen partikulaumlren Silbers gemessen um nanoskaliges Silber zu identifizieren

Silber aus Kleidung freigesetzt

Die Untersuchung des BfR zeigte dass von jeder Textilprobe Silber in die Schweiszligsi-mulanz-Loumlsung uumlberging je nach geteste-tem Textil zwischen 7 und 75 Prozent des originaumlr in den Textilien enthaltenen Sil-bers Dabei setzten die beschichteten Tex-tilien mehr Silber frei als die Komposite Den houmlchsten abgegebenen Anteil fand das BfR bei dem mit konventionellem Silber beschichteten Textil Die Freisetzung wird demnach staumlrker durch die Technologie der Veredelung bestimmt als durch die im Tex-til enthaltene Menge Auszligerdem scheint die Abgaberate von Silber aus Nanosilber im Vergleich zu konventionellem Silber nicht erhoumlht zu sein

In der Schweiszligloumlsung lag das freigesetzte Silber uumlberwiegend geloumlst vor Partikulaumlres Silber fand sich nur zum geringeren Teil dann jedoch auch im Nanometerbereich Ob es sich dabei um einzelne Nanoparti-kel handelt oder ob das Silber an groumlszligere Partikel gebunden ist muss in weiteren Untersuchungen uumlberpruumlft werden Nach

derzeitigem wissenschaftlichem Kennt-nisstand geht man davon aus dass sich Nanopartikel im Koumlrper anders verhalten als groumlszligere Partikel Uumlberraschenderweise detektierte die Forschungsgruppe auch in den Schweiszligsimulanzien der mit konven-tionellem Silber beschichteten Textilien partikulaumlres Silber in Nanogroumlszlige Das Vor-kommen von Silberpartikeln scheint also nicht davon abhaumlngig zu sein ob das Silber in Nano- oder konventioneller Form auf das Textil aufgebracht wurde

In einer parallelen Untersuchung fanden die Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler heraus dass zudem die Beschaffenheit der Nanopartikel beispielsweise in Form einer speziellen Beschichtung ihre Loumlslichkeit in der Schweiszligloumlsung beeinflusst

Art der Beschichtung relevant

Silber wird demnach aus Textilien freige-setzt in geringen Teilen sogar in partiku- laumlrer Form Die gewaumlhlte Form der Tex-tilfunktionalisierung aber auch die Be-schaffenheit der Nanopartikel stellen dabei wichtige Kriterien fuumlr das Freisetzungsver-halten dar Solche Erkenntnisse sind vor al-lem fuumlr den sicheren Einsatz von Nanoma-terialien in Alltagsprodukten wichtig weil die Exposition des Menschen gegenuumlber derartigen Stoffen moumlglichst klein gehalten werden sollte Auszligerdem geben sie Hin-weise in welcher Anwendungsform Nano-materialien im verbrauchernahen Bereich sicher eingesetzt werden koumlnnen

Mehr erfahren Wagener et al 2016 Textile Functionalization and Its Effects on the Release of Silver Nanoparticles into Artificial Sweat Environ Sci Technol 50 11 5927ndash5934

Per Flugzeitmassenspek-trometer laumlsst sich Silber auf beschichteten Textil-fasern detektieren

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

NANOPARTIKEL

37012017

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

38 BfR 2 GO

Neuer Ansatz fuumlr Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

Spiegelbild gesucht

Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR zeigt einen neuen Ansatz um mithilfe von Genexpressionsdaten das geeignete Tiermodell fuumlr die Grundlagenforschung oder fuumlr spezifische klinische Fra-gestellungen zu identifizieren Damit koumlnnen zukuumlnftig unnoumltige Tierversu-che vermieden werden Hamburger Wissenschaftsbehoumlrden wuumlrdigten die Erkenntnisse mit einem Forschungspreis

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

39012017

Fragestellung

Vergleich

Auswahl

z B bdquoMit welchem Mausmodell koumlnnen die Ursachen von Alzheimer erforscht werdenldquo

Vergleich von vorhandenen Omics-Expressionsdaten von Mensch und Tier

Auswahl des geeigneten Modells

1

2

3

Geeignete Tiermodelle identifizieren

An Tiermodellen werden zahlreiche biologische Prozesse und Krankheiten wie Wund-

heilung Diabetes Tumoren oder entzuumlndliche Erkrankungen erforscht Durch den

Vergleich der Omics-Expressionsdaten von Tiermodell und Mensch koumlnnen geeignete

Modelle fuumlr die jeweilige Fragestellung identifiziert werden

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

40 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Verlaumluft ein entzuumlndlicher Prozess bei Maumlusen aumlhnlich wie beim Menschen Sind Maumluse daher geeignete Ver-

suchstiere fuumlr Tests von antientzuumlndlichen Substanzen Um Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung in den klinischen Alltag zu uumlberfuumlhren ndash Aufgabengebiet der translationalen Forschung ndash werden wissen-schaftliche Fragestellungen oft in Tierversu-chen erprobt Ob und inwieweit die Ergeb-nisse auf den Menschen uumlbertragbar sind ist dabei immer wieder Gegenstand kontrover-ser Diskussionen Geeignete Methoden mit denen die Wissenschaft Tiermodelle mit op-timaler Uumlbertragbarkeit auf den Menschen auswaumlhlen kann wuumlrden dem wissenschaft-lichen Fortschritt helfen und die Zahl der Tierversuche reduzieren Es geht dabei um die Frage welches Tiermodell am besten das menschliche System widerspiegelt

Vergleichbarkeit von Genom- daten fehleranfaumlllig

Als Grundlage fuumlr diese Uumlberlegungen die-nen Daten aus modernen bioanalytischen Hochdurchsatzverfahren Immer haumlufiger setzt die Wissenschaft auf diese sogenannten Omics-Technologien die die Gesamtheit aller Gene und ihrer Produkte analysieren ndash sowohl beim Tier als auch beim Menschen Mit ihnen lassen sich molekulare Prozesse in lebenden Systemen umfassend darstel-len indem sie beispielsweise die Interaktion hunderter bis tausender Genprodukte zei-gen Die Analyse dieser zunehmend kom-plexen Omics-Datensaumltze stellt die Wissen-schaft jedoch vor Probleme da das Vorgehen dazu nicht standardisiert ist Die Interpreta-tion der Ergebnisse ist bisher meist von der Kompetenz der Durchfuumlhrenden und von der angewandten Methode abhaumlngig Im Ergebnis war die Entscheidung zur Frage der Uumlbertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen fehleranfaumlllig und die Suche nach

geeigneten Tiermodellen erschwert Die ge-ringe Standardisierung der Interpretation von Omics-Daten fuumlhrte in Forschungs-kreisen bereits zu widerspruumlchlichen Er-gebnissen so zum Beispiel bei zwei Studien aus den Jahren 2013 und 2015 die sich mit der Vergleichbarkeit von entzuumlndlichen Er-krankungen beim Menschen und gaumlngigen Mausmodellen beschaumlftigten Waumlhrend eine Forschungsgruppe im Jahr 2013 schlussfol-gerte dass entzuumlndliche Prozesse zwischen Mensch und Maus nicht vergleichbar seien kam eine andere Gruppe zwei Jahre spaumlter anhand der gleichen Omics-Daten zum ge-genteiligen Schluss Die Maus reagiere auf der molekularen Ebene sehr aumlhnlich wie der Mensch und sei daher als Tiermodell sehr nuumltzlich fuumlr die Erforschung menschlicher Erkrankungen Zwar ist es nicht ungewoumlhn-lich dass Ergebnisse von Studien unter-schiedlich eingeschaumltzt werden ndash allerdings selten auf Basis der gleichen Daten

Motivation des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR war es diese Widerspruumlche aufzuklaumlren und einen standardisierten und zielgerichteten Analyseansatz zu entwickeln der die Suche nach geeigneten Tiermodellen vereinfacht und somit unnoumltige Tierversuche vermei-den hilft Es gehoumlrt zu den Kernaufgaben des Bf3R bundesweit alle Aktivitaumlten zu koordi-nieren mit den Zielen Tierversuche auf das unerlaumlssliche Maszlig zu beschraumlnken und fuumlr Versuchstiere den bestmoumlglichen Schutz zu gewaumlhrleisten Die Aufgaben des Bf3R wer-den vom BfR wahrgenommen

Genomdaten von Tier und Mensch gezielt vergleichen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler des Bf3R haben die Omics-Daten aus den beiden erwaumlhnten widerspruumlchlichen Studien mithilfe hochperformanter Com-

puter nochmals systematisch ausgewertet Dabei wurden zunaumlchst die zu verglei-chenden Gene gruppenweise biologischen Prozessen zugeordnet die wesentlich fuumlr ein Entzuumlndungsgeschehen sind Diese Gene Set Enrichment Analysis (GSEA) ge-nannte Methode greift auf umfangreiche in oumlffentlichen Datenbanken hinterlegte Genomdaten gaumlngiger Tiermodelle und von Erkrankten zuruumlck Mit ihrer Heran-gehensweise konnten die Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler des BfR an-schlieszligend Veraumlnderungen auf der Ebene pathologischer Signalwege erkennen und Unterschiede zwischen Tiermodell und Mensch identifizieren Da der Groszligteil der untersuchten Genprodukte haumlufig nur geringfuumlgig veraumlndert war konnten bei der Analyse auf Ebene vollstaumlndiger bio-logischer Signalwege alle Gene einbezogen und Aumlnderungen in der Gesamtheit eines biologischen Signalwegs bewertet werden Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu bisherigen Analyseansaumltzen da fuumlr die Klauml-rung translationaler Fragestellungen bisher haumlufig willkuumlrlich und subjektiv Gene von Mensch und Tiermodell fuumlr einen direkten Eins-zu-eins-Vergleich ausgewaumlhlt wurden

Die systematische Auswertung des Bf3R zeigte dass die Ergebnisse beim vorlie-genden Genomdatenvergleich bei einigen Mausmodellen gut mit den beim Menschen ermittelten Daten uumlbereinstimmten Bei an-deren Mausmodellen hingegen war es nicht so So aumlhnelt das Entzuumlndungsgeschehen bei Maumlusen die mit Staphylococcus aureus (Staphylococcus-aureus-Injektionsmodell) infiziert sind oder eine Darmperforation (Cecal-ligation-and-puncture-Modell) erfah-ren den meisten klinischen Proben Hin-gegen verlaufen Erkrankungen die durch Lipopolysaccharide (LPS) und Streptococcus pneumoniae verursacht werden bei Mensch und Maus verschieden

Omics

Der Terminus beschreibt Methoden zur

Analyse komplexer biologischer Proben

auf der Ebene des gesamten Genoms

von Transkripten Proteinen oder Meta-

boliten

41012017

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

Forschungsansatz hilft Tierversuche zu reduzieren

Die Methode der Datenanalyse mittels GSEA-Ansatz erleichtert es Forschungs-gruppen zukuumlnftig zielgerichtet und stan-dardisiert das optimale Tiermodell aus-zuwaumlhlen das am besten die menschliche Situation abbildet Voraussetzung dafuumlr ist die Existenz von Omics-Daten zur klini-schen Fragestellung sowie zu den infrage kommenden Tierversuchen Dies ist bereits fuumlr eine Vielzahl von Tiermodellen sowie von humanen Erkrankungen der Fall neben Entzuumlndungserkrankungen beispielsweise fuumlr Herz-Kreislauf-Erkrankungen Krebser-krankungen Atemwegserkrankungen Stoff-wechselerkrankungen und neurologische Erkrankungen Aufgrund der vermehrten Verwendung von Omics-Methoden kann davon ausgegangen werden dass stetig wei-tere systembiologische Daten ermittelt und veroumlffentlicht werden Die vom Bf3R ange-wandte Methode wird daher weiterhin bei der gezielten Auswahl von Tiermodellen nuumltzlich sein

Das Verfahren kann in der Grundlagen-forschung sowie in der translationalen und angewandten Forschung eingesetzt werden Diese Bereiche machten 2015 nach Anga-ben des Bundesministeriums fuumlr Ernaumlh-rung und Landwirtschaft mit insgesamt 73 Prozent den groumlszligten Teil der Tierversuche aus Ein Groszligteil davon entfaumlllt auf Maumluse Ratten und zunehmend auch auf Fische Grundsaumltzlich kann die neue Methode zur Auswahl des geeigneten Versuchstiermo-dells bzw zum Ausschluss nicht geeigneter Versuchstiermodelle bei jeglichen Tierver-suchen in diesen Bereichen genutzt werden Analog zu den Versuchstierzahlen liegen derzeit die meisten Omics-Daten fuumlr Maus und Ratte vor So sind beispielsweise allein in der oumlffentlichen NCBI GEO-Datenbank (National Center for Biotechnology Informa-tion Gene Expression Omnibus) derzeit Da-ten zu ca 340000 Maus-Proben und 75000 Ratte-Proben gelistet

Methode identifiziert geeignete Zellkulturmodelle

Dabei ist die Methode des Bf3R nicht auf humane und murine Datensaumltze beschraumlnkt sondern kann auf alle weiteren Spezies an-gewandt werden fuumlr die umfangreiche Da-tenbanken zu biologischen Signalwegen oder Gengruppen vorliegen Auch fuumlr die Beurteilung von zellbasierten Alternativ-methoden kann der neue Forschungsansatz

herangezogen werden Durch einen system-biologischen Abgleich der klinischen Daten mit Omics-Daten aus beispielsweise neuar-tigen 3D-Zellkulturen oder organaumlhnlichen Mikrostrukturen wird die Charakterisierung und Verifizierung von zellbasierten Alterna-tivmethoden ermoumlglicht

Praumlmierte Forschungsleistung

Fuumlr ihre Forschung erhielten die Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR 2016 den Hamburger Forschungspreis zur Foumlrderung der Entwicklung von Ersatz- und

Ergaumlnzungsmethoden Die Auszeichnung wurde zum erstem Mal von den Hamburger Behoumlrden fuumlr Gesundheit und Verbraucher-schutz sowie fuumlr Wissenschaft Forschung und Gleichstellung mit einem Foumlrderpreis in Houmlhe von 20000 Euro ausgeschrieben Der Preis wird fuumlr Arbeiten vergeben die einen Beitrag leisten Tierversuche zu ersetzen oder zu minimieren

Mehr erfahrenWeidner et al 2016 Defining the optimal animal model for translational research using gene set enrichment analysis EMBO Molecular Medicine 8 8 831ndash838

Wofuumlr Versuchstiere in Deutschland eingesetzt werden

630255Herstellung und Qualitaumlts-kontrolle medizinischer Produkte toxikologische Sicherheitspruumlfungen

22

59

14 5

1643259Grundlagenforschung

144997sonstige Zweckez B Zucht Aus- und Weiterbildung

381450translationale und angewandte Forschung

Que

lle B

unde

smin

iste

rium

fuumlr E

rnaumlh

rung

und

Lan

dwirt

scha

ft V

ersu

chst

ierz

ahle

n 20

15

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

42 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Alternativen zu Tierversuchen Forschung regional buumlndeln

Eine individualisierte Schmerztherapie fuumlr Versuchsmaumluse und eine Verringerung von Tierexperimenten zum Test der Inhala- tionstoxizitaumlt von Nanomaterialien (siehe rechte Spalte) ndash hierzu sollen die ersten Arbeitsergebnisse des BfR im Berlin-Bran-denburgischen Verbundprojekt BB3R zukuumlnftig beitragen Das Netzwerk aus Universitaumlten und Bundesinstitutionen forscht um Tierversuche zu vermeiden (Replacement) bzw zu verringern (Reduction) sowie das Leiden von Versuchstieren zu vermindern (Refinement) Das BfR ist als einer von sechs Verbundpartnern in den Bereichen der Refinement- und Replacement-Forschung beteiligt Das Bundesforschungsministerium foumlrdert das mit BB3R abgekuumlrzte Projekt fuumlr vier Jahre bis Fruumlhjahr 2018 es ist als Plattform fuumlr den wissenschaftlichen Austausch konzipiert und integriert ein Graduiertenkolleg

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschungwwwbb3rde

Belastung von Laborfischen erkennen

Koumlrperbau

Koumlrpermerkmale

Verhaltenkreisendes Schwimmen

Belastung von Laborfischen erkennen

Ob Laborfische Schmerzen empfinden oder leiden laumlsst sich mithilfe konkreter Kriterien beurteilen Die Vorarbeiten hierzu koordinierte der bdquoNationale Ausschuss zumSchutz von fuumlr wissenschaftliche Zweckeverwendeten Tierenldquo am BfR gemeinsam mit externen Sachverstaumlndigen und Beauf-tragten von Genehmigungsbehoumlrden Die erstmals definierten Kriterien bewerten unter anderem Auffaumllligkeiten im Koumlrper-bau sowie im Verhalten der Tiere Schmer-zen und Leiden koumlnnen so gezielt behandelt und gelindert werden Da die Frage der Belastung der Tiere anhand der Kriterien eindeutig geklaumlrt werden kann dienen sie zudem als Entscheidungshilfe fuumlr Behoumlr-den welche die Zucht belasteter genetisch veraumlnderter Tiere genehmigen muumlssen Fische insbesondere Zebrafische sind nach Maumlusen und Ratten die am dritthaumlufigsten verwendete Versuchstierart Die Zahl der Versuchsfische hat in den letzten Jahren stetig zugenommen

Mehr erfahren Bert et al 2016 Considerations for aEuropean animal welfare standard toevaluate adverse phenotypes in teleost fish EMBO J 35 11 1151ndash1154Empfehlung des Nationalen Ausschusses TierSchG Nr 0012015

Test der Inhalationstoxizitaumlt von Nanomaterialien

Die Einatmung gilt als wichtigster Aufnahmeweg fuumlr Nanomaterialien Im Rahmen der BB3R-Forschung bildet das BfR diese Art der Exposition mit In-vitro- Atemwegsepithelmodellen an ihrer Grenzflaumlche zur Luft ab Dieser Ansatz zum Test der Inhalationstoxi-zitaumlt hilft Anzahl und Umfang von Tierversuchen zu verringern

Versuchsaufbau Drei Roumlhrchen leiten ein Testaerosol mit luftgetragenen Nanomaterialien auf Epithelzellen

SPEKTRUM

copy B

fR

43012017

Jubilaumlumsfeier und internationales Symposium

Am 29 November 2017 feiert das BfR sein 15-jaumlh-riges Bestehen mit einem Festakt Geplant ist eine Feier mit ausgewaumlhlten Gaumlsten in der Akademie der Kuumlnste Anschlieszligend findet vom 30 Novem-ber bis zum 01 Dezember 2017 das gemeinsame internationale Symposium des BfR und seiner Schwesterinstitutionen aus Daumlnemark (DTU Food) und Frankreich (ANSES) sowie der suumldko-reanischen Behoumlrde fuumlr Lebens- und Arzneimittel-sicherheit (NIFDS) statt Unter dem Motto bdquoPast Present and Future Challenges in Risk Assessment ndash Strengthening Consumer Health Protectionldquo werden die letzten anderthalb Jahrzehnte Risikobewer-tung betrachtet Daruumlber hinaus werden aktuelle Aktivitaumlten sowie zukuumlnftige Herausforderungen des Verbraucherschutzes wie mikrobiologische Erreger chemische Substanzen Methoden und Harmonisierung auf nationaler wie internationa-ler Ebene diskutiert

VERANSTALTUNGEN

Nachwuchs foumlrdern

Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu foumlr-dern baut das BfR wissenschaftliche Nachwuchs-gruppen zu bestimmten Schwerpunktthemen auf Die bereits 2015 eingerichtete Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Warenketteldquo wird im Herbst 2017 durch einen weiteren Dokto-randen verstaumlrkt

Verstaumlrkung im Versuchstierschutz

Seit dem 1 April 2017 staumlrkt die Berufung von Herrn Universitaumltsprofessor Dr Lars Lewejo-hann den Kompetenzbereich bdquoVerminderung der Belastung und Verbesserung der Lebenssitua-tionldquo des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) Neben der Leitung der Fachgruppe bdquoTierschutz und Versuchstierkundeldquo im BfR wird Lars Lewejohann sein Wissen und neue Erkenntnisse als Hochschullehrer fuumlr bdquoTier-schutz mit dem Schwerpunkt Refinementldquo an der veterinaumlrmedizinischen Fakultaumlt der Freien Universitaumlt Berlin an Studierende und Doktoran-den weitergeben

PERSONALIEN

Alternativmethode zum Tierversuch bdquoKnochen-auf-dem-Chipldquo

Im Mai 2017 fand bei der Gemeinsamen For-schungsstelle (GFS)Joint Research Centre (JRC) der Generaldirektion (Directorate General) der Europaumlischen Kommission eine Summer School zu alternativen Ansaumltzen zum Tierversuch fuumlr die Risikobewertung in Ispra (Italien) statt Dort wurde Herr Dr Ing Frank Schulze aus der BfR-Fachgruppe bdquoZEBET ndash Alternativmethoden zu Tierversuchenldquo fuumlr seine Praumlsentation und das dazugehoumlrige Poster zum Thema bdquoEin Knochen-auf-dem-Chip fuumlr die Grundlagenwissenschaft und die Identifizierung von knochenschaumldigen-den Substanzenldquo mit einem Posterpreis (1 Platz) ausgezeichnet

copy B

fR

copy p

rivat

INSTITUTSLEBEN

44 BfR 2 GO

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

2 BfR 2 GO

BfR-MEAL-Studie

Mahlzeiten fuumlr die Expositionsschaumlt- zung und Analytik von Lebensmitteln Die BfR-MEAL-Studie analysiert erst-mals in Deutschland systematisch und repraumlsentativ Lebensmittel im ver-zehrfertigen Zustand und folgt in ihrer Methodik einer sogenannten Total-Diet- Studie (TDS) TDS werden von der Ernaumlhrungs- und Landwirtschaftsorga-nisation der Vereinten Nationen (FAO) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlen um mittlere Gehalte an Stoffen in der durchschnittlichen Ernaumlhrung des Menschen zu ermitteln Die ersten Ergebnisse der BfR-MEAL- Studie werden voraussichtlich zu Beginn des Jahres 2019 vorliegen und dafuumlr genutzt werden die Aufnahme von Stoffen uumlber Lebensmittel zu schaumltzen

IM BILD

3012017

copy B

fR

4 BfR 2 GO

30

14

20

38

Bewerten ForschenKommunizieren

INHALT

6

Impressum

06 Schwerpunkt Authentizitaumlt

5012017

BfR 2 GO ndash Das BfR-Wissenschaftsmagazinerscheint zweimal jaumlhrlich

HerausgeberBundesinstitut fuumlr Risikobewertung (BfR) Anstalt des oumlffentlichen Rechts

vertreten durch den Praumlsidenten Professor Dr Dr Andreas Hensel ViSdP Dr Suzan Fiack

Redaktionsanschrift Bundesinstitut fur Risikobewertung (BfR)Max-Dohrn-Straszlige 8ndash1010589 Berlinwwwbfrbunddepublikationenbfrbundde

Redaktion BfR Presse- und Oumlffentlichkeitsarbeit

Gestaltung Grafiken amp BildbearbeitungStudio GOOD Berlin

DruckRuksaldruck Berlin

Auflage 4000 (Deutsch) 1500 (Englisch)

ISSN Print-ISSN 2567-3858Online-ISSN 2567-3866

DOI 101759020170921-151257

copy Bundesinstitut fuumlr Risikobewertung Alle Rechte vorbehalten Wenn Sie einen Nachdruck einzelner Artikel zu nicht-kommerziellen Zwecken wuumlnschen wenden Sie sich bitte an die Redaktion unter publikationenbfrbundde

gedruckt auf PEFC-zertifiziertem Papier

06 Lebensmittelfaumllschern auf der Spur Nicht zielgerichtete Analyseverfahren

11 Original oder Faumllschung Forschungsprojekte zu Authentizitaumlt

12 bdquoWir wollen Faumllschungen einen Riegel vorschiebenldquo Interview mit Professor Dr Reiner Wittkowski

14 Risikowahrnehmung14 Gefuumlhlte Risiken im Visier

BfR-Verbrauchermonitor

17 Vegan und informiert Befragung zu Veganismus

18 Guten Appetit Infografik zu Insekten

20 Lebensmittelsicherheit20 Unerwuumlnscht in Lebensmitteln

Pyrrolizidinalkaloide

24 Post aus hellip Sambia

25 Spektrum Ciguatera Lupinensamen Hepatitis E

26 bdquoNur eine gemeinsame Strategie ist effektivldquo Interview mit Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer

30 Produkt- und Chemikaliensicherheit30 Auf die Mischung kommt es an

Mehrfachruumlckstaumlnde

33 Kombinationseffekte Forschungsprojekte des BfR

34 bdquoZiel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertungldquo Interview mit Dr Roland Solecki

35 Spektrum Aluminium Endokrine Disruptoren Permethrin

36 Nanopartikel in Funktionskleidung Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

38 Schutz von Versuchstieren38 Spiegelbild gesucht

Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

43 Spektrum Belastung von Laborfischen Forschungsplattform Alternativmethoden

44 Institutsleben

Hergestellt in Parma

Wie vielSchafsmilchist drin

Ist es reiner Wein

copy O

ben

und

Unt

en b

igac

iss

hutte

rsto

ckc

om M

itte

gre

seis

hutte

rsto

ckc

om

6 BfR 2 GO

SCHWERPUNKT AUTHENTIZITAumlT

Lebensmittelfaumllschernauf der SpurGestreckt gepanscht gefaumllscht ndash Lebensmittelbetrug ist ein globales Problem Das BfR erforscht wie Verfahren zum Nachweis der Authen-tizitaumlt von Lebensmitteln harmonisiert werden koumlnnen Dabei schluumlp-fen die Forscherinnen und Forscher am BfR auch selbst in die Rolle der Lebensmittelfaumllscher

Kommt er aus dem Allgaumlu

Wurde eskaltgepresst

copy O

ben

Cop

rids

hutte

rsto

ckc

om U

nten

Ale

nKad

rshu

tters

tock

com

7012017

Ein Bildschirm ein Rechner ein Infra-rotspektrometer und viele kleine Pro-bengefaumlszlige gefuumlllt mit Fett extrahiert

aus Hartkaumlse Allgaumluer Emmentaler Ein Laborant entnimmt eine stecknadelkopf-groszlige Fettprobe und bringt sie auf das Ana-lysegeraumlt auf Sekunden spaumlter erscheint auf dem Bildschirm eine Wellenlinie aus 1800 Datenpunkten das Spektrum der Kaumlse-fettprobe Ein zweites Labor eine weitere Analyse Roumlhrchen fuumlr Roumlhrchen holt sich ein Greifarm Allgaumluer-Emmentaler-Proben und bringt sie in das starke Magnetfeld ei-nes Kernspinresonanz-Spektrometers ein Die Messung erzeugt bis zu 130000 Da-tenpunkte die fuumlr die jeweilige Kaumlseprobe charakteristisch sind Ein drittes Labor eine dritte Messmethode Mit der Isotopen-verhaumlltnis-Massenspektrometrie wird hier die Herkunft der Hartkaumlse-Proben be-stimmt Insgesamt sollen 150 bis 200 Pro-ben beschafft und analysiert werden bdquoAlle Daten werden aufgearbeitet und flieszligen in eine Auswertungs-Software die fuumlr jede Methode ein charakteristisches Datenspek-trum ndash den authentischen Fingerabdruck von Allgaumluer Emmentaler ndash berechnetldquo so Dr Susanne Esslinger Sie koordiniert die Versuche zum Authentizitaumltsnachweis von Allgaumluer Emmentaler

Die Suche nach dem Fingerabdruck

In den BfR-Laboren arbeiten Wissenschaft-lerinnen und Wissenschaftler daran den typischen unverwechselbaren Fingerab-

druck von verschiedenen Lebens- und Futtermitteln darunter Wein Spirituosen Kraumluter und Gewuumlrze Hartkaumlse Speiseoumlle und Mais zu finden Ihr Ziel ist es die Echtheit dieser Produkte bzw Abweichun-gen und somit Verfaumllschungen erkennen zu koumlnnen Ist dies gelungen wird Lebens-mittelfaumllschung erschwert Die Vergabe des EU-Guumltezeichens bdquoGeschuumltzte Ursprungs-bezeichnungldquo garantiert dass fuumlr die spe-zielle Produktbezeichnung bdquoAllgaumluer Em-mentalerldquo die Erzeugung Verarbeitung und Herstellung tatsaumlchlich im Allgaumlu erfolgt sein muumlssen Was nuumltzt das Guumlte-zeichen aber wenn es keine Methoden gibt um Original und Faumllschung zu unterschei-den Das BfR hat daher eine Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Waren-ketteldquo eingerichtet um die Forschung und interdisziplinaumlre Vernetzung zur Standar-disierung von Datenerhebungen zum Au-thentizitaumltsnachweis zu staumlrken

Das BfR beteiligt sich an mehreren natio-nalen und internationalen Verbundprojek-ten um neuartige Ansaumltze und Strategien fuumlr den Nachweis von Lebensmittel- und Futtermittelverfaumllschungen zu entwickeln mit denen derartige Praktiken weltweit besser aufgedeckt werden koumlnnen Die Schwerpunkte der BfR-Forschung zu die-sem Thema sind die Herkunftsbestimmung und Identifizierung unbekannter Zusaumltze mittels zielgerichteter sowie nicht zielge-richteter Analytik in Kombination mit sta-tistischen Verfahren und Fragen zur Daten-aufbereitung und -interpretation

Nicht zielgerichtete Analytik

Eine Herausforderung bei der Suche nach dem analytischen Charakteristikum von Lebensmitteln ist die natuumlrliche Variation von Inhaltsstoffen bdquoDeswegen muss erst einmal eine Vielzahl von unverfaumllschten Proben genommen werden um charak-teristische Merkmale in den Datensaumltzen zu findenldquo erklaumlrt Dr Carsten Fauhl-Has-sek der im BfR verschiedene Forschungs-projekte zur Authentizitaumltspruumlfung von Lebens- und Futtermitteln leitet bdquoUnsere Ergebnisse zeigen dass die Idee des unver-wechselbaren Fingerabdrucks von Lebens-mitteln funktioniertldquo Das BfR hat bereits

Die Vorbereitung der Kaumlseproben fuumlr die Untersuchung beinhaltet die Homogenisierung mit fluumlssigem Stickstoff

bdquoSehr deutlich sind die Datenpunkte zu erkennen die sich auszligerhalb des Normbereichs ndash der Bande ndash be-wegen Faumlllt ein Lebensmittel aus diesem Raster ist es verdaumlchtig

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

SCHWERPUNKTTHEMA AUTHENTIZITAumlT

8 BfR 2 GO

den physikalisch-chemischen Fingerab-druck verschiedener Weine Speiseoumlle oder juumlngst von Kraumlutern und Gewuumlrzen mittels Infrarot- und Kernspinresonanz-Spektro- skopie erfasst Das BfR-Labor wurde dafuumlr auch zur Faumllscherhoumlhle Kraumluter und Ge-wuumlrze sind mit unterschiedlichsten Zusaumlt-zen gemischt und deren aufbereitete Pro-ben ebenfalls mithilfe der Analysegeraumlte vermessen worden bdquoSehr deutlich sind die Datenpunkte zu erkennen die sich auszliger-halb des Normbereichs ndash der Bande ndash be-wegen Faumlllt ein Lebensmittel aus diesem Raster ist es verdaumlchtigldquo so Dr Fauhl-Has-sek So sehen die Spektren von z B mit Oli-venblaumlttern gestrecktem Oregano oder die von mit Sudanrot ndash eine Substanz die im Verdacht steht ein genotoxisches Kanzero-gen zu sein ndash gepanschtem Paprikapulver eindeutig anders aus

Die neuen Analyseverfahren mittels des charakteristischen Fingerabdrucks eines Lebensmittels ermoumlglichen somit eine flexible und schnelle Form der Echtheits-pruumlfung Statt gezielt nach gefaumllschten Produkten zu suchen steht hier der Au-thentizitaumltsnachweis im Fokus Diese neue Herangehensweise bezeichnet man auch als nicht zielgerichtete Analytik

Cloud der Fingerabdruumlcke

Zur perspektivischen routinemaumlszligigen An-wendung der nicht zielgerichteten Analytik fuumlr die Lebensmittelsicherheit muss aller-dings zunaumlchst eine gemeinsame Nutzung der Datenbanken fuumlr Referenz-Lebensmit-tel-Fingerabdruumlcke aller Akteure im Bereich Lebensmittelsicherheit ermoumlglicht werden Auch muss sichergestellt sein dass die Daten- erhebung sowie die anschlieszligende Analyse aller Nutzer vergleichbare Ergebnisse liefern

Das BfR arbeitet im Forschungsverbund an folgendem vereinfacht skizziertem Zu-kunftsszenario Zertifizierte amtliche und private Labore stellen ihre Lebensmit-tel-Fingerabdruumlcke uumlber eine Daten-Cloud bereit Hersteller Verarbeitungs- und Ver-edlungsbetriebe steuern die dazugehoumlrigen Produktinformationen bei Wenn Uumlber-wachungsbehoumlrden oder der Groszlig- und Einzelhandel Lebensmittelproben auf ihre Echtheit uumlberpruumlfen wollen vergleichen sie den Fingerabdruck ihrer eigenen Probe mit denen in der Fingerprint-Cloud Gibt es sig-nifikante Abweichungen ist das Lebensmit-tel zunaumlchst auffaumlllig und sollte weiter un-tersucht werden Noch sind viele technische und organisatorische Huumlrden zu nehmen

Das Prinzip bdquoNicht zielgerichteter Verfahrenldquo

Wavenumbers (cm-1)

Ab

sorb

anc

e

Paprikaproben Paprika dotiert mit Siliciumdioxid

Relevante Aspekte bei der Pruumlfung

Authentizitaumltspruumlfungen koumlnnen offizielle Produktbeschreibungen bestaumltigen oder betruumlgerische Aussagen nachweisen Relevante Aspekte dabei sind die Sub-stitution durch preiswertere aber aumlhnli-che Zusaumltze die Streckung mit fremdar-tigen Substanzen (z B Wasser Staumlrke) oder die Anwendung nicht gekenn-zeichneter oder unzulaumlssiger Verfahren wie Bestrahlung oder Extraktion die Bestaumltigung der geografischen Herkunft der botanischen oder zoologischen Spezies oder der Herstellungsprozesse wie bio konventionell oder gentechnisch veraumlndert sowie die Deklaration und Angaben zur Ruumlckverfolgbarkeit (Pro-duktkennzeichnung Prozessablaumlufe Chargenidentifikation)

Exogene Signale bei Verfaumllschung

copy M

Una

l Ozm

ens

hutte

rsto

ckc

om

LEBENSMITTELFAumlLSCHERN AUF DER SPUR

9012017

Eine stecknadelkopfgroszlige Kaumlsefettprobe wird auf das Analysegeraumlt aufgebracht Um charakteristische Merkmale in den Datensaumltzen zu finden muumlssen Dr Carsten Fauhl-Hassek (im Bild rechts oben) und sein Team eine Vielzahl solcher Proben nehmen und am Computer analysieren

bdquoErst muumlssen einheitliche Datenstandards verteilt operierende Systemloumlsungen und organisatorische Loumlsungsansaumltze zur Ge-waumlhrleistung der Datenintegritaumlt und -qua-litaumlt entwickelt werdenldquo erlaumlutert Matthias Filter bdquodamit diese Vision im Bereich Le-bensmittelsicherheit realisierbar istldquo Er ko-ordiniert am BfR die Arbeiten zum Schwer-punkt bdquoGlobale Warenkettenldquo

Vernetzte Referenzdatenbanken

Damit das Zukunftsszenario naumlher ruumlckt forschen Wissenschaftlerinnen und Wis-senschaftler am BfR zu der Entwicklung von mathematischen und statistischen Mo-dellen fuumlr die Datenauswertung und Har-monisierung von Datenaustauschformaten sowie zur harmonisierten Probennahme Dies sind wesentliche Voraussetzungen fuumlr den Aufbau und die Routineanwendung

von kollaborativen Referenzdatenbanken die uumlber die Cloud verfuumlgbar gemacht wer-den koumlnnen bdquoBislang verwendet jeder Her-steller von Spektrometern aber beispiels-weise noch eigene Datenformate sodass die Daten erst einmal dechiffriert werden muumlssen damit sie fuumlr alle Beteiligten ver-wendbar sindldquo sagt Filter

Bis solche Referenzdatenbanken der typi-schen chemisch-analytischen Profile von Lebensmitteln aufgebaut und fuumlr den flauml-chendeckenden Einsatz im Netzwerk aus Uumlberwachungsbehoumlrden Laboratorien so-wie Herstellern und Haumlndlern fertiggestellt sind dauert es nach Einschaumltzung der Exper-ten sicher noch 10 bis 15 Jahre Umso wichti-ger ist es jetzt die Weichen zu stellen

Mehr erfahrenwwwbfrbundde gt A-Z-Index Authentizitaumlt

Die Suche nach dem Fingerabdruck

Beim Aufbau von standardisierten Referenzdatenbanken kommen soge-nannte nicht zielgerichtete Verfahren zum Einsatz Dabei wird der physika-lisch-chemische Fingerabdruck von Lebensmitteln anhand spektromet-rischer undoder spektroskopischer Daten erhoben Dieser dient als Vergleichsstandard mit dem die Daten unbekannter Lebensmittelproben vergli-chen werden Abweichungen koumlnnen so leichter erkannt werden und Uumlber-wachungsbehoumlrden muumlssen nicht mehr gezielt nach bestimmten unerwuumlnsch-ten Substanzen suchen die oftmals noch gar nicht bekannt sind

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

10 BfR 2 GO

SCHWERPUNKTTHEMA AUTHENTIZITAumlT

Food Integrity EU-Konsortium gegen gefaumllschte Lebensmittel Das EU-Konsortium aus 38 Projektpartnern will strukturelle und methodische Voraus-setzungen schaffen um Verfaumllschungen fruumlhzeitig einheitlich erkennen zu koumlnnen Dazu sollen u a ein Netzwerk zwischen Be-houmlrden Industrie und Forschung aufgebaut Pruumlfprozesse harmonisiert und Wissensda-tenbanken erstellt werden Das Projekt laumluft bis Ende 2018

FoodAuthent Kollaborative Referenzdatenbanken fuumlr chemische Fingerabdruumlcke In dem dreijaumlhrigen Projekt werden Grundlagen fuumlr den Routineeinsatz von Fingerprinting-Analyseverfahren im Lebensmittelsektor und in der amtlichen Uumlberwachung geschaffen Zusammen mit den Projektpartnern entwickelt das BfR bis April 2019 gemeinschaftliche Fingerprin-ting-Datenbanken sowie Schnittstellen zu privatwirtschaftlich betriebenen Pro-duktinformationssystemen Exemplarisch erfolgt dies fuumlr Hartkaumlse Speiseoumlle und Spirituosen Die Daten sollen fuumlr die mit-wirkenden Akteure im Lebensmittelbereich frei zugaumlnglich sein

Original oder Faumllschung ndash Gemeinsam gegen Lebensmittelgaunerei

Das BfR beteiligt sich an Drittmittelprojekten um Herstellern und Uumlberwa-chungsbehoumlrden Methoden an die Hand zu geben mit denen schnell sicher und kosteneffizient die Echtheit eines Lebensmittels erkannt werden kann Einige werden hier vorgestellt

Animal-IDHerkunftsnachweis von tierischen Proteinen in Futter- und Lebens-mitteln Die Projektpartner kombinieren Massen- spektrometrie mit Verfahren zur Protein-anreicherung um Analysemethoden zur gewebespezifischen Herkunftsbestimmung von Futtermitteln zu entwickeln sowie Schnelltests auf Basis von proteinbasierten ELISA DipStick-Tests fuumlr die wichtigsten Tierarten in der Fleischproduktion wie Rind Schwein Pferd und Huhn Das BfR koordiniert das Vier-Jahres-Projekt (2016 bis 2019)

FoodRisk-Lab Softwareloumlsungen zur Unterstuumlt-zung der Bewertung von Risiken Das BfR entwickelt frei verfuumlgbare Soft-wareloumlsungen und Web-Dienste fuumlr die Bewertungsarbeit behoumlrdlicher Einrichtun-gen sowie fuumlr Wissenschaft und Forschung FoodChain-Lab unterstuumltzt z B die Ruumlckverfolgung von Futter- und Lebens-mitteln entlang der Warenketten und ermoumlglicht eine interaktive Analyse von Ausbruchsgeschehen Weitere Programme dienen der mathematischen Modellierung von Gefahren im Bereich der Futter- und Lebensmittelsicherheit

SPICEDSicherung der Gewuumlrz- und Kraumluterwarenketten Europas Gewuumlrze und Kraumluter werden sehr vielen Lebensmitteln zugesetzt Die Ergebnisse des Forschungsprojektes tragen dazu bei die Gewuumlrz- und Kraumluterwarenketten Euro-pas gegen natuumlrliche unabsichtliche und absichtliche biologische und chemische Ver-unreinigungen zu schuumltzen Das Projekt mit 11 Partnern aus sieben EU-Laumlndern wurde von 2013 bis 2016 im 7 Rahmenprogramm der EU gefoumlrdert und vom BfR koordiniert

11012017

FORSCHUNGSPROJEKTE

bdquoWir wollen Faumllschungen einen Riegel vorschiebenldquo

Professor Wittkowski welche Lebens- mittel werden uumlblicherweise verfaumllschtGefaumllscht wird uumlberall dort wo ein oumlkono-mischer Vorteil erzielt werden kann Pro-duktpiraterie kommt deswegen vor allem bei hochqualitativen und teuren Markenpro-dukten wie Olivenoumll Schafskaumlse Wein oder Spirituosen vor Ein uumlblicher Trick ist min-derwertige Zutaten als hochwertige zu ver-kaufen wie Shrimps als Garnelen Bei Pro-dukten bei denen die geografische Herkunft ein Qualitaumltsmerkmal ist wie Parma- oderSerrano-Schinken Irischer Whiskey oder Champagner wird versucht die Herkunft vorzutaumluschen

Koumlnnen Verbraucher denn noch der Le-bensmittelsicherheit vertrauen Glaubwuumlrdigkeit Vertrauen und Sicherheit sind eng miteinander verknuumlpft Menschen wollen einkaufen kochen essen und trin-ken gesund bleiben und es soll schmecken Sie wollen nicht wissen wie der Wein filt-riert oder bei welcher Temperatur der Kaf-fee geroumlstet wurde aber sie wollen darauf vertrauen dass die Angaben stimmen und dass diese Technologien sichere Lebens-mittel erzeugen Dies ist nur moumlglich weil es Standards fuumlr die Lebensmittelwirtschaft gibt und Uumlberwachungsbehoumlrden die Ein-haltung pruumlfen

Nur weil Parma-Schinken nicht aus Par-ma kommt stellt er doch noch kein Ge-sundheitsrisiko dar Geht es nicht viel-mehr um oumlkonomische Interessen der Hersteller Wissenschaftler koumlnnen zunaumlchst Normab-weichungen erkennen nicht aber die Mo-tivation von Verfaumllschern Zunaumlchst wird selbstverstaumlndlich eine Risikobewertung derartiger Befunde durchgefuumlhrt Anschlie-szligend kann man nach weiterer Uumlberpruumlfung und Ruumlckverfolgung der Lieferketten ent-scheiden ob es eine gezielte Verfaumllschung war oder nicht

Koumlnnen Sie ein Beispiel gebenStatt Rindfleisch wurde vor einigen Jahren in Lasagne Pferdefleisch nachgewiesen Im ersten Moment ein gesundheitlich unbe-denklicher Betrugsfall Pferdefleisch ist ein hochwertiges Lebensmittel Allerdings war nicht bekannt woher das Fleisch kam und ob es mit verbotenen undoder gesundheits-schaumldlichen Arzneimitteln belastet war Das wurde dann uumlberpruumlft und das Fleisch fuumlr unbedenklich erklaumlrt Oder Aufgrund des traditionellen Anbaus hatten Pistazien aus dem Iran eine Zeit lang erhoumlhte Mykoto-xingehalte und unterlagen daher strengen Auflagen bei der Einfuhr nach Europa Zur Umgehung dieser Auflagen traten Falsch-deklarationen der Herkunft auf Iranische Pistazien wurden als Pistazien aus Kaliforni-en in den Markt gebracht

Es geht also in erster Linie immer um Verbraucherschutz und nicht um Taumlu-schungs- oder Betrugsschutz Aus meiner Sicht ja Teilweise nehmen Faumllscher auch billigend in Kauf dass Men-schen zu Schaden kommen Mit Methanol gepanschter Alkohol oder mit Melamin gestrecktes Milchpulver sind Beispiele Die Verfaumllscher sind naumlmlich keine Toxikologen Die Frage ist also welche Methoden koumlnnen Behoumlrden bereitstellen um das Vertrauen in die Sicherheit der Lebensmittel zu erhalten

Das houmlrt sich an wie ein Wettlauf For-schung gegen Faumllschung Gibt es denn immer die richtige MethodeDas Gute an der Analytik ist dass man mit der richtigen Methode findet was man sucht Allerdings wissen wir nicht immer auf welche neuen betruumlgerischen Ideen Faumll-scher kommen Deswegen beteiligen wir uns in internationalen Forschungsvorhaben an der Entwicklung von Referenzdaten-banken mit dem typischen Fingerabdruck von Lebensmitteln Die sogenannte Finger-print-Analyse bietet die Moumlglichkeit nicht

nur Lebensmittel durch ihre Normabwei-chung als gefaumllscht zu identifizieren sondern auch bisher unbekannte Verfaumllschungen und gesundheitlich bedenkliche Manipulationen aufzudecken bevor die Ware in den Regalen steht

In der Praxis gibt es dazu doch sicher schon MaszlignahmenPrivate Analysefirmen haben sich bereits auf die Fingerprint-Methode fuumlr bestimmte Produkte spezialisiert und groszlige Datenban-ken angelegt Doch hier liegt ein Problem Jeder arbeitet mit seinen eigenen Daten Auch sind die Ergebnisse der Firmen nicht gerichtsfest weil die Datengrundlage nicht oumlffentlich ist Staatliche Institutionen ar-beiten dagegen mit transparenten und ver-gleichbaren Daten damit Beanstandungen gerichtsfest sind Deswegen muumlssen fuumlr ei-nen Erfolg der Fingerprint-Methoden die Messungen der verschiedenen Labore va-lidiert und die Datenbanken harmonisiert werden

bdquoUnser Allein- stellungsmerkmal ist dass wir Risikobewertung und Forschung betreiben

12 BfR 2 GO

SCHWERPUNKTTHEMA AUTHENTIZITAumlT

BfR-Vizepraumlsident Professor Dr Reiner Wittkowski setzt sich dafuumlr ein dass am BfR zu neuartigen Verfah-ren zur Authentifizierung von Lebensmitteln geforscht wird Als junger Lebensmittelchemiker hat er am Vorgaumlngerinstitut des BfR dem Bundesgesundheitsamt bereits fuumlr die Uumlberpruumlfung der Echtheit von Wein Methoden entwickelt etabliert und begonnen eine Fingerabdruck-Datenbank anzulegen

Was traumlgt das BfR zur Uumlberpruumlfung der Echtheit von Lebensmitteln bei Wir beteiligen uns seit Langem an allen maszliggeblichen EU-Forschungsvorhaben zur Authentizitaumltspruumlfung Unser Alleinstel-lungsmerkmal ist dass wir Risikobewertung und Forschung betreiben Das BfR hat an-ders als andere Bewertungsbehoumlrden eigene Laboratorien Wir haben deswegen einen sehr strengen Blick auf Bewertungsmetho-den und fragen wie sicher die Aussagekraft der Daten ist Das Kerngeschaumlft der 17 Re-ferenzlabore des BfR ist Methodenvali-dierungen durchzufuumlhren Auf nationaler Ebene arbeitet das BfR bereits eng mit der amtlichen Lebensmitteluumlberwachung der Bundeslaumlnder zusammen

Welchen konkreten Ansatz nutzt das BfRWir kombinieren Analytik und Daten-modellierung Das Institut hat eine lange Historie hinsichtlich des Nachweises der Echtheit von Lebensmitteln da auch in den Vorgaumlngerinstitutionen dazu geforscht wur-de In den 1990er-Jahren wurde hier eine der ersten Datenbanken zur Uumlberpruumlfung der Authentizitaumlt von Wein aufgebaut und wurden erstmals Kernresonanz-spektrosko-pische Verfahren in der Lebensmittel-Ana-lytik angewandt Die Expertise zum Thema Wein haben wir dann auf andere Lebens-mittel-Matrizes uumlbertragen Neben der Ana-lytik ist die Statistik unser zweiter Impetus Das BfR hat viel Erfahrung im Bereich der Datenanalyse fuumlr die Vor- und Ruumlckverfolg-barkeit von Lieferketten aufgebaut Mit der FoodChainLab-Software die im Rahmen der EHEC-Krise entwickelt wurde sind komplexe Datenmodellierungen moumlglich

Was sind die naumlchsten SchritteWir haben bereits ein nationales Kompe-tenznetzwerk zwischen Bundesbehoumlrden Landesuntersuchungsaumlmtern Universitaumlten und Forschungseinrichtungen etabliert und wir bringen das Thema weltweit voran Das BfR hat im November 2016 ein Symposium organisiert auf dem rund 100 Fachleute aus Deutschland Europa Nordamerika Afrika Asien und Neuseeland uumlber die Herausfor-derungen der Standardisierung diskutierten Aus meiner Sicht sollte unbedingt ein euro-paumlisches Referenzlabor eingerichtet werden ndash die EU-Kommission erwaumlgt dies bereits ndash um in Europa ein harmonisiertes System der angewendeten Methoden und der Datener-fassung fuumlr die Authentizitaumltspruumlfung von Lebensmitteln zu etablieren Nur das ist ziel-fuumlhrend wenn wir Faumllschungen global einen Riegel vorschieben wollen

copy B

fR

13012017

INTERVIEW MIT PROFESSOR DR REINER WITTKOWSKI

Der BfR-Verbrauchermonitor ist ein zentrales Instru-ment des gesundheitlichen Verbraucherschutzes Er zeigt wie die Oumlffentlichkeit Risiken wahrnimmt

Gefuumlhlte Risiken im Visier

copy ig

orst

evan

ovic

Shu

tters

tock

com

RISIKOWAHRNEHMUNG

14 BfR 2 GO

Welche Themen bewegen Verbraucherinnen und Verbrau-cher Was ist ihnen vertraut was beunruhigt sie Ant-worten auf diese Fragen liefert der BfR-Verbrauchermo-

nitor ndash eine seit 2014 regelmaumlszligig durchgefuumlhrte repraumlsentative Bevoumllkerungsbefragung mit der das BfR die generelle Einschaumlt-zung der Oumlffentlichkeit zu Verbraucherschutzthemen ermittelt In Ergaumlnzung dazu fuumlhrt das BfR Repraumlsentativbefragungen zu Ein-zelthemen durch die von besonderem aktuellem Interesse sind wie Antibiotikaresistenzen oder Pflanzenschutzmittel Die Ergeb-nisse dazu erscheinen als bdquoBfR-Verbrauchermonitor Spezialldquo Der Verbrauchermonitor ist ein wesentlicher Indikator um moumlgliche Missverstaumlndnisse oder Fehleinschaumltzungen seitens der Bevoumllke-rung fruumlhzeitig zu erkennen bdquoFuumlr uns ist es sehr wichtig konkret zu wissen was die Bevoumllkerung warum bewegt Daraus folgern wir welche kommunikativen Maszlignahmen zu ergreifen sindldquo sagt PD Dr Gaby-Fleur Boumll Leiterin der Abteilung Risikokommunika-tion am BfR

Methode der Datenerhebung

Fuumlr die repraumlsentative Umfrage des Verbrauchermonitors werden ca 1000 Personen die in Privathaushalten in Deutschland leben und mindestens 14 Jahre alt sind im Auftrag des BfR von Markt- und Meinungsforschungsinstituten telefonisch interviewt Diese Interviews werden computergestuumltzt anhand eines programmier-ten Fragebogens von geschulten Interviewern durchgefuumlhrt ndash kurz CATI-Methode genannt nach der englischen Bezeichnung compu-ter-assisted telephone interviewing Dabei werden die Fragen zum gesundheitlichen Verbraucherschutz und Fragen zu anderen The-menbereichen zu einer sogenannten Omnibus- oder Mehrthemen-befragung zusammengefasst Die Fragen des Verbrauchermonitors koumlnnen einen offenen Charakter haben (ungestuumltzte Fragen) oder geschlossen formuliert sein (gestuumltzte Fragen) Um die Ergebnisse der Verbrauchermonitore im Zeitverlauf miteinander vergleichen zu koumlnnen ist jede Umfrage aumlhnlich aufgebaut Das BfR widmet sich einerseits Themen die in der Oumlffentlichkeit eine groszlige Auf-merksamkeit erhalten Andererseits analysiert es Fragen die bisher weniger im oumlffentlichen Fokus stehen aber ebenfalls relevant sind wie beispielsweise gesundheitsschaumldliche Pflanzeninhaltsstoffe Auch das Ausmaszlig des Vertrauens in die staatlichen Strukturen des gesundheitlichen Verbraucherschutzes wird abgefragt da dies wie-derum die Wahrnehmung von Risiken beeinflussen kann

bdquoFuumlr uns ist es sehr wichtig konkret zu wissen was die Bevoumllkerung warum bewegt

Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher

Kaum veraumlndert hat sich in den letzten Jahren die Ansicht von Ver-braucherinnen und Verbrauchern dass Lebensmittel in Deutsch-land sicher sind Fragt man in der ungestuumltzten Abfrage nach den groumlszligten gesundheitlichen Risiken so sind dies im aktuellen Ver-brauchermonitor (082017) nach wie vor das Rauchen die Klima- bzw Umweltbelastung und ungesunde oder falsche Ernaumlhrung Da-nach werden Alkohol sowie ungesunde oder belastete Lebensmittel genannt Fragt man in der gestuumltzten Abfrage gezielt nach ausge-waumlhlten Themen so fuumlhren Salmonellen gentechnisch veraumlnderte Lebensmittel Antibiotikaresistenzen und Ruumlckstaumlnde von Pflan-zenschutzmitteln die Bekanntheitsskala an Dies sind auch die vier Themen die bei den meisten Befragten fuumlr Beunruhigung sorgen Es zeigt sich immer wieder dass Verbraucherinnen und Verbrau-cher Risiken unterschaumltzen die aus Sicht der Risikobewertung als

ZielsetzungVerbrauchermonitor

gt Erfassung und Analyse von Trends und Themen in der Verbraucherwahrnehmunggt Uumlber- bzw Unterschaumltzung von gesundheitlichen Risiken durch die Bevoumllkerunggt Beobachtung von Veraumlnderungen im Verbraucherverhaltengt Schnelle Erfassung der Verbraucherwahrnehmung in Krisensituationen

BfR-VERBRAUCHERMONITOR

15012017

gesundheitsrelevant eingestuft werden wie z B die Lebensmittelhygiene im eigenen Haushalt Noch weitgehend unbekannt ist der breiten Oumlffentlichkeit eine neue derzeit in der Wissenschaft diskutierte Metho-de zur Genveraumlnderung ndash das sogenannte bdquoGenome Editingldquo

Vertrauen staumlrken

Verschiedene Bevoumllkerungsgruppen neh-men Ereignisse oder Sachverhalte unter-schiedlich wahr Es haumlngt von vielen Fakto-ren ab wie groszlig ihnen ein Risiko erscheint Insbesondere zwischen der Wahrnehmung von Laien und Fachleuten koumlnnen sich Un-terschiede ergeben da die intuitive Risiko-einschaumltzung der Bevoumllkerung haumlufig auf anderen Prinzipien und Kriterien beruht als die wissenschaftliche Risikobewertung Aus der Risikowahrnehmungsforschung ist beispielsweise bekannt dass die Sorge vor

synthetisch hergestellten Stoffen groumlszliger ist als die Sorge vor natuumlrlich vorkommenden Stoffen wie beispielsweise giftigen Pflanze-ninhaltsstoffen

Der BfR-Verbrauchermonitor Spezial zum Thema Pflanzenschutzmittel hat zudem gezeigt dass ein Groszligteil der Bevoumllkerung faumllschlicherweise davon ausgeht dass in Lebensmitteln generell keine Reste von Pflanzenschutzmitteln vorkommen duumlr-fen Tatsaumlchlich sind Ruumlckstaumlnde von zu-gelassenen Pflanzenschutzmitteln bis zum erlaubten Ruumlckstandshoumlchstgehalt zulaumls-sig und als gesundheitlich unbedenklich eingestuft Auf diese Diskrepanz kann die Risikokommunikation gezielt reagieren indem sie die Oumlffentlichkeit mit geeigne-ten Kommunikationsformen umfassend uumlber die rechtlichen und wissenschaftli-chen Grundlagen der Risikobewertung bei Pflanzenschutzmitteln informiert

Die Ergebnisse solcher Bevoumllkerungsum-fragen liefern wichtige Einsichten in die Risikowahrnehmung verschiedener Bevoumll-kerungsgruppen und zeigen Unterschiede hinsichtlich demografischer Faktoren wie Alter Bildungshintergrund Berufsgrup-pe und Geschlecht auf So ist Frauen das Vorkommen von Pyrrolizidinalkaloiden in Kraumlutertee beispielsweise haumlufiger bekannt als Maumlnnern Auch hat sich gezeigt dass Maumlnner Prozesskontaminanten in Grill-fleisch weniger bedenklich einschaumltzen als Frauen

Mit dem Verbrauchermonitor hat das BfR ein Instrument etabliert mit dem noch fruumlher auf Informations- und Kommuni-kationsbeduumlrfnisse eingegangen und damit das Vertrauen der Oumlffentlichkeit in den ge-sundheitlichen Verbraucherschutz weiter gestaumlrkt werden kann

Alle bisher erschienenen BfR-Verbrauchermonitore koumlnnen abgerufen werden unter wwwbfrbundde gt Publikationen gt Broschuumlren gt BfR-Verbrauchermonitor

Welche Themen betrachten Sie persoumlnlich als die groumlszligten gesundheitlichen Risiken fuumlr Verbraucherinnen und Verbraucher

Inwieweit sind Sie persoumlnlich uumlber die folgenden Themen zur Lebensmittel-sicherheit beunruhigt oder nicht beunruhigt

16 BfR 2 GO

RISIKOWAHRNEHMUNG

2016 gab es in Deutschland in der deutsch-sprachigen Bevoumllkerung ab 14 Jahren rund 08 Millionen Personen die sich selbst als Veganer bezeichnen wuumlrden oder als je-mand der weitgehend auf tierische Produk-te verzichtet (2016 Allensbacher Markt- und Werbetraumlger-Analyse IfD Allensbach) Ei-nige Studien zeigen dass eine vegane Ernaumlh-rung positive Einfluumlsse auf die Gesundheit haben kann wie zum Beispiel ein geringeres Risiko fuumlr Typ-2-Diabetes Beschrieben wer-den allerdings auch gesundheitliche Risiken durch Naumlhrstoffmangelzustaumlnde etwa fuumlr Schwangere und Kinder Wer keine tierische Produkte zu sich nimmt riskiert unter an-derem eine Unterversorgung mit Vitamin B12 Eisen Calcium Jod und Zink sowie mit langkettigen Omega-3-Fettsaumluren

Vor diesem Hintergrund entwickelte das BfR geeignete Risikokommunikationsstra-tegien Ein Forschungsprojekt widmete sich den individuellen und sozialen Einflussfak-toren die zur Motivation und Aufrechter-haltung einer veganen Ernaumlhrung fuumlhren Insgesamt wurden 42 Veganerinnen und Veganer zu ihren Werten Einstellungen und Meinungen befragt Aufgrund der zum Teil sehr ausgepraumlgten Abweichun-gen zur Durchschnittsbevoumllkerung lassen sich verallgemeinernde Aussagen treffen Repraumlsentativ sind die Befragungsdaten al-lerdings nicht

Ethische Entscheidung

Fast immer begruumlnden Veganerinnen und Veganer ihre Entscheidung fuumlr eine vega-ne Ernaumlhrung mit ethischen Argumenten Gesundheitliche Motive werden selten ge-nannt Die Befragten sind uumlberwiegend konfessionslos und uumlberdurchschnittlich

gebildet Auszligerdem beguumlnstigt Vegetaris-mus die Entscheidung sich vegan zu ernaumlh-ren Zwei Drittel der Teilnehmenden haben sich bereits vorher vegetarisch ernaumlhrt Er-naumlhren sich bereits Personen aus dem na-hen Umfeld vegan kann dies die Entschei-dung auch vorantreiben

Fuumlr die uumlberwiegende Mehrheit der Be-fragten ist die Ruumlckkehr zur omnivoren Ernaumlhrung die tierische Produkte zulaumlsst nicht vorstellbar Auch eine Schwanger-schaft wird meist nicht als Grund dafuumlr angesehen Oft werden auch Kinder vegan ernaumlhrt Nach Aussagen der Befragten re-agiert das soziale Umfeld haumlufig mit Skepsis und Aversion Um eine soziale Ausgren-

zung der Kinder zu verhindern lassen die Befragten teils Kompromisse zu So koumlnn-ten Kinder zum Beispiel selbst waumlhlen ob sie auswaumlrts Tierprodukte essen

Wissen kommt an

Wer sich vegan ernaumlhrt verfuumlgt in der Re-gel uumlber ein fundiertes Ernaumlhrungswissen 40 der 42 Teilnehmenden der BfR-Studie waren sich zum Beispiel daruumlber im Klaren dass es ohne tierische Produkte zu einer Mangelversorgung mit Vitamin B12 kom-men kann Viele nehmen dieses Vitamin zusaumltzlich ein Bei der Informationssuche rund um vegane Ernaumlhrung ist das Inter-net die wichtigste Informationsquelle (siehe Grafik)

Strategie der Risikokommunikation

Im Rahmen der Befragung stellten sich wichtige Anknuumlpfungspunkte fuumlr die Risi-kokommunikation heraus Unter anderem wurde klar dass ein negativer Ansatz der die vegane Ernaumlhrung als gefaumlhrlich oder abnormal darstellt nur wenig Erfolg haben kann Eine effektive Risikokommunikation sollte an bestehende Uumlberzeugungen der Veganerinnen und Veganer anknuumlpfen Ziel sollte dabei sein konkrete Tipps fuumlr den Alltag zu geben die sich mit einer vega-nen Ernaumlhrung verbinden lassen Informa-tionen wie bei einer veganen Ernaumlhrung eine moumlgliche defizitaumlre Naumlhrstoffversor-gung verhindert werden kann sind grund-saumltzlich erfolgversprechend Insbesondere uumlber Alternativen oder Supplementierung in der Schwangerschaft bei Saumluglingen und Kleinkindern sollte umfassend informiert werden

Vegan und informiert

Welche Informationsquellen nutzen Sie um sich

uumlber vegane Ernaumlhrung zu informieren

Kochbuumlcher mit veganen Rezepten Blogs zum Thema und tierfreie Supermaumlrkte ndash die vegane Ernaumlhrung liegt im Trend Wer ganz auf tierische Produkte verzichtet riskiert jedoch eine Unterversorgung mit bestimmten Naumlhrstoffen Um eine effiziente Risikokommunikation zu gewaumlhrleis-ten hat das BfR Veganerinnen und Veganer zu Wissens-stand und Einstellungen befragt

Foren im Internet

Sonstige Quellen im Internet

Buumlcher

Zeitschriften

Freunde Bekannte

Sonstigen = 42 Mehrfachnennungen moumlglich

74

71

52

36

12

5

copy S

tudi

oPho

toD

Flor

ezs

hutte

rsto

ckc

om

BEFRAGUNG ZU VEGANISMUS

17012017

63

72 Ekel

Fremdheit

Bedenken zu Hygiene und Vertraumlglichkeit

Grillen Mehlwuumlrmer und Wanderheuschrecken ndash in vielen Regionen der Welt werden Insekten von Menschen verspeist Auch in der Schweiz sind Insek-ten seit dem Fruumlhjahr 2017 offiziell als Lebensmittel zugelassen Ihr Verzehr ist in Europa jedoch generell wenig verbreitet und die oumlffentliche Diskussion steckt noch in den Anfaumlngen Wie bekannt ist das Thema in der deutschen Bevoumllkerung Welche Einstellungen bestehen gegenuumlber essbaren Insekten Wie wird das Thema in den Medien dargestellt In zwei Studien hat das BfR Antworten auf diese Fragen gefunden

Die Mehrheit der Deutschen vermutet keine gesundheitlichen Risiken durch den Verzehr von Insekten wuumlrde sieaber dennoch nicht verzehren Hauptgruumlnde gegen den Verzehr

sind Ekel Fremdheit Bedenken zu Hygiene und Vertraumlglichkeit

46 13 15

Insekten als Lebensmittel fuumlr Menschen ndash 72 Prozent der Befragten haben schon davon gehoumlrt Insekten gelten als eiweiszlig- naumlhrstoff- und vitaminreich und als eine wesentliche Nahrungsquelle hinsichtlich des Welternaumlhrungsproblems

Insekten essen Mehr Theorie als Praxis

18 BfR 2 GO

RISIKOWAHRNEHMUNG

2014

27 Artikel

14

Zugrundeliegende Studien telefonische Repraumlsentativbefragung von 1000 Personen (deutschsprachige Bevoumllkerung ab 14 Jahren) Medienanalyse von 17 deutschen Print- und Onlinemedien (uumlberregionale Qualitaumltszei-tungen Hauptstadtpresse und woumlchentliche Zeitungen) im Zeitraum Januar 2014 bis Dezember 2015 zur Art und Haumlufigkeit der Berichterstattung uumlber essbare Insekten

14 Prozent der Befragten haben schon einmal Insekten verzehrt mehrheit-lich im Ausland Uumlberwiegend sind es Maumlnner 18 ndash 29-Jaumlhrige gut Gebildete und Staumldter

Die Medienberichterstattung zu Insekten als Lebens- und Futtermittel verdoppelte sich von 2014 zu 2015 In der Mehrheit ging es um Nutzen- aspekte Insekten wurden medial als bdquozukunftsweisendes sinnvolles Lebensmittel bei dem der Nutzen gegenuumlber moumlglichen Risiken uumlber-wiegtldquo dargestellt

Verbraucherinnen und Verbraucher wuumlnschen sich mehr Informationen zu moumlglichen gesundheitlichen Risiken von Insekten als Lebens- und Fut-termittel zu ihrer Produktion und zum Naumlhrstoffgehalt Dies koumlnnte die oumlffentliche Akzeptanz fuumlr den Verzehr von Insekten erhoumlhen Auch bdquounkenntlich gemachteldquo Insekten in Form verarbeiteter Lebensmittel wuumlrden eher akzeptiert als Insekten im urspruumlnglichen Zustand

WeiterlesenBfR-Symposium bdquoInsekten als Lebens- oder Futtermittel Nah-rung der Zukunftldquo Bericht zum Symposium am 24 Mai 2016 in 2016 Journal fuumlr Verbraucher-schutz und Lebensmittelsicher-heit 11 3 281ndash289

2015

60 Artikel

i

Insekten als Lebensmittel

gt zaumlhlen lebensmittelrechtlich in der EU zu den neuartigen Lebensmitteln und muumlssen zugelassen werden

gt unerforschte Aspekte Toxikologie Gehalt an Kontaminanten und Ruumlckstaumlnden allergenes Potenzial mikrobiologische Risiken

copy a

rka3

8sh

utte

rsto

ckc

om

19012017

INFOGRAFIK ZU INSEKTEN

Unerwuumlnscht inLebensmitteln

Gelangen Pyrrolizidinalkaloide (PA) in die Lebensmittelkette koumlnnen insbesondere 12-ungesaumlttigte PA dem Menschen schaden Seit Jahren

befasst sich das BfR mit der Frage welches gesundheitliche Risiko von 12-ungesaumlttigten PA in Lebensmitteln ausgeht Klar ist die PA-Kontami-

nation in der Lebensmittelkette sollte so gering wie moumlglich sein

LEBENSMITTELSICHERHEIT

20 BfR 2 GO

Unerwuumlnschte Stoffe die in die Lebensmittelkette gelangen koumlnnen fuumlr Verbraucherinnen und Verbraucher ein gesund-heitliches Risiko darstellen Ein Beispiel fuumlr solche Eintraumlge

sind 12-ungesaumlttigte Pyrrolizidinalkaloide (PA) Das sind Stoffe die von einigen Pflanzen als Schutz vor Fraszligfeinden gebildet werden Sie konnten zunaumlchst in Honig und anderen Bienenprodukten spaumlter auch in Tees Kraumlutertees und Gewuumlrzen aber auch in pflanzenba-sierten Nahrungsergaumlnzungsmitteln nachgewiesen werden

Toxische Wirkungen bei Mensch und Tier

Beim Menschen sind vereinzelt Vergiftungsfaumllle nach arzneilicher Einnahme von PA-haltigen Kraumlutertees und -erzeugnissen bekannt Weiterhin gibt es Berichte uumlber epidemische Lebererkrankungen mit Todesfaumlllen in Pakistan Indien Afghanistan Tadschikistan und der ehemaligen UdSSR nach Verzehr von Getreide das mit Samen von Heliotropium- oder Crotalaria-Arten kontaminiert war Aus der Nutztierhaltung ist das gehaumlufte Auftreten von Leberzirrhosen bei Schlachtrindern bekannt die mit Heu und Silage auch Alpenkreuz-kraut aufgenommen hatten Auch bei Pferden wurden mit Leberde-generation einhergehende durch PA im Futter verursachte Erkran-kungen die Seneciosen beobachtet

Die Leber ist das primaumlre Zielorgan von Schaumldigungen durch 12-ungesaumlttigte PA Jedoch koumlnnen auch die Lunge oder andere Organe betroffen sein Insbesondere bei Aufnahme houmlherer Dosen treten akute venookklusive Veraumlnderungen in der Leber (hepatic veno-occlusive disease HVOD) oder der Lunge auf In houmlheren Dosen wurden im Tierversuch mit 12-ungesaumlttigten PA auch ent-wicklungstoxische Effekte beobachtet Nach den vorliegenden tier- experimentellen Daten gilt die kanzerogene Wirkung von 12-un-gesaumlttigten PA als gesichert und ein entsprechendes Risiko fuumlr den Menschen wird in Betracht gezogen Vielfach zeigten Verbindungen die sich im Tierversuch als kanzerogen erwiesen in entsprechenden Mutagenitaumltstests eine genotoxische Wirkung

Wie 12-ungesaumlttigte PA in Lebensmittel gelangen koumlnnen

Nach bisherigem Kenntnisstand koumlnnen 12-ungesaumlttigte PA uumlber mehrere Wege in Lebensmittel gelangen In Deutschland sind Ver-unreinigungen vor allem in den Anbauflaumlchen von Nutzpflanzen mit PA-bildenden Wildkraumlutern wie z B bei Salaten mit Kreuzkraut oder Greiskraut aufgetreten Aus Afghanistan sind erhoumlhte Belastungen in Getreide bekannt Auch die Belastung von Tee und Kraumlutertee-Sor-ten mit PA wird auf eine Kontamination mit bestimmten Wildkraumlu-tern in den Anbauflaumlchen zuruumlckgefuumlhrt Auszligerdem koumlnnen Bienen-produkte wie Honig und Pollen mit PA belastet sein wenn die Tracht von bestimmten Wildpflanzen stammt 12-ungesaumlttigte PA koumlnnen auch uumlber verunreinigte Futtermittel in Milch Eier und Fleisch ge-langen Auch Nahrungsergaumlnzungsmittel koumlnnen auf der Basis von Pflanzen hergestellt sein die selbst 12-ungesaumlttigte PA bilden

Gesundheitliche Risiken durch belastete Lebensmittel

Das BfR hat 2016 eine Bewertung der gesundheitlichen Risiken durch 12-ungesaumlttigte PA erarbeitet Dabei wurde die Belastung aller wichtigen Lebensmittelgruppen beruumlcksichtigt fuumlr die aktuell Daten zum Vorkommen von 12-ungesaumlttigten PA vorliegen Bei der Bewertung wurde die genotoxisch-kanzerogene Wirkung als emp-findlichster Endpunkt zugrunde gelegt

copy F

eyya

z A

laca

ms

hutte

rsto

ckc

om

copy e

mbe

riza

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

21012017

Danach geht bei Kindern im Alter von sechs Monaten bis unter fuumlnf Jahren die Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA im Wesentlichen auf Kraumlutertee einschlieszliglich Rooibostee Schwarztee und Honig zuruumlck Fruumlchtetee Milch Eier und Fleisch tragen nur wenig zur Gesamtaufnahme von 12-un-gesaumlttigten PA bei Sieht man von bestimm-ten Nahrungsergaumlnzungsmitteln ab zeigt sich bei Erwachsenen ein aumlhnliches Bild Bei Erwachsenen ist der Beitrag von Honig zur Gesamtaufnahme an 12-ungesaumlttigten PA geringer und der von Gruumlntee houmlher als bei Kindern Bei hohen Gehalten koumlnnen Nahrungsergaumlnzungsmittel als zusaumltzliche Expositionsquelle zur Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber Lebensmittel beitragen Gewuumlrze und Kraumluter aber auch Mehle stellen moumlglicherweise eine relevante zusaumltzliche Expositionsquelle dar Fuumlr eine abschlieszligende Bewertung fehlen hier jedoch noch Daten

Obwohl in Einzelfaumlllen hohe Gehalte an 12-ungesaumlttigten PA in bestimmten Le-bensmitteln des allgemeinen Verzehrs nachgewiesen wurden haumllt das BfR nach derzeitiger Datenlage auch bei hoher Auf-nahme dieser Lebensmittel eine akute Ge-sundheitsschaumldigung fuumlr unwahrscheinlich Zur Abschaumltzung des potenziellen Risikos von genotoxisch-kanzerogenen Wirkungen legte das BfR wie international uumlblich den MOE-Ansatz (Margin of Exposure) zugrun-de Dabei wird ausgehend von Tierstudien angenommen dass fuumlr genotoxische Kan-zerogene ein MOE-Wert von 10000 oder houmlher aus Sicht der oumlffentlichen Gesundheit als wenig bedenklich und die Prioritaumlt fuumlr Maszlignahmen im Rahmen des Risikomanage-ments als niedrig angesehen werden kann Bei genotoxisch-kanzerogenen Stoffen kann keine Schwellendosis angenommen werden unterhalb derer keine unerwuumlnschten Wir-kungen mehr erwartet werden Daher gilt in der Europaumlischen Union die Empfehlung die Exposition gegenuumlber genotoxisch und kanzerogen wirkenden Substanzen so weit zu minimieren wie dies vernuumlnftig erreich-bar ist ndash das sogenannte ALARA-Prinzip (as low as reasonably achievable) Selbst geringe Aufnahmemengen koumlnnen insbesondere bei regelmaumlszligigem Verzehr mit einer Erhouml-hung gesundheitlicher Risiken verbunden sein

Die Bewertung des genotoxischen und kan-zerogenen Risikos erfolgt als Vergleich der Gesamtaufnahme uumlber verschiedene Tees Milch und Honig bei Kindern und Er-wachsenen auf der Basis verschiedener Ver-zehrszenarien mit dem BMDL10-Wert von

73 Mikrogramm pro Kilogramm Koumlrperge-wicht und Tag unter Berechnung des MOE Der BMDL10-Wert (Benchmark dose lower confidence limit 10) ist ein Schaumltzwert der niedrigsten Dosis die im Tierexperiment mit 95-prozentiger Sicherheit eine Krebsin-zidenz von nicht mehr als 10 Prozent ver-ursacht Alle Berechnungsansaumltze sowohl fuumlr Kinder als auch fuumlr die erwachsene Be-voumllkerung ergaben MOE-Werte deutlich unterhalb von 10000 Da nach Ansicht des Wissenschaftlichen Ausschusses der EFSA ein MOE erst ab einem Wert von mindes-tens 10000 aus Sicht der oumlffentlichen Ge-sundheit als wenig bedenklich anzusehen ist empfiehlt das BfR die Gesamtexposition mit PA aus allen Lebensmitteln so niedrig wie moumlglich zu halten und einen MOE von 10000 bei Beruumlcksichtigung der PA-Zufuhr aus allen Quellen nicht zu unterschreiten Dazu sollten die Bemuumlhungen fortgesetzt werden die PA-Gehalte in Lebensmitteln weiter zu senken

Forschungsansaumltze des BfR

Das BfR befasst sich seit einigen Jahren mit der Problematik der Verunreinigung von Lebensmitteln mit 12-ungesaumlttigten PA und verfolgt hierzu verschiedene Forschungs-ansaumltze Die Analytik der 12-ungesaumlttigten PA stellt aufgrund ihrer groszligen strukturel-len Vielfalt und des Vorkommens in unter-schiedlichen Lebensmitteln eine besondere Herausforderung dar In den letzten Jahren hat das BfR spezifische Nachweismethoden entwickelt und in Ringversuchen validiert Diese Methoden stehen auf der Homepage des BfR zur Verfuumlgung und koumlnnen z B in der Lebensmittel- und Futtermitteluumlberwa-chung eingesetzt werden

Neben der Entwicklung analytischer Me-thoden werden am BfR die molekularen Mechanismen der Toxizitaumlt von 12-unge-saumlttigten PA untersucht Hier stehen vor allem Untersuchungen zur strukturabhaumln-gigen Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber die Darmbarriere im Vordergrund Die Ergebnisse zeigen dass sich das Wirkungs-potenzial der 12-ungesaumlttigten PA aufgrund von Unterschieden im strukturabhaumlngigen Transport uumlber die Darmbarriere unter-scheiden kann Auch zeigten die getesteten Modellsubstanzen in einem Zellkulturmo-dell deutliche strukturspezifische Unter-schiede im Metabolismus Weitere Untersu-

Pflanzen die Pyrrolizidinalkaloi-de bilden finden sich vor allem in den Familien der Korbbluumltler (Asteraceae) der Raublatt- oder Borretschgewaumlchse (Boraginaceae) und der Huumllsenfruumlchtler (Faba-ceae)

22 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

chungen zu der Zerstoumlrung der sinusoidalen Endothelzellen durch 12-ungesaumlttigte PA sollen zum Verstaumlndnis der Mechanismen beitragen die zu den venookklusiven Ver-aumlnderungen in der Leber fuumlhren Auch wer-den Untersuchungen zur Metabolisierung nahrungsrelevanter Pyrrolizidinalkaloide durchgefuumlhrt Die Forschungsprojekte wer-den von der Deutschen Forschungsgemein-schaft (DFG) gefoumlrdert

Empfehlungen zur Reduktion der PA-Gehalte

Das BfR empfiehlt dass sich Management-maszlignahmen an der Vermeidung genoto-xisch-kanzerogener Effekte der 12-ungesaumlt-tigten PA als dem empfindlichsten Endpunkt orientieren Die Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA sollte fuumlr Verbrau-cherinnen und Verbraucher so gering wie moumlglich sein Dazu sollten die PA-Gehalte in Lebensmitteln so weit wie moumlglich sin-ken Dies gilt insbesondere fuumlr Kraumlutertees Rooibostee Schwarzen Tee und Gruumlnen Tee sowie bestimmte Nahrungsergaumlnzungsmit-tel Hier sollten Anbau- Ernte- und Reini-gungsmethoden weiterhin verbessert wer-den Auch die Auswahl der Rohhonige kann zu einer Reduzierung der Gehalte an 12-un-gesaumlttigten PA in verzehrfertigen Honigen beitragen Auszligerdem sind vor der Vermark-tung seitens der Lebensmittelunternehmer weiterhin Kontrollen in allen betroffenen Lebensmittelkategorien notwendig

Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das potenzielle gesundheitliche Risiko durch PA durch eine abwechslungsreiche Ernaumlh-rung verringern und so generell einseitigen Belastungen mit verschiedenen potenziell gesundheitsgefaumlhrdenden Stoffen vorbeu-gen Insbesondere fuumlr Kinder Schwangere und Stillende empfiehlt das BfR den taumlgli-chen Fluumlssigkeitsbedarf nicht ausschlieszliglich mit Kraumlutertee und Tee zu decken

Bei der Zubereitung von Salat Blattgemuumlse und Kraumlutern sollten Verbraucherinnen und Verbraucher Pflanzenteile aussortieren die sie keinen bekannten essbaren Pflanzen zu-ordnen koumlnnen

Wer Nahrungsergaumlnzungsmittel auf Pollen-basis oder auf Basis von Pflanzen einnimmt die 12-ungesaumlttigte PA bilden sollte sich bewusst sein dass diese Produkte 12-un-gesaumlttigte PA in houmlheren Konzentrationen enthalten koumlnnen

Mehr erfahrenStellungnahme Nr 0302016 des BfR vom 28 September 2016

Necinbase

Necinsaumlure

Die Struktur von PA

Chemisch handelt es sich um Ester aus einer Necinbase und aliphatischen Mono- oder Dicarbonsaumluren (Necin-saumluren) Aus toxikologischer Sicht besonders bedeutsam sind Pyrroli-zidinalkaloide mit 12-ungesaumlttigter Necinstruktur (12-ungesaumlttigte PA) Die 12-ungesaumlttigte Necinstruktur als gemeinsames Strukturmerkmal erlaubt grundsaumltzlich die Giftung durch Oxidation zum Dehydropyrrolizidin das durch seine alkylierenden Eigenschaf-ten fuumlr die genotoxische und karzino-gene Wirkung dieser Substanzgruppe verantwortlich ist

copy R

ukiM

edia

shu

tters

tock

com

copy J

iri H

era

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

23012017

Im suumldlichen Afrika spielt die Landwirt-schaft eine Schluumlsselrolle bei der Armuts-bekaumlmpfung Eine wachsende Produktion tierischer Lebensmittel bringt jedoch auch neue Herausforderungen an die Lebensmit-telsicherheit mit sich Das BfR-Forschungs-projekt bdquoSAD-Zambialdquo (bdquoStaphylococcus aureus in der Milchlebensmittelkette in Sambia ndash Bekaumlmpfung lebensmittelbeding-ter Erkrankungen und Antibiotikaresisten-zen beim Menschldquo) befasst sich damit wie die Produktion und der Vertrieb von Milch und Milchprodukten in Sambia sicherer gestaltet werden koumlnnen Ziel ist es zu be-werten in welchem Umfang das Bakterium Staphylococcus (S) aureus uumlber Milch und Milchprodukte auf den Menschen uumlbertra-gen wird In einem ersten Schritt werden Feldstudien in verschiedenen Provinzen des Landes durchgefuumlhrt um das Vorkommen dieses Erregers und moumlgliche Schwachstel-len in der Milchlebensmittelkette in Sambia zu analysieren Hierbei stehen Toxin-bil-dende S aureus-Staumlmme im Fokus Auszliger-dem wird untersucht in welchem Umfang Methicillin-resistente S aureus (MRSA) die gegen eine bestimmte Klasse von Antibio-tika resistent sind in der Milchlebensmit-

telkette vorkommen Die Bewertungsarbeit beinhaltet auch einen Vergleich traditio-neller und moderner Produktionssysteme Am BfR werden anschlieszligend die Analysen zu den Eigenschaften der gewonnenen Bakterienstaumlmme sowie stammvergleichen-de Untersuchungen durchgefuumlhrt In einem weiteren Schritt werden Ansatzpunkte zur Reduzierung der Bakterien sowie Methoden zum Monitoring von zoonotischen und An-tibiotika-resistenten S aureus in der Milch-lebensmittelkette in Sambia entwickelt So soll zum Verstaumlndnis der lebensmittelbe-dingten Risiken entlang der Milchlebens-mittelkette in Sambia beigetragen werden Das Projekt begann am 01072016 und laumluft drei Jahre Es wird vom Bundesminis-terium fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft gefoumlrdert und aus BfR-Mitteln co-finanziert Neben dem BfR beteiligen sich an dem For-schungsprojekt das International Livestock Research Institute die University of Zambia und das Central Veterinary Research Insti-tute als Teil des sambischen Ministeriums fuumlr Nutztiere und Fischerei Durch dieses Forschungsnetzwerk soll eine nachhaltige Partnerschaft aufgebaut werden

Mit dem Forschungsprojekt bdquoSAD-Zambialdquo leistet das BfR einen Beitrag zur Staumlrkung der Lebensmittelsicherheit und damit zur Ernaumlhrungssicherheit im suumldlichen Afrika Koordinatorin des Projekts ist Frau Dr Alexandra Fetsch Der sambische Doktorand Herr Bruno Phiri berichtet von seiner alltaumlglichen Arbeit Beide arbeiten in der Fach-gruppe bdquoMikrobielle Toxineldquo des BfR

POST AUS hellipSAMBIA

raquobdquoDas SAD-Zambia Projekt ist fuumlr mich ein Meilenstein und ich bin dem BfR sehr dankbar dass es mir diese Moumlglichkeit gibt Ich habe schon viel dazugelernt und konnte meine Kompetenzen bezuumlglich der Diagnose von Krankheitserregern verbessern Das Projekt bringt mich aber nicht nur persoumlnlich voran auch mein Land kann davon profitieren Mein Arbeitsalltag beginnt meist mit einem Besuch bei den Milchbauern und ihren Herden Dort schaue ich mir an wie die Kuumlhe gemolken werden und nehme Proben von den Tieren der Milch und der Umge-bung Auch in Milchsammelstellen und auf Maumlrkten nehme ich Proben Diese analysiere ich anschlieszligend im Labor an der Universitaumlt Schon jetzt freue ich mich auf die weiteren Untersuchungen der Bakterienstaumlm-me am BfR Ich war zu Beginn des Projektes dort ndash eine sehr eindrucks-volle Erfahrungldquo

(Bruno Phiri)

copy a

stud

ios

hutte

rsto

ckc

om

copy B

fR

24 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

Algengift in Tropenfischen

Bisher traten Lebensmittelvergiftungen durch Ciguato-xin ndash einem Algentoxin das in tropischen Speisefischen wie Barrakuda Schnapper oder Zackenbarsch enthalten sein kann ndash vorwiegend in den Tropen auf Mit dem zunehmenden Import von Fischen aus Suumldostasien haumlufen sich auch in Europa und seit 2012 in Deutschland Faumllle von Ciguatera Ein Problem dabei Eine Analyse-methode mit der Fisch routinemaumlszligig auf Ciguatoxine untersucht werden kann ist derzeit noch nicht verfuumlgbar Da weltweit nur wenige Labore auf den Nachweis von Ci-guatoxinen in Fischen spezialisiert sind wird im Projekt bdquoEuroCigualdquo der Europaumlischen Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit (EFSA) unter anderem an der Verbesserung entsprechender Analysemethoden und zum Vorkommen ciguatoxischer Fische in Europa geforscht Das BfR liefert fuumlr das Projekt Angaben zu Erkrankungsfaumlllen in Deutschland Die krankmachenden Algentoxine reichern sich uumlber die Nahrungskette in Raubfischen an und sind uumlberaus stabil Durch Erhitzen oder Tiefkuumlhlen lassen sie sich nicht entfernen Beim Menschen kann der Verzehr betroffener Fische dann zu Vergiftungen mit zum Teil schweren oder andauernden Beeintraumlchtigungen des Nervensystems fuumlhren An Ciguatera Erkrankte nehmen normale Kaumlltereize als ungewoumlhnlich schmerzhaft wahr

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt A-Z-Index Ciguatoxin

Alkaloide in Lupinensamen

In verarbeiteten Produkten oder zum Knabbern Lupinensamen sind im Trend Da sie jedoch toxikologisch relevante bittere Chinolizidinalkaloide enthalten koumlnnen bewertet das BfR ihr gesundheitliches Risiko Der Gehalt an Chinolizi-dinalkaloiden in Lupinensamen variiert je nach botanischer und geografischer Abstammung Samen die von bdquoBitterlupinenldquo stammen sind aufgrund ihrer houmlheren Gehalte ohne geeignete Vorbehandlung der bdquoEntbitterungldquo nicht zum Verzehr geeignet Denn Sie koumlnnen beim Menschen Vergiftungssymptome her-vorrufen Lupinenvarietaumlten die Samen mit niedrigen Alkaloidgehalten liefern werden als bdquoSuumlszliglupinenldquo bezeichnet Suumlszliglupinensamen sind auch ohne Entbitte-rung verzehrsfaumlhig In Deutschland kam es mit Bitterlupinensamen vereinzelt zu Vergiftungsfaumlllen Das BfR empfiehlt Herstellern daher nur ganze Lupinensamen in den Verkehr zu bringen die ohne weitere Entbitterungsprozesse verzehrsfaumlhig sind Mehl aus Lupinensamen sollten Hersteller aus alkaloidarmen oder ausrei-chend entbitterten Samen herstellen

Uumlbertragungswege des Hepatitis-E-Virus

Infektionen mit dem Hepatitis-E-Virus (HEV) koumlnnen zu einer akuten Leberentzuumlndung fuumlhren In den letzten Jahren sind die Zahlen gemeldeter Hepatitis-E-Faumllle des Menschen in Deutsch-land stark angestiegen Forschungsergebnisse des BfR in Zusam-menarbeit mit anderen Einrichtungen haben gezeigt dass das Virus in deutschen Haus- und Wildschweinen weit verbreitet ist Vereinzelt wurde HEV auch in Rehen und Rotwild nachgewiesen

Unklar ist derzeit noch auf welchen Wegen sich die Patienten mit dem Virus anstecken Moumlglich sind direkte Virusuumlbertra-gungen zum Beispiel vom Wildtier auf den Jaumlger und indirekte uumlber Lebensmittel die aus infizierten Tieren hergestellt wurden Wie aktuelle Studien des BfR zeigen kann HEV in verschiedenen Wurstwaren aus dem deutschen Einzelhandel nachgewiesen wer-den Fraglich ist ob das Virus in diesen Produkten noch anste-ckend ist oder ob es bei der Herstellung der Lebensmittel zerstoumlrt wird Hierfuumlr noumltige Untersuchungen waren in der Vergangenheit erschwert da sich HEV im Labor nur schlecht kultivieren lieszlig Erste Ergebnisse von Untersuchungen mithilfe eines am BfR ent-wickelten neuartigen Zellkultur-Systems weisen darauf hin dass HEV hitzeempfindlich ist aber bei Kuumlhlung oder Raumtempera-tur mehrere Wochen infektioumls bleiben kann

SPEKTRUM

copy N

eil B

urto

nsh

utte

rsto

ckc

om

copy N

atal

ia M

ylov

ash

utte

rsto

ckc

om

copy iS

tock

com

Mee

Poo

hyap

hoto

25012017

bdquoNur eine gemeinsame Strategie ist effektivldquo

Frau Kaumlsbohrer ein zentrales Thema Ihrer Forschung sind Antibiotikaresis-tenzen In der oumlffentlichen Debatte wird oft ein Zusammenhang hergestellt zwi-schen dem haumlufigen Einsatz von Anti-biotika in der Nutztierhaltung und dem Auftreten resistenter Bakterien in der Humanmedizin Doch werden bei Tieren nicht andere Antibiotika eingesetzt als bei MenschenUm die Unterschiede zu erlaumlutern muss man zwischen Praumlparaten und den antibiotischen Wirkstoffgruppen unterscheiden Beim Tier verwenden Veterinaumlrmediziner ande-re Praumlparate als Aumlrzte beim Menschen Der wirksame Inhaltsstoff das Antibiotikum kann aber dasselbe sein Die Antibiotika lassen sich wiederum in Wirkstoffgruppen einteilen Mit Blick auf die Wirkstoffgrup-pen gilt Die meisten Antibiotika die beim Menschen eingesetzt werden gehoumlren zu Wirkstoffgruppen die wir auch in der Vete-rinaumlrmedizin nutzen Es gibt nur ganz weni-ge Antibiotikagruppen die nur auf der einen oder der anderen Seite verwendet werden Dazu gehoumlren zum Beispiel die Carbapene-me die nicht beim Nutztier eingesetzt wer-den duumlrfen In der Humanmedizin kommen sie insbesondere zum Einsatz wenn andere Antibiotika nicht mehr wirksam sind

bdquoEine Resistenz ge-gen einen bestimm-ten Wirkstoff kann sich auch ausbrei-ten obwohl diese Wirkstoffgruppe nicht eingesetzt wurde

Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer leitet am BfR die Fachgruppe bdquoEpide-miologie Zoonosen und Antibiotika-resistenzldquo die unter anderem auch das Nationale Referenzlabor fuumlr Antibiotika- resistenzen umfasst Seit April 2016 ist sie auszligerdem Professorin an der Vetmeduni Vienna und leitet dort das Institut bdquoOumlffentliches Veterinaumlrwesenldquo

Wenn sie beim Nutztier nicht eingesetzt werden duumlrfen wie kann es dann sein dass Sie am BfR im Rahmen des For-schungsprojekts RESET Carbapene-mase-bildende Bakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden gefunden habenDie Entstehung von Antibiotikaresistenzen ist ein natuumlrlicher Vorgang bei Bakterien Durch den Gebrauch von Antibiotika wird dieser Prozess beschleunigt Eine Resistenz gegen einen bestimmten Wirkstoff kann sich auch ausbreiten obwohl diese Wirk-stoffgruppe nicht eingesetzt wurde Dank der Selektion gilt meist Wenn ich einen Wirkstoff einsetze gebe ich jenen Bakterien einen Vorteil die gegen den Wirkstoff resis-tent sind Aber Carbapenemasen also die Enzyme die von Carbapenem-resistenten Bakterien gebildet werden koumlnnen neben den Carbapenemen auch fast alle anderen

Bakterien die gegen Antibiotika resistent sind stellen ein Risiko fuumlr die oumlffentliche Gesundheit dar Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer widmet sich am BfR dieser Problematik Im Gespraumlch erklaumlrt sie welche Faktoren bei der Ausbreitung von Resistenzen eine Rolle spielen

copy M

icha

el B

ernk

opf

Vetm

edun

i Vie

nna

26 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

β-Laktam-Antibiotika inaktivieren Theo-retisch ist es daher moumlglich dass sich eine Resistenz gegen Carbapeneme ausbreitet obwohl der Tierarzt beim Nutztier eine an-dere Wirkstoffgruppe eingesetzt hat Ist die Resistenz bei Bakterien vorhanden gibt es viele Ausbreitungswege Ein Stall ist kein steriler Ort sondern belebte Umwelt Moumlg-liche Eintragswege fuumlr resistente Bakterien in einen Stall sind z B belebte Vektoren wie neu eingestallte Tiere Maumluse Fliegen oder Voumlgel aber auch unbelebte Vektoren wie Futter Wasser Staub oder Geraumltschaften

Was hat sich seit dem Fund der Carba-penemase-bildenden Enterobakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden fuumlr Ihre Arbeit beim BfR geaumlndert Der Fund hatte vielfaumlltige Konsequenzen Wir haben vor allem die gezielten Untersu-chungsaktivitaumlten verstaumlrkt Bakterien-Iso-late aus Tierbestaumlnden und Lebensmitteln werden seit 2014 im Rahmen des Resistenz-monitorings im BfR routinemaumlszligig auf eine Carbapenem-Resistenz getestet Auszligerdem steht seit 2015 fuumlr den Nachweis von Carba-penemase-bildenden Bakterien ein weiteres gezieltes Nachweisverfahren zur Verfuumlgung Hierzu muumlssen die Labore geschult werden Zusaumltzlich werden im Nationalen Refe-renzlabor fuumlr Antibiotikaresistenz am BfR Carbapenemase-verdaumlchtige Bakterien auf die charakteristischen Resistenzgene hin un-tersucht Am BfR wurden hierfuumlr verschie-dene Methoden fuumlr die Untersuchung von E coli und Salmonella etabliert Bisher wur-den sehr selten solche Resistenzgene nach-gewiesen bei Nutztieren das Gen blaVIM-1 bei einem Wildvogel das Gen blaNDM-1

Oftmals sind die Resistenzgene gegen Carbapeneme zusammen mit anderen Resistenzgenen auf mobilen geneti-schen Elementen lokalisiert Warum ist hier besondere Vorsicht gebotenZunaumlchst ist die Trefferwahrscheinlichkeit fuumlr eine Selektion houmlher wenn mehrere Re-sistenzgene auf einem genetischen Element liegen d h der Einsatz verschiedener Anti-biotika kann zu einem Selektionsvorteil fuumlh-ren Die Lokalisation von Resistenzgenen auf mobilen genetischen Elementen spielt fuumlr die Uumlbertragbarkeit von Resistenzen eine wichtige Rolle Denn Diese Resistenzgene koumlnnen mittels horizontalem Gentransfer auf ganz unterschiedliche Bakteriengruppen uumlbertragen werden Diese Erkenntnis hat eine Art Revolution ausgeloumlst Lange Zeit wurde ein Erreger mit all seinen Eigenschaf-ten als Einheit betrachtet Kann die Resis-tenz aber zwischen Bakteriengruppen hin

und her uumlbertragen werden verfaumllscht das moumlglicherweise den Blick auf eine Gruppe Folglich mussten die Nachweisverfahren umgestellt und die Uumlbertragbarkeit von Re-sistenzen mit analysiert werden Erschwe-rend kommt hinzu dass ein Resistenzgen auf einem grundsaumltzlich ungefaumlhrlichen

Bakterium zum Problem werden kann Manche Bakterien wie beispielsweise E coli gehoumlren zur normalen Darmflora Traumlgt so ein Bakterium eine Resistenzeigenschaft ist das erstmal nicht gefaumlhrlich Aber Es kann diese Eigenschaft moumlglicherweise an einen Infektionserreger weitergeben

Welche konkreten Folgen kann eine solche Weitergabe von Resistenzeigen-schaften habenSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt Schon jetzt weichen Aumlrzte auf Wirk-stoffgruppen aus die in der Humanmedizin lange verpoumlnt waren Dies gilt zum Beispiel fuumlr Colistin Fuumlr den Menschen ist es nicht gut vertraumlglich moumlgliche Nebenwirkun-gen sind beispielsweise die Schaumldigung der Nieren oder des Nervensystems In der Ve-terinaumlrmedizin hat Colistin seit Jahrzehnten eine erhebliche Bedeutung vor allem fuumlr die Behandlung von Infektionen des Ma-gen-Darm-Traktes bei Nutztieren auch um andere Wirkstoffgruppen zu vermeiden

Spielt im Fall von Colistin die Mobilitaumlt des Resistenzgens auch eine besonde-re Rolle Inzwischen ja Bis Ende 2015 waren sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler einig Eine Colistin-Resistenz ist nicht uumlbertragbar Das heiszligt kommt eine solche Resistenz bei einem Infektionserreger beim Nutztier vor ist sie nicht per se auf ein hu-manpathogenes Bakterium uumlbertragbar Doch Ende 2015 wurde in China erstmals das uumlbertragbare Gen mcr-1 beschrieben Untersuchungen in Belgien haben spaumlter zur Beschreibung eines weiteren mobilen Gens fuumlr die Colistin-Resistenz bei Nutztieren

bdquoSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

27012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Ausbreitung von Resistenzen

Haustiere

Krankenhaus

Belastetepflanzliche Lebensmittel

Belastete tierische Lebensmittel

Nutztiere

Futtermittel

Schaumldlinge

Uumlbertragungswege resistenter Bakterien

Menschen

Eine Antibiotikaresistenz entsteht

(z B durch Mutation)

Antibiotikatherapie beguumlnstigt die

Selektion resistenter Bakterien

Nahrung

Duumlnger Abwasser

Abwasser

28 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

gefuumlhrt mcr-2 Das bedeutet eine Uumlbertra-gung der durch diese Gene vermittelten Re-sistenz auf ein humanpathogenes Bakterium ist theoretisch moumlglich Allerdings scheint dies bisher selten der Fall zu sein

Diese Erkenntnisse offenbaren einen groszligen Forschungsbedarf Was tun Sie in der Abteilung bdquoBiologische Sicher-heitldquo um das Risiko zu bewerten Als 2015 klar wurde dass es eine uumlbertrag-bare Colistin-Resistenz gibt haben wir diese neue Erkenntnis in den laufenden Projekten natuumlrlich sofort aufgegriffen Im Rahmen des Forschungsprojekts RE-SET haben wir zum Beispiel vorhandenes Bakterienmaterial und die bei unseren Ko-operationspartnern verfuumlgbaren Gesamt-genominformationen auf das Vorkommen dieses neuen Resistenzgens gepruumlft Schnell war klar Ja dieses Gen finden wir in den Sequenzen Und die Pruumlfung von Colis-tin-resistenten Isolaten aus unserer Stamm-sammlung hat bestaumltigt dass dieses Resis-tenzgen bereits weit verbreitet ist

Muumlssen nun neue Forschungsprojekte zu dem Thema initiiert werdenJa denn viele Fragen bleiben bislang offen Wie haumlufig wird die Resistenz tatsaumlchlich uumlbertragen Was triggert diese Uumlbertra-gung Es gibt auch diagnostische Probleme Das uumlbliche Verfahren in der Humanmedi-zin um Resistenzen zu testen umfasst in der Regel nicht die Resistenz gegen Colistin Es gibt also viel zu tun Neue Diagnose- und Typisierungsverfahren aufbauen unser Re-sistenzmonitoring erweitern und routine-maumlszligig phaumlnotypisch resistente Isolate auf das Gen pruumlfen Die Ergebnisse muumlssen wir dann uumlbergreifend bewerten um Hand-lungsoptionen aufzuzeigen

Welche Uumlbertragungswege spielen bei der Colistin-Resistenz fuumlr den Men-schen eine Rolle Mit Sicherheit koumlnnen wir das derzeit nicht sagen Die chinesische Arbeitsgruppe hat Colistin-Resistenzen sowohl im Schweine-fleisch als auch beim Menschen gefunden Daher liegt die Hypothese nahe dass es eine Uumlbertragung uumlber Lebensmittel gibt Gleichzeitig gibt es generell die Beobachtung von nosokomialen Ausbreitungen resisten-ter Bakterien Das sind Ausbreitungen von Antibiotikaresistenzen im Krankenhaus

Resistenzen breiten sich aus Wunder-waffen verlieren ihre Wirkung selbst im Krankenhaus sind wir nicht sicher Gibt es uumlberhaupt eine effiziente Strategie gegen die Ausbreitung der Antibiotika- resistenzen Und wer ist dabei gefor-dertUm die Ausbreitung von Antibiotika- resistenzen zu verhindern braucht es eine gemeinsame Strategie Schlieszliglich sind hier komplexe Zusammenhaumlnge zwischen Mensch Tier und Umwelt am Werk Am BfR streben wir deswegen eine enge Zu-sammenarbeit mit allen Akteuren im oumlffent-lichen Gesundheits- und Veterinaumlrwesen an Bei diesem bdquoOne Health-Ansatzldquo sind sowohl Veterinaumlr- als auch Humanmedizi-ner gefordert Auch Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

Was sollten Verbraucherinnen und Ver-braucher beachtenHier gelten dieselben Hygieneregeln die auch fuumlr andere vom Tier oder vom Le-bensmittel auf den Menschen uumlbertragba-re Krankheitserreger gelten Zum Beispiel sollten sie sich nach dem Kontakt mit Tie-ren die Haumlnde mit warmem Wasser und Seife waschen Auch nach der Zubereitung von rohem Fleisch sollten die Haumlnde gruumlnd-lich gewaschen werden Fleisch Eier und Rohmilch sollten vor dem Verzehr durcher-hitzt werden Rohkost und Obst sollten vor dem Verzehr gruumlndlich mit Trinkwasser gewaschen oder geschaumllt werden Weiterhin wichtig ist den direkten oder indirekten Kontakt von rohem Fleisch und rohen Ei-ern mit verzehrfertigen Speisen die spaumlter nicht mehr erhitzt werden zu vermeiden Durch die Einhaltung der Hygieneregeln kann man einer Uumlbertragung von resisten-ten und oder pathogenen Bakterien auf an-dere Lebensmittel vorbeugen

Mehr erfahren Irrgang et al 2017 Recurrent detection of VIM-1-producing Escherichia coli clone in German pig production Journal ofAntimicrobial Chemotherapy 72 3 944ndash946

bdquoVerbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

RESET

Der Forschungsverbund RESET ndash Antibiotika-Resistenzen bei Tier und Mensch ndash beschaumlftigte sich von 2010 bis 2017 mit Resistenzen gegen die besonders wichtigen Antibiotika-Klas-sen der β-Laktam-Antibiotika und (Fluor-)Chinolone bei Darmbakterien wie Escherichia (E) coli Sind Bak-terien gegen beide Wirkstoffklassen resistent werden die therapeutischen Moumlglichkeiten drastisch eingeschraumlnkt Bei E coli und Salmonella enterica wurden derartige Resistenzen bereits nachgewiesen Das BfR beteiligte sich mit zwei Projekten an dem Forschungs-verbund Durch das konsequente Zusammenfuumlhren von Ergebnissen der unterschiedlichen Forschungsgebiete in einer gemeinsamen Datenbank konnten Erkenntnisluumlcken geschlossen und Risiken bewertet werden Das Projekt wurde vom Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) gefoumlrdert

29012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Kann es durch die Mischung verschiedener Pestizid-Ruumlckstaumlnde beim taumlglichen Verzehr zu gesundheitsgefaumlhrdenden Belastungen kommen

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

30 BfR 2 GO

Wenn von Paradigmenwechseln die Rede ist findet meist ein grundlegendes Umdenken statt In der Risikobewertung von Chemikalien habe ein Paradigmenwechsel stattge-

funden der die traditionelle Einzelsubstanz-Bewertung hinter sich lasse schrieben BfR-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler vor einiger Zeit Man koumlnnte meinen in der Toxikologie wird der Paracelsus-Satz kuumlnftig umgeschrieben Nicht nur die Dosis son-dern auch die Aufsummierung der Dosierungen in einer Mischung macht das Gift

Gift- oder Todescocktail ndash plakative Medienbegriffe

Denn tatsaumlchlich In den letzten Jahren beschaumlftigen sich weltweit immer mehr Gremien politische Ausschuumlsse und Forschungspro-jekte mit der Frage wie man die Auswirkungen von Mischungen auf Umwelt und Gesundheit kuumlnftig bewerten kann Auch in der Oumlffentlichkeit wird das Thema emotional verhandelt Chemikali-enmix Gift- oder sogar Todescocktail ndash mit plakativen Begriffen umschreiben Medien das Phaumlnomen der Mehrfachruumlckstaumlnde Entsprechend tief sitzt die Angst bei Verbraucherinnen und Ver-brauchern In einer vom BfR in Deutschland durchgefuumlhrten re-praumlsentativen Wahrnehmungsstudie vermuten 80 Prozent der Befragten dass der Einsatz mehrerer unterschiedlicher Pflanzen-schutzmittel zu gesundheitlichen Beeintraumlchtigungen durch Le-bensmittel fuumlhren kann

Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck sein

Zwar zeigen verschiedene aktuelle Monitoring-Projekte dass das gesundheitliche Risiko durch Mehrfachruumlckstaumlnde von Pflanzen-schutzmitteln unwahrscheinlich ist (s Interview) aber das Thema bleibt auch fuumlr die Wissenschaft draumlngend Denn auch wenn Mi-schungen schon seit Jahrzehnten wissenschaftlich analysiert und bewertet werden das Beduumlrfnis nach einer zuverlaumlssigen Bewertung der Risiken fuumlr Mensch und Umwelt steigt Grund dafuumlr ist zum einen die Vielzahl immer neuer Wirkstoffe Zusatzstoffe Chemika-lien Ruumlckstaumlnde und Kontaminanten gegenuumlber denen Menschen exponiert sind verbunden mit immer verfeinerten wissenschaftli-chen Nachweismethoden Zum anderen steigt der Druck aus der Oumlffentlichkeit Um wissenschaftliche Divergenzen zu vermeiden muumlssen transparente und international harmonisierte Verfahren entwickelt werden Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck in der Risikobewertung sein

Alle Gemische im Tierversuch zu testen ist nicht durchfuumlhrbar

Worum geht es im Einzelnen Mischungen liegen immer dann vor wenn ein Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt verschiedene Stoffe gleichzeitig aufnimmt z B Ruumlckstaumlnde Kontaminanten oder Chemikalien die nach der Europaumlischen Chemikalienverordnung REACH registriert sind Das geschieht wenn sogenannte intentional mixtures also beabsichtigte Mischungen wie Pflanzenschutzmittel oder Biozide in den Verkehr gebracht werden Aber auch unintenti-onal mixtures nimmt der Koumlrper auf Sei es dass verschiedene Stoffe in einem Produkt enthalten sind z B mehrere Pflanzenschutzmit-telruumlckstaumlnde in einem Apfel Oder sei es dass Stoffe gleichzeitig uumlber unterschiedliche Produkte aufgenommen werden In all diesen Faumlllen koumlnnen Mischungseffekte auftreten Diese sind je nach Wirk-mechanismus unterschiedlich stark ausgepraumlgt So koumlnnen sich die Wirkungen von Stoffen gegenseitig potenzieren oder auch aufheben Nach derzeitigem Kenntnisstand wird davon ausgegangen dass sich Wirkungen in der Regel addieren wenn die aufgenommenen Stoffe oberhalb der Wirkschwelle liegen den gleichen Wirkmechanismus haben und zu einem relevanten Zeitpunkt vom Organismus aufge-nommen wurden

Hier beginnen die Schwierigkeiten Es gibt zu viele intentional mix-tures die eine nahezu unuumlbersehbar groszlige Anzahl von Kombinati-onen ermoumlglichen Diese Gemische alle im Tierversuch zu testen wie sonst bei Einzelsubstanzen uumlblich waumlre sowohl ethisch nicht zu vertreten als auch praktisch nicht durchfuumlhrbar Daher arbeiten viele Forschungsprojekte u a der EU-Kommission daran tierversuchs-freie Methoden fuumlr die kumulative Bewertung zu entwickeln die die Effekte von Mischungen in vitro oder durch computergestuumltzte Be-rechnungen in silico berechnen (s Interview und Kasten)

Weltweit setzen Laumlnder das Thema auf ihre Agenda

Nicht nur fuumlr die Wissenschaft auch fuumlr den harmonisierten Voll-zug von Gesetzen ergeben sich dadurch neue Herausforderungen So schreibt z B die EU-Verordnung uumlber das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vor Kumulations- und Synergieeffekte zu be-ruumlcksichtigen ndash sofern es von der Behoumlrde anerkannte wissenschaft-liche Methoden zur Messung solcher Effekte gibt Doch die lagen bisher nicht vor Deshalb werden nun auf allen Ebenen technische Leitfaumlden fuumlr die neuen Methoden erstellt um eine harmonisierte

Auf die Mischung kommt es anKumulative Risikobewertung nimmt weltweit eine immer groumlszligere Bedeu-tung in der Toxikologie ein Das BfR arbeitet an einer Vielzahl von Projek-ten wie Mischungen in Zukunft bewertet werden koumlnnen

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

31012017

Vorgehensweise und transparente Nachvollziehbarkeit bei der Zu-lassung von Produkten zu gewaumlhrleisten Unter anderem die EFSA die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmittelsicherheit die Europauml-ische Chemikalienagentur ECHA und das JRC die Gemeinsame Forschungsstelle der Europaumlischen Kommission erarbeiten solche technischen Leitfaumlden

Neben der wissenschaftlichen Komplexitaumlt muumlssen diese techni-schen Leitfaumlden weitere Herausforderungen meistern Sie sollen fuumlr alle Bereiche gelten in denen Mischungen in Verkehr gebracht werden oder entstehen koumlnnen Bisher wurden Mischungen haumlufig nur in einem regulatorischen Bereich untersucht z B als Pflan-zenschutzmittel Biozid oder Arzneimittel Fuumlr andere Stoffe wie Lebensmittelzusatzstoffe oder Kontaminanten war die Bewertung von Mischungen bisher nicht klar gesetzlich reguliert In Zukunft sollen auch diese Stoffe bei einer Bewertung von Mischungen besser beruumlcksichtigt werden Auch soll nicht nur die chemische Zusam-mensetzung eines einzelnen Produktes systematisch bei der Zu-lassung beruumlcksichtigt werden sondern auch Mehrfachruumlckstaumlnde im gesamten Warenkorb den Verbraucherinnen und Verbraucher durchschnittlich zu einer gegebenen Zeit konsumieren Und zu gu-ter Letzt muumlssen die neuen Verfahren weltweit harmonisiert werden um das kumulative Risiko fuumlr Mensch und Umwelt auch angesichts globaler Warenketten gering zu halten Deshalb diskutieren Politik und Wissenschaft zurzeit nicht nur auf europaumlischer Ebene entspre-chende Leitfaumlden auch andere Laumlnder weltweit sowie die Weltge-sundheitsorganisation WHO und die Organisation fuumlr wirtschaftli-che Zusammenarbeit und Entwicklung OECD haben die kumulative Bewertung auf ihre Agenda genommen und stimmen ihre Guidance Documents mit den uumlbrigen Behoumlrden ab

Deutschland wendet die kumulative Bewertung schon an

Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR sind an zahlreichen dieser internationalen Projekte beteiligt sowohl an der wissenschaftlichen Erforschung kumulativer Effekte als auch an der Entwicklung technischer Leitfaumlden Einen wichtigen Schritt bei der kumulativen Bewertung hat Deutschland in der Europaumlischen Uni-

Stufe um Stufe zu einer gesicherten Bewertung

Seit Maumlrz 2017 wird in Deutschland eine Methodik fuumlr die Bewertung von Kumulations- und Synergie-effekten bei der gesundheitlichen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln in den Zulassungsverfahren angewandt Grundlage fuumlr das gestufte kumulative Bewertungsverfahren ist der sogenannte bdquoHazard Quotientldquo (HQ) der fuumlr jeden einzelnen Stoff ermit-telt wird Der HQ errechnet sich aus dem Verhaumlltnis zwischen dem relevanten gesundheitlichen Grenz-wert und der geschaumltzten Exposition

In einer ersten Stufe wird der HQ fuumlr alle Stoffe eines Gemisches einzeln ermittelt Liegt der HQ jedes Stoffes unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko fuumlr die einzelnen Bestandteile der Mischung zu erwarten Liegt dieser bei einzelnen Stoffen uumlber 1 wird gepruumlft ob die Exposition durch geeignete Maszlignahmen weiter vermindert werden kann zum Beispiel durch das Tragen entsprechender Schutz-kleidung

Liegt der HQ fuumlr alle Komponenten unter 1 wird in einer zweiten Stufe der sogenannte bdquoHazard Indexldquo (HI) des Gemisches ermittelt indem alle Gefahren-quotienten der verwendeten Stoffe addiert werden Liegt der ermittelte Wert weiterhin unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko durch das Gemisch zu erwarten

Liegt der HI uumlber 1 geht die Bewertung mit weiter verfeinerten Methoden in die dritte Stufe uumlber In dieser wird gepruumlft ob ein gesundheitliches Risiko vorliegt wenn eine Gruppierung der Einzelstoffe vorgenommen wird Dazu koumlnnen die einzelnen Stoffe in kumulative Bewertungsgruppen (cumula-tive assessment groups CAGs) eingeteilt werden die z B nach Effekten im gleichen Zielorgan oder nach dem gleichen Wirkmechanismus oder nach chemischer Verwandtschaft definiert sein koumlnnen Hintergrund dieser Einteilung ist die Annahme dass sich nach gegenwaumlrtigem Kenntnisstand nur Effek-te addieren die hinsichtlich der Zielorgane oder der Wirkmechanismen (MOA) vergleichbar sind Auch die relative Potenz der einzelnen Stoffe soll bei der verfeinerten Bewertung beruumlcksichtigt werden Liegt der HI innerhalb einer CAG unter 1 ist deshalb kein gesundheitliches Risiko zu erwarten Liegt er oberhalb des Wertes und koumlnnen weder Expositionsschaumltzung noch Gefahrenbewertung weiter verfeinert werden gilt das Gemisch als nicht sicher

Das mehrstufige Verfahren hat den Vorteil dass die ressourcenaufwendigeren Methoden zur verfei-nerten Bewertung z B in vergleichbaren CAGs oder MOAs nur zum Einsatz kommen wenn mit den ersten einfacheren Bewertungsmethoden nicht nachweisbar ist dass kein gesundheitliches Risiko zu erwarten ist

copy T

atom

mis

tock

com

32 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

EuroMix A tiered strategy for risk assessment of mixtures of multiple chemicals

EuroMix ist ein laumlnderuumlbergreifendes Projekt der EU-Kommission das die nie-derlaumlndische Behoumlrde fuumlr Gesundheit und Umweltschutz RIVM koordiniert Es zielt darauf ab eine tierversuchsfreie experi-mentelle Test-Strategie zu entwickeln um die Toxizitaumlt von Gemischen verschiedener toxikologisch relevanter Lebensmittelin-haltsstoffe Lebensmittelkontaminanten und Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde besser zu bestimmen Aus den Forschungsergeb-nissen wird ein Leitfaden fuumlr die kuumlnftige Umsetzung einer experimentellen Test-Stra-tegie entwickelt Das Acht-Millionen-Eu-ro-Projekt laumluft bis Mai 2019

Mehr erfahren wwweuromixprojecteu

Kombinationseffekte Forschungsprojekte des BfR

Am BfR werden in verschiedenen Abteilungen mehrere interne Forschungsprojekte zu Kombinationseffekten durch-gefuumlhrt Dazu gehoumlren u a Forschungsprojekte zu kumulativen Wirkungen in Pflanzenschutzmitteln und Bioziden zu Mehrfachruumlckstaumlnden in Lebensmitteln zur Expositionsschaumltzung sowie zu wirbeltierfreien Alternativmethoden Daruumlber hinaus ist und war das BfR auch an folgenden Drittmittel-Projekten beteiligt die zu Kombinationseffekten forschen

Combiomics Analyse von Kombinationseffekten von Pestiziden in vitro

Combiomics war ein zweieinhalbjaumlhri-ges Projekt des Bundesministeriums fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) das im Fruumlhling 2016 abgeschlossen wurde In dem vom BfR koordinierten Projekt wurden moumlgliche Kombinationswirkungen durch Mehrfachruumlckstaumlnde beispielhaft anhand einer Gruppe von Fungiziden in vitro unter-sucht Dazu wurden die molekularen Effek-te der Triazole mittels multi level omics und praumldiktiver mathematischer Modellierung untersucht Ausgehend von den Ergebnissen wurde ein Praumldiktionsmodell fuumlr Substanz-kombinationen erstellt validiert und auf Pestizide anderer Stoffgruppen bzw weitere Substanzklassen ausgedehnt um Kombi-nationseffekte kuumlnftig weitgehend ohne Tierversuche durchfuumlhrbar zu machen

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschung gt Drittmittelprojekte gt Combiomics

Combiomics 2Auch die zweite Projektphase von Com-biomics wird vom BfR koordiniert Hier sollen erfolgreich getestete Methoden und Zelllinien in Form einer standardisierten In-vitro-Testbatterie validiert und in ein Standardverfahren integriert werden das auch kuumlnftigen regulatorischen Anforde-rungen entspricht Das dreijaumlhrige Projekt wird vom BMBF bis Ende 2019 gefoumlrdert

Mehr erfahren wwwfisaonlinede gt Kombinationseffekte Pestizide

on schon jetzt unternommen Am 1 Maumlrz 2017 erschien im Bundesanzeiger eine Be-kanntmachung dass Kumulations- und Synergieeffekte in der gesundheitlichen Be-wertung von Pflanzenschutzmitteln kuumlnf-tig durch das BfR beruumlcksichtigt werden Damit bezieht Deutschland bei der zonalen Zulassung von Pflanzenschutzmitteln eine systematische kumulative Bewertung ein

Ein Leitfaden zur kumulativen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln wurde am BfR erarbeitet basierend auf den internatio-nalen Diskussionen bei EFSA und ECHA und 2014 veroumlffentlicht Seitdem wird das Verfahren am BfR angewandt uumlberpruumlft und verfeinert Im Kern geht es darum in einem mehrstufigen Verfahren verschie-dene Wirkstoffe in einem Pflanzenschutz-mittel oder in einer beantragten Tankmi-

schung kumulativ zu bewerten (s Kasten) Dazu werden sowohl die Exposition der Anwenderinnen und Anwender als auch die akute Exposition der Verbraucherinnen und Verbraucher betrachtet sodass die am meisten exponierten Gruppen beruumlcksich-tigt sind

Das Ziel Mischungen weltweit harmonisiert zu bewerten

Die Einfuumlhrung der Konzepte zur kumu-lativen Bewertung von Pflanzenschutzmit-teln hat auch in anderen EU-Laumlndern Aus-wirkungen auf die Risikobewertung Wenn Deutschland im zonalen Zulassungsverfah-ren bewertender Mitgliedstaat ist wird das Verfahren grundsaumltzlich angewandt Aber auch in die Bewertungsberichte anderer Laumlnder flieszligt die kumulative Bewertung als

deutscher Kommentar mit ein Durch den fachlichen Austausch zwischen den Mit-gliedstaaten wurde das Konzept in den letz-ten Jahren einem Peer-Review unterzogen Um die Praxis europaweit noch besser zu harmonisieren werden derzeit auszligerdem internationale Workshops organisiert auf denen diskutiert wird wie Mischungen bei der Risikobewertung kuumlnftig beruumlcksichtigt werden sollen Das BfR veranstaltet einen solchen Workshop im November 2017 im Auftrag der Europaumlischen Kommission die Franzoumlsische Behoumlrde fuumlr gesundheitlichen Verbraucher- Umwelt- und Arbeitsschutz (ANSES) einen weiteren im Februar 2018 unter aktiver Beteiligung des BfR

Das Ziel Mischungen weltweit harmoni-siert zu bewerten um Mensch und Umwelt besser zu schuumltzen ruumlckt damit naumlher

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

33012017

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

bdquoZiel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertungldquo Interview mit Herrn Dr Roland Solecki uumlber die Forschungsaktivitaumlten des BfR zu Mehrfachruumlckstaumlnden

Herr Solecki bei Mehrfachruumlckstaumlnden von Pflanzenschutzmitteln sprechen die Medien oft von einem bdquoGiftcocktailldquo Haben Sie Erkenntnisse daruumlber wie groszlig das gesundheitliche Risiko tat-saumlchlich istDas BfR hat dazu gemeinsam mit dem Bun-desministerium fuumlr Ernaumlhrung und Land-wirtschaft und dem Bundesamt fuumlr Ver-braucherschutz und Lebensmittelsicherheit einen Bericht uumlber die kumulativen Wir-kungen von Pflanzenschutzmitteln veroumlf-fentlicht Dieser basiert auf einer Methodik der niederlaumlndischen Behoumlrde fuumlr Gesund-heit und Umweltschutz RIVM Hintergrund ist ein Monitoring das uumlber einen Zeitraum von sechs Jahren in Deutschland durchge-fuumlhrt wurde Darin wurde untersucht wel-che Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde durch-schnittlich uumlber Lebensmittel aufgenommen werden Das Ergebnis war dass auch unter Worst-Case-Annahmen fuumlr die Mischungen von Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnden ein gesundheitliches Risiko unwahrscheinlich ist Die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit EFSA kam in ihrem Monito-ring-Bericht von 2015 fuumlr Gesamteuropa zu einem aumlhnlichen Ergebnis

Sie arbeiten unter anderem bei dem Pro-jekt EuroMix mit Worum geht es dabeiEs handelt sich um ein groszliges Forschungs-projekt der EU-Kommission zur kumulati-ven Bewertung von Mischungen im Rahmen von Horizont 2020 dem Rahmenprogramm der Europaumlischen Union fuumlr Forschung und Innovation Das Projekt hat zum Ziel neue Bewertungsmethoden fuumlr Mischungseffekte zu erarbeiten besonders auch im Hinblick auf Alternativen zu Tierversuchen innovati-ve Wege der Expositionsschaumltzung und Mo-dellierung von kumulativen Risiken Dabei geht es nicht nur um Pflanzenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatzstoffe und andere Chemikalien

Wie ist das BfR da in EuroMix einge-bundenVom BfR arbeiten sowohl die Abteilung Sicherheit von Pestiziden als auch die Ab-teilung fuumlr Lebensmittelsicherheit am Eu-roMix-Projekt mit Waumlhrend die von mir geleitete Abteilung fuumlr die regulative Bewer-tung eingebunden ist werden in der Abtei-lung Lebensmittelsicherheit experimentelle Arbeiten unter anderem zur Lebertoxizitaumlt durchgefuumlhrt in denen auch Kombinatio-nen von Pestiziden mit anderen Lebensmit-telinhaltsstoffen gepruumlft werden

Woran forschen Sie im EuroMix-ProjektWir haben zunaumlchst recherchiert welche gesetzlichen Anforderungen bestehen und wie unterschiedliche Behoumlrden weltweit

Mischungseffekte bewerten Und wir haben Forschungen zu Mischungen durchgefuumlhrt die bestimmte adverse Effekte auf die Leber verursachen Dabei wurden bestimmte Schluumlsselelemente untersucht um daraus ein Konzept fuumlr die Bewertung zu erarbei-ten Jetzt werden die Omics-Untersuchun-gen und andere alternative Pruumlfverfahren noch durch Tierversuche ergaumlnzt sodass wir auch am Gesamtorganismus die Effek-te uumlberpruumlfen koumlnnen Gleichzeitig werden die statistischen Hilfsmittel und die ande-ren elektronisch basierten Tools weiterent-wickelt Auszligerdem folgen noch weitere Stu-dien zur Exposition Die finalen Ergebnisse liegen am Ende des Projekts im Jahr 2019 vor

In welche weiteren europaumlischen Aktivi-taumlten ist das BfR eingebundenDie EFSA hat bereits einige Ansaumltze zur Bewertung der kombinierten Exposition gegenuumlber mehreren Pestiziden und Kon-taminanten bei Menschen sowie mehreren Pestiziden bei Bienen entwickelt Derzeit ist die EFSA damit befasst neue Ansaumltze und Instrumente zur Harmonisierung der Be-wertung von Risiken fuumlr Mensch und Um-welt zu erarbeiten die von der Exposition gegenuumlber mehreren chemischen Stoffen in der Lebensmittelkette ausgehen Ich bin derzeit Mitglied einer Arbeitsgruppe von Sachverstaumlndigen die der Wissenschaftliche Ausschuss der EFSA eingerichtet hat um Leitlinien im Hinblick auf die kombinierte Exposition gegenuumlber mehreren chemi-schen Stoffen zu entwickeln Diese Initiative unter dem Namen bdquoMixToxldquo wird 2018 den Leitfaden in einer oumlffentlichen Konsultation diskutieren

Bei dieser Vielzahl an Aktivitaumlten Wel-ches Ziel haben Sie persoumlnlich vor Au-genDas Ziel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertung von Stoffen in der gesundheitlichen Risikocharakterisie-rung und deren harmonisierte Implemen-tierung in den gesetzlichen Verfahren Dies wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen

bdquoBei den kumulati-ven Risiken geht es nicht nur um Pflan-zenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatz-stoffe und andere Chemikalien

Dr Roland Solecki leitet die Abteilung bdquoSicherheit von Pestizidenldquo am BfR

copy B

fR

34 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

SPEKTRUM

Identifizierung endokriner Disruptoren Vom Grundsatz in die Praxis

Fuumlr Pestizid-Wirkstoffe und andere Chemikalien sind harmonisierte wissenschaftliche Kriterien erforderlich mit denen hormonschaumldigende Substanzen identifiziert werden koumlnnen Das BfR veroumlffentlichte hierzu bereits 2016 ein Konsenspapier als wissenschaftliche Grundlage fuumlr die darauffolgende Arbeit der EU-Behoumlrden Auf legislativer Ebene werden aktuell EU-weit geltende Ver-ordnungen festgelegt um auf wissenschaftlicher Ebene Leitlinien zur regulatorisch harmonisierten Umsetzung dieser Verordnungen zu erarbeiten Mit dieser Aufga-be hat die EU-Kommission die EFSA und die ECHA gemeinsam beauftragt Das BfR unterstuumltzt die Behoumlr-den mit wissenschaftlicher und technischer Expertise indem es die entsprechende Arbeitsgruppe bei der EFSA personell verstaumlrkt sowie Recherchen und Umfragen zur Praktikabilitaumlt von Untersuchungsmethoden durchfuumlhrt Die Publikation der Leitlinien wird fuumlr Fruumlhjahr 2018 erwartet Sie koumlnnen auf Basis der verabschiedeten Ver-ordnungen nach ihrer Implementierung in der Genehmi-gungspraxis angewendet werden

Mehr erfahren Solecki et al 2017 Scientific principles for the identification of endocrine-disrupting chemicals a consensus statement Arch Toxicol 91 1001ndash1006

Insekten-Stopp in Textilien Allergene Wirkung unwahrscheinlich

Das Risiko fuumlr eine Allergie nach dem Kontakt mit Kleidung und Produkten die mit dem Biozid Permethrin behandelt sind ist nach derzeitigem Kenntnisstand unwahrscheinlich Das ist das Ergebnis einer aktuellen Risikobewertung des BfR Gestuumltzt wird das Ergebnis dadurch dass trotz weitverbreiteter Anwendung des Wirkstoffs in Medikamenten und Verbraucherprodukten kein Anstieg der Kontaktallergien gegenuumlber Permethrin zu verzeichnen ist Das Risiko fuumlr kanzero-gene systemische Effekte infolge einer dermalen und oralen Exposition gegenuumlber Permethrin aus Textilien ist nach Ansicht des BfR vernachlaumlssigbar gering Permethrin ist ein biozider Wirkstoff der zum Schutz gegen Insekten in Produkten wie Schlafsaumlcken Picknick- und Yogadecken sowie Teppichen und Kleidung eingesetzt wird Er ist im Chemikalienrecht als sensibilisierend eingestuft ein moumlgliches geringes kanzerogenes Potenzial wird von verschiedenen wissenschaftlichen Gremien diskutiert Der Wirkstoff kann aus Textilien freigesetzt und uumlber die Haut aufgenommen werden Bei kleinen Kindern die viele Produkte in den Mund nehmen kommt eine moumlgliche orale Aufnah-me des Stoffes hinzu

Mehr erfahren Stellungnahme Nr 0062017 des BfR vom 25 April 2017

Wie wirkt Aluminium in Leber und Darm

Aluminium ist in Lebensmitteln Kosmetika und Bedarfsge-genstaumlnden enthalten und kann uumlber die Nahrung aufgenom-men werden Erste Ergebnisse aus dem deutsch-franzoumlsischen Forschungsprojekt bdquoSolNanoToxldquo mit Beteiligung des BfR zeigen dass sich aus der Nahrung aufgenommene Aluminiumverbin- dungen temporaumlr im Darm anreichern Ob und in welchen Men-gen die Partikel weiter in den Koumlrper insbesondere in die Leber gelangen und welche Faktoren ihre Wirkung beeinflussen wird aktuell erforscht Die Forschungsgruppe sieht Anhaltspunkte dafuumlr dass ein Teil der angereicherten Partikel mit dem Stuhl wieder ausgeschieden wird Fuumlr seine Untersuchung simulierte das BfR anhand biologischer Proben die Verdauung verschiede-ner Aluminiumarten vom Mund uumlber den Magen bis zum Darm Mithilfe von Enzymen und Salzen wurden dabei physiologische Parameter wie der pH-Wert gesteuert Waumlhrend des simulierten Verdauungsprozesses veraumlnderten die Aluminiumverbindungen ihre chemische Reaktionsfaumlhigkeit und Loumlslichkeit Die Erkennt-nisse sind ein erster Schritt um den Prozess der Aufnahme Resorption und Verteilung von Aluminium im Koumlrper besser zu verstehen und daraus Daten fuumlr die Risikobewertung abzuleiten Aluminiumverbindungen koumlnnen in zu hohen Dosen toxisch auf das Nervensystem und ungeborenes Leben wirken sowie die Fruchtbarkeit und Knochenentwicklung beeinflussen

copy B

fR

copy c

gsto

cks

hutte

rsto

ckc

om

copy R

osel

ynne

shu

tters

tock

com

35012017

Bei Kleidung ist besonders der Einsatz von Silber-Nanopartikeln weit verbreitet Silber wirkt antibakteriell und soll die Geruchs-bildung durch Schwitzen reduzieren Beim Einsatz von Nanosilber in Kleidungsstuuml-cken ist in erster Linie eine Freisetzung in Schweiszlig und somit ein moumlglicher Hautkon-takt relevant Neben der Frage ob und in welcher Menge Silber prinzipiell aus Texti-lien herausgeloumlst wird beschaumlftigt sich die Forschung mit der Frage welchen Einfluss die Technologie hat mit der Nanosilber auf Textilien aufgetragen bzw eingebracht wird Bisher war zudem unklar inwiefern die Oberflaumlchenbeschichtung der Nano-partikel die Abgabe beeinflusst

Kuumlnstlicher Schweiszlig simuliert Freisetzung

In einem Forschungsprojekt pruumlfte das BfR neun Proben von Textilien die mit Nanosil-ber veredelt waren Als Vergleich diente ein mit konventionellem Silber (hier Silbersalz mit einem Partikeldurchmesser groumlszliger als 100 Nanometer) ausgeruumlstetes Textil Zwei der Textilien waren sogenannte Komposite bei denen Nanosilber in die Faser integriert ist Bei den anderen getesteten Textilien war die Faseroberflaumlche mit Silber-Nano-partikeln bzw in einem Fall mit konventio-nellem Silber beschichtet (Textil-Coating) Um die Abgabe von Silber durch Schwitzen

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

Kleidung wird durch sie wasser- und schmutzabweisend sie blocken UV-Strahlen und mindern Geruumlche Nanoma-terialien haben beliebte funktionelle Eigenschaften Ob sie aufgrund ihrer Winzigkeit gesundheitliche Risiken bergen ist indes noch weitgehend unbekannt In einem Forschungsprojekt uumlber Nanosilber hat das BfR ermittelt ob sich die Kleinstteilchen aus Textilien herausloumlsen und damit zum gesundheitlichen Risiko werden koumlnnen

Nanomaterial

ist ein natuumlrliches bei Prozessen anfallendes oder kuumlnstlich hergestelltes Material das Partikel in ungebundenem Zustand als Aggregat oder als Agglo-merat enthaumllt und bei dem die Mehrheit der Partikel ein oder mehrere Auszligen-maszlige im Bereich unter 100 Nanometer hat In Nanogroumlszlige kann ein Stoff andere Eigenschaften besitzen als wenn er in Form groumlszligerer Partikel vorliegt

copy o

still

shu

tters

tock

com

36 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von Textilfasern Links Nanokomposit bei dem kaum Silberpartikel an der Faseroberflaumlche zu finden sind Mitte und rechts Textilien mit Silbercoating hier befindet sich insgesamt mehr Silber auf der Oberflaumlche

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

zu simulieren wurden die Textilien fuumlr 24 Stunden in einer Schweiszligsimulanz-Louml-sung inkubiert Fuumlr die Auswertung wurde zunaumlchst der gesamte Silbergehalt in den Schweiszligloumlsungen mit massenspektromet-rischen Messmethoden bestimmt In den Proben in denen Silber vorhanden war wurden anschlieszligend mit Zentrifugation und einer speziellen Methode zum Messen von Einzelpartikeln geloumlstes und partikulauml-res Silber unterschieden Im letzten Schritt wurden die Partikelgroumlszligen des vorgefun-denen partikulaumlren Silbers gemessen um nanoskaliges Silber zu identifizieren

Silber aus Kleidung freigesetzt

Die Untersuchung des BfR zeigte dass von jeder Textilprobe Silber in die Schweiszligsi-mulanz-Loumlsung uumlberging je nach geteste-tem Textil zwischen 7 und 75 Prozent des originaumlr in den Textilien enthaltenen Sil-bers Dabei setzten die beschichteten Tex-tilien mehr Silber frei als die Komposite Den houmlchsten abgegebenen Anteil fand das BfR bei dem mit konventionellem Silber beschichteten Textil Die Freisetzung wird demnach staumlrker durch die Technologie der Veredelung bestimmt als durch die im Tex-til enthaltene Menge Auszligerdem scheint die Abgaberate von Silber aus Nanosilber im Vergleich zu konventionellem Silber nicht erhoumlht zu sein

In der Schweiszligloumlsung lag das freigesetzte Silber uumlberwiegend geloumlst vor Partikulaumlres Silber fand sich nur zum geringeren Teil dann jedoch auch im Nanometerbereich Ob es sich dabei um einzelne Nanoparti-kel handelt oder ob das Silber an groumlszligere Partikel gebunden ist muss in weiteren Untersuchungen uumlberpruumlft werden Nach

derzeitigem wissenschaftlichem Kennt-nisstand geht man davon aus dass sich Nanopartikel im Koumlrper anders verhalten als groumlszligere Partikel Uumlberraschenderweise detektierte die Forschungsgruppe auch in den Schweiszligsimulanzien der mit konven-tionellem Silber beschichteten Textilien partikulaumlres Silber in Nanogroumlszlige Das Vor-kommen von Silberpartikeln scheint also nicht davon abhaumlngig zu sein ob das Silber in Nano- oder konventioneller Form auf das Textil aufgebracht wurde

In einer parallelen Untersuchung fanden die Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler heraus dass zudem die Beschaffenheit der Nanopartikel beispielsweise in Form einer speziellen Beschichtung ihre Loumlslichkeit in der Schweiszligloumlsung beeinflusst

Art der Beschichtung relevant

Silber wird demnach aus Textilien freige-setzt in geringen Teilen sogar in partiku- laumlrer Form Die gewaumlhlte Form der Tex-tilfunktionalisierung aber auch die Be-schaffenheit der Nanopartikel stellen dabei wichtige Kriterien fuumlr das Freisetzungsver-halten dar Solche Erkenntnisse sind vor al-lem fuumlr den sicheren Einsatz von Nanoma-terialien in Alltagsprodukten wichtig weil die Exposition des Menschen gegenuumlber derartigen Stoffen moumlglichst klein gehalten werden sollte Auszligerdem geben sie Hin-weise in welcher Anwendungsform Nano-materialien im verbrauchernahen Bereich sicher eingesetzt werden koumlnnen

Mehr erfahren Wagener et al 2016 Textile Functionalization and Its Effects on the Release of Silver Nanoparticles into Artificial Sweat Environ Sci Technol 50 11 5927ndash5934

Per Flugzeitmassenspek-trometer laumlsst sich Silber auf beschichteten Textil-fasern detektieren

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

NANOPARTIKEL

37012017

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

38 BfR 2 GO

Neuer Ansatz fuumlr Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

Spiegelbild gesucht

Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR zeigt einen neuen Ansatz um mithilfe von Genexpressionsdaten das geeignete Tiermodell fuumlr die Grundlagenforschung oder fuumlr spezifische klinische Fra-gestellungen zu identifizieren Damit koumlnnen zukuumlnftig unnoumltige Tierversu-che vermieden werden Hamburger Wissenschaftsbehoumlrden wuumlrdigten die Erkenntnisse mit einem Forschungspreis

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

39012017

Fragestellung

Vergleich

Auswahl

z B bdquoMit welchem Mausmodell koumlnnen die Ursachen von Alzheimer erforscht werdenldquo

Vergleich von vorhandenen Omics-Expressionsdaten von Mensch und Tier

Auswahl des geeigneten Modells

1

2

3

Geeignete Tiermodelle identifizieren

An Tiermodellen werden zahlreiche biologische Prozesse und Krankheiten wie Wund-

heilung Diabetes Tumoren oder entzuumlndliche Erkrankungen erforscht Durch den

Vergleich der Omics-Expressionsdaten von Tiermodell und Mensch koumlnnen geeignete

Modelle fuumlr die jeweilige Fragestellung identifiziert werden

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

40 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Verlaumluft ein entzuumlndlicher Prozess bei Maumlusen aumlhnlich wie beim Menschen Sind Maumluse daher geeignete Ver-

suchstiere fuumlr Tests von antientzuumlndlichen Substanzen Um Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung in den klinischen Alltag zu uumlberfuumlhren ndash Aufgabengebiet der translationalen Forschung ndash werden wissen-schaftliche Fragestellungen oft in Tierversu-chen erprobt Ob und inwieweit die Ergeb-nisse auf den Menschen uumlbertragbar sind ist dabei immer wieder Gegenstand kontrover-ser Diskussionen Geeignete Methoden mit denen die Wissenschaft Tiermodelle mit op-timaler Uumlbertragbarkeit auf den Menschen auswaumlhlen kann wuumlrden dem wissenschaft-lichen Fortschritt helfen und die Zahl der Tierversuche reduzieren Es geht dabei um die Frage welches Tiermodell am besten das menschliche System widerspiegelt

Vergleichbarkeit von Genom- daten fehleranfaumlllig

Als Grundlage fuumlr diese Uumlberlegungen die-nen Daten aus modernen bioanalytischen Hochdurchsatzverfahren Immer haumlufiger setzt die Wissenschaft auf diese sogenannten Omics-Technologien die die Gesamtheit aller Gene und ihrer Produkte analysieren ndash sowohl beim Tier als auch beim Menschen Mit ihnen lassen sich molekulare Prozesse in lebenden Systemen umfassend darstel-len indem sie beispielsweise die Interaktion hunderter bis tausender Genprodukte zei-gen Die Analyse dieser zunehmend kom-plexen Omics-Datensaumltze stellt die Wissen-schaft jedoch vor Probleme da das Vorgehen dazu nicht standardisiert ist Die Interpreta-tion der Ergebnisse ist bisher meist von der Kompetenz der Durchfuumlhrenden und von der angewandten Methode abhaumlngig Im Ergebnis war die Entscheidung zur Frage der Uumlbertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen fehleranfaumlllig und die Suche nach

geeigneten Tiermodellen erschwert Die ge-ringe Standardisierung der Interpretation von Omics-Daten fuumlhrte in Forschungs-kreisen bereits zu widerspruumlchlichen Er-gebnissen so zum Beispiel bei zwei Studien aus den Jahren 2013 und 2015 die sich mit der Vergleichbarkeit von entzuumlndlichen Er-krankungen beim Menschen und gaumlngigen Mausmodellen beschaumlftigten Waumlhrend eine Forschungsgruppe im Jahr 2013 schlussfol-gerte dass entzuumlndliche Prozesse zwischen Mensch und Maus nicht vergleichbar seien kam eine andere Gruppe zwei Jahre spaumlter anhand der gleichen Omics-Daten zum ge-genteiligen Schluss Die Maus reagiere auf der molekularen Ebene sehr aumlhnlich wie der Mensch und sei daher als Tiermodell sehr nuumltzlich fuumlr die Erforschung menschlicher Erkrankungen Zwar ist es nicht ungewoumlhn-lich dass Ergebnisse von Studien unter-schiedlich eingeschaumltzt werden ndash allerdings selten auf Basis der gleichen Daten

Motivation des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR war es diese Widerspruumlche aufzuklaumlren und einen standardisierten und zielgerichteten Analyseansatz zu entwickeln der die Suche nach geeigneten Tiermodellen vereinfacht und somit unnoumltige Tierversuche vermei-den hilft Es gehoumlrt zu den Kernaufgaben des Bf3R bundesweit alle Aktivitaumlten zu koordi-nieren mit den Zielen Tierversuche auf das unerlaumlssliche Maszlig zu beschraumlnken und fuumlr Versuchstiere den bestmoumlglichen Schutz zu gewaumlhrleisten Die Aufgaben des Bf3R wer-den vom BfR wahrgenommen

Genomdaten von Tier und Mensch gezielt vergleichen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler des Bf3R haben die Omics-Daten aus den beiden erwaumlhnten widerspruumlchlichen Studien mithilfe hochperformanter Com-

puter nochmals systematisch ausgewertet Dabei wurden zunaumlchst die zu verglei-chenden Gene gruppenweise biologischen Prozessen zugeordnet die wesentlich fuumlr ein Entzuumlndungsgeschehen sind Diese Gene Set Enrichment Analysis (GSEA) ge-nannte Methode greift auf umfangreiche in oumlffentlichen Datenbanken hinterlegte Genomdaten gaumlngiger Tiermodelle und von Erkrankten zuruumlck Mit ihrer Heran-gehensweise konnten die Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler des BfR an-schlieszligend Veraumlnderungen auf der Ebene pathologischer Signalwege erkennen und Unterschiede zwischen Tiermodell und Mensch identifizieren Da der Groszligteil der untersuchten Genprodukte haumlufig nur geringfuumlgig veraumlndert war konnten bei der Analyse auf Ebene vollstaumlndiger bio-logischer Signalwege alle Gene einbezogen und Aumlnderungen in der Gesamtheit eines biologischen Signalwegs bewertet werden Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu bisherigen Analyseansaumltzen da fuumlr die Klauml-rung translationaler Fragestellungen bisher haumlufig willkuumlrlich und subjektiv Gene von Mensch und Tiermodell fuumlr einen direkten Eins-zu-eins-Vergleich ausgewaumlhlt wurden

Die systematische Auswertung des Bf3R zeigte dass die Ergebnisse beim vorlie-genden Genomdatenvergleich bei einigen Mausmodellen gut mit den beim Menschen ermittelten Daten uumlbereinstimmten Bei an-deren Mausmodellen hingegen war es nicht so So aumlhnelt das Entzuumlndungsgeschehen bei Maumlusen die mit Staphylococcus aureus (Staphylococcus-aureus-Injektionsmodell) infiziert sind oder eine Darmperforation (Cecal-ligation-and-puncture-Modell) erfah-ren den meisten klinischen Proben Hin-gegen verlaufen Erkrankungen die durch Lipopolysaccharide (LPS) und Streptococcus pneumoniae verursacht werden bei Mensch und Maus verschieden

Omics

Der Terminus beschreibt Methoden zur

Analyse komplexer biologischer Proben

auf der Ebene des gesamten Genoms

von Transkripten Proteinen oder Meta-

boliten

41012017

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

Forschungsansatz hilft Tierversuche zu reduzieren

Die Methode der Datenanalyse mittels GSEA-Ansatz erleichtert es Forschungs-gruppen zukuumlnftig zielgerichtet und stan-dardisiert das optimale Tiermodell aus-zuwaumlhlen das am besten die menschliche Situation abbildet Voraussetzung dafuumlr ist die Existenz von Omics-Daten zur klini-schen Fragestellung sowie zu den infrage kommenden Tierversuchen Dies ist bereits fuumlr eine Vielzahl von Tiermodellen sowie von humanen Erkrankungen der Fall neben Entzuumlndungserkrankungen beispielsweise fuumlr Herz-Kreislauf-Erkrankungen Krebser-krankungen Atemwegserkrankungen Stoff-wechselerkrankungen und neurologische Erkrankungen Aufgrund der vermehrten Verwendung von Omics-Methoden kann davon ausgegangen werden dass stetig wei-tere systembiologische Daten ermittelt und veroumlffentlicht werden Die vom Bf3R ange-wandte Methode wird daher weiterhin bei der gezielten Auswahl von Tiermodellen nuumltzlich sein

Das Verfahren kann in der Grundlagen-forschung sowie in der translationalen und angewandten Forschung eingesetzt werden Diese Bereiche machten 2015 nach Anga-ben des Bundesministeriums fuumlr Ernaumlh-rung und Landwirtschaft mit insgesamt 73 Prozent den groumlszligten Teil der Tierversuche aus Ein Groszligteil davon entfaumlllt auf Maumluse Ratten und zunehmend auch auf Fische Grundsaumltzlich kann die neue Methode zur Auswahl des geeigneten Versuchstiermo-dells bzw zum Ausschluss nicht geeigneter Versuchstiermodelle bei jeglichen Tierver-suchen in diesen Bereichen genutzt werden Analog zu den Versuchstierzahlen liegen derzeit die meisten Omics-Daten fuumlr Maus und Ratte vor So sind beispielsweise allein in der oumlffentlichen NCBI GEO-Datenbank (National Center for Biotechnology Informa-tion Gene Expression Omnibus) derzeit Da-ten zu ca 340000 Maus-Proben und 75000 Ratte-Proben gelistet

Methode identifiziert geeignete Zellkulturmodelle

Dabei ist die Methode des Bf3R nicht auf humane und murine Datensaumltze beschraumlnkt sondern kann auf alle weiteren Spezies an-gewandt werden fuumlr die umfangreiche Da-tenbanken zu biologischen Signalwegen oder Gengruppen vorliegen Auch fuumlr die Beurteilung von zellbasierten Alternativ-methoden kann der neue Forschungsansatz

herangezogen werden Durch einen system-biologischen Abgleich der klinischen Daten mit Omics-Daten aus beispielsweise neuar-tigen 3D-Zellkulturen oder organaumlhnlichen Mikrostrukturen wird die Charakterisierung und Verifizierung von zellbasierten Alterna-tivmethoden ermoumlglicht

Praumlmierte Forschungsleistung

Fuumlr ihre Forschung erhielten die Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR 2016 den Hamburger Forschungspreis zur Foumlrderung der Entwicklung von Ersatz- und

Ergaumlnzungsmethoden Die Auszeichnung wurde zum erstem Mal von den Hamburger Behoumlrden fuumlr Gesundheit und Verbraucher-schutz sowie fuumlr Wissenschaft Forschung und Gleichstellung mit einem Foumlrderpreis in Houmlhe von 20000 Euro ausgeschrieben Der Preis wird fuumlr Arbeiten vergeben die einen Beitrag leisten Tierversuche zu ersetzen oder zu minimieren

Mehr erfahrenWeidner et al 2016 Defining the optimal animal model for translational research using gene set enrichment analysis EMBO Molecular Medicine 8 8 831ndash838

Wofuumlr Versuchstiere in Deutschland eingesetzt werden

630255Herstellung und Qualitaumlts-kontrolle medizinischer Produkte toxikologische Sicherheitspruumlfungen

22

59

14 5

1643259Grundlagenforschung

144997sonstige Zweckez B Zucht Aus- und Weiterbildung

381450translationale und angewandte Forschung

Que

lle B

unde

smin

iste

rium

fuumlr E

rnaumlh

rung

und

Lan

dwirt

scha

ft V

ersu

chst

ierz

ahle

n 20

15

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

42 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Alternativen zu Tierversuchen Forschung regional buumlndeln

Eine individualisierte Schmerztherapie fuumlr Versuchsmaumluse und eine Verringerung von Tierexperimenten zum Test der Inhala- tionstoxizitaumlt von Nanomaterialien (siehe rechte Spalte) ndash hierzu sollen die ersten Arbeitsergebnisse des BfR im Berlin-Bran-denburgischen Verbundprojekt BB3R zukuumlnftig beitragen Das Netzwerk aus Universitaumlten und Bundesinstitutionen forscht um Tierversuche zu vermeiden (Replacement) bzw zu verringern (Reduction) sowie das Leiden von Versuchstieren zu vermindern (Refinement) Das BfR ist als einer von sechs Verbundpartnern in den Bereichen der Refinement- und Replacement-Forschung beteiligt Das Bundesforschungsministerium foumlrdert das mit BB3R abgekuumlrzte Projekt fuumlr vier Jahre bis Fruumlhjahr 2018 es ist als Plattform fuumlr den wissenschaftlichen Austausch konzipiert und integriert ein Graduiertenkolleg

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschungwwwbb3rde

Belastung von Laborfischen erkennen

Koumlrperbau

Koumlrpermerkmale

Verhaltenkreisendes Schwimmen

Belastung von Laborfischen erkennen

Ob Laborfische Schmerzen empfinden oder leiden laumlsst sich mithilfe konkreter Kriterien beurteilen Die Vorarbeiten hierzu koordinierte der bdquoNationale Ausschuss zumSchutz von fuumlr wissenschaftliche Zweckeverwendeten Tierenldquo am BfR gemeinsam mit externen Sachverstaumlndigen und Beauf-tragten von Genehmigungsbehoumlrden Die erstmals definierten Kriterien bewerten unter anderem Auffaumllligkeiten im Koumlrper-bau sowie im Verhalten der Tiere Schmer-zen und Leiden koumlnnen so gezielt behandelt und gelindert werden Da die Frage der Belastung der Tiere anhand der Kriterien eindeutig geklaumlrt werden kann dienen sie zudem als Entscheidungshilfe fuumlr Behoumlr-den welche die Zucht belasteter genetisch veraumlnderter Tiere genehmigen muumlssen Fische insbesondere Zebrafische sind nach Maumlusen und Ratten die am dritthaumlufigsten verwendete Versuchstierart Die Zahl der Versuchsfische hat in den letzten Jahren stetig zugenommen

Mehr erfahren Bert et al 2016 Considerations for aEuropean animal welfare standard toevaluate adverse phenotypes in teleost fish EMBO J 35 11 1151ndash1154Empfehlung des Nationalen Ausschusses TierSchG Nr 0012015

Test der Inhalationstoxizitaumlt von Nanomaterialien

Die Einatmung gilt als wichtigster Aufnahmeweg fuumlr Nanomaterialien Im Rahmen der BB3R-Forschung bildet das BfR diese Art der Exposition mit In-vitro- Atemwegsepithelmodellen an ihrer Grenzflaumlche zur Luft ab Dieser Ansatz zum Test der Inhalationstoxi-zitaumlt hilft Anzahl und Umfang von Tierversuchen zu verringern

Versuchsaufbau Drei Roumlhrchen leiten ein Testaerosol mit luftgetragenen Nanomaterialien auf Epithelzellen

SPEKTRUM

copy B

fR

43012017

Jubilaumlumsfeier und internationales Symposium

Am 29 November 2017 feiert das BfR sein 15-jaumlh-riges Bestehen mit einem Festakt Geplant ist eine Feier mit ausgewaumlhlten Gaumlsten in der Akademie der Kuumlnste Anschlieszligend findet vom 30 Novem-ber bis zum 01 Dezember 2017 das gemeinsame internationale Symposium des BfR und seiner Schwesterinstitutionen aus Daumlnemark (DTU Food) und Frankreich (ANSES) sowie der suumldko-reanischen Behoumlrde fuumlr Lebens- und Arzneimittel-sicherheit (NIFDS) statt Unter dem Motto bdquoPast Present and Future Challenges in Risk Assessment ndash Strengthening Consumer Health Protectionldquo werden die letzten anderthalb Jahrzehnte Risikobewer-tung betrachtet Daruumlber hinaus werden aktuelle Aktivitaumlten sowie zukuumlnftige Herausforderungen des Verbraucherschutzes wie mikrobiologische Erreger chemische Substanzen Methoden und Harmonisierung auf nationaler wie internationa-ler Ebene diskutiert

VERANSTALTUNGEN

Nachwuchs foumlrdern

Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu foumlr-dern baut das BfR wissenschaftliche Nachwuchs-gruppen zu bestimmten Schwerpunktthemen auf Die bereits 2015 eingerichtete Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Warenketteldquo wird im Herbst 2017 durch einen weiteren Dokto-randen verstaumlrkt

Verstaumlrkung im Versuchstierschutz

Seit dem 1 April 2017 staumlrkt die Berufung von Herrn Universitaumltsprofessor Dr Lars Lewejo-hann den Kompetenzbereich bdquoVerminderung der Belastung und Verbesserung der Lebenssitua-tionldquo des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) Neben der Leitung der Fachgruppe bdquoTierschutz und Versuchstierkundeldquo im BfR wird Lars Lewejohann sein Wissen und neue Erkenntnisse als Hochschullehrer fuumlr bdquoTier-schutz mit dem Schwerpunkt Refinementldquo an der veterinaumlrmedizinischen Fakultaumlt der Freien Universitaumlt Berlin an Studierende und Doktoran-den weitergeben

PERSONALIEN

Alternativmethode zum Tierversuch bdquoKnochen-auf-dem-Chipldquo

Im Mai 2017 fand bei der Gemeinsamen For-schungsstelle (GFS)Joint Research Centre (JRC) der Generaldirektion (Directorate General) der Europaumlischen Kommission eine Summer School zu alternativen Ansaumltzen zum Tierversuch fuumlr die Risikobewertung in Ispra (Italien) statt Dort wurde Herr Dr Ing Frank Schulze aus der BfR-Fachgruppe bdquoZEBET ndash Alternativmethoden zu Tierversuchenldquo fuumlr seine Praumlsentation und das dazugehoumlrige Poster zum Thema bdquoEin Knochen-auf-dem-Chip fuumlr die Grundlagenwissenschaft und die Identifizierung von knochenschaumldigen-den Substanzenldquo mit einem Posterpreis (1 Platz) ausgezeichnet

copy B

fR

copy p

rivat

INSTITUTSLEBEN

44 BfR 2 GO

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

3012017

copy B

fR

4 BfR 2 GO

30

14

20

38

Bewerten ForschenKommunizieren

INHALT

6

Impressum

06 Schwerpunkt Authentizitaumlt

5012017

BfR 2 GO ndash Das BfR-Wissenschaftsmagazinerscheint zweimal jaumlhrlich

HerausgeberBundesinstitut fuumlr Risikobewertung (BfR) Anstalt des oumlffentlichen Rechts

vertreten durch den Praumlsidenten Professor Dr Dr Andreas Hensel ViSdP Dr Suzan Fiack

Redaktionsanschrift Bundesinstitut fur Risikobewertung (BfR)Max-Dohrn-Straszlige 8ndash1010589 Berlinwwwbfrbunddepublikationenbfrbundde

Redaktion BfR Presse- und Oumlffentlichkeitsarbeit

Gestaltung Grafiken amp BildbearbeitungStudio GOOD Berlin

DruckRuksaldruck Berlin

Auflage 4000 (Deutsch) 1500 (Englisch)

ISSN Print-ISSN 2567-3858Online-ISSN 2567-3866

DOI 101759020170921-151257

copy Bundesinstitut fuumlr Risikobewertung Alle Rechte vorbehalten Wenn Sie einen Nachdruck einzelner Artikel zu nicht-kommerziellen Zwecken wuumlnschen wenden Sie sich bitte an die Redaktion unter publikationenbfrbundde

gedruckt auf PEFC-zertifiziertem Papier

06 Lebensmittelfaumllschern auf der Spur Nicht zielgerichtete Analyseverfahren

11 Original oder Faumllschung Forschungsprojekte zu Authentizitaumlt

12 bdquoWir wollen Faumllschungen einen Riegel vorschiebenldquo Interview mit Professor Dr Reiner Wittkowski

14 Risikowahrnehmung14 Gefuumlhlte Risiken im Visier

BfR-Verbrauchermonitor

17 Vegan und informiert Befragung zu Veganismus

18 Guten Appetit Infografik zu Insekten

20 Lebensmittelsicherheit20 Unerwuumlnscht in Lebensmitteln

Pyrrolizidinalkaloide

24 Post aus hellip Sambia

25 Spektrum Ciguatera Lupinensamen Hepatitis E

26 bdquoNur eine gemeinsame Strategie ist effektivldquo Interview mit Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer

30 Produkt- und Chemikaliensicherheit30 Auf die Mischung kommt es an

Mehrfachruumlckstaumlnde

33 Kombinationseffekte Forschungsprojekte des BfR

34 bdquoZiel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertungldquo Interview mit Dr Roland Solecki

35 Spektrum Aluminium Endokrine Disruptoren Permethrin

36 Nanopartikel in Funktionskleidung Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

38 Schutz von Versuchstieren38 Spiegelbild gesucht

Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

43 Spektrum Belastung von Laborfischen Forschungsplattform Alternativmethoden

44 Institutsleben

Hergestellt in Parma

Wie vielSchafsmilchist drin

Ist es reiner Wein

copy O

ben

und

Unt

en b

igac

iss

hutte

rsto

ckc

om M

itte

gre

seis

hutte

rsto

ckc

om

6 BfR 2 GO

SCHWERPUNKT AUTHENTIZITAumlT

Lebensmittelfaumllschernauf der SpurGestreckt gepanscht gefaumllscht ndash Lebensmittelbetrug ist ein globales Problem Das BfR erforscht wie Verfahren zum Nachweis der Authen-tizitaumlt von Lebensmitteln harmonisiert werden koumlnnen Dabei schluumlp-fen die Forscherinnen und Forscher am BfR auch selbst in die Rolle der Lebensmittelfaumllscher

Kommt er aus dem Allgaumlu

Wurde eskaltgepresst

copy O

ben

Cop

rids

hutte

rsto

ckc

om U

nten

Ale

nKad

rshu

tters

tock

com

7012017

Ein Bildschirm ein Rechner ein Infra-rotspektrometer und viele kleine Pro-bengefaumlszlige gefuumlllt mit Fett extrahiert

aus Hartkaumlse Allgaumluer Emmentaler Ein Laborant entnimmt eine stecknadelkopf-groszlige Fettprobe und bringt sie auf das Ana-lysegeraumlt auf Sekunden spaumlter erscheint auf dem Bildschirm eine Wellenlinie aus 1800 Datenpunkten das Spektrum der Kaumlse-fettprobe Ein zweites Labor eine weitere Analyse Roumlhrchen fuumlr Roumlhrchen holt sich ein Greifarm Allgaumluer-Emmentaler-Proben und bringt sie in das starke Magnetfeld ei-nes Kernspinresonanz-Spektrometers ein Die Messung erzeugt bis zu 130000 Da-tenpunkte die fuumlr die jeweilige Kaumlseprobe charakteristisch sind Ein drittes Labor eine dritte Messmethode Mit der Isotopen-verhaumlltnis-Massenspektrometrie wird hier die Herkunft der Hartkaumlse-Proben be-stimmt Insgesamt sollen 150 bis 200 Pro-ben beschafft und analysiert werden bdquoAlle Daten werden aufgearbeitet und flieszligen in eine Auswertungs-Software die fuumlr jede Methode ein charakteristisches Datenspek-trum ndash den authentischen Fingerabdruck von Allgaumluer Emmentaler ndash berechnetldquo so Dr Susanne Esslinger Sie koordiniert die Versuche zum Authentizitaumltsnachweis von Allgaumluer Emmentaler

Die Suche nach dem Fingerabdruck

In den BfR-Laboren arbeiten Wissenschaft-lerinnen und Wissenschaftler daran den typischen unverwechselbaren Fingerab-

druck von verschiedenen Lebens- und Futtermitteln darunter Wein Spirituosen Kraumluter und Gewuumlrze Hartkaumlse Speiseoumlle und Mais zu finden Ihr Ziel ist es die Echtheit dieser Produkte bzw Abweichun-gen und somit Verfaumllschungen erkennen zu koumlnnen Ist dies gelungen wird Lebens-mittelfaumllschung erschwert Die Vergabe des EU-Guumltezeichens bdquoGeschuumltzte Ursprungs-bezeichnungldquo garantiert dass fuumlr die spe-zielle Produktbezeichnung bdquoAllgaumluer Em-mentalerldquo die Erzeugung Verarbeitung und Herstellung tatsaumlchlich im Allgaumlu erfolgt sein muumlssen Was nuumltzt das Guumlte-zeichen aber wenn es keine Methoden gibt um Original und Faumllschung zu unterschei-den Das BfR hat daher eine Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Waren-ketteldquo eingerichtet um die Forschung und interdisziplinaumlre Vernetzung zur Standar-disierung von Datenerhebungen zum Au-thentizitaumltsnachweis zu staumlrken

Das BfR beteiligt sich an mehreren natio-nalen und internationalen Verbundprojek-ten um neuartige Ansaumltze und Strategien fuumlr den Nachweis von Lebensmittel- und Futtermittelverfaumllschungen zu entwickeln mit denen derartige Praktiken weltweit besser aufgedeckt werden koumlnnen Die Schwerpunkte der BfR-Forschung zu die-sem Thema sind die Herkunftsbestimmung und Identifizierung unbekannter Zusaumltze mittels zielgerichteter sowie nicht zielge-richteter Analytik in Kombination mit sta-tistischen Verfahren und Fragen zur Daten-aufbereitung und -interpretation

Nicht zielgerichtete Analytik

Eine Herausforderung bei der Suche nach dem analytischen Charakteristikum von Lebensmitteln ist die natuumlrliche Variation von Inhaltsstoffen bdquoDeswegen muss erst einmal eine Vielzahl von unverfaumllschten Proben genommen werden um charak-teristische Merkmale in den Datensaumltzen zu findenldquo erklaumlrt Dr Carsten Fauhl-Has-sek der im BfR verschiedene Forschungs-projekte zur Authentizitaumltspruumlfung von Lebens- und Futtermitteln leitet bdquoUnsere Ergebnisse zeigen dass die Idee des unver-wechselbaren Fingerabdrucks von Lebens-mitteln funktioniertldquo Das BfR hat bereits

Die Vorbereitung der Kaumlseproben fuumlr die Untersuchung beinhaltet die Homogenisierung mit fluumlssigem Stickstoff

bdquoSehr deutlich sind die Datenpunkte zu erkennen die sich auszligerhalb des Normbereichs ndash der Bande ndash be-wegen Faumlllt ein Lebensmittel aus diesem Raster ist es verdaumlchtig

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

SCHWERPUNKTTHEMA AUTHENTIZITAumlT

8 BfR 2 GO

den physikalisch-chemischen Fingerab-druck verschiedener Weine Speiseoumlle oder juumlngst von Kraumlutern und Gewuumlrzen mittels Infrarot- und Kernspinresonanz-Spektro- skopie erfasst Das BfR-Labor wurde dafuumlr auch zur Faumllscherhoumlhle Kraumluter und Ge-wuumlrze sind mit unterschiedlichsten Zusaumlt-zen gemischt und deren aufbereitete Pro-ben ebenfalls mithilfe der Analysegeraumlte vermessen worden bdquoSehr deutlich sind die Datenpunkte zu erkennen die sich auszliger-halb des Normbereichs ndash der Bande ndash be-wegen Faumlllt ein Lebensmittel aus diesem Raster ist es verdaumlchtigldquo so Dr Fauhl-Has-sek So sehen die Spektren von z B mit Oli-venblaumlttern gestrecktem Oregano oder die von mit Sudanrot ndash eine Substanz die im Verdacht steht ein genotoxisches Kanzero-gen zu sein ndash gepanschtem Paprikapulver eindeutig anders aus

Die neuen Analyseverfahren mittels des charakteristischen Fingerabdrucks eines Lebensmittels ermoumlglichen somit eine flexible und schnelle Form der Echtheits-pruumlfung Statt gezielt nach gefaumllschten Produkten zu suchen steht hier der Au-thentizitaumltsnachweis im Fokus Diese neue Herangehensweise bezeichnet man auch als nicht zielgerichtete Analytik

Cloud der Fingerabdruumlcke

Zur perspektivischen routinemaumlszligigen An-wendung der nicht zielgerichteten Analytik fuumlr die Lebensmittelsicherheit muss aller-dings zunaumlchst eine gemeinsame Nutzung der Datenbanken fuumlr Referenz-Lebensmit-tel-Fingerabdruumlcke aller Akteure im Bereich Lebensmittelsicherheit ermoumlglicht werden Auch muss sichergestellt sein dass die Daten- erhebung sowie die anschlieszligende Analyse aller Nutzer vergleichbare Ergebnisse liefern

Das BfR arbeitet im Forschungsverbund an folgendem vereinfacht skizziertem Zu-kunftsszenario Zertifizierte amtliche und private Labore stellen ihre Lebensmit-tel-Fingerabdruumlcke uumlber eine Daten-Cloud bereit Hersteller Verarbeitungs- und Ver-edlungsbetriebe steuern die dazugehoumlrigen Produktinformationen bei Wenn Uumlber-wachungsbehoumlrden oder der Groszlig- und Einzelhandel Lebensmittelproben auf ihre Echtheit uumlberpruumlfen wollen vergleichen sie den Fingerabdruck ihrer eigenen Probe mit denen in der Fingerprint-Cloud Gibt es sig-nifikante Abweichungen ist das Lebensmit-tel zunaumlchst auffaumlllig und sollte weiter un-tersucht werden Noch sind viele technische und organisatorische Huumlrden zu nehmen

Das Prinzip bdquoNicht zielgerichteter Verfahrenldquo

Wavenumbers (cm-1)

Ab

sorb

anc

e

Paprikaproben Paprika dotiert mit Siliciumdioxid

Relevante Aspekte bei der Pruumlfung

Authentizitaumltspruumlfungen koumlnnen offizielle Produktbeschreibungen bestaumltigen oder betruumlgerische Aussagen nachweisen Relevante Aspekte dabei sind die Sub-stitution durch preiswertere aber aumlhnli-che Zusaumltze die Streckung mit fremdar-tigen Substanzen (z B Wasser Staumlrke) oder die Anwendung nicht gekenn-zeichneter oder unzulaumlssiger Verfahren wie Bestrahlung oder Extraktion die Bestaumltigung der geografischen Herkunft der botanischen oder zoologischen Spezies oder der Herstellungsprozesse wie bio konventionell oder gentechnisch veraumlndert sowie die Deklaration und Angaben zur Ruumlckverfolgbarkeit (Pro-duktkennzeichnung Prozessablaumlufe Chargenidentifikation)

Exogene Signale bei Verfaumllschung

copy M

Una

l Ozm

ens

hutte

rsto

ckc

om

LEBENSMITTELFAumlLSCHERN AUF DER SPUR

9012017

Eine stecknadelkopfgroszlige Kaumlsefettprobe wird auf das Analysegeraumlt aufgebracht Um charakteristische Merkmale in den Datensaumltzen zu finden muumlssen Dr Carsten Fauhl-Hassek (im Bild rechts oben) und sein Team eine Vielzahl solcher Proben nehmen und am Computer analysieren

bdquoErst muumlssen einheitliche Datenstandards verteilt operierende Systemloumlsungen und organisatorische Loumlsungsansaumltze zur Ge-waumlhrleistung der Datenintegritaumlt und -qua-litaumlt entwickelt werdenldquo erlaumlutert Matthias Filter bdquodamit diese Vision im Bereich Le-bensmittelsicherheit realisierbar istldquo Er ko-ordiniert am BfR die Arbeiten zum Schwer-punkt bdquoGlobale Warenkettenldquo

Vernetzte Referenzdatenbanken

Damit das Zukunftsszenario naumlher ruumlckt forschen Wissenschaftlerinnen und Wis-senschaftler am BfR zu der Entwicklung von mathematischen und statistischen Mo-dellen fuumlr die Datenauswertung und Har-monisierung von Datenaustauschformaten sowie zur harmonisierten Probennahme Dies sind wesentliche Voraussetzungen fuumlr den Aufbau und die Routineanwendung

von kollaborativen Referenzdatenbanken die uumlber die Cloud verfuumlgbar gemacht wer-den koumlnnen bdquoBislang verwendet jeder Her-steller von Spektrometern aber beispiels-weise noch eigene Datenformate sodass die Daten erst einmal dechiffriert werden muumlssen damit sie fuumlr alle Beteiligten ver-wendbar sindldquo sagt Filter

Bis solche Referenzdatenbanken der typi-schen chemisch-analytischen Profile von Lebensmitteln aufgebaut und fuumlr den flauml-chendeckenden Einsatz im Netzwerk aus Uumlberwachungsbehoumlrden Laboratorien so-wie Herstellern und Haumlndlern fertiggestellt sind dauert es nach Einschaumltzung der Exper-ten sicher noch 10 bis 15 Jahre Umso wichti-ger ist es jetzt die Weichen zu stellen

Mehr erfahrenwwwbfrbundde gt A-Z-Index Authentizitaumlt

Die Suche nach dem Fingerabdruck

Beim Aufbau von standardisierten Referenzdatenbanken kommen soge-nannte nicht zielgerichtete Verfahren zum Einsatz Dabei wird der physika-lisch-chemische Fingerabdruck von Lebensmitteln anhand spektromet-rischer undoder spektroskopischer Daten erhoben Dieser dient als Vergleichsstandard mit dem die Daten unbekannter Lebensmittelproben vergli-chen werden Abweichungen koumlnnen so leichter erkannt werden und Uumlber-wachungsbehoumlrden muumlssen nicht mehr gezielt nach bestimmten unerwuumlnsch-ten Substanzen suchen die oftmals noch gar nicht bekannt sind

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

10 BfR 2 GO

SCHWERPUNKTTHEMA AUTHENTIZITAumlT

Food Integrity EU-Konsortium gegen gefaumllschte Lebensmittel Das EU-Konsortium aus 38 Projektpartnern will strukturelle und methodische Voraus-setzungen schaffen um Verfaumllschungen fruumlhzeitig einheitlich erkennen zu koumlnnen Dazu sollen u a ein Netzwerk zwischen Be-houmlrden Industrie und Forschung aufgebaut Pruumlfprozesse harmonisiert und Wissensda-tenbanken erstellt werden Das Projekt laumluft bis Ende 2018

FoodAuthent Kollaborative Referenzdatenbanken fuumlr chemische Fingerabdruumlcke In dem dreijaumlhrigen Projekt werden Grundlagen fuumlr den Routineeinsatz von Fingerprinting-Analyseverfahren im Lebensmittelsektor und in der amtlichen Uumlberwachung geschaffen Zusammen mit den Projektpartnern entwickelt das BfR bis April 2019 gemeinschaftliche Fingerprin-ting-Datenbanken sowie Schnittstellen zu privatwirtschaftlich betriebenen Pro-duktinformationssystemen Exemplarisch erfolgt dies fuumlr Hartkaumlse Speiseoumlle und Spirituosen Die Daten sollen fuumlr die mit-wirkenden Akteure im Lebensmittelbereich frei zugaumlnglich sein

Original oder Faumllschung ndash Gemeinsam gegen Lebensmittelgaunerei

Das BfR beteiligt sich an Drittmittelprojekten um Herstellern und Uumlberwa-chungsbehoumlrden Methoden an die Hand zu geben mit denen schnell sicher und kosteneffizient die Echtheit eines Lebensmittels erkannt werden kann Einige werden hier vorgestellt

Animal-IDHerkunftsnachweis von tierischen Proteinen in Futter- und Lebens-mitteln Die Projektpartner kombinieren Massen- spektrometrie mit Verfahren zur Protein-anreicherung um Analysemethoden zur gewebespezifischen Herkunftsbestimmung von Futtermitteln zu entwickeln sowie Schnelltests auf Basis von proteinbasierten ELISA DipStick-Tests fuumlr die wichtigsten Tierarten in der Fleischproduktion wie Rind Schwein Pferd und Huhn Das BfR koordiniert das Vier-Jahres-Projekt (2016 bis 2019)

FoodRisk-Lab Softwareloumlsungen zur Unterstuumlt-zung der Bewertung von Risiken Das BfR entwickelt frei verfuumlgbare Soft-wareloumlsungen und Web-Dienste fuumlr die Bewertungsarbeit behoumlrdlicher Einrichtun-gen sowie fuumlr Wissenschaft und Forschung FoodChain-Lab unterstuumltzt z B die Ruumlckverfolgung von Futter- und Lebens-mitteln entlang der Warenketten und ermoumlglicht eine interaktive Analyse von Ausbruchsgeschehen Weitere Programme dienen der mathematischen Modellierung von Gefahren im Bereich der Futter- und Lebensmittelsicherheit

SPICEDSicherung der Gewuumlrz- und Kraumluterwarenketten Europas Gewuumlrze und Kraumluter werden sehr vielen Lebensmitteln zugesetzt Die Ergebnisse des Forschungsprojektes tragen dazu bei die Gewuumlrz- und Kraumluterwarenketten Euro-pas gegen natuumlrliche unabsichtliche und absichtliche biologische und chemische Ver-unreinigungen zu schuumltzen Das Projekt mit 11 Partnern aus sieben EU-Laumlndern wurde von 2013 bis 2016 im 7 Rahmenprogramm der EU gefoumlrdert und vom BfR koordiniert

11012017

FORSCHUNGSPROJEKTE

bdquoWir wollen Faumllschungen einen Riegel vorschiebenldquo

Professor Wittkowski welche Lebens- mittel werden uumlblicherweise verfaumllschtGefaumllscht wird uumlberall dort wo ein oumlkono-mischer Vorteil erzielt werden kann Pro-duktpiraterie kommt deswegen vor allem bei hochqualitativen und teuren Markenpro-dukten wie Olivenoumll Schafskaumlse Wein oder Spirituosen vor Ein uumlblicher Trick ist min-derwertige Zutaten als hochwertige zu ver-kaufen wie Shrimps als Garnelen Bei Pro-dukten bei denen die geografische Herkunft ein Qualitaumltsmerkmal ist wie Parma- oderSerrano-Schinken Irischer Whiskey oder Champagner wird versucht die Herkunft vorzutaumluschen

Koumlnnen Verbraucher denn noch der Le-bensmittelsicherheit vertrauen Glaubwuumlrdigkeit Vertrauen und Sicherheit sind eng miteinander verknuumlpft Menschen wollen einkaufen kochen essen und trin-ken gesund bleiben und es soll schmecken Sie wollen nicht wissen wie der Wein filt-riert oder bei welcher Temperatur der Kaf-fee geroumlstet wurde aber sie wollen darauf vertrauen dass die Angaben stimmen und dass diese Technologien sichere Lebens-mittel erzeugen Dies ist nur moumlglich weil es Standards fuumlr die Lebensmittelwirtschaft gibt und Uumlberwachungsbehoumlrden die Ein-haltung pruumlfen

Nur weil Parma-Schinken nicht aus Par-ma kommt stellt er doch noch kein Ge-sundheitsrisiko dar Geht es nicht viel-mehr um oumlkonomische Interessen der Hersteller Wissenschaftler koumlnnen zunaumlchst Normab-weichungen erkennen nicht aber die Mo-tivation von Verfaumllschern Zunaumlchst wird selbstverstaumlndlich eine Risikobewertung derartiger Befunde durchgefuumlhrt Anschlie-szligend kann man nach weiterer Uumlberpruumlfung und Ruumlckverfolgung der Lieferketten ent-scheiden ob es eine gezielte Verfaumllschung war oder nicht

Koumlnnen Sie ein Beispiel gebenStatt Rindfleisch wurde vor einigen Jahren in Lasagne Pferdefleisch nachgewiesen Im ersten Moment ein gesundheitlich unbe-denklicher Betrugsfall Pferdefleisch ist ein hochwertiges Lebensmittel Allerdings war nicht bekannt woher das Fleisch kam und ob es mit verbotenen undoder gesundheits-schaumldlichen Arzneimitteln belastet war Das wurde dann uumlberpruumlft und das Fleisch fuumlr unbedenklich erklaumlrt Oder Aufgrund des traditionellen Anbaus hatten Pistazien aus dem Iran eine Zeit lang erhoumlhte Mykoto-xingehalte und unterlagen daher strengen Auflagen bei der Einfuhr nach Europa Zur Umgehung dieser Auflagen traten Falsch-deklarationen der Herkunft auf Iranische Pistazien wurden als Pistazien aus Kaliforni-en in den Markt gebracht

Es geht also in erster Linie immer um Verbraucherschutz und nicht um Taumlu-schungs- oder Betrugsschutz Aus meiner Sicht ja Teilweise nehmen Faumllscher auch billigend in Kauf dass Men-schen zu Schaden kommen Mit Methanol gepanschter Alkohol oder mit Melamin gestrecktes Milchpulver sind Beispiele Die Verfaumllscher sind naumlmlich keine Toxikologen Die Frage ist also welche Methoden koumlnnen Behoumlrden bereitstellen um das Vertrauen in die Sicherheit der Lebensmittel zu erhalten

Das houmlrt sich an wie ein Wettlauf For-schung gegen Faumllschung Gibt es denn immer die richtige MethodeDas Gute an der Analytik ist dass man mit der richtigen Methode findet was man sucht Allerdings wissen wir nicht immer auf welche neuen betruumlgerischen Ideen Faumll-scher kommen Deswegen beteiligen wir uns in internationalen Forschungsvorhaben an der Entwicklung von Referenzdaten-banken mit dem typischen Fingerabdruck von Lebensmitteln Die sogenannte Finger-print-Analyse bietet die Moumlglichkeit nicht

nur Lebensmittel durch ihre Normabwei-chung als gefaumllscht zu identifizieren sondern auch bisher unbekannte Verfaumllschungen und gesundheitlich bedenkliche Manipulationen aufzudecken bevor die Ware in den Regalen steht

In der Praxis gibt es dazu doch sicher schon MaszlignahmenPrivate Analysefirmen haben sich bereits auf die Fingerprint-Methode fuumlr bestimmte Produkte spezialisiert und groszlige Datenban-ken angelegt Doch hier liegt ein Problem Jeder arbeitet mit seinen eigenen Daten Auch sind die Ergebnisse der Firmen nicht gerichtsfest weil die Datengrundlage nicht oumlffentlich ist Staatliche Institutionen ar-beiten dagegen mit transparenten und ver-gleichbaren Daten damit Beanstandungen gerichtsfest sind Deswegen muumlssen fuumlr ei-nen Erfolg der Fingerprint-Methoden die Messungen der verschiedenen Labore va-lidiert und die Datenbanken harmonisiert werden

bdquoUnser Allein- stellungsmerkmal ist dass wir Risikobewertung und Forschung betreiben

12 BfR 2 GO

SCHWERPUNKTTHEMA AUTHENTIZITAumlT

BfR-Vizepraumlsident Professor Dr Reiner Wittkowski setzt sich dafuumlr ein dass am BfR zu neuartigen Verfah-ren zur Authentifizierung von Lebensmitteln geforscht wird Als junger Lebensmittelchemiker hat er am Vorgaumlngerinstitut des BfR dem Bundesgesundheitsamt bereits fuumlr die Uumlberpruumlfung der Echtheit von Wein Methoden entwickelt etabliert und begonnen eine Fingerabdruck-Datenbank anzulegen

Was traumlgt das BfR zur Uumlberpruumlfung der Echtheit von Lebensmitteln bei Wir beteiligen uns seit Langem an allen maszliggeblichen EU-Forschungsvorhaben zur Authentizitaumltspruumlfung Unser Alleinstel-lungsmerkmal ist dass wir Risikobewertung und Forschung betreiben Das BfR hat an-ders als andere Bewertungsbehoumlrden eigene Laboratorien Wir haben deswegen einen sehr strengen Blick auf Bewertungsmetho-den und fragen wie sicher die Aussagekraft der Daten ist Das Kerngeschaumlft der 17 Re-ferenzlabore des BfR ist Methodenvali-dierungen durchzufuumlhren Auf nationaler Ebene arbeitet das BfR bereits eng mit der amtlichen Lebensmitteluumlberwachung der Bundeslaumlnder zusammen

Welchen konkreten Ansatz nutzt das BfRWir kombinieren Analytik und Daten-modellierung Das Institut hat eine lange Historie hinsichtlich des Nachweises der Echtheit von Lebensmitteln da auch in den Vorgaumlngerinstitutionen dazu geforscht wur-de In den 1990er-Jahren wurde hier eine der ersten Datenbanken zur Uumlberpruumlfung der Authentizitaumlt von Wein aufgebaut und wurden erstmals Kernresonanz-spektrosko-pische Verfahren in der Lebensmittel-Ana-lytik angewandt Die Expertise zum Thema Wein haben wir dann auf andere Lebens-mittel-Matrizes uumlbertragen Neben der Ana-lytik ist die Statistik unser zweiter Impetus Das BfR hat viel Erfahrung im Bereich der Datenanalyse fuumlr die Vor- und Ruumlckverfolg-barkeit von Lieferketten aufgebaut Mit der FoodChainLab-Software die im Rahmen der EHEC-Krise entwickelt wurde sind komplexe Datenmodellierungen moumlglich

Was sind die naumlchsten SchritteWir haben bereits ein nationales Kompe-tenznetzwerk zwischen Bundesbehoumlrden Landesuntersuchungsaumlmtern Universitaumlten und Forschungseinrichtungen etabliert und wir bringen das Thema weltweit voran Das BfR hat im November 2016 ein Symposium organisiert auf dem rund 100 Fachleute aus Deutschland Europa Nordamerika Afrika Asien und Neuseeland uumlber die Herausfor-derungen der Standardisierung diskutierten Aus meiner Sicht sollte unbedingt ein euro-paumlisches Referenzlabor eingerichtet werden ndash die EU-Kommission erwaumlgt dies bereits ndash um in Europa ein harmonisiertes System der angewendeten Methoden und der Datener-fassung fuumlr die Authentizitaumltspruumlfung von Lebensmitteln zu etablieren Nur das ist ziel-fuumlhrend wenn wir Faumllschungen global einen Riegel vorschieben wollen

copy B

fR

13012017

INTERVIEW MIT PROFESSOR DR REINER WITTKOWSKI

Der BfR-Verbrauchermonitor ist ein zentrales Instru-ment des gesundheitlichen Verbraucherschutzes Er zeigt wie die Oumlffentlichkeit Risiken wahrnimmt

Gefuumlhlte Risiken im Visier

copy ig

orst

evan

ovic

Shu

tters

tock

com

RISIKOWAHRNEHMUNG

14 BfR 2 GO

Welche Themen bewegen Verbraucherinnen und Verbrau-cher Was ist ihnen vertraut was beunruhigt sie Ant-worten auf diese Fragen liefert der BfR-Verbrauchermo-

nitor ndash eine seit 2014 regelmaumlszligig durchgefuumlhrte repraumlsentative Bevoumllkerungsbefragung mit der das BfR die generelle Einschaumlt-zung der Oumlffentlichkeit zu Verbraucherschutzthemen ermittelt In Ergaumlnzung dazu fuumlhrt das BfR Repraumlsentativbefragungen zu Ein-zelthemen durch die von besonderem aktuellem Interesse sind wie Antibiotikaresistenzen oder Pflanzenschutzmittel Die Ergeb-nisse dazu erscheinen als bdquoBfR-Verbrauchermonitor Spezialldquo Der Verbrauchermonitor ist ein wesentlicher Indikator um moumlgliche Missverstaumlndnisse oder Fehleinschaumltzungen seitens der Bevoumllke-rung fruumlhzeitig zu erkennen bdquoFuumlr uns ist es sehr wichtig konkret zu wissen was die Bevoumllkerung warum bewegt Daraus folgern wir welche kommunikativen Maszlignahmen zu ergreifen sindldquo sagt PD Dr Gaby-Fleur Boumll Leiterin der Abteilung Risikokommunika-tion am BfR

Methode der Datenerhebung

Fuumlr die repraumlsentative Umfrage des Verbrauchermonitors werden ca 1000 Personen die in Privathaushalten in Deutschland leben und mindestens 14 Jahre alt sind im Auftrag des BfR von Markt- und Meinungsforschungsinstituten telefonisch interviewt Diese Interviews werden computergestuumltzt anhand eines programmier-ten Fragebogens von geschulten Interviewern durchgefuumlhrt ndash kurz CATI-Methode genannt nach der englischen Bezeichnung compu-ter-assisted telephone interviewing Dabei werden die Fragen zum gesundheitlichen Verbraucherschutz und Fragen zu anderen The-menbereichen zu einer sogenannten Omnibus- oder Mehrthemen-befragung zusammengefasst Die Fragen des Verbrauchermonitors koumlnnen einen offenen Charakter haben (ungestuumltzte Fragen) oder geschlossen formuliert sein (gestuumltzte Fragen) Um die Ergebnisse der Verbrauchermonitore im Zeitverlauf miteinander vergleichen zu koumlnnen ist jede Umfrage aumlhnlich aufgebaut Das BfR widmet sich einerseits Themen die in der Oumlffentlichkeit eine groszlige Auf-merksamkeit erhalten Andererseits analysiert es Fragen die bisher weniger im oumlffentlichen Fokus stehen aber ebenfalls relevant sind wie beispielsweise gesundheitsschaumldliche Pflanzeninhaltsstoffe Auch das Ausmaszlig des Vertrauens in die staatlichen Strukturen des gesundheitlichen Verbraucherschutzes wird abgefragt da dies wie-derum die Wahrnehmung von Risiken beeinflussen kann

bdquoFuumlr uns ist es sehr wichtig konkret zu wissen was die Bevoumllkerung warum bewegt

Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher

Kaum veraumlndert hat sich in den letzten Jahren die Ansicht von Ver-braucherinnen und Verbrauchern dass Lebensmittel in Deutsch-land sicher sind Fragt man in der ungestuumltzten Abfrage nach den groumlszligten gesundheitlichen Risiken so sind dies im aktuellen Ver-brauchermonitor (082017) nach wie vor das Rauchen die Klima- bzw Umweltbelastung und ungesunde oder falsche Ernaumlhrung Da-nach werden Alkohol sowie ungesunde oder belastete Lebensmittel genannt Fragt man in der gestuumltzten Abfrage gezielt nach ausge-waumlhlten Themen so fuumlhren Salmonellen gentechnisch veraumlnderte Lebensmittel Antibiotikaresistenzen und Ruumlckstaumlnde von Pflan-zenschutzmitteln die Bekanntheitsskala an Dies sind auch die vier Themen die bei den meisten Befragten fuumlr Beunruhigung sorgen Es zeigt sich immer wieder dass Verbraucherinnen und Verbrau-cher Risiken unterschaumltzen die aus Sicht der Risikobewertung als

ZielsetzungVerbrauchermonitor

gt Erfassung und Analyse von Trends und Themen in der Verbraucherwahrnehmunggt Uumlber- bzw Unterschaumltzung von gesundheitlichen Risiken durch die Bevoumllkerunggt Beobachtung von Veraumlnderungen im Verbraucherverhaltengt Schnelle Erfassung der Verbraucherwahrnehmung in Krisensituationen

BfR-VERBRAUCHERMONITOR

15012017

gesundheitsrelevant eingestuft werden wie z B die Lebensmittelhygiene im eigenen Haushalt Noch weitgehend unbekannt ist der breiten Oumlffentlichkeit eine neue derzeit in der Wissenschaft diskutierte Metho-de zur Genveraumlnderung ndash das sogenannte bdquoGenome Editingldquo

Vertrauen staumlrken

Verschiedene Bevoumllkerungsgruppen neh-men Ereignisse oder Sachverhalte unter-schiedlich wahr Es haumlngt von vielen Fakto-ren ab wie groszlig ihnen ein Risiko erscheint Insbesondere zwischen der Wahrnehmung von Laien und Fachleuten koumlnnen sich Un-terschiede ergeben da die intuitive Risiko-einschaumltzung der Bevoumllkerung haumlufig auf anderen Prinzipien und Kriterien beruht als die wissenschaftliche Risikobewertung Aus der Risikowahrnehmungsforschung ist beispielsweise bekannt dass die Sorge vor

synthetisch hergestellten Stoffen groumlszliger ist als die Sorge vor natuumlrlich vorkommenden Stoffen wie beispielsweise giftigen Pflanze-ninhaltsstoffen

Der BfR-Verbrauchermonitor Spezial zum Thema Pflanzenschutzmittel hat zudem gezeigt dass ein Groszligteil der Bevoumllkerung faumllschlicherweise davon ausgeht dass in Lebensmitteln generell keine Reste von Pflanzenschutzmitteln vorkommen duumlr-fen Tatsaumlchlich sind Ruumlckstaumlnde von zu-gelassenen Pflanzenschutzmitteln bis zum erlaubten Ruumlckstandshoumlchstgehalt zulaumls-sig und als gesundheitlich unbedenklich eingestuft Auf diese Diskrepanz kann die Risikokommunikation gezielt reagieren indem sie die Oumlffentlichkeit mit geeigne-ten Kommunikationsformen umfassend uumlber die rechtlichen und wissenschaftli-chen Grundlagen der Risikobewertung bei Pflanzenschutzmitteln informiert

Die Ergebnisse solcher Bevoumllkerungsum-fragen liefern wichtige Einsichten in die Risikowahrnehmung verschiedener Bevoumll-kerungsgruppen und zeigen Unterschiede hinsichtlich demografischer Faktoren wie Alter Bildungshintergrund Berufsgrup-pe und Geschlecht auf So ist Frauen das Vorkommen von Pyrrolizidinalkaloiden in Kraumlutertee beispielsweise haumlufiger bekannt als Maumlnnern Auch hat sich gezeigt dass Maumlnner Prozesskontaminanten in Grill-fleisch weniger bedenklich einschaumltzen als Frauen

Mit dem Verbrauchermonitor hat das BfR ein Instrument etabliert mit dem noch fruumlher auf Informations- und Kommuni-kationsbeduumlrfnisse eingegangen und damit das Vertrauen der Oumlffentlichkeit in den ge-sundheitlichen Verbraucherschutz weiter gestaumlrkt werden kann

Alle bisher erschienenen BfR-Verbrauchermonitore koumlnnen abgerufen werden unter wwwbfrbundde gt Publikationen gt Broschuumlren gt BfR-Verbrauchermonitor

Welche Themen betrachten Sie persoumlnlich als die groumlszligten gesundheitlichen Risiken fuumlr Verbraucherinnen und Verbraucher

Inwieweit sind Sie persoumlnlich uumlber die folgenden Themen zur Lebensmittel-sicherheit beunruhigt oder nicht beunruhigt

16 BfR 2 GO

RISIKOWAHRNEHMUNG

2016 gab es in Deutschland in der deutsch-sprachigen Bevoumllkerung ab 14 Jahren rund 08 Millionen Personen die sich selbst als Veganer bezeichnen wuumlrden oder als je-mand der weitgehend auf tierische Produk-te verzichtet (2016 Allensbacher Markt- und Werbetraumlger-Analyse IfD Allensbach) Ei-nige Studien zeigen dass eine vegane Ernaumlh-rung positive Einfluumlsse auf die Gesundheit haben kann wie zum Beispiel ein geringeres Risiko fuumlr Typ-2-Diabetes Beschrieben wer-den allerdings auch gesundheitliche Risiken durch Naumlhrstoffmangelzustaumlnde etwa fuumlr Schwangere und Kinder Wer keine tierische Produkte zu sich nimmt riskiert unter an-derem eine Unterversorgung mit Vitamin B12 Eisen Calcium Jod und Zink sowie mit langkettigen Omega-3-Fettsaumluren

Vor diesem Hintergrund entwickelte das BfR geeignete Risikokommunikationsstra-tegien Ein Forschungsprojekt widmete sich den individuellen und sozialen Einflussfak-toren die zur Motivation und Aufrechter-haltung einer veganen Ernaumlhrung fuumlhren Insgesamt wurden 42 Veganerinnen und Veganer zu ihren Werten Einstellungen und Meinungen befragt Aufgrund der zum Teil sehr ausgepraumlgten Abweichun-gen zur Durchschnittsbevoumllkerung lassen sich verallgemeinernde Aussagen treffen Repraumlsentativ sind die Befragungsdaten al-lerdings nicht

Ethische Entscheidung

Fast immer begruumlnden Veganerinnen und Veganer ihre Entscheidung fuumlr eine vega-ne Ernaumlhrung mit ethischen Argumenten Gesundheitliche Motive werden selten ge-nannt Die Befragten sind uumlberwiegend konfessionslos und uumlberdurchschnittlich

gebildet Auszligerdem beguumlnstigt Vegetaris-mus die Entscheidung sich vegan zu ernaumlh-ren Zwei Drittel der Teilnehmenden haben sich bereits vorher vegetarisch ernaumlhrt Er-naumlhren sich bereits Personen aus dem na-hen Umfeld vegan kann dies die Entschei-dung auch vorantreiben

Fuumlr die uumlberwiegende Mehrheit der Be-fragten ist die Ruumlckkehr zur omnivoren Ernaumlhrung die tierische Produkte zulaumlsst nicht vorstellbar Auch eine Schwanger-schaft wird meist nicht als Grund dafuumlr angesehen Oft werden auch Kinder vegan ernaumlhrt Nach Aussagen der Befragten re-agiert das soziale Umfeld haumlufig mit Skepsis und Aversion Um eine soziale Ausgren-

zung der Kinder zu verhindern lassen die Befragten teils Kompromisse zu So koumlnn-ten Kinder zum Beispiel selbst waumlhlen ob sie auswaumlrts Tierprodukte essen

Wissen kommt an

Wer sich vegan ernaumlhrt verfuumlgt in der Re-gel uumlber ein fundiertes Ernaumlhrungswissen 40 der 42 Teilnehmenden der BfR-Studie waren sich zum Beispiel daruumlber im Klaren dass es ohne tierische Produkte zu einer Mangelversorgung mit Vitamin B12 kom-men kann Viele nehmen dieses Vitamin zusaumltzlich ein Bei der Informationssuche rund um vegane Ernaumlhrung ist das Inter-net die wichtigste Informationsquelle (siehe Grafik)

Strategie der Risikokommunikation

Im Rahmen der Befragung stellten sich wichtige Anknuumlpfungspunkte fuumlr die Risi-kokommunikation heraus Unter anderem wurde klar dass ein negativer Ansatz der die vegane Ernaumlhrung als gefaumlhrlich oder abnormal darstellt nur wenig Erfolg haben kann Eine effektive Risikokommunikation sollte an bestehende Uumlberzeugungen der Veganerinnen und Veganer anknuumlpfen Ziel sollte dabei sein konkrete Tipps fuumlr den Alltag zu geben die sich mit einer vega-nen Ernaumlhrung verbinden lassen Informa-tionen wie bei einer veganen Ernaumlhrung eine moumlgliche defizitaumlre Naumlhrstoffversor-gung verhindert werden kann sind grund-saumltzlich erfolgversprechend Insbesondere uumlber Alternativen oder Supplementierung in der Schwangerschaft bei Saumluglingen und Kleinkindern sollte umfassend informiert werden

Vegan und informiert

Welche Informationsquellen nutzen Sie um sich

uumlber vegane Ernaumlhrung zu informieren

Kochbuumlcher mit veganen Rezepten Blogs zum Thema und tierfreie Supermaumlrkte ndash die vegane Ernaumlhrung liegt im Trend Wer ganz auf tierische Produkte verzichtet riskiert jedoch eine Unterversorgung mit bestimmten Naumlhrstoffen Um eine effiziente Risikokommunikation zu gewaumlhrleis-ten hat das BfR Veganerinnen und Veganer zu Wissens-stand und Einstellungen befragt

Foren im Internet

Sonstige Quellen im Internet

Buumlcher

Zeitschriften

Freunde Bekannte

Sonstigen = 42 Mehrfachnennungen moumlglich

74

71

52

36

12

5

copy S

tudi

oPho

toD

Flor

ezs

hutte

rsto

ckc

om

BEFRAGUNG ZU VEGANISMUS

17012017

63

72 Ekel

Fremdheit

Bedenken zu Hygiene und Vertraumlglichkeit

Grillen Mehlwuumlrmer und Wanderheuschrecken ndash in vielen Regionen der Welt werden Insekten von Menschen verspeist Auch in der Schweiz sind Insek-ten seit dem Fruumlhjahr 2017 offiziell als Lebensmittel zugelassen Ihr Verzehr ist in Europa jedoch generell wenig verbreitet und die oumlffentliche Diskussion steckt noch in den Anfaumlngen Wie bekannt ist das Thema in der deutschen Bevoumllkerung Welche Einstellungen bestehen gegenuumlber essbaren Insekten Wie wird das Thema in den Medien dargestellt In zwei Studien hat das BfR Antworten auf diese Fragen gefunden

Die Mehrheit der Deutschen vermutet keine gesundheitlichen Risiken durch den Verzehr von Insekten wuumlrde sieaber dennoch nicht verzehren Hauptgruumlnde gegen den Verzehr

sind Ekel Fremdheit Bedenken zu Hygiene und Vertraumlglichkeit

46 13 15

Insekten als Lebensmittel fuumlr Menschen ndash 72 Prozent der Befragten haben schon davon gehoumlrt Insekten gelten als eiweiszlig- naumlhrstoff- und vitaminreich und als eine wesentliche Nahrungsquelle hinsichtlich des Welternaumlhrungsproblems

Insekten essen Mehr Theorie als Praxis

18 BfR 2 GO

RISIKOWAHRNEHMUNG

2014

27 Artikel

14

Zugrundeliegende Studien telefonische Repraumlsentativbefragung von 1000 Personen (deutschsprachige Bevoumllkerung ab 14 Jahren) Medienanalyse von 17 deutschen Print- und Onlinemedien (uumlberregionale Qualitaumltszei-tungen Hauptstadtpresse und woumlchentliche Zeitungen) im Zeitraum Januar 2014 bis Dezember 2015 zur Art und Haumlufigkeit der Berichterstattung uumlber essbare Insekten

14 Prozent der Befragten haben schon einmal Insekten verzehrt mehrheit-lich im Ausland Uumlberwiegend sind es Maumlnner 18 ndash 29-Jaumlhrige gut Gebildete und Staumldter

Die Medienberichterstattung zu Insekten als Lebens- und Futtermittel verdoppelte sich von 2014 zu 2015 In der Mehrheit ging es um Nutzen- aspekte Insekten wurden medial als bdquozukunftsweisendes sinnvolles Lebensmittel bei dem der Nutzen gegenuumlber moumlglichen Risiken uumlber-wiegtldquo dargestellt

Verbraucherinnen und Verbraucher wuumlnschen sich mehr Informationen zu moumlglichen gesundheitlichen Risiken von Insekten als Lebens- und Fut-termittel zu ihrer Produktion und zum Naumlhrstoffgehalt Dies koumlnnte die oumlffentliche Akzeptanz fuumlr den Verzehr von Insekten erhoumlhen Auch bdquounkenntlich gemachteldquo Insekten in Form verarbeiteter Lebensmittel wuumlrden eher akzeptiert als Insekten im urspruumlnglichen Zustand

WeiterlesenBfR-Symposium bdquoInsekten als Lebens- oder Futtermittel Nah-rung der Zukunftldquo Bericht zum Symposium am 24 Mai 2016 in 2016 Journal fuumlr Verbraucher-schutz und Lebensmittelsicher-heit 11 3 281ndash289

2015

60 Artikel

i

Insekten als Lebensmittel

gt zaumlhlen lebensmittelrechtlich in der EU zu den neuartigen Lebensmitteln und muumlssen zugelassen werden

gt unerforschte Aspekte Toxikologie Gehalt an Kontaminanten und Ruumlckstaumlnden allergenes Potenzial mikrobiologische Risiken

copy a

rka3

8sh

utte

rsto

ckc

om

19012017

INFOGRAFIK ZU INSEKTEN

Unerwuumlnscht inLebensmitteln

Gelangen Pyrrolizidinalkaloide (PA) in die Lebensmittelkette koumlnnen insbesondere 12-ungesaumlttigte PA dem Menschen schaden Seit Jahren

befasst sich das BfR mit der Frage welches gesundheitliche Risiko von 12-ungesaumlttigten PA in Lebensmitteln ausgeht Klar ist die PA-Kontami-

nation in der Lebensmittelkette sollte so gering wie moumlglich sein

LEBENSMITTELSICHERHEIT

20 BfR 2 GO

Unerwuumlnschte Stoffe die in die Lebensmittelkette gelangen koumlnnen fuumlr Verbraucherinnen und Verbraucher ein gesund-heitliches Risiko darstellen Ein Beispiel fuumlr solche Eintraumlge

sind 12-ungesaumlttigte Pyrrolizidinalkaloide (PA) Das sind Stoffe die von einigen Pflanzen als Schutz vor Fraszligfeinden gebildet werden Sie konnten zunaumlchst in Honig und anderen Bienenprodukten spaumlter auch in Tees Kraumlutertees und Gewuumlrzen aber auch in pflanzenba-sierten Nahrungsergaumlnzungsmitteln nachgewiesen werden

Toxische Wirkungen bei Mensch und Tier

Beim Menschen sind vereinzelt Vergiftungsfaumllle nach arzneilicher Einnahme von PA-haltigen Kraumlutertees und -erzeugnissen bekannt Weiterhin gibt es Berichte uumlber epidemische Lebererkrankungen mit Todesfaumlllen in Pakistan Indien Afghanistan Tadschikistan und der ehemaligen UdSSR nach Verzehr von Getreide das mit Samen von Heliotropium- oder Crotalaria-Arten kontaminiert war Aus der Nutztierhaltung ist das gehaumlufte Auftreten von Leberzirrhosen bei Schlachtrindern bekannt die mit Heu und Silage auch Alpenkreuz-kraut aufgenommen hatten Auch bei Pferden wurden mit Leberde-generation einhergehende durch PA im Futter verursachte Erkran-kungen die Seneciosen beobachtet

Die Leber ist das primaumlre Zielorgan von Schaumldigungen durch 12-ungesaumlttigte PA Jedoch koumlnnen auch die Lunge oder andere Organe betroffen sein Insbesondere bei Aufnahme houmlherer Dosen treten akute venookklusive Veraumlnderungen in der Leber (hepatic veno-occlusive disease HVOD) oder der Lunge auf In houmlheren Dosen wurden im Tierversuch mit 12-ungesaumlttigten PA auch ent-wicklungstoxische Effekte beobachtet Nach den vorliegenden tier- experimentellen Daten gilt die kanzerogene Wirkung von 12-un-gesaumlttigten PA als gesichert und ein entsprechendes Risiko fuumlr den Menschen wird in Betracht gezogen Vielfach zeigten Verbindungen die sich im Tierversuch als kanzerogen erwiesen in entsprechenden Mutagenitaumltstests eine genotoxische Wirkung

Wie 12-ungesaumlttigte PA in Lebensmittel gelangen koumlnnen

Nach bisherigem Kenntnisstand koumlnnen 12-ungesaumlttigte PA uumlber mehrere Wege in Lebensmittel gelangen In Deutschland sind Ver-unreinigungen vor allem in den Anbauflaumlchen von Nutzpflanzen mit PA-bildenden Wildkraumlutern wie z B bei Salaten mit Kreuzkraut oder Greiskraut aufgetreten Aus Afghanistan sind erhoumlhte Belastungen in Getreide bekannt Auch die Belastung von Tee und Kraumlutertee-Sor-ten mit PA wird auf eine Kontamination mit bestimmten Wildkraumlu-tern in den Anbauflaumlchen zuruumlckgefuumlhrt Auszligerdem koumlnnen Bienen-produkte wie Honig und Pollen mit PA belastet sein wenn die Tracht von bestimmten Wildpflanzen stammt 12-ungesaumlttigte PA koumlnnen auch uumlber verunreinigte Futtermittel in Milch Eier und Fleisch ge-langen Auch Nahrungsergaumlnzungsmittel koumlnnen auf der Basis von Pflanzen hergestellt sein die selbst 12-ungesaumlttigte PA bilden

Gesundheitliche Risiken durch belastete Lebensmittel

Das BfR hat 2016 eine Bewertung der gesundheitlichen Risiken durch 12-ungesaumlttigte PA erarbeitet Dabei wurde die Belastung aller wichtigen Lebensmittelgruppen beruumlcksichtigt fuumlr die aktuell Daten zum Vorkommen von 12-ungesaumlttigten PA vorliegen Bei der Bewertung wurde die genotoxisch-kanzerogene Wirkung als emp-findlichster Endpunkt zugrunde gelegt

copy F

eyya

z A

laca

ms

hutte

rsto

ckc

om

copy e

mbe

riza

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

21012017

Danach geht bei Kindern im Alter von sechs Monaten bis unter fuumlnf Jahren die Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA im Wesentlichen auf Kraumlutertee einschlieszliglich Rooibostee Schwarztee und Honig zuruumlck Fruumlchtetee Milch Eier und Fleisch tragen nur wenig zur Gesamtaufnahme von 12-un-gesaumlttigten PA bei Sieht man von bestimm-ten Nahrungsergaumlnzungsmitteln ab zeigt sich bei Erwachsenen ein aumlhnliches Bild Bei Erwachsenen ist der Beitrag von Honig zur Gesamtaufnahme an 12-ungesaumlttigten PA geringer und der von Gruumlntee houmlher als bei Kindern Bei hohen Gehalten koumlnnen Nahrungsergaumlnzungsmittel als zusaumltzliche Expositionsquelle zur Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber Lebensmittel beitragen Gewuumlrze und Kraumluter aber auch Mehle stellen moumlglicherweise eine relevante zusaumltzliche Expositionsquelle dar Fuumlr eine abschlieszligende Bewertung fehlen hier jedoch noch Daten

Obwohl in Einzelfaumlllen hohe Gehalte an 12-ungesaumlttigten PA in bestimmten Le-bensmitteln des allgemeinen Verzehrs nachgewiesen wurden haumllt das BfR nach derzeitiger Datenlage auch bei hoher Auf-nahme dieser Lebensmittel eine akute Ge-sundheitsschaumldigung fuumlr unwahrscheinlich Zur Abschaumltzung des potenziellen Risikos von genotoxisch-kanzerogenen Wirkungen legte das BfR wie international uumlblich den MOE-Ansatz (Margin of Exposure) zugrun-de Dabei wird ausgehend von Tierstudien angenommen dass fuumlr genotoxische Kan-zerogene ein MOE-Wert von 10000 oder houmlher aus Sicht der oumlffentlichen Gesundheit als wenig bedenklich und die Prioritaumlt fuumlr Maszlignahmen im Rahmen des Risikomanage-ments als niedrig angesehen werden kann Bei genotoxisch-kanzerogenen Stoffen kann keine Schwellendosis angenommen werden unterhalb derer keine unerwuumlnschten Wir-kungen mehr erwartet werden Daher gilt in der Europaumlischen Union die Empfehlung die Exposition gegenuumlber genotoxisch und kanzerogen wirkenden Substanzen so weit zu minimieren wie dies vernuumlnftig erreich-bar ist ndash das sogenannte ALARA-Prinzip (as low as reasonably achievable) Selbst geringe Aufnahmemengen koumlnnen insbesondere bei regelmaumlszligigem Verzehr mit einer Erhouml-hung gesundheitlicher Risiken verbunden sein

Die Bewertung des genotoxischen und kan-zerogenen Risikos erfolgt als Vergleich der Gesamtaufnahme uumlber verschiedene Tees Milch und Honig bei Kindern und Er-wachsenen auf der Basis verschiedener Ver-zehrszenarien mit dem BMDL10-Wert von

73 Mikrogramm pro Kilogramm Koumlrperge-wicht und Tag unter Berechnung des MOE Der BMDL10-Wert (Benchmark dose lower confidence limit 10) ist ein Schaumltzwert der niedrigsten Dosis die im Tierexperiment mit 95-prozentiger Sicherheit eine Krebsin-zidenz von nicht mehr als 10 Prozent ver-ursacht Alle Berechnungsansaumltze sowohl fuumlr Kinder als auch fuumlr die erwachsene Be-voumllkerung ergaben MOE-Werte deutlich unterhalb von 10000 Da nach Ansicht des Wissenschaftlichen Ausschusses der EFSA ein MOE erst ab einem Wert von mindes-tens 10000 aus Sicht der oumlffentlichen Ge-sundheit als wenig bedenklich anzusehen ist empfiehlt das BfR die Gesamtexposition mit PA aus allen Lebensmitteln so niedrig wie moumlglich zu halten und einen MOE von 10000 bei Beruumlcksichtigung der PA-Zufuhr aus allen Quellen nicht zu unterschreiten Dazu sollten die Bemuumlhungen fortgesetzt werden die PA-Gehalte in Lebensmitteln weiter zu senken

Forschungsansaumltze des BfR

Das BfR befasst sich seit einigen Jahren mit der Problematik der Verunreinigung von Lebensmitteln mit 12-ungesaumlttigten PA und verfolgt hierzu verschiedene Forschungs-ansaumltze Die Analytik der 12-ungesaumlttigten PA stellt aufgrund ihrer groszligen strukturel-len Vielfalt und des Vorkommens in unter-schiedlichen Lebensmitteln eine besondere Herausforderung dar In den letzten Jahren hat das BfR spezifische Nachweismethoden entwickelt und in Ringversuchen validiert Diese Methoden stehen auf der Homepage des BfR zur Verfuumlgung und koumlnnen z B in der Lebensmittel- und Futtermitteluumlberwa-chung eingesetzt werden

Neben der Entwicklung analytischer Me-thoden werden am BfR die molekularen Mechanismen der Toxizitaumlt von 12-unge-saumlttigten PA untersucht Hier stehen vor allem Untersuchungen zur strukturabhaumln-gigen Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber die Darmbarriere im Vordergrund Die Ergebnisse zeigen dass sich das Wirkungs-potenzial der 12-ungesaumlttigten PA aufgrund von Unterschieden im strukturabhaumlngigen Transport uumlber die Darmbarriere unter-scheiden kann Auch zeigten die getesteten Modellsubstanzen in einem Zellkulturmo-dell deutliche strukturspezifische Unter-schiede im Metabolismus Weitere Untersu-

Pflanzen die Pyrrolizidinalkaloi-de bilden finden sich vor allem in den Familien der Korbbluumltler (Asteraceae) der Raublatt- oder Borretschgewaumlchse (Boraginaceae) und der Huumllsenfruumlchtler (Faba-ceae)

22 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

chungen zu der Zerstoumlrung der sinusoidalen Endothelzellen durch 12-ungesaumlttigte PA sollen zum Verstaumlndnis der Mechanismen beitragen die zu den venookklusiven Ver-aumlnderungen in der Leber fuumlhren Auch wer-den Untersuchungen zur Metabolisierung nahrungsrelevanter Pyrrolizidinalkaloide durchgefuumlhrt Die Forschungsprojekte wer-den von der Deutschen Forschungsgemein-schaft (DFG) gefoumlrdert

Empfehlungen zur Reduktion der PA-Gehalte

Das BfR empfiehlt dass sich Management-maszlignahmen an der Vermeidung genoto-xisch-kanzerogener Effekte der 12-ungesaumlt-tigten PA als dem empfindlichsten Endpunkt orientieren Die Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA sollte fuumlr Verbrau-cherinnen und Verbraucher so gering wie moumlglich sein Dazu sollten die PA-Gehalte in Lebensmitteln so weit wie moumlglich sin-ken Dies gilt insbesondere fuumlr Kraumlutertees Rooibostee Schwarzen Tee und Gruumlnen Tee sowie bestimmte Nahrungsergaumlnzungsmit-tel Hier sollten Anbau- Ernte- und Reini-gungsmethoden weiterhin verbessert wer-den Auch die Auswahl der Rohhonige kann zu einer Reduzierung der Gehalte an 12-un-gesaumlttigten PA in verzehrfertigen Honigen beitragen Auszligerdem sind vor der Vermark-tung seitens der Lebensmittelunternehmer weiterhin Kontrollen in allen betroffenen Lebensmittelkategorien notwendig

Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das potenzielle gesundheitliche Risiko durch PA durch eine abwechslungsreiche Ernaumlh-rung verringern und so generell einseitigen Belastungen mit verschiedenen potenziell gesundheitsgefaumlhrdenden Stoffen vorbeu-gen Insbesondere fuumlr Kinder Schwangere und Stillende empfiehlt das BfR den taumlgli-chen Fluumlssigkeitsbedarf nicht ausschlieszliglich mit Kraumlutertee und Tee zu decken

Bei der Zubereitung von Salat Blattgemuumlse und Kraumlutern sollten Verbraucherinnen und Verbraucher Pflanzenteile aussortieren die sie keinen bekannten essbaren Pflanzen zu-ordnen koumlnnen

Wer Nahrungsergaumlnzungsmittel auf Pollen-basis oder auf Basis von Pflanzen einnimmt die 12-ungesaumlttigte PA bilden sollte sich bewusst sein dass diese Produkte 12-un-gesaumlttigte PA in houmlheren Konzentrationen enthalten koumlnnen

Mehr erfahrenStellungnahme Nr 0302016 des BfR vom 28 September 2016

Necinbase

Necinsaumlure

Die Struktur von PA

Chemisch handelt es sich um Ester aus einer Necinbase und aliphatischen Mono- oder Dicarbonsaumluren (Necin-saumluren) Aus toxikologischer Sicht besonders bedeutsam sind Pyrroli-zidinalkaloide mit 12-ungesaumlttigter Necinstruktur (12-ungesaumlttigte PA) Die 12-ungesaumlttigte Necinstruktur als gemeinsames Strukturmerkmal erlaubt grundsaumltzlich die Giftung durch Oxidation zum Dehydropyrrolizidin das durch seine alkylierenden Eigenschaf-ten fuumlr die genotoxische und karzino-gene Wirkung dieser Substanzgruppe verantwortlich ist

copy R

ukiM

edia

shu

tters

tock

com

copy J

iri H

era

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

23012017

Im suumldlichen Afrika spielt die Landwirt-schaft eine Schluumlsselrolle bei der Armuts-bekaumlmpfung Eine wachsende Produktion tierischer Lebensmittel bringt jedoch auch neue Herausforderungen an die Lebensmit-telsicherheit mit sich Das BfR-Forschungs-projekt bdquoSAD-Zambialdquo (bdquoStaphylococcus aureus in der Milchlebensmittelkette in Sambia ndash Bekaumlmpfung lebensmittelbeding-ter Erkrankungen und Antibiotikaresisten-zen beim Menschldquo) befasst sich damit wie die Produktion und der Vertrieb von Milch und Milchprodukten in Sambia sicherer gestaltet werden koumlnnen Ziel ist es zu be-werten in welchem Umfang das Bakterium Staphylococcus (S) aureus uumlber Milch und Milchprodukte auf den Menschen uumlbertra-gen wird In einem ersten Schritt werden Feldstudien in verschiedenen Provinzen des Landes durchgefuumlhrt um das Vorkommen dieses Erregers und moumlgliche Schwachstel-len in der Milchlebensmittelkette in Sambia zu analysieren Hierbei stehen Toxin-bil-dende S aureus-Staumlmme im Fokus Auszliger-dem wird untersucht in welchem Umfang Methicillin-resistente S aureus (MRSA) die gegen eine bestimmte Klasse von Antibio-tika resistent sind in der Milchlebensmit-

telkette vorkommen Die Bewertungsarbeit beinhaltet auch einen Vergleich traditio-neller und moderner Produktionssysteme Am BfR werden anschlieszligend die Analysen zu den Eigenschaften der gewonnenen Bakterienstaumlmme sowie stammvergleichen-de Untersuchungen durchgefuumlhrt In einem weiteren Schritt werden Ansatzpunkte zur Reduzierung der Bakterien sowie Methoden zum Monitoring von zoonotischen und An-tibiotika-resistenten S aureus in der Milch-lebensmittelkette in Sambia entwickelt So soll zum Verstaumlndnis der lebensmittelbe-dingten Risiken entlang der Milchlebens-mittelkette in Sambia beigetragen werden Das Projekt begann am 01072016 und laumluft drei Jahre Es wird vom Bundesminis-terium fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft gefoumlrdert und aus BfR-Mitteln co-finanziert Neben dem BfR beteiligen sich an dem For-schungsprojekt das International Livestock Research Institute die University of Zambia und das Central Veterinary Research Insti-tute als Teil des sambischen Ministeriums fuumlr Nutztiere und Fischerei Durch dieses Forschungsnetzwerk soll eine nachhaltige Partnerschaft aufgebaut werden

Mit dem Forschungsprojekt bdquoSAD-Zambialdquo leistet das BfR einen Beitrag zur Staumlrkung der Lebensmittelsicherheit und damit zur Ernaumlhrungssicherheit im suumldlichen Afrika Koordinatorin des Projekts ist Frau Dr Alexandra Fetsch Der sambische Doktorand Herr Bruno Phiri berichtet von seiner alltaumlglichen Arbeit Beide arbeiten in der Fach-gruppe bdquoMikrobielle Toxineldquo des BfR

POST AUS hellipSAMBIA

raquobdquoDas SAD-Zambia Projekt ist fuumlr mich ein Meilenstein und ich bin dem BfR sehr dankbar dass es mir diese Moumlglichkeit gibt Ich habe schon viel dazugelernt und konnte meine Kompetenzen bezuumlglich der Diagnose von Krankheitserregern verbessern Das Projekt bringt mich aber nicht nur persoumlnlich voran auch mein Land kann davon profitieren Mein Arbeitsalltag beginnt meist mit einem Besuch bei den Milchbauern und ihren Herden Dort schaue ich mir an wie die Kuumlhe gemolken werden und nehme Proben von den Tieren der Milch und der Umge-bung Auch in Milchsammelstellen und auf Maumlrkten nehme ich Proben Diese analysiere ich anschlieszligend im Labor an der Universitaumlt Schon jetzt freue ich mich auf die weiteren Untersuchungen der Bakterienstaumlm-me am BfR Ich war zu Beginn des Projektes dort ndash eine sehr eindrucks-volle Erfahrungldquo

(Bruno Phiri)

copy a

stud

ios

hutte

rsto

ckc

om

copy B

fR

24 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

Algengift in Tropenfischen

Bisher traten Lebensmittelvergiftungen durch Ciguato-xin ndash einem Algentoxin das in tropischen Speisefischen wie Barrakuda Schnapper oder Zackenbarsch enthalten sein kann ndash vorwiegend in den Tropen auf Mit dem zunehmenden Import von Fischen aus Suumldostasien haumlufen sich auch in Europa und seit 2012 in Deutschland Faumllle von Ciguatera Ein Problem dabei Eine Analyse-methode mit der Fisch routinemaumlszligig auf Ciguatoxine untersucht werden kann ist derzeit noch nicht verfuumlgbar Da weltweit nur wenige Labore auf den Nachweis von Ci-guatoxinen in Fischen spezialisiert sind wird im Projekt bdquoEuroCigualdquo der Europaumlischen Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit (EFSA) unter anderem an der Verbesserung entsprechender Analysemethoden und zum Vorkommen ciguatoxischer Fische in Europa geforscht Das BfR liefert fuumlr das Projekt Angaben zu Erkrankungsfaumlllen in Deutschland Die krankmachenden Algentoxine reichern sich uumlber die Nahrungskette in Raubfischen an und sind uumlberaus stabil Durch Erhitzen oder Tiefkuumlhlen lassen sie sich nicht entfernen Beim Menschen kann der Verzehr betroffener Fische dann zu Vergiftungen mit zum Teil schweren oder andauernden Beeintraumlchtigungen des Nervensystems fuumlhren An Ciguatera Erkrankte nehmen normale Kaumlltereize als ungewoumlhnlich schmerzhaft wahr

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt A-Z-Index Ciguatoxin

Alkaloide in Lupinensamen

In verarbeiteten Produkten oder zum Knabbern Lupinensamen sind im Trend Da sie jedoch toxikologisch relevante bittere Chinolizidinalkaloide enthalten koumlnnen bewertet das BfR ihr gesundheitliches Risiko Der Gehalt an Chinolizi-dinalkaloiden in Lupinensamen variiert je nach botanischer und geografischer Abstammung Samen die von bdquoBitterlupinenldquo stammen sind aufgrund ihrer houmlheren Gehalte ohne geeignete Vorbehandlung der bdquoEntbitterungldquo nicht zum Verzehr geeignet Denn Sie koumlnnen beim Menschen Vergiftungssymptome her-vorrufen Lupinenvarietaumlten die Samen mit niedrigen Alkaloidgehalten liefern werden als bdquoSuumlszliglupinenldquo bezeichnet Suumlszliglupinensamen sind auch ohne Entbitte-rung verzehrsfaumlhig In Deutschland kam es mit Bitterlupinensamen vereinzelt zu Vergiftungsfaumlllen Das BfR empfiehlt Herstellern daher nur ganze Lupinensamen in den Verkehr zu bringen die ohne weitere Entbitterungsprozesse verzehrsfaumlhig sind Mehl aus Lupinensamen sollten Hersteller aus alkaloidarmen oder ausrei-chend entbitterten Samen herstellen

Uumlbertragungswege des Hepatitis-E-Virus

Infektionen mit dem Hepatitis-E-Virus (HEV) koumlnnen zu einer akuten Leberentzuumlndung fuumlhren In den letzten Jahren sind die Zahlen gemeldeter Hepatitis-E-Faumllle des Menschen in Deutsch-land stark angestiegen Forschungsergebnisse des BfR in Zusam-menarbeit mit anderen Einrichtungen haben gezeigt dass das Virus in deutschen Haus- und Wildschweinen weit verbreitet ist Vereinzelt wurde HEV auch in Rehen und Rotwild nachgewiesen

Unklar ist derzeit noch auf welchen Wegen sich die Patienten mit dem Virus anstecken Moumlglich sind direkte Virusuumlbertra-gungen zum Beispiel vom Wildtier auf den Jaumlger und indirekte uumlber Lebensmittel die aus infizierten Tieren hergestellt wurden Wie aktuelle Studien des BfR zeigen kann HEV in verschiedenen Wurstwaren aus dem deutschen Einzelhandel nachgewiesen wer-den Fraglich ist ob das Virus in diesen Produkten noch anste-ckend ist oder ob es bei der Herstellung der Lebensmittel zerstoumlrt wird Hierfuumlr noumltige Untersuchungen waren in der Vergangenheit erschwert da sich HEV im Labor nur schlecht kultivieren lieszlig Erste Ergebnisse von Untersuchungen mithilfe eines am BfR ent-wickelten neuartigen Zellkultur-Systems weisen darauf hin dass HEV hitzeempfindlich ist aber bei Kuumlhlung oder Raumtempera-tur mehrere Wochen infektioumls bleiben kann

SPEKTRUM

copy N

eil B

urto

nsh

utte

rsto

ckc

om

copy N

atal

ia M

ylov

ash

utte

rsto

ckc

om

copy iS

tock

com

Mee

Poo

hyap

hoto

25012017

bdquoNur eine gemeinsame Strategie ist effektivldquo

Frau Kaumlsbohrer ein zentrales Thema Ihrer Forschung sind Antibiotikaresis-tenzen In der oumlffentlichen Debatte wird oft ein Zusammenhang hergestellt zwi-schen dem haumlufigen Einsatz von Anti-biotika in der Nutztierhaltung und dem Auftreten resistenter Bakterien in der Humanmedizin Doch werden bei Tieren nicht andere Antibiotika eingesetzt als bei MenschenUm die Unterschiede zu erlaumlutern muss man zwischen Praumlparaten und den antibiotischen Wirkstoffgruppen unterscheiden Beim Tier verwenden Veterinaumlrmediziner ande-re Praumlparate als Aumlrzte beim Menschen Der wirksame Inhaltsstoff das Antibiotikum kann aber dasselbe sein Die Antibiotika lassen sich wiederum in Wirkstoffgruppen einteilen Mit Blick auf die Wirkstoffgrup-pen gilt Die meisten Antibiotika die beim Menschen eingesetzt werden gehoumlren zu Wirkstoffgruppen die wir auch in der Vete-rinaumlrmedizin nutzen Es gibt nur ganz weni-ge Antibiotikagruppen die nur auf der einen oder der anderen Seite verwendet werden Dazu gehoumlren zum Beispiel die Carbapene-me die nicht beim Nutztier eingesetzt wer-den duumlrfen In der Humanmedizin kommen sie insbesondere zum Einsatz wenn andere Antibiotika nicht mehr wirksam sind

bdquoEine Resistenz ge-gen einen bestimm-ten Wirkstoff kann sich auch ausbrei-ten obwohl diese Wirkstoffgruppe nicht eingesetzt wurde

Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer leitet am BfR die Fachgruppe bdquoEpide-miologie Zoonosen und Antibiotika-resistenzldquo die unter anderem auch das Nationale Referenzlabor fuumlr Antibiotika- resistenzen umfasst Seit April 2016 ist sie auszligerdem Professorin an der Vetmeduni Vienna und leitet dort das Institut bdquoOumlffentliches Veterinaumlrwesenldquo

Wenn sie beim Nutztier nicht eingesetzt werden duumlrfen wie kann es dann sein dass Sie am BfR im Rahmen des For-schungsprojekts RESET Carbapene-mase-bildende Bakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden gefunden habenDie Entstehung von Antibiotikaresistenzen ist ein natuumlrlicher Vorgang bei Bakterien Durch den Gebrauch von Antibiotika wird dieser Prozess beschleunigt Eine Resistenz gegen einen bestimmten Wirkstoff kann sich auch ausbreiten obwohl diese Wirk-stoffgruppe nicht eingesetzt wurde Dank der Selektion gilt meist Wenn ich einen Wirkstoff einsetze gebe ich jenen Bakterien einen Vorteil die gegen den Wirkstoff resis-tent sind Aber Carbapenemasen also die Enzyme die von Carbapenem-resistenten Bakterien gebildet werden koumlnnen neben den Carbapenemen auch fast alle anderen

Bakterien die gegen Antibiotika resistent sind stellen ein Risiko fuumlr die oumlffentliche Gesundheit dar Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer widmet sich am BfR dieser Problematik Im Gespraumlch erklaumlrt sie welche Faktoren bei der Ausbreitung von Resistenzen eine Rolle spielen

copy M

icha

el B

ernk

opf

Vetm

edun

i Vie

nna

26 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

β-Laktam-Antibiotika inaktivieren Theo-retisch ist es daher moumlglich dass sich eine Resistenz gegen Carbapeneme ausbreitet obwohl der Tierarzt beim Nutztier eine an-dere Wirkstoffgruppe eingesetzt hat Ist die Resistenz bei Bakterien vorhanden gibt es viele Ausbreitungswege Ein Stall ist kein steriler Ort sondern belebte Umwelt Moumlg-liche Eintragswege fuumlr resistente Bakterien in einen Stall sind z B belebte Vektoren wie neu eingestallte Tiere Maumluse Fliegen oder Voumlgel aber auch unbelebte Vektoren wie Futter Wasser Staub oder Geraumltschaften

Was hat sich seit dem Fund der Carba-penemase-bildenden Enterobakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden fuumlr Ihre Arbeit beim BfR geaumlndert Der Fund hatte vielfaumlltige Konsequenzen Wir haben vor allem die gezielten Untersu-chungsaktivitaumlten verstaumlrkt Bakterien-Iso-late aus Tierbestaumlnden und Lebensmitteln werden seit 2014 im Rahmen des Resistenz-monitorings im BfR routinemaumlszligig auf eine Carbapenem-Resistenz getestet Auszligerdem steht seit 2015 fuumlr den Nachweis von Carba-penemase-bildenden Bakterien ein weiteres gezieltes Nachweisverfahren zur Verfuumlgung Hierzu muumlssen die Labore geschult werden Zusaumltzlich werden im Nationalen Refe-renzlabor fuumlr Antibiotikaresistenz am BfR Carbapenemase-verdaumlchtige Bakterien auf die charakteristischen Resistenzgene hin un-tersucht Am BfR wurden hierfuumlr verschie-dene Methoden fuumlr die Untersuchung von E coli und Salmonella etabliert Bisher wur-den sehr selten solche Resistenzgene nach-gewiesen bei Nutztieren das Gen blaVIM-1 bei einem Wildvogel das Gen blaNDM-1

Oftmals sind die Resistenzgene gegen Carbapeneme zusammen mit anderen Resistenzgenen auf mobilen geneti-schen Elementen lokalisiert Warum ist hier besondere Vorsicht gebotenZunaumlchst ist die Trefferwahrscheinlichkeit fuumlr eine Selektion houmlher wenn mehrere Re-sistenzgene auf einem genetischen Element liegen d h der Einsatz verschiedener Anti-biotika kann zu einem Selektionsvorteil fuumlh-ren Die Lokalisation von Resistenzgenen auf mobilen genetischen Elementen spielt fuumlr die Uumlbertragbarkeit von Resistenzen eine wichtige Rolle Denn Diese Resistenzgene koumlnnen mittels horizontalem Gentransfer auf ganz unterschiedliche Bakteriengruppen uumlbertragen werden Diese Erkenntnis hat eine Art Revolution ausgeloumlst Lange Zeit wurde ein Erreger mit all seinen Eigenschaf-ten als Einheit betrachtet Kann die Resis-tenz aber zwischen Bakteriengruppen hin

und her uumlbertragen werden verfaumllscht das moumlglicherweise den Blick auf eine Gruppe Folglich mussten die Nachweisverfahren umgestellt und die Uumlbertragbarkeit von Re-sistenzen mit analysiert werden Erschwe-rend kommt hinzu dass ein Resistenzgen auf einem grundsaumltzlich ungefaumlhrlichen

Bakterium zum Problem werden kann Manche Bakterien wie beispielsweise E coli gehoumlren zur normalen Darmflora Traumlgt so ein Bakterium eine Resistenzeigenschaft ist das erstmal nicht gefaumlhrlich Aber Es kann diese Eigenschaft moumlglicherweise an einen Infektionserreger weitergeben

Welche konkreten Folgen kann eine solche Weitergabe von Resistenzeigen-schaften habenSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt Schon jetzt weichen Aumlrzte auf Wirk-stoffgruppen aus die in der Humanmedizin lange verpoumlnt waren Dies gilt zum Beispiel fuumlr Colistin Fuumlr den Menschen ist es nicht gut vertraumlglich moumlgliche Nebenwirkun-gen sind beispielsweise die Schaumldigung der Nieren oder des Nervensystems In der Ve-terinaumlrmedizin hat Colistin seit Jahrzehnten eine erhebliche Bedeutung vor allem fuumlr die Behandlung von Infektionen des Ma-gen-Darm-Traktes bei Nutztieren auch um andere Wirkstoffgruppen zu vermeiden

Spielt im Fall von Colistin die Mobilitaumlt des Resistenzgens auch eine besonde-re Rolle Inzwischen ja Bis Ende 2015 waren sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler einig Eine Colistin-Resistenz ist nicht uumlbertragbar Das heiszligt kommt eine solche Resistenz bei einem Infektionserreger beim Nutztier vor ist sie nicht per se auf ein hu-manpathogenes Bakterium uumlbertragbar Doch Ende 2015 wurde in China erstmals das uumlbertragbare Gen mcr-1 beschrieben Untersuchungen in Belgien haben spaumlter zur Beschreibung eines weiteren mobilen Gens fuumlr die Colistin-Resistenz bei Nutztieren

bdquoSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

27012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Ausbreitung von Resistenzen

Haustiere

Krankenhaus

Belastetepflanzliche Lebensmittel

Belastete tierische Lebensmittel

Nutztiere

Futtermittel

Schaumldlinge

Uumlbertragungswege resistenter Bakterien

Menschen

Eine Antibiotikaresistenz entsteht

(z B durch Mutation)

Antibiotikatherapie beguumlnstigt die

Selektion resistenter Bakterien

Nahrung

Duumlnger Abwasser

Abwasser

28 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

gefuumlhrt mcr-2 Das bedeutet eine Uumlbertra-gung der durch diese Gene vermittelten Re-sistenz auf ein humanpathogenes Bakterium ist theoretisch moumlglich Allerdings scheint dies bisher selten der Fall zu sein

Diese Erkenntnisse offenbaren einen groszligen Forschungsbedarf Was tun Sie in der Abteilung bdquoBiologische Sicher-heitldquo um das Risiko zu bewerten Als 2015 klar wurde dass es eine uumlbertrag-bare Colistin-Resistenz gibt haben wir diese neue Erkenntnis in den laufenden Projekten natuumlrlich sofort aufgegriffen Im Rahmen des Forschungsprojekts RE-SET haben wir zum Beispiel vorhandenes Bakterienmaterial und die bei unseren Ko-operationspartnern verfuumlgbaren Gesamt-genominformationen auf das Vorkommen dieses neuen Resistenzgens gepruumlft Schnell war klar Ja dieses Gen finden wir in den Sequenzen Und die Pruumlfung von Colis-tin-resistenten Isolaten aus unserer Stamm-sammlung hat bestaumltigt dass dieses Resis-tenzgen bereits weit verbreitet ist

Muumlssen nun neue Forschungsprojekte zu dem Thema initiiert werdenJa denn viele Fragen bleiben bislang offen Wie haumlufig wird die Resistenz tatsaumlchlich uumlbertragen Was triggert diese Uumlbertra-gung Es gibt auch diagnostische Probleme Das uumlbliche Verfahren in der Humanmedi-zin um Resistenzen zu testen umfasst in der Regel nicht die Resistenz gegen Colistin Es gibt also viel zu tun Neue Diagnose- und Typisierungsverfahren aufbauen unser Re-sistenzmonitoring erweitern und routine-maumlszligig phaumlnotypisch resistente Isolate auf das Gen pruumlfen Die Ergebnisse muumlssen wir dann uumlbergreifend bewerten um Hand-lungsoptionen aufzuzeigen

Welche Uumlbertragungswege spielen bei der Colistin-Resistenz fuumlr den Men-schen eine Rolle Mit Sicherheit koumlnnen wir das derzeit nicht sagen Die chinesische Arbeitsgruppe hat Colistin-Resistenzen sowohl im Schweine-fleisch als auch beim Menschen gefunden Daher liegt die Hypothese nahe dass es eine Uumlbertragung uumlber Lebensmittel gibt Gleichzeitig gibt es generell die Beobachtung von nosokomialen Ausbreitungen resisten-ter Bakterien Das sind Ausbreitungen von Antibiotikaresistenzen im Krankenhaus

Resistenzen breiten sich aus Wunder-waffen verlieren ihre Wirkung selbst im Krankenhaus sind wir nicht sicher Gibt es uumlberhaupt eine effiziente Strategie gegen die Ausbreitung der Antibiotika- resistenzen Und wer ist dabei gefor-dertUm die Ausbreitung von Antibiotika- resistenzen zu verhindern braucht es eine gemeinsame Strategie Schlieszliglich sind hier komplexe Zusammenhaumlnge zwischen Mensch Tier und Umwelt am Werk Am BfR streben wir deswegen eine enge Zu-sammenarbeit mit allen Akteuren im oumlffent-lichen Gesundheits- und Veterinaumlrwesen an Bei diesem bdquoOne Health-Ansatzldquo sind sowohl Veterinaumlr- als auch Humanmedizi-ner gefordert Auch Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

Was sollten Verbraucherinnen und Ver-braucher beachtenHier gelten dieselben Hygieneregeln die auch fuumlr andere vom Tier oder vom Le-bensmittel auf den Menschen uumlbertragba-re Krankheitserreger gelten Zum Beispiel sollten sie sich nach dem Kontakt mit Tie-ren die Haumlnde mit warmem Wasser und Seife waschen Auch nach der Zubereitung von rohem Fleisch sollten die Haumlnde gruumlnd-lich gewaschen werden Fleisch Eier und Rohmilch sollten vor dem Verzehr durcher-hitzt werden Rohkost und Obst sollten vor dem Verzehr gruumlndlich mit Trinkwasser gewaschen oder geschaumllt werden Weiterhin wichtig ist den direkten oder indirekten Kontakt von rohem Fleisch und rohen Ei-ern mit verzehrfertigen Speisen die spaumlter nicht mehr erhitzt werden zu vermeiden Durch die Einhaltung der Hygieneregeln kann man einer Uumlbertragung von resisten-ten und oder pathogenen Bakterien auf an-dere Lebensmittel vorbeugen

Mehr erfahren Irrgang et al 2017 Recurrent detection of VIM-1-producing Escherichia coli clone in German pig production Journal ofAntimicrobial Chemotherapy 72 3 944ndash946

bdquoVerbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

RESET

Der Forschungsverbund RESET ndash Antibiotika-Resistenzen bei Tier und Mensch ndash beschaumlftigte sich von 2010 bis 2017 mit Resistenzen gegen die besonders wichtigen Antibiotika-Klas-sen der β-Laktam-Antibiotika und (Fluor-)Chinolone bei Darmbakterien wie Escherichia (E) coli Sind Bak-terien gegen beide Wirkstoffklassen resistent werden die therapeutischen Moumlglichkeiten drastisch eingeschraumlnkt Bei E coli und Salmonella enterica wurden derartige Resistenzen bereits nachgewiesen Das BfR beteiligte sich mit zwei Projekten an dem Forschungs-verbund Durch das konsequente Zusammenfuumlhren von Ergebnissen der unterschiedlichen Forschungsgebiete in einer gemeinsamen Datenbank konnten Erkenntnisluumlcken geschlossen und Risiken bewertet werden Das Projekt wurde vom Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) gefoumlrdert

29012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Kann es durch die Mischung verschiedener Pestizid-Ruumlckstaumlnde beim taumlglichen Verzehr zu gesundheitsgefaumlhrdenden Belastungen kommen

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

30 BfR 2 GO

Wenn von Paradigmenwechseln die Rede ist findet meist ein grundlegendes Umdenken statt In der Risikobewertung von Chemikalien habe ein Paradigmenwechsel stattge-

funden der die traditionelle Einzelsubstanz-Bewertung hinter sich lasse schrieben BfR-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler vor einiger Zeit Man koumlnnte meinen in der Toxikologie wird der Paracelsus-Satz kuumlnftig umgeschrieben Nicht nur die Dosis son-dern auch die Aufsummierung der Dosierungen in einer Mischung macht das Gift

Gift- oder Todescocktail ndash plakative Medienbegriffe

Denn tatsaumlchlich In den letzten Jahren beschaumlftigen sich weltweit immer mehr Gremien politische Ausschuumlsse und Forschungspro-jekte mit der Frage wie man die Auswirkungen von Mischungen auf Umwelt und Gesundheit kuumlnftig bewerten kann Auch in der Oumlffentlichkeit wird das Thema emotional verhandelt Chemikali-enmix Gift- oder sogar Todescocktail ndash mit plakativen Begriffen umschreiben Medien das Phaumlnomen der Mehrfachruumlckstaumlnde Entsprechend tief sitzt die Angst bei Verbraucherinnen und Ver-brauchern In einer vom BfR in Deutschland durchgefuumlhrten re-praumlsentativen Wahrnehmungsstudie vermuten 80 Prozent der Befragten dass der Einsatz mehrerer unterschiedlicher Pflanzen-schutzmittel zu gesundheitlichen Beeintraumlchtigungen durch Le-bensmittel fuumlhren kann

Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck sein

Zwar zeigen verschiedene aktuelle Monitoring-Projekte dass das gesundheitliche Risiko durch Mehrfachruumlckstaumlnde von Pflanzen-schutzmitteln unwahrscheinlich ist (s Interview) aber das Thema bleibt auch fuumlr die Wissenschaft draumlngend Denn auch wenn Mi-schungen schon seit Jahrzehnten wissenschaftlich analysiert und bewertet werden das Beduumlrfnis nach einer zuverlaumlssigen Bewertung der Risiken fuumlr Mensch und Umwelt steigt Grund dafuumlr ist zum einen die Vielzahl immer neuer Wirkstoffe Zusatzstoffe Chemika-lien Ruumlckstaumlnde und Kontaminanten gegenuumlber denen Menschen exponiert sind verbunden mit immer verfeinerten wissenschaftli-chen Nachweismethoden Zum anderen steigt der Druck aus der Oumlffentlichkeit Um wissenschaftliche Divergenzen zu vermeiden muumlssen transparente und international harmonisierte Verfahren entwickelt werden Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck in der Risikobewertung sein

Alle Gemische im Tierversuch zu testen ist nicht durchfuumlhrbar

Worum geht es im Einzelnen Mischungen liegen immer dann vor wenn ein Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt verschiedene Stoffe gleichzeitig aufnimmt z B Ruumlckstaumlnde Kontaminanten oder Chemikalien die nach der Europaumlischen Chemikalienverordnung REACH registriert sind Das geschieht wenn sogenannte intentional mixtures also beabsichtigte Mischungen wie Pflanzenschutzmittel oder Biozide in den Verkehr gebracht werden Aber auch unintenti-onal mixtures nimmt der Koumlrper auf Sei es dass verschiedene Stoffe in einem Produkt enthalten sind z B mehrere Pflanzenschutzmit-telruumlckstaumlnde in einem Apfel Oder sei es dass Stoffe gleichzeitig uumlber unterschiedliche Produkte aufgenommen werden In all diesen Faumlllen koumlnnen Mischungseffekte auftreten Diese sind je nach Wirk-mechanismus unterschiedlich stark ausgepraumlgt So koumlnnen sich die Wirkungen von Stoffen gegenseitig potenzieren oder auch aufheben Nach derzeitigem Kenntnisstand wird davon ausgegangen dass sich Wirkungen in der Regel addieren wenn die aufgenommenen Stoffe oberhalb der Wirkschwelle liegen den gleichen Wirkmechanismus haben und zu einem relevanten Zeitpunkt vom Organismus aufge-nommen wurden

Hier beginnen die Schwierigkeiten Es gibt zu viele intentional mix-tures die eine nahezu unuumlbersehbar groszlige Anzahl von Kombinati-onen ermoumlglichen Diese Gemische alle im Tierversuch zu testen wie sonst bei Einzelsubstanzen uumlblich waumlre sowohl ethisch nicht zu vertreten als auch praktisch nicht durchfuumlhrbar Daher arbeiten viele Forschungsprojekte u a der EU-Kommission daran tierversuchs-freie Methoden fuumlr die kumulative Bewertung zu entwickeln die die Effekte von Mischungen in vitro oder durch computergestuumltzte Be-rechnungen in silico berechnen (s Interview und Kasten)

Weltweit setzen Laumlnder das Thema auf ihre Agenda

Nicht nur fuumlr die Wissenschaft auch fuumlr den harmonisierten Voll-zug von Gesetzen ergeben sich dadurch neue Herausforderungen So schreibt z B die EU-Verordnung uumlber das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vor Kumulations- und Synergieeffekte zu be-ruumlcksichtigen ndash sofern es von der Behoumlrde anerkannte wissenschaft-liche Methoden zur Messung solcher Effekte gibt Doch die lagen bisher nicht vor Deshalb werden nun auf allen Ebenen technische Leitfaumlden fuumlr die neuen Methoden erstellt um eine harmonisierte

Auf die Mischung kommt es anKumulative Risikobewertung nimmt weltweit eine immer groumlszligere Bedeu-tung in der Toxikologie ein Das BfR arbeitet an einer Vielzahl von Projek-ten wie Mischungen in Zukunft bewertet werden koumlnnen

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

31012017

Vorgehensweise und transparente Nachvollziehbarkeit bei der Zu-lassung von Produkten zu gewaumlhrleisten Unter anderem die EFSA die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmittelsicherheit die Europauml-ische Chemikalienagentur ECHA und das JRC die Gemeinsame Forschungsstelle der Europaumlischen Kommission erarbeiten solche technischen Leitfaumlden

Neben der wissenschaftlichen Komplexitaumlt muumlssen diese techni-schen Leitfaumlden weitere Herausforderungen meistern Sie sollen fuumlr alle Bereiche gelten in denen Mischungen in Verkehr gebracht werden oder entstehen koumlnnen Bisher wurden Mischungen haumlufig nur in einem regulatorischen Bereich untersucht z B als Pflan-zenschutzmittel Biozid oder Arzneimittel Fuumlr andere Stoffe wie Lebensmittelzusatzstoffe oder Kontaminanten war die Bewertung von Mischungen bisher nicht klar gesetzlich reguliert In Zukunft sollen auch diese Stoffe bei einer Bewertung von Mischungen besser beruumlcksichtigt werden Auch soll nicht nur die chemische Zusam-mensetzung eines einzelnen Produktes systematisch bei der Zu-lassung beruumlcksichtigt werden sondern auch Mehrfachruumlckstaumlnde im gesamten Warenkorb den Verbraucherinnen und Verbraucher durchschnittlich zu einer gegebenen Zeit konsumieren Und zu gu-ter Letzt muumlssen die neuen Verfahren weltweit harmonisiert werden um das kumulative Risiko fuumlr Mensch und Umwelt auch angesichts globaler Warenketten gering zu halten Deshalb diskutieren Politik und Wissenschaft zurzeit nicht nur auf europaumlischer Ebene entspre-chende Leitfaumlden auch andere Laumlnder weltweit sowie die Weltge-sundheitsorganisation WHO und die Organisation fuumlr wirtschaftli-che Zusammenarbeit und Entwicklung OECD haben die kumulative Bewertung auf ihre Agenda genommen und stimmen ihre Guidance Documents mit den uumlbrigen Behoumlrden ab

Deutschland wendet die kumulative Bewertung schon an

Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR sind an zahlreichen dieser internationalen Projekte beteiligt sowohl an der wissenschaftlichen Erforschung kumulativer Effekte als auch an der Entwicklung technischer Leitfaumlden Einen wichtigen Schritt bei der kumulativen Bewertung hat Deutschland in der Europaumlischen Uni-

Stufe um Stufe zu einer gesicherten Bewertung

Seit Maumlrz 2017 wird in Deutschland eine Methodik fuumlr die Bewertung von Kumulations- und Synergie-effekten bei der gesundheitlichen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln in den Zulassungsverfahren angewandt Grundlage fuumlr das gestufte kumulative Bewertungsverfahren ist der sogenannte bdquoHazard Quotientldquo (HQ) der fuumlr jeden einzelnen Stoff ermit-telt wird Der HQ errechnet sich aus dem Verhaumlltnis zwischen dem relevanten gesundheitlichen Grenz-wert und der geschaumltzten Exposition

In einer ersten Stufe wird der HQ fuumlr alle Stoffe eines Gemisches einzeln ermittelt Liegt der HQ jedes Stoffes unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko fuumlr die einzelnen Bestandteile der Mischung zu erwarten Liegt dieser bei einzelnen Stoffen uumlber 1 wird gepruumlft ob die Exposition durch geeignete Maszlignahmen weiter vermindert werden kann zum Beispiel durch das Tragen entsprechender Schutz-kleidung

Liegt der HQ fuumlr alle Komponenten unter 1 wird in einer zweiten Stufe der sogenannte bdquoHazard Indexldquo (HI) des Gemisches ermittelt indem alle Gefahren-quotienten der verwendeten Stoffe addiert werden Liegt der ermittelte Wert weiterhin unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko durch das Gemisch zu erwarten

Liegt der HI uumlber 1 geht die Bewertung mit weiter verfeinerten Methoden in die dritte Stufe uumlber In dieser wird gepruumlft ob ein gesundheitliches Risiko vorliegt wenn eine Gruppierung der Einzelstoffe vorgenommen wird Dazu koumlnnen die einzelnen Stoffe in kumulative Bewertungsgruppen (cumula-tive assessment groups CAGs) eingeteilt werden die z B nach Effekten im gleichen Zielorgan oder nach dem gleichen Wirkmechanismus oder nach chemischer Verwandtschaft definiert sein koumlnnen Hintergrund dieser Einteilung ist die Annahme dass sich nach gegenwaumlrtigem Kenntnisstand nur Effek-te addieren die hinsichtlich der Zielorgane oder der Wirkmechanismen (MOA) vergleichbar sind Auch die relative Potenz der einzelnen Stoffe soll bei der verfeinerten Bewertung beruumlcksichtigt werden Liegt der HI innerhalb einer CAG unter 1 ist deshalb kein gesundheitliches Risiko zu erwarten Liegt er oberhalb des Wertes und koumlnnen weder Expositionsschaumltzung noch Gefahrenbewertung weiter verfeinert werden gilt das Gemisch als nicht sicher

Das mehrstufige Verfahren hat den Vorteil dass die ressourcenaufwendigeren Methoden zur verfei-nerten Bewertung z B in vergleichbaren CAGs oder MOAs nur zum Einsatz kommen wenn mit den ersten einfacheren Bewertungsmethoden nicht nachweisbar ist dass kein gesundheitliches Risiko zu erwarten ist

copy T

atom

mis

tock

com

32 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

EuroMix A tiered strategy for risk assessment of mixtures of multiple chemicals

EuroMix ist ein laumlnderuumlbergreifendes Projekt der EU-Kommission das die nie-derlaumlndische Behoumlrde fuumlr Gesundheit und Umweltschutz RIVM koordiniert Es zielt darauf ab eine tierversuchsfreie experi-mentelle Test-Strategie zu entwickeln um die Toxizitaumlt von Gemischen verschiedener toxikologisch relevanter Lebensmittelin-haltsstoffe Lebensmittelkontaminanten und Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde besser zu bestimmen Aus den Forschungsergeb-nissen wird ein Leitfaden fuumlr die kuumlnftige Umsetzung einer experimentellen Test-Stra-tegie entwickelt Das Acht-Millionen-Eu-ro-Projekt laumluft bis Mai 2019

Mehr erfahren wwweuromixprojecteu

Kombinationseffekte Forschungsprojekte des BfR

Am BfR werden in verschiedenen Abteilungen mehrere interne Forschungsprojekte zu Kombinationseffekten durch-gefuumlhrt Dazu gehoumlren u a Forschungsprojekte zu kumulativen Wirkungen in Pflanzenschutzmitteln und Bioziden zu Mehrfachruumlckstaumlnden in Lebensmitteln zur Expositionsschaumltzung sowie zu wirbeltierfreien Alternativmethoden Daruumlber hinaus ist und war das BfR auch an folgenden Drittmittel-Projekten beteiligt die zu Kombinationseffekten forschen

Combiomics Analyse von Kombinationseffekten von Pestiziden in vitro

Combiomics war ein zweieinhalbjaumlhri-ges Projekt des Bundesministeriums fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) das im Fruumlhling 2016 abgeschlossen wurde In dem vom BfR koordinierten Projekt wurden moumlgliche Kombinationswirkungen durch Mehrfachruumlckstaumlnde beispielhaft anhand einer Gruppe von Fungiziden in vitro unter-sucht Dazu wurden die molekularen Effek-te der Triazole mittels multi level omics und praumldiktiver mathematischer Modellierung untersucht Ausgehend von den Ergebnissen wurde ein Praumldiktionsmodell fuumlr Substanz-kombinationen erstellt validiert und auf Pestizide anderer Stoffgruppen bzw weitere Substanzklassen ausgedehnt um Kombi-nationseffekte kuumlnftig weitgehend ohne Tierversuche durchfuumlhrbar zu machen

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschung gt Drittmittelprojekte gt Combiomics

Combiomics 2Auch die zweite Projektphase von Com-biomics wird vom BfR koordiniert Hier sollen erfolgreich getestete Methoden und Zelllinien in Form einer standardisierten In-vitro-Testbatterie validiert und in ein Standardverfahren integriert werden das auch kuumlnftigen regulatorischen Anforde-rungen entspricht Das dreijaumlhrige Projekt wird vom BMBF bis Ende 2019 gefoumlrdert

Mehr erfahren wwwfisaonlinede gt Kombinationseffekte Pestizide

on schon jetzt unternommen Am 1 Maumlrz 2017 erschien im Bundesanzeiger eine Be-kanntmachung dass Kumulations- und Synergieeffekte in der gesundheitlichen Be-wertung von Pflanzenschutzmitteln kuumlnf-tig durch das BfR beruumlcksichtigt werden Damit bezieht Deutschland bei der zonalen Zulassung von Pflanzenschutzmitteln eine systematische kumulative Bewertung ein

Ein Leitfaden zur kumulativen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln wurde am BfR erarbeitet basierend auf den internatio-nalen Diskussionen bei EFSA und ECHA und 2014 veroumlffentlicht Seitdem wird das Verfahren am BfR angewandt uumlberpruumlft und verfeinert Im Kern geht es darum in einem mehrstufigen Verfahren verschie-dene Wirkstoffe in einem Pflanzenschutz-mittel oder in einer beantragten Tankmi-

schung kumulativ zu bewerten (s Kasten) Dazu werden sowohl die Exposition der Anwenderinnen und Anwender als auch die akute Exposition der Verbraucherinnen und Verbraucher betrachtet sodass die am meisten exponierten Gruppen beruumlcksich-tigt sind

Das Ziel Mischungen weltweit harmonisiert zu bewerten

Die Einfuumlhrung der Konzepte zur kumu-lativen Bewertung von Pflanzenschutzmit-teln hat auch in anderen EU-Laumlndern Aus-wirkungen auf die Risikobewertung Wenn Deutschland im zonalen Zulassungsverfah-ren bewertender Mitgliedstaat ist wird das Verfahren grundsaumltzlich angewandt Aber auch in die Bewertungsberichte anderer Laumlnder flieszligt die kumulative Bewertung als

deutscher Kommentar mit ein Durch den fachlichen Austausch zwischen den Mit-gliedstaaten wurde das Konzept in den letz-ten Jahren einem Peer-Review unterzogen Um die Praxis europaweit noch besser zu harmonisieren werden derzeit auszligerdem internationale Workshops organisiert auf denen diskutiert wird wie Mischungen bei der Risikobewertung kuumlnftig beruumlcksichtigt werden sollen Das BfR veranstaltet einen solchen Workshop im November 2017 im Auftrag der Europaumlischen Kommission die Franzoumlsische Behoumlrde fuumlr gesundheitlichen Verbraucher- Umwelt- und Arbeitsschutz (ANSES) einen weiteren im Februar 2018 unter aktiver Beteiligung des BfR

Das Ziel Mischungen weltweit harmoni-siert zu bewerten um Mensch und Umwelt besser zu schuumltzen ruumlckt damit naumlher

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

33012017

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

bdquoZiel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertungldquo Interview mit Herrn Dr Roland Solecki uumlber die Forschungsaktivitaumlten des BfR zu Mehrfachruumlckstaumlnden

Herr Solecki bei Mehrfachruumlckstaumlnden von Pflanzenschutzmitteln sprechen die Medien oft von einem bdquoGiftcocktailldquo Haben Sie Erkenntnisse daruumlber wie groszlig das gesundheitliche Risiko tat-saumlchlich istDas BfR hat dazu gemeinsam mit dem Bun-desministerium fuumlr Ernaumlhrung und Land-wirtschaft und dem Bundesamt fuumlr Ver-braucherschutz und Lebensmittelsicherheit einen Bericht uumlber die kumulativen Wir-kungen von Pflanzenschutzmitteln veroumlf-fentlicht Dieser basiert auf einer Methodik der niederlaumlndischen Behoumlrde fuumlr Gesund-heit und Umweltschutz RIVM Hintergrund ist ein Monitoring das uumlber einen Zeitraum von sechs Jahren in Deutschland durchge-fuumlhrt wurde Darin wurde untersucht wel-che Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde durch-schnittlich uumlber Lebensmittel aufgenommen werden Das Ergebnis war dass auch unter Worst-Case-Annahmen fuumlr die Mischungen von Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnden ein gesundheitliches Risiko unwahrscheinlich ist Die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit EFSA kam in ihrem Monito-ring-Bericht von 2015 fuumlr Gesamteuropa zu einem aumlhnlichen Ergebnis

Sie arbeiten unter anderem bei dem Pro-jekt EuroMix mit Worum geht es dabeiEs handelt sich um ein groszliges Forschungs-projekt der EU-Kommission zur kumulati-ven Bewertung von Mischungen im Rahmen von Horizont 2020 dem Rahmenprogramm der Europaumlischen Union fuumlr Forschung und Innovation Das Projekt hat zum Ziel neue Bewertungsmethoden fuumlr Mischungseffekte zu erarbeiten besonders auch im Hinblick auf Alternativen zu Tierversuchen innovati-ve Wege der Expositionsschaumltzung und Mo-dellierung von kumulativen Risiken Dabei geht es nicht nur um Pflanzenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatzstoffe und andere Chemikalien

Wie ist das BfR da in EuroMix einge-bundenVom BfR arbeiten sowohl die Abteilung Sicherheit von Pestiziden als auch die Ab-teilung fuumlr Lebensmittelsicherheit am Eu-roMix-Projekt mit Waumlhrend die von mir geleitete Abteilung fuumlr die regulative Bewer-tung eingebunden ist werden in der Abtei-lung Lebensmittelsicherheit experimentelle Arbeiten unter anderem zur Lebertoxizitaumlt durchgefuumlhrt in denen auch Kombinatio-nen von Pestiziden mit anderen Lebensmit-telinhaltsstoffen gepruumlft werden

Woran forschen Sie im EuroMix-ProjektWir haben zunaumlchst recherchiert welche gesetzlichen Anforderungen bestehen und wie unterschiedliche Behoumlrden weltweit

Mischungseffekte bewerten Und wir haben Forschungen zu Mischungen durchgefuumlhrt die bestimmte adverse Effekte auf die Leber verursachen Dabei wurden bestimmte Schluumlsselelemente untersucht um daraus ein Konzept fuumlr die Bewertung zu erarbei-ten Jetzt werden die Omics-Untersuchun-gen und andere alternative Pruumlfverfahren noch durch Tierversuche ergaumlnzt sodass wir auch am Gesamtorganismus die Effek-te uumlberpruumlfen koumlnnen Gleichzeitig werden die statistischen Hilfsmittel und die ande-ren elektronisch basierten Tools weiterent-wickelt Auszligerdem folgen noch weitere Stu-dien zur Exposition Die finalen Ergebnisse liegen am Ende des Projekts im Jahr 2019 vor

In welche weiteren europaumlischen Aktivi-taumlten ist das BfR eingebundenDie EFSA hat bereits einige Ansaumltze zur Bewertung der kombinierten Exposition gegenuumlber mehreren Pestiziden und Kon-taminanten bei Menschen sowie mehreren Pestiziden bei Bienen entwickelt Derzeit ist die EFSA damit befasst neue Ansaumltze und Instrumente zur Harmonisierung der Be-wertung von Risiken fuumlr Mensch und Um-welt zu erarbeiten die von der Exposition gegenuumlber mehreren chemischen Stoffen in der Lebensmittelkette ausgehen Ich bin derzeit Mitglied einer Arbeitsgruppe von Sachverstaumlndigen die der Wissenschaftliche Ausschuss der EFSA eingerichtet hat um Leitlinien im Hinblick auf die kombinierte Exposition gegenuumlber mehreren chemi-schen Stoffen zu entwickeln Diese Initiative unter dem Namen bdquoMixToxldquo wird 2018 den Leitfaden in einer oumlffentlichen Konsultation diskutieren

Bei dieser Vielzahl an Aktivitaumlten Wel-ches Ziel haben Sie persoumlnlich vor Au-genDas Ziel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertung von Stoffen in der gesundheitlichen Risikocharakterisie-rung und deren harmonisierte Implemen-tierung in den gesetzlichen Verfahren Dies wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen

bdquoBei den kumulati-ven Risiken geht es nicht nur um Pflan-zenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatz-stoffe und andere Chemikalien

Dr Roland Solecki leitet die Abteilung bdquoSicherheit von Pestizidenldquo am BfR

copy B

fR

34 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

SPEKTRUM

Identifizierung endokriner Disruptoren Vom Grundsatz in die Praxis

Fuumlr Pestizid-Wirkstoffe und andere Chemikalien sind harmonisierte wissenschaftliche Kriterien erforderlich mit denen hormonschaumldigende Substanzen identifiziert werden koumlnnen Das BfR veroumlffentlichte hierzu bereits 2016 ein Konsenspapier als wissenschaftliche Grundlage fuumlr die darauffolgende Arbeit der EU-Behoumlrden Auf legislativer Ebene werden aktuell EU-weit geltende Ver-ordnungen festgelegt um auf wissenschaftlicher Ebene Leitlinien zur regulatorisch harmonisierten Umsetzung dieser Verordnungen zu erarbeiten Mit dieser Aufga-be hat die EU-Kommission die EFSA und die ECHA gemeinsam beauftragt Das BfR unterstuumltzt die Behoumlr-den mit wissenschaftlicher und technischer Expertise indem es die entsprechende Arbeitsgruppe bei der EFSA personell verstaumlrkt sowie Recherchen und Umfragen zur Praktikabilitaumlt von Untersuchungsmethoden durchfuumlhrt Die Publikation der Leitlinien wird fuumlr Fruumlhjahr 2018 erwartet Sie koumlnnen auf Basis der verabschiedeten Ver-ordnungen nach ihrer Implementierung in der Genehmi-gungspraxis angewendet werden

Mehr erfahren Solecki et al 2017 Scientific principles for the identification of endocrine-disrupting chemicals a consensus statement Arch Toxicol 91 1001ndash1006

Insekten-Stopp in Textilien Allergene Wirkung unwahrscheinlich

Das Risiko fuumlr eine Allergie nach dem Kontakt mit Kleidung und Produkten die mit dem Biozid Permethrin behandelt sind ist nach derzeitigem Kenntnisstand unwahrscheinlich Das ist das Ergebnis einer aktuellen Risikobewertung des BfR Gestuumltzt wird das Ergebnis dadurch dass trotz weitverbreiteter Anwendung des Wirkstoffs in Medikamenten und Verbraucherprodukten kein Anstieg der Kontaktallergien gegenuumlber Permethrin zu verzeichnen ist Das Risiko fuumlr kanzero-gene systemische Effekte infolge einer dermalen und oralen Exposition gegenuumlber Permethrin aus Textilien ist nach Ansicht des BfR vernachlaumlssigbar gering Permethrin ist ein biozider Wirkstoff der zum Schutz gegen Insekten in Produkten wie Schlafsaumlcken Picknick- und Yogadecken sowie Teppichen und Kleidung eingesetzt wird Er ist im Chemikalienrecht als sensibilisierend eingestuft ein moumlgliches geringes kanzerogenes Potenzial wird von verschiedenen wissenschaftlichen Gremien diskutiert Der Wirkstoff kann aus Textilien freigesetzt und uumlber die Haut aufgenommen werden Bei kleinen Kindern die viele Produkte in den Mund nehmen kommt eine moumlgliche orale Aufnah-me des Stoffes hinzu

Mehr erfahren Stellungnahme Nr 0062017 des BfR vom 25 April 2017

Wie wirkt Aluminium in Leber und Darm

Aluminium ist in Lebensmitteln Kosmetika und Bedarfsge-genstaumlnden enthalten und kann uumlber die Nahrung aufgenom-men werden Erste Ergebnisse aus dem deutsch-franzoumlsischen Forschungsprojekt bdquoSolNanoToxldquo mit Beteiligung des BfR zeigen dass sich aus der Nahrung aufgenommene Aluminiumverbin- dungen temporaumlr im Darm anreichern Ob und in welchen Men-gen die Partikel weiter in den Koumlrper insbesondere in die Leber gelangen und welche Faktoren ihre Wirkung beeinflussen wird aktuell erforscht Die Forschungsgruppe sieht Anhaltspunkte dafuumlr dass ein Teil der angereicherten Partikel mit dem Stuhl wieder ausgeschieden wird Fuumlr seine Untersuchung simulierte das BfR anhand biologischer Proben die Verdauung verschiede-ner Aluminiumarten vom Mund uumlber den Magen bis zum Darm Mithilfe von Enzymen und Salzen wurden dabei physiologische Parameter wie der pH-Wert gesteuert Waumlhrend des simulierten Verdauungsprozesses veraumlnderten die Aluminiumverbindungen ihre chemische Reaktionsfaumlhigkeit und Loumlslichkeit Die Erkennt-nisse sind ein erster Schritt um den Prozess der Aufnahme Resorption und Verteilung von Aluminium im Koumlrper besser zu verstehen und daraus Daten fuumlr die Risikobewertung abzuleiten Aluminiumverbindungen koumlnnen in zu hohen Dosen toxisch auf das Nervensystem und ungeborenes Leben wirken sowie die Fruchtbarkeit und Knochenentwicklung beeinflussen

copy B

fR

copy c

gsto

cks

hutte

rsto

ckc

om

copy R

osel

ynne

shu

tters

tock

com

35012017

Bei Kleidung ist besonders der Einsatz von Silber-Nanopartikeln weit verbreitet Silber wirkt antibakteriell und soll die Geruchs-bildung durch Schwitzen reduzieren Beim Einsatz von Nanosilber in Kleidungsstuuml-cken ist in erster Linie eine Freisetzung in Schweiszlig und somit ein moumlglicher Hautkon-takt relevant Neben der Frage ob und in welcher Menge Silber prinzipiell aus Texti-lien herausgeloumlst wird beschaumlftigt sich die Forschung mit der Frage welchen Einfluss die Technologie hat mit der Nanosilber auf Textilien aufgetragen bzw eingebracht wird Bisher war zudem unklar inwiefern die Oberflaumlchenbeschichtung der Nano-partikel die Abgabe beeinflusst

Kuumlnstlicher Schweiszlig simuliert Freisetzung

In einem Forschungsprojekt pruumlfte das BfR neun Proben von Textilien die mit Nanosil-ber veredelt waren Als Vergleich diente ein mit konventionellem Silber (hier Silbersalz mit einem Partikeldurchmesser groumlszliger als 100 Nanometer) ausgeruumlstetes Textil Zwei der Textilien waren sogenannte Komposite bei denen Nanosilber in die Faser integriert ist Bei den anderen getesteten Textilien war die Faseroberflaumlche mit Silber-Nano-partikeln bzw in einem Fall mit konventio-nellem Silber beschichtet (Textil-Coating) Um die Abgabe von Silber durch Schwitzen

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

Kleidung wird durch sie wasser- und schmutzabweisend sie blocken UV-Strahlen und mindern Geruumlche Nanoma-terialien haben beliebte funktionelle Eigenschaften Ob sie aufgrund ihrer Winzigkeit gesundheitliche Risiken bergen ist indes noch weitgehend unbekannt In einem Forschungsprojekt uumlber Nanosilber hat das BfR ermittelt ob sich die Kleinstteilchen aus Textilien herausloumlsen und damit zum gesundheitlichen Risiko werden koumlnnen

Nanomaterial

ist ein natuumlrliches bei Prozessen anfallendes oder kuumlnstlich hergestelltes Material das Partikel in ungebundenem Zustand als Aggregat oder als Agglo-merat enthaumllt und bei dem die Mehrheit der Partikel ein oder mehrere Auszligen-maszlige im Bereich unter 100 Nanometer hat In Nanogroumlszlige kann ein Stoff andere Eigenschaften besitzen als wenn er in Form groumlszligerer Partikel vorliegt

copy o

still

shu

tters

tock

com

36 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von Textilfasern Links Nanokomposit bei dem kaum Silberpartikel an der Faseroberflaumlche zu finden sind Mitte und rechts Textilien mit Silbercoating hier befindet sich insgesamt mehr Silber auf der Oberflaumlche

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

zu simulieren wurden die Textilien fuumlr 24 Stunden in einer Schweiszligsimulanz-Louml-sung inkubiert Fuumlr die Auswertung wurde zunaumlchst der gesamte Silbergehalt in den Schweiszligloumlsungen mit massenspektromet-rischen Messmethoden bestimmt In den Proben in denen Silber vorhanden war wurden anschlieszligend mit Zentrifugation und einer speziellen Methode zum Messen von Einzelpartikeln geloumlstes und partikulauml-res Silber unterschieden Im letzten Schritt wurden die Partikelgroumlszligen des vorgefun-denen partikulaumlren Silbers gemessen um nanoskaliges Silber zu identifizieren

Silber aus Kleidung freigesetzt

Die Untersuchung des BfR zeigte dass von jeder Textilprobe Silber in die Schweiszligsi-mulanz-Loumlsung uumlberging je nach geteste-tem Textil zwischen 7 und 75 Prozent des originaumlr in den Textilien enthaltenen Sil-bers Dabei setzten die beschichteten Tex-tilien mehr Silber frei als die Komposite Den houmlchsten abgegebenen Anteil fand das BfR bei dem mit konventionellem Silber beschichteten Textil Die Freisetzung wird demnach staumlrker durch die Technologie der Veredelung bestimmt als durch die im Tex-til enthaltene Menge Auszligerdem scheint die Abgaberate von Silber aus Nanosilber im Vergleich zu konventionellem Silber nicht erhoumlht zu sein

In der Schweiszligloumlsung lag das freigesetzte Silber uumlberwiegend geloumlst vor Partikulaumlres Silber fand sich nur zum geringeren Teil dann jedoch auch im Nanometerbereich Ob es sich dabei um einzelne Nanoparti-kel handelt oder ob das Silber an groumlszligere Partikel gebunden ist muss in weiteren Untersuchungen uumlberpruumlft werden Nach

derzeitigem wissenschaftlichem Kennt-nisstand geht man davon aus dass sich Nanopartikel im Koumlrper anders verhalten als groumlszligere Partikel Uumlberraschenderweise detektierte die Forschungsgruppe auch in den Schweiszligsimulanzien der mit konven-tionellem Silber beschichteten Textilien partikulaumlres Silber in Nanogroumlszlige Das Vor-kommen von Silberpartikeln scheint also nicht davon abhaumlngig zu sein ob das Silber in Nano- oder konventioneller Form auf das Textil aufgebracht wurde

In einer parallelen Untersuchung fanden die Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler heraus dass zudem die Beschaffenheit der Nanopartikel beispielsweise in Form einer speziellen Beschichtung ihre Loumlslichkeit in der Schweiszligloumlsung beeinflusst

Art der Beschichtung relevant

Silber wird demnach aus Textilien freige-setzt in geringen Teilen sogar in partiku- laumlrer Form Die gewaumlhlte Form der Tex-tilfunktionalisierung aber auch die Be-schaffenheit der Nanopartikel stellen dabei wichtige Kriterien fuumlr das Freisetzungsver-halten dar Solche Erkenntnisse sind vor al-lem fuumlr den sicheren Einsatz von Nanoma-terialien in Alltagsprodukten wichtig weil die Exposition des Menschen gegenuumlber derartigen Stoffen moumlglichst klein gehalten werden sollte Auszligerdem geben sie Hin-weise in welcher Anwendungsform Nano-materialien im verbrauchernahen Bereich sicher eingesetzt werden koumlnnen

Mehr erfahren Wagener et al 2016 Textile Functionalization and Its Effects on the Release of Silver Nanoparticles into Artificial Sweat Environ Sci Technol 50 11 5927ndash5934

Per Flugzeitmassenspek-trometer laumlsst sich Silber auf beschichteten Textil-fasern detektieren

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

NANOPARTIKEL

37012017

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

38 BfR 2 GO

Neuer Ansatz fuumlr Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

Spiegelbild gesucht

Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR zeigt einen neuen Ansatz um mithilfe von Genexpressionsdaten das geeignete Tiermodell fuumlr die Grundlagenforschung oder fuumlr spezifische klinische Fra-gestellungen zu identifizieren Damit koumlnnen zukuumlnftig unnoumltige Tierversu-che vermieden werden Hamburger Wissenschaftsbehoumlrden wuumlrdigten die Erkenntnisse mit einem Forschungspreis

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

39012017

Fragestellung

Vergleich

Auswahl

z B bdquoMit welchem Mausmodell koumlnnen die Ursachen von Alzheimer erforscht werdenldquo

Vergleich von vorhandenen Omics-Expressionsdaten von Mensch und Tier

Auswahl des geeigneten Modells

1

2

3

Geeignete Tiermodelle identifizieren

An Tiermodellen werden zahlreiche biologische Prozesse und Krankheiten wie Wund-

heilung Diabetes Tumoren oder entzuumlndliche Erkrankungen erforscht Durch den

Vergleich der Omics-Expressionsdaten von Tiermodell und Mensch koumlnnen geeignete

Modelle fuumlr die jeweilige Fragestellung identifiziert werden

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

40 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Verlaumluft ein entzuumlndlicher Prozess bei Maumlusen aumlhnlich wie beim Menschen Sind Maumluse daher geeignete Ver-

suchstiere fuumlr Tests von antientzuumlndlichen Substanzen Um Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung in den klinischen Alltag zu uumlberfuumlhren ndash Aufgabengebiet der translationalen Forschung ndash werden wissen-schaftliche Fragestellungen oft in Tierversu-chen erprobt Ob und inwieweit die Ergeb-nisse auf den Menschen uumlbertragbar sind ist dabei immer wieder Gegenstand kontrover-ser Diskussionen Geeignete Methoden mit denen die Wissenschaft Tiermodelle mit op-timaler Uumlbertragbarkeit auf den Menschen auswaumlhlen kann wuumlrden dem wissenschaft-lichen Fortschritt helfen und die Zahl der Tierversuche reduzieren Es geht dabei um die Frage welches Tiermodell am besten das menschliche System widerspiegelt

Vergleichbarkeit von Genom- daten fehleranfaumlllig

Als Grundlage fuumlr diese Uumlberlegungen die-nen Daten aus modernen bioanalytischen Hochdurchsatzverfahren Immer haumlufiger setzt die Wissenschaft auf diese sogenannten Omics-Technologien die die Gesamtheit aller Gene und ihrer Produkte analysieren ndash sowohl beim Tier als auch beim Menschen Mit ihnen lassen sich molekulare Prozesse in lebenden Systemen umfassend darstel-len indem sie beispielsweise die Interaktion hunderter bis tausender Genprodukte zei-gen Die Analyse dieser zunehmend kom-plexen Omics-Datensaumltze stellt die Wissen-schaft jedoch vor Probleme da das Vorgehen dazu nicht standardisiert ist Die Interpreta-tion der Ergebnisse ist bisher meist von der Kompetenz der Durchfuumlhrenden und von der angewandten Methode abhaumlngig Im Ergebnis war die Entscheidung zur Frage der Uumlbertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen fehleranfaumlllig und die Suche nach

geeigneten Tiermodellen erschwert Die ge-ringe Standardisierung der Interpretation von Omics-Daten fuumlhrte in Forschungs-kreisen bereits zu widerspruumlchlichen Er-gebnissen so zum Beispiel bei zwei Studien aus den Jahren 2013 und 2015 die sich mit der Vergleichbarkeit von entzuumlndlichen Er-krankungen beim Menschen und gaumlngigen Mausmodellen beschaumlftigten Waumlhrend eine Forschungsgruppe im Jahr 2013 schlussfol-gerte dass entzuumlndliche Prozesse zwischen Mensch und Maus nicht vergleichbar seien kam eine andere Gruppe zwei Jahre spaumlter anhand der gleichen Omics-Daten zum ge-genteiligen Schluss Die Maus reagiere auf der molekularen Ebene sehr aumlhnlich wie der Mensch und sei daher als Tiermodell sehr nuumltzlich fuumlr die Erforschung menschlicher Erkrankungen Zwar ist es nicht ungewoumlhn-lich dass Ergebnisse von Studien unter-schiedlich eingeschaumltzt werden ndash allerdings selten auf Basis der gleichen Daten

Motivation des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR war es diese Widerspruumlche aufzuklaumlren und einen standardisierten und zielgerichteten Analyseansatz zu entwickeln der die Suche nach geeigneten Tiermodellen vereinfacht und somit unnoumltige Tierversuche vermei-den hilft Es gehoumlrt zu den Kernaufgaben des Bf3R bundesweit alle Aktivitaumlten zu koordi-nieren mit den Zielen Tierversuche auf das unerlaumlssliche Maszlig zu beschraumlnken und fuumlr Versuchstiere den bestmoumlglichen Schutz zu gewaumlhrleisten Die Aufgaben des Bf3R wer-den vom BfR wahrgenommen

Genomdaten von Tier und Mensch gezielt vergleichen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler des Bf3R haben die Omics-Daten aus den beiden erwaumlhnten widerspruumlchlichen Studien mithilfe hochperformanter Com-

puter nochmals systematisch ausgewertet Dabei wurden zunaumlchst die zu verglei-chenden Gene gruppenweise biologischen Prozessen zugeordnet die wesentlich fuumlr ein Entzuumlndungsgeschehen sind Diese Gene Set Enrichment Analysis (GSEA) ge-nannte Methode greift auf umfangreiche in oumlffentlichen Datenbanken hinterlegte Genomdaten gaumlngiger Tiermodelle und von Erkrankten zuruumlck Mit ihrer Heran-gehensweise konnten die Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler des BfR an-schlieszligend Veraumlnderungen auf der Ebene pathologischer Signalwege erkennen und Unterschiede zwischen Tiermodell und Mensch identifizieren Da der Groszligteil der untersuchten Genprodukte haumlufig nur geringfuumlgig veraumlndert war konnten bei der Analyse auf Ebene vollstaumlndiger bio-logischer Signalwege alle Gene einbezogen und Aumlnderungen in der Gesamtheit eines biologischen Signalwegs bewertet werden Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu bisherigen Analyseansaumltzen da fuumlr die Klauml-rung translationaler Fragestellungen bisher haumlufig willkuumlrlich und subjektiv Gene von Mensch und Tiermodell fuumlr einen direkten Eins-zu-eins-Vergleich ausgewaumlhlt wurden

Die systematische Auswertung des Bf3R zeigte dass die Ergebnisse beim vorlie-genden Genomdatenvergleich bei einigen Mausmodellen gut mit den beim Menschen ermittelten Daten uumlbereinstimmten Bei an-deren Mausmodellen hingegen war es nicht so So aumlhnelt das Entzuumlndungsgeschehen bei Maumlusen die mit Staphylococcus aureus (Staphylococcus-aureus-Injektionsmodell) infiziert sind oder eine Darmperforation (Cecal-ligation-and-puncture-Modell) erfah-ren den meisten klinischen Proben Hin-gegen verlaufen Erkrankungen die durch Lipopolysaccharide (LPS) und Streptococcus pneumoniae verursacht werden bei Mensch und Maus verschieden

Omics

Der Terminus beschreibt Methoden zur

Analyse komplexer biologischer Proben

auf der Ebene des gesamten Genoms

von Transkripten Proteinen oder Meta-

boliten

41012017

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

Forschungsansatz hilft Tierversuche zu reduzieren

Die Methode der Datenanalyse mittels GSEA-Ansatz erleichtert es Forschungs-gruppen zukuumlnftig zielgerichtet und stan-dardisiert das optimale Tiermodell aus-zuwaumlhlen das am besten die menschliche Situation abbildet Voraussetzung dafuumlr ist die Existenz von Omics-Daten zur klini-schen Fragestellung sowie zu den infrage kommenden Tierversuchen Dies ist bereits fuumlr eine Vielzahl von Tiermodellen sowie von humanen Erkrankungen der Fall neben Entzuumlndungserkrankungen beispielsweise fuumlr Herz-Kreislauf-Erkrankungen Krebser-krankungen Atemwegserkrankungen Stoff-wechselerkrankungen und neurologische Erkrankungen Aufgrund der vermehrten Verwendung von Omics-Methoden kann davon ausgegangen werden dass stetig wei-tere systembiologische Daten ermittelt und veroumlffentlicht werden Die vom Bf3R ange-wandte Methode wird daher weiterhin bei der gezielten Auswahl von Tiermodellen nuumltzlich sein

Das Verfahren kann in der Grundlagen-forschung sowie in der translationalen und angewandten Forschung eingesetzt werden Diese Bereiche machten 2015 nach Anga-ben des Bundesministeriums fuumlr Ernaumlh-rung und Landwirtschaft mit insgesamt 73 Prozent den groumlszligten Teil der Tierversuche aus Ein Groszligteil davon entfaumlllt auf Maumluse Ratten und zunehmend auch auf Fische Grundsaumltzlich kann die neue Methode zur Auswahl des geeigneten Versuchstiermo-dells bzw zum Ausschluss nicht geeigneter Versuchstiermodelle bei jeglichen Tierver-suchen in diesen Bereichen genutzt werden Analog zu den Versuchstierzahlen liegen derzeit die meisten Omics-Daten fuumlr Maus und Ratte vor So sind beispielsweise allein in der oumlffentlichen NCBI GEO-Datenbank (National Center for Biotechnology Informa-tion Gene Expression Omnibus) derzeit Da-ten zu ca 340000 Maus-Proben und 75000 Ratte-Proben gelistet

Methode identifiziert geeignete Zellkulturmodelle

Dabei ist die Methode des Bf3R nicht auf humane und murine Datensaumltze beschraumlnkt sondern kann auf alle weiteren Spezies an-gewandt werden fuumlr die umfangreiche Da-tenbanken zu biologischen Signalwegen oder Gengruppen vorliegen Auch fuumlr die Beurteilung von zellbasierten Alternativ-methoden kann der neue Forschungsansatz

herangezogen werden Durch einen system-biologischen Abgleich der klinischen Daten mit Omics-Daten aus beispielsweise neuar-tigen 3D-Zellkulturen oder organaumlhnlichen Mikrostrukturen wird die Charakterisierung und Verifizierung von zellbasierten Alterna-tivmethoden ermoumlglicht

Praumlmierte Forschungsleistung

Fuumlr ihre Forschung erhielten die Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR 2016 den Hamburger Forschungspreis zur Foumlrderung der Entwicklung von Ersatz- und

Ergaumlnzungsmethoden Die Auszeichnung wurde zum erstem Mal von den Hamburger Behoumlrden fuumlr Gesundheit und Verbraucher-schutz sowie fuumlr Wissenschaft Forschung und Gleichstellung mit einem Foumlrderpreis in Houmlhe von 20000 Euro ausgeschrieben Der Preis wird fuumlr Arbeiten vergeben die einen Beitrag leisten Tierversuche zu ersetzen oder zu minimieren

Mehr erfahrenWeidner et al 2016 Defining the optimal animal model for translational research using gene set enrichment analysis EMBO Molecular Medicine 8 8 831ndash838

Wofuumlr Versuchstiere in Deutschland eingesetzt werden

630255Herstellung und Qualitaumlts-kontrolle medizinischer Produkte toxikologische Sicherheitspruumlfungen

22

59

14 5

1643259Grundlagenforschung

144997sonstige Zweckez B Zucht Aus- und Weiterbildung

381450translationale und angewandte Forschung

Que

lle B

unde

smin

iste

rium

fuumlr E

rnaumlh

rung

und

Lan

dwirt

scha

ft V

ersu

chst

ierz

ahle

n 20

15

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

42 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Alternativen zu Tierversuchen Forschung regional buumlndeln

Eine individualisierte Schmerztherapie fuumlr Versuchsmaumluse und eine Verringerung von Tierexperimenten zum Test der Inhala- tionstoxizitaumlt von Nanomaterialien (siehe rechte Spalte) ndash hierzu sollen die ersten Arbeitsergebnisse des BfR im Berlin-Bran-denburgischen Verbundprojekt BB3R zukuumlnftig beitragen Das Netzwerk aus Universitaumlten und Bundesinstitutionen forscht um Tierversuche zu vermeiden (Replacement) bzw zu verringern (Reduction) sowie das Leiden von Versuchstieren zu vermindern (Refinement) Das BfR ist als einer von sechs Verbundpartnern in den Bereichen der Refinement- und Replacement-Forschung beteiligt Das Bundesforschungsministerium foumlrdert das mit BB3R abgekuumlrzte Projekt fuumlr vier Jahre bis Fruumlhjahr 2018 es ist als Plattform fuumlr den wissenschaftlichen Austausch konzipiert und integriert ein Graduiertenkolleg

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschungwwwbb3rde

Belastung von Laborfischen erkennen

Koumlrperbau

Koumlrpermerkmale

Verhaltenkreisendes Schwimmen

Belastung von Laborfischen erkennen

Ob Laborfische Schmerzen empfinden oder leiden laumlsst sich mithilfe konkreter Kriterien beurteilen Die Vorarbeiten hierzu koordinierte der bdquoNationale Ausschuss zumSchutz von fuumlr wissenschaftliche Zweckeverwendeten Tierenldquo am BfR gemeinsam mit externen Sachverstaumlndigen und Beauf-tragten von Genehmigungsbehoumlrden Die erstmals definierten Kriterien bewerten unter anderem Auffaumllligkeiten im Koumlrper-bau sowie im Verhalten der Tiere Schmer-zen und Leiden koumlnnen so gezielt behandelt und gelindert werden Da die Frage der Belastung der Tiere anhand der Kriterien eindeutig geklaumlrt werden kann dienen sie zudem als Entscheidungshilfe fuumlr Behoumlr-den welche die Zucht belasteter genetisch veraumlnderter Tiere genehmigen muumlssen Fische insbesondere Zebrafische sind nach Maumlusen und Ratten die am dritthaumlufigsten verwendete Versuchstierart Die Zahl der Versuchsfische hat in den letzten Jahren stetig zugenommen

Mehr erfahren Bert et al 2016 Considerations for aEuropean animal welfare standard toevaluate adverse phenotypes in teleost fish EMBO J 35 11 1151ndash1154Empfehlung des Nationalen Ausschusses TierSchG Nr 0012015

Test der Inhalationstoxizitaumlt von Nanomaterialien

Die Einatmung gilt als wichtigster Aufnahmeweg fuumlr Nanomaterialien Im Rahmen der BB3R-Forschung bildet das BfR diese Art der Exposition mit In-vitro- Atemwegsepithelmodellen an ihrer Grenzflaumlche zur Luft ab Dieser Ansatz zum Test der Inhalationstoxi-zitaumlt hilft Anzahl und Umfang von Tierversuchen zu verringern

Versuchsaufbau Drei Roumlhrchen leiten ein Testaerosol mit luftgetragenen Nanomaterialien auf Epithelzellen

SPEKTRUM

copy B

fR

43012017

Jubilaumlumsfeier und internationales Symposium

Am 29 November 2017 feiert das BfR sein 15-jaumlh-riges Bestehen mit einem Festakt Geplant ist eine Feier mit ausgewaumlhlten Gaumlsten in der Akademie der Kuumlnste Anschlieszligend findet vom 30 Novem-ber bis zum 01 Dezember 2017 das gemeinsame internationale Symposium des BfR und seiner Schwesterinstitutionen aus Daumlnemark (DTU Food) und Frankreich (ANSES) sowie der suumldko-reanischen Behoumlrde fuumlr Lebens- und Arzneimittel-sicherheit (NIFDS) statt Unter dem Motto bdquoPast Present and Future Challenges in Risk Assessment ndash Strengthening Consumer Health Protectionldquo werden die letzten anderthalb Jahrzehnte Risikobewer-tung betrachtet Daruumlber hinaus werden aktuelle Aktivitaumlten sowie zukuumlnftige Herausforderungen des Verbraucherschutzes wie mikrobiologische Erreger chemische Substanzen Methoden und Harmonisierung auf nationaler wie internationa-ler Ebene diskutiert

VERANSTALTUNGEN

Nachwuchs foumlrdern

Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu foumlr-dern baut das BfR wissenschaftliche Nachwuchs-gruppen zu bestimmten Schwerpunktthemen auf Die bereits 2015 eingerichtete Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Warenketteldquo wird im Herbst 2017 durch einen weiteren Dokto-randen verstaumlrkt

Verstaumlrkung im Versuchstierschutz

Seit dem 1 April 2017 staumlrkt die Berufung von Herrn Universitaumltsprofessor Dr Lars Lewejo-hann den Kompetenzbereich bdquoVerminderung der Belastung und Verbesserung der Lebenssitua-tionldquo des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) Neben der Leitung der Fachgruppe bdquoTierschutz und Versuchstierkundeldquo im BfR wird Lars Lewejohann sein Wissen und neue Erkenntnisse als Hochschullehrer fuumlr bdquoTier-schutz mit dem Schwerpunkt Refinementldquo an der veterinaumlrmedizinischen Fakultaumlt der Freien Universitaumlt Berlin an Studierende und Doktoran-den weitergeben

PERSONALIEN

Alternativmethode zum Tierversuch bdquoKnochen-auf-dem-Chipldquo

Im Mai 2017 fand bei der Gemeinsamen For-schungsstelle (GFS)Joint Research Centre (JRC) der Generaldirektion (Directorate General) der Europaumlischen Kommission eine Summer School zu alternativen Ansaumltzen zum Tierversuch fuumlr die Risikobewertung in Ispra (Italien) statt Dort wurde Herr Dr Ing Frank Schulze aus der BfR-Fachgruppe bdquoZEBET ndash Alternativmethoden zu Tierversuchenldquo fuumlr seine Praumlsentation und das dazugehoumlrige Poster zum Thema bdquoEin Knochen-auf-dem-Chip fuumlr die Grundlagenwissenschaft und die Identifizierung von knochenschaumldigen-den Substanzenldquo mit einem Posterpreis (1 Platz) ausgezeichnet

copy B

fR

copy p

rivat

INSTITUTSLEBEN

44 BfR 2 GO

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

4 BfR 2 GO

30

14

20

38

Bewerten ForschenKommunizieren

INHALT

6

Impressum

06 Schwerpunkt Authentizitaumlt

5012017

BfR 2 GO ndash Das BfR-Wissenschaftsmagazinerscheint zweimal jaumlhrlich

HerausgeberBundesinstitut fuumlr Risikobewertung (BfR) Anstalt des oumlffentlichen Rechts

vertreten durch den Praumlsidenten Professor Dr Dr Andreas Hensel ViSdP Dr Suzan Fiack

Redaktionsanschrift Bundesinstitut fur Risikobewertung (BfR)Max-Dohrn-Straszlige 8ndash1010589 Berlinwwwbfrbunddepublikationenbfrbundde

Redaktion BfR Presse- und Oumlffentlichkeitsarbeit

Gestaltung Grafiken amp BildbearbeitungStudio GOOD Berlin

DruckRuksaldruck Berlin

Auflage 4000 (Deutsch) 1500 (Englisch)

ISSN Print-ISSN 2567-3858Online-ISSN 2567-3866

DOI 101759020170921-151257

copy Bundesinstitut fuumlr Risikobewertung Alle Rechte vorbehalten Wenn Sie einen Nachdruck einzelner Artikel zu nicht-kommerziellen Zwecken wuumlnschen wenden Sie sich bitte an die Redaktion unter publikationenbfrbundde

gedruckt auf PEFC-zertifiziertem Papier

06 Lebensmittelfaumllschern auf der Spur Nicht zielgerichtete Analyseverfahren

11 Original oder Faumllschung Forschungsprojekte zu Authentizitaumlt

12 bdquoWir wollen Faumllschungen einen Riegel vorschiebenldquo Interview mit Professor Dr Reiner Wittkowski

14 Risikowahrnehmung14 Gefuumlhlte Risiken im Visier

BfR-Verbrauchermonitor

17 Vegan und informiert Befragung zu Veganismus

18 Guten Appetit Infografik zu Insekten

20 Lebensmittelsicherheit20 Unerwuumlnscht in Lebensmitteln

Pyrrolizidinalkaloide

24 Post aus hellip Sambia

25 Spektrum Ciguatera Lupinensamen Hepatitis E

26 bdquoNur eine gemeinsame Strategie ist effektivldquo Interview mit Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer

30 Produkt- und Chemikaliensicherheit30 Auf die Mischung kommt es an

Mehrfachruumlckstaumlnde

33 Kombinationseffekte Forschungsprojekte des BfR

34 bdquoZiel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertungldquo Interview mit Dr Roland Solecki

35 Spektrum Aluminium Endokrine Disruptoren Permethrin

36 Nanopartikel in Funktionskleidung Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

38 Schutz von Versuchstieren38 Spiegelbild gesucht

Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

43 Spektrum Belastung von Laborfischen Forschungsplattform Alternativmethoden

44 Institutsleben

Hergestellt in Parma

Wie vielSchafsmilchist drin

Ist es reiner Wein

copy O

ben

und

Unt

en b

igac

iss

hutte

rsto

ckc

om M

itte

gre

seis

hutte

rsto

ckc

om

6 BfR 2 GO

SCHWERPUNKT AUTHENTIZITAumlT

Lebensmittelfaumllschernauf der SpurGestreckt gepanscht gefaumllscht ndash Lebensmittelbetrug ist ein globales Problem Das BfR erforscht wie Verfahren zum Nachweis der Authen-tizitaumlt von Lebensmitteln harmonisiert werden koumlnnen Dabei schluumlp-fen die Forscherinnen und Forscher am BfR auch selbst in die Rolle der Lebensmittelfaumllscher

Kommt er aus dem Allgaumlu

Wurde eskaltgepresst

copy O

ben

Cop

rids

hutte

rsto

ckc

om U

nten

Ale

nKad

rshu

tters

tock

com

7012017

Ein Bildschirm ein Rechner ein Infra-rotspektrometer und viele kleine Pro-bengefaumlszlige gefuumlllt mit Fett extrahiert

aus Hartkaumlse Allgaumluer Emmentaler Ein Laborant entnimmt eine stecknadelkopf-groszlige Fettprobe und bringt sie auf das Ana-lysegeraumlt auf Sekunden spaumlter erscheint auf dem Bildschirm eine Wellenlinie aus 1800 Datenpunkten das Spektrum der Kaumlse-fettprobe Ein zweites Labor eine weitere Analyse Roumlhrchen fuumlr Roumlhrchen holt sich ein Greifarm Allgaumluer-Emmentaler-Proben und bringt sie in das starke Magnetfeld ei-nes Kernspinresonanz-Spektrometers ein Die Messung erzeugt bis zu 130000 Da-tenpunkte die fuumlr die jeweilige Kaumlseprobe charakteristisch sind Ein drittes Labor eine dritte Messmethode Mit der Isotopen-verhaumlltnis-Massenspektrometrie wird hier die Herkunft der Hartkaumlse-Proben be-stimmt Insgesamt sollen 150 bis 200 Pro-ben beschafft und analysiert werden bdquoAlle Daten werden aufgearbeitet und flieszligen in eine Auswertungs-Software die fuumlr jede Methode ein charakteristisches Datenspek-trum ndash den authentischen Fingerabdruck von Allgaumluer Emmentaler ndash berechnetldquo so Dr Susanne Esslinger Sie koordiniert die Versuche zum Authentizitaumltsnachweis von Allgaumluer Emmentaler

Die Suche nach dem Fingerabdruck

In den BfR-Laboren arbeiten Wissenschaft-lerinnen und Wissenschaftler daran den typischen unverwechselbaren Fingerab-

druck von verschiedenen Lebens- und Futtermitteln darunter Wein Spirituosen Kraumluter und Gewuumlrze Hartkaumlse Speiseoumlle und Mais zu finden Ihr Ziel ist es die Echtheit dieser Produkte bzw Abweichun-gen und somit Verfaumllschungen erkennen zu koumlnnen Ist dies gelungen wird Lebens-mittelfaumllschung erschwert Die Vergabe des EU-Guumltezeichens bdquoGeschuumltzte Ursprungs-bezeichnungldquo garantiert dass fuumlr die spe-zielle Produktbezeichnung bdquoAllgaumluer Em-mentalerldquo die Erzeugung Verarbeitung und Herstellung tatsaumlchlich im Allgaumlu erfolgt sein muumlssen Was nuumltzt das Guumlte-zeichen aber wenn es keine Methoden gibt um Original und Faumllschung zu unterschei-den Das BfR hat daher eine Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Waren-ketteldquo eingerichtet um die Forschung und interdisziplinaumlre Vernetzung zur Standar-disierung von Datenerhebungen zum Au-thentizitaumltsnachweis zu staumlrken

Das BfR beteiligt sich an mehreren natio-nalen und internationalen Verbundprojek-ten um neuartige Ansaumltze und Strategien fuumlr den Nachweis von Lebensmittel- und Futtermittelverfaumllschungen zu entwickeln mit denen derartige Praktiken weltweit besser aufgedeckt werden koumlnnen Die Schwerpunkte der BfR-Forschung zu die-sem Thema sind die Herkunftsbestimmung und Identifizierung unbekannter Zusaumltze mittels zielgerichteter sowie nicht zielge-richteter Analytik in Kombination mit sta-tistischen Verfahren und Fragen zur Daten-aufbereitung und -interpretation

Nicht zielgerichtete Analytik

Eine Herausforderung bei der Suche nach dem analytischen Charakteristikum von Lebensmitteln ist die natuumlrliche Variation von Inhaltsstoffen bdquoDeswegen muss erst einmal eine Vielzahl von unverfaumllschten Proben genommen werden um charak-teristische Merkmale in den Datensaumltzen zu findenldquo erklaumlrt Dr Carsten Fauhl-Has-sek der im BfR verschiedene Forschungs-projekte zur Authentizitaumltspruumlfung von Lebens- und Futtermitteln leitet bdquoUnsere Ergebnisse zeigen dass die Idee des unver-wechselbaren Fingerabdrucks von Lebens-mitteln funktioniertldquo Das BfR hat bereits

Die Vorbereitung der Kaumlseproben fuumlr die Untersuchung beinhaltet die Homogenisierung mit fluumlssigem Stickstoff

bdquoSehr deutlich sind die Datenpunkte zu erkennen die sich auszligerhalb des Normbereichs ndash der Bande ndash be-wegen Faumlllt ein Lebensmittel aus diesem Raster ist es verdaumlchtig

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

SCHWERPUNKTTHEMA AUTHENTIZITAumlT

8 BfR 2 GO

den physikalisch-chemischen Fingerab-druck verschiedener Weine Speiseoumlle oder juumlngst von Kraumlutern und Gewuumlrzen mittels Infrarot- und Kernspinresonanz-Spektro- skopie erfasst Das BfR-Labor wurde dafuumlr auch zur Faumllscherhoumlhle Kraumluter und Ge-wuumlrze sind mit unterschiedlichsten Zusaumlt-zen gemischt und deren aufbereitete Pro-ben ebenfalls mithilfe der Analysegeraumlte vermessen worden bdquoSehr deutlich sind die Datenpunkte zu erkennen die sich auszliger-halb des Normbereichs ndash der Bande ndash be-wegen Faumlllt ein Lebensmittel aus diesem Raster ist es verdaumlchtigldquo so Dr Fauhl-Has-sek So sehen die Spektren von z B mit Oli-venblaumlttern gestrecktem Oregano oder die von mit Sudanrot ndash eine Substanz die im Verdacht steht ein genotoxisches Kanzero-gen zu sein ndash gepanschtem Paprikapulver eindeutig anders aus

Die neuen Analyseverfahren mittels des charakteristischen Fingerabdrucks eines Lebensmittels ermoumlglichen somit eine flexible und schnelle Form der Echtheits-pruumlfung Statt gezielt nach gefaumllschten Produkten zu suchen steht hier der Au-thentizitaumltsnachweis im Fokus Diese neue Herangehensweise bezeichnet man auch als nicht zielgerichtete Analytik

Cloud der Fingerabdruumlcke

Zur perspektivischen routinemaumlszligigen An-wendung der nicht zielgerichteten Analytik fuumlr die Lebensmittelsicherheit muss aller-dings zunaumlchst eine gemeinsame Nutzung der Datenbanken fuumlr Referenz-Lebensmit-tel-Fingerabdruumlcke aller Akteure im Bereich Lebensmittelsicherheit ermoumlglicht werden Auch muss sichergestellt sein dass die Daten- erhebung sowie die anschlieszligende Analyse aller Nutzer vergleichbare Ergebnisse liefern

Das BfR arbeitet im Forschungsverbund an folgendem vereinfacht skizziertem Zu-kunftsszenario Zertifizierte amtliche und private Labore stellen ihre Lebensmit-tel-Fingerabdruumlcke uumlber eine Daten-Cloud bereit Hersteller Verarbeitungs- und Ver-edlungsbetriebe steuern die dazugehoumlrigen Produktinformationen bei Wenn Uumlber-wachungsbehoumlrden oder der Groszlig- und Einzelhandel Lebensmittelproben auf ihre Echtheit uumlberpruumlfen wollen vergleichen sie den Fingerabdruck ihrer eigenen Probe mit denen in der Fingerprint-Cloud Gibt es sig-nifikante Abweichungen ist das Lebensmit-tel zunaumlchst auffaumlllig und sollte weiter un-tersucht werden Noch sind viele technische und organisatorische Huumlrden zu nehmen

Das Prinzip bdquoNicht zielgerichteter Verfahrenldquo

Wavenumbers (cm-1)

Ab

sorb

anc

e

Paprikaproben Paprika dotiert mit Siliciumdioxid

Relevante Aspekte bei der Pruumlfung

Authentizitaumltspruumlfungen koumlnnen offizielle Produktbeschreibungen bestaumltigen oder betruumlgerische Aussagen nachweisen Relevante Aspekte dabei sind die Sub-stitution durch preiswertere aber aumlhnli-che Zusaumltze die Streckung mit fremdar-tigen Substanzen (z B Wasser Staumlrke) oder die Anwendung nicht gekenn-zeichneter oder unzulaumlssiger Verfahren wie Bestrahlung oder Extraktion die Bestaumltigung der geografischen Herkunft der botanischen oder zoologischen Spezies oder der Herstellungsprozesse wie bio konventionell oder gentechnisch veraumlndert sowie die Deklaration und Angaben zur Ruumlckverfolgbarkeit (Pro-duktkennzeichnung Prozessablaumlufe Chargenidentifikation)

Exogene Signale bei Verfaumllschung

copy M

Una

l Ozm

ens

hutte

rsto

ckc

om

LEBENSMITTELFAumlLSCHERN AUF DER SPUR

9012017

Eine stecknadelkopfgroszlige Kaumlsefettprobe wird auf das Analysegeraumlt aufgebracht Um charakteristische Merkmale in den Datensaumltzen zu finden muumlssen Dr Carsten Fauhl-Hassek (im Bild rechts oben) und sein Team eine Vielzahl solcher Proben nehmen und am Computer analysieren

bdquoErst muumlssen einheitliche Datenstandards verteilt operierende Systemloumlsungen und organisatorische Loumlsungsansaumltze zur Ge-waumlhrleistung der Datenintegritaumlt und -qua-litaumlt entwickelt werdenldquo erlaumlutert Matthias Filter bdquodamit diese Vision im Bereich Le-bensmittelsicherheit realisierbar istldquo Er ko-ordiniert am BfR die Arbeiten zum Schwer-punkt bdquoGlobale Warenkettenldquo

Vernetzte Referenzdatenbanken

Damit das Zukunftsszenario naumlher ruumlckt forschen Wissenschaftlerinnen und Wis-senschaftler am BfR zu der Entwicklung von mathematischen und statistischen Mo-dellen fuumlr die Datenauswertung und Har-monisierung von Datenaustauschformaten sowie zur harmonisierten Probennahme Dies sind wesentliche Voraussetzungen fuumlr den Aufbau und die Routineanwendung

von kollaborativen Referenzdatenbanken die uumlber die Cloud verfuumlgbar gemacht wer-den koumlnnen bdquoBislang verwendet jeder Her-steller von Spektrometern aber beispiels-weise noch eigene Datenformate sodass die Daten erst einmal dechiffriert werden muumlssen damit sie fuumlr alle Beteiligten ver-wendbar sindldquo sagt Filter

Bis solche Referenzdatenbanken der typi-schen chemisch-analytischen Profile von Lebensmitteln aufgebaut und fuumlr den flauml-chendeckenden Einsatz im Netzwerk aus Uumlberwachungsbehoumlrden Laboratorien so-wie Herstellern und Haumlndlern fertiggestellt sind dauert es nach Einschaumltzung der Exper-ten sicher noch 10 bis 15 Jahre Umso wichti-ger ist es jetzt die Weichen zu stellen

Mehr erfahrenwwwbfrbundde gt A-Z-Index Authentizitaumlt

Die Suche nach dem Fingerabdruck

Beim Aufbau von standardisierten Referenzdatenbanken kommen soge-nannte nicht zielgerichtete Verfahren zum Einsatz Dabei wird der physika-lisch-chemische Fingerabdruck von Lebensmitteln anhand spektromet-rischer undoder spektroskopischer Daten erhoben Dieser dient als Vergleichsstandard mit dem die Daten unbekannter Lebensmittelproben vergli-chen werden Abweichungen koumlnnen so leichter erkannt werden und Uumlber-wachungsbehoumlrden muumlssen nicht mehr gezielt nach bestimmten unerwuumlnsch-ten Substanzen suchen die oftmals noch gar nicht bekannt sind

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

10 BfR 2 GO

SCHWERPUNKTTHEMA AUTHENTIZITAumlT

Food Integrity EU-Konsortium gegen gefaumllschte Lebensmittel Das EU-Konsortium aus 38 Projektpartnern will strukturelle und methodische Voraus-setzungen schaffen um Verfaumllschungen fruumlhzeitig einheitlich erkennen zu koumlnnen Dazu sollen u a ein Netzwerk zwischen Be-houmlrden Industrie und Forschung aufgebaut Pruumlfprozesse harmonisiert und Wissensda-tenbanken erstellt werden Das Projekt laumluft bis Ende 2018

FoodAuthent Kollaborative Referenzdatenbanken fuumlr chemische Fingerabdruumlcke In dem dreijaumlhrigen Projekt werden Grundlagen fuumlr den Routineeinsatz von Fingerprinting-Analyseverfahren im Lebensmittelsektor und in der amtlichen Uumlberwachung geschaffen Zusammen mit den Projektpartnern entwickelt das BfR bis April 2019 gemeinschaftliche Fingerprin-ting-Datenbanken sowie Schnittstellen zu privatwirtschaftlich betriebenen Pro-duktinformationssystemen Exemplarisch erfolgt dies fuumlr Hartkaumlse Speiseoumlle und Spirituosen Die Daten sollen fuumlr die mit-wirkenden Akteure im Lebensmittelbereich frei zugaumlnglich sein

Original oder Faumllschung ndash Gemeinsam gegen Lebensmittelgaunerei

Das BfR beteiligt sich an Drittmittelprojekten um Herstellern und Uumlberwa-chungsbehoumlrden Methoden an die Hand zu geben mit denen schnell sicher und kosteneffizient die Echtheit eines Lebensmittels erkannt werden kann Einige werden hier vorgestellt

Animal-IDHerkunftsnachweis von tierischen Proteinen in Futter- und Lebens-mitteln Die Projektpartner kombinieren Massen- spektrometrie mit Verfahren zur Protein-anreicherung um Analysemethoden zur gewebespezifischen Herkunftsbestimmung von Futtermitteln zu entwickeln sowie Schnelltests auf Basis von proteinbasierten ELISA DipStick-Tests fuumlr die wichtigsten Tierarten in der Fleischproduktion wie Rind Schwein Pferd und Huhn Das BfR koordiniert das Vier-Jahres-Projekt (2016 bis 2019)

FoodRisk-Lab Softwareloumlsungen zur Unterstuumlt-zung der Bewertung von Risiken Das BfR entwickelt frei verfuumlgbare Soft-wareloumlsungen und Web-Dienste fuumlr die Bewertungsarbeit behoumlrdlicher Einrichtun-gen sowie fuumlr Wissenschaft und Forschung FoodChain-Lab unterstuumltzt z B die Ruumlckverfolgung von Futter- und Lebens-mitteln entlang der Warenketten und ermoumlglicht eine interaktive Analyse von Ausbruchsgeschehen Weitere Programme dienen der mathematischen Modellierung von Gefahren im Bereich der Futter- und Lebensmittelsicherheit

SPICEDSicherung der Gewuumlrz- und Kraumluterwarenketten Europas Gewuumlrze und Kraumluter werden sehr vielen Lebensmitteln zugesetzt Die Ergebnisse des Forschungsprojektes tragen dazu bei die Gewuumlrz- und Kraumluterwarenketten Euro-pas gegen natuumlrliche unabsichtliche und absichtliche biologische und chemische Ver-unreinigungen zu schuumltzen Das Projekt mit 11 Partnern aus sieben EU-Laumlndern wurde von 2013 bis 2016 im 7 Rahmenprogramm der EU gefoumlrdert und vom BfR koordiniert

11012017

FORSCHUNGSPROJEKTE

bdquoWir wollen Faumllschungen einen Riegel vorschiebenldquo

Professor Wittkowski welche Lebens- mittel werden uumlblicherweise verfaumllschtGefaumllscht wird uumlberall dort wo ein oumlkono-mischer Vorteil erzielt werden kann Pro-duktpiraterie kommt deswegen vor allem bei hochqualitativen und teuren Markenpro-dukten wie Olivenoumll Schafskaumlse Wein oder Spirituosen vor Ein uumlblicher Trick ist min-derwertige Zutaten als hochwertige zu ver-kaufen wie Shrimps als Garnelen Bei Pro-dukten bei denen die geografische Herkunft ein Qualitaumltsmerkmal ist wie Parma- oderSerrano-Schinken Irischer Whiskey oder Champagner wird versucht die Herkunft vorzutaumluschen

Koumlnnen Verbraucher denn noch der Le-bensmittelsicherheit vertrauen Glaubwuumlrdigkeit Vertrauen und Sicherheit sind eng miteinander verknuumlpft Menschen wollen einkaufen kochen essen und trin-ken gesund bleiben und es soll schmecken Sie wollen nicht wissen wie der Wein filt-riert oder bei welcher Temperatur der Kaf-fee geroumlstet wurde aber sie wollen darauf vertrauen dass die Angaben stimmen und dass diese Technologien sichere Lebens-mittel erzeugen Dies ist nur moumlglich weil es Standards fuumlr die Lebensmittelwirtschaft gibt und Uumlberwachungsbehoumlrden die Ein-haltung pruumlfen

Nur weil Parma-Schinken nicht aus Par-ma kommt stellt er doch noch kein Ge-sundheitsrisiko dar Geht es nicht viel-mehr um oumlkonomische Interessen der Hersteller Wissenschaftler koumlnnen zunaumlchst Normab-weichungen erkennen nicht aber die Mo-tivation von Verfaumllschern Zunaumlchst wird selbstverstaumlndlich eine Risikobewertung derartiger Befunde durchgefuumlhrt Anschlie-szligend kann man nach weiterer Uumlberpruumlfung und Ruumlckverfolgung der Lieferketten ent-scheiden ob es eine gezielte Verfaumllschung war oder nicht

Koumlnnen Sie ein Beispiel gebenStatt Rindfleisch wurde vor einigen Jahren in Lasagne Pferdefleisch nachgewiesen Im ersten Moment ein gesundheitlich unbe-denklicher Betrugsfall Pferdefleisch ist ein hochwertiges Lebensmittel Allerdings war nicht bekannt woher das Fleisch kam und ob es mit verbotenen undoder gesundheits-schaumldlichen Arzneimitteln belastet war Das wurde dann uumlberpruumlft und das Fleisch fuumlr unbedenklich erklaumlrt Oder Aufgrund des traditionellen Anbaus hatten Pistazien aus dem Iran eine Zeit lang erhoumlhte Mykoto-xingehalte und unterlagen daher strengen Auflagen bei der Einfuhr nach Europa Zur Umgehung dieser Auflagen traten Falsch-deklarationen der Herkunft auf Iranische Pistazien wurden als Pistazien aus Kaliforni-en in den Markt gebracht

Es geht also in erster Linie immer um Verbraucherschutz und nicht um Taumlu-schungs- oder Betrugsschutz Aus meiner Sicht ja Teilweise nehmen Faumllscher auch billigend in Kauf dass Men-schen zu Schaden kommen Mit Methanol gepanschter Alkohol oder mit Melamin gestrecktes Milchpulver sind Beispiele Die Verfaumllscher sind naumlmlich keine Toxikologen Die Frage ist also welche Methoden koumlnnen Behoumlrden bereitstellen um das Vertrauen in die Sicherheit der Lebensmittel zu erhalten

Das houmlrt sich an wie ein Wettlauf For-schung gegen Faumllschung Gibt es denn immer die richtige MethodeDas Gute an der Analytik ist dass man mit der richtigen Methode findet was man sucht Allerdings wissen wir nicht immer auf welche neuen betruumlgerischen Ideen Faumll-scher kommen Deswegen beteiligen wir uns in internationalen Forschungsvorhaben an der Entwicklung von Referenzdaten-banken mit dem typischen Fingerabdruck von Lebensmitteln Die sogenannte Finger-print-Analyse bietet die Moumlglichkeit nicht

nur Lebensmittel durch ihre Normabwei-chung als gefaumllscht zu identifizieren sondern auch bisher unbekannte Verfaumllschungen und gesundheitlich bedenkliche Manipulationen aufzudecken bevor die Ware in den Regalen steht

In der Praxis gibt es dazu doch sicher schon MaszlignahmenPrivate Analysefirmen haben sich bereits auf die Fingerprint-Methode fuumlr bestimmte Produkte spezialisiert und groszlige Datenban-ken angelegt Doch hier liegt ein Problem Jeder arbeitet mit seinen eigenen Daten Auch sind die Ergebnisse der Firmen nicht gerichtsfest weil die Datengrundlage nicht oumlffentlich ist Staatliche Institutionen ar-beiten dagegen mit transparenten und ver-gleichbaren Daten damit Beanstandungen gerichtsfest sind Deswegen muumlssen fuumlr ei-nen Erfolg der Fingerprint-Methoden die Messungen der verschiedenen Labore va-lidiert und die Datenbanken harmonisiert werden

bdquoUnser Allein- stellungsmerkmal ist dass wir Risikobewertung und Forschung betreiben

12 BfR 2 GO

SCHWERPUNKTTHEMA AUTHENTIZITAumlT

BfR-Vizepraumlsident Professor Dr Reiner Wittkowski setzt sich dafuumlr ein dass am BfR zu neuartigen Verfah-ren zur Authentifizierung von Lebensmitteln geforscht wird Als junger Lebensmittelchemiker hat er am Vorgaumlngerinstitut des BfR dem Bundesgesundheitsamt bereits fuumlr die Uumlberpruumlfung der Echtheit von Wein Methoden entwickelt etabliert und begonnen eine Fingerabdruck-Datenbank anzulegen

Was traumlgt das BfR zur Uumlberpruumlfung der Echtheit von Lebensmitteln bei Wir beteiligen uns seit Langem an allen maszliggeblichen EU-Forschungsvorhaben zur Authentizitaumltspruumlfung Unser Alleinstel-lungsmerkmal ist dass wir Risikobewertung und Forschung betreiben Das BfR hat an-ders als andere Bewertungsbehoumlrden eigene Laboratorien Wir haben deswegen einen sehr strengen Blick auf Bewertungsmetho-den und fragen wie sicher die Aussagekraft der Daten ist Das Kerngeschaumlft der 17 Re-ferenzlabore des BfR ist Methodenvali-dierungen durchzufuumlhren Auf nationaler Ebene arbeitet das BfR bereits eng mit der amtlichen Lebensmitteluumlberwachung der Bundeslaumlnder zusammen

Welchen konkreten Ansatz nutzt das BfRWir kombinieren Analytik und Daten-modellierung Das Institut hat eine lange Historie hinsichtlich des Nachweises der Echtheit von Lebensmitteln da auch in den Vorgaumlngerinstitutionen dazu geforscht wur-de In den 1990er-Jahren wurde hier eine der ersten Datenbanken zur Uumlberpruumlfung der Authentizitaumlt von Wein aufgebaut und wurden erstmals Kernresonanz-spektrosko-pische Verfahren in der Lebensmittel-Ana-lytik angewandt Die Expertise zum Thema Wein haben wir dann auf andere Lebens-mittel-Matrizes uumlbertragen Neben der Ana-lytik ist die Statistik unser zweiter Impetus Das BfR hat viel Erfahrung im Bereich der Datenanalyse fuumlr die Vor- und Ruumlckverfolg-barkeit von Lieferketten aufgebaut Mit der FoodChainLab-Software die im Rahmen der EHEC-Krise entwickelt wurde sind komplexe Datenmodellierungen moumlglich

Was sind die naumlchsten SchritteWir haben bereits ein nationales Kompe-tenznetzwerk zwischen Bundesbehoumlrden Landesuntersuchungsaumlmtern Universitaumlten und Forschungseinrichtungen etabliert und wir bringen das Thema weltweit voran Das BfR hat im November 2016 ein Symposium organisiert auf dem rund 100 Fachleute aus Deutschland Europa Nordamerika Afrika Asien und Neuseeland uumlber die Herausfor-derungen der Standardisierung diskutierten Aus meiner Sicht sollte unbedingt ein euro-paumlisches Referenzlabor eingerichtet werden ndash die EU-Kommission erwaumlgt dies bereits ndash um in Europa ein harmonisiertes System der angewendeten Methoden und der Datener-fassung fuumlr die Authentizitaumltspruumlfung von Lebensmitteln zu etablieren Nur das ist ziel-fuumlhrend wenn wir Faumllschungen global einen Riegel vorschieben wollen

copy B

fR

13012017

INTERVIEW MIT PROFESSOR DR REINER WITTKOWSKI

Der BfR-Verbrauchermonitor ist ein zentrales Instru-ment des gesundheitlichen Verbraucherschutzes Er zeigt wie die Oumlffentlichkeit Risiken wahrnimmt

Gefuumlhlte Risiken im Visier

copy ig

orst

evan

ovic

Shu

tters

tock

com

RISIKOWAHRNEHMUNG

14 BfR 2 GO

Welche Themen bewegen Verbraucherinnen und Verbrau-cher Was ist ihnen vertraut was beunruhigt sie Ant-worten auf diese Fragen liefert der BfR-Verbrauchermo-

nitor ndash eine seit 2014 regelmaumlszligig durchgefuumlhrte repraumlsentative Bevoumllkerungsbefragung mit der das BfR die generelle Einschaumlt-zung der Oumlffentlichkeit zu Verbraucherschutzthemen ermittelt In Ergaumlnzung dazu fuumlhrt das BfR Repraumlsentativbefragungen zu Ein-zelthemen durch die von besonderem aktuellem Interesse sind wie Antibiotikaresistenzen oder Pflanzenschutzmittel Die Ergeb-nisse dazu erscheinen als bdquoBfR-Verbrauchermonitor Spezialldquo Der Verbrauchermonitor ist ein wesentlicher Indikator um moumlgliche Missverstaumlndnisse oder Fehleinschaumltzungen seitens der Bevoumllke-rung fruumlhzeitig zu erkennen bdquoFuumlr uns ist es sehr wichtig konkret zu wissen was die Bevoumllkerung warum bewegt Daraus folgern wir welche kommunikativen Maszlignahmen zu ergreifen sindldquo sagt PD Dr Gaby-Fleur Boumll Leiterin der Abteilung Risikokommunika-tion am BfR

Methode der Datenerhebung

Fuumlr die repraumlsentative Umfrage des Verbrauchermonitors werden ca 1000 Personen die in Privathaushalten in Deutschland leben und mindestens 14 Jahre alt sind im Auftrag des BfR von Markt- und Meinungsforschungsinstituten telefonisch interviewt Diese Interviews werden computergestuumltzt anhand eines programmier-ten Fragebogens von geschulten Interviewern durchgefuumlhrt ndash kurz CATI-Methode genannt nach der englischen Bezeichnung compu-ter-assisted telephone interviewing Dabei werden die Fragen zum gesundheitlichen Verbraucherschutz und Fragen zu anderen The-menbereichen zu einer sogenannten Omnibus- oder Mehrthemen-befragung zusammengefasst Die Fragen des Verbrauchermonitors koumlnnen einen offenen Charakter haben (ungestuumltzte Fragen) oder geschlossen formuliert sein (gestuumltzte Fragen) Um die Ergebnisse der Verbrauchermonitore im Zeitverlauf miteinander vergleichen zu koumlnnen ist jede Umfrage aumlhnlich aufgebaut Das BfR widmet sich einerseits Themen die in der Oumlffentlichkeit eine groszlige Auf-merksamkeit erhalten Andererseits analysiert es Fragen die bisher weniger im oumlffentlichen Fokus stehen aber ebenfalls relevant sind wie beispielsweise gesundheitsschaumldliche Pflanzeninhaltsstoffe Auch das Ausmaszlig des Vertrauens in die staatlichen Strukturen des gesundheitlichen Verbraucherschutzes wird abgefragt da dies wie-derum die Wahrnehmung von Risiken beeinflussen kann

bdquoFuumlr uns ist es sehr wichtig konkret zu wissen was die Bevoumllkerung warum bewegt

Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher

Kaum veraumlndert hat sich in den letzten Jahren die Ansicht von Ver-braucherinnen und Verbrauchern dass Lebensmittel in Deutsch-land sicher sind Fragt man in der ungestuumltzten Abfrage nach den groumlszligten gesundheitlichen Risiken so sind dies im aktuellen Ver-brauchermonitor (082017) nach wie vor das Rauchen die Klima- bzw Umweltbelastung und ungesunde oder falsche Ernaumlhrung Da-nach werden Alkohol sowie ungesunde oder belastete Lebensmittel genannt Fragt man in der gestuumltzten Abfrage gezielt nach ausge-waumlhlten Themen so fuumlhren Salmonellen gentechnisch veraumlnderte Lebensmittel Antibiotikaresistenzen und Ruumlckstaumlnde von Pflan-zenschutzmitteln die Bekanntheitsskala an Dies sind auch die vier Themen die bei den meisten Befragten fuumlr Beunruhigung sorgen Es zeigt sich immer wieder dass Verbraucherinnen und Verbrau-cher Risiken unterschaumltzen die aus Sicht der Risikobewertung als

ZielsetzungVerbrauchermonitor

gt Erfassung und Analyse von Trends und Themen in der Verbraucherwahrnehmunggt Uumlber- bzw Unterschaumltzung von gesundheitlichen Risiken durch die Bevoumllkerunggt Beobachtung von Veraumlnderungen im Verbraucherverhaltengt Schnelle Erfassung der Verbraucherwahrnehmung in Krisensituationen

BfR-VERBRAUCHERMONITOR

15012017

gesundheitsrelevant eingestuft werden wie z B die Lebensmittelhygiene im eigenen Haushalt Noch weitgehend unbekannt ist der breiten Oumlffentlichkeit eine neue derzeit in der Wissenschaft diskutierte Metho-de zur Genveraumlnderung ndash das sogenannte bdquoGenome Editingldquo

Vertrauen staumlrken

Verschiedene Bevoumllkerungsgruppen neh-men Ereignisse oder Sachverhalte unter-schiedlich wahr Es haumlngt von vielen Fakto-ren ab wie groszlig ihnen ein Risiko erscheint Insbesondere zwischen der Wahrnehmung von Laien und Fachleuten koumlnnen sich Un-terschiede ergeben da die intuitive Risiko-einschaumltzung der Bevoumllkerung haumlufig auf anderen Prinzipien und Kriterien beruht als die wissenschaftliche Risikobewertung Aus der Risikowahrnehmungsforschung ist beispielsweise bekannt dass die Sorge vor

synthetisch hergestellten Stoffen groumlszliger ist als die Sorge vor natuumlrlich vorkommenden Stoffen wie beispielsweise giftigen Pflanze-ninhaltsstoffen

Der BfR-Verbrauchermonitor Spezial zum Thema Pflanzenschutzmittel hat zudem gezeigt dass ein Groszligteil der Bevoumllkerung faumllschlicherweise davon ausgeht dass in Lebensmitteln generell keine Reste von Pflanzenschutzmitteln vorkommen duumlr-fen Tatsaumlchlich sind Ruumlckstaumlnde von zu-gelassenen Pflanzenschutzmitteln bis zum erlaubten Ruumlckstandshoumlchstgehalt zulaumls-sig und als gesundheitlich unbedenklich eingestuft Auf diese Diskrepanz kann die Risikokommunikation gezielt reagieren indem sie die Oumlffentlichkeit mit geeigne-ten Kommunikationsformen umfassend uumlber die rechtlichen und wissenschaftli-chen Grundlagen der Risikobewertung bei Pflanzenschutzmitteln informiert

Die Ergebnisse solcher Bevoumllkerungsum-fragen liefern wichtige Einsichten in die Risikowahrnehmung verschiedener Bevoumll-kerungsgruppen und zeigen Unterschiede hinsichtlich demografischer Faktoren wie Alter Bildungshintergrund Berufsgrup-pe und Geschlecht auf So ist Frauen das Vorkommen von Pyrrolizidinalkaloiden in Kraumlutertee beispielsweise haumlufiger bekannt als Maumlnnern Auch hat sich gezeigt dass Maumlnner Prozesskontaminanten in Grill-fleisch weniger bedenklich einschaumltzen als Frauen

Mit dem Verbrauchermonitor hat das BfR ein Instrument etabliert mit dem noch fruumlher auf Informations- und Kommuni-kationsbeduumlrfnisse eingegangen und damit das Vertrauen der Oumlffentlichkeit in den ge-sundheitlichen Verbraucherschutz weiter gestaumlrkt werden kann

Alle bisher erschienenen BfR-Verbrauchermonitore koumlnnen abgerufen werden unter wwwbfrbundde gt Publikationen gt Broschuumlren gt BfR-Verbrauchermonitor

Welche Themen betrachten Sie persoumlnlich als die groumlszligten gesundheitlichen Risiken fuumlr Verbraucherinnen und Verbraucher

Inwieweit sind Sie persoumlnlich uumlber die folgenden Themen zur Lebensmittel-sicherheit beunruhigt oder nicht beunruhigt

16 BfR 2 GO

RISIKOWAHRNEHMUNG

2016 gab es in Deutschland in der deutsch-sprachigen Bevoumllkerung ab 14 Jahren rund 08 Millionen Personen die sich selbst als Veganer bezeichnen wuumlrden oder als je-mand der weitgehend auf tierische Produk-te verzichtet (2016 Allensbacher Markt- und Werbetraumlger-Analyse IfD Allensbach) Ei-nige Studien zeigen dass eine vegane Ernaumlh-rung positive Einfluumlsse auf die Gesundheit haben kann wie zum Beispiel ein geringeres Risiko fuumlr Typ-2-Diabetes Beschrieben wer-den allerdings auch gesundheitliche Risiken durch Naumlhrstoffmangelzustaumlnde etwa fuumlr Schwangere und Kinder Wer keine tierische Produkte zu sich nimmt riskiert unter an-derem eine Unterversorgung mit Vitamin B12 Eisen Calcium Jod und Zink sowie mit langkettigen Omega-3-Fettsaumluren

Vor diesem Hintergrund entwickelte das BfR geeignete Risikokommunikationsstra-tegien Ein Forschungsprojekt widmete sich den individuellen und sozialen Einflussfak-toren die zur Motivation und Aufrechter-haltung einer veganen Ernaumlhrung fuumlhren Insgesamt wurden 42 Veganerinnen und Veganer zu ihren Werten Einstellungen und Meinungen befragt Aufgrund der zum Teil sehr ausgepraumlgten Abweichun-gen zur Durchschnittsbevoumllkerung lassen sich verallgemeinernde Aussagen treffen Repraumlsentativ sind die Befragungsdaten al-lerdings nicht

Ethische Entscheidung

Fast immer begruumlnden Veganerinnen und Veganer ihre Entscheidung fuumlr eine vega-ne Ernaumlhrung mit ethischen Argumenten Gesundheitliche Motive werden selten ge-nannt Die Befragten sind uumlberwiegend konfessionslos und uumlberdurchschnittlich

gebildet Auszligerdem beguumlnstigt Vegetaris-mus die Entscheidung sich vegan zu ernaumlh-ren Zwei Drittel der Teilnehmenden haben sich bereits vorher vegetarisch ernaumlhrt Er-naumlhren sich bereits Personen aus dem na-hen Umfeld vegan kann dies die Entschei-dung auch vorantreiben

Fuumlr die uumlberwiegende Mehrheit der Be-fragten ist die Ruumlckkehr zur omnivoren Ernaumlhrung die tierische Produkte zulaumlsst nicht vorstellbar Auch eine Schwanger-schaft wird meist nicht als Grund dafuumlr angesehen Oft werden auch Kinder vegan ernaumlhrt Nach Aussagen der Befragten re-agiert das soziale Umfeld haumlufig mit Skepsis und Aversion Um eine soziale Ausgren-

zung der Kinder zu verhindern lassen die Befragten teils Kompromisse zu So koumlnn-ten Kinder zum Beispiel selbst waumlhlen ob sie auswaumlrts Tierprodukte essen

Wissen kommt an

Wer sich vegan ernaumlhrt verfuumlgt in der Re-gel uumlber ein fundiertes Ernaumlhrungswissen 40 der 42 Teilnehmenden der BfR-Studie waren sich zum Beispiel daruumlber im Klaren dass es ohne tierische Produkte zu einer Mangelversorgung mit Vitamin B12 kom-men kann Viele nehmen dieses Vitamin zusaumltzlich ein Bei der Informationssuche rund um vegane Ernaumlhrung ist das Inter-net die wichtigste Informationsquelle (siehe Grafik)

Strategie der Risikokommunikation

Im Rahmen der Befragung stellten sich wichtige Anknuumlpfungspunkte fuumlr die Risi-kokommunikation heraus Unter anderem wurde klar dass ein negativer Ansatz der die vegane Ernaumlhrung als gefaumlhrlich oder abnormal darstellt nur wenig Erfolg haben kann Eine effektive Risikokommunikation sollte an bestehende Uumlberzeugungen der Veganerinnen und Veganer anknuumlpfen Ziel sollte dabei sein konkrete Tipps fuumlr den Alltag zu geben die sich mit einer vega-nen Ernaumlhrung verbinden lassen Informa-tionen wie bei einer veganen Ernaumlhrung eine moumlgliche defizitaumlre Naumlhrstoffversor-gung verhindert werden kann sind grund-saumltzlich erfolgversprechend Insbesondere uumlber Alternativen oder Supplementierung in der Schwangerschaft bei Saumluglingen und Kleinkindern sollte umfassend informiert werden

Vegan und informiert

Welche Informationsquellen nutzen Sie um sich

uumlber vegane Ernaumlhrung zu informieren

Kochbuumlcher mit veganen Rezepten Blogs zum Thema und tierfreie Supermaumlrkte ndash die vegane Ernaumlhrung liegt im Trend Wer ganz auf tierische Produkte verzichtet riskiert jedoch eine Unterversorgung mit bestimmten Naumlhrstoffen Um eine effiziente Risikokommunikation zu gewaumlhrleis-ten hat das BfR Veganerinnen und Veganer zu Wissens-stand und Einstellungen befragt

Foren im Internet

Sonstige Quellen im Internet

Buumlcher

Zeitschriften

Freunde Bekannte

Sonstigen = 42 Mehrfachnennungen moumlglich

74

71

52

36

12

5

copy S

tudi

oPho

toD

Flor

ezs

hutte

rsto

ckc

om

BEFRAGUNG ZU VEGANISMUS

17012017

63

72 Ekel

Fremdheit

Bedenken zu Hygiene und Vertraumlglichkeit

Grillen Mehlwuumlrmer und Wanderheuschrecken ndash in vielen Regionen der Welt werden Insekten von Menschen verspeist Auch in der Schweiz sind Insek-ten seit dem Fruumlhjahr 2017 offiziell als Lebensmittel zugelassen Ihr Verzehr ist in Europa jedoch generell wenig verbreitet und die oumlffentliche Diskussion steckt noch in den Anfaumlngen Wie bekannt ist das Thema in der deutschen Bevoumllkerung Welche Einstellungen bestehen gegenuumlber essbaren Insekten Wie wird das Thema in den Medien dargestellt In zwei Studien hat das BfR Antworten auf diese Fragen gefunden

Die Mehrheit der Deutschen vermutet keine gesundheitlichen Risiken durch den Verzehr von Insekten wuumlrde sieaber dennoch nicht verzehren Hauptgruumlnde gegen den Verzehr

sind Ekel Fremdheit Bedenken zu Hygiene und Vertraumlglichkeit

46 13 15

Insekten als Lebensmittel fuumlr Menschen ndash 72 Prozent der Befragten haben schon davon gehoumlrt Insekten gelten als eiweiszlig- naumlhrstoff- und vitaminreich und als eine wesentliche Nahrungsquelle hinsichtlich des Welternaumlhrungsproblems

Insekten essen Mehr Theorie als Praxis

18 BfR 2 GO

RISIKOWAHRNEHMUNG

2014

27 Artikel

14

Zugrundeliegende Studien telefonische Repraumlsentativbefragung von 1000 Personen (deutschsprachige Bevoumllkerung ab 14 Jahren) Medienanalyse von 17 deutschen Print- und Onlinemedien (uumlberregionale Qualitaumltszei-tungen Hauptstadtpresse und woumlchentliche Zeitungen) im Zeitraum Januar 2014 bis Dezember 2015 zur Art und Haumlufigkeit der Berichterstattung uumlber essbare Insekten

14 Prozent der Befragten haben schon einmal Insekten verzehrt mehrheit-lich im Ausland Uumlberwiegend sind es Maumlnner 18 ndash 29-Jaumlhrige gut Gebildete und Staumldter

Die Medienberichterstattung zu Insekten als Lebens- und Futtermittel verdoppelte sich von 2014 zu 2015 In der Mehrheit ging es um Nutzen- aspekte Insekten wurden medial als bdquozukunftsweisendes sinnvolles Lebensmittel bei dem der Nutzen gegenuumlber moumlglichen Risiken uumlber-wiegtldquo dargestellt

Verbraucherinnen und Verbraucher wuumlnschen sich mehr Informationen zu moumlglichen gesundheitlichen Risiken von Insekten als Lebens- und Fut-termittel zu ihrer Produktion und zum Naumlhrstoffgehalt Dies koumlnnte die oumlffentliche Akzeptanz fuumlr den Verzehr von Insekten erhoumlhen Auch bdquounkenntlich gemachteldquo Insekten in Form verarbeiteter Lebensmittel wuumlrden eher akzeptiert als Insekten im urspruumlnglichen Zustand

WeiterlesenBfR-Symposium bdquoInsekten als Lebens- oder Futtermittel Nah-rung der Zukunftldquo Bericht zum Symposium am 24 Mai 2016 in 2016 Journal fuumlr Verbraucher-schutz und Lebensmittelsicher-heit 11 3 281ndash289

2015

60 Artikel

i

Insekten als Lebensmittel

gt zaumlhlen lebensmittelrechtlich in der EU zu den neuartigen Lebensmitteln und muumlssen zugelassen werden

gt unerforschte Aspekte Toxikologie Gehalt an Kontaminanten und Ruumlckstaumlnden allergenes Potenzial mikrobiologische Risiken

copy a

rka3

8sh

utte

rsto

ckc

om

19012017

INFOGRAFIK ZU INSEKTEN

Unerwuumlnscht inLebensmitteln

Gelangen Pyrrolizidinalkaloide (PA) in die Lebensmittelkette koumlnnen insbesondere 12-ungesaumlttigte PA dem Menschen schaden Seit Jahren

befasst sich das BfR mit der Frage welches gesundheitliche Risiko von 12-ungesaumlttigten PA in Lebensmitteln ausgeht Klar ist die PA-Kontami-

nation in der Lebensmittelkette sollte so gering wie moumlglich sein

LEBENSMITTELSICHERHEIT

20 BfR 2 GO

Unerwuumlnschte Stoffe die in die Lebensmittelkette gelangen koumlnnen fuumlr Verbraucherinnen und Verbraucher ein gesund-heitliches Risiko darstellen Ein Beispiel fuumlr solche Eintraumlge

sind 12-ungesaumlttigte Pyrrolizidinalkaloide (PA) Das sind Stoffe die von einigen Pflanzen als Schutz vor Fraszligfeinden gebildet werden Sie konnten zunaumlchst in Honig und anderen Bienenprodukten spaumlter auch in Tees Kraumlutertees und Gewuumlrzen aber auch in pflanzenba-sierten Nahrungsergaumlnzungsmitteln nachgewiesen werden

Toxische Wirkungen bei Mensch und Tier

Beim Menschen sind vereinzelt Vergiftungsfaumllle nach arzneilicher Einnahme von PA-haltigen Kraumlutertees und -erzeugnissen bekannt Weiterhin gibt es Berichte uumlber epidemische Lebererkrankungen mit Todesfaumlllen in Pakistan Indien Afghanistan Tadschikistan und der ehemaligen UdSSR nach Verzehr von Getreide das mit Samen von Heliotropium- oder Crotalaria-Arten kontaminiert war Aus der Nutztierhaltung ist das gehaumlufte Auftreten von Leberzirrhosen bei Schlachtrindern bekannt die mit Heu und Silage auch Alpenkreuz-kraut aufgenommen hatten Auch bei Pferden wurden mit Leberde-generation einhergehende durch PA im Futter verursachte Erkran-kungen die Seneciosen beobachtet

Die Leber ist das primaumlre Zielorgan von Schaumldigungen durch 12-ungesaumlttigte PA Jedoch koumlnnen auch die Lunge oder andere Organe betroffen sein Insbesondere bei Aufnahme houmlherer Dosen treten akute venookklusive Veraumlnderungen in der Leber (hepatic veno-occlusive disease HVOD) oder der Lunge auf In houmlheren Dosen wurden im Tierversuch mit 12-ungesaumlttigten PA auch ent-wicklungstoxische Effekte beobachtet Nach den vorliegenden tier- experimentellen Daten gilt die kanzerogene Wirkung von 12-un-gesaumlttigten PA als gesichert und ein entsprechendes Risiko fuumlr den Menschen wird in Betracht gezogen Vielfach zeigten Verbindungen die sich im Tierversuch als kanzerogen erwiesen in entsprechenden Mutagenitaumltstests eine genotoxische Wirkung

Wie 12-ungesaumlttigte PA in Lebensmittel gelangen koumlnnen

Nach bisherigem Kenntnisstand koumlnnen 12-ungesaumlttigte PA uumlber mehrere Wege in Lebensmittel gelangen In Deutschland sind Ver-unreinigungen vor allem in den Anbauflaumlchen von Nutzpflanzen mit PA-bildenden Wildkraumlutern wie z B bei Salaten mit Kreuzkraut oder Greiskraut aufgetreten Aus Afghanistan sind erhoumlhte Belastungen in Getreide bekannt Auch die Belastung von Tee und Kraumlutertee-Sor-ten mit PA wird auf eine Kontamination mit bestimmten Wildkraumlu-tern in den Anbauflaumlchen zuruumlckgefuumlhrt Auszligerdem koumlnnen Bienen-produkte wie Honig und Pollen mit PA belastet sein wenn die Tracht von bestimmten Wildpflanzen stammt 12-ungesaumlttigte PA koumlnnen auch uumlber verunreinigte Futtermittel in Milch Eier und Fleisch ge-langen Auch Nahrungsergaumlnzungsmittel koumlnnen auf der Basis von Pflanzen hergestellt sein die selbst 12-ungesaumlttigte PA bilden

Gesundheitliche Risiken durch belastete Lebensmittel

Das BfR hat 2016 eine Bewertung der gesundheitlichen Risiken durch 12-ungesaumlttigte PA erarbeitet Dabei wurde die Belastung aller wichtigen Lebensmittelgruppen beruumlcksichtigt fuumlr die aktuell Daten zum Vorkommen von 12-ungesaumlttigten PA vorliegen Bei der Bewertung wurde die genotoxisch-kanzerogene Wirkung als emp-findlichster Endpunkt zugrunde gelegt

copy F

eyya

z A

laca

ms

hutte

rsto

ckc

om

copy e

mbe

riza

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

21012017

Danach geht bei Kindern im Alter von sechs Monaten bis unter fuumlnf Jahren die Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA im Wesentlichen auf Kraumlutertee einschlieszliglich Rooibostee Schwarztee und Honig zuruumlck Fruumlchtetee Milch Eier und Fleisch tragen nur wenig zur Gesamtaufnahme von 12-un-gesaumlttigten PA bei Sieht man von bestimm-ten Nahrungsergaumlnzungsmitteln ab zeigt sich bei Erwachsenen ein aumlhnliches Bild Bei Erwachsenen ist der Beitrag von Honig zur Gesamtaufnahme an 12-ungesaumlttigten PA geringer und der von Gruumlntee houmlher als bei Kindern Bei hohen Gehalten koumlnnen Nahrungsergaumlnzungsmittel als zusaumltzliche Expositionsquelle zur Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber Lebensmittel beitragen Gewuumlrze und Kraumluter aber auch Mehle stellen moumlglicherweise eine relevante zusaumltzliche Expositionsquelle dar Fuumlr eine abschlieszligende Bewertung fehlen hier jedoch noch Daten

Obwohl in Einzelfaumlllen hohe Gehalte an 12-ungesaumlttigten PA in bestimmten Le-bensmitteln des allgemeinen Verzehrs nachgewiesen wurden haumllt das BfR nach derzeitiger Datenlage auch bei hoher Auf-nahme dieser Lebensmittel eine akute Ge-sundheitsschaumldigung fuumlr unwahrscheinlich Zur Abschaumltzung des potenziellen Risikos von genotoxisch-kanzerogenen Wirkungen legte das BfR wie international uumlblich den MOE-Ansatz (Margin of Exposure) zugrun-de Dabei wird ausgehend von Tierstudien angenommen dass fuumlr genotoxische Kan-zerogene ein MOE-Wert von 10000 oder houmlher aus Sicht der oumlffentlichen Gesundheit als wenig bedenklich und die Prioritaumlt fuumlr Maszlignahmen im Rahmen des Risikomanage-ments als niedrig angesehen werden kann Bei genotoxisch-kanzerogenen Stoffen kann keine Schwellendosis angenommen werden unterhalb derer keine unerwuumlnschten Wir-kungen mehr erwartet werden Daher gilt in der Europaumlischen Union die Empfehlung die Exposition gegenuumlber genotoxisch und kanzerogen wirkenden Substanzen so weit zu minimieren wie dies vernuumlnftig erreich-bar ist ndash das sogenannte ALARA-Prinzip (as low as reasonably achievable) Selbst geringe Aufnahmemengen koumlnnen insbesondere bei regelmaumlszligigem Verzehr mit einer Erhouml-hung gesundheitlicher Risiken verbunden sein

Die Bewertung des genotoxischen und kan-zerogenen Risikos erfolgt als Vergleich der Gesamtaufnahme uumlber verschiedene Tees Milch und Honig bei Kindern und Er-wachsenen auf der Basis verschiedener Ver-zehrszenarien mit dem BMDL10-Wert von

73 Mikrogramm pro Kilogramm Koumlrperge-wicht und Tag unter Berechnung des MOE Der BMDL10-Wert (Benchmark dose lower confidence limit 10) ist ein Schaumltzwert der niedrigsten Dosis die im Tierexperiment mit 95-prozentiger Sicherheit eine Krebsin-zidenz von nicht mehr als 10 Prozent ver-ursacht Alle Berechnungsansaumltze sowohl fuumlr Kinder als auch fuumlr die erwachsene Be-voumllkerung ergaben MOE-Werte deutlich unterhalb von 10000 Da nach Ansicht des Wissenschaftlichen Ausschusses der EFSA ein MOE erst ab einem Wert von mindes-tens 10000 aus Sicht der oumlffentlichen Ge-sundheit als wenig bedenklich anzusehen ist empfiehlt das BfR die Gesamtexposition mit PA aus allen Lebensmitteln so niedrig wie moumlglich zu halten und einen MOE von 10000 bei Beruumlcksichtigung der PA-Zufuhr aus allen Quellen nicht zu unterschreiten Dazu sollten die Bemuumlhungen fortgesetzt werden die PA-Gehalte in Lebensmitteln weiter zu senken

Forschungsansaumltze des BfR

Das BfR befasst sich seit einigen Jahren mit der Problematik der Verunreinigung von Lebensmitteln mit 12-ungesaumlttigten PA und verfolgt hierzu verschiedene Forschungs-ansaumltze Die Analytik der 12-ungesaumlttigten PA stellt aufgrund ihrer groszligen strukturel-len Vielfalt und des Vorkommens in unter-schiedlichen Lebensmitteln eine besondere Herausforderung dar In den letzten Jahren hat das BfR spezifische Nachweismethoden entwickelt und in Ringversuchen validiert Diese Methoden stehen auf der Homepage des BfR zur Verfuumlgung und koumlnnen z B in der Lebensmittel- und Futtermitteluumlberwa-chung eingesetzt werden

Neben der Entwicklung analytischer Me-thoden werden am BfR die molekularen Mechanismen der Toxizitaumlt von 12-unge-saumlttigten PA untersucht Hier stehen vor allem Untersuchungen zur strukturabhaumln-gigen Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber die Darmbarriere im Vordergrund Die Ergebnisse zeigen dass sich das Wirkungs-potenzial der 12-ungesaumlttigten PA aufgrund von Unterschieden im strukturabhaumlngigen Transport uumlber die Darmbarriere unter-scheiden kann Auch zeigten die getesteten Modellsubstanzen in einem Zellkulturmo-dell deutliche strukturspezifische Unter-schiede im Metabolismus Weitere Untersu-

Pflanzen die Pyrrolizidinalkaloi-de bilden finden sich vor allem in den Familien der Korbbluumltler (Asteraceae) der Raublatt- oder Borretschgewaumlchse (Boraginaceae) und der Huumllsenfruumlchtler (Faba-ceae)

22 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

chungen zu der Zerstoumlrung der sinusoidalen Endothelzellen durch 12-ungesaumlttigte PA sollen zum Verstaumlndnis der Mechanismen beitragen die zu den venookklusiven Ver-aumlnderungen in der Leber fuumlhren Auch wer-den Untersuchungen zur Metabolisierung nahrungsrelevanter Pyrrolizidinalkaloide durchgefuumlhrt Die Forschungsprojekte wer-den von der Deutschen Forschungsgemein-schaft (DFG) gefoumlrdert

Empfehlungen zur Reduktion der PA-Gehalte

Das BfR empfiehlt dass sich Management-maszlignahmen an der Vermeidung genoto-xisch-kanzerogener Effekte der 12-ungesaumlt-tigten PA als dem empfindlichsten Endpunkt orientieren Die Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA sollte fuumlr Verbrau-cherinnen und Verbraucher so gering wie moumlglich sein Dazu sollten die PA-Gehalte in Lebensmitteln so weit wie moumlglich sin-ken Dies gilt insbesondere fuumlr Kraumlutertees Rooibostee Schwarzen Tee und Gruumlnen Tee sowie bestimmte Nahrungsergaumlnzungsmit-tel Hier sollten Anbau- Ernte- und Reini-gungsmethoden weiterhin verbessert wer-den Auch die Auswahl der Rohhonige kann zu einer Reduzierung der Gehalte an 12-un-gesaumlttigten PA in verzehrfertigen Honigen beitragen Auszligerdem sind vor der Vermark-tung seitens der Lebensmittelunternehmer weiterhin Kontrollen in allen betroffenen Lebensmittelkategorien notwendig

Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das potenzielle gesundheitliche Risiko durch PA durch eine abwechslungsreiche Ernaumlh-rung verringern und so generell einseitigen Belastungen mit verschiedenen potenziell gesundheitsgefaumlhrdenden Stoffen vorbeu-gen Insbesondere fuumlr Kinder Schwangere und Stillende empfiehlt das BfR den taumlgli-chen Fluumlssigkeitsbedarf nicht ausschlieszliglich mit Kraumlutertee und Tee zu decken

Bei der Zubereitung von Salat Blattgemuumlse und Kraumlutern sollten Verbraucherinnen und Verbraucher Pflanzenteile aussortieren die sie keinen bekannten essbaren Pflanzen zu-ordnen koumlnnen

Wer Nahrungsergaumlnzungsmittel auf Pollen-basis oder auf Basis von Pflanzen einnimmt die 12-ungesaumlttigte PA bilden sollte sich bewusst sein dass diese Produkte 12-un-gesaumlttigte PA in houmlheren Konzentrationen enthalten koumlnnen

Mehr erfahrenStellungnahme Nr 0302016 des BfR vom 28 September 2016

Necinbase

Necinsaumlure

Die Struktur von PA

Chemisch handelt es sich um Ester aus einer Necinbase und aliphatischen Mono- oder Dicarbonsaumluren (Necin-saumluren) Aus toxikologischer Sicht besonders bedeutsam sind Pyrroli-zidinalkaloide mit 12-ungesaumlttigter Necinstruktur (12-ungesaumlttigte PA) Die 12-ungesaumlttigte Necinstruktur als gemeinsames Strukturmerkmal erlaubt grundsaumltzlich die Giftung durch Oxidation zum Dehydropyrrolizidin das durch seine alkylierenden Eigenschaf-ten fuumlr die genotoxische und karzino-gene Wirkung dieser Substanzgruppe verantwortlich ist

copy R

ukiM

edia

shu

tters

tock

com

copy J

iri H

era

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

23012017

Im suumldlichen Afrika spielt die Landwirt-schaft eine Schluumlsselrolle bei der Armuts-bekaumlmpfung Eine wachsende Produktion tierischer Lebensmittel bringt jedoch auch neue Herausforderungen an die Lebensmit-telsicherheit mit sich Das BfR-Forschungs-projekt bdquoSAD-Zambialdquo (bdquoStaphylococcus aureus in der Milchlebensmittelkette in Sambia ndash Bekaumlmpfung lebensmittelbeding-ter Erkrankungen und Antibiotikaresisten-zen beim Menschldquo) befasst sich damit wie die Produktion und der Vertrieb von Milch und Milchprodukten in Sambia sicherer gestaltet werden koumlnnen Ziel ist es zu be-werten in welchem Umfang das Bakterium Staphylococcus (S) aureus uumlber Milch und Milchprodukte auf den Menschen uumlbertra-gen wird In einem ersten Schritt werden Feldstudien in verschiedenen Provinzen des Landes durchgefuumlhrt um das Vorkommen dieses Erregers und moumlgliche Schwachstel-len in der Milchlebensmittelkette in Sambia zu analysieren Hierbei stehen Toxin-bil-dende S aureus-Staumlmme im Fokus Auszliger-dem wird untersucht in welchem Umfang Methicillin-resistente S aureus (MRSA) die gegen eine bestimmte Klasse von Antibio-tika resistent sind in der Milchlebensmit-

telkette vorkommen Die Bewertungsarbeit beinhaltet auch einen Vergleich traditio-neller und moderner Produktionssysteme Am BfR werden anschlieszligend die Analysen zu den Eigenschaften der gewonnenen Bakterienstaumlmme sowie stammvergleichen-de Untersuchungen durchgefuumlhrt In einem weiteren Schritt werden Ansatzpunkte zur Reduzierung der Bakterien sowie Methoden zum Monitoring von zoonotischen und An-tibiotika-resistenten S aureus in der Milch-lebensmittelkette in Sambia entwickelt So soll zum Verstaumlndnis der lebensmittelbe-dingten Risiken entlang der Milchlebens-mittelkette in Sambia beigetragen werden Das Projekt begann am 01072016 und laumluft drei Jahre Es wird vom Bundesminis-terium fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft gefoumlrdert und aus BfR-Mitteln co-finanziert Neben dem BfR beteiligen sich an dem For-schungsprojekt das International Livestock Research Institute die University of Zambia und das Central Veterinary Research Insti-tute als Teil des sambischen Ministeriums fuumlr Nutztiere und Fischerei Durch dieses Forschungsnetzwerk soll eine nachhaltige Partnerschaft aufgebaut werden

Mit dem Forschungsprojekt bdquoSAD-Zambialdquo leistet das BfR einen Beitrag zur Staumlrkung der Lebensmittelsicherheit und damit zur Ernaumlhrungssicherheit im suumldlichen Afrika Koordinatorin des Projekts ist Frau Dr Alexandra Fetsch Der sambische Doktorand Herr Bruno Phiri berichtet von seiner alltaumlglichen Arbeit Beide arbeiten in der Fach-gruppe bdquoMikrobielle Toxineldquo des BfR

POST AUS hellipSAMBIA

raquobdquoDas SAD-Zambia Projekt ist fuumlr mich ein Meilenstein und ich bin dem BfR sehr dankbar dass es mir diese Moumlglichkeit gibt Ich habe schon viel dazugelernt und konnte meine Kompetenzen bezuumlglich der Diagnose von Krankheitserregern verbessern Das Projekt bringt mich aber nicht nur persoumlnlich voran auch mein Land kann davon profitieren Mein Arbeitsalltag beginnt meist mit einem Besuch bei den Milchbauern und ihren Herden Dort schaue ich mir an wie die Kuumlhe gemolken werden und nehme Proben von den Tieren der Milch und der Umge-bung Auch in Milchsammelstellen und auf Maumlrkten nehme ich Proben Diese analysiere ich anschlieszligend im Labor an der Universitaumlt Schon jetzt freue ich mich auf die weiteren Untersuchungen der Bakterienstaumlm-me am BfR Ich war zu Beginn des Projektes dort ndash eine sehr eindrucks-volle Erfahrungldquo

(Bruno Phiri)

copy a

stud

ios

hutte

rsto

ckc

om

copy B

fR

24 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

Algengift in Tropenfischen

Bisher traten Lebensmittelvergiftungen durch Ciguato-xin ndash einem Algentoxin das in tropischen Speisefischen wie Barrakuda Schnapper oder Zackenbarsch enthalten sein kann ndash vorwiegend in den Tropen auf Mit dem zunehmenden Import von Fischen aus Suumldostasien haumlufen sich auch in Europa und seit 2012 in Deutschland Faumllle von Ciguatera Ein Problem dabei Eine Analyse-methode mit der Fisch routinemaumlszligig auf Ciguatoxine untersucht werden kann ist derzeit noch nicht verfuumlgbar Da weltweit nur wenige Labore auf den Nachweis von Ci-guatoxinen in Fischen spezialisiert sind wird im Projekt bdquoEuroCigualdquo der Europaumlischen Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit (EFSA) unter anderem an der Verbesserung entsprechender Analysemethoden und zum Vorkommen ciguatoxischer Fische in Europa geforscht Das BfR liefert fuumlr das Projekt Angaben zu Erkrankungsfaumlllen in Deutschland Die krankmachenden Algentoxine reichern sich uumlber die Nahrungskette in Raubfischen an und sind uumlberaus stabil Durch Erhitzen oder Tiefkuumlhlen lassen sie sich nicht entfernen Beim Menschen kann der Verzehr betroffener Fische dann zu Vergiftungen mit zum Teil schweren oder andauernden Beeintraumlchtigungen des Nervensystems fuumlhren An Ciguatera Erkrankte nehmen normale Kaumlltereize als ungewoumlhnlich schmerzhaft wahr

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt A-Z-Index Ciguatoxin

Alkaloide in Lupinensamen

In verarbeiteten Produkten oder zum Knabbern Lupinensamen sind im Trend Da sie jedoch toxikologisch relevante bittere Chinolizidinalkaloide enthalten koumlnnen bewertet das BfR ihr gesundheitliches Risiko Der Gehalt an Chinolizi-dinalkaloiden in Lupinensamen variiert je nach botanischer und geografischer Abstammung Samen die von bdquoBitterlupinenldquo stammen sind aufgrund ihrer houmlheren Gehalte ohne geeignete Vorbehandlung der bdquoEntbitterungldquo nicht zum Verzehr geeignet Denn Sie koumlnnen beim Menschen Vergiftungssymptome her-vorrufen Lupinenvarietaumlten die Samen mit niedrigen Alkaloidgehalten liefern werden als bdquoSuumlszliglupinenldquo bezeichnet Suumlszliglupinensamen sind auch ohne Entbitte-rung verzehrsfaumlhig In Deutschland kam es mit Bitterlupinensamen vereinzelt zu Vergiftungsfaumlllen Das BfR empfiehlt Herstellern daher nur ganze Lupinensamen in den Verkehr zu bringen die ohne weitere Entbitterungsprozesse verzehrsfaumlhig sind Mehl aus Lupinensamen sollten Hersteller aus alkaloidarmen oder ausrei-chend entbitterten Samen herstellen

Uumlbertragungswege des Hepatitis-E-Virus

Infektionen mit dem Hepatitis-E-Virus (HEV) koumlnnen zu einer akuten Leberentzuumlndung fuumlhren In den letzten Jahren sind die Zahlen gemeldeter Hepatitis-E-Faumllle des Menschen in Deutsch-land stark angestiegen Forschungsergebnisse des BfR in Zusam-menarbeit mit anderen Einrichtungen haben gezeigt dass das Virus in deutschen Haus- und Wildschweinen weit verbreitet ist Vereinzelt wurde HEV auch in Rehen und Rotwild nachgewiesen

Unklar ist derzeit noch auf welchen Wegen sich die Patienten mit dem Virus anstecken Moumlglich sind direkte Virusuumlbertra-gungen zum Beispiel vom Wildtier auf den Jaumlger und indirekte uumlber Lebensmittel die aus infizierten Tieren hergestellt wurden Wie aktuelle Studien des BfR zeigen kann HEV in verschiedenen Wurstwaren aus dem deutschen Einzelhandel nachgewiesen wer-den Fraglich ist ob das Virus in diesen Produkten noch anste-ckend ist oder ob es bei der Herstellung der Lebensmittel zerstoumlrt wird Hierfuumlr noumltige Untersuchungen waren in der Vergangenheit erschwert da sich HEV im Labor nur schlecht kultivieren lieszlig Erste Ergebnisse von Untersuchungen mithilfe eines am BfR ent-wickelten neuartigen Zellkultur-Systems weisen darauf hin dass HEV hitzeempfindlich ist aber bei Kuumlhlung oder Raumtempera-tur mehrere Wochen infektioumls bleiben kann

SPEKTRUM

copy N

eil B

urto

nsh

utte

rsto

ckc

om

copy N

atal

ia M

ylov

ash

utte

rsto

ckc

om

copy iS

tock

com

Mee

Poo

hyap

hoto

25012017

bdquoNur eine gemeinsame Strategie ist effektivldquo

Frau Kaumlsbohrer ein zentrales Thema Ihrer Forschung sind Antibiotikaresis-tenzen In der oumlffentlichen Debatte wird oft ein Zusammenhang hergestellt zwi-schen dem haumlufigen Einsatz von Anti-biotika in der Nutztierhaltung und dem Auftreten resistenter Bakterien in der Humanmedizin Doch werden bei Tieren nicht andere Antibiotika eingesetzt als bei MenschenUm die Unterschiede zu erlaumlutern muss man zwischen Praumlparaten und den antibiotischen Wirkstoffgruppen unterscheiden Beim Tier verwenden Veterinaumlrmediziner ande-re Praumlparate als Aumlrzte beim Menschen Der wirksame Inhaltsstoff das Antibiotikum kann aber dasselbe sein Die Antibiotika lassen sich wiederum in Wirkstoffgruppen einteilen Mit Blick auf die Wirkstoffgrup-pen gilt Die meisten Antibiotika die beim Menschen eingesetzt werden gehoumlren zu Wirkstoffgruppen die wir auch in der Vete-rinaumlrmedizin nutzen Es gibt nur ganz weni-ge Antibiotikagruppen die nur auf der einen oder der anderen Seite verwendet werden Dazu gehoumlren zum Beispiel die Carbapene-me die nicht beim Nutztier eingesetzt wer-den duumlrfen In der Humanmedizin kommen sie insbesondere zum Einsatz wenn andere Antibiotika nicht mehr wirksam sind

bdquoEine Resistenz ge-gen einen bestimm-ten Wirkstoff kann sich auch ausbrei-ten obwohl diese Wirkstoffgruppe nicht eingesetzt wurde

Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer leitet am BfR die Fachgruppe bdquoEpide-miologie Zoonosen und Antibiotika-resistenzldquo die unter anderem auch das Nationale Referenzlabor fuumlr Antibiotika- resistenzen umfasst Seit April 2016 ist sie auszligerdem Professorin an der Vetmeduni Vienna und leitet dort das Institut bdquoOumlffentliches Veterinaumlrwesenldquo

Wenn sie beim Nutztier nicht eingesetzt werden duumlrfen wie kann es dann sein dass Sie am BfR im Rahmen des For-schungsprojekts RESET Carbapene-mase-bildende Bakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden gefunden habenDie Entstehung von Antibiotikaresistenzen ist ein natuumlrlicher Vorgang bei Bakterien Durch den Gebrauch von Antibiotika wird dieser Prozess beschleunigt Eine Resistenz gegen einen bestimmten Wirkstoff kann sich auch ausbreiten obwohl diese Wirk-stoffgruppe nicht eingesetzt wurde Dank der Selektion gilt meist Wenn ich einen Wirkstoff einsetze gebe ich jenen Bakterien einen Vorteil die gegen den Wirkstoff resis-tent sind Aber Carbapenemasen also die Enzyme die von Carbapenem-resistenten Bakterien gebildet werden koumlnnen neben den Carbapenemen auch fast alle anderen

Bakterien die gegen Antibiotika resistent sind stellen ein Risiko fuumlr die oumlffentliche Gesundheit dar Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer widmet sich am BfR dieser Problematik Im Gespraumlch erklaumlrt sie welche Faktoren bei der Ausbreitung von Resistenzen eine Rolle spielen

copy M

icha

el B

ernk

opf

Vetm

edun

i Vie

nna

26 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

β-Laktam-Antibiotika inaktivieren Theo-retisch ist es daher moumlglich dass sich eine Resistenz gegen Carbapeneme ausbreitet obwohl der Tierarzt beim Nutztier eine an-dere Wirkstoffgruppe eingesetzt hat Ist die Resistenz bei Bakterien vorhanden gibt es viele Ausbreitungswege Ein Stall ist kein steriler Ort sondern belebte Umwelt Moumlg-liche Eintragswege fuumlr resistente Bakterien in einen Stall sind z B belebte Vektoren wie neu eingestallte Tiere Maumluse Fliegen oder Voumlgel aber auch unbelebte Vektoren wie Futter Wasser Staub oder Geraumltschaften

Was hat sich seit dem Fund der Carba-penemase-bildenden Enterobakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden fuumlr Ihre Arbeit beim BfR geaumlndert Der Fund hatte vielfaumlltige Konsequenzen Wir haben vor allem die gezielten Untersu-chungsaktivitaumlten verstaumlrkt Bakterien-Iso-late aus Tierbestaumlnden und Lebensmitteln werden seit 2014 im Rahmen des Resistenz-monitorings im BfR routinemaumlszligig auf eine Carbapenem-Resistenz getestet Auszligerdem steht seit 2015 fuumlr den Nachweis von Carba-penemase-bildenden Bakterien ein weiteres gezieltes Nachweisverfahren zur Verfuumlgung Hierzu muumlssen die Labore geschult werden Zusaumltzlich werden im Nationalen Refe-renzlabor fuumlr Antibiotikaresistenz am BfR Carbapenemase-verdaumlchtige Bakterien auf die charakteristischen Resistenzgene hin un-tersucht Am BfR wurden hierfuumlr verschie-dene Methoden fuumlr die Untersuchung von E coli und Salmonella etabliert Bisher wur-den sehr selten solche Resistenzgene nach-gewiesen bei Nutztieren das Gen blaVIM-1 bei einem Wildvogel das Gen blaNDM-1

Oftmals sind die Resistenzgene gegen Carbapeneme zusammen mit anderen Resistenzgenen auf mobilen geneti-schen Elementen lokalisiert Warum ist hier besondere Vorsicht gebotenZunaumlchst ist die Trefferwahrscheinlichkeit fuumlr eine Selektion houmlher wenn mehrere Re-sistenzgene auf einem genetischen Element liegen d h der Einsatz verschiedener Anti-biotika kann zu einem Selektionsvorteil fuumlh-ren Die Lokalisation von Resistenzgenen auf mobilen genetischen Elementen spielt fuumlr die Uumlbertragbarkeit von Resistenzen eine wichtige Rolle Denn Diese Resistenzgene koumlnnen mittels horizontalem Gentransfer auf ganz unterschiedliche Bakteriengruppen uumlbertragen werden Diese Erkenntnis hat eine Art Revolution ausgeloumlst Lange Zeit wurde ein Erreger mit all seinen Eigenschaf-ten als Einheit betrachtet Kann die Resis-tenz aber zwischen Bakteriengruppen hin

und her uumlbertragen werden verfaumllscht das moumlglicherweise den Blick auf eine Gruppe Folglich mussten die Nachweisverfahren umgestellt und die Uumlbertragbarkeit von Re-sistenzen mit analysiert werden Erschwe-rend kommt hinzu dass ein Resistenzgen auf einem grundsaumltzlich ungefaumlhrlichen

Bakterium zum Problem werden kann Manche Bakterien wie beispielsweise E coli gehoumlren zur normalen Darmflora Traumlgt so ein Bakterium eine Resistenzeigenschaft ist das erstmal nicht gefaumlhrlich Aber Es kann diese Eigenschaft moumlglicherweise an einen Infektionserreger weitergeben

Welche konkreten Folgen kann eine solche Weitergabe von Resistenzeigen-schaften habenSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt Schon jetzt weichen Aumlrzte auf Wirk-stoffgruppen aus die in der Humanmedizin lange verpoumlnt waren Dies gilt zum Beispiel fuumlr Colistin Fuumlr den Menschen ist es nicht gut vertraumlglich moumlgliche Nebenwirkun-gen sind beispielsweise die Schaumldigung der Nieren oder des Nervensystems In der Ve-terinaumlrmedizin hat Colistin seit Jahrzehnten eine erhebliche Bedeutung vor allem fuumlr die Behandlung von Infektionen des Ma-gen-Darm-Traktes bei Nutztieren auch um andere Wirkstoffgruppen zu vermeiden

Spielt im Fall von Colistin die Mobilitaumlt des Resistenzgens auch eine besonde-re Rolle Inzwischen ja Bis Ende 2015 waren sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler einig Eine Colistin-Resistenz ist nicht uumlbertragbar Das heiszligt kommt eine solche Resistenz bei einem Infektionserreger beim Nutztier vor ist sie nicht per se auf ein hu-manpathogenes Bakterium uumlbertragbar Doch Ende 2015 wurde in China erstmals das uumlbertragbare Gen mcr-1 beschrieben Untersuchungen in Belgien haben spaumlter zur Beschreibung eines weiteren mobilen Gens fuumlr die Colistin-Resistenz bei Nutztieren

bdquoSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

27012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Ausbreitung von Resistenzen

Haustiere

Krankenhaus

Belastetepflanzliche Lebensmittel

Belastete tierische Lebensmittel

Nutztiere

Futtermittel

Schaumldlinge

Uumlbertragungswege resistenter Bakterien

Menschen

Eine Antibiotikaresistenz entsteht

(z B durch Mutation)

Antibiotikatherapie beguumlnstigt die

Selektion resistenter Bakterien

Nahrung

Duumlnger Abwasser

Abwasser

28 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

gefuumlhrt mcr-2 Das bedeutet eine Uumlbertra-gung der durch diese Gene vermittelten Re-sistenz auf ein humanpathogenes Bakterium ist theoretisch moumlglich Allerdings scheint dies bisher selten der Fall zu sein

Diese Erkenntnisse offenbaren einen groszligen Forschungsbedarf Was tun Sie in der Abteilung bdquoBiologische Sicher-heitldquo um das Risiko zu bewerten Als 2015 klar wurde dass es eine uumlbertrag-bare Colistin-Resistenz gibt haben wir diese neue Erkenntnis in den laufenden Projekten natuumlrlich sofort aufgegriffen Im Rahmen des Forschungsprojekts RE-SET haben wir zum Beispiel vorhandenes Bakterienmaterial und die bei unseren Ko-operationspartnern verfuumlgbaren Gesamt-genominformationen auf das Vorkommen dieses neuen Resistenzgens gepruumlft Schnell war klar Ja dieses Gen finden wir in den Sequenzen Und die Pruumlfung von Colis-tin-resistenten Isolaten aus unserer Stamm-sammlung hat bestaumltigt dass dieses Resis-tenzgen bereits weit verbreitet ist

Muumlssen nun neue Forschungsprojekte zu dem Thema initiiert werdenJa denn viele Fragen bleiben bislang offen Wie haumlufig wird die Resistenz tatsaumlchlich uumlbertragen Was triggert diese Uumlbertra-gung Es gibt auch diagnostische Probleme Das uumlbliche Verfahren in der Humanmedi-zin um Resistenzen zu testen umfasst in der Regel nicht die Resistenz gegen Colistin Es gibt also viel zu tun Neue Diagnose- und Typisierungsverfahren aufbauen unser Re-sistenzmonitoring erweitern und routine-maumlszligig phaumlnotypisch resistente Isolate auf das Gen pruumlfen Die Ergebnisse muumlssen wir dann uumlbergreifend bewerten um Hand-lungsoptionen aufzuzeigen

Welche Uumlbertragungswege spielen bei der Colistin-Resistenz fuumlr den Men-schen eine Rolle Mit Sicherheit koumlnnen wir das derzeit nicht sagen Die chinesische Arbeitsgruppe hat Colistin-Resistenzen sowohl im Schweine-fleisch als auch beim Menschen gefunden Daher liegt die Hypothese nahe dass es eine Uumlbertragung uumlber Lebensmittel gibt Gleichzeitig gibt es generell die Beobachtung von nosokomialen Ausbreitungen resisten-ter Bakterien Das sind Ausbreitungen von Antibiotikaresistenzen im Krankenhaus

Resistenzen breiten sich aus Wunder-waffen verlieren ihre Wirkung selbst im Krankenhaus sind wir nicht sicher Gibt es uumlberhaupt eine effiziente Strategie gegen die Ausbreitung der Antibiotika- resistenzen Und wer ist dabei gefor-dertUm die Ausbreitung von Antibiotika- resistenzen zu verhindern braucht es eine gemeinsame Strategie Schlieszliglich sind hier komplexe Zusammenhaumlnge zwischen Mensch Tier und Umwelt am Werk Am BfR streben wir deswegen eine enge Zu-sammenarbeit mit allen Akteuren im oumlffent-lichen Gesundheits- und Veterinaumlrwesen an Bei diesem bdquoOne Health-Ansatzldquo sind sowohl Veterinaumlr- als auch Humanmedizi-ner gefordert Auch Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

Was sollten Verbraucherinnen und Ver-braucher beachtenHier gelten dieselben Hygieneregeln die auch fuumlr andere vom Tier oder vom Le-bensmittel auf den Menschen uumlbertragba-re Krankheitserreger gelten Zum Beispiel sollten sie sich nach dem Kontakt mit Tie-ren die Haumlnde mit warmem Wasser und Seife waschen Auch nach der Zubereitung von rohem Fleisch sollten die Haumlnde gruumlnd-lich gewaschen werden Fleisch Eier und Rohmilch sollten vor dem Verzehr durcher-hitzt werden Rohkost und Obst sollten vor dem Verzehr gruumlndlich mit Trinkwasser gewaschen oder geschaumllt werden Weiterhin wichtig ist den direkten oder indirekten Kontakt von rohem Fleisch und rohen Ei-ern mit verzehrfertigen Speisen die spaumlter nicht mehr erhitzt werden zu vermeiden Durch die Einhaltung der Hygieneregeln kann man einer Uumlbertragung von resisten-ten und oder pathogenen Bakterien auf an-dere Lebensmittel vorbeugen

Mehr erfahren Irrgang et al 2017 Recurrent detection of VIM-1-producing Escherichia coli clone in German pig production Journal ofAntimicrobial Chemotherapy 72 3 944ndash946

bdquoVerbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

RESET

Der Forschungsverbund RESET ndash Antibiotika-Resistenzen bei Tier und Mensch ndash beschaumlftigte sich von 2010 bis 2017 mit Resistenzen gegen die besonders wichtigen Antibiotika-Klas-sen der β-Laktam-Antibiotika und (Fluor-)Chinolone bei Darmbakterien wie Escherichia (E) coli Sind Bak-terien gegen beide Wirkstoffklassen resistent werden die therapeutischen Moumlglichkeiten drastisch eingeschraumlnkt Bei E coli und Salmonella enterica wurden derartige Resistenzen bereits nachgewiesen Das BfR beteiligte sich mit zwei Projekten an dem Forschungs-verbund Durch das konsequente Zusammenfuumlhren von Ergebnissen der unterschiedlichen Forschungsgebiete in einer gemeinsamen Datenbank konnten Erkenntnisluumlcken geschlossen und Risiken bewertet werden Das Projekt wurde vom Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) gefoumlrdert

29012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Kann es durch die Mischung verschiedener Pestizid-Ruumlckstaumlnde beim taumlglichen Verzehr zu gesundheitsgefaumlhrdenden Belastungen kommen

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

30 BfR 2 GO

Wenn von Paradigmenwechseln die Rede ist findet meist ein grundlegendes Umdenken statt In der Risikobewertung von Chemikalien habe ein Paradigmenwechsel stattge-

funden der die traditionelle Einzelsubstanz-Bewertung hinter sich lasse schrieben BfR-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler vor einiger Zeit Man koumlnnte meinen in der Toxikologie wird der Paracelsus-Satz kuumlnftig umgeschrieben Nicht nur die Dosis son-dern auch die Aufsummierung der Dosierungen in einer Mischung macht das Gift

Gift- oder Todescocktail ndash plakative Medienbegriffe

Denn tatsaumlchlich In den letzten Jahren beschaumlftigen sich weltweit immer mehr Gremien politische Ausschuumlsse und Forschungspro-jekte mit der Frage wie man die Auswirkungen von Mischungen auf Umwelt und Gesundheit kuumlnftig bewerten kann Auch in der Oumlffentlichkeit wird das Thema emotional verhandelt Chemikali-enmix Gift- oder sogar Todescocktail ndash mit plakativen Begriffen umschreiben Medien das Phaumlnomen der Mehrfachruumlckstaumlnde Entsprechend tief sitzt die Angst bei Verbraucherinnen und Ver-brauchern In einer vom BfR in Deutschland durchgefuumlhrten re-praumlsentativen Wahrnehmungsstudie vermuten 80 Prozent der Befragten dass der Einsatz mehrerer unterschiedlicher Pflanzen-schutzmittel zu gesundheitlichen Beeintraumlchtigungen durch Le-bensmittel fuumlhren kann

Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck sein

Zwar zeigen verschiedene aktuelle Monitoring-Projekte dass das gesundheitliche Risiko durch Mehrfachruumlckstaumlnde von Pflanzen-schutzmitteln unwahrscheinlich ist (s Interview) aber das Thema bleibt auch fuumlr die Wissenschaft draumlngend Denn auch wenn Mi-schungen schon seit Jahrzehnten wissenschaftlich analysiert und bewertet werden das Beduumlrfnis nach einer zuverlaumlssigen Bewertung der Risiken fuumlr Mensch und Umwelt steigt Grund dafuumlr ist zum einen die Vielzahl immer neuer Wirkstoffe Zusatzstoffe Chemika-lien Ruumlckstaumlnde und Kontaminanten gegenuumlber denen Menschen exponiert sind verbunden mit immer verfeinerten wissenschaftli-chen Nachweismethoden Zum anderen steigt der Druck aus der Oumlffentlichkeit Um wissenschaftliche Divergenzen zu vermeiden muumlssen transparente und international harmonisierte Verfahren entwickelt werden Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck in der Risikobewertung sein

Alle Gemische im Tierversuch zu testen ist nicht durchfuumlhrbar

Worum geht es im Einzelnen Mischungen liegen immer dann vor wenn ein Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt verschiedene Stoffe gleichzeitig aufnimmt z B Ruumlckstaumlnde Kontaminanten oder Chemikalien die nach der Europaumlischen Chemikalienverordnung REACH registriert sind Das geschieht wenn sogenannte intentional mixtures also beabsichtigte Mischungen wie Pflanzenschutzmittel oder Biozide in den Verkehr gebracht werden Aber auch unintenti-onal mixtures nimmt der Koumlrper auf Sei es dass verschiedene Stoffe in einem Produkt enthalten sind z B mehrere Pflanzenschutzmit-telruumlckstaumlnde in einem Apfel Oder sei es dass Stoffe gleichzeitig uumlber unterschiedliche Produkte aufgenommen werden In all diesen Faumlllen koumlnnen Mischungseffekte auftreten Diese sind je nach Wirk-mechanismus unterschiedlich stark ausgepraumlgt So koumlnnen sich die Wirkungen von Stoffen gegenseitig potenzieren oder auch aufheben Nach derzeitigem Kenntnisstand wird davon ausgegangen dass sich Wirkungen in der Regel addieren wenn die aufgenommenen Stoffe oberhalb der Wirkschwelle liegen den gleichen Wirkmechanismus haben und zu einem relevanten Zeitpunkt vom Organismus aufge-nommen wurden

Hier beginnen die Schwierigkeiten Es gibt zu viele intentional mix-tures die eine nahezu unuumlbersehbar groszlige Anzahl von Kombinati-onen ermoumlglichen Diese Gemische alle im Tierversuch zu testen wie sonst bei Einzelsubstanzen uumlblich waumlre sowohl ethisch nicht zu vertreten als auch praktisch nicht durchfuumlhrbar Daher arbeiten viele Forschungsprojekte u a der EU-Kommission daran tierversuchs-freie Methoden fuumlr die kumulative Bewertung zu entwickeln die die Effekte von Mischungen in vitro oder durch computergestuumltzte Be-rechnungen in silico berechnen (s Interview und Kasten)

Weltweit setzen Laumlnder das Thema auf ihre Agenda

Nicht nur fuumlr die Wissenschaft auch fuumlr den harmonisierten Voll-zug von Gesetzen ergeben sich dadurch neue Herausforderungen So schreibt z B die EU-Verordnung uumlber das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vor Kumulations- und Synergieeffekte zu be-ruumlcksichtigen ndash sofern es von der Behoumlrde anerkannte wissenschaft-liche Methoden zur Messung solcher Effekte gibt Doch die lagen bisher nicht vor Deshalb werden nun auf allen Ebenen technische Leitfaumlden fuumlr die neuen Methoden erstellt um eine harmonisierte

Auf die Mischung kommt es anKumulative Risikobewertung nimmt weltweit eine immer groumlszligere Bedeu-tung in der Toxikologie ein Das BfR arbeitet an einer Vielzahl von Projek-ten wie Mischungen in Zukunft bewertet werden koumlnnen

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

31012017

Vorgehensweise und transparente Nachvollziehbarkeit bei der Zu-lassung von Produkten zu gewaumlhrleisten Unter anderem die EFSA die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmittelsicherheit die Europauml-ische Chemikalienagentur ECHA und das JRC die Gemeinsame Forschungsstelle der Europaumlischen Kommission erarbeiten solche technischen Leitfaumlden

Neben der wissenschaftlichen Komplexitaumlt muumlssen diese techni-schen Leitfaumlden weitere Herausforderungen meistern Sie sollen fuumlr alle Bereiche gelten in denen Mischungen in Verkehr gebracht werden oder entstehen koumlnnen Bisher wurden Mischungen haumlufig nur in einem regulatorischen Bereich untersucht z B als Pflan-zenschutzmittel Biozid oder Arzneimittel Fuumlr andere Stoffe wie Lebensmittelzusatzstoffe oder Kontaminanten war die Bewertung von Mischungen bisher nicht klar gesetzlich reguliert In Zukunft sollen auch diese Stoffe bei einer Bewertung von Mischungen besser beruumlcksichtigt werden Auch soll nicht nur die chemische Zusam-mensetzung eines einzelnen Produktes systematisch bei der Zu-lassung beruumlcksichtigt werden sondern auch Mehrfachruumlckstaumlnde im gesamten Warenkorb den Verbraucherinnen und Verbraucher durchschnittlich zu einer gegebenen Zeit konsumieren Und zu gu-ter Letzt muumlssen die neuen Verfahren weltweit harmonisiert werden um das kumulative Risiko fuumlr Mensch und Umwelt auch angesichts globaler Warenketten gering zu halten Deshalb diskutieren Politik und Wissenschaft zurzeit nicht nur auf europaumlischer Ebene entspre-chende Leitfaumlden auch andere Laumlnder weltweit sowie die Weltge-sundheitsorganisation WHO und die Organisation fuumlr wirtschaftli-che Zusammenarbeit und Entwicklung OECD haben die kumulative Bewertung auf ihre Agenda genommen und stimmen ihre Guidance Documents mit den uumlbrigen Behoumlrden ab

Deutschland wendet die kumulative Bewertung schon an

Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR sind an zahlreichen dieser internationalen Projekte beteiligt sowohl an der wissenschaftlichen Erforschung kumulativer Effekte als auch an der Entwicklung technischer Leitfaumlden Einen wichtigen Schritt bei der kumulativen Bewertung hat Deutschland in der Europaumlischen Uni-

Stufe um Stufe zu einer gesicherten Bewertung

Seit Maumlrz 2017 wird in Deutschland eine Methodik fuumlr die Bewertung von Kumulations- und Synergie-effekten bei der gesundheitlichen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln in den Zulassungsverfahren angewandt Grundlage fuumlr das gestufte kumulative Bewertungsverfahren ist der sogenannte bdquoHazard Quotientldquo (HQ) der fuumlr jeden einzelnen Stoff ermit-telt wird Der HQ errechnet sich aus dem Verhaumlltnis zwischen dem relevanten gesundheitlichen Grenz-wert und der geschaumltzten Exposition

In einer ersten Stufe wird der HQ fuumlr alle Stoffe eines Gemisches einzeln ermittelt Liegt der HQ jedes Stoffes unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko fuumlr die einzelnen Bestandteile der Mischung zu erwarten Liegt dieser bei einzelnen Stoffen uumlber 1 wird gepruumlft ob die Exposition durch geeignete Maszlignahmen weiter vermindert werden kann zum Beispiel durch das Tragen entsprechender Schutz-kleidung

Liegt der HQ fuumlr alle Komponenten unter 1 wird in einer zweiten Stufe der sogenannte bdquoHazard Indexldquo (HI) des Gemisches ermittelt indem alle Gefahren-quotienten der verwendeten Stoffe addiert werden Liegt der ermittelte Wert weiterhin unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko durch das Gemisch zu erwarten

Liegt der HI uumlber 1 geht die Bewertung mit weiter verfeinerten Methoden in die dritte Stufe uumlber In dieser wird gepruumlft ob ein gesundheitliches Risiko vorliegt wenn eine Gruppierung der Einzelstoffe vorgenommen wird Dazu koumlnnen die einzelnen Stoffe in kumulative Bewertungsgruppen (cumula-tive assessment groups CAGs) eingeteilt werden die z B nach Effekten im gleichen Zielorgan oder nach dem gleichen Wirkmechanismus oder nach chemischer Verwandtschaft definiert sein koumlnnen Hintergrund dieser Einteilung ist die Annahme dass sich nach gegenwaumlrtigem Kenntnisstand nur Effek-te addieren die hinsichtlich der Zielorgane oder der Wirkmechanismen (MOA) vergleichbar sind Auch die relative Potenz der einzelnen Stoffe soll bei der verfeinerten Bewertung beruumlcksichtigt werden Liegt der HI innerhalb einer CAG unter 1 ist deshalb kein gesundheitliches Risiko zu erwarten Liegt er oberhalb des Wertes und koumlnnen weder Expositionsschaumltzung noch Gefahrenbewertung weiter verfeinert werden gilt das Gemisch als nicht sicher

Das mehrstufige Verfahren hat den Vorteil dass die ressourcenaufwendigeren Methoden zur verfei-nerten Bewertung z B in vergleichbaren CAGs oder MOAs nur zum Einsatz kommen wenn mit den ersten einfacheren Bewertungsmethoden nicht nachweisbar ist dass kein gesundheitliches Risiko zu erwarten ist

copy T

atom

mis

tock

com

32 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

EuroMix A tiered strategy for risk assessment of mixtures of multiple chemicals

EuroMix ist ein laumlnderuumlbergreifendes Projekt der EU-Kommission das die nie-derlaumlndische Behoumlrde fuumlr Gesundheit und Umweltschutz RIVM koordiniert Es zielt darauf ab eine tierversuchsfreie experi-mentelle Test-Strategie zu entwickeln um die Toxizitaumlt von Gemischen verschiedener toxikologisch relevanter Lebensmittelin-haltsstoffe Lebensmittelkontaminanten und Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde besser zu bestimmen Aus den Forschungsergeb-nissen wird ein Leitfaden fuumlr die kuumlnftige Umsetzung einer experimentellen Test-Stra-tegie entwickelt Das Acht-Millionen-Eu-ro-Projekt laumluft bis Mai 2019

Mehr erfahren wwweuromixprojecteu

Kombinationseffekte Forschungsprojekte des BfR

Am BfR werden in verschiedenen Abteilungen mehrere interne Forschungsprojekte zu Kombinationseffekten durch-gefuumlhrt Dazu gehoumlren u a Forschungsprojekte zu kumulativen Wirkungen in Pflanzenschutzmitteln und Bioziden zu Mehrfachruumlckstaumlnden in Lebensmitteln zur Expositionsschaumltzung sowie zu wirbeltierfreien Alternativmethoden Daruumlber hinaus ist und war das BfR auch an folgenden Drittmittel-Projekten beteiligt die zu Kombinationseffekten forschen

Combiomics Analyse von Kombinationseffekten von Pestiziden in vitro

Combiomics war ein zweieinhalbjaumlhri-ges Projekt des Bundesministeriums fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) das im Fruumlhling 2016 abgeschlossen wurde In dem vom BfR koordinierten Projekt wurden moumlgliche Kombinationswirkungen durch Mehrfachruumlckstaumlnde beispielhaft anhand einer Gruppe von Fungiziden in vitro unter-sucht Dazu wurden die molekularen Effek-te der Triazole mittels multi level omics und praumldiktiver mathematischer Modellierung untersucht Ausgehend von den Ergebnissen wurde ein Praumldiktionsmodell fuumlr Substanz-kombinationen erstellt validiert und auf Pestizide anderer Stoffgruppen bzw weitere Substanzklassen ausgedehnt um Kombi-nationseffekte kuumlnftig weitgehend ohne Tierversuche durchfuumlhrbar zu machen

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschung gt Drittmittelprojekte gt Combiomics

Combiomics 2Auch die zweite Projektphase von Com-biomics wird vom BfR koordiniert Hier sollen erfolgreich getestete Methoden und Zelllinien in Form einer standardisierten In-vitro-Testbatterie validiert und in ein Standardverfahren integriert werden das auch kuumlnftigen regulatorischen Anforde-rungen entspricht Das dreijaumlhrige Projekt wird vom BMBF bis Ende 2019 gefoumlrdert

Mehr erfahren wwwfisaonlinede gt Kombinationseffekte Pestizide

on schon jetzt unternommen Am 1 Maumlrz 2017 erschien im Bundesanzeiger eine Be-kanntmachung dass Kumulations- und Synergieeffekte in der gesundheitlichen Be-wertung von Pflanzenschutzmitteln kuumlnf-tig durch das BfR beruumlcksichtigt werden Damit bezieht Deutschland bei der zonalen Zulassung von Pflanzenschutzmitteln eine systematische kumulative Bewertung ein

Ein Leitfaden zur kumulativen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln wurde am BfR erarbeitet basierend auf den internatio-nalen Diskussionen bei EFSA und ECHA und 2014 veroumlffentlicht Seitdem wird das Verfahren am BfR angewandt uumlberpruumlft und verfeinert Im Kern geht es darum in einem mehrstufigen Verfahren verschie-dene Wirkstoffe in einem Pflanzenschutz-mittel oder in einer beantragten Tankmi-

schung kumulativ zu bewerten (s Kasten) Dazu werden sowohl die Exposition der Anwenderinnen und Anwender als auch die akute Exposition der Verbraucherinnen und Verbraucher betrachtet sodass die am meisten exponierten Gruppen beruumlcksich-tigt sind

Das Ziel Mischungen weltweit harmonisiert zu bewerten

Die Einfuumlhrung der Konzepte zur kumu-lativen Bewertung von Pflanzenschutzmit-teln hat auch in anderen EU-Laumlndern Aus-wirkungen auf die Risikobewertung Wenn Deutschland im zonalen Zulassungsverfah-ren bewertender Mitgliedstaat ist wird das Verfahren grundsaumltzlich angewandt Aber auch in die Bewertungsberichte anderer Laumlnder flieszligt die kumulative Bewertung als

deutscher Kommentar mit ein Durch den fachlichen Austausch zwischen den Mit-gliedstaaten wurde das Konzept in den letz-ten Jahren einem Peer-Review unterzogen Um die Praxis europaweit noch besser zu harmonisieren werden derzeit auszligerdem internationale Workshops organisiert auf denen diskutiert wird wie Mischungen bei der Risikobewertung kuumlnftig beruumlcksichtigt werden sollen Das BfR veranstaltet einen solchen Workshop im November 2017 im Auftrag der Europaumlischen Kommission die Franzoumlsische Behoumlrde fuumlr gesundheitlichen Verbraucher- Umwelt- und Arbeitsschutz (ANSES) einen weiteren im Februar 2018 unter aktiver Beteiligung des BfR

Das Ziel Mischungen weltweit harmoni-siert zu bewerten um Mensch und Umwelt besser zu schuumltzen ruumlckt damit naumlher

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

33012017

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

bdquoZiel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertungldquo Interview mit Herrn Dr Roland Solecki uumlber die Forschungsaktivitaumlten des BfR zu Mehrfachruumlckstaumlnden

Herr Solecki bei Mehrfachruumlckstaumlnden von Pflanzenschutzmitteln sprechen die Medien oft von einem bdquoGiftcocktailldquo Haben Sie Erkenntnisse daruumlber wie groszlig das gesundheitliche Risiko tat-saumlchlich istDas BfR hat dazu gemeinsam mit dem Bun-desministerium fuumlr Ernaumlhrung und Land-wirtschaft und dem Bundesamt fuumlr Ver-braucherschutz und Lebensmittelsicherheit einen Bericht uumlber die kumulativen Wir-kungen von Pflanzenschutzmitteln veroumlf-fentlicht Dieser basiert auf einer Methodik der niederlaumlndischen Behoumlrde fuumlr Gesund-heit und Umweltschutz RIVM Hintergrund ist ein Monitoring das uumlber einen Zeitraum von sechs Jahren in Deutschland durchge-fuumlhrt wurde Darin wurde untersucht wel-che Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde durch-schnittlich uumlber Lebensmittel aufgenommen werden Das Ergebnis war dass auch unter Worst-Case-Annahmen fuumlr die Mischungen von Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnden ein gesundheitliches Risiko unwahrscheinlich ist Die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit EFSA kam in ihrem Monito-ring-Bericht von 2015 fuumlr Gesamteuropa zu einem aumlhnlichen Ergebnis

Sie arbeiten unter anderem bei dem Pro-jekt EuroMix mit Worum geht es dabeiEs handelt sich um ein groszliges Forschungs-projekt der EU-Kommission zur kumulati-ven Bewertung von Mischungen im Rahmen von Horizont 2020 dem Rahmenprogramm der Europaumlischen Union fuumlr Forschung und Innovation Das Projekt hat zum Ziel neue Bewertungsmethoden fuumlr Mischungseffekte zu erarbeiten besonders auch im Hinblick auf Alternativen zu Tierversuchen innovati-ve Wege der Expositionsschaumltzung und Mo-dellierung von kumulativen Risiken Dabei geht es nicht nur um Pflanzenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatzstoffe und andere Chemikalien

Wie ist das BfR da in EuroMix einge-bundenVom BfR arbeiten sowohl die Abteilung Sicherheit von Pestiziden als auch die Ab-teilung fuumlr Lebensmittelsicherheit am Eu-roMix-Projekt mit Waumlhrend die von mir geleitete Abteilung fuumlr die regulative Bewer-tung eingebunden ist werden in der Abtei-lung Lebensmittelsicherheit experimentelle Arbeiten unter anderem zur Lebertoxizitaumlt durchgefuumlhrt in denen auch Kombinatio-nen von Pestiziden mit anderen Lebensmit-telinhaltsstoffen gepruumlft werden

Woran forschen Sie im EuroMix-ProjektWir haben zunaumlchst recherchiert welche gesetzlichen Anforderungen bestehen und wie unterschiedliche Behoumlrden weltweit

Mischungseffekte bewerten Und wir haben Forschungen zu Mischungen durchgefuumlhrt die bestimmte adverse Effekte auf die Leber verursachen Dabei wurden bestimmte Schluumlsselelemente untersucht um daraus ein Konzept fuumlr die Bewertung zu erarbei-ten Jetzt werden die Omics-Untersuchun-gen und andere alternative Pruumlfverfahren noch durch Tierversuche ergaumlnzt sodass wir auch am Gesamtorganismus die Effek-te uumlberpruumlfen koumlnnen Gleichzeitig werden die statistischen Hilfsmittel und die ande-ren elektronisch basierten Tools weiterent-wickelt Auszligerdem folgen noch weitere Stu-dien zur Exposition Die finalen Ergebnisse liegen am Ende des Projekts im Jahr 2019 vor

In welche weiteren europaumlischen Aktivi-taumlten ist das BfR eingebundenDie EFSA hat bereits einige Ansaumltze zur Bewertung der kombinierten Exposition gegenuumlber mehreren Pestiziden und Kon-taminanten bei Menschen sowie mehreren Pestiziden bei Bienen entwickelt Derzeit ist die EFSA damit befasst neue Ansaumltze und Instrumente zur Harmonisierung der Be-wertung von Risiken fuumlr Mensch und Um-welt zu erarbeiten die von der Exposition gegenuumlber mehreren chemischen Stoffen in der Lebensmittelkette ausgehen Ich bin derzeit Mitglied einer Arbeitsgruppe von Sachverstaumlndigen die der Wissenschaftliche Ausschuss der EFSA eingerichtet hat um Leitlinien im Hinblick auf die kombinierte Exposition gegenuumlber mehreren chemi-schen Stoffen zu entwickeln Diese Initiative unter dem Namen bdquoMixToxldquo wird 2018 den Leitfaden in einer oumlffentlichen Konsultation diskutieren

Bei dieser Vielzahl an Aktivitaumlten Wel-ches Ziel haben Sie persoumlnlich vor Au-genDas Ziel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertung von Stoffen in der gesundheitlichen Risikocharakterisie-rung und deren harmonisierte Implemen-tierung in den gesetzlichen Verfahren Dies wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen

bdquoBei den kumulati-ven Risiken geht es nicht nur um Pflan-zenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatz-stoffe und andere Chemikalien

Dr Roland Solecki leitet die Abteilung bdquoSicherheit von Pestizidenldquo am BfR

copy B

fR

34 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

SPEKTRUM

Identifizierung endokriner Disruptoren Vom Grundsatz in die Praxis

Fuumlr Pestizid-Wirkstoffe und andere Chemikalien sind harmonisierte wissenschaftliche Kriterien erforderlich mit denen hormonschaumldigende Substanzen identifiziert werden koumlnnen Das BfR veroumlffentlichte hierzu bereits 2016 ein Konsenspapier als wissenschaftliche Grundlage fuumlr die darauffolgende Arbeit der EU-Behoumlrden Auf legislativer Ebene werden aktuell EU-weit geltende Ver-ordnungen festgelegt um auf wissenschaftlicher Ebene Leitlinien zur regulatorisch harmonisierten Umsetzung dieser Verordnungen zu erarbeiten Mit dieser Aufga-be hat die EU-Kommission die EFSA und die ECHA gemeinsam beauftragt Das BfR unterstuumltzt die Behoumlr-den mit wissenschaftlicher und technischer Expertise indem es die entsprechende Arbeitsgruppe bei der EFSA personell verstaumlrkt sowie Recherchen und Umfragen zur Praktikabilitaumlt von Untersuchungsmethoden durchfuumlhrt Die Publikation der Leitlinien wird fuumlr Fruumlhjahr 2018 erwartet Sie koumlnnen auf Basis der verabschiedeten Ver-ordnungen nach ihrer Implementierung in der Genehmi-gungspraxis angewendet werden

Mehr erfahren Solecki et al 2017 Scientific principles for the identification of endocrine-disrupting chemicals a consensus statement Arch Toxicol 91 1001ndash1006

Insekten-Stopp in Textilien Allergene Wirkung unwahrscheinlich

Das Risiko fuumlr eine Allergie nach dem Kontakt mit Kleidung und Produkten die mit dem Biozid Permethrin behandelt sind ist nach derzeitigem Kenntnisstand unwahrscheinlich Das ist das Ergebnis einer aktuellen Risikobewertung des BfR Gestuumltzt wird das Ergebnis dadurch dass trotz weitverbreiteter Anwendung des Wirkstoffs in Medikamenten und Verbraucherprodukten kein Anstieg der Kontaktallergien gegenuumlber Permethrin zu verzeichnen ist Das Risiko fuumlr kanzero-gene systemische Effekte infolge einer dermalen und oralen Exposition gegenuumlber Permethrin aus Textilien ist nach Ansicht des BfR vernachlaumlssigbar gering Permethrin ist ein biozider Wirkstoff der zum Schutz gegen Insekten in Produkten wie Schlafsaumlcken Picknick- und Yogadecken sowie Teppichen und Kleidung eingesetzt wird Er ist im Chemikalienrecht als sensibilisierend eingestuft ein moumlgliches geringes kanzerogenes Potenzial wird von verschiedenen wissenschaftlichen Gremien diskutiert Der Wirkstoff kann aus Textilien freigesetzt und uumlber die Haut aufgenommen werden Bei kleinen Kindern die viele Produkte in den Mund nehmen kommt eine moumlgliche orale Aufnah-me des Stoffes hinzu

Mehr erfahren Stellungnahme Nr 0062017 des BfR vom 25 April 2017

Wie wirkt Aluminium in Leber und Darm

Aluminium ist in Lebensmitteln Kosmetika und Bedarfsge-genstaumlnden enthalten und kann uumlber die Nahrung aufgenom-men werden Erste Ergebnisse aus dem deutsch-franzoumlsischen Forschungsprojekt bdquoSolNanoToxldquo mit Beteiligung des BfR zeigen dass sich aus der Nahrung aufgenommene Aluminiumverbin- dungen temporaumlr im Darm anreichern Ob und in welchen Men-gen die Partikel weiter in den Koumlrper insbesondere in die Leber gelangen und welche Faktoren ihre Wirkung beeinflussen wird aktuell erforscht Die Forschungsgruppe sieht Anhaltspunkte dafuumlr dass ein Teil der angereicherten Partikel mit dem Stuhl wieder ausgeschieden wird Fuumlr seine Untersuchung simulierte das BfR anhand biologischer Proben die Verdauung verschiede-ner Aluminiumarten vom Mund uumlber den Magen bis zum Darm Mithilfe von Enzymen und Salzen wurden dabei physiologische Parameter wie der pH-Wert gesteuert Waumlhrend des simulierten Verdauungsprozesses veraumlnderten die Aluminiumverbindungen ihre chemische Reaktionsfaumlhigkeit und Loumlslichkeit Die Erkennt-nisse sind ein erster Schritt um den Prozess der Aufnahme Resorption und Verteilung von Aluminium im Koumlrper besser zu verstehen und daraus Daten fuumlr die Risikobewertung abzuleiten Aluminiumverbindungen koumlnnen in zu hohen Dosen toxisch auf das Nervensystem und ungeborenes Leben wirken sowie die Fruchtbarkeit und Knochenentwicklung beeinflussen

copy B

fR

copy c

gsto

cks

hutte

rsto

ckc

om

copy R

osel

ynne

shu

tters

tock

com

35012017

Bei Kleidung ist besonders der Einsatz von Silber-Nanopartikeln weit verbreitet Silber wirkt antibakteriell und soll die Geruchs-bildung durch Schwitzen reduzieren Beim Einsatz von Nanosilber in Kleidungsstuuml-cken ist in erster Linie eine Freisetzung in Schweiszlig und somit ein moumlglicher Hautkon-takt relevant Neben der Frage ob und in welcher Menge Silber prinzipiell aus Texti-lien herausgeloumlst wird beschaumlftigt sich die Forschung mit der Frage welchen Einfluss die Technologie hat mit der Nanosilber auf Textilien aufgetragen bzw eingebracht wird Bisher war zudem unklar inwiefern die Oberflaumlchenbeschichtung der Nano-partikel die Abgabe beeinflusst

Kuumlnstlicher Schweiszlig simuliert Freisetzung

In einem Forschungsprojekt pruumlfte das BfR neun Proben von Textilien die mit Nanosil-ber veredelt waren Als Vergleich diente ein mit konventionellem Silber (hier Silbersalz mit einem Partikeldurchmesser groumlszliger als 100 Nanometer) ausgeruumlstetes Textil Zwei der Textilien waren sogenannte Komposite bei denen Nanosilber in die Faser integriert ist Bei den anderen getesteten Textilien war die Faseroberflaumlche mit Silber-Nano-partikeln bzw in einem Fall mit konventio-nellem Silber beschichtet (Textil-Coating) Um die Abgabe von Silber durch Schwitzen

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

Kleidung wird durch sie wasser- und schmutzabweisend sie blocken UV-Strahlen und mindern Geruumlche Nanoma-terialien haben beliebte funktionelle Eigenschaften Ob sie aufgrund ihrer Winzigkeit gesundheitliche Risiken bergen ist indes noch weitgehend unbekannt In einem Forschungsprojekt uumlber Nanosilber hat das BfR ermittelt ob sich die Kleinstteilchen aus Textilien herausloumlsen und damit zum gesundheitlichen Risiko werden koumlnnen

Nanomaterial

ist ein natuumlrliches bei Prozessen anfallendes oder kuumlnstlich hergestelltes Material das Partikel in ungebundenem Zustand als Aggregat oder als Agglo-merat enthaumllt und bei dem die Mehrheit der Partikel ein oder mehrere Auszligen-maszlige im Bereich unter 100 Nanometer hat In Nanogroumlszlige kann ein Stoff andere Eigenschaften besitzen als wenn er in Form groumlszligerer Partikel vorliegt

copy o

still

shu

tters

tock

com

36 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von Textilfasern Links Nanokomposit bei dem kaum Silberpartikel an der Faseroberflaumlche zu finden sind Mitte und rechts Textilien mit Silbercoating hier befindet sich insgesamt mehr Silber auf der Oberflaumlche

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

zu simulieren wurden die Textilien fuumlr 24 Stunden in einer Schweiszligsimulanz-Louml-sung inkubiert Fuumlr die Auswertung wurde zunaumlchst der gesamte Silbergehalt in den Schweiszligloumlsungen mit massenspektromet-rischen Messmethoden bestimmt In den Proben in denen Silber vorhanden war wurden anschlieszligend mit Zentrifugation und einer speziellen Methode zum Messen von Einzelpartikeln geloumlstes und partikulauml-res Silber unterschieden Im letzten Schritt wurden die Partikelgroumlszligen des vorgefun-denen partikulaumlren Silbers gemessen um nanoskaliges Silber zu identifizieren

Silber aus Kleidung freigesetzt

Die Untersuchung des BfR zeigte dass von jeder Textilprobe Silber in die Schweiszligsi-mulanz-Loumlsung uumlberging je nach geteste-tem Textil zwischen 7 und 75 Prozent des originaumlr in den Textilien enthaltenen Sil-bers Dabei setzten die beschichteten Tex-tilien mehr Silber frei als die Komposite Den houmlchsten abgegebenen Anteil fand das BfR bei dem mit konventionellem Silber beschichteten Textil Die Freisetzung wird demnach staumlrker durch die Technologie der Veredelung bestimmt als durch die im Tex-til enthaltene Menge Auszligerdem scheint die Abgaberate von Silber aus Nanosilber im Vergleich zu konventionellem Silber nicht erhoumlht zu sein

In der Schweiszligloumlsung lag das freigesetzte Silber uumlberwiegend geloumlst vor Partikulaumlres Silber fand sich nur zum geringeren Teil dann jedoch auch im Nanometerbereich Ob es sich dabei um einzelne Nanoparti-kel handelt oder ob das Silber an groumlszligere Partikel gebunden ist muss in weiteren Untersuchungen uumlberpruumlft werden Nach

derzeitigem wissenschaftlichem Kennt-nisstand geht man davon aus dass sich Nanopartikel im Koumlrper anders verhalten als groumlszligere Partikel Uumlberraschenderweise detektierte die Forschungsgruppe auch in den Schweiszligsimulanzien der mit konven-tionellem Silber beschichteten Textilien partikulaumlres Silber in Nanogroumlszlige Das Vor-kommen von Silberpartikeln scheint also nicht davon abhaumlngig zu sein ob das Silber in Nano- oder konventioneller Form auf das Textil aufgebracht wurde

In einer parallelen Untersuchung fanden die Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler heraus dass zudem die Beschaffenheit der Nanopartikel beispielsweise in Form einer speziellen Beschichtung ihre Loumlslichkeit in der Schweiszligloumlsung beeinflusst

Art der Beschichtung relevant

Silber wird demnach aus Textilien freige-setzt in geringen Teilen sogar in partiku- laumlrer Form Die gewaumlhlte Form der Tex-tilfunktionalisierung aber auch die Be-schaffenheit der Nanopartikel stellen dabei wichtige Kriterien fuumlr das Freisetzungsver-halten dar Solche Erkenntnisse sind vor al-lem fuumlr den sicheren Einsatz von Nanoma-terialien in Alltagsprodukten wichtig weil die Exposition des Menschen gegenuumlber derartigen Stoffen moumlglichst klein gehalten werden sollte Auszligerdem geben sie Hin-weise in welcher Anwendungsform Nano-materialien im verbrauchernahen Bereich sicher eingesetzt werden koumlnnen

Mehr erfahren Wagener et al 2016 Textile Functionalization and Its Effects on the Release of Silver Nanoparticles into Artificial Sweat Environ Sci Technol 50 11 5927ndash5934

Per Flugzeitmassenspek-trometer laumlsst sich Silber auf beschichteten Textil-fasern detektieren

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

NANOPARTIKEL

37012017

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

38 BfR 2 GO

Neuer Ansatz fuumlr Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

Spiegelbild gesucht

Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR zeigt einen neuen Ansatz um mithilfe von Genexpressionsdaten das geeignete Tiermodell fuumlr die Grundlagenforschung oder fuumlr spezifische klinische Fra-gestellungen zu identifizieren Damit koumlnnen zukuumlnftig unnoumltige Tierversu-che vermieden werden Hamburger Wissenschaftsbehoumlrden wuumlrdigten die Erkenntnisse mit einem Forschungspreis

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

39012017

Fragestellung

Vergleich

Auswahl

z B bdquoMit welchem Mausmodell koumlnnen die Ursachen von Alzheimer erforscht werdenldquo

Vergleich von vorhandenen Omics-Expressionsdaten von Mensch und Tier

Auswahl des geeigneten Modells

1

2

3

Geeignete Tiermodelle identifizieren

An Tiermodellen werden zahlreiche biologische Prozesse und Krankheiten wie Wund-

heilung Diabetes Tumoren oder entzuumlndliche Erkrankungen erforscht Durch den

Vergleich der Omics-Expressionsdaten von Tiermodell und Mensch koumlnnen geeignete

Modelle fuumlr die jeweilige Fragestellung identifiziert werden

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

40 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Verlaumluft ein entzuumlndlicher Prozess bei Maumlusen aumlhnlich wie beim Menschen Sind Maumluse daher geeignete Ver-

suchstiere fuumlr Tests von antientzuumlndlichen Substanzen Um Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung in den klinischen Alltag zu uumlberfuumlhren ndash Aufgabengebiet der translationalen Forschung ndash werden wissen-schaftliche Fragestellungen oft in Tierversu-chen erprobt Ob und inwieweit die Ergeb-nisse auf den Menschen uumlbertragbar sind ist dabei immer wieder Gegenstand kontrover-ser Diskussionen Geeignete Methoden mit denen die Wissenschaft Tiermodelle mit op-timaler Uumlbertragbarkeit auf den Menschen auswaumlhlen kann wuumlrden dem wissenschaft-lichen Fortschritt helfen und die Zahl der Tierversuche reduzieren Es geht dabei um die Frage welches Tiermodell am besten das menschliche System widerspiegelt

Vergleichbarkeit von Genom- daten fehleranfaumlllig

Als Grundlage fuumlr diese Uumlberlegungen die-nen Daten aus modernen bioanalytischen Hochdurchsatzverfahren Immer haumlufiger setzt die Wissenschaft auf diese sogenannten Omics-Technologien die die Gesamtheit aller Gene und ihrer Produkte analysieren ndash sowohl beim Tier als auch beim Menschen Mit ihnen lassen sich molekulare Prozesse in lebenden Systemen umfassend darstel-len indem sie beispielsweise die Interaktion hunderter bis tausender Genprodukte zei-gen Die Analyse dieser zunehmend kom-plexen Omics-Datensaumltze stellt die Wissen-schaft jedoch vor Probleme da das Vorgehen dazu nicht standardisiert ist Die Interpreta-tion der Ergebnisse ist bisher meist von der Kompetenz der Durchfuumlhrenden und von der angewandten Methode abhaumlngig Im Ergebnis war die Entscheidung zur Frage der Uumlbertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen fehleranfaumlllig und die Suche nach

geeigneten Tiermodellen erschwert Die ge-ringe Standardisierung der Interpretation von Omics-Daten fuumlhrte in Forschungs-kreisen bereits zu widerspruumlchlichen Er-gebnissen so zum Beispiel bei zwei Studien aus den Jahren 2013 und 2015 die sich mit der Vergleichbarkeit von entzuumlndlichen Er-krankungen beim Menschen und gaumlngigen Mausmodellen beschaumlftigten Waumlhrend eine Forschungsgruppe im Jahr 2013 schlussfol-gerte dass entzuumlndliche Prozesse zwischen Mensch und Maus nicht vergleichbar seien kam eine andere Gruppe zwei Jahre spaumlter anhand der gleichen Omics-Daten zum ge-genteiligen Schluss Die Maus reagiere auf der molekularen Ebene sehr aumlhnlich wie der Mensch und sei daher als Tiermodell sehr nuumltzlich fuumlr die Erforschung menschlicher Erkrankungen Zwar ist es nicht ungewoumlhn-lich dass Ergebnisse von Studien unter-schiedlich eingeschaumltzt werden ndash allerdings selten auf Basis der gleichen Daten

Motivation des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR war es diese Widerspruumlche aufzuklaumlren und einen standardisierten und zielgerichteten Analyseansatz zu entwickeln der die Suche nach geeigneten Tiermodellen vereinfacht und somit unnoumltige Tierversuche vermei-den hilft Es gehoumlrt zu den Kernaufgaben des Bf3R bundesweit alle Aktivitaumlten zu koordi-nieren mit den Zielen Tierversuche auf das unerlaumlssliche Maszlig zu beschraumlnken und fuumlr Versuchstiere den bestmoumlglichen Schutz zu gewaumlhrleisten Die Aufgaben des Bf3R wer-den vom BfR wahrgenommen

Genomdaten von Tier und Mensch gezielt vergleichen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler des Bf3R haben die Omics-Daten aus den beiden erwaumlhnten widerspruumlchlichen Studien mithilfe hochperformanter Com-

puter nochmals systematisch ausgewertet Dabei wurden zunaumlchst die zu verglei-chenden Gene gruppenweise biologischen Prozessen zugeordnet die wesentlich fuumlr ein Entzuumlndungsgeschehen sind Diese Gene Set Enrichment Analysis (GSEA) ge-nannte Methode greift auf umfangreiche in oumlffentlichen Datenbanken hinterlegte Genomdaten gaumlngiger Tiermodelle und von Erkrankten zuruumlck Mit ihrer Heran-gehensweise konnten die Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler des BfR an-schlieszligend Veraumlnderungen auf der Ebene pathologischer Signalwege erkennen und Unterschiede zwischen Tiermodell und Mensch identifizieren Da der Groszligteil der untersuchten Genprodukte haumlufig nur geringfuumlgig veraumlndert war konnten bei der Analyse auf Ebene vollstaumlndiger bio-logischer Signalwege alle Gene einbezogen und Aumlnderungen in der Gesamtheit eines biologischen Signalwegs bewertet werden Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu bisherigen Analyseansaumltzen da fuumlr die Klauml-rung translationaler Fragestellungen bisher haumlufig willkuumlrlich und subjektiv Gene von Mensch und Tiermodell fuumlr einen direkten Eins-zu-eins-Vergleich ausgewaumlhlt wurden

Die systematische Auswertung des Bf3R zeigte dass die Ergebnisse beim vorlie-genden Genomdatenvergleich bei einigen Mausmodellen gut mit den beim Menschen ermittelten Daten uumlbereinstimmten Bei an-deren Mausmodellen hingegen war es nicht so So aumlhnelt das Entzuumlndungsgeschehen bei Maumlusen die mit Staphylococcus aureus (Staphylococcus-aureus-Injektionsmodell) infiziert sind oder eine Darmperforation (Cecal-ligation-and-puncture-Modell) erfah-ren den meisten klinischen Proben Hin-gegen verlaufen Erkrankungen die durch Lipopolysaccharide (LPS) und Streptococcus pneumoniae verursacht werden bei Mensch und Maus verschieden

Omics

Der Terminus beschreibt Methoden zur

Analyse komplexer biologischer Proben

auf der Ebene des gesamten Genoms

von Transkripten Proteinen oder Meta-

boliten

41012017

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

Forschungsansatz hilft Tierversuche zu reduzieren

Die Methode der Datenanalyse mittels GSEA-Ansatz erleichtert es Forschungs-gruppen zukuumlnftig zielgerichtet und stan-dardisiert das optimale Tiermodell aus-zuwaumlhlen das am besten die menschliche Situation abbildet Voraussetzung dafuumlr ist die Existenz von Omics-Daten zur klini-schen Fragestellung sowie zu den infrage kommenden Tierversuchen Dies ist bereits fuumlr eine Vielzahl von Tiermodellen sowie von humanen Erkrankungen der Fall neben Entzuumlndungserkrankungen beispielsweise fuumlr Herz-Kreislauf-Erkrankungen Krebser-krankungen Atemwegserkrankungen Stoff-wechselerkrankungen und neurologische Erkrankungen Aufgrund der vermehrten Verwendung von Omics-Methoden kann davon ausgegangen werden dass stetig wei-tere systembiologische Daten ermittelt und veroumlffentlicht werden Die vom Bf3R ange-wandte Methode wird daher weiterhin bei der gezielten Auswahl von Tiermodellen nuumltzlich sein

Das Verfahren kann in der Grundlagen-forschung sowie in der translationalen und angewandten Forschung eingesetzt werden Diese Bereiche machten 2015 nach Anga-ben des Bundesministeriums fuumlr Ernaumlh-rung und Landwirtschaft mit insgesamt 73 Prozent den groumlszligten Teil der Tierversuche aus Ein Groszligteil davon entfaumlllt auf Maumluse Ratten und zunehmend auch auf Fische Grundsaumltzlich kann die neue Methode zur Auswahl des geeigneten Versuchstiermo-dells bzw zum Ausschluss nicht geeigneter Versuchstiermodelle bei jeglichen Tierver-suchen in diesen Bereichen genutzt werden Analog zu den Versuchstierzahlen liegen derzeit die meisten Omics-Daten fuumlr Maus und Ratte vor So sind beispielsweise allein in der oumlffentlichen NCBI GEO-Datenbank (National Center for Biotechnology Informa-tion Gene Expression Omnibus) derzeit Da-ten zu ca 340000 Maus-Proben und 75000 Ratte-Proben gelistet

Methode identifiziert geeignete Zellkulturmodelle

Dabei ist die Methode des Bf3R nicht auf humane und murine Datensaumltze beschraumlnkt sondern kann auf alle weiteren Spezies an-gewandt werden fuumlr die umfangreiche Da-tenbanken zu biologischen Signalwegen oder Gengruppen vorliegen Auch fuumlr die Beurteilung von zellbasierten Alternativ-methoden kann der neue Forschungsansatz

herangezogen werden Durch einen system-biologischen Abgleich der klinischen Daten mit Omics-Daten aus beispielsweise neuar-tigen 3D-Zellkulturen oder organaumlhnlichen Mikrostrukturen wird die Charakterisierung und Verifizierung von zellbasierten Alterna-tivmethoden ermoumlglicht

Praumlmierte Forschungsleistung

Fuumlr ihre Forschung erhielten die Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR 2016 den Hamburger Forschungspreis zur Foumlrderung der Entwicklung von Ersatz- und

Ergaumlnzungsmethoden Die Auszeichnung wurde zum erstem Mal von den Hamburger Behoumlrden fuumlr Gesundheit und Verbraucher-schutz sowie fuumlr Wissenschaft Forschung und Gleichstellung mit einem Foumlrderpreis in Houmlhe von 20000 Euro ausgeschrieben Der Preis wird fuumlr Arbeiten vergeben die einen Beitrag leisten Tierversuche zu ersetzen oder zu minimieren

Mehr erfahrenWeidner et al 2016 Defining the optimal animal model for translational research using gene set enrichment analysis EMBO Molecular Medicine 8 8 831ndash838

Wofuumlr Versuchstiere in Deutschland eingesetzt werden

630255Herstellung und Qualitaumlts-kontrolle medizinischer Produkte toxikologische Sicherheitspruumlfungen

22

59

14 5

1643259Grundlagenforschung

144997sonstige Zweckez B Zucht Aus- und Weiterbildung

381450translationale und angewandte Forschung

Que

lle B

unde

smin

iste

rium

fuumlr E

rnaumlh

rung

und

Lan

dwirt

scha

ft V

ersu

chst

ierz

ahle

n 20

15

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

42 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Alternativen zu Tierversuchen Forschung regional buumlndeln

Eine individualisierte Schmerztherapie fuumlr Versuchsmaumluse und eine Verringerung von Tierexperimenten zum Test der Inhala- tionstoxizitaumlt von Nanomaterialien (siehe rechte Spalte) ndash hierzu sollen die ersten Arbeitsergebnisse des BfR im Berlin-Bran-denburgischen Verbundprojekt BB3R zukuumlnftig beitragen Das Netzwerk aus Universitaumlten und Bundesinstitutionen forscht um Tierversuche zu vermeiden (Replacement) bzw zu verringern (Reduction) sowie das Leiden von Versuchstieren zu vermindern (Refinement) Das BfR ist als einer von sechs Verbundpartnern in den Bereichen der Refinement- und Replacement-Forschung beteiligt Das Bundesforschungsministerium foumlrdert das mit BB3R abgekuumlrzte Projekt fuumlr vier Jahre bis Fruumlhjahr 2018 es ist als Plattform fuumlr den wissenschaftlichen Austausch konzipiert und integriert ein Graduiertenkolleg

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschungwwwbb3rde

Belastung von Laborfischen erkennen

Koumlrperbau

Koumlrpermerkmale

Verhaltenkreisendes Schwimmen

Belastung von Laborfischen erkennen

Ob Laborfische Schmerzen empfinden oder leiden laumlsst sich mithilfe konkreter Kriterien beurteilen Die Vorarbeiten hierzu koordinierte der bdquoNationale Ausschuss zumSchutz von fuumlr wissenschaftliche Zweckeverwendeten Tierenldquo am BfR gemeinsam mit externen Sachverstaumlndigen und Beauf-tragten von Genehmigungsbehoumlrden Die erstmals definierten Kriterien bewerten unter anderem Auffaumllligkeiten im Koumlrper-bau sowie im Verhalten der Tiere Schmer-zen und Leiden koumlnnen so gezielt behandelt und gelindert werden Da die Frage der Belastung der Tiere anhand der Kriterien eindeutig geklaumlrt werden kann dienen sie zudem als Entscheidungshilfe fuumlr Behoumlr-den welche die Zucht belasteter genetisch veraumlnderter Tiere genehmigen muumlssen Fische insbesondere Zebrafische sind nach Maumlusen und Ratten die am dritthaumlufigsten verwendete Versuchstierart Die Zahl der Versuchsfische hat in den letzten Jahren stetig zugenommen

Mehr erfahren Bert et al 2016 Considerations for aEuropean animal welfare standard toevaluate adverse phenotypes in teleost fish EMBO J 35 11 1151ndash1154Empfehlung des Nationalen Ausschusses TierSchG Nr 0012015

Test der Inhalationstoxizitaumlt von Nanomaterialien

Die Einatmung gilt als wichtigster Aufnahmeweg fuumlr Nanomaterialien Im Rahmen der BB3R-Forschung bildet das BfR diese Art der Exposition mit In-vitro- Atemwegsepithelmodellen an ihrer Grenzflaumlche zur Luft ab Dieser Ansatz zum Test der Inhalationstoxi-zitaumlt hilft Anzahl und Umfang von Tierversuchen zu verringern

Versuchsaufbau Drei Roumlhrchen leiten ein Testaerosol mit luftgetragenen Nanomaterialien auf Epithelzellen

SPEKTRUM

copy B

fR

43012017

Jubilaumlumsfeier und internationales Symposium

Am 29 November 2017 feiert das BfR sein 15-jaumlh-riges Bestehen mit einem Festakt Geplant ist eine Feier mit ausgewaumlhlten Gaumlsten in der Akademie der Kuumlnste Anschlieszligend findet vom 30 Novem-ber bis zum 01 Dezember 2017 das gemeinsame internationale Symposium des BfR und seiner Schwesterinstitutionen aus Daumlnemark (DTU Food) und Frankreich (ANSES) sowie der suumldko-reanischen Behoumlrde fuumlr Lebens- und Arzneimittel-sicherheit (NIFDS) statt Unter dem Motto bdquoPast Present and Future Challenges in Risk Assessment ndash Strengthening Consumer Health Protectionldquo werden die letzten anderthalb Jahrzehnte Risikobewer-tung betrachtet Daruumlber hinaus werden aktuelle Aktivitaumlten sowie zukuumlnftige Herausforderungen des Verbraucherschutzes wie mikrobiologische Erreger chemische Substanzen Methoden und Harmonisierung auf nationaler wie internationa-ler Ebene diskutiert

VERANSTALTUNGEN

Nachwuchs foumlrdern

Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu foumlr-dern baut das BfR wissenschaftliche Nachwuchs-gruppen zu bestimmten Schwerpunktthemen auf Die bereits 2015 eingerichtete Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Warenketteldquo wird im Herbst 2017 durch einen weiteren Dokto-randen verstaumlrkt

Verstaumlrkung im Versuchstierschutz

Seit dem 1 April 2017 staumlrkt die Berufung von Herrn Universitaumltsprofessor Dr Lars Lewejo-hann den Kompetenzbereich bdquoVerminderung der Belastung und Verbesserung der Lebenssitua-tionldquo des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) Neben der Leitung der Fachgruppe bdquoTierschutz und Versuchstierkundeldquo im BfR wird Lars Lewejohann sein Wissen und neue Erkenntnisse als Hochschullehrer fuumlr bdquoTier-schutz mit dem Schwerpunkt Refinementldquo an der veterinaumlrmedizinischen Fakultaumlt der Freien Universitaumlt Berlin an Studierende und Doktoran-den weitergeben

PERSONALIEN

Alternativmethode zum Tierversuch bdquoKnochen-auf-dem-Chipldquo

Im Mai 2017 fand bei der Gemeinsamen For-schungsstelle (GFS)Joint Research Centre (JRC) der Generaldirektion (Directorate General) der Europaumlischen Kommission eine Summer School zu alternativen Ansaumltzen zum Tierversuch fuumlr die Risikobewertung in Ispra (Italien) statt Dort wurde Herr Dr Ing Frank Schulze aus der BfR-Fachgruppe bdquoZEBET ndash Alternativmethoden zu Tierversuchenldquo fuumlr seine Praumlsentation und das dazugehoumlrige Poster zum Thema bdquoEin Knochen-auf-dem-Chip fuumlr die Grundlagenwissenschaft und die Identifizierung von knochenschaumldigen-den Substanzenldquo mit einem Posterpreis (1 Platz) ausgezeichnet

copy B

fR

copy p

rivat

INSTITUTSLEBEN

44 BfR 2 GO

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

Impressum

06 Schwerpunkt Authentizitaumlt

5012017

BfR 2 GO ndash Das BfR-Wissenschaftsmagazinerscheint zweimal jaumlhrlich

HerausgeberBundesinstitut fuumlr Risikobewertung (BfR) Anstalt des oumlffentlichen Rechts

vertreten durch den Praumlsidenten Professor Dr Dr Andreas Hensel ViSdP Dr Suzan Fiack

Redaktionsanschrift Bundesinstitut fur Risikobewertung (BfR)Max-Dohrn-Straszlige 8ndash1010589 Berlinwwwbfrbunddepublikationenbfrbundde

Redaktion BfR Presse- und Oumlffentlichkeitsarbeit

Gestaltung Grafiken amp BildbearbeitungStudio GOOD Berlin

DruckRuksaldruck Berlin

Auflage 4000 (Deutsch) 1500 (Englisch)

ISSN Print-ISSN 2567-3858Online-ISSN 2567-3866

DOI 101759020170921-151257

copy Bundesinstitut fuumlr Risikobewertung Alle Rechte vorbehalten Wenn Sie einen Nachdruck einzelner Artikel zu nicht-kommerziellen Zwecken wuumlnschen wenden Sie sich bitte an die Redaktion unter publikationenbfrbundde

gedruckt auf PEFC-zertifiziertem Papier

06 Lebensmittelfaumllschern auf der Spur Nicht zielgerichtete Analyseverfahren

11 Original oder Faumllschung Forschungsprojekte zu Authentizitaumlt

12 bdquoWir wollen Faumllschungen einen Riegel vorschiebenldquo Interview mit Professor Dr Reiner Wittkowski

14 Risikowahrnehmung14 Gefuumlhlte Risiken im Visier

BfR-Verbrauchermonitor

17 Vegan und informiert Befragung zu Veganismus

18 Guten Appetit Infografik zu Insekten

20 Lebensmittelsicherheit20 Unerwuumlnscht in Lebensmitteln

Pyrrolizidinalkaloide

24 Post aus hellip Sambia

25 Spektrum Ciguatera Lupinensamen Hepatitis E

26 bdquoNur eine gemeinsame Strategie ist effektivldquo Interview mit Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer

30 Produkt- und Chemikaliensicherheit30 Auf die Mischung kommt es an

Mehrfachruumlckstaumlnde

33 Kombinationseffekte Forschungsprojekte des BfR

34 bdquoZiel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertungldquo Interview mit Dr Roland Solecki

35 Spektrum Aluminium Endokrine Disruptoren Permethrin

36 Nanopartikel in Funktionskleidung Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

38 Schutz von Versuchstieren38 Spiegelbild gesucht

Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

43 Spektrum Belastung von Laborfischen Forschungsplattform Alternativmethoden

44 Institutsleben

Hergestellt in Parma

Wie vielSchafsmilchist drin

Ist es reiner Wein

copy O

ben

und

Unt

en b

igac

iss

hutte

rsto

ckc

om M

itte

gre

seis

hutte

rsto

ckc

om

6 BfR 2 GO

SCHWERPUNKT AUTHENTIZITAumlT

Lebensmittelfaumllschernauf der SpurGestreckt gepanscht gefaumllscht ndash Lebensmittelbetrug ist ein globales Problem Das BfR erforscht wie Verfahren zum Nachweis der Authen-tizitaumlt von Lebensmitteln harmonisiert werden koumlnnen Dabei schluumlp-fen die Forscherinnen und Forscher am BfR auch selbst in die Rolle der Lebensmittelfaumllscher

Kommt er aus dem Allgaumlu

Wurde eskaltgepresst

copy O

ben

Cop

rids

hutte

rsto

ckc

om U

nten

Ale

nKad

rshu

tters

tock

com

7012017

Ein Bildschirm ein Rechner ein Infra-rotspektrometer und viele kleine Pro-bengefaumlszlige gefuumlllt mit Fett extrahiert

aus Hartkaumlse Allgaumluer Emmentaler Ein Laborant entnimmt eine stecknadelkopf-groszlige Fettprobe und bringt sie auf das Ana-lysegeraumlt auf Sekunden spaumlter erscheint auf dem Bildschirm eine Wellenlinie aus 1800 Datenpunkten das Spektrum der Kaumlse-fettprobe Ein zweites Labor eine weitere Analyse Roumlhrchen fuumlr Roumlhrchen holt sich ein Greifarm Allgaumluer-Emmentaler-Proben und bringt sie in das starke Magnetfeld ei-nes Kernspinresonanz-Spektrometers ein Die Messung erzeugt bis zu 130000 Da-tenpunkte die fuumlr die jeweilige Kaumlseprobe charakteristisch sind Ein drittes Labor eine dritte Messmethode Mit der Isotopen-verhaumlltnis-Massenspektrometrie wird hier die Herkunft der Hartkaumlse-Proben be-stimmt Insgesamt sollen 150 bis 200 Pro-ben beschafft und analysiert werden bdquoAlle Daten werden aufgearbeitet und flieszligen in eine Auswertungs-Software die fuumlr jede Methode ein charakteristisches Datenspek-trum ndash den authentischen Fingerabdruck von Allgaumluer Emmentaler ndash berechnetldquo so Dr Susanne Esslinger Sie koordiniert die Versuche zum Authentizitaumltsnachweis von Allgaumluer Emmentaler

Die Suche nach dem Fingerabdruck

In den BfR-Laboren arbeiten Wissenschaft-lerinnen und Wissenschaftler daran den typischen unverwechselbaren Fingerab-

druck von verschiedenen Lebens- und Futtermitteln darunter Wein Spirituosen Kraumluter und Gewuumlrze Hartkaumlse Speiseoumlle und Mais zu finden Ihr Ziel ist es die Echtheit dieser Produkte bzw Abweichun-gen und somit Verfaumllschungen erkennen zu koumlnnen Ist dies gelungen wird Lebens-mittelfaumllschung erschwert Die Vergabe des EU-Guumltezeichens bdquoGeschuumltzte Ursprungs-bezeichnungldquo garantiert dass fuumlr die spe-zielle Produktbezeichnung bdquoAllgaumluer Em-mentalerldquo die Erzeugung Verarbeitung und Herstellung tatsaumlchlich im Allgaumlu erfolgt sein muumlssen Was nuumltzt das Guumlte-zeichen aber wenn es keine Methoden gibt um Original und Faumllschung zu unterschei-den Das BfR hat daher eine Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Waren-ketteldquo eingerichtet um die Forschung und interdisziplinaumlre Vernetzung zur Standar-disierung von Datenerhebungen zum Au-thentizitaumltsnachweis zu staumlrken

Das BfR beteiligt sich an mehreren natio-nalen und internationalen Verbundprojek-ten um neuartige Ansaumltze und Strategien fuumlr den Nachweis von Lebensmittel- und Futtermittelverfaumllschungen zu entwickeln mit denen derartige Praktiken weltweit besser aufgedeckt werden koumlnnen Die Schwerpunkte der BfR-Forschung zu die-sem Thema sind die Herkunftsbestimmung und Identifizierung unbekannter Zusaumltze mittels zielgerichteter sowie nicht zielge-richteter Analytik in Kombination mit sta-tistischen Verfahren und Fragen zur Daten-aufbereitung und -interpretation

Nicht zielgerichtete Analytik

Eine Herausforderung bei der Suche nach dem analytischen Charakteristikum von Lebensmitteln ist die natuumlrliche Variation von Inhaltsstoffen bdquoDeswegen muss erst einmal eine Vielzahl von unverfaumllschten Proben genommen werden um charak-teristische Merkmale in den Datensaumltzen zu findenldquo erklaumlrt Dr Carsten Fauhl-Has-sek der im BfR verschiedene Forschungs-projekte zur Authentizitaumltspruumlfung von Lebens- und Futtermitteln leitet bdquoUnsere Ergebnisse zeigen dass die Idee des unver-wechselbaren Fingerabdrucks von Lebens-mitteln funktioniertldquo Das BfR hat bereits

Die Vorbereitung der Kaumlseproben fuumlr die Untersuchung beinhaltet die Homogenisierung mit fluumlssigem Stickstoff

bdquoSehr deutlich sind die Datenpunkte zu erkennen die sich auszligerhalb des Normbereichs ndash der Bande ndash be-wegen Faumlllt ein Lebensmittel aus diesem Raster ist es verdaumlchtig

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

SCHWERPUNKTTHEMA AUTHENTIZITAumlT

8 BfR 2 GO

den physikalisch-chemischen Fingerab-druck verschiedener Weine Speiseoumlle oder juumlngst von Kraumlutern und Gewuumlrzen mittels Infrarot- und Kernspinresonanz-Spektro- skopie erfasst Das BfR-Labor wurde dafuumlr auch zur Faumllscherhoumlhle Kraumluter und Ge-wuumlrze sind mit unterschiedlichsten Zusaumlt-zen gemischt und deren aufbereitete Pro-ben ebenfalls mithilfe der Analysegeraumlte vermessen worden bdquoSehr deutlich sind die Datenpunkte zu erkennen die sich auszliger-halb des Normbereichs ndash der Bande ndash be-wegen Faumlllt ein Lebensmittel aus diesem Raster ist es verdaumlchtigldquo so Dr Fauhl-Has-sek So sehen die Spektren von z B mit Oli-venblaumlttern gestrecktem Oregano oder die von mit Sudanrot ndash eine Substanz die im Verdacht steht ein genotoxisches Kanzero-gen zu sein ndash gepanschtem Paprikapulver eindeutig anders aus

Die neuen Analyseverfahren mittels des charakteristischen Fingerabdrucks eines Lebensmittels ermoumlglichen somit eine flexible und schnelle Form der Echtheits-pruumlfung Statt gezielt nach gefaumllschten Produkten zu suchen steht hier der Au-thentizitaumltsnachweis im Fokus Diese neue Herangehensweise bezeichnet man auch als nicht zielgerichtete Analytik

Cloud der Fingerabdruumlcke

Zur perspektivischen routinemaumlszligigen An-wendung der nicht zielgerichteten Analytik fuumlr die Lebensmittelsicherheit muss aller-dings zunaumlchst eine gemeinsame Nutzung der Datenbanken fuumlr Referenz-Lebensmit-tel-Fingerabdruumlcke aller Akteure im Bereich Lebensmittelsicherheit ermoumlglicht werden Auch muss sichergestellt sein dass die Daten- erhebung sowie die anschlieszligende Analyse aller Nutzer vergleichbare Ergebnisse liefern

Das BfR arbeitet im Forschungsverbund an folgendem vereinfacht skizziertem Zu-kunftsszenario Zertifizierte amtliche und private Labore stellen ihre Lebensmit-tel-Fingerabdruumlcke uumlber eine Daten-Cloud bereit Hersteller Verarbeitungs- und Ver-edlungsbetriebe steuern die dazugehoumlrigen Produktinformationen bei Wenn Uumlber-wachungsbehoumlrden oder der Groszlig- und Einzelhandel Lebensmittelproben auf ihre Echtheit uumlberpruumlfen wollen vergleichen sie den Fingerabdruck ihrer eigenen Probe mit denen in der Fingerprint-Cloud Gibt es sig-nifikante Abweichungen ist das Lebensmit-tel zunaumlchst auffaumlllig und sollte weiter un-tersucht werden Noch sind viele technische und organisatorische Huumlrden zu nehmen

Das Prinzip bdquoNicht zielgerichteter Verfahrenldquo

Wavenumbers (cm-1)

Ab

sorb

anc

e

Paprikaproben Paprika dotiert mit Siliciumdioxid

Relevante Aspekte bei der Pruumlfung

Authentizitaumltspruumlfungen koumlnnen offizielle Produktbeschreibungen bestaumltigen oder betruumlgerische Aussagen nachweisen Relevante Aspekte dabei sind die Sub-stitution durch preiswertere aber aumlhnli-che Zusaumltze die Streckung mit fremdar-tigen Substanzen (z B Wasser Staumlrke) oder die Anwendung nicht gekenn-zeichneter oder unzulaumlssiger Verfahren wie Bestrahlung oder Extraktion die Bestaumltigung der geografischen Herkunft der botanischen oder zoologischen Spezies oder der Herstellungsprozesse wie bio konventionell oder gentechnisch veraumlndert sowie die Deklaration und Angaben zur Ruumlckverfolgbarkeit (Pro-duktkennzeichnung Prozessablaumlufe Chargenidentifikation)

Exogene Signale bei Verfaumllschung

copy M

Una

l Ozm

ens

hutte

rsto

ckc

om

LEBENSMITTELFAumlLSCHERN AUF DER SPUR

9012017

Eine stecknadelkopfgroszlige Kaumlsefettprobe wird auf das Analysegeraumlt aufgebracht Um charakteristische Merkmale in den Datensaumltzen zu finden muumlssen Dr Carsten Fauhl-Hassek (im Bild rechts oben) und sein Team eine Vielzahl solcher Proben nehmen und am Computer analysieren

bdquoErst muumlssen einheitliche Datenstandards verteilt operierende Systemloumlsungen und organisatorische Loumlsungsansaumltze zur Ge-waumlhrleistung der Datenintegritaumlt und -qua-litaumlt entwickelt werdenldquo erlaumlutert Matthias Filter bdquodamit diese Vision im Bereich Le-bensmittelsicherheit realisierbar istldquo Er ko-ordiniert am BfR die Arbeiten zum Schwer-punkt bdquoGlobale Warenkettenldquo

Vernetzte Referenzdatenbanken

Damit das Zukunftsszenario naumlher ruumlckt forschen Wissenschaftlerinnen und Wis-senschaftler am BfR zu der Entwicklung von mathematischen und statistischen Mo-dellen fuumlr die Datenauswertung und Har-monisierung von Datenaustauschformaten sowie zur harmonisierten Probennahme Dies sind wesentliche Voraussetzungen fuumlr den Aufbau und die Routineanwendung

von kollaborativen Referenzdatenbanken die uumlber die Cloud verfuumlgbar gemacht wer-den koumlnnen bdquoBislang verwendet jeder Her-steller von Spektrometern aber beispiels-weise noch eigene Datenformate sodass die Daten erst einmal dechiffriert werden muumlssen damit sie fuumlr alle Beteiligten ver-wendbar sindldquo sagt Filter

Bis solche Referenzdatenbanken der typi-schen chemisch-analytischen Profile von Lebensmitteln aufgebaut und fuumlr den flauml-chendeckenden Einsatz im Netzwerk aus Uumlberwachungsbehoumlrden Laboratorien so-wie Herstellern und Haumlndlern fertiggestellt sind dauert es nach Einschaumltzung der Exper-ten sicher noch 10 bis 15 Jahre Umso wichti-ger ist es jetzt die Weichen zu stellen

Mehr erfahrenwwwbfrbundde gt A-Z-Index Authentizitaumlt

Die Suche nach dem Fingerabdruck

Beim Aufbau von standardisierten Referenzdatenbanken kommen soge-nannte nicht zielgerichtete Verfahren zum Einsatz Dabei wird der physika-lisch-chemische Fingerabdruck von Lebensmitteln anhand spektromet-rischer undoder spektroskopischer Daten erhoben Dieser dient als Vergleichsstandard mit dem die Daten unbekannter Lebensmittelproben vergli-chen werden Abweichungen koumlnnen so leichter erkannt werden und Uumlber-wachungsbehoumlrden muumlssen nicht mehr gezielt nach bestimmten unerwuumlnsch-ten Substanzen suchen die oftmals noch gar nicht bekannt sind

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

10 BfR 2 GO

SCHWERPUNKTTHEMA AUTHENTIZITAumlT

Food Integrity EU-Konsortium gegen gefaumllschte Lebensmittel Das EU-Konsortium aus 38 Projektpartnern will strukturelle und methodische Voraus-setzungen schaffen um Verfaumllschungen fruumlhzeitig einheitlich erkennen zu koumlnnen Dazu sollen u a ein Netzwerk zwischen Be-houmlrden Industrie und Forschung aufgebaut Pruumlfprozesse harmonisiert und Wissensda-tenbanken erstellt werden Das Projekt laumluft bis Ende 2018

FoodAuthent Kollaborative Referenzdatenbanken fuumlr chemische Fingerabdruumlcke In dem dreijaumlhrigen Projekt werden Grundlagen fuumlr den Routineeinsatz von Fingerprinting-Analyseverfahren im Lebensmittelsektor und in der amtlichen Uumlberwachung geschaffen Zusammen mit den Projektpartnern entwickelt das BfR bis April 2019 gemeinschaftliche Fingerprin-ting-Datenbanken sowie Schnittstellen zu privatwirtschaftlich betriebenen Pro-duktinformationssystemen Exemplarisch erfolgt dies fuumlr Hartkaumlse Speiseoumlle und Spirituosen Die Daten sollen fuumlr die mit-wirkenden Akteure im Lebensmittelbereich frei zugaumlnglich sein

Original oder Faumllschung ndash Gemeinsam gegen Lebensmittelgaunerei

Das BfR beteiligt sich an Drittmittelprojekten um Herstellern und Uumlberwa-chungsbehoumlrden Methoden an die Hand zu geben mit denen schnell sicher und kosteneffizient die Echtheit eines Lebensmittels erkannt werden kann Einige werden hier vorgestellt

Animal-IDHerkunftsnachweis von tierischen Proteinen in Futter- und Lebens-mitteln Die Projektpartner kombinieren Massen- spektrometrie mit Verfahren zur Protein-anreicherung um Analysemethoden zur gewebespezifischen Herkunftsbestimmung von Futtermitteln zu entwickeln sowie Schnelltests auf Basis von proteinbasierten ELISA DipStick-Tests fuumlr die wichtigsten Tierarten in der Fleischproduktion wie Rind Schwein Pferd und Huhn Das BfR koordiniert das Vier-Jahres-Projekt (2016 bis 2019)

FoodRisk-Lab Softwareloumlsungen zur Unterstuumlt-zung der Bewertung von Risiken Das BfR entwickelt frei verfuumlgbare Soft-wareloumlsungen und Web-Dienste fuumlr die Bewertungsarbeit behoumlrdlicher Einrichtun-gen sowie fuumlr Wissenschaft und Forschung FoodChain-Lab unterstuumltzt z B die Ruumlckverfolgung von Futter- und Lebens-mitteln entlang der Warenketten und ermoumlglicht eine interaktive Analyse von Ausbruchsgeschehen Weitere Programme dienen der mathematischen Modellierung von Gefahren im Bereich der Futter- und Lebensmittelsicherheit

SPICEDSicherung der Gewuumlrz- und Kraumluterwarenketten Europas Gewuumlrze und Kraumluter werden sehr vielen Lebensmitteln zugesetzt Die Ergebnisse des Forschungsprojektes tragen dazu bei die Gewuumlrz- und Kraumluterwarenketten Euro-pas gegen natuumlrliche unabsichtliche und absichtliche biologische und chemische Ver-unreinigungen zu schuumltzen Das Projekt mit 11 Partnern aus sieben EU-Laumlndern wurde von 2013 bis 2016 im 7 Rahmenprogramm der EU gefoumlrdert und vom BfR koordiniert

11012017

FORSCHUNGSPROJEKTE

bdquoWir wollen Faumllschungen einen Riegel vorschiebenldquo

Professor Wittkowski welche Lebens- mittel werden uumlblicherweise verfaumllschtGefaumllscht wird uumlberall dort wo ein oumlkono-mischer Vorteil erzielt werden kann Pro-duktpiraterie kommt deswegen vor allem bei hochqualitativen und teuren Markenpro-dukten wie Olivenoumll Schafskaumlse Wein oder Spirituosen vor Ein uumlblicher Trick ist min-derwertige Zutaten als hochwertige zu ver-kaufen wie Shrimps als Garnelen Bei Pro-dukten bei denen die geografische Herkunft ein Qualitaumltsmerkmal ist wie Parma- oderSerrano-Schinken Irischer Whiskey oder Champagner wird versucht die Herkunft vorzutaumluschen

Koumlnnen Verbraucher denn noch der Le-bensmittelsicherheit vertrauen Glaubwuumlrdigkeit Vertrauen und Sicherheit sind eng miteinander verknuumlpft Menschen wollen einkaufen kochen essen und trin-ken gesund bleiben und es soll schmecken Sie wollen nicht wissen wie der Wein filt-riert oder bei welcher Temperatur der Kaf-fee geroumlstet wurde aber sie wollen darauf vertrauen dass die Angaben stimmen und dass diese Technologien sichere Lebens-mittel erzeugen Dies ist nur moumlglich weil es Standards fuumlr die Lebensmittelwirtschaft gibt und Uumlberwachungsbehoumlrden die Ein-haltung pruumlfen

Nur weil Parma-Schinken nicht aus Par-ma kommt stellt er doch noch kein Ge-sundheitsrisiko dar Geht es nicht viel-mehr um oumlkonomische Interessen der Hersteller Wissenschaftler koumlnnen zunaumlchst Normab-weichungen erkennen nicht aber die Mo-tivation von Verfaumllschern Zunaumlchst wird selbstverstaumlndlich eine Risikobewertung derartiger Befunde durchgefuumlhrt Anschlie-szligend kann man nach weiterer Uumlberpruumlfung und Ruumlckverfolgung der Lieferketten ent-scheiden ob es eine gezielte Verfaumllschung war oder nicht

Koumlnnen Sie ein Beispiel gebenStatt Rindfleisch wurde vor einigen Jahren in Lasagne Pferdefleisch nachgewiesen Im ersten Moment ein gesundheitlich unbe-denklicher Betrugsfall Pferdefleisch ist ein hochwertiges Lebensmittel Allerdings war nicht bekannt woher das Fleisch kam und ob es mit verbotenen undoder gesundheits-schaumldlichen Arzneimitteln belastet war Das wurde dann uumlberpruumlft und das Fleisch fuumlr unbedenklich erklaumlrt Oder Aufgrund des traditionellen Anbaus hatten Pistazien aus dem Iran eine Zeit lang erhoumlhte Mykoto-xingehalte und unterlagen daher strengen Auflagen bei der Einfuhr nach Europa Zur Umgehung dieser Auflagen traten Falsch-deklarationen der Herkunft auf Iranische Pistazien wurden als Pistazien aus Kaliforni-en in den Markt gebracht

Es geht also in erster Linie immer um Verbraucherschutz und nicht um Taumlu-schungs- oder Betrugsschutz Aus meiner Sicht ja Teilweise nehmen Faumllscher auch billigend in Kauf dass Men-schen zu Schaden kommen Mit Methanol gepanschter Alkohol oder mit Melamin gestrecktes Milchpulver sind Beispiele Die Verfaumllscher sind naumlmlich keine Toxikologen Die Frage ist also welche Methoden koumlnnen Behoumlrden bereitstellen um das Vertrauen in die Sicherheit der Lebensmittel zu erhalten

Das houmlrt sich an wie ein Wettlauf For-schung gegen Faumllschung Gibt es denn immer die richtige MethodeDas Gute an der Analytik ist dass man mit der richtigen Methode findet was man sucht Allerdings wissen wir nicht immer auf welche neuen betruumlgerischen Ideen Faumll-scher kommen Deswegen beteiligen wir uns in internationalen Forschungsvorhaben an der Entwicklung von Referenzdaten-banken mit dem typischen Fingerabdruck von Lebensmitteln Die sogenannte Finger-print-Analyse bietet die Moumlglichkeit nicht

nur Lebensmittel durch ihre Normabwei-chung als gefaumllscht zu identifizieren sondern auch bisher unbekannte Verfaumllschungen und gesundheitlich bedenkliche Manipulationen aufzudecken bevor die Ware in den Regalen steht

In der Praxis gibt es dazu doch sicher schon MaszlignahmenPrivate Analysefirmen haben sich bereits auf die Fingerprint-Methode fuumlr bestimmte Produkte spezialisiert und groszlige Datenban-ken angelegt Doch hier liegt ein Problem Jeder arbeitet mit seinen eigenen Daten Auch sind die Ergebnisse der Firmen nicht gerichtsfest weil die Datengrundlage nicht oumlffentlich ist Staatliche Institutionen ar-beiten dagegen mit transparenten und ver-gleichbaren Daten damit Beanstandungen gerichtsfest sind Deswegen muumlssen fuumlr ei-nen Erfolg der Fingerprint-Methoden die Messungen der verschiedenen Labore va-lidiert und die Datenbanken harmonisiert werden

bdquoUnser Allein- stellungsmerkmal ist dass wir Risikobewertung und Forschung betreiben

12 BfR 2 GO

SCHWERPUNKTTHEMA AUTHENTIZITAumlT

BfR-Vizepraumlsident Professor Dr Reiner Wittkowski setzt sich dafuumlr ein dass am BfR zu neuartigen Verfah-ren zur Authentifizierung von Lebensmitteln geforscht wird Als junger Lebensmittelchemiker hat er am Vorgaumlngerinstitut des BfR dem Bundesgesundheitsamt bereits fuumlr die Uumlberpruumlfung der Echtheit von Wein Methoden entwickelt etabliert und begonnen eine Fingerabdruck-Datenbank anzulegen

Was traumlgt das BfR zur Uumlberpruumlfung der Echtheit von Lebensmitteln bei Wir beteiligen uns seit Langem an allen maszliggeblichen EU-Forschungsvorhaben zur Authentizitaumltspruumlfung Unser Alleinstel-lungsmerkmal ist dass wir Risikobewertung und Forschung betreiben Das BfR hat an-ders als andere Bewertungsbehoumlrden eigene Laboratorien Wir haben deswegen einen sehr strengen Blick auf Bewertungsmetho-den und fragen wie sicher die Aussagekraft der Daten ist Das Kerngeschaumlft der 17 Re-ferenzlabore des BfR ist Methodenvali-dierungen durchzufuumlhren Auf nationaler Ebene arbeitet das BfR bereits eng mit der amtlichen Lebensmitteluumlberwachung der Bundeslaumlnder zusammen

Welchen konkreten Ansatz nutzt das BfRWir kombinieren Analytik und Daten-modellierung Das Institut hat eine lange Historie hinsichtlich des Nachweises der Echtheit von Lebensmitteln da auch in den Vorgaumlngerinstitutionen dazu geforscht wur-de In den 1990er-Jahren wurde hier eine der ersten Datenbanken zur Uumlberpruumlfung der Authentizitaumlt von Wein aufgebaut und wurden erstmals Kernresonanz-spektrosko-pische Verfahren in der Lebensmittel-Ana-lytik angewandt Die Expertise zum Thema Wein haben wir dann auf andere Lebens-mittel-Matrizes uumlbertragen Neben der Ana-lytik ist die Statistik unser zweiter Impetus Das BfR hat viel Erfahrung im Bereich der Datenanalyse fuumlr die Vor- und Ruumlckverfolg-barkeit von Lieferketten aufgebaut Mit der FoodChainLab-Software die im Rahmen der EHEC-Krise entwickelt wurde sind komplexe Datenmodellierungen moumlglich

Was sind die naumlchsten SchritteWir haben bereits ein nationales Kompe-tenznetzwerk zwischen Bundesbehoumlrden Landesuntersuchungsaumlmtern Universitaumlten und Forschungseinrichtungen etabliert und wir bringen das Thema weltweit voran Das BfR hat im November 2016 ein Symposium organisiert auf dem rund 100 Fachleute aus Deutschland Europa Nordamerika Afrika Asien und Neuseeland uumlber die Herausfor-derungen der Standardisierung diskutierten Aus meiner Sicht sollte unbedingt ein euro-paumlisches Referenzlabor eingerichtet werden ndash die EU-Kommission erwaumlgt dies bereits ndash um in Europa ein harmonisiertes System der angewendeten Methoden und der Datener-fassung fuumlr die Authentizitaumltspruumlfung von Lebensmitteln zu etablieren Nur das ist ziel-fuumlhrend wenn wir Faumllschungen global einen Riegel vorschieben wollen

copy B

fR

13012017

INTERVIEW MIT PROFESSOR DR REINER WITTKOWSKI

Der BfR-Verbrauchermonitor ist ein zentrales Instru-ment des gesundheitlichen Verbraucherschutzes Er zeigt wie die Oumlffentlichkeit Risiken wahrnimmt

Gefuumlhlte Risiken im Visier

copy ig

orst

evan

ovic

Shu

tters

tock

com

RISIKOWAHRNEHMUNG

14 BfR 2 GO

Welche Themen bewegen Verbraucherinnen und Verbrau-cher Was ist ihnen vertraut was beunruhigt sie Ant-worten auf diese Fragen liefert der BfR-Verbrauchermo-

nitor ndash eine seit 2014 regelmaumlszligig durchgefuumlhrte repraumlsentative Bevoumllkerungsbefragung mit der das BfR die generelle Einschaumlt-zung der Oumlffentlichkeit zu Verbraucherschutzthemen ermittelt In Ergaumlnzung dazu fuumlhrt das BfR Repraumlsentativbefragungen zu Ein-zelthemen durch die von besonderem aktuellem Interesse sind wie Antibiotikaresistenzen oder Pflanzenschutzmittel Die Ergeb-nisse dazu erscheinen als bdquoBfR-Verbrauchermonitor Spezialldquo Der Verbrauchermonitor ist ein wesentlicher Indikator um moumlgliche Missverstaumlndnisse oder Fehleinschaumltzungen seitens der Bevoumllke-rung fruumlhzeitig zu erkennen bdquoFuumlr uns ist es sehr wichtig konkret zu wissen was die Bevoumllkerung warum bewegt Daraus folgern wir welche kommunikativen Maszlignahmen zu ergreifen sindldquo sagt PD Dr Gaby-Fleur Boumll Leiterin der Abteilung Risikokommunika-tion am BfR

Methode der Datenerhebung

Fuumlr die repraumlsentative Umfrage des Verbrauchermonitors werden ca 1000 Personen die in Privathaushalten in Deutschland leben und mindestens 14 Jahre alt sind im Auftrag des BfR von Markt- und Meinungsforschungsinstituten telefonisch interviewt Diese Interviews werden computergestuumltzt anhand eines programmier-ten Fragebogens von geschulten Interviewern durchgefuumlhrt ndash kurz CATI-Methode genannt nach der englischen Bezeichnung compu-ter-assisted telephone interviewing Dabei werden die Fragen zum gesundheitlichen Verbraucherschutz und Fragen zu anderen The-menbereichen zu einer sogenannten Omnibus- oder Mehrthemen-befragung zusammengefasst Die Fragen des Verbrauchermonitors koumlnnen einen offenen Charakter haben (ungestuumltzte Fragen) oder geschlossen formuliert sein (gestuumltzte Fragen) Um die Ergebnisse der Verbrauchermonitore im Zeitverlauf miteinander vergleichen zu koumlnnen ist jede Umfrage aumlhnlich aufgebaut Das BfR widmet sich einerseits Themen die in der Oumlffentlichkeit eine groszlige Auf-merksamkeit erhalten Andererseits analysiert es Fragen die bisher weniger im oumlffentlichen Fokus stehen aber ebenfalls relevant sind wie beispielsweise gesundheitsschaumldliche Pflanzeninhaltsstoffe Auch das Ausmaszlig des Vertrauens in die staatlichen Strukturen des gesundheitlichen Verbraucherschutzes wird abgefragt da dies wie-derum die Wahrnehmung von Risiken beeinflussen kann

bdquoFuumlr uns ist es sehr wichtig konkret zu wissen was die Bevoumllkerung warum bewegt

Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher

Kaum veraumlndert hat sich in den letzten Jahren die Ansicht von Ver-braucherinnen und Verbrauchern dass Lebensmittel in Deutsch-land sicher sind Fragt man in der ungestuumltzten Abfrage nach den groumlszligten gesundheitlichen Risiken so sind dies im aktuellen Ver-brauchermonitor (082017) nach wie vor das Rauchen die Klima- bzw Umweltbelastung und ungesunde oder falsche Ernaumlhrung Da-nach werden Alkohol sowie ungesunde oder belastete Lebensmittel genannt Fragt man in der gestuumltzten Abfrage gezielt nach ausge-waumlhlten Themen so fuumlhren Salmonellen gentechnisch veraumlnderte Lebensmittel Antibiotikaresistenzen und Ruumlckstaumlnde von Pflan-zenschutzmitteln die Bekanntheitsskala an Dies sind auch die vier Themen die bei den meisten Befragten fuumlr Beunruhigung sorgen Es zeigt sich immer wieder dass Verbraucherinnen und Verbrau-cher Risiken unterschaumltzen die aus Sicht der Risikobewertung als

ZielsetzungVerbrauchermonitor

gt Erfassung und Analyse von Trends und Themen in der Verbraucherwahrnehmunggt Uumlber- bzw Unterschaumltzung von gesundheitlichen Risiken durch die Bevoumllkerunggt Beobachtung von Veraumlnderungen im Verbraucherverhaltengt Schnelle Erfassung der Verbraucherwahrnehmung in Krisensituationen

BfR-VERBRAUCHERMONITOR

15012017

gesundheitsrelevant eingestuft werden wie z B die Lebensmittelhygiene im eigenen Haushalt Noch weitgehend unbekannt ist der breiten Oumlffentlichkeit eine neue derzeit in der Wissenschaft diskutierte Metho-de zur Genveraumlnderung ndash das sogenannte bdquoGenome Editingldquo

Vertrauen staumlrken

Verschiedene Bevoumllkerungsgruppen neh-men Ereignisse oder Sachverhalte unter-schiedlich wahr Es haumlngt von vielen Fakto-ren ab wie groszlig ihnen ein Risiko erscheint Insbesondere zwischen der Wahrnehmung von Laien und Fachleuten koumlnnen sich Un-terschiede ergeben da die intuitive Risiko-einschaumltzung der Bevoumllkerung haumlufig auf anderen Prinzipien und Kriterien beruht als die wissenschaftliche Risikobewertung Aus der Risikowahrnehmungsforschung ist beispielsweise bekannt dass die Sorge vor

synthetisch hergestellten Stoffen groumlszliger ist als die Sorge vor natuumlrlich vorkommenden Stoffen wie beispielsweise giftigen Pflanze-ninhaltsstoffen

Der BfR-Verbrauchermonitor Spezial zum Thema Pflanzenschutzmittel hat zudem gezeigt dass ein Groszligteil der Bevoumllkerung faumllschlicherweise davon ausgeht dass in Lebensmitteln generell keine Reste von Pflanzenschutzmitteln vorkommen duumlr-fen Tatsaumlchlich sind Ruumlckstaumlnde von zu-gelassenen Pflanzenschutzmitteln bis zum erlaubten Ruumlckstandshoumlchstgehalt zulaumls-sig und als gesundheitlich unbedenklich eingestuft Auf diese Diskrepanz kann die Risikokommunikation gezielt reagieren indem sie die Oumlffentlichkeit mit geeigne-ten Kommunikationsformen umfassend uumlber die rechtlichen und wissenschaftli-chen Grundlagen der Risikobewertung bei Pflanzenschutzmitteln informiert

Die Ergebnisse solcher Bevoumllkerungsum-fragen liefern wichtige Einsichten in die Risikowahrnehmung verschiedener Bevoumll-kerungsgruppen und zeigen Unterschiede hinsichtlich demografischer Faktoren wie Alter Bildungshintergrund Berufsgrup-pe und Geschlecht auf So ist Frauen das Vorkommen von Pyrrolizidinalkaloiden in Kraumlutertee beispielsweise haumlufiger bekannt als Maumlnnern Auch hat sich gezeigt dass Maumlnner Prozesskontaminanten in Grill-fleisch weniger bedenklich einschaumltzen als Frauen

Mit dem Verbrauchermonitor hat das BfR ein Instrument etabliert mit dem noch fruumlher auf Informations- und Kommuni-kationsbeduumlrfnisse eingegangen und damit das Vertrauen der Oumlffentlichkeit in den ge-sundheitlichen Verbraucherschutz weiter gestaumlrkt werden kann

Alle bisher erschienenen BfR-Verbrauchermonitore koumlnnen abgerufen werden unter wwwbfrbundde gt Publikationen gt Broschuumlren gt BfR-Verbrauchermonitor

Welche Themen betrachten Sie persoumlnlich als die groumlszligten gesundheitlichen Risiken fuumlr Verbraucherinnen und Verbraucher

Inwieweit sind Sie persoumlnlich uumlber die folgenden Themen zur Lebensmittel-sicherheit beunruhigt oder nicht beunruhigt

16 BfR 2 GO

RISIKOWAHRNEHMUNG

2016 gab es in Deutschland in der deutsch-sprachigen Bevoumllkerung ab 14 Jahren rund 08 Millionen Personen die sich selbst als Veganer bezeichnen wuumlrden oder als je-mand der weitgehend auf tierische Produk-te verzichtet (2016 Allensbacher Markt- und Werbetraumlger-Analyse IfD Allensbach) Ei-nige Studien zeigen dass eine vegane Ernaumlh-rung positive Einfluumlsse auf die Gesundheit haben kann wie zum Beispiel ein geringeres Risiko fuumlr Typ-2-Diabetes Beschrieben wer-den allerdings auch gesundheitliche Risiken durch Naumlhrstoffmangelzustaumlnde etwa fuumlr Schwangere und Kinder Wer keine tierische Produkte zu sich nimmt riskiert unter an-derem eine Unterversorgung mit Vitamin B12 Eisen Calcium Jod und Zink sowie mit langkettigen Omega-3-Fettsaumluren

Vor diesem Hintergrund entwickelte das BfR geeignete Risikokommunikationsstra-tegien Ein Forschungsprojekt widmete sich den individuellen und sozialen Einflussfak-toren die zur Motivation und Aufrechter-haltung einer veganen Ernaumlhrung fuumlhren Insgesamt wurden 42 Veganerinnen und Veganer zu ihren Werten Einstellungen und Meinungen befragt Aufgrund der zum Teil sehr ausgepraumlgten Abweichun-gen zur Durchschnittsbevoumllkerung lassen sich verallgemeinernde Aussagen treffen Repraumlsentativ sind die Befragungsdaten al-lerdings nicht

Ethische Entscheidung

Fast immer begruumlnden Veganerinnen und Veganer ihre Entscheidung fuumlr eine vega-ne Ernaumlhrung mit ethischen Argumenten Gesundheitliche Motive werden selten ge-nannt Die Befragten sind uumlberwiegend konfessionslos und uumlberdurchschnittlich

gebildet Auszligerdem beguumlnstigt Vegetaris-mus die Entscheidung sich vegan zu ernaumlh-ren Zwei Drittel der Teilnehmenden haben sich bereits vorher vegetarisch ernaumlhrt Er-naumlhren sich bereits Personen aus dem na-hen Umfeld vegan kann dies die Entschei-dung auch vorantreiben

Fuumlr die uumlberwiegende Mehrheit der Be-fragten ist die Ruumlckkehr zur omnivoren Ernaumlhrung die tierische Produkte zulaumlsst nicht vorstellbar Auch eine Schwanger-schaft wird meist nicht als Grund dafuumlr angesehen Oft werden auch Kinder vegan ernaumlhrt Nach Aussagen der Befragten re-agiert das soziale Umfeld haumlufig mit Skepsis und Aversion Um eine soziale Ausgren-

zung der Kinder zu verhindern lassen die Befragten teils Kompromisse zu So koumlnn-ten Kinder zum Beispiel selbst waumlhlen ob sie auswaumlrts Tierprodukte essen

Wissen kommt an

Wer sich vegan ernaumlhrt verfuumlgt in der Re-gel uumlber ein fundiertes Ernaumlhrungswissen 40 der 42 Teilnehmenden der BfR-Studie waren sich zum Beispiel daruumlber im Klaren dass es ohne tierische Produkte zu einer Mangelversorgung mit Vitamin B12 kom-men kann Viele nehmen dieses Vitamin zusaumltzlich ein Bei der Informationssuche rund um vegane Ernaumlhrung ist das Inter-net die wichtigste Informationsquelle (siehe Grafik)

Strategie der Risikokommunikation

Im Rahmen der Befragung stellten sich wichtige Anknuumlpfungspunkte fuumlr die Risi-kokommunikation heraus Unter anderem wurde klar dass ein negativer Ansatz der die vegane Ernaumlhrung als gefaumlhrlich oder abnormal darstellt nur wenig Erfolg haben kann Eine effektive Risikokommunikation sollte an bestehende Uumlberzeugungen der Veganerinnen und Veganer anknuumlpfen Ziel sollte dabei sein konkrete Tipps fuumlr den Alltag zu geben die sich mit einer vega-nen Ernaumlhrung verbinden lassen Informa-tionen wie bei einer veganen Ernaumlhrung eine moumlgliche defizitaumlre Naumlhrstoffversor-gung verhindert werden kann sind grund-saumltzlich erfolgversprechend Insbesondere uumlber Alternativen oder Supplementierung in der Schwangerschaft bei Saumluglingen und Kleinkindern sollte umfassend informiert werden

Vegan und informiert

Welche Informationsquellen nutzen Sie um sich

uumlber vegane Ernaumlhrung zu informieren

Kochbuumlcher mit veganen Rezepten Blogs zum Thema und tierfreie Supermaumlrkte ndash die vegane Ernaumlhrung liegt im Trend Wer ganz auf tierische Produkte verzichtet riskiert jedoch eine Unterversorgung mit bestimmten Naumlhrstoffen Um eine effiziente Risikokommunikation zu gewaumlhrleis-ten hat das BfR Veganerinnen und Veganer zu Wissens-stand und Einstellungen befragt

Foren im Internet

Sonstige Quellen im Internet

Buumlcher

Zeitschriften

Freunde Bekannte

Sonstigen = 42 Mehrfachnennungen moumlglich

74

71

52

36

12

5

copy S

tudi

oPho

toD

Flor

ezs

hutte

rsto

ckc

om

BEFRAGUNG ZU VEGANISMUS

17012017

63

72 Ekel

Fremdheit

Bedenken zu Hygiene und Vertraumlglichkeit

Grillen Mehlwuumlrmer und Wanderheuschrecken ndash in vielen Regionen der Welt werden Insekten von Menschen verspeist Auch in der Schweiz sind Insek-ten seit dem Fruumlhjahr 2017 offiziell als Lebensmittel zugelassen Ihr Verzehr ist in Europa jedoch generell wenig verbreitet und die oumlffentliche Diskussion steckt noch in den Anfaumlngen Wie bekannt ist das Thema in der deutschen Bevoumllkerung Welche Einstellungen bestehen gegenuumlber essbaren Insekten Wie wird das Thema in den Medien dargestellt In zwei Studien hat das BfR Antworten auf diese Fragen gefunden

Die Mehrheit der Deutschen vermutet keine gesundheitlichen Risiken durch den Verzehr von Insekten wuumlrde sieaber dennoch nicht verzehren Hauptgruumlnde gegen den Verzehr

sind Ekel Fremdheit Bedenken zu Hygiene und Vertraumlglichkeit

46 13 15

Insekten als Lebensmittel fuumlr Menschen ndash 72 Prozent der Befragten haben schon davon gehoumlrt Insekten gelten als eiweiszlig- naumlhrstoff- und vitaminreich und als eine wesentliche Nahrungsquelle hinsichtlich des Welternaumlhrungsproblems

Insekten essen Mehr Theorie als Praxis

18 BfR 2 GO

RISIKOWAHRNEHMUNG

2014

27 Artikel

14

Zugrundeliegende Studien telefonische Repraumlsentativbefragung von 1000 Personen (deutschsprachige Bevoumllkerung ab 14 Jahren) Medienanalyse von 17 deutschen Print- und Onlinemedien (uumlberregionale Qualitaumltszei-tungen Hauptstadtpresse und woumlchentliche Zeitungen) im Zeitraum Januar 2014 bis Dezember 2015 zur Art und Haumlufigkeit der Berichterstattung uumlber essbare Insekten

14 Prozent der Befragten haben schon einmal Insekten verzehrt mehrheit-lich im Ausland Uumlberwiegend sind es Maumlnner 18 ndash 29-Jaumlhrige gut Gebildete und Staumldter

Die Medienberichterstattung zu Insekten als Lebens- und Futtermittel verdoppelte sich von 2014 zu 2015 In der Mehrheit ging es um Nutzen- aspekte Insekten wurden medial als bdquozukunftsweisendes sinnvolles Lebensmittel bei dem der Nutzen gegenuumlber moumlglichen Risiken uumlber-wiegtldquo dargestellt

Verbraucherinnen und Verbraucher wuumlnschen sich mehr Informationen zu moumlglichen gesundheitlichen Risiken von Insekten als Lebens- und Fut-termittel zu ihrer Produktion und zum Naumlhrstoffgehalt Dies koumlnnte die oumlffentliche Akzeptanz fuumlr den Verzehr von Insekten erhoumlhen Auch bdquounkenntlich gemachteldquo Insekten in Form verarbeiteter Lebensmittel wuumlrden eher akzeptiert als Insekten im urspruumlnglichen Zustand

WeiterlesenBfR-Symposium bdquoInsekten als Lebens- oder Futtermittel Nah-rung der Zukunftldquo Bericht zum Symposium am 24 Mai 2016 in 2016 Journal fuumlr Verbraucher-schutz und Lebensmittelsicher-heit 11 3 281ndash289

2015

60 Artikel

i

Insekten als Lebensmittel

gt zaumlhlen lebensmittelrechtlich in der EU zu den neuartigen Lebensmitteln und muumlssen zugelassen werden

gt unerforschte Aspekte Toxikologie Gehalt an Kontaminanten und Ruumlckstaumlnden allergenes Potenzial mikrobiologische Risiken

copy a

rka3

8sh

utte

rsto

ckc

om

19012017

INFOGRAFIK ZU INSEKTEN

Unerwuumlnscht inLebensmitteln

Gelangen Pyrrolizidinalkaloide (PA) in die Lebensmittelkette koumlnnen insbesondere 12-ungesaumlttigte PA dem Menschen schaden Seit Jahren

befasst sich das BfR mit der Frage welches gesundheitliche Risiko von 12-ungesaumlttigten PA in Lebensmitteln ausgeht Klar ist die PA-Kontami-

nation in der Lebensmittelkette sollte so gering wie moumlglich sein

LEBENSMITTELSICHERHEIT

20 BfR 2 GO

Unerwuumlnschte Stoffe die in die Lebensmittelkette gelangen koumlnnen fuumlr Verbraucherinnen und Verbraucher ein gesund-heitliches Risiko darstellen Ein Beispiel fuumlr solche Eintraumlge

sind 12-ungesaumlttigte Pyrrolizidinalkaloide (PA) Das sind Stoffe die von einigen Pflanzen als Schutz vor Fraszligfeinden gebildet werden Sie konnten zunaumlchst in Honig und anderen Bienenprodukten spaumlter auch in Tees Kraumlutertees und Gewuumlrzen aber auch in pflanzenba-sierten Nahrungsergaumlnzungsmitteln nachgewiesen werden

Toxische Wirkungen bei Mensch und Tier

Beim Menschen sind vereinzelt Vergiftungsfaumllle nach arzneilicher Einnahme von PA-haltigen Kraumlutertees und -erzeugnissen bekannt Weiterhin gibt es Berichte uumlber epidemische Lebererkrankungen mit Todesfaumlllen in Pakistan Indien Afghanistan Tadschikistan und der ehemaligen UdSSR nach Verzehr von Getreide das mit Samen von Heliotropium- oder Crotalaria-Arten kontaminiert war Aus der Nutztierhaltung ist das gehaumlufte Auftreten von Leberzirrhosen bei Schlachtrindern bekannt die mit Heu und Silage auch Alpenkreuz-kraut aufgenommen hatten Auch bei Pferden wurden mit Leberde-generation einhergehende durch PA im Futter verursachte Erkran-kungen die Seneciosen beobachtet

Die Leber ist das primaumlre Zielorgan von Schaumldigungen durch 12-ungesaumlttigte PA Jedoch koumlnnen auch die Lunge oder andere Organe betroffen sein Insbesondere bei Aufnahme houmlherer Dosen treten akute venookklusive Veraumlnderungen in der Leber (hepatic veno-occlusive disease HVOD) oder der Lunge auf In houmlheren Dosen wurden im Tierversuch mit 12-ungesaumlttigten PA auch ent-wicklungstoxische Effekte beobachtet Nach den vorliegenden tier- experimentellen Daten gilt die kanzerogene Wirkung von 12-un-gesaumlttigten PA als gesichert und ein entsprechendes Risiko fuumlr den Menschen wird in Betracht gezogen Vielfach zeigten Verbindungen die sich im Tierversuch als kanzerogen erwiesen in entsprechenden Mutagenitaumltstests eine genotoxische Wirkung

Wie 12-ungesaumlttigte PA in Lebensmittel gelangen koumlnnen

Nach bisherigem Kenntnisstand koumlnnen 12-ungesaumlttigte PA uumlber mehrere Wege in Lebensmittel gelangen In Deutschland sind Ver-unreinigungen vor allem in den Anbauflaumlchen von Nutzpflanzen mit PA-bildenden Wildkraumlutern wie z B bei Salaten mit Kreuzkraut oder Greiskraut aufgetreten Aus Afghanistan sind erhoumlhte Belastungen in Getreide bekannt Auch die Belastung von Tee und Kraumlutertee-Sor-ten mit PA wird auf eine Kontamination mit bestimmten Wildkraumlu-tern in den Anbauflaumlchen zuruumlckgefuumlhrt Auszligerdem koumlnnen Bienen-produkte wie Honig und Pollen mit PA belastet sein wenn die Tracht von bestimmten Wildpflanzen stammt 12-ungesaumlttigte PA koumlnnen auch uumlber verunreinigte Futtermittel in Milch Eier und Fleisch ge-langen Auch Nahrungsergaumlnzungsmittel koumlnnen auf der Basis von Pflanzen hergestellt sein die selbst 12-ungesaumlttigte PA bilden

Gesundheitliche Risiken durch belastete Lebensmittel

Das BfR hat 2016 eine Bewertung der gesundheitlichen Risiken durch 12-ungesaumlttigte PA erarbeitet Dabei wurde die Belastung aller wichtigen Lebensmittelgruppen beruumlcksichtigt fuumlr die aktuell Daten zum Vorkommen von 12-ungesaumlttigten PA vorliegen Bei der Bewertung wurde die genotoxisch-kanzerogene Wirkung als emp-findlichster Endpunkt zugrunde gelegt

copy F

eyya

z A

laca

ms

hutte

rsto

ckc

om

copy e

mbe

riza

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

21012017

Danach geht bei Kindern im Alter von sechs Monaten bis unter fuumlnf Jahren die Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA im Wesentlichen auf Kraumlutertee einschlieszliglich Rooibostee Schwarztee und Honig zuruumlck Fruumlchtetee Milch Eier und Fleisch tragen nur wenig zur Gesamtaufnahme von 12-un-gesaumlttigten PA bei Sieht man von bestimm-ten Nahrungsergaumlnzungsmitteln ab zeigt sich bei Erwachsenen ein aumlhnliches Bild Bei Erwachsenen ist der Beitrag von Honig zur Gesamtaufnahme an 12-ungesaumlttigten PA geringer und der von Gruumlntee houmlher als bei Kindern Bei hohen Gehalten koumlnnen Nahrungsergaumlnzungsmittel als zusaumltzliche Expositionsquelle zur Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber Lebensmittel beitragen Gewuumlrze und Kraumluter aber auch Mehle stellen moumlglicherweise eine relevante zusaumltzliche Expositionsquelle dar Fuumlr eine abschlieszligende Bewertung fehlen hier jedoch noch Daten

Obwohl in Einzelfaumlllen hohe Gehalte an 12-ungesaumlttigten PA in bestimmten Le-bensmitteln des allgemeinen Verzehrs nachgewiesen wurden haumllt das BfR nach derzeitiger Datenlage auch bei hoher Auf-nahme dieser Lebensmittel eine akute Ge-sundheitsschaumldigung fuumlr unwahrscheinlich Zur Abschaumltzung des potenziellen Risikos von genotoxisch-kanzerogenen Wirkungen legte das BfR wie international uumlblich den MOE-Ansatz (Margin of Exposure) zugrun-de Dabei wird ausgehend von Tierstudien angenommen dass fuumlr genotoxische Kan-zerogene ein MOE-Wert von 10000 oder houmlher aus Sicht der oumlffentlichen Gesundheit als wenig bedenklich und die Prioritaumlt fuumlr Maszlignahmen im Rahmen des Risikomanage-ments als niedrig angesehen werden kann Bei genotoxisch-kanzerogenen Stoffen kann keine Schwellendosis angenommen werden unterhalb derer keine unerwuumlnschten Wir-kungen mehr erwartet werden Daher gilt in der Europaumlischen Union die Empfehlung die Exposition gegenuumlber genotoxisch und kanzerogen wirkenden Substanzen so weit zu minimieren wie dies vernuumlnftig erreich-bar ist ndash das sogenannte ALARA-Prinzip (as low as reasonably achievable) Selbst geringe Aufnahmemengen koumlnnen insbesondere bei regelmaumlszligigem Verzehr mit einer Erhouml-hung gesundheitlicher Risiken verbunden sein

Die Bewertung des genotoxischen und kan-zerogenen Risikos erfolgt als Vergleich der Gesamtaufnahme uumlber verschiedene Tees Milch und Honig bei Kindern und Er-wachsenen auf der Basis verschiedener Ver-zehrszenarien mit dem BMDL10-Wert von

73 Mikrogramm pro Kilogramm Koumlrperge-wicht und Tag unter Berechnung des MOE Der BMDL10-Wert (Benchmark dose lower confidence limit 10) ist ein Schaumltzwert der niedrigsten Dosis die im Tierexperiment mit 95-prozentiger Sicherheit eine Krebsin-zidenz von nicht mehr als 10 Prozent ver-ursacht Alle Berechnungsansaumltze sowohl fuumlr Kinder als auch fuumlr die erwachsene Be-voumllkerung ergaben MOE-Werte deutlich unterhalb von 10000 Da nach Ansicht des Wissenschaftlichen Ausschusses der EFSA ein MOE erst ab einem Wert von mindes-tens 10000 aus Sicht der oumlffentlichen Ge-sundheit als wenig bedenklich anzusehen ist empfiehlt das BfR die Gesamtexposition mit PA aus allen Lebensmitteln so niedrig wie moumlglich zu halten und einen MOE von 10000 bei Beruumlcksichtigung der PA-Zufuhr aus allen Quellen nicht zu unterschreiten Dazu sollten die Bemuumlhungen fortgesetzt werden die PA-Gehalte in Lebensmitteln weiter zu senken

Forschungsansaumltze des BfR

Das BfR befasst sich seit einigen Jahren mit der Problematik der Verunreinigung von Lebensmitteln mit 12-ungesaumlttigten PA und verfolgt hierzu verschiedene Forschungs-ansaumltze Die Analytik der 12-ungesaumlttigten PA stellt aufgrund ihrer groszligen strukturel-len Vielfalt und des Vorkommens in unter-schiedlichen Lebensmitteln eine besondere Herausforderung dar In den letzten Jahren hat das BfR spezifische Nachweismethoden entwickelt und in Ringversuchen validiert Diese Methoden stehen auf der Homepage des BfR zur Verfuumlgung und koumlnnen z B in der Lebensmittel- und Futtermitteluumlberwa-chung eingesetzt werden

Neben der Entwicklung analytischer Me-thoden werden am BfR die molekularen Mechanismen der Toxizitaumlt von 12-unge-saumlttigten PA untersucht Hier stehen vor allem Untersuchungen zur strukturabhaumln-gigen Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber die Darmbarriere im Vordergrund Die Ergebnisse zeigen dass sich das Wirkungs-potenzial der 12-ungesaumlttigten PA aufgrund von Unterschieden im strukturabhaumlngigen Transport uumlber die Darmbarriere unter-scheiden kann Auch zeigten die getesteten Modellsubstanzen in einem Zellkulturmo-dell deutliche strukturspezifische Unter-schiede im Metabolismus Weitere Untersu-

Pflanzen die Pyrrolizidinalkaloi-de bilden finden sich vor allem in den Familien der Korbbluumltler (Asteraceae) der Raublatt- oder Borretschgewaumlchse (Boraginaceae) und der Huumllsenfruumlchtler (Faba-ceae)

22 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

chungen zu der Zerstoumlrung der sinusoidalen Endothelzellen durch 12-ungesaumlttigte PA sollen zum Verstaumlndnis der Mechanismen beitragen die zu den venookklusiven Ver-aumlnderungen in der Leber fuumlhren Auch wer-den Untersuchungen zur Metabolisierung nahrungsrelevanter Pyrrolizidinalkaloide durchgefuumlhrt Die Forschungsprojekte wer-den von der Deutschen Forschungsgemein-schaft (DFG) gefoumlrdert

Empfehlungen zur Reduktion der PA-Gehalte

Das BfR empfiehlt dass sich Management-maszlignahmen an der Vermeidung genoto-xisch-kanzerogener Effekte der 12-ungesaumlt-tigten PA als dem empfindlichsten Endpunkt orientieren Die Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA sollte fuumlr Verbrau-cherinnen und Verbraucher so gering wie moumlglich sein Dazu sollten die PA-Gehalte in Lebensmitteln so weit wie moumlglich sin-ken Dies gilt insbesondere fuumlr Kraumlutertees Rooibostee Schwarzen Tee und Gruumlnen Tee sowie bestimmte Nahrungsergaumlnzungsmit-tel Hier sollten Anbau- Ernte- und Reini-gungsmethoden weiterhin verbessert wer-den Auch die Auswahl der Rohhonige kann zu einer Reduzierung der Gehalte an 12-un-gesaumlttigten PA in verzehrfertigen Honigen beitragen Auszligerdem sind vor der Vermark-tung seitens der Lebensmittelunternehmer weiterhin Kontrollen in allen betroffenen Lebensmittelkategorien notwendig

Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das potenzielle gesundheitliche Risiko durch PA durch eine abwechslungsreiche Ernaumlh-rung verringern und so generell einseitigen Belastungen mit verschiedenen potenziell gesundheitsgefaumlhrdenden Stoffen vorbeu-gen Insbesondere fuumlr Kinder Schwangere und Stillende empfiehlt das BfR den taumlgli-chen Fluumlssigkeitsbedarf nicht ausschlieszliglich mit Kraumlutertee und Tee zu decken

Bei der Zubereitung von Salat Blattgemuumlse und Kraumlutern sollten Verbraucherinnen und Verbraucher Pflanzenteile aussortieren die sie keinen bekannten essbaren Pflanzen zu-ordnen koumlnnen

Wer Nahrungsergaumlnzungsmittel auf Pollen-basis oder auf Basis von Pflanzen einnimmt die 12-ungesaumlttigte PA bilden sollte sich bewusst sein dass diese Produkte 12-un-gesaumlttigte PA in houmlheren Konzentrationen enthalten koumlnnen

Mehr erfahrenStellungnahme Nr 0302016 des BfR vom 28 September 2016

Necinbase

Necinsaumlure

Die Struktur von PA

Chemisch handelt es sich um Ester aus einer Necinbase und aliphatischen Mono- oder Dicarbonsaumluren (Necin-saumluren) Aus toxikologischer Sicht besonders bedeutsam sind Pyrroli-zidinalkaloide mit 12-ungesaumlttigter Necinstruktur (12-ungesaumlttigte PA) Die 12-ungesaumlttigte Necinstruktur als gemeinsames Strukturmerkmal erlaubt grundsaumltzlich die Giftung durch Oxidation zum Dehydropyrrolizidin das durch seine alkylierenden Eigenschaf-ten fuumlr die genotoxische und karzino-gene Wirkung dieser Substanzgruppe verantwortlich ist

copy R

ukiM

edia

shu

tters

tock

com

copy J

iri H

era

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

23012017

Im suumldlichen Afrika spielt die Landwirt-schaft eine Schluumlsselrolle bei der Armuts-bekaumlmpfung Eine wachsende Produktion tierischer Lebensmittel bringt jedoch auch neue Herausforderungen an die Lebensmit-telsicherheit mit sich Das BfR-Forschungs-projekt bdquoSAD-Zambialdquo (bdquoStaphylococcus aureus in der Milchlebensmittelkette in Sambia ndash Bekaumlmpfung lebensmittelbeding-ter Erkrankungen und Antibiotikaresisten-zen beim Menschldquo) befasst sich damit wie die Produktion und der Vertrieb von Milch und Milchprodukten in Sambia sicherer gestaltet werden koumlnnen Ziel ist es zu be-werten in welchem Umfang das Bakterium Staphylococcus (S) aureus uumlber Milch und Milchprodukte auf den Menschen uumlbertra-gen wird In einem ersten Schritt werden Feldstudien in verschiedenen Provinzen des Landes durchgefuumlhrt um das Vorkommen dieses Erregers und moumlgliche Schwachstel-len in der Milchlebensmittelkette in Sambia zu analysieren Hierbei stehen Toxin-bil-dende S aureus-Staumlmme im Fokus Auszliger-dem wird untersucht in welchem Umfang Methicillin-resistente S aureus (MRSA) die gegen eine bestimmte Klasse von Antibio-tika resistent sind in der Milchlebensmit-

telkette vorkommen Die Bewertungsarbeit beinhaltet auch einen Vergleich traditio-neller und moderner Produktionssysteme Am BfR werden anschlieszligend die Analysen zu den Eigenschaften der gewonnenen Bakterienstaumlmme sowie stammvergleichen-de Untersuchungen durchgefuumlhrt In einem weiteren Schritt werden Ansatzpunkte zur Reduzierung der Bakterien sowie Methoden zum Monitoring von zoonotischen und An-tibiotika-resistenten S aureus in der Milch-lebensmittelkette in Sambia entwickelt So soll zum Verstaumlndnis der lebensmittelbe-dingten Risiken entlang der Milchlebens-mittelkette in Sambia beigetragen werden Das Projekt begann am 01072016 und laumluft drei Jahre Es wird vom Bundesminis-terium fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft gefoumlrdert und aus BfR-Mitteln co-finanziert Neben dem BfR beteiligen sich an dem For-schungsprojekt das International Livestock Research Institute die University of Zambia und das Central Veterinary Research Insti-tute als Teil des sambischen Ministeriums fuumlr Nutztiere und Fischerei Durch dieses Forschungsnetzwerk soll eine nachhaltige Partnerschaft aufgebaut werden

Mit dem Forschungsprojekt bdquoSAD-Zambialdquo leistet das BfR einen Beitrag zur Staumlrkung der Lebensmittelsicherheit und damit zur Ernaumlhrungssicherheit im suumldlichen Afrika Koordinatorin des Projekts ist Frau Dr Alexandra Fetsch Der sambische Doktorand Herr Bruno Phiri berichtet von seiner alltaumlglichen Arbeit Beide arbeiten in der Fach-gruppe bdquoMikrobielle Toxineldquo des BfR

POST AUS hellipSAMBIA

raquobdquoDas SAD-Zambia Projekt ist fuumlr mich ein Meilenstein und ich bin dem BfR sehr dankbar dass es mir diese Moumlglichkeit gibt Ich habe schon viel dazugelernt und konnte meine Kompetenzen bezuumlglich der Diagnose von Krankheitserregern verbessern Das Projekt bringt mich aber nicht nur persoumlnlich voran auch mein Land kann davon profitieren Mein Arbeitsalltag beginnt meist mit einem Besuch bei den Milchbauern und ihren Herden Dort schaue ich mir an wie die Kuumlhe gemolken werden und nehme Proben von den Tieren der Milch und der Umge-bung Auch in Milchsammelstellen und auf Maumlrkten nehme ich Proben Diese analysiere ich anschlieszligend im Labor an der Universitaumlt Schon jetzt freue ich mich auf die weiteren Untersuchungen der Bakterienstaumlm-me am BfR Ich war zu Beginn des Projektes dort ndash eine sehr eindrucks-volle Erfahrungldquo

(Bruno Phiri)

copy a

stud

ios

hutte

rsto

ckc

om

copy B

fR

24 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

Algengift in Tropenfischen

Bisher traten Lebensmittelvergiftungen durch Ciguato-xin ndash einem Algentoxin das in tropischen Speisefischen wie Barrakuda Schnapper oder Zackenbarsch enthalten sein kann ndash vorwiegend in den Tropen auf Mit dem zunehmenden Import von Fischen aus Suumldostasien haumlufen sich auch in Europa und seit 2012 in Deutschland Faumllle von Ciguatera Ein Problem dabei Eine Analyse-methode mit der Fisch routinemaumlszligig auf Ciguatoxine untersucht werden kann ist derzeit noch nicht verfuumlgbar Da weltweit nur wenige Labore auf den Nachweis von Ci-guatoxinen in Fischen spezialisiert sind wird im Projekt bdquoEuroCigualdquo der Europaumlischen Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit (EFSA) unter anderem an der Verbesserung entsprechender Analysemethoden und zum Vorkommen ciguatoxischer Fische in Europa geforscht Das BfR liefert fuumlr das Projekt Angaben zu Erkrankungsfaumlllen in Deutschland Die krankmachenden Algentoxine reichern sich uumlber die Nahrungskette in Raubfischen an und sind uumlberaus stabil Durch Erhitzen oder Tiefkuumlhlen lassen sie sich nicht entfernen Beim Menschen kann der Verzehr betroffener Fische dann zu Vergiftungen mit zum Teil schweren oder andauernden Beeintraumlchtigungen des Nervensystems fuumlhren An Ciguatera Erkrankte nehmen normale Kaumlltereize als ungewoumlhnlich schmerzhaft wahr

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt A-Z-Index Ciguatoxin

Alkaloide in Lupinensamen

In verarbeiteten Produkten oder zum Knabbern Lupinensamen sind im Trend Da sie jedoch toxikologisch relevante bittere Chinolizidinalkaloide enthalten koumlnnen bewertet das BfR ihr gesundheitliches Risiko Der Gehalt an Chinolizi-dinalkaloiden in Lupinensamen variiert je nach botanischer und geografischer Abstammung Samen die von bdquoBitterlupinenldquo stammen sind aufgrund ihrer houmlheren Gehalte ohne geeignete Vorbehandlung der bdquoEntbitterungldquo nicht zum Verzehr geeignet Denn Sie koumlnnen beim Menschen Vergiftungssymptome her-vorrufen Lupinenvarietaumlten die Samen mit niedrigen Alkaloidgehalten liefern werden als bdquoSuumlszliglupinenldquo bezeichnet Suumlszliglupinensamen sind auch ohne Entbitte-rung verzehrsfaumlhig In Deutschland kam es mit Bitterlupinensamen vereinzelt zu Vergiftungsfaumlllen Das BfR empfiehlt Herstellern daher nur ganze Lupinensamen in den Verkehr zu bringen die ohne weitere Entbitterungsprozesse verzehrsfaumlhig sind Mehl aus Lupinensamen sollten Hersteller aus alkaloidarmen oder ausrei-chend entbitterten Samen herstellen

Uumlbertragungswege des Hepatitis-E-Virus

Infektionen mit dem Hepatitis-E-Virus (HEV) koumlnnen zu einer akuten Leberentzuumlndung fuumlhren In den letzten Jahren sind die Zahlen gemeldeter Hepatitis-E-Faumllle des Menschen in Deutsch-land stark angestiegen Forschungsergebnisse des BfR in Zusam-menarbeit mit anderen Einrichtungen haben gezeigt dass das Virus in deutschen Haus- und Wildschweinen weit verbreitet ist Vereinzelt wurde HEV auch in Rehen und Rotwild nachgewiesen

Unklar ist derzeit noch auf welchen Wegen sich die Patienten mit dem Virus anstecken Moumlglich sind direkte Virusuumlbertra-gungen zum Beispiel vom Wildtier auf den Jaumlger und indirekte uumlber Lebensmittel die aus infizierten Tieren hergestellt wurden Wie aktuelle Studien des BfR zeigen kann HEV in verschiedenen Wurstwaren aus dem deutschen Einzelhandel nachgewiesen wer-den Fraglich ist ob das Virus in diesen Produkten noch anste-ckend ist oder ob es bei der Herstellung der Lebensmittel zerstoumlrt wird Hierfuumlr noumltige Untersuchungen waren in der Vergangenheit erschwert da sich HEV im Labor nur schlecht kultivieren lieszlig Erste Ergebnisse von Untersuchungen mithilfe eines am BfR ent-wickelten neuartigen Zellkultur-Systems weisen darauf hin dass HEV hitzeempfindlich ist aber bei Kuumlhlung oder Raumtempera-tur mehrere Wochen infektioumls bleiben kann

SPEKTRUM

copy N

eil B

urto

nsh

utte

rsto

ckc

om

copy N

atal

ia M

ylov

ash

utte

rsto

ckc

om

copy iS

tock

com

Mee

Poo

hyap

hoto

25012017

bdquoNur eine gemeinsame Strategie ist effektivldquo

Frau Kaumlsbohrer ein zentrales Thema Ihrer Forschung sind Antibiotikaresis-tenzen In der oumlffentlichen Debatte wird oft ein Zusammenhang hergestellt zwi-schen dem haumlufigen Einsatz von Anti-biotika in der Nutztierhaltung und dem Auftreten resistenter Bakterien in der Humanmedizin Doch werden bei Tieren nicht andere Antibiotika eingesetzt als bei MenschenUm die Unterschiede zu erlaumlutern muss man zwischen Praumlparaten und den antibiotischen Wirkstoffgruppen unterscheiden Beim Tier verwenden Veterinaumlrmediziner ande-re Praumlparate als Aumlrzte beim Menschen Der wirksame Inhaltsstoff das Antibiotikum kann aber dasselbe sein Die Antibiotika lassen sich wiederum in Wirkstoffgruppen einteilen Mit Blick auf die Wirkstoffgrup-pen gilt Die meisten Antibiotika die beim Menschen eingesetzt werden gehoumlren zu Wirkstoffgruppen die wir auch in der Vete-rinaumlrmedizin nutzen Es gibt nur ganz weni-ge Antibiotikagruppen die nur auf der einen oder der anderen Seite verwendet werden Dazu gehoumlren zum Beispiel die Carbapene-me die nicht beim Nutztier eingesetzt wer-den duumlrfen In der Humanmedizin kommen sie insbesondere zum Einsatz wenn andere Antibiotika nicht mehr wirksam sind

bdquoEine Resistenz ge-gen einen bestimm-ten Wirkstoff kann sich auch ausbrei-ten obwohl diese Wirkstoffgruppe nicht eingesetzt wurde

Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer leitet am BfR die Fachgruppe bdquoEpide-miologie Zoonosen und Antibiotika-resistenzldquo die unter anderem auch das Nationale Referenzlabor fuumlr Antibiotika- resistenzen umfasst Seit April 2016 ist sie auszligerdem Professorin an der Vetmeduni Vienna und leitet dort das Institut bdquoOumlffentliches Veterinaumlrwesenldquo

Wenn sie beim Nutztier nicht eingesetzt werden duumlrfen wie kann es dann sein dass Sie am BfR im Rahmen des For-schungsprojekts RESET Carbapene-mase-bildende Bakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden gefunden habenDie Entstehung von Antibiotikaresistenzen ist ein natuumlrlicher Vorgang bei Bakterien Durch den Gebrauch von Antibiotika wird dieser Prozess beschleunigt Eine Resistenz gegen einen bestimmten Wirkstoff kann sich auch ausbreiten obwohl diese Wirk-stoffgruppe nicht eingesetzt wurde Dank der Selektion gilt meist Wenn ich einen Wirkstoff einsetze gebe ich jenen Bakterien einen Vorteil die gegen den Wirkstoff resis-tent sind Aber Carbapenemasen also die Enzyme die von Carbapenem-resistenten Bakterien gebildet werden koumlnnen neben den Carbapenemen auch fast alle anderen

Bakterien die gegen Antibiotika resistent sind stellen ein Risiko fuumlr die oumlffentliche Gesundheit dar Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer widmet sich am BfR dieser Problematik Im Gespraumlch erklaumlrt sie welche Faktoren bei der Ausbreitung von Resistenzen eine Rolle spielen

copy M

icha

el B

ernk

opf

Vetm

edun

i Vie

nna

26 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

β-Laktam-Antibiotika inaktivieren Theo-retisch ist es daher moumlglich dass sich eine Resistenz gegen Carbapeneme ausbreitet obwohl der Tierarzt beim Nutztier eine an-dere Wirkstoffgruppe eingesetzt hat Ist die Resistenz bei Bakterien vorhanden gibt es viele Ausbreitungswege Ein Stall ist kein steriler Ort sondern belebte Umwelt Moumlg-liche Eintragswege fuumlr resistente Bakterien in einen Stall sind z B belebte Vektoren wie neu eingestallte Tiere Maumluse Fliegen oder Voumlgel aber auch unbelebte Vektoren wie Futter Wasser Staub oder Geraumltschaften

Was hat sich seit dem Fund der Carba-penemase-bildenden Enterobakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden fuumlr Ihre Arbeit beim BfR geaumlndert Der Fund hatte vielfaumlltige Konsequenzen Wir haben vor allem die gezielten Untersu-chungsaktivitaumlten verstaumlrkt Bakterien-Iso-late aus Tierbestaumlnden und Lebensmitteln werden seit 2014 im Rahmen des Resistenz-monitorings im BfR routinemaumlszligig auf eine Carbapenem-Resistenz getestet Auszligerdem steht seit 2015 fuumlr den Nachweis von Carba-penemase-bildenden Bakterien ein weiteres gezieltes Nachweisverfahren zur Verfuumlgung Hierzu muumlssen die Labore geschult werden Zusaumltzlich werden im Nationalen Refe-renzlabor fuumlr Antibiotikaresistenz am BfR Carbapenemase-verdaumlchtige Bakterien auf die charakteristischen Resistenzgene hin un-tersucht Am BfR wurden hierfuumlr verschie-dene Methoden fuumlr die Untersuchung von E coli und Salmonella etabliert Bisher wur-den sehr selten solche Resistenzgene nach-gewiesen bei Nutztieren das Gen blaVIM-1 bei einem Wildvogel das Gen blaNDM-1

Oftmals sind die Resistenzgene gegen Carbapeneme zusammen mit anderen Resistenzgenen auf mobilen geneti-schen Elementen lokalisiert Warum ist hier besondere Vorsicht gebotenZunaumlchst ist die Trefferwahrscheinlichkeit fuumlr eine Selektion houmlher wenn mehrere Re-sistenzgene auf einem genetischen Element liegen d h der Einsatz verschiedener Anti-biotika kann zu einem Selektionsvorteil fuumlh-ren Die Lokalisation von Resistenzgenen auf mobilen genetischen Elementen spielt fuumlr die Uumlbertragbarkeit von Resistenzen eine wichtige Rolle Denn Diese Resistenzgene koumlnnen mittels horizontalem Gentransfer auf ganz unterschiedliche Bakteriengruppen uumlbertragen werden Diese Erkenntnis hat eine Art Revolution ausgeloumlst Lange Zeit wurde ein Erreger mit all seinen Eigenschaf-ten als Einheit betrachtet Kann die Resis-tenz aber zwischen Bakteriengruppen hin

und her uumlbertragen werden verfaumllscht das moumlglicherweise den Blick auf eine Gruppe Folglich mussten die Nachweisverfahren umgestellt und die Uumlbertragbarkeit von Re-sistenzen mit analysiert werden Erschwe-rend kommt hinzu dass ein Resistenzgen auf einem grundsaumltzlich ungefaumlhrlichen

Bakterium zum Problem werden kann Manche Bakterien wie beispielsweise E coli gehoumlren zur normalen Darmflora Traumlgt so ein Bakterium eine Resistenzeigenschaft ist das erstmal nicht gefaumlhrlich Aber Es kann diese Eigenschaft moumlglicherweise an einen Infektionserreger weitergeben

Welche konkreten Folgen kann eine solche Weitergabe von Resistenzeigen-schaften habenSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt Schon jetzt weichen Aumlrzte auf Wirk-stoffgruppen aus die in der Humanmedizin lange verpoumlnt waren Dies gilt zum Beispiel fuumlr Colistin Fuumlr den Menschen ist es nicht gut vertraumlglich moumlgliche Nebenwirkun-gen sind beispielsweise die Schaumldigung der Nieren oder des Nervensystems In der Ve-terinaumlrmedizin hat Colistin seit Jahrzehnten eine erhebliche Bedeutung vor allem fuumlr die Behandlung von Infektionen des Ma-gen-Darm-Traktes bei Nutztieren auch um andere Wirkstoffgruppen zu vermeiden

Spielt im Fall von Colistin die Mobilitaumlt des Resistenzgens auch eine besonde-re Rolle Inzwischen ja Bis Ende 2015 waren sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler einig Eine Colistin-Resistenz ist nicht uumlbertragbar Das heiszligt kommt eine solche Resistenz bei einem Infektionserreger beim Nutztier vor ist sie nicht per se auf ein hu-manpathogenes Bakterium uumlbertragbar Doch Ende 2015 wurde in China erstmals das uumlbertragbare Gen mcr-1 beschrieben Untersuchungen in Belgien haben spaumlter zur Beschreibung eines weiteren mobilen Gens fuumlr die Colistin-Resistenz bei Nutztieren

bdquoSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

27012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Ausbreitung von Resistenzen

Haustiere

Krankenhaus

Belastetepflanzliche Lebensmittel

Belastete tierische Lebensmittel

Nutztiere

Futtermittel

Schaumldlinge

Uumlbertragungswege resistenter Bakterien

Menschen

Eine Antibiotikaresistenz entsteht

(z B durch Mutation)

Antibiotikatherapie beguumlnstigt die

Selektion resistenter Bakterien

Nahrung

Duumlnger Abwasser

Abwasser

28 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

gefuumlhrt mcr-2 Das bedeutet eine Uumlbertra-gung der durch diese Gene vermittelten Re-sistenz auf ein humanpathogenes Bakterium ist theoretisch moumlglich Allerdings scheint dies bisher selten der Fall zu sein

Diese Erkenntnisse offenbaren einen groszligen Forschungsbedarf Was tun Sie in der Abteilung bdquoBiologische Sicher-heitldquo um das Risiko zu bewerten Als 2015 klar wurde dass es eine uumlbertrag-bare Colistin-Resistenz gibt haben wir diese neue Erkenntnis in den laufenden Projekten natuumlrlich sofort aufgegriffen Im Rahmen des Forschungsprojekts RE-SET haben wir zum Beispiel vorhandenes Bakterienmaterial und die bei unseren Ko-operationspartnern verfuumlgbaren Gesamt-genominformationen auf das Vorkommen dieses neuen Resistenzgens gepruumlft Schnell war klar Ja dieses Gen finden wir in den Sequenzen Und die Pruumlfung von Colis-tin-resistenten Isolaten aus unserer Stamm-sammlung hat bestaumltigt dass dieses Resis-tenzgen bereits weit verbreitet ist

Muumlssen nun neue Forschungsprojekte zu dem Thema initiiert werdenJa denn viele Fragen bleiben bislang offen Wie haumlufig wird die Resistenz tatsaumlchlich uumlbertragen Was triggert diese Uumlbertra-gung Es gibt auch diagnostische Probleme Das uumlbliche Verfahren in der Humanmedi-zin um Resistenzen zu testen umfasst in der Regel nicht die Resistenz gegen Colistin Es gibt also viel zu tun Neue Diagnose- und Typisierungsverfahren aufbauen unser Re-sistenzmonitoring erweitern und routine-maumlszligig phaumlnotypisch resistente Isolate auf das Gen pruumlfen Die Ergebnisse muumlssen wir dann uumlbergreifend bewerten um Hand-lungsoptionen aufzuzeigen

Welche Uumlbertragungswege spielen bei der Colistin-Resistenz fuumlr den Men-schen eine Rolle Mit Sicherheit koumlnnen wir das derzeit nicht sagen Die chinesische Arbeitsgruppe hat Colistin-Resistenzen sowohl im Schweine-fleisch als auch beim Menschen gefunden Daher liegt die Hypothese nahe dass es eine Uumlbertragung uumlber Lebensmittel gibt Gleichzeitig gibt es generell die Beobachtung von nosokomialen Ausbreitungen resisten-ter Bakterien Das sind Ausbreitungen von Antibiotikaresistenzen im Krankenhaus

Resistenzen breiten sich aus Wunder-waffen verlieren ihre Wirkung selbst im Krankenhaus sind wir nicht sicher Gibt es uumlberhaupt eine effiziente Strategie gegen die Ausbreitung der Antibiotika- resistenzen Und wer ist dabei gefor-dertUm die Ausbreitung von Antibiotika- resistenzen zu verhindern braucht es eine gemeinsame Strategie Schlieszliglich sind hier komplexe Zusammenhaumlnge zwischen Mensch Tier und Umwelt am Werk Am BfR streben wir deswegen eine enge Zu-sammenarbeit mit allen Akteuren im oumlffent-lichen Gesundheits- und Veterinaumlrwesen an Bei diesem bdquoOne Health-Ansatzldquo sind sowohl Veterinaumlr- als auch Humanmedizi-ner gefordert Auch Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

Was sollten Verbraucherinnen und Ver-braucher beachtenHier gelten dieselben Hygieneregeln die auch fuumlr andere vom Tier oder vom Le-bensmittel auf den Menschen uumlbertragba-re Krankheitserreger gelten Zum Beispiel sollten sie sich nach dem Kontakt mit Tie-ren die Haumlnde mit warmem Wasser und Seife waschen Auch nach der Zubereitung von rohem Fleisch sollten die Haumlnde gruumlnd-lich gewaschen werden Fleisch Eier und Rohmilch sollten vor dem Verzehr durcher-hitzt werden Rohkost und Obst sollten vor dem Verzehr gruumlndlich mit Trinkwasser gewaschen oder geschaumllt werden Weiterhin wichtig ist den direkten oder indirekten Kontakt von rohem Fleisch und rohen Ei-ern mit verzehrfertigen Speisen die spaumlter nicht mehr erhitzt werden zu vermeiden Durch die Einhaltung der Hygieneregeln kann man einer Uumlbertragung von resisten-ten und oder pathogenen Bakterien auf an-dere Lebensmittel vorbeugen

Mehr erfahren Irrgang et al 2017 Recurrent detection of VIM-1-producing Escherichia coli clone in German pig production Journal ofAntimicrobial Chemotherapy 72 3 944ndash946

bdquoVerbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

RESET

Der Forschungsverbund RESET ndash Antibiotika-Resistenzen bei Tier und Mensch ndash beschaumlftigte sich von 2010 bis 2017 mit Resistenzen gegen die besonders wichtigen Antibiotika-Klas-sen der β-Laktam-Antibiotika und (Fluor-)Chinolone bei Darmbakterien wie Escherichia (E) coli Sind Bak-terien gegen beide Wirkstoffklassen resistent werden die therapeutischen Moumlglichkeiten drastisch eingeschraumlnkt Bei E coli und Salmonella enterica wurden derartige Resistenzen bereits nachgewiesen Das BfR beteiligte sich mit zwei Projekten an dem Forschungs-verbund Durch das konsequente Zusammenfuumlhren von Ergebnissen der unterschiedlichen Forschungsgebiete in einer gemeinsamen Datenbank konnten Erkenntnisluumlcken geschlossen und Risiken bewertet werden Das Projekt wurde vom Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) gefoumlrdert

29012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Kann es durch die Mischung verschiedener Pestizid-Ruumlckstaumlnde beim taumlglichen Verzehr zu gesundheitsgefaumlhrdenden Belastungen kommen

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

30 BfR 2 GO

Wenn von Paradigmenwechseln die Rede ist findet meist ein grundlegendes Umdenken statt In der Risikobewertung von Chemikalien habe ein Paradigmenwechsel stattge-

funden der die traditionelle Einzelsubstanz-Bewertung hinter sich lasse schrieben BfR-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler vor einiger Zeit Man koumlnnte meinen in der Toxikologie wird der Paracelsus-Satz kuumlnftig umgeschrieben Nicht nur die Dosis son-dern auch die Aufsummierung der Dosierungen in einer Mischung macht das Gift

Gift- oder Todescocktail ndash plakative Medienbegriffe

Denn tatsaumlchlich In den letzten Jahren beschaumlftigen sich weltweit immer mehr Gremien politische Ausschuumlsse und Forschungspro-jekte mit der Frage wie man die Auswirkungen von Mischungen auf Umwelt und Gesundheit kuumlnftig bewerten kann Auch in der Oumlffentlichkeit wird das Thema emotional verhandelt Chemikali-enmix Gift- oder sogar Todescocktail ndash mit plakativen Begriffen umschreiben Medien das Phaumlnomen der Mehrfachruumlckstaumlnde Entsprechend tief sitzt die Angst bei Verbraucherinnen und Ver-brauchern In einer vom BfR in Deutschland durchgefuumlhrten re-praumlsentativen Wahrnehmungsstudie vermuten 80 Prozent der Befragten dass der Einsatz mehrerer unterschiedlicher Pflanzen-schutzmittel zu gesundheitlichen Beeintraumlchtigungen durch Le-bensmittel fuumlhren kann

Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck sein

Zwar zeigen verschiedene aktuelle Monitoring-Projekte dass das gesundheitliche Risiko durch Mehrfachruumlckstaumlnde von Pflanzen-schutzmitteln unwahrscheinlich ist (s Interview) aber das Thema bleibt auch fuumlr die Wissenschaft draumlngend Denn auch wenn Mi-schungen schon seit Jahrzehnten wissenschaftlich analysiert und bewertet werden das Beduumlrfnis nach einer zuverlaumlssigen Bewertung der Risiken fuumlr Mensch und Umwelt steigt Grund dafuumlr ist zum einen die Vielzahl immer neuer Wirkstoffe Zusatzstoffe Chemika-lien Ruumlckstaumlnde und Kontaminanten gegenuumlber denen Menschen exponiert sind verbunden mit immer verfeinerten wissenschaftli-chen Nachweismethoden Zum anderen steigt der Druck aus der Oumlffentlichkeit Um wissenschaftliche Divergenzen zu vermeiden muumlssen transparente und international harmonisierte Verfahren entwickelt werden Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck in der Risikobewertung sein

Alle Gemische im Tierversuch zu testen ist nicht durchfuumlhrbar

Worum geht es im Einzelnen Mischungen liegen immer dann vor wenn ein Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt verschiedene Stoffe gleichzeitig aufnimmt z B Ruumlckstaumlnde Kontaminanten oder Chemikalien die nach der Europaumlischen Chemikalienverordnung REACH registriert sind Das geschieht wenn sogenannte intentional mixtures also beabsichtigte Mischungen wie Pflanzenschutzmittel oder Biozide in den Verkehr gebracht werden Aber auch unintenti-onal mixtures nimmt der Koumlrper auf Sei es dass verschiedene Stoffe in einem Produkt enthalten sind z B mehrere Pflanzenschutzmit-telruumlckstaumlnde in einem Apfel Oder sei es dass Stoffe gleichzeitig uumlber unterschiedliche Produkte aufgenommen werden In all diesen Faumlllen koumlnnen Mischungseffekte auftreten Diese sind je nach Wirk-mechanismus unterschiedlich stark ausgepraumlgt So koumlnnen sich die Wirkungen von Stoffen gegenseitig potenzieren oder auch aufheben Nach derzeitigem Kenntnisstand wird davon ausgegangen dass sich Wirkungen in der Regel addieren wenn die aufgenommenen Stoffe oberhalb der Wirkschwelle liegen den gleichen Wirkmechanismus haben und zu einem relevanten Zeitpunkt vom Organismus aufge-nommen wurden

Hier beginnen die Schwierigkeiten Es gibt zu viele intentional mix-tures die eine nahezu unuumlbersehbar groszlige Anzahl von Kombinati-onen ermoumlglichen Diese Gemische alle im Tierversuch zu testen wie sonst bei Einzelsubstanzen uumlblich waumlre sowohl ethisch nicht zu vertreten als auch praktisch nicht durchfuumlhrbar Daher arbeiten viele Forschungsprojekte u a der EU-Kommission daran tierversuchs-freie Methoden fuumlr die kumulative Bewertung zu entwickeln die die Effekte von Mischungen in vitro oder durch computergestuumltzte Be-rechnungen in silico berechnen (s Interview und Kasten)

Weltweit setzen Laumlnder das Thema auf ihre Agenda

Nicht nur fuumlr die Wissenschaft auch fuumlr den harmonisierten Voll-zug von Gesetzen ergeben sich dadurch neue Herausforderungen So schreibt z B die EU-Verordnung uumlber das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vor Kumulations- und Synergieeffekte zu be-ruumlcksichtigen ndash sofern es von der Behoumlrde anerkannte wissenschaft-liche Methoden zur Messung solcher Effekte gibt Doch die lagen bisher nicht vor Deshalb werden nun auf allen Ebenen technische Leitfaumlden fuumlr die neuen Methoden erstellt um eine harmonisierte

Auf die Mischung kommt es anKumulative Risikobewertung nimmt weltweit eine immer groumlszligere Bedeu-tung in der Toxikologie ein Das BfR arbeitet an einer Vielzahl von Projek-ten wie Mischungen in Zukunft bewertet werden koumlnnen

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

31012017

Vorgehensweise und transparente Nachvollziehbarkeit bei der Zu-lassung von Produkten zu gewaumlhrleisten Unter anderem die EFSA die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmittelsicherheit die Europauml-ische Chemikalienagentur ECHA und das JRC die Gemeinsame Forschungsstelle der Europaumlischen Kommission erarbeiten solche technischen Leitfaumlden

Neben der wissenschaftlichen Komplexitaumlt muumlssen diese techni-schen Leitfaumlden weitere Herausforderungen meistern Sie sollen fuumlr alle Bereiche gelten in denen Mischungen in Verkehr gebracht werden oder entstehen koumlnnen Bisher wurden Mischungen haumlufig nur in einem regulatorischen Bereich untersucht z B als Pflan-zenschutzmittel Biozid oder Arzneimittel Fuumlr andere Stoffe wie Lebensmittelzusatzstoffe oder Kontaminanten war die Bewertung von Mischungen bisher nicht klar gesetzlich reguliert In Zukunft sollen auch diese Stoffe bei einer Bewertung von Mischungen besser beruumlcksichtigt werden Auch soll nicht nur die chemische Zusam-mensetzung eines einzelnen Produktes systematisch bei der Zu-lassung beruumlcksichtigt werden sondern auch Mehrfachruumlckstaumlnde im gesamten Warenkorb den Verbraucherinnen und Verbraucher durchschnittlich zu einer gegebenen Zeit konsumieren Und zu gu-ter Letzt muumlssen die neuen Verfahren weltweit harmonisiert werden um das kumulative Risiko fuumlr Mensch und Umwelt auch angesichts globaler Warenketten gering zu halten Deshalb diskutieren Politik und Wissenschaft zurzeit nicht nur auf europaumlischer Ebene entspre-chende Leitfaumlden auch andere Laumlnder weltweit sowie die Weltge-sundheitsorganisation WHO und die Organisation fuumlr wirtschaftli-che Zusammenarbeit und Entwicklung OECD haben die kumulative Bewertung auf ihre Agenda genommen und stimmen ihre Guidance Documents mit den uumlbrigen Behoumlrden ab

Deutschland wendet die kumulative Bewertung schon an

Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR sind an zahlreichen dieser internationalen Projekte beteiligt sowohl an der wissenschaftlichen Erforschung kumulativer Effekte als auch an der Entwicklung technischer Leitfaumlden Einen wichtigen Schritt bei der kumulativen Bewertung hat Deutschland in der Europaumlischen Uni-

Stufe um Stufe zu einer gesicherten Bewertung

Seit Maumlrz 2017 wird in Deutschland eine Methodik fuumlr die Bewertung von Kumulations- und Synergie-effekten bei der gesundheitlichen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln in den Zulassungsverfahren angewandt Grundlage fuumlr das gestufte kumulative Bewertungsverfahren ist der sogenannte bdquoHazard Quotientldquo (HQ) der fuumlr jeden einzelnen Stoff ermit-telt wird Der HQ errechnet sich aus dem Verhaumlltnis zwischen dem relevanten gesundheitlichen Grenz-wert und der geschaumltzten Exposition

In einer ersten Stufe wird der HQ fuumlr alle Stoffe eines Gemisches einzeln ermittelt Liegt der HQ jedes Stoffes unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko fuumlr die einzelnen Bestandteile der Mischung zu erwarten Liegt dieser bei einzelnen Stoffen uumlber 1 wird gepruumlft ob die Exposition durch geeignete Maszlignahmen weiter vermindert werden kann zum Beispiel durch das Tragen entsprechender Schutz-kleidung

Liegt der HQ fuumlr alle Komponenten unter 1 wird in einer zweiten Stufe der sogenannte bdquoHazard Indexldquo (HI) des Gemisches ermittelt indem alle Gefahren-quotienten der verwendeten Stoffe addiert werden Liegt der ermittelte Wert weiterhin unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko durch das Gemisch zu erwarten

Liegt der HI uumlber 1 geht die Bewertung mit weiter verfeinerten Methoden in die dritte Stufe uumlber In dieser wird gepruumlft ob ein gesundheitliches Risiko vorliegt wenn eine Gruppierung der Einzelstoffe vorgenommen wird Dazu koumlnnen die einzelnen Stoffe in kumulative Bewertungsgruppen (cumula-tive assessment groups CAGs) eingeteilt werden die z B nach Effekten im gleichen Zielorgan oder nach dem gleichen Wirkmechanismus oder nach chemischer Verwandtschaft definiert sein koumlnnen Hintergrund dieser Einteilung ist die Annahme dass sich nach gegenwaumlrtigem Kenntnisstand nur Effek-te addieren die hinsichtlich der Zielorgane oder der Wirkmechanismen (MOA) vergleichbar sind Auch die relative Potenz der einzelnen Stoffe soll bei der verfeinerten Bewertung beruumlcksichtigt werden Liegt der HI innerhalb einer CAG unter 1 ist deshalb kein gesundheitliches Risiko zu erwarten Liegt er oberhalb des Wertes und koumlnnen weder Expositionsschaumltzung noch Gefahrenbewertung weiter verfeinert werden gilt das Gemisch als nicht sicher

Das mehrstufige Verfahren hat den Vorteil dass die ressourcenaufwendigeren Methoden zur verfei-nerten Bewertung z B in vergleichbaren CAGs oder MOAs nur zum Einsatz kommen wenn mit den ersten einfacheren Bewertungsmethoden nicht nachweisbar ist dass kein gesundheitliches Risiko zu erwarten ist

copy T

atom

mis

tock

com

32 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

EuroMix A tiered strategy for risk assessment of mixtures of multiple chemicals

EuroMix ist ein laumlnderuumlbergreifendes Projekt der EU-Kommission das die nie-derlaumlndische Behoumlrde fuumlr Gesundheit und Umweltschutz RIVM koordiniert Es zielt darauf ab eine tierversuchsfreie experi-mentelle Test-Strategie zu entwickeln um die Toxizitaumlt von Gemischen verschiedener toxikologisch relevanter Lebensmittelin-haltsstoffe Lebensmittelkontaminanten und Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde besser zu bestimmen Aus den Forschungsergeb-nissen wird ein Leitfaden fuumlr die kuumlnftige Umsetzung einer experimentellen Test-Stra-tegie entwickelt Das Acht-Millionen-Eu-ro-Projekt laumluft bis Mai 2019

Mehr erfahren wwweuromixprojecteu

Kombinationseffekte Forschungsprojekte des BfR

Am BfR werden in verschiedenen Abteilungen mehrere interne Forschungsprojekte zu Kombinationseffekten durch-gefuumlhrt Dazu gehoumlren u a Forschungsprojekte zu kumulativen Wirkungen in Pflanzenschutzmitteln und Bioziden zu Mehrfachruumlckstaumlnden in Lebensmitteln zur Expositionsschaumltzung sowie zu wirbeltierfreien Alternativmethoden Daruumlber hinaus ist und war das BfR auch an folgenden Drittmittel-Projekten beteiligt die zu Kombinationseffekten forschen

Combiomics Analyse von Kombinationseffekten von Pestiziden in vitro

Combiomics war ein zweieinhalbjaumlhri-ges Projekt des Bundesministeriums fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) das im Fruumlhling 2016 abgeschlossen wurde In dem vom BfR koordinierten Projekt wurden moumlgliche Kombinationswirkungen durch Mehrfachruumlckstaumlnde beispielhaft anhand einer Gruppe von Fungiziden in vitro unter-sucht Dazu wurden die molekularen Effek-te der Triazole mittels multi level omics und praumldiktiver mathematischer Modellierung untersucht Ausgehend von den Ergebnissen wurde ein Praumldiktionsmodell fuumlr Substanz-kombinationen erstellt validiert und auf Pestizide anderer Stoffgruppen bzw weitere Substanzklassen ausgedehnt um Kombi-nationseffekte kuumlnftig weitgehend ohne Tierversuche durchfuumlhrbar zu machen

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschung gt Drittmittelprojekte gt Combiomics

Combiomics 2Auch die zweite Projektphase von Com-biomics wird vom BfR koordiniert Hier sollen erfolgreich getestete Methoden und Zelllinien in Form einer standardisierten In-vitro-Testbatterie validiert und in ein Standardverfahren integriert werden das auch kuumlnftigen regulatorischen Anforde-rungen entspricht Das dreijaumlhrige Projekt wird vom BMBF bis Ende 2019 gefoumlrdert

Mehr erfahren wwwfisaonlinede gt Kombinationseffekte Pestizide

on schon jetzt unternommen Am 1 Maumlrz 2017 erschien im Bundesanzeiger eine Be-kanntmachung dass Kumulations- und Synergieeffekte in der gesundheitlichen Be-wertung von Pflanzenschutzmitteln kuumlnf-tig durch das BfR beruumlcksichtigt werden Damit bezieht Deutschland bei der zonalen Zulassung von Pflanzenschutzmitteln eine systematische kumulative Bewertung ein

Ein Leitfaden zur kumulativen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln wurde am BfR erarbeitet basierend auf den internatio-nalen Diskussionen bei EFSA und ECHA und 2014 veroumlffentlicht Seitdem wird das Verfahren am BfR angewandt uumlberpruumlft und verfeinert Im Kern geht es darum in einem mehrstufigen Verfahren verschie-dene Wirkstoffe in einem Pflanzenschutz-mittel oder in einer beantragten Tankmi-

schung kumulativ zu bewerten (s Kasten) Dazu werden sowohl die Exposition der Anwenderinnen und Anwender als auch die akute Exposition der Verbraucherinnen und Verbraucher betrachtet sodass die am meisten exponierten Gruppen beruumlcksich-tigt sind

Das Ziel Mischungen weltweit harmonisiert zu bewerten

Die Einfuumlhrung der Konzepte zur kumu-lativen Bewertung von Pflanzenschutzmit-teln hat auch in anderen EU-Laumlndern Aus-wirkungen auf die Risikobewertung Wenn Deutschland im zonalen Zulassungsverfah-ren bewertender Mitgliedstaat ist wird das Verfahren grundsaumltzlich angewandt Aber auch in die Bewertungsberichte anderer Laumlnder flieszligt die kumulative Bewertung als

deutscher Kommentar mit ein Durch den fachlichen Austausch zwischen den Mit-gliedstaaten wurde das Konzept in den letz-ten Jahren einem Peer-Review unterzogen Um die Praxis europaweit noch besser zu harmonisieren werden derzeit auszligerdem internationale Workshops organisiert auf denen diskutiert wird wie Mischungen bei der Risikobewertung kuumlnftig beruumlcksichtigt werden sollen Das BfR veranstaltet einen solchen Workshop im November 2017 im Auftrag der Europaumlischen Kommission die Franzoumlsische Behoumlrde fuumlr gesundheitlichen Verbraucher- Umwelt- und Arbeitsschutz (ANSES) einen weiteren im Februar 2018 unter aktiver Beteiligung des BfR

Das Ziel Mischungen weltweit harmoni-siert zu bewerten um Mensch und Umwelt besser zu schuumltzen ruumlckt damit naumlher

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

33012017

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

bdquoZiel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertungldquo Interview mit Herrn Dr Roland Solecki uumlber die Forschungsaktivitaumlten des BfR zu Mehrfachruumlckstaumlnden

Herr Solecki bei Mehrfachruumlckstaumlnden von Pflanzenschutzmitteln sprechen die Medien oft von einem bdquoGiftcocktailldquo Haben Sie Erkenntnisse daruumlber wie groszlig das gesundheitliche Risiko tat-saumlchlich istDas BfR hat dazu gemeinsam mit dem Bun-desministerium fuumlr Ernaumlhrung und Land-wirtschaft und dem Bundesamt fuumlr Ver-braucherschutz und Lebensmittelsicherheit einen Bericht uumlber die kumulativen Wir-kungen von Pflanzenschutzmitteln veroumlf-fentlicht Dieser basiert auf einer Methodik der niederlaumlndischen Behoumlrde fuumlr Gesund-heit und Umweltschutz RIVM Hintergrund ist ein Monitoring das uumlber einen Zeitraum von sechs Jahren in Deutschland durchge-fuumlhrt wurde Darin wurde untersucht wel-che Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde durch-schnittlich uumlber Lebensmittel aufgenommen werden Das Ergebnis war dass auch unter Worst-Case-Annahmen fuumlr die Mischungen von Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnden ein gesundheitliches Risiko unwahrscheinlich ist Die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit EFSA kam in ihrem Monito-ring-Bericht von 2015 fuumlr Gesamteuropa zu einem aumlhnlichen Ergebnis

Sie arbeiten unter anderem bei dem Pro-jekt EuroMix mit Worum geht es dabeiEs handelt sich um ein groszliges Forschungs-projekt der EU-Kommission zur kumulati-ven Bewertung von Mischungen im Rahmen von Horizont 2020 dem Rahmenprogramm der Europaumlischen Union fuumlr Forschung und Innovation Das Projekt hat zum Ziel neue Bewertungsmethoden fuumlr Mischungseffekte zu erarbeiten besonders auch im Hinblick auf Alternativen zu Tierversuchen innovati-ve Wege der Expositionsschaumltzung und Mo-dellierung von kumulativen Risiken Dabei geht es nicht nur um Pflanzenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatzstoffe und andere Chemikalien

Wie ist das BfR da in EuroMix einge-bundenVom BfR arbeiten sowohl die Abteilung Sicherheit von Pestiziden als auch die Ab-teilung fuumlr Lebensmittelsicherheit am Eu-roMix-Projekt mit Waumlhrend die von mir geleitete Abteilung fuumlr die regulative Bewer-tung eingebunden ist werden in der Abtei-lung Lebensmittelsicherheit experimentelle Arbeiten unter anderem zur Lebertoxizitaumlt durchgefuumlhrt in denen auch Kombinatio-nen von Pestiziden mit anderen Lebensmit-telinhaltsstoffen gepruumlft werden

Woran forschen Sie im EuroMix-ProjektWir haben zunaumlchst recherchiert welche gesetzlichen Anforderungen bestehen und wie unterschiedliche Behoumlrden weltweit

Mischungseffekte bewerten Und wir haben Forschungen zu Mischungen durchgefuumlhrt die bestimmte adverse Effekte auf die Leber verursachen Dabei wurden bestimmte Schluumlsselelemente untersucht um daraus ein Konzept fuumlr die Bewertung zu erarbei-ten Jetzt werden die Omics-Untersuchun-gen und andere alternative Pruumlfverfahren noch durch Tierversuche ergaumlnzt sodass wir auch am Gesamtorganismus die Effek-te uumlberpruumlfen koumlnnen Gleichzeitig werden die statistischen Hilfsmittel und die ande-ren elektronisch basierten Tools weiterent-wickelt Auszligerdem folgen noch weitere Stu-dien zur Exposition Die finalen Ergebnisse liegen am Ende des Projekts im Jahr 2019 vor

In welche weiteren europaumlischen Aktivi-taumlten ist das BfR eingebundenDie EFSA hat bereits einige Ansaumltze zur Bewertung der kombinierten Exposition gegenuumlber mehreren Pestiziden und Kon-taminanten bei Menschen sowie mehreren Pestiziden bei Bienen entwickelt Derzeit ist die EFSA damit befasst neue Ansaumltze und Instrumente zur Harmonisierung der Be-wertung von Risiken fuumlr Mensch und Um-welt zu erarbeiten die von der Exposition gegenuumlber mehreren chemischen Stoffen in der Lebensmittelkette ausgehen Ich bin derzeit Mitglied einer Arbeitsgruppe von Sachverstaumlndigen die der Wissenschaftliche Ausschuss der EFSA eingerichtet hat um Leitlinien im Hinblick auf die kombinierte Exposition gegenuumlber mehreren chemi-schen Stoffen zu entwickeln Diese Initiative unter dem Namen bdquoMixToxldquo wird 2018 den Leitfaden in einer oumlffentlichen Konsultation diskutieren

Bei dieser Vielzahl an Aktivitaumlten Wel-ches Ziel haben Sie persoumlnlich vor Au-genDas Ziel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertung von Stoffen in der gesundheitlichen Risikocharakterisie-rung und deren harmonisierte Implemen-tierung in den gesetzlichen Verfahren Dies wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen

bdquoBei den kumulati-ven Risiken geht es nicht nur um Pflan-zenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatz-stoffe und andere Chemikalien

Dr Roland Solecki leitet die Abteilung bdquoSicherheit von Pestizidenldquo am BfR

copy B

fR

34 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

SPEKTRUM

Identifizierung endokriner Disruptoren Vom Grundsatz in die Praxis

Fuumlr Pestizid-Wirkstoffe und andere Chemikalien sind harmonisierte wissenschaftliche Kriterien erforderlich mit denen hormonschaumldigende Substanzen identifiziert werden koumlnnen Das BfR veroumlffentlichte hierzu bereits 2016 ein Konsenspapier als wissenschaftliche Grundlage fuumlr die darauffolgende Arbeit der EU-Behoumlrden Auf legislativer Ebene werden aktuell EU-weit geltende Ver-ordnungen festgelegt um auf wissenschaftlicher Ebene Leitlinien zur regulatorisch harmonisierten Umsetzung dieser Verordnungen zu erarbeiten Mit dieser Aufga-be hat die EU-Kommission die EFSA und die ECHA gemeinsam beauftragt Das BfR unterstuumltzt die Behoumlr-den mit wissenschaftlicher und technischer Expertise indem es die entsprechende Arbeitsgruppe bei der EFSA personell verstaumlrkt sowie Recherchen und Umfragen zur Praktikabilitaumlt von Untersuchungsmethoden durchfuumlhrt Die Publikation der Leitlinien wird fuumlr Fruumlhjahr 2018 erwartet Sie koumlnnen auf Basis der verabschiedeten Ver-ordnungen nach ihrer Implementierung in der Genehmi-gungspraxis angewendet werden

Mehr erfahren Solecki et al 2017 Scientific principles for the identification of endocrine-disrupting chemicals a consensus statement Arch Toxicol 91 1001ndash1006

Insekten-Stopp in Textilien Allergene Wirkung unwahrscheinlich

Das Risiko fuumlr eine Allergie nach dem Kontakt mit Kleidung und Produkten die mit dem Biozid Permethrin behandelt sind ist nach derzeitigem Kenntnisstand unwahrscheinlich Das ist das Ergebnis einer aktuellen Risikobewertung des BfR Gestuumltzt wird das Ergebnis dadurch dass trotz weitverbreiteter Anwendung des Wirkstoffs in Medikamenten und Verbraucherprodukten kein Anstieg der Kontaktallergien gegenuumlber Permethrin zu verzeichnen ist Das Risiko fuumlr kanzero-gene systemische Effekte infolge einer dermalen und oralen Exposition gegenuumlber Permethrin aus Textilien ist nach Ansicht des BfR vernachlaumlssigbar gering Permethrin ist ein biozider Wirkstoff der zum Schutz gegen Insekten in Produkten wie Schlafsaumlcken Picknick- und Yogadecken sowie Teppichen und Kleidung eingesetzt wird Er ist im Chemikalienrecht als sensibilisierend eingestuft ein moumlgliches geringes kanzerogenes Potenzial wird von verschiedenen wissenschaftlichen Gremien diskutiert Der Wirkstoff kann aus Textilien freigesetzt und uumlber die Haut aufgenommen werden Bei kleinen Kindern die viele Produkte in den Mund nehmen kommt eine moumlgliche orale Aufnah-me des Stoffes hinzu

Mehr erfahren Stellungnahme Nr 0062017 des BfR vom 25 April 2017

Wie wirkt Aluminium in Leber und Darm

Aluminium ist in Lebensmitteln Kosmetika und Bedarfsge-genstaumlnden enthalten und kann uumlber die Nahrung aufgenom-men werden Erste Ergebnisse aus dem deutsch-franzoumlsischen Forschungsprojekt bdquoSolNanoToxldquo mit Beteiligung des BfR zeigen dass sich aus der Nahrung aufgenommene Aluminiumverbin- dungen temporaumlr im Darm anreichern Ob und in welchen Men-gen die Partikel weiter in den Koumlrper insbesondere in die Leber gelangen und welche Faktoren ihre Wirkung beeinflussen wird aktuell erforscht Die Forschungsgruppe sieht Anhaltspunkte dafuumlr dass ein Teil der angereicherten Partikel mit dem Stuhl wieder ausgeschieden wird Fuumlr seine Untersuchung simulierte das BfR anhand biologischer Proben die Verdauung verschiede-ner Aluminiumarten vom Mund uumlber den Magen bis zum Darm Mithilfe von Enzymen und Salzen wurden dabei physiologische Parameter wie der pH-Wert gesteuert Waumlhrend des simulierten Verdauungsprozesses veraumlnderten die Aluminiumverbindungen ihre chemische Reaktionsfaumlhigkeit und Loumlslichkeit Die Erkennt-nisse sind ein erster Schritt um den Prozess der Aufnahme Resorption und Verteilung von Aluminium im Koumlrper besser zu verstehen und daraus Daten fuumlr die Risikobewertung abzuleiten Aluminiumverbindungen koumlnnen in zu hohen Dosen toxisch auf das Nervensystem und ungeborenes Leben wirken sowie die Fruchtbarkeit und Knochenentwicklung beeinflussen

copy B

fR

copy c

gsto

cks

hutte

rsto

ckc

om

copy R

osel

ynne

shu

tters

tock

com

35012017

Bei Kleidung ist besonders der Einsatz von Silber-Nanopartikeln weit verbreitet Silber wirkt antibakteriell und soll die Geruchs-bildung durch Schwitzen reduzieren Beim Einsatz von Nanosilber in Kleidungsstuuml-cken ist in erster Linie eine Freisetzung in Schweiszlig und somit ein moumlglicher Hautkon-takt relevant Neben der Frage ob und in welcher Menge Silber prinzipiell aus Texti-lien herausgeloumlst wird beschaumlftigt sich die Forschung mit der Frage welchen Einfluss die Technologie hat mit der Nanosilber auf Textilien aufgetragen bzw eingebracht wird Bisher war zudem unklar inwiefern die Oberflaumlchenbeschichtung der Nano-partikel die Abgabe beeinflusst

Kuumlnstlicher Schweiszlig simuliert Freisetzung

In einem Forschungsprojekt pruumlfte das BfR neun Proben von Textilien die mit Nanosil-ber veredelt waren Als Vergleich diente ein mit konventionellem Silber (hier Silbersalz mit einem Partikeldurchmesser groumlszliger als 100 Nanometer) ausgeruumlstetes Textil Zwei der Textilien waren sogenannte Komposite bei denen Nanosilber in die Faser integriert ist Bei den anderen getesteten Textilien war die Faseroberflaumlche mit Silber-Nano-partikeln bzw in einem Fall mit konventio-nellem Silber beschichtet (Textil-Coating) Um die Abgabe von Silber durch Schwitzen

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

Kleidung wird durch sie wasser- und schmutzabweisend sie blocken UV-Strahlen und mindern Geruumlche Nanoma-terialien haben beliebte funktionelle Eigenschaften Ob sie aufgrund ihrer Winzigkeit gesundheitliche Risiken bergen ist indes noch weitgehend unbekannt In einem Forschungsprojekt uumlber Nanosilber hat das BfR ermittelt ob sich die Kleinstteilchen aus Textilien herausloumlsen und damit zum gesundheitlichen Risiko werden koumlnnen

Nanomaterial

ist ein natuumlrliches bei Prozessen anfallendes oder kuumlnstlich hergestelltes Material das Partikel in ungebundenem Zustand als Aggregat oder als Agglo-merat enthaumllt und bei dem die Mehrheit der Partikel ein oder mehrere Auszligen-maszlige im Bereich unter 100 Nanometer hat In Nanogroumlszlige kann ein Stoff andere Eigenschaften besitzen als wenn er in Form groumlszligerer Partikel vorliegt

copy o

still

shu

tters

tock

com

36 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von Textilfasern Links Nanokomposit bei dem kaum Silberpartikel an der Faseroberflaumlche zu finden sind Mitte und rechts Textilien mit Silbercoating hier befindet sich insgesamt mehr Silber auf der Oberflaumlche

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

zu simulieren wurden die Textilien fuumlr 24 Stunden in einer Schweiszligsimulanz-Louml-sung inkubiert Fuumlr die Auswertung wurde zunaumlchst der gesamte Silbergehalt in den Schweiszligloumlsungen mit massenspektromet-rischen Messmethoden bestimmt In den Proben in denen Silber vorhanden war wurden anschlieszligend mit Zentrifugation und einer speziellen Methode zum Messen von Einzelpartikeln geloumlstes und partikulauml-res Silber unterschieden Im letzten Schritt wurden die Partikelgroumlszligen des vorgefun-denen partikulaumlren Silbers gemessen um nanoskaliges Silber zu identifizieren

Silber aus Kleidung freigesetzt

Die Untersuchung des BfR zeigte dass von jeder Textilprobe Silber in die Schweiszligsi-mulanz-Loumlsung uumlberging je nach geteste-tem Textil zwischen 7 und 75 Prozent des originaumlr in den Textilien enthaltenen Sil-bers Dabei setzten die beschichteten Tex-tilien mehr Silber frei als die Komposite Den houmlchsten abgegebenen Anteil fand das BfR bei dem mit konventionellem Silber beschichteten Textil Die Freisetzung wird demnach staumlrker durch die Technologie der Veredelung bestimmt als durch die im Tex-til enthaltene Menge Auszligerdem scheint die Abgaberate von Silber aus Nanosilber im Vergleich zu konventionellem Silber nicht erhoumlht zu sein

In der Schweiszligloumlsung lag das freigesetzte Silber uumlberwiegend geloumlst vor Partikulaumlres Silber fand sich nur zum geringeren Teil dann jedoch auch im Nanometerbereich Ob es sich dabei um einzelne Nanoparti-kel handelt oder ob das Silber an groumlszligere Partikel gebunden ist muss in weiteren Untersuchungen uumlberpruumlft werden Nach

derzeitigem wissenschaftlichem Kennt-nisstand geht man davon aus dass sich Nanopartikel im Koumlrper anders verhalten als groumlszligere Partikel Uumlberraschenderweise detektierte die Forschungsgruppe auch in den Schweiszligsimulanzien der mit konven-tionellem Silber beschichteten Textilien partikulaumlres Silber in Nanogroumlszlige Das Vor-kommen von Silberpartikeln scheint also nicht davon abhaumlngig zu sein ob das Silber in Nano- oder konventioneller Form auf das Textil aufgebracht wurde

In einer parallelen Untersuchung fanden die Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler heraus dass zudem die Beschaffenheit der Nanopartikel beispielsweise in Form einer speziellen Beschichtung ihre Loumlslichkeit in der Schweiszligloumlsung beeinflusst

Art der Beschichtung relevant

Silber wird demnach aus Textilien freige-setzt in geringen Teilen sogar in partiku- laumlrer Form Die gewaumlhlte Form der Tex-tilfunktionalisierung aber auch die Be-schaffenheit der Nanopartikel stellen dabei wichtige Kriterien fuumlr das Freisetzungsver-halten dar Solche Erkenntnisse sind vor al-lem fuumlr den sicheren Einsatz von Nanoma-terialien in Alltagsprodukten wichtig weil die Exposition des Menschen gegenuumlber derartigen Stoffen moumlglichst klein gehalten werden sollte Auszligerdem geben sie Hin-weise in welcher Anwendungsform Nano-materialien im verbrauchernahen Bereich sicher eingesetzt werden koumlnnen

Mehr erfahren Wagener et al 2016 Textile Functionalization and Its Effects on the Release of Silver Nanoparticles into Artificial Sweat Environ Sci Technol 50 11 5927ndash5934

Per Flugzeitmassenspek-trometer laumlsst sich Silber auf beschichteten Textil-fasern detektieren

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

NANOPARTIKEL

37012017

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

38 BfR 2 GO

Neuer Ansatz fuumlr Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

Spiegelbild gesucht

Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR zeigt einen neuen Ansatz um mithilfe von Genexpressionsdaten das geeignete Tiermodell fuumlr die Grundlagenforschung oder fuumlr spezifische klinische Fra-gestellungen zu identifizieren Damit koumlnnen zukuumlnftig unnoumltige Tierversu-che vermieden werden Hamburger Wissenschaftsbehoumlrden wuumlrdigten die Erkenntnisse mit einem Forschungspreis

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

39012017

Fragestellung

Vergleich

Auswahl

z B bdquoMit welchem Mausmodell koumlnnen die Ursachen von Alzheimer erforscht werdenldquo

Vergleich von vorhandenen Omics-Expressionsdaten von Mensch und Tier

Auswahl des geeigneten Modells

1

2

3

Geeignete Tiermodelle identifizieren

An Tiermodellen werden zahlreiche biologische Prozesse und Krankheiten wie Wund-

heilung Diabetes Tumoren oder entzuumlndliche Erkrankungen erforscht Durch den

Vergleich der Omics-Expressionsdaten von Tiermodell und Mensch koumlnnen geeignete

Modelle fuumlr die jeweilige Fragestellung identifiziert werden

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

40 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Verlaumluft ein entzuumlndlicher Prozess bei Maumlusen aumlhnlich wie beim Menschen Sind Maumluse daher geeignete Ver-

suchstiere fuumlr Tests von antientzuumlndlichen Substanzen Um Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung in den klinischen Alltag zu uumlberfuumlhren ndash Aufgabengebiet der translationalen Forschung ndash werden wissen-schaftliche Fragestellungen oft in Tierversu-chen erprobt Ob und inwieweit die Ergeb-nisse auf den Menschen uumlbertragbar sind ist dabei immer wieder Gegenstand kontrover-ser Diskussionen Geeignete Methoden mit denen die Wissenschaft Tiermodelle mit op-timaler Uumlbertragbarkeit auf den Menschen auswaumlhlen kann wuumlrden dem wissenschaft-lichen Fortschritt helfen und die Zahl der Tierversuche reduzieren Es geht dabei um die Frage welches Tiermodell am besten das menschliche System widerspiegelt

Vergleichbarkeit von Genom- daten fehleranfaumlllig

Als Grundlage fuumlr diese Uumlberlegungen die-nen Daten aus modernen bioanalytischen Hochdurchsatzverfahren Immer haumlufiger setzt die Wissenschaft auf diese sogenannten Omics-Technologien die die Gesamtheit aller Gene und ihrer Produkte analysieren ndash sowohl beim Tier als auch beim Menschen Mit ihnen lassen sich molekulare Prozesse in lebenden Systemen umfassend darstel-len indem sie beispielsweise die Interaktion hunderter bis tausender Genprodukte zei-gen Die Analyse dieser zunehmend kom-plexen Omics-Datensaumltze stellt die Wissen-schaft jedoch vor Probleme da das Vorgehen dazu nicht standardisiert ist Die Interpreta-tion der Ergebnisse ist bisher meist von der Kompetenz der Durchfuumlhrenden und von der angewandten Methode abhaumlngig Im Ergebnis war die Entscheidung zur Frage der Uumlbertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen fehleranfaumlllig und die Suche nach

geeigneten Tiermodellen erschwert Die ge-ringe Standardisierung der Interpretation von Omics-Daten fuumlhrte in Forschungs-kreisen bereits zu widerspruumlchlichen Er-gebnissen so zum Beispiel bei zwei Studien aus den Jahren 2013 und 2015 die sich mit der Vergleichbarkeit von entzuumlndlichen Er-krankungen beim Menschen und gaumlngigen Mausmodellen beschaumlftigten Waumlhrend eine Forschungsgruppe im Jahr 2013 schlussfol-gerte dass entzuumlndliche Prozesse zwischen Mensch und Maus nicht vergleichbar seien kam eine andere Gruppe zwei Jahre spaumlter anhand der gleichen Omics-Daten zum ge-genteiligen Schluss Die Maus reagiere auf der molekularen Ebene sehr aumlhnlich wie der Mensch und sei daher als Tiermodell sehr nuumltzlich fuumlr die Erforschung menschlicher Erkrankungen Zwar ist es nicht ungewoumlhn-lich dass Ergebnisse von Studien unter-schiedlich eingeschaumltzt werden ndash allerdings selten auf Basis der gleichen Daten

Motivation des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR war es diese Widerspruumlche aufzuklaumlren und einen standardisierten und zielgerichteten Analyseansatz zu entwickeln der die Suche nach geeigneten Tiermodellen vereinfacht und somit unnoumltige Tierversuche vermei-den hilft Es gehoumlrt zu den Kernaufgaben des Bf3R bundesweit alle Aktivitaumlten zu koordi-nieren mit den Zielen Tierversuche auf das unerlaumlssliche Maszlig zu beschraumlnken und fuumlr Versuchstiere den bestmoumlglichen Schutz zu gewaumlhrleisten Die Aufgaben des Bf3R wer-den vom BfR wahrgenommen

Genomdaten von Tier und Mensch gezielt vergleichen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler des Bf3R haben die Omics-Daten aus den beiden erwaumlhnten widerspruumlchlichen Studien mithilfe hochperformanter Com-

puter nochmals systematisch ausgewertet Dabei wurden zunaumlchst die zu verglei-chenden Gene gruppenweise biologischen Prozessen zugeordnet die wesentlich fuumlr ein Entzuumlndungsgeschehen sind Diese Gene Set Enrichment Analysis (GSEA) ge-nannte Methode greift auf umfangreiche in oumlffentlichen Datenbanken hinterlegte Genomdaten gaumlngiger Tiermodelle und von Erkrankten zuruumlck Mit ihrer Heran-gehensweise konnten die Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler des BfR an-schlieszligend Veraumlnderungen auf der Ebene pathologischer Signalwege erkennen und Unterschiede zwischen Tiermodell und Mensch identifizieren Da der Groszligteil der untersuchten Genprodukte haumlufig nur geringfuumlgig veraumlndert war konnten bei der Analyse auf Ebene vollstaumlndiger bio-logischer Signalwege alle Gene einbezogen und Aumlnderungen in der Gesamtheit eines biologischen Signalwegs bewertet werden Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu bisherigen Analyseansaumltzen da fuumlr die Klauml-rung translationaler Fragestellungen bisher haumlufig willkuumlrlich und subjektiv Gene von Mensch und Tiermodell fuumlr einen direkten Eins-zu-eins-Vergleich ausgewaumlhlt wurden

Die systematische Auswertung des Bf3R zeigte dass die Ergebnisse beim vorlie-genden Genomdatenvergleich bei einigen Mausmodellen gut mit den beim Menschen ermittelten Daten uumlbereinstimmten Bei an-deren Mausmodellen hingegen war es nicht so So aumlhnelt das Entzuumlndungsgeschehen bei Maumlusen die mit Staphylococcus aureus (Staphylococcus-aureus-Injektionsmodell) infiziert sind oder eine Darmperforation (Cecal-ligation-and-puncture-Modell) erfah-ren den meisten klinischen Proben Hin-gegen verlaufen Erkrankungen die durch Lipopolysaccharide (LPS) und Streptococcus pneumoniae verursacht werden bei Mensch und Maus verschieden

Omics

Der Terminus beschreibt Methoden zur

Analyse komplexer biologischer Proben

auf der Ebene des gesamten Genoms

von Transkripten Proteinen oder Meta-

boliten

41012017

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

Forschungsansatz hilft Tierversuche zu reduzieren

Die Methode der Datenanalyse mittels GSEA-Ansatz erleichtert es Forschungs-gruppen zukuumlnftig zielgerichtet und stan-dardisiert das optimale Tiermodell aus-zuwaumlhlen das am besten die menschliche Situation abbildet Voraussetzung dafuumlr ist die Existenz von Omics-Daten zur klini-schen Fragestellung sowie zu den infrage kommenden Tierversuchen Dies ist bereits fuumlr eine Vielzahl von Tiermodellen sowie von humanen Erkrankungen der Fall neben Entzuumlndungserkrankungen beispielsweise fuumlr Herz-Kreislauf-Erkrankungen Krebser-krankungen Atemwegserkrankungen Stoff-wechselerkrankungen und neurologische Erkrankungen Aufgrund der vermehrten Verwendung von Omics-Methoden kann davon ausgegangen werden dass stetig wei-tere systembiologische Daten ermittelt und veroumlffentlicht werden Die vom Bf3R ange-wandte Methode wird daher weiterhin bei der gezielten Auswahl von Tiermodellen nuumltzlich sein

Das Verfahren kann in der Grundlagen-forschung sowie in der translationalen und angewandten Forschung eingesetzt werden Diese Bereiche machten 2015 nach Anga-ben des Bundesministeriums fuumlr Ernaumlh-rung und Landwirtschaft mit insgesamt 73 Prozent den groumlszligten Teil der Tierversuche aus Ein Groszligteil davon entfaumlllt auf Maumluse Ratten und zunehmend auch auf Fische Grundsaumltzlich kann die neue Methode zur Auswahl des geeigneten Versuchstiermo-dells bzw zum Ausschluss nicht geeigneter Versuchstiermodelle bei jeglichen Tierver-suchen in diesen Bereichen genutzt werden Analog zu den Versuchstierzahlen liegen derzeit die meisten Omics-Daten fuumlr Maus und Ratte vor So sind beispielsweise allein in der oumlffentlichen NCBI GEO-Datenbank (National Center for Biotechnology Informa-tion Gene Expression Omnibus) derzeit Da-ten zu ca 340000 Maus-Proben und 75000 Ratte-Proben gelistet

Methode identifiziert geeignete Zellkulturmodelle

Dabei ist die Methode des Bf3R nicht auf humane und murine Datensaumltze beschraumlnkt sondern kann auf alle weiteren Spezies an-gewandt werden fuumlr die umfangreiche Da-tenbanken zu biologischen Signalwegen oder Gengruppen vorliegen Auch fuumlr die Beurteilung von zellbasierten Alternativ-methoden kann der neue Forschungsansatz

herangezogen werden Durch einen system-biologischen Abgleich der klinischen Daten mit Omics-Daten aus beispielsweise neuar-tigen 3D-Zellkulturen oder organaumlhnlichen Mikrostrukturen wird die Charakterisierung und Verifizierung von zellbasierten Alterna-tivmethoden ermoumlglicht

Praumlmierte Forschungsleistung

Fuumlr ihre Forschung erhielten die Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR 2016 den Hamburger Forschungspreis zur Foumlrderung der Entwicklung von Ersatz- und

Ergaumlnzungsmethoden Die Auszeichnung wurde zum erstem Mal von den Hamburger Behoumlrden fuumlr Gesundheit und Verbraucher-schutz sowie fuumlr Wissenschaft Forschung und Gleichstellung mit einem Foumlrderpreis in Houmlhe von 20000 Euro ausgeschrieben Der Preis wird fuumlr Arbeiten vergeben die einen Beitrag leisten Tierversuche zu ersetzen oder zu minimieren

Mehr erfahrenWeidner et al 2016 Defining the optimal animal model for translational research using gene set enrichment analysis EMBO Molecular Medicine 8 8 831ndash838

Wofuumlr Versuchstiere in Deutschland eingesetzt werden

630255Herstellung und Qualitaumlts-kontrolle medizinischer Produkte toxikologische Sicherheitspruumlfungen

22

59

14 5

1643259Grundlagenforschung

144997sonstige Zweckez B Zucht Aus- und Weiterbildung

381450translationale und angewandte Forschung

Que

lle B

unde

smin

iste

rium

fuumlr E

rnaumlh

rung

und

Lan

dwirt

scha

ft V

ersu

chst

ierz

ahle

n 20

15

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

42 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Alternativen zu Tierversuchen Forschung regional buumlndeln

Eine individualisierte Schmerztherapie fuumlr Versuchsmaumluse und eine Verringerung von Tierexperimenten zum Test der Inhala- tionstoxizitaumlt von Nanomaterialien (siehe rechte Spalte) ndash hierzu sollen die ersten Arbeitsergebnisse des BfR im Berlin-Bran-denburgischen Verbundprojekt BB3R zukuumlnftig beitragen Das Netzwerk aus Universitaumlten und Bundesinstitutionen forscht um Tierversuche zu vermeiden (Replacement) bzw zu verringern (Reduction) sowie das Leiden von Versuchstieren zu vermindern (Refinement) Das BfR ist als einer von sechs Verbundpartnern in den Bereichen der Refinement- und Replacement-Forschung beteiligt Das Bundesforschungsministerium foumlrdert das mit BB3R abgekuumlrzte Projekt fuumlr vier Jahre bis Fruumlhjahr 2018 es ist als Plattform fuumlr den wissenschaftlichen Austausch konzipiert und integriert ein Graduiertenkolleg

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschungwwwbb3rde

Belastung von Laborfischen erkennen

Koumlrperbau

Koumlrpermerkmale

Verhaltenkreisendes Schwimmen

Belastung von Laborfischen erkennen

Ob Laborfische Schmerzen empfinden oder leiden laumlsst sich mithilfe konkreter Kriterien beurteilen Die Vorarbeiten hierzu koordinierte der bdquoNationale Ausschuss zumSchutz von fuumlr wissenschaftliche Zweckeverwendeten Tierenldquo am BfR gemeinsam mit externen Sachverstaumlndigen und Beauf-tragten von Genehmigungsbehoumlrden Die erstmals definierten Kriterien bewerten unter anderem Auffaumllligkeiten im Koumlrper-bau sowie im Verhalten der Tiere Schmer-zen und Leiden koumlnnen so gezielt behandelt und gelindert werden Da die Frage der Belastung der Tiere anhand der Kriterien eindeutig geklaumlrt werden kann dienen sie zudem als Entscheidungshilfe fuumlr Behoumlr-den welche die Zucht belasteter genetisch veraumlnderter Tiere genehmigen muumlssen Fische insbesondere Zebrafische sind nach Maumlusen und Ratten die am dritthaumlufigsten verwendete Versuchstierart Die Zahl der Versuchsfische hat in den letzten Jahren stetig zugenommen

Mehr erfahren Bert et al 2016 Considerations for aEuropean animal welfare standard toevaluate adverse phenotypes in teleost fish EMBO J 35 11 1151ndash1154Empfehlung des Nationalen Ausschusses TierSchG Nr 0012015

Test der Inhalationstoxizitaumlt von Nanomaterialien

Die Einatmung gilt als wichtigster Aufnahmeweg fuumlr Nanomaterialien Im Rahmen der BB3R-Forschung bildet das BfR diese Art der Exposition mit In-vitro- Atemwegsepithelmodellen an ihrer Grenzflaumlche zur Luft ab Dieser Ansatz zum Test der Inhalationstoxi-zitaumlt hilft Anzahl und Umfang von Tierversuchen zu verringern

Versuchsaufbau Drei Roumlhrchen leiten ein Testaerosol mit luftgetragenen Nanomaterialien auf Epithelzellen

SPEKTRUM

copy B

fR

43012017

Jubilaumlumsfeier und internationales Symposium

Am 29 November 2017 feiert das BfR sein 15-jaumlh-riges Bestehen mit einem Festakt Geplant ist eine Feier mit ausgewaumlhlten Gaumlsten in der Akademie der Kuumlnste Anschlieszligend findet vom 30 Novem-ber bis zum 01 Dezember 2017 das gemeinsame internationale Symposium des BfR und seiner Schwesterinstitutionen aus Daumlnemark (DTU Food) und Frankreich (ANSES) sowie der suumldko-reanischen Behoumlrde fuumlr Lebens- und Arzneimittel-sicherheit (NIFDS) statt Unter dem Motto bdquoPast Present and Future Challenges in Risk Assessment ndash Strengthening Consumer Health Protectionldquo werden die letzten anderthalb Jahrzehnte Risikobewer-tung betrachtet Daruumlber hinaus werden aktuelle Aktivitaumlten sowie zukuumlnftige Herausforderungen des Verbraucherschutzes wie mikrobiologische Erreger chemische Substanzen Methoden und Harmonisierung auf nationaler wie internationa-ler Ebene diskutiert

VERANSTALTUNGEN

Nachwuchs foumlrdern

Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu foumlr-dern baut das BfR wissenschaftliche Nachwuchs-gruppen zu bestimmten Schwerpunktthemen auf Die bereits 2015 eingerichtete Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Warenketteldquo wird im Herbst 2017 durch einen weiteren Dokto-randen verstaumlrkt

Verstaumlrkung im Versuchstierschutz

Seit dem 1 April 2017 staumlrkt die Berufung von Herrn Universitaumltsprofessor Dr Lars Lewejo-hann den Kompetenzbereich bdquoVerminderung der Belastung und Verbesserung der Lebenssitua-tionldquo des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) Neben der Leitung der Fachgruppe bdquoTierschutz und Versuchstierkundeldquo im BfR wird Lars Lewejohann sein Wissen und neue Erkenntnisse als Hochschullehrer fuumlr bdquoTier-schutz mit dem Schwerpunkt Refinementldquo an der veterinaumlrmedizinischen Fakultaumlt der Freien Universitaumlt Berlin an Studierende und Doktoran-den weitergeben

PERSONALIEN

Alternativmethode zum Tierversuch bdquoKnochen-auf-dem-Chipldquo

Im Mai 2017 fand bei der Gemeinsamen For-schungsstelle (GFS)Joint Research Centre (JRC) der Generaldirektion (Directorate General) der Europaumlischen Kommission eine Summer School zu alternativen Ansaumltzen zum Tierversuch fuumlr die Risikobewertung in Ispra (Italien) statt Dort wurde Herr Dr Ing Frank Schulze aus der BfR-Fachgruppe bdquoZEBET ndash Alternativmethoden zu Tierversuchenldquo fuumlr seine Praumlsentation und das dazugehoumlrige Poster zum Thema bdquoEin Knochen-auf-dem-Chip fuumlr die Grundlagenwissenschaft und die Identifizierung von knochenschaumldigen-den Substanzenldquo mit einem Posterpreis (1 Platz) ausgezeichnet

copy B

fR

copy p

rivat

INSTITUTSLEBEN

44 BfR 2 GO

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

Hergestellt in Parma

Wie vielSchafsmilchist drin

Ist es reiner Wein

copy O

ben

und

Unt

en b

igac

iss

hutte

rsto

ckc

om M

itte

gre

seis

hutte

rsto

ckc

om

6 BfR 2 GO

SCHWERPUNKT AUTHENTIZITAumlT

Lebensmittelfaumllschernauf der SpurGestreckt gepanscht gefaumllscht ndash Lebensmittelbetrug ist ein globales Problem Das BfR erforscht wie Verfahren zum Nachweis der Authen-tizitaumlt von Lebensmitteln harmonisiert werden koumlnnen Dabei schluumlp-fen die Forscherinnen und Forscher am BfR auch selbst in die Rolle der Lebensmittelfaumllscher

Kommt er aus dem Allgaumlu

Wurde eskaltgepresst

copy O

ben

Cop

rids

hutte

rsto

ckc

om U

nten

Ale

nKad

rshu

tters

tock

com

7012017

Ein Bildschirm ein Rechner ein Infra-rotspektrometer und viele kleine Pro-bengefaumlszlige gefuumlllt mit Fett extrahiert

aus Hartkaumlse Allgaumluer Emmentaler Ein Laborant entnimmt eine stecknadelkopf-groszlige Fettprobe und bringt sie auf das Ana-lysegeraumlt auf Sekunden spaumlter erscheint auf dem Bildschirm eine Wellenlinie aus 1800 Datenpunkten das Spektrum der Kaumlse-fettprobe Ein zweites Labor eine weitere Analyse Roumlhrchen fuumlr Roumlhrchen holt sich ein Greifarm Allgaumluer-Emmentaler-Proben und bringt sie in das starke Magnetfeld ei-nes Kernspinresonanz-Spektrometers ein Die Messung erzeugt bis zu 130000 Da-tenpunkte die fuumlr die jeweilige Kaumlseprobe charakteristisch sind Ein drittes Labor eine dritte Messmethode Mit der Isotopen-verhaumlltnis-Massenspektrometrie wird hier die Herkunft der Hartkaumlse-Proben be-stimmt Insgesamt sollen 150 bis 200 Pro-ben beschafft und analysiert werden bdquoAlle Daten werden aufgearbeitet und flieszligen in eine Auswertungs-Software die fuumlr jede Methode ein charakteristisches Datenspek-trum ndash den authentischen Fingerabdruck von Allgaumluer Emmentaler ndash berechnetldquo so Dr Susanne Esslinger Sie koordiniert die Versuche zum Authentizitaumltsnachweis von Allgaumluer Emmentaler

Die Suche nach dem Fingerabdruck

In den BfR-Laboren arbeiten Wissenschaft-lerinnen und Wissenschaftler daran den typischen unverwechselbaren Fingerab-

druck von verschiedenen Lebens- und Futtermitteln darunter Wein Spirituosen Kraumluter und Gewuumlrze Hartkaumlse Speiseoumlle und Mais zu finden Ihr Ziel ist es die Echtheit dieser Produkte bzw Abweichun-gen und somit Verfaumllschungen erkennen zu koumlnnen Ist dies gelungen wird Lebens-mittelfaumllschung erschwert Die Vergabe des EU-Guumltezeichens bdquoGeschuumltzte Ursprungs-bezeichnungldquo garantiert dass fuumlr die spe-zielle Produktbezeichnung bdquoAllgaumluer Em-mentalerldquo die Erzeugung Verarbeitung und Herstellung tatsaumlchlich im Allgaumlu erfolgt sein muumlssen Was nuumltzt das Guumlte-zeichen aber wenn es keine Methoden gibt um Original und Faumllschung zu unterschei-den Das BfR hat daher eine Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Waren-ketteldquo eingerichtet um die Forschung und interdisziplinaumlre Vernetzung zur Standar-disierung von Datenerhebungen zum Au-thentizitaumltsnachweis zu staumlrken

Das BfR beteiligt sich an mehreren natio-nalen und internationalen Verbundprojek-ten um neuartige Ansaumltze und Strategien fuumlr den Nachweis von Lebensmittel- und Futtermittelverfaumllschungen zu entwickeln mit denen derartige Praktiken weltweit besser aufgedeckt werden koumlnnen Die Schwerpunkte der BfR-Forschung zu die-sem Thema sind die Herkunftsbestimmung und Identifizierung unbekannter Zusaumltze mittels zielgerichteter sowie nicht zielge-richteter Analytik in Kombination mit sta-tistischen Verfahren und Fragen zur Daten-aufbereitung und -interpretation

Nicht zielgerichtete Analytik

Eine Herausforderung bei der Suche nach dem analytischen Charakteristikum von Lebensmitteln ist die natuumlrliche Variation von Inhaltsstoffen bdquoDeswegen muss erst einmal eine Vielzahl von unverfaumllschten Proben genommen werden um charak-teristische Merkmale in den Datensaumltzen zu findenldquo erklaumlrt Dr Carsten Fauhl-Has-sek der im BfR verschiedene Forschungs-projekte zur Authentizitaumltspruumlfung von Lebens- und Futtermitteln leitet bdquoUnsere Ergebnisse zeigen dass die Idee des unver-wechselbaren Fingerabdrucks von Lebens-mitteln funktioniertldquo Das BfR hat bereits

Die Vorbereitung der Kaumlseproben fuumlr die Untersuchung beinhaltet die Homogenisierung mit fluumlssigem Stickstoff

bdquoSehr deutlich sind die Datenpunkte zu erkennen die sich auszligerhalb des Normbereichs ndash der Bande ndash be-wegen Faumlllt ein Lebensmittel aus diesem Raster ist es verdaumlchtig

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

SCHWERPUNKTTHEMA AUTHENTIZITAumlT

8 BfR 2 GO

den physikalisch-chemischen Fingerab-druck verschiedener Weine Speiseoumlle oder juumlngst von Kraumlutern und Gewuumlrzen mittels Infrarot- und Kernspinresonanz-Spektro- skopie erfasst Das BfR-Labor wurde dafuumlr auch zur Faumllscherhoumlhle Kraumluter und Ge-wuumlrze sind mit unterschiedlichsten Zusaumlt-zen gemischt und deren aufbereitete Pro-ben ebenfalls mithilfe der Analysegeraumlte vermessen worden bdquoSehr deutlich sind die Datenpunkte zu erkennen die sich auszliger-halb des Normbereichs ndash der Bande ndash be-wegen Faumlllt ein Lebensmittel aus diesem Raster ist es verdaumlchtigldquo so Dr Fauhl-Has-sek So sehen die Spektren von z B mit Oli-venblaumlttern gestrecktem Oregano oder die von mit Sudanrot ndash eine Substanz die im Verdacht steht ein genotoxisches Kanzero-gen zu sein ndash gepanschtem Paprikapulver eindeutig anders aus

Die neuen Analyseverfahren mittels des charakteristischen Fingerabdrucks eines Lebensmittels ermoumlglichen somit eine flexible und schnelle Form der Echtheits-pruumlfung Statt gezielt nach gefaumllschten Produkten zu suchen steht hier der Au-thentizitaumltsnachweis im Fokus Diese neue Herangehensweise bezeichnet man auch als nicht zielgerichtete Analytik

Cloud der Fingerabdruumlcke

Zur perspektivischen routinemaumlszligigen An-wendung der nicht zielgerichteten Analytik fuumlr die Lebensmittelsicherheit muss aller-dings zunaumlchst eine gemeinsame Nutzung der Datenbanken fuumlr Referenz-Lebensmit-tel-Fingerabdruumlcke aller Akteure im Bereich Lebensmittelsicherheit ermoumlglicht werden Auch muss sichergestellt sein dass die Daten- erhebung sowie die anschlieszligende Analyse aller Nutzer vergleichbare Ergebnisse liefern

Das BfR arbeitet im Forschungsverbund an folgendem vereinfacht skizziertem Zu-kunftsszenario Zertifizierte amtliche und private Labore stellen ihre Lebensmit-tel-Fingerabdruumlcke uumlber eine Daten-Cloud bereit Hersteller Verarbeitungs- und Ver-edlungsbetriebe steuern die dazugehoumlrigen Produktinformationen bei Wenn Uumlber-wachungsbehoumlrden oder der Groszlig- und Einzelhandel Lebensmittelproben auf ihre Echtheit uumlberpruumlfen wollen vergleichen sie den Fingerabdruck ihrer eigenen Probe mit denen in der Fingerprint-Cloud Gibt es sig-nifikante Abweichungen ist das Lebensmit-tel zunaumlchst auffaumlllig und sollte weiter un-tersucht werden Noch sind viele technische und organisatorische Huumlrden zu nehmen

Das Prinzip bdquoNicht zielgerichteter Verfahrenldquo

Wavenumbers (cm-1)

Ab

sorb

anc

e

Paprikaproben Paprika dotiert mit Siliciumdioxid

Relevante Aspekte bei der Pruumlfung

Authentizitaumltspruumlfungen koumlnnen offizielle Produktbeschreibungen bestaumltigen oder betruumlgerische Aussagen nachweisen Relevante Aspekte dabei sind die Sub-stitution durch preiswertere aber aumlhnli-che Zusaumltze die Streckung mit fremdar-tigen Substanzen (z B Wasser Staumlrke) oder die Anwendung nicht gekenn-zeichneter oder unzulaumlssiger Verfahren wie Bestrahlung oder Extraktion die Bestaumltigung der geografischen Herkunft der botanischen oder zoologischen Spezies oder der Herstellungsprozesse wie bio konventionell oder gentechnisch veraumlndert sowie die Deklaration und Angaben zur Ruumlckverfolgbarkeit (Pro-duktkennzeichnung Prozessablaumlufe Chargenidentifikation)

Exogene Signale bei Verfaumllschung

copy M

Una

l Ozm

ens

hutte

rsto

ckc

om

LEBENSMITTELFAumlLSCHERN AUF DER SPUR

9012017

Eine stecknadelkopfgroszlige Kaumlsefettprobe wird auf das Analysegeraumlt aufgebracht Um charakteristische Merkmale in den Datensaumltzen zu finden muumlssen Dr Carsten Fauhl-Hassek (im Bild rechts oben) und sein Team eine Vielzahl solcher Proben nehmen und am Computer analysieren

bdquoErst muumlssen einheitliche Datenstandards verteilt operierende Systemloumlsungen und organisatorische Loumlsungsansaumltze zur Ge-waumlhrleistung der Datenintegritaumlt und -qua-litaumlt entwickelt werdenldquo erlaumlutert Matthias Filter bdquodamit diese Vision im Bereich Le-bensmittelsicherheit realisierbar istldquo Er ko-ordiniert am BfR die Arbeiten zum Schwer-punkt bdquoGlobale Warenkettenldquo

Vernetzte Referenzdatenbanken

Damit das Zukunftsszenario naumlher ruumlckt forschen Wissenschaftlerinnen und Wis-senschaftler am BfR zu der Entwicklung von mathematischen und statistischen Mo-dellen fuumlr die Datenauswertung und Har-monisierung von Datenaustauschformaten sowie zur harmonisierten Probennahme Dies sind wesentliche Voraussetzungen fuumlr den Aufbau und die Routineanwendung

von kollaborativen Referenzdatenbanken die uumlber die Cloud verfuumlgbar gemacht wer-den koumlnnen bdquoBislang verwendet jeder Her-steller von Spektrometern aber beispiels-weise noch eigene Datenformate sodass die Daten erst einmal dechiffriert werden muumlssen damit sie fuumlr alle Beteiligten ver-wendbar sindldquo sagt Filter

Bis solche Referenzdatenbanken der typi-schen chemisch-analytischen Profile von Lebensmitteln aufgebaut und fuumlr den flauml-chendeckenden Einsatz im Netzwerk aus Uumlberwachungsbehoumlrden Laboratorien so-wie Herstellern und Haumlndlern fertiggestellt sind dauert es nach Einschaumltzung der Exper-ten sicher noch 10 bis 15 Jahre Umso wichti-ger ist es jetzt die Weichen zu stellen

Mehr erfahrenwwwbfrbundde gt A-Z-Index Authentizitaumlt

Die Suche nach dem Fingerabdruck

Beim Aufbau von standardisierten Referenzdatenbanken kommen soge-nannte nicht zielgerichtete Verfahren zum Einsatz Dabei wird der physika-lisch-chemische Fingerabdruck von Lebensmitteln anhand spektromet-rischer undoder spektroskopischer Daten erhoben Dieser dient als Vergleichsstandard mit dem die Daten unbekannter Lebensmittelproben vergli-chen werden Abweichungen koumlnnen so leichter erkannt werden und Uumlber-wachungsbehoumlrden muumlssen nicht mehr gezielt nach bestimmten unerwuumlnsch-ten Substanzen suchen die oftmals noch gar nicht bekannt sind

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

10 BfR 2 GO

SCHWERPUNKTTHEMA AUTHENTIZITAumlT

Food Integrity EU-Konsortium gegen gefaumllschte Lebensmittel Das EU-Konsortium aus 38 Projektpartnern will strukturelle und methodische Voraus-setzungen schaffen um Verfaumllschungen fruumlhzeitig einheitlich erkennen zu koumlnnen Dazu sollen u a ein Netzwerk zwischen Be-houmlrden Industrie und Forschung aufgebaut Pruumlfprozesse harmonisiert und Wissensda-tenbanken erstellt werden Das Projekt laumluft bis Ende 2018

FoodAuthent Kollaborative Referenzdatenbanken fuumlr chemische Fingerabdruumlcke In dem dreijaumlhrigen Projekt werden Grundlagen fuumlr den Routineeinsatz von Fingerprinting-Analyseverfahren im Lebensmittelsektor und in der amtlichen Uumlberwachung geschaffen Zusammen mit den Projektpartnern entwickelt das BfR bis April 2019 gemeinschaftliche Fingerprin-ting-Datenbanken sowie Schnittstellen zu privatwirtschaftlich betriebenen Pro-duktinformationssystemen Exemplarisch erfolgt dies fuumlr Hartkaumlse Speiseoumlle und Spirituosen Die Daten sollen fuumlr die mit-wirkenden Akteure im Lebensmittelbereich frei zugaumlnglich sein

Original oder Faumllschung ndash Gemeinsam gegen Lebensmittelgaunerei

Das BfR beteiligt sich an Drittmittelprojekten um Herstellern und Uumlberwa-chungsbehoumlrden Methoden an die Hand zu geben mit denen schnell sicher und kosteneffizient die Echtheit eines Lebensmittels erkannt werden kann Einige werden hier vorgestellt

Animal-IDHerkunftsnachweis von tierischen Proteinen in Futter- und Lebens-mitteln Die Projektpartner kombinieren Massen- spektrometrie mit Verfahren zur Protein-anreicherung um Analysemethoden zur gewebespezifischen Herkunftsbestimmung von Futtermitteln zu entwickeln sowie Schnelltests auf Basis von proteinbasierten ELISA DipStick-Tests fuumlr die wichtigsten Tierarten in der Fleischproduktion wie Rind Schwein Pferd und Huhn Das BfR koordiniert das Vier-Jahres-Projekt (2016 bis 2019)

FoodRisk-Lab Softwareloumlsungen zur Unterstuumlt-zung der Bewertung von Risiken Das BfR entwickelt frei verfuumlgbare Soft-wareloumlsungen und Web-Dienste fuumlr die Bewertungsarbeit behoumlrdlicher Einrichtun-gen sowie fuumlr Wissenschaft und Forschung FoodChain-Lab unterstuumltzt z B die Ruumlckverfolgung von Futter- und Lebens-mitteln entlang der Warenketten und ermoumlglicht eine interaktive Analyse von Ausbruchsgeschehen Weitere Programme dienen der mathematischen Modellierung von Gefahren im Bereich der Futter- und Lebensmittelsicherheit

SPICEDSicherung der Gewuumlrz- und Kraumluterwarenketten Europas Gewuumlrze und Kraumluter werden sehr vielen Lebensmitteln zugesetzt Die Ergebnisse des Forschungsprojektes tragen dazu bei die Gewuumlrz- und Kraumluterwarenketten Euro-pas gegen natuumlrliche unabsichtliche und absichtliche biologische und chemische Ver-unreinigungen zu schuumltzen Das Projekt mit 11 Partnern aus sieben EU-Laumlndern wurde von 2013 bis 2016 im 7 Rahmenprogramm der EU gefoumlrdert und vom BfR koordiniert

11012017

FORSCHUNGSPROJEKTE

bdquoWir wollen Faumllschungen einen Riegel vorschiebenldquo

Professor Wittkowski welche Lebens- mittel werden uumlblicherweise verfaumllschtGefaumllscht wird uumlberall dort wo ein oumlkono-mischer Vorteil erzielt werden kann Pro-duktpiraterie kommt deswegen vor allem bei hochqualitativen und teuren Markenpro-dukten wie Olivenoumll Schafskaumlse Wein oder Spirituosen vor Ein uumlblicher Trick ist min-derwertige Zutaten als hochwertige zu ver-kaufen wie Shrimps als Garnelen Bei Pro-dukten bei denen die geografische Herkunft ein Qualitaumltsmerkmal ist wie Parma- oderSerrano-Schinken Irischer Whiskey oder Champagner wird versucht die Herkunft vorzutaumluschen

Koumlnnen Verbraucher denn noch der Le-bensmittelsicherheit vertrauen Glaubwuumlrdigkeit Vertrauen und Sicherheit sind eng miteinander verknuumlpft Menschen wollen einkaufen kochen essen und trin-ken gesund bleiben und es soll schmecken Sie wollen nicht wissen wie der Wein filt-riert oder bei welcher Temperatur der Kaf-fee geroumlstet wurde aber sie wollen darauf vertrauen dass die Angaben stimmen und dass diese Technologien sichere Lebens-mittel erzeugen Dies ist nur moumlglich weil es Standards fuumlr die Lebensmittelwirtschaft gibt und Uumlberwachungsbehoumlrden die Ein-haltung pruumlfen

Nur weil Parma-Schinken nicht aus Par-ma kommt stellt er doch noch kein Ge-sundheitsrisiko dar Geht es nicht viel-mehr um oumlkonomische Interessen der Hersteller Wissenschaftler koumlnnen zunaumlchst Normab-weichungen erkennen nicht aber die Mo-tivation von Verfaumllschern Zunaumlchst wird selbstverstaumlndlich eine Risikobewertung derartiger Befunde durchgefuumlhrt Anschlie-szligend kann man nach weiterer Uumlberpruumlfung und Ruumlckverfolgung der Lieferketten ent-scheiden ob es eine gezielte Verfaumllschung war oder nicht

Koumlnnen Sie ein Beispiel gebenStatt Rindfleisch wurde vor einigen Jahren in Lasagne Pferdefleisch nachgewiesen Im ersten Moment ein gesundheitlich unbe-denklicher Betrugsfall Pferdefleisch ist ein hochwertiges Lebensmittel Allerdings war nicht bekannt woher das Fleisch kam und ob es mit verbotenen undoder gesundheits-schaumldlichen Arzneimitteln belastet war Das wurde dann uumlberpruumlft und das Fleisch fuumlr unbedenklich erklaumlrt Oder Aufgrund des traditionellen Anbaus hatten Pistazien aus dem Iran eine Zeit lang erhoumlhte Mykoto-xingehalte und unterlagen daher strengen Auflagen bei der Einfuhr nach Europa Zur Umgehung dieser Auflagen traten Falsch-deklarationen der Herkunft auf Iranische Pistazien wurden als Pistazien aus Kaliforni-en in den Markt gebracht

Es geht also in erster Linie immer um Verbraucherschutz und nicht um Taumlu-schungs- oder Betrugsschutz Aus meiner Sicht ja Teilweise nehmen Faumllscher auch billigend in Kauf dass Men-schen zu Schaden kommen Mit Methanol gepanschter Alkohol oder mit Melamin gestrecktes Milchpulver sind Beispiele Die Verfaumllscher sind naumlmlich keine Toxikologen Die Frage ist also welche Methoden koumlnnen Behoumlrden bereitstellen um das Vertrauen in die Sicherheit der Lebensmittel zu erhalten

Das houmlrt sich an wie ein Wettlauf For-schung gegen Faumllschung Gibt es denn immer die richtige MethodeDas Gute an der Analytik ist dass man mit der richtigen Methode findet was man sucht Allerdings wissen wir nicht immer auf welche neuen betruumlgerischen Ideen Faumll-scher kommen Deswegen beteiligen wir uns in internationalen Forschungsvorhaben an der Entwicklung von Referenzdaten-banken mit dem typischen Fingerabdruck von Lebensmitteln Die sogenannte Finger-print-Analyse bietet die Moumlglichkeit nicht

nur Lebensmittel durch ihre Normabwei-chung als gefaumllscht zu identifizieren sondern auch bisher unbekannte Verfaumllschungen und gesundheitlich bedenkliche Manipulationen aufzudecken bevor die Ware in den Regalen steht

In der Praxis gibt es dazu doch sicher schon MaszlignahmenPrivate Analysefirmen haben sich bereits auf die Fingerprint-Methode fuumlr bestimmte Produkte spezialisiert und groszlige Datenban-ken angelegt Doch hier liegt ein Problem Jeder arbeitet mit seinen eigenen Daten Auch sind die Ergebnisse der Firmen nicht gerichtsfest weil die Datengrundlage nicht oumlffentlich ist Staatliche Institutionen ar-beiten dagegen mit transparenten und ver-gleichbaren Daten damit Beanstandungen gerichtsfest sind Deswegen muumlssen fuumlr ei-nen Erfolg der Fingerprint-Methoden die Messungen der verschiedenen Labore va-lidiert und die Datenbanken harmonisiert werden

bdquoUnser Allein- stellungsmerkmal ist dass wir Risikobewertung und Forschung betreiben

12 BfR 2 GO

SCHWERPUNKTTHEMA AUTHENTIZITAumlT

BfR-Vizepraumlsident Professor Dr Reiner Wittkowski setzt sich dafuumlr ein dass am BfR zu neuartigen Verfah-ren zur Authentifizierung von Lebensmitteln geforscht wird Als junger Lebensmittelchemiker hat er am Vorgaumlngerinstitut des BfR dem Bundesgesundheitsamt bereits fuumlr die Uumlberpruumlfung der Echtheit von Wein Methoden entwickelt etabliert und begonnen eine Fingerabdruck-Datenbank anzulegen

Was traumlgt das BfR zur Uumlberpruumlfung der Echtheit von Lebensmitteln bei Wir beteiligen uns seit Langem an allen maszliggeblichen EU-Forschungsvorhaben zur Authentizitaumltspruumlfung Unser Alleinstel-lungsmerkmal ist dass wir Risikobewertung und Forschung betreiben Das BfR hat an-ders als andere Bewertungsbehoumlrden eigene Laboratorien Wir haben deswegen einen sehr strengen Blick auf Bewertungsmetho-den und fragen wie sicher die Aussagekraft der Daten ist Das Kerngeschaumlft der 17 Re-ferenzlabore des BfR ist Methodenvali-dierungen durchzufuumlhren Auf nationaler Ebene arbeitet das BfR bereits eng mit der amtlichen Lebensmitteluumlberwachung der Bundeslaumlnder zusammen

Welchen konkreten Ansatz nutzt das BfRWir kombinieren Analytik und Daten-modellierung Das Institut hat eine lange Historie hinsichtlich des Nachweises der Echtheit von Lebensmitteln da auch in den Vorgaumlngerinstitutionen dazu geforscht wur-de In den 1990er-Jahren wurde hier eine der ersten Datenbanken zur Uumlberpruumlfung der Authentizitaumlt von Wein aufgebaut und wurden erstmals Kernresonanz-spektrosko-pische Verfahren in der Lebensmittel-Ana-lytik angewandt Die Expertise zum Thema Wein haben wir dann auf andere Lebens-mittel-Matrizes uumlbertragen Neben der Ana-lytik ist die Statistik unser zweiter Impetus Das BfR hat viel Erfahrung im Bereich der Datenanalyse fuumlr die Vor- und Ruumlckverfolg-barkeit von Lieferketten aufgebaut Mit der FoodChainLab-Software die im Rahmen der EHEC-Krise entwickelt wurde sind komplexe Datenmodellierungen moumlglich

Was sind die naumlchsten SchritteWir haben bereits ein nationales Kompe-tenznetzwerk zwischen Bundesbehoumlrden Landesuntersuchungsaumlmtern Universitaumlten und Forschungseinrichtungen etabliert und wir bringen das Thema weltweit voran Das BfR hat im November 2016 ein Symposium organisiert auf dem rund 100 Fachleute aus Deutschland Europa Nordamerika Afrika Asien und Neuseeland uumlber die Herausfor-derungen der Standardisierung diskutierten Aus meiner Sicht sollte unbedingt ein euro-paumlisches Referenzlabor eingerichtet werden ndash die EU-Kommission erwaumlgt dies bereits ndash um in Europa ein harmonisiertes System der angewendeten Methoden und der Datener-fassung fuumlr die Authentizitaumltspruumlfung von Lebensmitteln zu etablieren Nur das ist ziel-fuumlhrend wenn wir Faumllschungen global einen Riegel vorschieben wollen

copy B

fR

13012017

INTERVIEW MIT PROFESSOR DR REINER WITTKOWSKI

Der BfR-Verbrauchermonitor ist ein zentrales Instru-ment des gesundheitlichen Verbraucherschutzes Er zeigt wie die Oumlffentlichkeit Risiken wahrnimmt

Gefuumlhlte Risiken im Visier

copy ig

orst

evan

ovic

Shu

tters

tock

com

RISIKOWAHRNEHMUNG

14 BfR 2 GO

Welche Themen bewegen Verbraucherinnen und Verbrau-cher Was ist ihnen vertraut was beunruhigt sie Ant-worten auf diese Fragen liefert der BfR-Verbrauchermo-

nitor ndash eine seit 2014 regelmaumlszligig durchgefuumlhrte repraumlsentative Bevoumllkerungsbefragung mit der das BfR die generelle Einschaumlt-zung der Oumlffentlichkeit zu Verbraucherschutzthemen ermittelt In Ergaumlnzung dazu fuumlhrt das BfR Repraumlsentativbefragungen zu Ein-zelthemen durch die von besonderem aktuellem Interesse sind wie Antibiotikaresistenzen oder Pflanzenschutzmittel Die Ergeb-nisse dazu erscheinen als bdquoBfR-Verbrauchermonitor Spezialldquo Der Verbrauchermonitor ist ein wesentlicher Indikator um moumlgliche Missverstaumlndnisse oder Fehleinschaumltzungen seitens der Bevoumllke-rung fruumlhzeitig zu erkennen bdquoFuumlr uns ist es sehr wichtig konkret zu wissen was die Bevoumllkerung warum bewegt Daraus folgern wir welche kommunikativen Maszlignahmen zu ergreifen sindldquo sagt PD Dr Gaby-Fleur Boumll Leiterin der Abteilung Risikokommunika-tion am BfR

Methode der Datenerhebung

Fuumlr die repraumlsentative Umfrage des Verbrauchermonitors werden ca 1000 Personen die in Privathaushalten in Deutschland leben und mindestens 14 Jahre alt sind im Auftrag des BfR von Markt- und Meinungsforschungsinstituten telefonisch interviewt Diese Interviews werden computergestuumltzt anhand eines programmier-ten Fragebogens von geschulten Interviewern durchgefuumlhrt ndash kurz CATI-Methode genannt nach der englischen Bezeichnung compu-ter-assisted telephone interviewing Dabei werden die Fragen zum gesundheitlichen Verbraucherschutz und Fragen zu anderen The-menbereichen zu einer sogenannten Omnibus- oder Mehrthemen-befragung zusammengefasst Die Fragen des Verbrauchermonitors koumlnnen einen offenen Charakter haben (ungestuumltzte Fragen) oder geschlossen formuliert sein (gestuumltzte Fragen) Um die Ergebnisse der Verbrauchermonitore im Zeitverlauf miteinander vergleichen zu koumlnnen ist jede Umfrage aumlhnlich aufgebaut Das BfR widmet sich einerseits Themen die in der Oumlffentlichkeit eine groszlige Auf-merksamkeit erhalten Andererseits analysiert es Fragen die bisher weniger im oumlffentlichen Fokus stehen aber ebenfalls relevant sind wie beispielsweise gesundheitsschaumldliche Pflanzeninhaltsstoffe Auch das Ausmaszlig des Vertrauens in die staatlichen Strukturen des gesundheitlichen Verbraucherschutzes wird abgefragt da dies wie-derum die Wahrnehmung von Risiken beeinflussen kann

bdquoFuumlr uns ist es sehr wichtig konkret zu wissen was die Bevoumllkerung warum bewegt

Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher

Kaum veraumlndert hat sich in den letzten Jahren die Ansicht von Ver-braucherinnen und Verbrauchern dass Lebensmittel in Deutsch-land sicher sind Fragt man in der ungestuumltzten Abfrage nach den groumlszligten gesundheitlichen Risiken so sind dies im aktuellen Ver-brauchermonitor (082017) nach wie vor das Rauchen die Klima- bzw Umweltbelastung und ungesunde oder falsche Ernaumlhrung Da-nach werden Alkohol sowie ungesunde oder belastete Lebensmittel genannt Fragt man in der gestuumltzten Abfrage gezielt nach ausge-waumlhlten Themen so fuumlhren Salmonellen gentechnisch veraumlnderte Lebensmittel Antibiotikaresistenzen und Ruumlckstaumlnde von Pflan-zenschutzmitteln die Bekanntheitsskala an Dies sind auch die vier Themen die bei den meisten Befragten fuumlr Beunruhigung sorgen Es zeigt sich immer wieder dass Verbraucherinnen und Verbrau-cher Risiken unterschaumltzen die aus Sicht der Risikobewertung als

ZielsetzungVerbrauchermonitor

gt Erfassung und Analyse von Trends und Themen in der Verbraucherwahrnehmunggt Uumlber- bzw Unterschaumltzung von gesundheitlichen Risiken durch die Bevoumllkerunggt Beobachtung von Veraumlnderungen im Verbraucherverhaltengt Schnelle Erfassung der Verbraucherwahrnehmung in Krisensituationen

BfR-VERBRAUCHERMONITOR

15012017

gesundheitsrelevant eingestuft werden wie z B die Lebensmittelhygiene im eigenen Haushalt Noch weitgehend unbekannt ist der breiten Oumlffentlichkeit eine neue derzeit in der Wissenschaft diskutierte Metho-de zur Genveraumlnderung ndash das sogenannte bdquoGenome Editingldquo

Vertrauen staumlrken

Verschiedene Bevoumllkerungsgruppen neh-men Ereignisse oder Sachverhalte unter-schiedlich wahr Es haumlngt von vielen Fakto-ren ab wie groszlig ihnen ein Risiko erscheint Insbesondere zwischen der Wahrnehmung von Laien und Fachleuten koumlnnen sich Un-terschiede ergeben da die intuitive Risiko-einschaumltzung der Bevoumllkerung haumlufig auf anderen Prinzipien und Kriterien beruht als die wissenschaftliche Risikobewertung Aus der Risikowahrnehmungsforschung ist beispielsweise bekannt dass die Sorge vor

synthetisch hergestellten Stoffen groumlszliger ist als die Sorge vor natuumlrlich vorkommenden Stoffen wie beispielsweise giftigen Pflanze-ninhaltsstoffen

Der BfR-Verbrauchermonitor Spezial zum Thema Pflanzenschutzmittel hat zudem gezeigt dass ein Groszligteil der Bevoumllkerung faumllschlicherweise davon ausgeht dass in Lebensmitteln generell keine Reste von Pflanzenschutzmitteln vorkommen duumlr-fen Tatsaumlchlich sind Ruumlckstaumlnde von zu-gelassenen Pflanzenschutzmitteln bis zum erlaubten Ruumlckstandshoumlchstgehalt zulaumls-sig und als gesundheitlich unbedenklich eingestuft Auf diese Diskrepanz kann die Risikokommunikation gezielt reagieren indem sie die Oumlffentlichkeit mit geeigne-ten Kommunikationsformen umfassend uumlber die rechtlichen und wissenschaftli-chen Grundlagen der Risikobewertung bei Pflanzenschutzmitteln informiert

Die Ergebnisse solcher Bevoumllkerungsum-fragen liefern wichtige Einsichten in die Risikowahrnehmung verschiedener Bevoumll-kerungsgruppen und zeigen Unterschiede hinsichtlich demografischer Faktoren wie Alter Bildungshintergrund Berufsgrup-pe und Geschlecht auf So ist Frauen das Vorkommen von Pyrrolizidinalkaloiden in Kraumlutertee beispielsweise haumlufiger bekannt als Maumlnnern Auch hat sich gezeigt dass Maumlnner Prozesskontaminanten in Grill-fleisch weniger bedenklich einschaumltzen als Frauen

Mit dem Verbrauchermonitor hat das BfR ein Instrument etabliert mit dem noch fruumlher auf Informations- und Kommuni-kationsbeduumlrfnisse eingegangen und damit das Vertrauen der Oumlffentlichkeit in den ge-sundheitlichen Verbraucherschutz weiter gestaumlrkt werden kann

Alle bisher erschienenen BfR-Verbrauchermonitore koumlnnen abgerufen werden unter wwwbfrbundde gt Publikationen gt Broschuumlren gt BfR-Verbrauchermonitor

Welche Themen betrachten Sie persoumlnlich als die groumlszligten gesundheitlichen Risiken fuumlr Verbraucherinnen und Verbraucher

Inwieweit sind Sie persoumlnlich uumlber die folgenden Themen zur Lebensmittel-sicherheit beunruhigt oder nicht beunruhigt

16 BfR 2 GO

RISIKOWAHRNEHMUNG

2016 gab es in Deutschland in der deutsch-sprachigen Bevoumllkerung ab 14 Jahren rund 08 Millionen Personen die sich selbst als Veganer bezeichnen wuumlrden oder als je-mand der weitgehend auf tierische Produk-te verzichtet (2016 Allensbacher Markt- und Werbetraumlger-Analyse IfD Allensbach) Ei-nige Studien zeigen dass eine vegane Ernaumlh-rung positive Einfluumlsse auf die Gesundheit haben kann wie zum Beispiel ein geringeres Risiko fuumlr Typ-2-Diabetes Beschrieben wer-den allerdings auch gesundheitliche Risiken durch Naumlhrstoffmangelzustaumlnde etwa fuumlr Schwangere und Kinder Wer keine tierische Produkte zu sich nimmt riskiert unter an-derem eine Unterversorgung mit Vitamin B12 Eisen Calcium Jod und Zink sowie mit langkettigen Omega-3-Fettsaumluren

Vor diesem Hintergrund entwickelte das BfR geeignete Risikokommunikationsstra-tegien Ein Forschungsprojekt widmete sich den individuellen und sozialen Einflussfak-toren die zur Motivation und Aufrechter-haltung einer veganen Ernaumlhrung fuumlhren Insgesamt wurden 42 Veganerinnen und Veganer zu ihren Werten Einstellungen und Meinungen befragt Aufgrund der zum Teil sehr ausgepraumlgten Abweichun-gen zur Durchschnittsbevoumllkerung lassen sich verallgemeinernde Aussagen treffen Repraumlsentativ sind die Befragungsdaten al-lerdings nicht

Ethische Entscheidung

Fast immer begruumlnden Veganerinnen und Veganer ihre Entscheidung fuumlr eine vega-ne Ernaumlhrung mit ethischen Argumenten Gesundheitliche Motive werden selten ge-nannt Die Befragten sind uumlberwiegend konfessionslos und uumlberdurchschnittlich

gebildet Auszligerdem beguumlnstigt Vegetaris-mus die Entscheidung sich vegan zu ernaumlh-ren Zwei Drittel der Teilnehmenden haben sich bereits vorher vegetarisch ernaumlhrt Er-naumlhren sich bereits Personen aus dem na-hen Umfeld vegan kann dies die Entschei-dung auch vorantreiben

Fuumlr die uumlberwiegende Mehrheit der Be-fragten ist die Ruumlckkehr zur omnivoren Ernaumlhrung die tierische Produkte zulaumlsst nicht vorstellbar Auch eine Schwanger-schaft wird meist nicht als Grund dafuumlr angesehen Oft werden auch Kinder vegan ernaumlhrt Nach Aussagen der Befragten re-agiert das soziale Umfeld haumlufig mit Skepsis und Aversion Um eine soziale Ausgren-

zung der Kinder zu verhindern lassen die Befragten teils Kompromisse zu So koumlnn-ten Kinder zum Beispiel selbst waumlhlen ob sie auswaumlrts Tierprodukte essen

Wissen kommt an

Wer sich vegan ernaumlhrt verfuumlgt in der Re-gel uumlber ein fundiertes Ernaumlhrungswissen 40 der 42 Teilnehmenden der BfR-Studie waren sich zum Beispiel daruumlber im Klaren dass es ohne tierische Produkte zu einer Mangelversorgung mit Vitamin B12 kom-men kann Viele nehmen dieses Vitamin zusaumltzlich ein Bei der Informationssuche rund um vegane Ernaumlhrung ist das Inter-net die wichtigste Informationsquelle (siehe Grafik)

Strategie der Risikokommunikation

Im Rahmen der Befragung stellten sich wichtige Anknuumlpfungspunkte fuumlr die Risi-kokommunikation heraus Unter anderem wurde klar dass ein negativer Ansatz der die vegane Ernaumlhrung als gefaumlhrlich oder abnormal darstellt nur wenig Erfolg haben kann Eine effektive Risikokommunikation sollte an bestehende Uumlberzeugungen der Veganerinnen und Veganer anknuumlpfen Ziel sollte dabei sein konkrete Tipps fuumlr den Alltag zu geben die sich mit einer vega-nen Ernaumlhrung verbinden lassen Informa-tionen wie bei einer veganen Ernaumlhrung eine moumlgliche defizitaumlre Naumlhrstoffversor-gung verhindert werden kann sind grund-saumltzlich erfolgversprechend Insbesondere uumlber Alternativen oder Supplementierung in der Schwangerschaft bei Saumluglingen und Kleinkindern sollte umfassend informiert werden

Vegan und informiert

Welche Informationsquellen nutzen Sie um sich

uumlber vegane Ernaumlhrung zu informieren

Kochbuumlcher mit veganen Rezepten Blogs zum Thema und tierfreie Supermaumlrkte ndash die vegane Ernaumlhrung liegt im Trend Wer ganz auf tierische Produkte verzichtet riskiert jedoch eine Unterversorgung mit bestimmten Naumlhrstoffen Um eine effiziente Risikokommunikation zu gewaumlhrleis-ten hat das BfR Veganerinnen und Veganer zu Wissens-stand und Einstellungen befragt

Foren im Internet

Sonstige Quellen im Internet

Buumlcher

Zeitschriften

Freunde Bekannte

Sonstigen = 42 Mehrfachnennungen moumlglich

74

71

52

36

12

5

copy S

tudi

oPho

toD

Flor

ezs

hutte

rsto

ckc

om

BEFRAGUNG ZU VEGANISMUS

17012017

63

72 Ekel

Fremdheit

Bedenken zu Hygiene und Vertraumlglichkeit

Grillen Mehlwuumlrmer und Wanderheuschrecken ndash in vielen Regionen der Welt werden Insekten von Menschen verspeist Auch in der Schweiz sind Insek-ten seit dem Fruumlhjahr 2017 offiziell als Lebensmittel zugelassen Ihr Verzehr ist in Europa jedoch generell wenig verbreitet und die oumlffentliche Diskussion steckt noch in den Anfaumlngen Wie bekannt ist das Thema in der deutschen Bevoumllkerung Welche Einstellungen bestehen gegenuumlber essbaren Insekten Wie wird das Thema in den Medien dargestellt In zwei Studien hat das BfR Antworten auf diese Fragen gefunden

Die Mehrheit der Deutschen vermutet keine gesundheitlichen Risiken durch den Verzehr von Insekten wuumlrde sieaber dennoch nicht verzehren Hauptgruumlnde gegen den Verzehr

sind Ekel Fremdheit Bedenken zu Hygiene und Vertraumlglichkeit

46 13 15

Insekten als Lebensmittel fuumlr Menschen ndash 72 Prozent der Befragten haben schon davon gehoumlrt Insekten gelten als eiweiszlig- naumlhrstoff- und vitaminreich und als eine wesentliche Nahrungsquelle hinsichtlich des Welternaumlhrungsproblems

Insekten essen Mehr Theorie als Praxis

18 BfR 2 GO

RISIKOWAHRNEHMUNG

2014

27 Artikel

14

Zugrundeliegende Studien telefonische Repraumlsentativbefragung von 1000 Personen (deutschsprachige Bevoumllkerung ab 14 Jahren) Medienanalyse von 17 deutschen Print- und Onlinemedien (uumlberregionale Qualitaumltszei-tungen Hauptstadtpresse und woumlchentliche Zeitungen) im Zeitraum Januar 2014 bis Dezember 2015 zur Art und Haumlufigkeit der Berichterstattung uumlber essbare Insekten

14 Prozent der Befragten haben schon einmal Insekten verzehrt mehrheit-lich im Ausland Uumlberwiegend sind es Maumlnner 18 ndash 29-Jaumlhrige gut Gebildete und Staumldter

Die Medienberichterstattung zu Insekten als Lebens- und Futtermittel verdoppelte sich von 2014 zu 2015 In der Mehrheit ging es um Nutzen- aspekte Insekten wurden medial als bdquozukunftsweisendes sinnvolles Lebensmittel bei dem der Nutzen gegenuumlber moumlglichen Risiken uumlber-wiegtldquo dargestellt

Verbraucherinnen und Verbraucher wuumlnschen sich mehr Informationen zu moumlglichen gesundheitlichen Risiken von Insekten als Lebens- und Fut-termittel zu ihrer Produktion und zum Naumlhrstoffgehalt Dies koumlnnte die oumlffentliche Akzeptanz fuumlr den Verzehr von Insekten erhoumlhen Auch bdquounkenntlich gemachteldquo Insekten in Form verarbeiteter Lebensmittel wuumlrden eher akzeptiert als Insekten im urspruumlnglichen Zustand

WeiterlesenBfR-Symposium bdquoInsekten als Lebens- oder Futtermittel Nah-rung der Zukunftldquo Bericht zum Symposium am 24 Mai 2016 in 2016 Journal fuumlr Verbraucher-schutz und Lebensmittelsicher-heit 11 3 281ndash289

2015

60 Artikel

i

Insekten als Lebensmittel

gt zaumlhlen lebensmittelrechtlich in der EU zu den neuartigen Lebensmitteln und muumlssen zugelassen werden

gt unerforschte Aspekte Toxikologie Gehalt an Kontaminanten und Ruumlckstaumlnden allergenes Potenzial mikrobiologische Risiken

copy a

rka3

8sh

utte

rsto

ckc

om

19012017

INFOGRAFIK ZU INSEKTEN

Unerwuumlnscht inLebensmitteln

Gelangen Pyrrolizidinalkaloide (PA) in die Lebensmittelkette koumlnnen insbesondere 12-ungesaumlttigte PA dem Menschen schaden Seit Jahren

befasst sich das BfR mit der Frage welches gesundheitliche Risiko von 12-ungesaumlttigten PA in Lebensmitteln ausgeht Klar ist die PA-Kontami-

nation in der Lebensmittelkette sollte so gering wie moumlglich sein

LEBENSMITTELSICHERHEIT

20 BfR 2 GO

Unerwuumlnschte Stoffe die in die Lebensmittelkette gelangen koumlnnen fuumlr Verbraucherinnen und Verbraucher ein gesund-heitliches Risiko darstellen Ein Beispiel fuumlr solche Eintraumlge

sind 12-ungesaumlttigte Pyrrolizidinalkaloide (PA) Das sind Stoffe die von einigen Pflanzen als Schutz vor Fraszligfeinden gebildet werden Sie konnten zunaumlchst in Honig und anderen Bienenprodukten spaumlter auch in Tees Kraumlutertees und Gewuumlrzen aber auch in pflanzenba-sierten Nahrungsergaumlnzungsmitteln nachgewiesen werden

Toxische Wirkungen bei Mensch und Tier

Beim Menschen sind vereinzelt Vergiftungsfaumllle nach arzneilicher Einnahme von PA-haltigen Kraumlutertees und -erzeugnissen bekannt Weiterhin gibt es Berichte uumlber epidemische Lebererkrankungen mit Todesfaumlllen in Pakistan Indien Afghanistan Tadschikistan und der ehemaligen UdSSR nach Verzehr von Getreide das mit Samen von Heliotropium- oder Crotalaria-Arten kontaminiert war Aus der Nutztierhaltung ist das gehaumlufte Auftreten von Leberzirrhosen bei Schlachtrindern bekannt die mit Heu und Silage auch Alpenkreuz-kraut aufgenommen hatten Auch bei Pferden wurden mit Leberde-generation einhergehende durch PA im Futter verursachte Erkran-kungen die Seneciosen beobachtet

Die Leber ist das primaumlre Zielorgan von Schaumldigungen durch 12-ungesaumlttigte PA Jedoch koumlnnen auch die Lunge oder andere Organe betroffen sein Insbesondere bei Aufnahme houmlherer Dosen treten akute venookklusive Veraumlnderungen in der Leber (hepatic veno-occlusive disease HVOD) oder der Lunge auf In houmlheren Dosen wurden im Tierversuch mit 12-ungesaumlttigten PA auch ent-wicklungstoxische Effekte beobachtet Nach den vorliegenden tier- experimentellen Daten gilt die kanzerogene Wirkung von 12-un-gesaumlttigten PA als gesichert und ein entsprechendes Risiko fuumlr den Menschen wird in Betracht gezogen Vielfach zeigten Verbindungen die sich im Tierversuch als kanzerogen erwiesen in entsprechenden Mutagenitaumltstests eine genotoxische Wirkung

Wie 12-ungesaumlttigte PA in Lebensmittel gelangen koumlnnen

Nach bisherigem Kenntnisstand koumlnnen 12-ungesaumlttigte PA uumlber mehrere Wege in Lebensmittel gelangen In Deutschland sind Ver-unreinigungen vor allem in den Anbauflaumlchen von Nutzpflanzen mit PA-bildenden Wildkraumlutern wie z B bei Salaten mit Kreuzkraut oder Greiskraut aufgetreten Aus Afghanistan sind erhoumlhte Belastungen in Getreide bekannt Auch die Belastung von Tee und Kraumlutertee-Sor-ten mit PA wird auf eine Kontamination mit bestimmten Wildkraumlu-tern in den Anbauflaumlchen zuruumlckgefuumlhrt Auszligerdem koumlnnen Bienen-produkte wie Honig und Pollen mit PA belastet sein wenn die Tracht von bestimmten Wildpflanzen stammt 12-ungesaumlttigte PA koumlnnen auch uumlber verunreinigte Futtermittel in Milch Eier und Fleisch ge-langen Auch Nahrungsergaumlnzungsmittel koumlnnen auf der Basis von Pflanzen hergestellt sein die selbst 12-ungesaumlttigte PA bilden

Gesundheitliche Risiken durch belastete Lebensmittel

Das BfR hat 2016 eine Bewertung der gesundheitlichen Risiken durch 12-ungesaumlttigte PA erarbeitet Dabei wurde die Belastung aller wichtigen Lebensmittelgruppen beruumlcksichtigt fuumlr die aktuell Daten zum Vorkommen von 12-ungesaumlttigten PA vorliegen Bei der Bewertung wurde die genotoxisch-kanzerogene Wirkung als emp-findlichster Endpunkt zugrunde gelegt

copy F

eyya

z A

laca

ms

hutte

rsto

ckc

om

copy e

mbe

riza

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

21012017

Danach geht bei Kindern im Alter von sechs Monaten bis unter fuumlnf Jahren die Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA im Wesentlichen auf Kraumlutertee einschlieszliglich Rooibostee Schwarztee und Honig zuruumlck Fruumlchtetee Milch Eier und Fleisch tragen nur wenig zur Gesamtaufnahme von 12-un-gesaumlttigten PA bei Sieht man von bestimm-ten Nahrungsergaumlnzungsmitteln ab zeigt sich bei Erwachsenen ein aumlhnliches Bild Bei Erwachsenen ist der Beitrag von Honig zur Gesamtaufnahme an 12-ungesaumlttigten PA geringer und der von Gruumlntee houmlher als bei Kindern Bei hohen Gehalten koumlnnen Nahrungsergaumlnzungsmittel als zusaumltzliche Expositionsquelle zur Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber Lebensmittel beitragen Gewuumlrze und Kraumluter aber auch Mehle stellen moumlglicherweise eine relevante zusaumltzliche Expositionsquelle dar Fuumlr eine abschlieszligende Bewertung fehlen hier jedoch noch Daten

Obwohl in Einzelfaumlllen hohe Gehalte an 12-ungesaumlttigten PA in bestimmten Le-bensmitteln des allgemeinen Verzehrs nachgewiesen wurden haumllt das BfR nach derzeitiger Datenlage auch bei hoher Auf-nahme dieser Lebensmittel eine akute Ge-sundheitsschaumldigung fuumlr unwahrscheinlich Zur Abschaumltzung des potenziellen Risikos von genotoxisch-kanzerogenen Wirkungen legte das BfR wie international uumlblich den MOE-Ansatz (Margin of Exposure) zugrun-de Dabei wird ausgehend von Tierstudien angenommen dass fuumlr genotoxische Kan-zerogene ein MOE-Wert von 10000 oder houmlher aus Sicht der oumlffentlichen Gesundheit als wenig bedenklich und die Prioritaumlt fuumlr Maszlignahmen im Rahmen des Risikomanage-ments als niedrig angesehen werden kann Bei genotoxisch-kanzerogenen Stoffen kann keine Schwellendosis angenommen werden unterhalb derer keine unerwuumlnschten Wir-kungen mehr erwartet werden Daher gilt in der Europaumlischen Union die Empfehlung die Exposition gegenuumlber genotoxisch und kanzerogen wirkenden Substanzen so weit zu minimieren wie dies vernuumlnftig erreich-bar ist ndash das sogenannte ALARA-Prinzip (as low as reasonably achievable) Selbst geringe Aufnahmemengen koumlnnen insbesondere bei regelmaumlszligigem Verzehr mit einer Erhouml-hung gesundheitlicher Risiken verbunden sein

Die Bewertung des genotoxischen und kan-zerogenen Risikos erfolgt als Vergleich der Gesamtaufnahme uumlber verschiedene Tees Milch und Honig bei Kindern und Er-wachsenen auf der Basis verschiedener Ver-zehrszenarien mit dem BMDL10-Wert von

73 Mikrogramm pro Kilogramm Koumlrperge-wicht und Tag unter Berechnung des MOE Der BMDL10-Wert (Benchmark dose lower confidence limit 10) ist ein Schaumltzwert der niedrigsten Dosis die im Tierexperiment mit 95-prozentiger Sicherheit eine Krebsin-zidenz von nicht mehr als 10 Prozent ver-ursacht Alle Berechnungsansaumltze sowohl fuumlr Kinder als auch fuumlr die erwachsene Be-voumllkerung ergaben MOE-Werte deutlich unterhalb von 10000 Da nach Ansicht des Wissenschaftlichen Ausschusses der EFSA ein MOE erst ab einem Wert von mindes-tens 10000 aus Sicht der oumlffentlichen Ge-sundheit als wenig bedenklich anzusehen ist empfiehlt das BfR die Gesamtexposition mit PA aus allen Lebensmitteln so niedrig wie moumlglich zu halten und einen MOE von 10000 bei Beruumlcksichtigung der PA-Zufuhr aus allen Quellen nicht zu unterschreiten Dazu sollten die Bemuumlhungen fortgesetzt werden die PA-Gehalte in Lebensmitteln weiter zu senken

Forschungsansaumltze des BfR

Das BfR befasst sich seit einigen Jahren mit der Problematik der Verunreinigung von Lebensmitteln mit 12-ungesaumlttigten PA und verfolgt hierzu verschiedene Forschungs-ansaumltze Die Analytik der 12-ungesaumlttigten PA stellt aufgrund ihrer groszligen strukturel-len Vielfalt und des Vorkommens in unter-schiedlichen Lebensmitteln eine besondere Herausforderung dar In den letzten Jahren hat das BfR spezifische Nachweismethoden entwickelt und in Ringversuchen validiert Diese Methoden stehen auf der Homepage des BfR zur Verfuumlgung und koumlnnen z B in der Lebensmittel- und Futtermitteluumlberwa-chung eingesetzt werden

Neben der Entwicklung analytischer Me-thoden werden am BfR die molekularen Mechanismen der Toxizitaumlt von 12-unge-saumlttigten PA untersucht Hier stehen vor allem Untersuchungen zur strukturabhaumln-gigen Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber die Darmbarriere im Vordergrund Die Ergebnisse zeigen dass sich das Wirkungs-potenzial der 12-ungesaumlttigten PA aufgrund von Unterschieden im strukturabhaumlngigen Transport uumlber die Darmbarriere unter-scheiden kann Auch zeigten die getesteten Modellsubstanzen in einem Zellkulturmo-dell deutliche strukturspezifische Unter-schiede im Metabolismus Weitere Untersu-

Pflanzen die Pyrrolizidinalkaloi-de bilden finden sich vor allem in den Familien der Korbbluumltler (Asteraceae) der Raublatt- oder Borretschgewaumlchse (Boraginaceae) und der Huumllsenfruumlchtler (Faba-ceae)

22 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

chungen zu der Zerstoumlrung der sinusoidalen Endothelzellen durch 12-ungesaumlttigte PA sollen zum Verstaumlndnis der Mechanismen beitragen die zu den venookklusiven Ver-aumlnderungen in der Leber fuumlhren Auch wer-den Untersuchungen zur Metabolisierung nahrungsrelevanter Pyrrolizidinalkaloide durchgefuumlhrt Die Forschungsprojekte wer-den von der Deutschen Forschungsgemein-schaft (DFG) gefoumlrdert

Empfehlungen zur Reduktion der PA-Gehalte

Das BfR empfiehlt dass sich Management-maszlignahmen an der Vermeidung genoto-xisch-kanzerogener Effekte der 12-ungesaumlt-tigten PA als dem empfindlichsten Endpunkt orientieren Die Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA sollte fuumlr Verbrau-cherinnen und Verbraucher so gering wie moumlglich sein Dazu sollten die PA-Gehalte in Lebensmitteln so weit wie moumlglich sin-ken Dies gilt insbesondere fuumlr Kraumlutertees Rooibostee Schwarzen Tee und Gruumlnen Tee sowie bestimmte Nahrungsergaumlnzungsmit-tel Hier sollten Anbau- Ernte- und Reini-gungsmethoden weiterhin verbessert wer-den Auch die Auswahl der Rohhonige kann zu einer Reduzierung der Gehalte an 12-un-gesaumlttigten PA in verzehrfertigen Honigen beitragen Auszligerdem sind vor der Vermark-tung seitens der Lebensmittelunternehmer weiterhin Kontrollen in allen betroffenen Lebensmittelkategorien notwendig

Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das potenzielle gesundheitliche Risiko durch PA durch eine abwechslungsreiche Ernaumlh-rung verringern und so generell einseitigen Belastungen mit verschiedenen potenziell gesundheitsgefaumlhrdenden Stoffen vorbeu-gen Insbesondere fuumlr Kinder Schwangere und Stillende empfiehlt das BfR den taumlgli-chen Fluumlssigkeitsbedarf nicht ausschlieszliglich mit Kraumlutertee und Tee zu decken

Bei der Zubereitung von Salat Blattgemuumlse und Kraumlutern sollten Verbraucherinnen und Verbraucher Pflanzenteile aussortieren die sie keinen bekannten essbaren Pflanzen zu-ordnen koumlnnen

Wer Nahrungsergaumlnzungsmittel auf Pollen-basis oder auf Basis von Pflanzen einnimmt die 12-ungesaumlttigte PA bilden sollte sich bewusst sein dass diese Produkte 12-un-gesaumlttigte PA in houmlheren Konzentrationen enthalten koumlnnen

Mehr erfahrenStellungnahme Nr 0302016 des BfR vom 28 September 2016

Necinbase

Necinsaumlure

Die Struktur von PA

Chemisch handelt es sich um Ester aus einer Necinbase und aliphatischen Mono- oder Dicarbonsaumluren (Necin-saumluren) Aus toxikologischer Sicht besonders bedeutsam sind Pyrroli-zidinalkaloide mit 12-ungesaumlttigter Necinstruktur (12-ungesaumlttigte PA) Die 12-ungesaumlttigte Necinstruktur als gemeinsames Strukturmerkmal erlaubt grundsaumltzlich die Giftung durch Oxidation zum Dehydropyrrolizidin das durch seine alkylierenden Eigenschaf-ten fuumlr die genotoxische und karzino-gene Wirkung dieser Substanzgruppe verantwortlich ist

copy R

ukiM

edia

shu

tters

tock

com

copy J

iri H

era

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

23012017

Im suumldlichen Afrika spielt die Landwirt-schaft eine Schluumlsselrolle bei der Armuts-bekaumlmpfung Eine wachsende Produktion tierischer Lebensmittel bringt jedoch auch neue Herausforderungen an die Lebensmit-telsicherheit mit sich Das BfR-Forschungs-projekt bdquoSAD-Zambialdquo (bdquoStaphylococcus aureus in der Milchlebensmittelkette in Sambia ndash Bekaumlmpfung lebensmittelbeding-ter Erkrankungen und Antibiotikaresisten-zen beim Menschldquo) befasst sich damit wie die Produktion und der Vertrieb von Milch und Milchprodukten in Sambia sicherer gestaltet werden koumlnnen Ziel ist es zu be-werten in welchem Umfang das Bakterium Staphylococcus (S) aureus uumlber Milch und Milchprodukte auf den Menschen uumlbertra-gen wird In einem ersten Schritt werden Feldstudien in verschiedenen Provinzen des Landes durchgefuumlhrt um das Vorkommen dieses Erregers und moumlgliche Schwachstel-len in der Milchlebensmittelkette in Sambia zu analysieren Hierbei stehen Toxin-bil-dende S aureus-Staumlmme im Fokus Auszliger-dem wird untersucht in welchem Umfang Methicillin-resistente S aureus (MRSA) die gegen eine bestimmte Klasse von Antibio-tika resistent sind in der Milchlebensmit-

telkette vorkommen Die Bewertungsarbeit beinhaltet auch einen Vergleich traditio-neller und moderner Produktionssysteme Am BfR werden anschlieszligend die Analysen zu den Eigenschaften der gewonnenen Bakterienstaumlmme sowie stammvergleichen-de Untersuchungen durchgefuumlhrt In einem weiteren Schritt werden Ansatzpunkte zur Reduzierung der Bakterien sowie Methoden zum Monitoring von zoonotischen und An-tibiotika-resistenten S aureus in der Milch-lebensmittelkette in Sambia entwickelt So soll zum Verstaumlndnis der lebensmittelbe-dingten Risiken entlang der Milchlebens-mittelkette in Sambia beigetragen werden Das Projekt begann am 01072016 und laumluft drei Jahre Es wird vom Bundesminis-terium fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft gefoumlrdert und aus BfR-Mitteln co-finanziert Neben dem BfR beteiligen sich an dem For-schungsprojekt das International Livestock Research Institute die University of Zambia und das Central Veterinary Research Insti-tute als Teil des sambischen Ministeriums fuumlr Nutztiere und Fischerei Durch dieses Forschungsnetzwerk soll eine nachhaltige Partnerschaft aufgebaut werden

Mit dem Forschungsprojekt bdquoSAD-Zambialdquo leistet das BfR einen Beitrag zur Staumlrkung der Lebensmittelsicherheit und damit zur Ernaumlhrungssicherheit im suumldlichen Afrika Koordinatorin des Projekts ist Frau Dr Alexandra Fetsch Der sambische Doktorand Herr Bruno Phiri berichtet von seiner alltaumlglichen Arbeit Beide arbeiten in der Fach-gruppe bdquoMikrobielle Toxineldquo des BfR

POST AUS hellipSAMBIA

raquobdquoDas SAD-Zambia Projekt ist fuumlr mich ein Meilenstein und ich bin dem BfR sehr dankbar dass es mir diese Moumlglichkeit gibt Ich habe schon viel dazugelernt und konnte meine Kompetenzen bezuumlglich der Diagnose von Krankheitserregern verbessern Das Projekt bringt mich aber nicht nur persoumlnlich voran auch mein Land kann davon profitieren Mein Arbeitsalltag beginnt meist mit einem Besuch bei den Milchbauern und ihren Herden Dort schaue ich mir an wie die Kuumlhe gemolken werden und nehme Proben von den Tieren der Milch und der Umge-bung Auch in Milchsammelstellen und auf Maumlrkten nehme ich Proben Diese analysiere ich anschlieszligend im Labor an der Universitaumlt Schon jetzt freue ich mich auf die weiteren Untersuchungen der Bakterienstaumlm-me am BfR Ich war zu Beginn des Projektes dort ndash eine sehr eindrucks-volle Erfahrungldquo

(Bruno Phiri)

copy a

stud

ios

hutte

rsto

ckc

om

copy B

fR

24 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

Algengift in Tropenfischen

Bisher traten Lebensmittelvergiftungen durch Ciguato-xin ndash einem Algentoxin das in tropischen Speisefischen wie Barrakuda Schnapper oder Zackenbarsch enthalten sein kann ndash vorwiegend in den Tropen auf Mit dem zunehmenden Import von Fischen aus Suumldostasien haumlufen sich auch in Europa und seit 2012 in Deutschland Faumllle von Ciguatera Ein Problem dabei Eine Analyse-methode mit der Fisch routinemaumlszligig auf Ciguatoxine untersucht werden kann ist derzeit noch nicht verfuumlgbar Da weltweit nur wenige Labore auf den Nachweis von Ci-guatoxinen in Fischen spezialisiert sind wird im Projekt bdquoEuroCigualdquo der Europaumlischen Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit (EFSA) unter anderem an der Verbesserung entsprechender Analysemethoden und zum Vorkommen ciguatoxischer Fische in Europa geforscht Das BfR liefert fuumlr das Projekt Angaben zu Erkrankungsfaumlllen in Deutschland Die krankmachenden Algentoxine reichern sich uumlber die Nahrungskette in Raubfischen an und sind uumlberaus stabil Durch Erhitzen oder Tiefkuumlhlen lassen sie sich nicht entfernen Beim Menschen kann der Verzehr betroffener Fische dann zu Vergiftungen mit zum Teil schweren oder andauernden Beeintraumlchtigungen des Nervensystems fuumlhren An Ciguatera Erkrankte nehmen normale Kaumlltereize als ungewoumlhnlich schmerzhaft wahr

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt A-Z-Index Ciguatoxin

Alkaloide in Lupinensamen

In verarbeiteten Produkten oder zum Knabbern Lupinensamen sind im Trend Da sie jedoch toxikologisch relevante bittere Chinolizidinalkaloide enthalten koumlnnen bewertet das BfR ihr gesundheitliches Risiko Der Gehalt an Chinolizi-dinalkaloiden in Lupinensamen variiert je nach botanischer und geografischer Abstammung Samen die von bdquoBitterlupinenldquo stammen sind aufgrund ihrer houmlheren Gehalte ohne geeignete Vorbehandlung der bdquoEntbitterungldquo nicht zum Verzehr geeignet Denn Sie koumlnnen beim Menschen Vergiftungssymptome her-vorrufen Lupinenvarietaumlten die Samen mit niedrigen Alkaloidgehalten liefern werden als bdquoSuumlszliglupinenldquo bezeichnet Suumlszliglupinensamen sind auch ohne Entbitte-rung verzehrsfaumlhig In Deutschland kam es mit Bitterlupinensamen vereinzelt zu Vergiftungsfaumlllen Das BfR empfiehlt Herstellern daher nur ganze Lupinensamen in den Verkehr zu bringen die ohne weitere Entbitterungsprozesse verzehrsfaumlhig sind Mehl aus Lupinensamen sollten Hersteller aus alkaloidarmen oder ausrei-chend entbitterten Samen herstellen

Uumlbertragungswege des Hepatitis-E-Virus

Infektionen mit dem Hepatitis-E-Virus (HEV) koumlnnen zu einer akuten Leberentzuumlndung fuumlhren In den letzten Jahren sind die Zahlen gemeldeter Hepatitis-E-Faumllle des Menschen in Deutsch-land stark angestiegen Forschungsergebnisse des BfR in Zusam-menarbeit mit anderen Einrichtungen haben gezeigt dass das Virus in deutschen Haus- und Wildschweinen weit verbreitet ist Vereinzelt wurde HEV auch in Rehen und Rotwild nachgewiesen

Unklar ist derzeit noch auf welchen Wegen sich die Patienten mit dem Virus anstecken Moumlglich sind direkte Virusuumlbertra-gungen zum Beispiel vom Wildtier auf den Jaumlger und indirekte uumlber Lebensmittel die aus infizierten Tieren hergestellt wurden Wie aktuelle Studien des BfR zeigen kann HEV in verschiedenen Wurstwaren aus dem deutschen Einzelhandel nachgewiesen wer-den Fraglich ist ob das Virus in diesen Produkten noch anste-ckend ist oder ob es bei der Herstellung der Lebensmittel zerstoumlrt wird Hierfuumlr noumltige Untersuchungen waren in der Vergangenheit erschwert da sich HEV im Labor nur schlecht kultivieren lieszlig Erste Ergebnisse von Untersuchungen mithilfe eines am BfR ent-wickelten neuartigen Zellkultur-Systems weisen darauf hin dass HEV hitzeempfindlich ist aber bei Kuumlhlung oder Raumtempera-tur mehrere Wochen infektioumls bleiben kann

SPEKTRUM

copy N

eil B

urto

nsh

utte

rsto

ckc

om

copy N

atal

ia M

ylov

ash

utte

rsto

ckc

om

copy iS

tock

com

Mee

Poo

hyap

hoto

25012017

bdquoNur eine gemeinsame Strategie ist effektivldquo

Frau Kaumlsbohrer ein zentrales Thema Ihrer Forschung sind Antibiotikaresis-tenzen In der oumlffentlichen Debatte wird oft ein Zusammenhang hergestellt zwi-schen dem haumlufigen Einsatz von Anti-biotika in der Nutztierhaltung und dem Auftreten resistenter Bakterien in der Humanmedizin Doch werden bei Tieren nicht andere Antibiotika eingesetzt als bei MenschenUm die Unterschiede zu erlaumlutern muss man zwischen Praumlparaten und den antibiotischen Wirkstoffgruppen unterscheiden Beim Tier verwenden Veterinaumlrmediziner ande-re Praumlparate als Aumlrzte beim Menschen Der wirksame Inhaltsstoff das Antibiotikum kann aber dasselbe sein Die Antibiotika lassen sich wiederum in Wirkstoffgruppen einteilen Mit Blick auf die Wirkstoffgrup-pen gilt Die meisten Antibiotika die beim Menschen eingesetzt werden gehoumlren zu Wirkstoffgruppen die wir auch in der Vete-rinaumlrmedizin nutzen Es gibt nur ganz weni-ge Antibiotikagruppen die nur auf der einen oder der anderen Seite verwendet werden Dazu gehoumlren zum Beispiel die Carbapene-me die nicht beim Nutztier eingesetzt wer-den duumlrfen In der Humanmedizin kommen sie insbesondere zum Einsatz wenn andere Antibiotika nicht mehr wirksam sind

bdquoEine Resistenz ge-gen einen bestimm-ten Wirkstoff kann sich auch ausbrei-ten obwohl diese Wirkstoffgruppe nicht eingesetzt wurde

Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer leitet am BfR die Fachgruppe bdquoEpide-miologie Zoonosen und Antibiotika-resistenzldquo die unter anderem auch das Nationale Referenzlabor fuumlr Antibiotika- resistenzen umfasst Seit April 2016 ist sie auszligerdem Professorin an der Vetmeduni Vienna und leitet dort das Institut bdquoOumlffentliches Veterinaumlrwesenldquo

Wenn sie beim Nutztier nicht eingesetzt werden duumlrfen wie kann es dann sein dass Sie am BfR im Rahmen des For-schungsprojekts RESET Carbapene-mase-bildende Bakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden gefunden habenDie Entstehung von Antibiotikaresistenzen ist ein natuumlrlicher Vorgang bei Bakterien Durch den Gebrauch von Antibiotika wird dieser Prozess beschleunigt Eine Resistenz gegen einen bestimmten Wirkstoff kann sich auch ausbreiten obwohl diese Wirk-stoffgruppe nicht eingesetzt wurde Dank der Selektion gilt meist Wenn ich einen Wirkstoff einsetze gebe ich jenen Bakterien einen Vorteil die gegen den Wirkstoff resis-tent sind Aber Carbapenemasen also die Enzyme die von Carbapenem-resistenten Bakterien gebildet werden koumlnnen neben den Carbapenemen auch fast alle anderen

Bakterien die gegen Antibiotika resistent sind stellen ein Risiko fuumlr die oumlffentliche Gesundheit dar Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer widmet sich am BfR dieser Problematik Im Gespraumlch erklaumlrt sie welche Faktoren bei der Ausbreitung von Resistenzen eine Rolle spielen

copy M

icha

el B

ernk

opf

Vetm

edun

i Vie

nna

26 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

β-Laktam-Antibiotika inaktivieren Theo-retisch ist es daher moumlglich dass sich eine Resistenz gegen Carbapeneme ausbreitet obwohl der Tierarzt beim Nutztier eine an-dere Wirkstoffgruppe eingesetzt hat Ist die Resistenz bei Bakterien vorhanden gibt es viele Ausbreitungswege Ein Stall ist kein steriler Ort sondern belebte Umwelt Moumlg-liche Eintragswege fuumlr resistente Bakterien in einen Stall sind z B belebte Vektoren wie neu eingestallte Tiere Maumluse Fliegen oder Voumlgel aber auch unbelebte Vektoren wie Futter Wasser Staub oder Geraumltschaften

Was hat sich seit dem Fund der Carba-penemase-bildenden Enterobakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden fuumlr Ihre Arbeit beim BfR geaumlndert Der Fund hatte vielfaumlltige Konsequenzen Wir haben vor allem die gezielten Untersu-chungsaktivitaumlten verstaumlrkt Bakterien-Iso-late aus Tierbestaumlnden und Lebensmitteln werden seit 2014 im Rahmen des Resistenz-monitorings im BfR routinemaumlszligig auf eine Carbapenem-Resistenz getestet Auszligerdem steht seit 2015 fuumlr den Nachweis von Carba-penemase-bildenden Bakterien ein weiteres gezieltes Nachweisverfahren zur Verfuumlgung Hierzu muumlssen die Labore geschult werden Zusaumltzlich werden im Nationalen Refe-renzlabor fuumlr Antibiotikaresistenz am BfR Carbapenemase-verdaumlchtige Bakterien auf die charakteristischen Resistenzgene hin un-tersucht Am BfR wurden hierfuumlr verschie-dene Methoden fuumlr die Untersuchung von E coli und Salmonella etabliert Bisher wur-den sehr selten solche Resistenzgene nach-gewiesen bei Nutztieren das Gen blaVIM-1 bei einem Wildvogel das Gen blaNDM-1

Oftmals sind die Resistenzgene gegen Carbapeneme zusammen mit anderen Resistenzgenen auf mobilen geneti-schen Elementen lokalisiert Warum ist hier besondere Vorsicht gebotenZunaumlchst ist die Trefferwahrscheinlichkeit fuumlr eine Selektion houmlher wenn mehrere Re-sistenzgene auf einem genetischen Element liegen d h der Einsatz verschiedener Anti-biotika kann zu einem Selektionsvorteil fuumlh-ren Die Lokalisation von Resistenzgenen auf mobilen genetischen Elementen spielt fuumlr die Uumlbertragbarkeit von Resistenzen eine wichtige Rolle Denn Diese Resistenzgene koumlnnen mittels horizontalem Gentransfer auf ganz unterschiedliche Bakteriengruppen uumlbertragen werden Diese Erkenntnis hat eine Art Revolution ausgeloumlst Lange Zeit wurde ein Erreger mit all seinen Eigenschaf-ten als Einheit betrachtet Kann die Resis-tenz aber zwischen Bakteriengruppen hin

und her uumlbertragen werden verfaumllscht das moumlglicherweise den Blick auf eine Gruppe Folglich mussten die Nachweisverfahren umgestellt und die Uumlbertragbarkeit von Re-sistenzen mit analysiert werden Erschwe-rend kommt hinzu dass ein Resistenzgen auf einem grundsaumltzlich ungefaumlhrlichen

Bakterium zum Problem werden kann Manche Bakterien wie beispielsweise E coli gehoumlren zur normalen Darmflora Traumlgt so ein Bakterium eine Resistenzeigenschaft ist das erstmal nicht gefaumlhrlich Aber Es kann diese Eigenschaft moumlglicherweise an einen Infektionserreger weitergeben

Welche konkreten Folgen kann eine solche Weitergabe von Resistenzeigen-schaften habenSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt Schon jetzt weichen Aumlrzte auf Wirk-stoffgruppen aus die in der Humanmedizin lange verpoumlnt waren Dies gilt zum Beispiel fuumlr Colistin Fuumlr den Menschen ist es nicht gut vertraumlglich moumlgliche Nebenwirkun-gen sind beispielsweise die Schaumldigung der Nieren oder des Nervensystems In der Ve-terinaumlrmedizin hat Colistin seit Jahrzehnten eine erhebliche Bedeutung vor allem fuumlr die Behandlung von Infektionen des Ma-gen-Darm-Traktes bei Nutztieren auch um andere Wirkstoffgruppen zu vermeiden

Spielt im Fall von Colistin die Mobilitaumlt des Resistenzgens auch eine besonde-re Rolle Inzwischen ja Bis Ende 2015 waren sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler einig Eine Colistin-Resistenz ist nicht uumlbertragbar Das heiszligt kommt eine solche Resistenz bei einem Infektionserreger beim Nutztier vor ist sie nicht per se auf ein hu-manpathogenes Bakterium uumlbertragbar Doch Ende 2015 wurde in China erstmals das uumlbertragbare Gen mcr-1 beschrieben Untersuchungen in Belgien haben spaumlter zur Beschreibung eines weiteren mobilen Gens fuumlr die Colistin-Resistenz bei Nutztieren

bdquoSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

27012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Ausbreitung von Resistenzen

Haustiere

Krankenhaus

Belastetepflanzliche Lebensmittel

Belastete tierische Lebensmittel

Nutztiere

Futtermittel

Schaumldlinge

Uumlbertragungswege resistenter Bakterien

Menschen

Eine Antibiotikaresistenz entsteht

(z B durch Mutation)

Antibiotikatherapie beguumlnstigt die

Selektion resistenter Bakterien

Nahrung

Duumlnger Abwasser

Abwasser

28 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

gefuumlhrt mcr-2 Das bedeutet eine Uumlbertra-gung der durch diese Gene vermittelten Re-sistenz auf ein humanpathogenes Bakterium ist theoretisch moumlglich Allerdings scheint dies bisher selten der Fall zu sein

Diese Erkenntnisse offenbaren einen groszligen Forschungsbedarf Was tun Sie in der Abteilung bdquoBiologische Sicher-heitldquo um das Risiko zu bewerten Als 2015 klar wurde dass es eine uumlbertrag-bare Colistin-Resistenz gibt haben wir diese neue Erkenntnis in den laufenden Projekten natuumlrlich sofort aufgegriffen Im Rahmen des Forschungsprojekts RE-SET haben wir zum Beispiel vorhandenes Bakterienmaterial und die bei unseren Ko-operationspartnern verfuumlgbaren Gesamt-genominformationen auf das Vorkommen dieses neuen Resistenzgens gepruumlft Schnell war klar Ja dieses Gen finden wir in den Sequenzen Und die Pruumlfung von Colis-tin-resistenten Isolaten aus unserer Stamm-sammlung hat bestaumltigt dass dieses Resis-tenzgen bereits weit verbreitet ist

Muumlssen nun neue Forschungsprojekte zu dem Thema initiiert werdenJa denn viele Fragen bleiben bislang offen Wie haumlufig wird die Resistenz tatsaumlchlich uumlbertragen Was triggert diese Uumlbertra-gung Es gibt auch diagnostische Probleme Das uumlbliche Verfahren in der Humanmedi-zin um Resistenzen zu testen umfasst in der Regel nicht die Resistenz gegen Colistin Es gibt also viel zu tun Neue Diagnose- und Typisierungsverfahren aufbauen unser Re-sistenzmonitoring erweitern und routine-maumlszligig phaumlnotypisch resistente Isolate auf das Gen pruumlfen Die Ergebnisse muumlssen wir dann uumlbergreifend bewerten um Hand-lungsoptionen aufzuzeigen

Welche Uumlbertragungswege spielen bei der Colistin-Resistenz fuumlr den Men-schen eine Rolle Mit Sicherheit koumlnnen wir das derzeit nicht sagen Die chinesische Arbeitsgruppe hat Colistin-Resistenzen sowohl im Schweine-fleisch als auch beim Menschen gefunden Daher liegt die Hypothese nahe dass es eine Uumlbertragung uumlber Lebensmittel gibt Gleichzeitig gibt es generell die Beobachtung von nosokomialen Ausbreitungen resisten-ter Bakterien Das sind Ausbreitungen von Antibiotikaresistenzen im Krankenhaus

Resistenzen breiten sich aus Wunder-waffen verlieren ihre Wirkung selbst im Krankenhaus sind wir nicht sicher Gibt es uumlberhaupt eine effiziente Strategie gegen die Ausbreitung der Antibiotika- resistenzen Und wer ist dabei gefor-dertUm die Ausbreitung von Antibiotika- resistenzen zu verhindern braucht es eine gemeinsame Strategie Schlieszliglich sind hier komplexe Zusammenhaumlnge zwischen Mensch Tier und Umwelt am Werk Am BfR streben wir deswegen eine enge Zu-sammenarbeit mit allen Akteuren im oumlffent-lichen Gesundheits- und Veterinaumlrwesen an Bei diesem bdquoOne Health-Ansatzldquo sind sowohl Veterinaumlr- als auch Humanmedizi-ner gefordert Auch Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

Was sollten Verbraucherinnen und Ver-braucher beachtenHier gelten dieselben Hygieneregeln die auch fuumlr andere vom Tier oder vom Le-bensmittel auf den Menschen uumlbertragba-re Krankheitserreger gelten Zum Beispiel sollten sie sich nach dem Kontakt mit Tie-ren die Haumlnde mit warmem Wasser und Seife waschen Auch nach der Zubereitung von rohem Fleisch sollten die Haumlnde gruumlnd-lich gewaschen werden Fleisch Eier und Rohmilch sollten vor dem Verzehr durcher-hitzt werden Rohkost und Obst sollten vor dem Verzehr gruumlndlich mit Trinkwasser gewaschen oder geschaumllt werden Weiterhin wichtig ist den direkten oder indirekten Kontakt von rohem Fleisch und rohen Ei-ern mit verzehrfertigen Speisen die spaumlter nicht mehr erhitzt werden zu vermeiden Durch die Einhaltung der Hygieneregeln kann man einer Uumlbertragung von resisten-ten und oder pathogenen Bakterien auf an-dere Lebensmittel vorbeugen

Mehr erfahren Irrgang et al 2017 Recurrent detection of VIM-1-producing Escherichia coli clone in German pig production Journal ofAntimicrobial Chemotherapy 72 3 944ndash946

bdquoVerbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

RESET

Der Forschungsverbund RESET ndash Antibiotika-Resistenzen bei Tier und Mensch ndash beschaumlftigte sich von 2010 bis 2017 mit Resistenzen gegen die besonders wichtigen Antibiotika-Klas-sen der β-Laktam-Antibiotika und (Fluor-)Chinolone bei Darmbakterien wie Escherichia (E) coli Sind Bak-terien gegen beide Wirkstoffklassen resistent werden die therapeutischen Moumlglichkeiten drastisch eingeschraumlnkt Bei E coli und Salmonella enterica wurden derartige Resistenzen bereits nachgewiesen Das BfR beteiligte sich mit zwei Projekten an dem Forschungs-verbund Durch das konsequente Zusammenfuumlhren von Ergebnissen der unterschiedlichen Forschungsgebiete in einer gemeinsamen Datenbank konnten Erkenntnisluumlcken geschlossen und Risiken bewertet werden Das Projekt wurde vom Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) gefoumlrdert

29012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Kann es durch die Mischung verschiedener Pestizid-Ruumlckstaumlnde beim taumlglichen Verzehr zu gesundheitsgefaumlhrdenden Belastungen kommen

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

30 BfR 2 GO

Wenn von Paradigmenwechseln die Rede ist findet meist ein grundlegendes Umdenken statt In der Risikobewertung von Chemikalien habe ein Paradigmenwechsel stattge-

funden der die traditionelle Einzelsubstanz-Bewertung hinter sich lasse schrieben BfR-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler vor einiger Zeit Man koumlnnte meinen in der Toxikologie wird der Paracelsus-Satz kuumlnftig umgeschrieben Nicht nur die Dosis son-dern auch die Aufsummierung der Dosierungen in einer Mischung macht das Gift

Gift- oder Todescocktail ndash plakative Medienbegriffe

Denn tatsaumlchlich In den letzten Jahren beschaumlftigen sich weltweit immer mehr Gremien politische Ausschuumlsse und Forschungspro-jekte mit der Frage wie man die Auswirkungen von Mischungen auf Umwelt und Gesundheit kuumlnftig bewerten kann Auch in der Oumlffentlichkeit wird das Thema emotional verhandelt Chemikali-enmix Gift- oder sogar Todescocktail ndash mit plakativen Begriffen umschreiben Medien das Phaumlnomen der Mehrfachruumlckstaumlnde Entsprechend tief sitzt die Angst bei Verbraucherinnen und Ver-brauchern In einer vom BfR in Deutschland durchgefuumlhrten re-praumlsentativen Wahrnehmungsstudie vermuten 80 Prozent der Befragten dass der Einsatz mehrerer unterschiedlicher Pflanzen-schutzmittel zu gesundheitlichen Beeintraumlchtigungen durch Le-bensmittel fuumlhren kann

Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck sein

Zwar zeigen verschiedene aktuelle Monitoring-Projekte dass das gesundheitliche Risiko durch Mehrfachruumlckstaumlnde von Pflanzen-schutzmitteln unwahrscheinlich ist (s Interview) aber das Thema bleibt auch fuumlr die Wissenschaft draumlngend Denn auch wenn Mi-schungen schon seit Jahrzehnten wissenschaftlich analysiert und bewertet werden das Beduumlrfnis nach einer zuverlaumlssigen Bewertung der Risiken fuumlr Mensch und Umwelt steigt Grund dafuumlr ist zum einen die Vielzahl immer neuer Wirkstoffe Zusatzstoffe Chemika-lien Ruumlckstaumlnde und Kontaminanten gegenuumlber denen Menschen exponiert sind verbunden mit immer verfeinerten wissenschaftli-chen Nachweismethoden Zum anderen steigt der Druck aus der Oumlffentlichkeit Um wissenschaftliche Divergenzen zu vermeiden muumlssen transparente und international harmonisierte Verfahren entwickelt werden Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck in der Risikobewertung sein

Alle Gemische im Tierversuch zu testen ist nicht durchfuumlhrbar

Worum geht es im Einzelnen Mischungen liegen immer dann vor wenn ein Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt verschiedene Stoffe gleichzeitig aufnimmt z B Ruumlckstaumlnde Kontaminanten oder Chemikalien die nach der Europaumlischen Chemikalienverordnung REACH registriert sind Das geschieht wenn sogenannte intentional mixtures also beabsichtigte Mischungen wie Pflanzenschutzmittel oder Biozide in den Verkehr gebracht werden Aber auch unintenti-onal mixtures nimmt der Koumlrper auf Sei es dass verschiedene Stoffe in einem Produkt enthalten sind z B mehrere Pflanzenschutzmit-telruumlckstaumlnde in einem Apfel Oder sei es dass Stoffe gleichzeitig uumlber unterschiedliche Produkte aufgenommen werden In all diesen Faumlllen koumlnnen Mischungseffekte auftreten Diese sind je nach Wirk-mechanismus unterschiedlich stark ausgepraumlgt So koumlnnen sich die Wirkungen von Stoffen gegenseitig potenzieren oder auch aufheben Nach derzeitigem Kenntnisstand wird davon ausgegangen dass sich Wirkungen in der Regel addieren wenn die aufgenommenen Stoffe oberhalb der Wirkschwelle liegen den gleichen Wirkmechanismus haben und zu einem relevanten Zeitpunkt vom Organismus aufge-nommen wurden

Hier beginnen die Schwierigkeiten Es gibt zu viele intentional mix-tures die eine nahezu unuumlbersehbar groszlige Anzahl von Kombinati-onen ermoumlglichen Diese Gemische alle im Tierversuch zu testen wie sonst bei Einzelsubstanzen uumlblich waumlre sowohl ethisch nicht zu vertreten als auch praktisch nicht durchfuumlhrbar Daher arbeiten viele Forschungsprojekte u a der EU-Kommission daran tierversuchs-freie Methoden fuumlr die kumulative Bewertung zu entwickeln die die Effekte von Mischungen in vitro oder durch computergestuumltzte Be-rechnungen in silico berechnen (s Interview und Kasten)

Weltweit setzen Laumlnder das Thema auf ihre Agenda

Nicht nur fuumlr die Wissenschaft auch fuumlr den harmonisierten Voll-zug von Gesetzen ergeben sich dadurch neue Herausforderungen So schreibt z B die EU-Verordnung uumlber das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vor Kumulations- und Synergieeffekte zu be-ruumlcksichtigen ndash sofern es von der Behoumlrde anerkannte wissenschaft-liche Methoden zur Messung solcher Effekte gibt Doch die lagen bisher nicht vor Deshalb werden nun auf allen Ebenen technische Leitfaumlden fuumlr die neuen Methoden erstellt um eine harmonisierte

Auf die Mischung kommt es anKumulative Risikobewertung nimmt weltweit eine immer groumlszligere Bedeu-tung in der Toxikologie ein Das BfR arbeitet an einer Vielzahl von Projek-ten wie Mischungen in Zukunft bewertet werden koumlnnen

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

31012017

Vorgehensweise und transparente Nachvollziehbarkeit bei der Zu-lassung von Produkten zu gewaumlhrleisten Unter anderem die EFSA die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmittelsicherheit die Europauml-ische Chemikalienagentur ECHA und das JRC die Gemeinsame Forschungsstelle der Europaumlischen Kommission erarbeiten solche technischen Leitfaumlden

Neben der wissenschaftlichen Komplexitaumlt muumlssen diese techni-schen Leitfaumlden weitere Herausforderungen meistern Sie sollen fuumlr alle Bereiche gelten in denen Mischungen in Verkehr gebracht werden oder entstehen koumlnnen Bisher wurden Mischungen haumlufig nur in einem regulatorischen Bereich untersucht z B als Pflan-zenschutzmittel Biozid oder Arzneimittel Fuumlr andere Stoffe wie Lebensmittelzusatzstoffe oder Kontaminanten war die Bewertung von Mischungen bisher nicht klar gesetzlich reguliert In Zukunft sollen auch diese Stoffe bei einer Bewertung von Mischungen besser beruumlcksichtigt werden Auch soll nicht nur die chemische Zusam-mensetzung eines einzelnen Produktes systematisch bei der Zu-lassung beruumlcksichtigt werden sondern auch Mehrfachruumlckstaumlnde im gesamten Warenkorb den Verbraucherinnen und Verbraucher durchschnittlich zu einer gegebenen Zeit konsumieren Und zu gu-ter Letzt muumlssen die neuen Verfahren weltweit harmonisiert werden um das kumulative Risiko fuumlr Mensch und Umwelt auch angesichts globaler Warenketten gering zu halten Deshalb diskutieren Politik und Wissenschaft zurzeit nicht nur auf europaumlischer Ebene entspre-chende Leitfaumlden auch andere Laumlnder weltweit sowie die Weltge-sundheitsorganisation WHO und die Organisation fuumlr wirtschaftli-che Zusammenarbeit und Entwicklung OECD haben die kumulative Bewertung auf ihre Agenda genommen und stimmen ihre Guidance Documents mit den uumlbrigen Behoumlrden ab

Deutschland wendet die kumulative Bewertung schon an

Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR sind an zahlreichen dieser internationalen Projekte beteiligt sowohl an der wissenschaftlichen Erforschung kumulativer Effekte als auch an der Entwicklung technischer Leitfaumlden Einen wichtigen Schritt bei der kumulativen Bewertung hat Deutschland in der Europaumlischen Uni-

Stufe um Stufe zu einer gesicherten Bewertung

Seit Maumlrz 2017 wird in Deutschland eine Methodik fuumlr die Bewertung von Kumulations- und Synergie-effekten bei der gesundheitlichen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln in den Zulassungsverfahren angewandt Grundlage fuumlr das gestufte kumulative Bewertungsverfahren ist der sogenannte bdquoHazard Quotientldquo (HQ) der fuumlr jeden einzelnen Stoff ermit-telt wird Der HQ errechnet sich aus dem Verhaumlltnis zwischen dem relevanten gesundheitlichen Grenz-wert und der geschaumltzten Exposition

In einer ersten Stufe wird der HQ fuumlr alle Stoffe eines Gemisches einzeln ermittelt Liegt der HQ jedes Stoffes unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko fuumlr die einzelnen Bestandteile der Mischung zu erwarten Liegt dieser bei einzelnen Stoffen uumlber 1 wird gepruumlft ob die Exposition durch geeignete Maszlignahmen weiter vermindert werden kann zum Beispiel durch das Tragen entsprechender Schutz-kleidung

Liegt der HQ fuumlr alle Komponenten unter 1 wird in einer zweiten Stufe der sogenannte bdquoHazard Indexldquo (HI) des Gemisches ermittelt indem alle Gefahren-quotienten der verwendeten Stoffe addiert werden Liegt der ermittelte Wert weiterhin unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko durch das Gemisch zu erwarten

Liegt der HI uumlber 1 geht die Bewertung mit weiter verfeinerten Methoden in die dritte Stufe uumlber In dieser wird gepruumlft ob ein gesundheitliches Risiko vorliegt wenn eine Gruppierung der Einzelstoffe vorgenommen wird Dazu koumlnnen die einzelnen Stoffe in kumulative Bewertungsgruppen (cumula-tive assessment groups CAGs) eingeteilt werden die z B nach Effekten im gleichen Zielorgan oder nach dem gleichen Wirkmechanismus oder nach chemischer Verwandtschaft definiert sein koumlnnen Hintergrund dieser Einteilung ist die Annahme dass sich nach gegenwaumlrtigem Kenntnisstand nur Effek-te addieren die hinsichtlich der Zielorgane oder der Wirkmechanismen (MOA) vergleichbar sind Auch die relative Potenz der einzelnen Stoffe soll bei der verfeinerten Bewertung beruumlcksichtigt werden Liegt der HI innerhalb einer CAG unter 1 ist deshalb kein gesundheitliches Risiko zu erwarten Liegt er oberhalb des Wertes und koumlnnen weder Expositionsschaumltzung noch Gefahrenbewertung weiter verfeinert werden gilt das Gemisch als nicht sicher

Das mehrstufige Verfahren hat den Vorteil dass die ressourcenaufwendigeren Methoden zur verfei-nerten Bewertung z B in vergleichbaren CAGs oder MOAs nur zum Einsatz kommen wenn mit den ersten einfacheren Bewertungsmethoden nicht nachweisbar ist dass kein gesundheitliches Risiko zu erwarten ist

copy T

atom

mis

tock

com

32 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

EuroMix A tiered strategy for risk assessment of mixtures of multiple chemicals

EuroMix ist ein laumlnderuumlbergreifendes Projekt der EU-Kommission das die nie-derlaumlndische Behoumlrde fuumlr Gesundheit und Umweltschutz RIVM koordiniert Es zielt darauf ab eine tierversuchsfreie experi-mentelle Test-Strategie zu entwickeln um die Toxizitaumlt von Gemischen verschiedener toxikologisch relevanter Lebensmittelin-haltsstoffe Lebensmittelkontaminanten und Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde besser zu bestimmen Aus den Forschungsergeb-nissen wird ein Leitfaden fuumlr die kuumlnftige Umsetzung einer experimentellen Test-Stra-tegie entwickelt Das Acht-Millionen-Eu-ro-Projekt laumluft bis Mai 2019

Mehr erfahren wwweuromixprojecteu

Kombinationseffekte Forschungsprojekte des BfR

Am BfR werden in verschiedenen Abteilungen mehrere interne Forschungsprojekte zu Kombinationseffekten durch-gefuumlhrt Dazu gehoumlren u a Forschungsprojekte zu kumulativen Wirkungen in Pflanzenschutzmitteln und Bioziden zu Mehrfachruumlckstaumlnden in Lebensmitteln zur Expositionsschaumltzung sowie zu wirbeltierfreien Alternativmethoden Daruumlber hinaus ist und war das BfR auch an folgenden Drittmittel-Projekten beteiligt die zu Kombinationseffekten forschen

Combiomics Analyse von Kombinationseffekten von Pestiziden in vitro

Combiomics war ein zweieinhalbjaumlhri-ges Projekt des Bundesministeriums fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) das im Fruumlhling 2016 abgeschlossen wurde In dem vom BfR koordinierten Projekt wurden moumlgliche Kombinationswirkungen durch Mehrfachruumlckstaumlnde beispielhaft anhand einer Gruppe von Fungiziden in vitro unter-sucht Dazu wurden die molekularen Effek-te der Triazole mittels multi level omics und praumldiktiver mathematischer Modellierung untersucht Ausgehend von den Ergebnissen wurde ein Praumldiktionsmodell fuumlr Substanz-kombinationen erstellt validiert und auf Pestizide anderer Stoffgruppen bzw weitere Substanzklassen ausgedehnt um Kombi-nationseffekte kuumlnftig weitgehend ohne Tierversuche durchfuumlhrbar zu machen

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschung gt Drittmittelprojekte gt Combiomics

Combiomics 2Auch die zweite Projektphase von Com-biomics wird vom BfR koordiniert Hier sollen erfolgreich getestete Methoden und Zelllinien in Form einer standardisierten In-vitro-Testbatterie validiert und in ein Standardverfahren integriert werden das auch kuumlnftigen regulatorischen Anforde-rungen entspricht Das dreijaumlhrige Projekt wird vom BMBF bis Ende 2019 gefoumlrdert

Mehr erfahren wwwfisaonlinede gt Kombinationseffekte Pestizide

on schon jetzt unternommen Am 1 Maumlrz 2017 erschien im Bundesanzeiger eine Be-kanntmachung dass Kumulations- und Synergieeffekte in der gesundheitlichen Be-wertung von Pflanzenschutzmitteln kuumlnf-tig durch das BfR beruumlcksichtigt werden Damit bezieht Deutschland bei der zonalen Zulassung von Pflanzenschutzmitteln eine systematische kumulative Bewertung ein

Ein Leitfaden zur kumulativen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln wurde am BfR erarbeitet basierend auf den internatio-nalen Diskussionen bei EFSA und ECHA und 2014 veroumlffentlicht Seitdem wird das Verfahren am BfR angewandt uumlberpruumlft und verfeinert Im Kern geht es darum in einem mehrstufigen Verfahren verschie-dene Wirkstoffe in einem Pflanzenschutz-mittel oder in einer beantragten Tankmi-

schung kumulativ zu bewerten (s Kasten) Dazu werden sowohl die Exposition der Anwenderinnen und Anwender als auch die akute Exposition der Verbraucherinnen und Verbraucher betrachtet sodass die am meisten exponierten Gruppen beruumlcksich-tigt sind

Das Ziel Mischungen weltweit harmonisiert zu bewerten

Die Einfuumlhrung der Konzepte zur kumu-lativen Bewertung von Pflanzenschutzmit-teln hat auch in anderen EU-Laumlndern Aus-wirkungen auf die Risikobewertung Wenn Deutschland im zonalen Zulassungsverfah-ren bewertender Mitgliedstaat ist wird das Verfahren grundsaumltzlich angewandt Aber auch in die Bewertungsberichte anderer Laumlnder flieszligt die kumulative Bewertung als

deutscher Kommentar mit ein Durch den fachlichen Austausch zwischen den Mit-gliedstaaten wurde das Konzept in den letz-ten Jahren einem Peer-Review unterzogen Um die Praxis europaweit noch besser zu harmonisieren werden derzeit auszligerdem internationale Workshops organisiert auf denen diskutiert wird wie Mischungen bei der Risikobewertung kuumlnftig beruumlcksichtigt werden sollen Das BfR veranstaltet einen solchen Workshop im November 2017 im Auftrag der Europaumlischen Kommission die Franzoumlsische Behoumlrde fuumlr gesundheitlichen Verbraucher- Umwelt- und Arbeitsschutz (ANSES) einen weiteren im Februar 2018 unter aktiver Beteiligung des BfR

Das Ziel Mischungen weltweit harmoni-siert zu bewerten um Mensch und Umwelt besser zu schuumltzen ruumlckt damit naumlher

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

33012017

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

bdquoZiel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertungldquo Interview mit Herrn Dr Roland Solecki uumlber die Forschungsaktivitaumlten des BfR zu Mehrfachruumlckstaumlnden

Herr Solecki bei Mehrfachruumlckstaumlnden von Pflanzenschutzmitteln sprechen die Medien oft von einem bdquoGiftcocktailldquo Haben Sie Erkenntnisse daruumlber wie groszlig das gesundheitliche Risiko tat-saumlchlich istDas BfR hat dazu gemeinsam mit dem Bun-desministerium fuumlr Ernaumlhrung und Land-wirtschaft und dem Bundesamt fuumlr Ver-braucherschutz und Lebensmittelsicherheit einen Bericht uumlber die kumulativen Wir-kungen von Pflanzenschutzmitteln veroumlf-fentlicht Dieser basiert auf einer Methodik der niederlaumlndischen Behoumlrde fuumlr Gesund-heit und Umweltschutz RIVM Hintergrund ist ein Monitoring das uumlber einen Zeitraum von sechs Jahren in Deutschland durchge-fuumlhrt wurde Darin wurde untersucht wel-che Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde durch-schnittlich uumlber Lebensmittel aufgenommen werden Das Ergebnis war dass auch unter Worst-Case-Annahmen fuumlr die Mischungen von Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnden ein gesundheitliches Risiko unwahrscheinlich ist Die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit EFSA kam in ihrem Monito-ring-Bericht von 2015 fuumlr Gesamteuropa zu einem aumlhnlichen Ergebnis

Sie arbeiten unter anderem bei dem Pro-jekt EuroMix mit Worum geht es dabeiEs handelt sich um ein groszliges Forschungs-projekt der EU-Kommission zur kumulati-ven Bewertung von Mischungen im Rahmen von Horizont 2020 dem Rahmenprogramm der Europaumlischen Union fuumlr Forschung und Innovation Das Projekt hat zum Ziel neue Bewertungsmethoden fuumlr Mischungseffekte zu erarbeiten besonders auch im Hinblick auf Alternativen zu Tierversuchen innovati-ve Wege der Expositionsschaumltzung und Mo-dellierung von kumulativen Risiken Dabei geht es nicht nur um Pflanzenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatzstoffe und andere Chemikalien

Wie ist das BfR da in EuroMix einge-bundenVom BfR arbeiten sowohl die Abteilung Sicherheit von Pestiziden als auch die Ab-teilung fuumlr Lebensmittelsicherheit am Eu-roMix-Projekt mit Waumlhrend die von mir geleitete Abteilung fuumlr die regulative Bewer-tung eingebunden ist werden in der Abtei-lung Lebensmittelsicherheit experimentelle Arbeiten unter anderem zur Lebertoxizitaumlt durchgefuumlhrt in denen auch Kombinatio-nen von Pestiziden mit anderen Lebensmit-telinhaltsstoffen gepruumlft werden

Woran forschen Sie im EuroMix-ProjektWir haben zunaumlchst recherchiert welche gesetzlichen Anforderungen bestehen und wie unterschiedliche Behoumlrden weltweit

Mischungseffekte bewerten Und wir haben Forschungen zu Mischungen durchgefuumlhrt die bestimmte adverse Effekte auf die Leber verursachen Dabei wurden bestimmte Schluumlsselelemente untersucht um daraus ein Konzept fuumlr die Bewertung zu erarbei-ten Jetzt werden die Omics-Untersuchun-gen und andere alternative Pruumlfverfahren noch durch Tierversuche ergaumlnzt sodass wir auch am Gesamtorganismus die Effek-te uumlberpruumlfen koumlnnen Gleichzeitig werden die statistischen Hilfsmittel und die ande-ren elektronisch basierten Tools weiterent-wickelt Auszligerdem folgen noch weitere Stu-dien zur Exposition Die finalen Ergebnisse liegen am Ende des Projekts im Jahr 2019 vor

In welche weiteren europaumlischen Aktivi-taumlten ist das BfR eingebundenDie EFSA hat bereits einige Ansaumltze zur Bewertung der kombinierten Exposition gegenuumlber mehreren Pestiziden und Kon-taminanten bei Menschen sowie mehreren Pestiziden bei Bienen entwickelt Derzeit ist die EFSA damit befasst neue Ansaumltze und Instrumente zur Harmonisierung der Be-wertung von Risiken fuumlr Mensch und Um-welt zu erarbeiten die von der Exposition gegenuumlber mehreren chemischen Stoffen in der Lebensmittelkette ausgehen Ich bin derzeit Mitglied einer Arbeitsgruppe von Sachverstaumlndigen die der Wissenschaftliche Ausschuss der EFSA eingerichtet hat um Leitlinien im Hinblick auf die kombinierte Exposition gegenuumlber mehreren chemi-schen Stoffen zu entwickeln Diese Initiative unter dem Namen bdquoMixToxldquo wird 2018 den Leitfaden in einer oumlffentlichen Konsultation diskutieren

Bei dieser Vielzahl an Aktivitaumlten Wel-ches Ziel haben Sie persoumlnlich vor Au-genDas Ziel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertung von Stoffen in der gesundheitlichen Risikocharakterisie-rung und deren harmonisierte Implemen-tierung in den gesetzlichen Verfahren Dies wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen

bdquoBei den kumulati-ven Risiken geht es nicht nur um Pflan-zenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatz-stoffe und andere Chemikalien

Dr Roland Solecki leitet die Abteilung bdquoSicherheit von Pestizidenldquo am BfR

copy B

fR

34 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

SPEKTRUM

Identifizierung endokriner Disruptoren Vom Grundsatz in die Praxis

Fuumlr Pestizid-Wirkstoffe und andere Chemikalien sind harmonisierte wissenschaftliche Kriterien erforderlich mit denen hormonschaumldigende Substanzen identifiziert werden koumlnnen Das BfR veroumlffentlichte hierzu bereits 2016 ein Konsenspapier als wissenschaftliche Grundlage fuumlr die darauffolgende Arbeit der EU-Behoumlrden Auf legislativer Ebene werden aktuell EU-weit geltende Ver-ordnungen festgelegt um auf wissenschaftlicher Ebene Leitlinien zur regulatorisch harmonisierten Umsetzung dieser Verordnungen zu erarbeiten Mit dieser Aufga-be hat die EU-Kommission die EFSA und die ECHA gemeinsam beauftragt Das BfR unterstuumltzt die Behoumlr-den mit wissenschaftlicher und technischer Expertise indem es die entsprechende Arbeitsgruppe bei der EFSA personell verstaumlrkt sowie Recherchen und Umfragen zur Praktikabilitaumlt von Untersuchungsmethoden durchfuumlhrt Die Publikation der Leitlinien wird fuumlr Fruumlhjahr 2018 erwartet Sie koumlnnen auf Basis der verabschiedeten Ver-ordnungen nach ihrer Implementierung in der Genehmi-gungspraxis angewendet werden

Mehr erfahren Solecki et al 2017 Scientific principles for the identification of endocrine-disrupting chemicals a consensus statement Arch Toxicol 91 1001ndash1006

Insekten-Stopp in Textilien Allergene Wirkung unwahrscheinlich

Das Risiko fuumlr eine Allergie nach dem Kontakt mit Kleidung und Produkten die mit dem Biozid Permethrin behandelt sind ist nach derzeitigem Kenntnisstand unwahrscheinlich Das ist das Ergebnis einer aktuellen Risikobewertung des BfR Gestuumltzt wird das Ergebnis dadurch dass trotz weitverbreiteter Anwendung des Wirkstoffs in Medikamenten und Verbraucherprodukten kein Anstieg der Kontaktallergien gegenuumlber Permethrin zu verzeichnen ist Das Risiko fuumlr kanzero-gene systemische Effekte infolge einer dermalen und oralen Exposition gegenuumlber Permethrin aus Textilien ist nach Ansicht des BfR vernachlaumlssigbar gering Permethrin ist ein biozider Wirkstoff der zum Schutz gegen Insekten in Produkten wie Schlafsaumlcken Picknick- und Yogadecken sowie Teppichen und Kleidung eingesetzt wird Er ist im Chemikalienrecht als sensibilisierend eingestuft ein moumlgliches geringes kanzerogenes Potenzial wird von verschiedenen wissenschaftlichen Gremien diskutiert Der Wirkstoff kann aus Textilien freigesetzt und uumlber die Haut aufgenommen werden Bei kleinen Kindern die viele Produkte in den Mund nehmen kommt eine moumlgliche orale Aufnah-me des Stoffes hinzu

Mehr erfahren Stellungnahme Nr 0062017 des BfR vom 25 April 2017

Wie wirkt Aluminium in Leber und Darm

Aluminium ist in Lebensmitteln Kosmetika und Bedarfsge-genstaumlnden enthalten und kann uumlber die Nahrung aufgenom-men werden Erste Ergebnisse aus dem deutsch-franzoumlsischen Forschungsprojekt bdquoSolNanoToxldquo mit Beteiligung des BfR zeigen dass sich aus der Nahrung aufgenommene Aluminiumverbin- dungen temporaumlr im Darm anreichern Ob und in welchen Men-gen die Partikel weiter in den Koumlrper insbesondere in die Leber gelangen und welche Faktoren ihre Wirkung beeinflussen wird aktuell erforscht Die Forschungsgruppe sieht Anhaltspunkte dafuumlr dass ein Teil der angereicherten Partikel mit dem Stuhl wieder ausgeschieden wird Fuumlr seine Untersuchung simulierte das BfR anhand biologischer Proben die Verdauung verschiede-ner Aluminiumarten vom Mund uumlber den Magen bis zum Darm Mithilfe von Enzymen und Salzen wurden dabei physiologische Parameter wie der pH-Wert gesteuert Waumlhrend des simulierten Verdauungsprozesses veraumlnderten die Aluminiumverbindungen ihre chemische Reaktionsfaumlhigkeit und Loumlslichkeit Die Erkennt-nisse sind ein erster Schritt um den Prozess der Aufnahme Resorption und Verteilung von Aluminium im Koumlrper besser zu verstehen und daraus Daten fuumlr die Risikobewertung abzuleiten Aluminiumverbindungen koumlnnen in zu hohen Dosen toxisch auf das Nervensystem und ungeborenes Leben wirken sowie die Fruchtbarkeit und Knochenentwicklung beeinflussen

copy B

fR

copy c

gsto

cks

hutte

rsto

ckc

om

copy R

osel

ynne

shu

tters

tock

com

35012017

Bei Kleidung ist besonders der Einsatz von Silber-Nanopartikeln weit verbreitet Silber wirkt antibakteriell und soll die Geruchs-bildung durch Schwitzen reduzieren Beim Einsatz von Nanosilber in Kleidungsstuuml-cken ist in erster Linie eine Freisetzung in Schweiszlig und somit ein moumlglicher Hautkon-takt relevant Neben der Frage ob und in welcher Menge Silber prinzipiell aus Texti-lien herausgeloumlst wird beschaumlftigt sich die Forschung mit der Frage welchen Einfluss die Technologie hat mit der Nanosilber auf Textilien aufgetragen bzw eingebracht wird Bisher war zudem unklar inwiefern die Oberflaumlchenbeschichtung der Nano-partikel die Abgabe beeinflusst

Kuumlnstlicher Schweiszlig simuliert Freisetzung

In einem Forschungsprojekt pruumlfte das BfR neun Proben von Textilien die mit Nanosil-ber veredelt waren Als Vergleich diente ein mit konventionellem Silber (hier Silbersalz mit einem Partikeldurchmesser groumlszliger als 100 Nanometer) ausgeruumlstetes Textil Zwei der Textilien waren sogenannte Komposite bei denen Nanosilber in die Faser integriert ist Bei den anderen getesteten Textilien war die Faseroberflaumlche mit Silber-Nano-partikeln bzw in einem Fall mit konventio-nellem Silber beschichtet (Textil-Coating) Um die Abgabe von Silber durch Schwitzen

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

Kleidung wird durch sie wasser- und schmutzabweisend sie blocken UV-Strahlen und mindern Geruumlche Nanoma-terialien haben beliebte funktionelle Eigenschaften Ob sie aufgrund ihrer Winzigkeit gesundheitliche Risiken bergen ist indes noch weitgehend unbekannt In einem Forschungsprojekt uumlber Nanosilber hat das BfR ermittelt ob sich die Kleinstteilchen aus Textilien herausloumlsen und damit zum gesundheitlichen Risiko werden koumlnnen

Nanomaterial

ist ein natuumlrliches bei Prozessen anfallendes oder kuumlnstlich hergestelltes Material das Partikel in ungebundenem Zustand als Aggregat oder als Agglo-merat enthaumllt und bei dem die Mehrheit der Partikel ein oder mehrere Auszligen-maszlige im Bereich unter 100 Nanometer hat In Nanogroumlszlige kann ein Stoff andere Eigenschaften besitzen als wenn er in Form groumlszligerer Partikel vorliegt

copy o

still

shu

tters

tock

com

36 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von Textilfasern Links Nanokomposit bei dem kaum Silberpartikel an der Faseroberflaumlche zu finden sind Mitte und rechts Textilien mit Silbercoating hier befindet sich insgesamt mehr Silber auf der Oberflaumlche

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

zu simulieren wurden die Textilien fuumlr 24 Stunden in einer Schweiszligsimulanz-Louml-sung inkubiert Fuumlr die Auswertung wurde zunaumlchst der gesamte Silbergehalt in den Schweiszligloumlsungen mit massenspektromet-rischen Messmethoden bestimmt In den Proben in denen Silber vorhanden war wurden anschlieszligend mit Zentrifugation und einer speziellen Methode zum Messen von Einzelpartikeln geloumlstes und partikulauml-res Silber unterschieden Im letzten Schritt wurden die Partikelgroumlszligen des vorgefun-denen partikulaumlren Silbers gemessen um nanoskaliges Silber zu identifizieren

Silber aus Kleidung freigesetzt

Die Untersuchung des BfR zeigte dass von jeder Textilprobe Silber in die Schweiszligsi-mulanz-Loumlsung uumlberging je nach geteste-tem Textil zwischen 7 und 75 Prozent des originaumlr in den Textilien enthaltenen Sil-bers Dabei setzten die beschichteten Tex-tilien mehr Silber frei als die Komposite Den houmlchsten abgegebenen Anteil fand das BfR bei dem mit konventionellem Silber beschichteten Textil Die Freisetzung wird demnach staumlrker durch die Technologie der Veredelung bestimmt als durch die im Tex-til enthaltene Menge Auszligerdem scheint die Abgaberate von Silber aus Nanosilber im Vergleich zu konventionellem Silber nicht erhoumlht zu sein

In der Schweiszligloumlsung lag das freigesetzte Silber uumlberwiegend geloumlst vor Partikulaumlres Silber fand sich nur zum geringeren Teil dann jedoch auch im Nanometerbereich Ob es sich dabei um einzelne Nanoparti-kel handelt oder ob das Silber an groumlszligere Partikel gebunden ist muss in weiteren Untersuchungen uumlberpruumlft werden Nach

derzeitigem wissenschaftlichem Kennt-nisstand geht man davon aus dass sich Nanopartikel im Koumlrper anders verhalten als groumlszligere Partikel Uumlberraschenderweise detektierte die Forschungsgruppe auch in den Schweiszligsimulanzien der mit konven-tionellem Silber beschichteten Textilien partikulaumlres Silber in Nanogroumlszlige Das Vor-kommen von Silberpartikeln scheint also nicht davon abhaumlngig zu sein ob das Silber in Nano- oder konventioneller Form auf das Textil aufgebracht wurde

In einer parallelen Untersuchung fanden die Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler heraus dass zudem die Beschaffenheit der Nanopartikel beispielsweise in Form einer speziellen Beschichtung ihre Loumlslichkeit in der Schweiszligloumlsung beeinflusst

Art der Beschichtung relevant

Silber wird demnach aus Textilien freige-setzt in geringen Teilen sogar in partiku- laumlrer Form Die gewaumlhlte Form der Tex-tilfunktionalisierung aber auch die Be-schaffenheit der Nanopartikel stellen dabei wichtige Kriterien fuumlr das Freisetzungsver-halten dar Solche Erkenntnisse sind vor al-lem fuumlr den sicheren Einsatz von Nanoma-terialien in Alltagsprodukten wichtig weil die Exposition des Menschen gegenuumlber derartigen Stoffen moumlglichst klein gehalten werden sollte Auszligerdem geben sie Hin-weise in welcher Anwendungsform Nano-materialien im verbrauchernahen Bereich sicher eingesetzt werden koumlnnen

Mehr erfahren Wagener et al 2016 Textile Functionalization and Its Effects on the Release of Silver Nanoparticles into Artificial Sweat Environ Sci Technol 50 11 5927ndash5934

Per Flugzeitmassenspek-trometer laumlsst sich Silber auf beschichteten Textil-fasern detektieren

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

NANOPARTIKEL

37012017

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

38 BfR 2 GO

Neuer Ansatz fuumlr Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

Spiegelbild gesucht

Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR zeigt einen neuen Ansatz um mithilfe von Genexpressionsdaten das geeignete Tiermodell fuumlr die Grundlagenforschung oder fuumlr spezifische klinische Fra-gestellungen zu identifizieren Damit koumlnnen zukuumlnftig unnoumltige Tierversu-che vermieden werden Hamburger Wissenschaftsbehoumlrden wuumlrdigten die Erkenntnisse mit einem Forschungspreis

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

39012017

Fragestellung

Vergleich

Auswahl

z B bdquoMit welchem Mausmodell koumlnnen die Ursachen von Alzheimer erforscht werdenldquo

Vergleich von vorhandenen Omics-Expressionsdaten von Mensch und Tier

Auswahl des geeigneten Modells

1

2

3

Geeignete Tiermodelle identifizieren

An Tiermodellen werden zahlreiche biologische Prozesse und Krankheiten wie Wund-

heilung Diabetes Tumoren oder entzuumlndliche Erkrankungen erforscht Durch den

Vergleich der Omics-Expressionsdaten von Tiermodell und Mensch koumlnnen geeignete

Modelle fuumlr die jeweilige Fragestellung identifiziert werden

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

40 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Verlaumluft ein entzuumlndlicher Prozess bei Maumlusen aumlhnlich wie beim Menschen Sind Maumluse daher geeignete Ver-

suchstiere fuumlr Tests von antientzuumlndlichen Substanzen Um Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung in den klinischen Alltag zu uumlberfuumlhren ndash Aufgabengebiet der translationalen Forschung ndash werden wissen-schaftliche Fragestellungen oft in Tierversu-chen erprobt Ob und inwieweit die Ergeb-nisse auf den Menschen uumlbertragbar sind ist dabei immer wieder Gegenstand kontrover-ser Diskussionen Geeignete Methoden mit denen die Wissenschaft Tiermodelle mit op-timaler Uumlbertragbarkeit auf den Menschen auswaumlhlen kann wuumlrden dem wissenschaft-lichen Fortschritt helfen und die Zahl der Tierversuche reduzieren Es geht dabei um die Frage welches Tiermodell am besten das menschliche System widerspiegelt

Vergleichbarkeit von Genom- daten fehleranfaumlllig

Als Grundlage fuumlr diese Uumlberlegungen die-nen Daten aus modernen bioanalytischen Hochdurchsatzverfahren Immer haumlufiger setzt die Wissenschaft auf diese sogenannten Omics-Technologien die die Gesamtheit aller Gene und ihrer Produkte analysieren ndash sowohl beim Tier als auch beim Menschen Mit ihnen lassen sich molekulare Prozesse in lebenden Systemen umfassend darstel-len indem sie beispielsweise die Interaktion hunderter bis tausender Genprodukte zei-gen Die Analyse dieser zunehmend kom-plexen Omics-Datensaumltze stellt die Wissen-schaft jedoch vor Probleme da das Vorgehen dazu nicht standardisiert ist Die Interpreta-tion der Ergebnisse ist bisher meist von der Kompetenz der Durchfuumlhrenden und von der angewandten Methode abhaumlngig Im Ergebnis war die Entscheidung zur Frage der Uumlbertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen fehleranfaumlllig und die Suche nach

geeigneten Tiermodellen erschwert Die ge-ringe Standardisierung der Interpretation von Omics-Daten fuumlhrte in Forschungs-kreisen bereits zu widerspruumlchlichen Er-gebnissen so zum Beispiel bei zwei Studien aus den Jahren 2013 und 2015 die sich mit der Vergleichbarkeit von entzuumlndlichen Er-krankungen beim Menschen und gaumlngigen Mausmodellen beschaumlftigten Waumlhrend eine Forschungsgruppe im Jahr 2013 schlussfol-gerte dass entzuumlndliche Prozesse zwischen Mensch und Maus nicht vergleichbar seien kam eine andere Gruppe zwei Jahre spaumlter anhand der gleichen Omics-Daten zum ge-genteiligen Schluss Die Maus reagiere auf der molekularen Ebene sehr aumlhnlich wie der Mensch und sei daher als Tiermodell sehr nuumltzlich fuumlr die Erforschung menschlicher Erkrankungen Zwar ist es nicht ungewoumlhn-lich dass Ergebnisse von Studien unter-schiedlich eingeschaumltzt werden ndash allerdings selten auf Basis der gleichen Daten

Motivation des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR war es diese Widerspruumlche aufzuklaumlren und einen standardisierten und zielgerichteten Analyseansatz zu entwickeln der die Suche nach geeigneten Tiermodellen vereinfacht und somit unnoumltige Tierversuche vermei-den hilft Es gehoumlrt zu den Kernaufgaben des Bf3R bundesweit alle Aktivitaumlten zu koordi-nieren mit den Zielen Tierversuche auf das unerlaumlssliche Maszlig zu beschraumlnken und fuumlr Versuchstiere den bestmoumlglichen Schutz zu gewaumlhrleisten Die Aufgaben des Bf3R wer-den vom BfR wahrgenommen

Genomdaten von Tier und Mensch gezielt vergleichen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler des Bf3R haben die Omics-Daten aus den beiden erwaumlhnten widerspruumlchlichen Studien mithilfe hochperformanter Com-

puter nochmals systematisch ausgewertet Dabei wurden zunaumlchst die zu verglei-chenden Gene gruppenweise biologischen Prozessen zugeordnet die wesentlich fuumlr ein Entzuumlndungsgeschehen sind Diese Gene Set Enrichment Analysis (GSEA) ge-nannte Methode greift auf umfangreiche in oumlffentlichen Datenbanken hinterlegte Genomdaten gaumlngiger Tiermodelle und von Erkrankten zuruumlck Mit ihrer Heran-gehensweise konnten die Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler des BfR an-schlieszligend Veraumlnderungen auf der Ebene pathologischer Signalwege erkennen und Unterschiede zwischen Tiermodell und Mensch identifizieren Da der Groszligteil der untersuchten Genprodukte haumlufig nur geringfuumlgig veraumlndert war konnten bei der Analyse auf Ebene vollstaumlndiger bio-logischer Signalwege alle Gene einbezogen und Aumlnderungen in der Gesamtheit eines biologischen Signalwegs bewertet werden Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu bisherigen Analyseansaumltzen da fuumlr die Klauml-rung translationaler Fragestellungen bisher haumlufig willkuumlrlich und subjektiv Gene von Mensch und Tiermodell fuumlr einen direkten Eins-zu-eins-Vergleich ausgewaumlhlt wurden

Die systematische Auswertung des Bf3R zeigte dass die Ergebnisse beim vorlie-genden Genomdatenvergleich bei einigen Mausmodellen gut mit den beim Menschen ermittelten Daten uumlbereinstimmten Bei an-deren Mausmodellen hingegen war es nicht so So aumlhnelt das Entzuumlndungsgeschehen bei Maumlusen die mit Staphylococcus aureus (Staphylococcus-aureus-Injektionsmodell) infiziert sind oder eine Darmperforation (Cecal-ligation-and-puncture-Modell) erfah-ren den meisten klinischen Proben Hin-gegen verlaufen Erkrankungen die durch Lipopolysaccharide (LPS) und Streptococcus pneumoniae verursacht werden bei Mensch und Maus verschieden

Omics

Der Terminus beschreibt Methoden zur

Analyse komplexer biologischer Proben

auf der Ebene des gesamten Genoms

von Transkripten Proteinen oder Meta-

boliten

41012017

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

Forschungsansatz hilft Tierversuche zu reduzieren

Die Methode der Datenanalyse mittels GSEA-Ansatz erleichtert es Forschungs-gruppen zukuumlnftig zielgerichtet und stan-dardisiert das optimale Tiermodell aus-zuwaumlhlen das am besten die menschliche Situation abbildet Voraussetzung dafuumlr ist die Existenz von Omics-Daten zur klini-schen Fragestellung sowie zu den infrage kommenden Tierversuchen Dies ist bereits fuumlr eine Vielzahl von Tiermodellen sowie von humanen Erkrankungen der Fall neben Entzuumlndungserkrankungen beispielsweise fuumlr Herz-Kreislauf-Erkrankungen Krebser-krankungen Atemwegserkrankungen Stoff-wechselerkrankungen und neurologische Erkrankungen Aufgrund der vermehrten Verwendung von Omics-Methoden kann davon ausgegangen werden dass stetig wei-tere systembiologische Daten ermittelt und veroumlffentlicht werden Die vom Bf3R ange-wandte Methode wird daher weiterhin bei der gezielten Auswahl von Tiermodellen nuumltzlich sein

Das Verfahren kann in der Grundlagen-forschung sowie in der translationalen und angewandten Forschung eingesetzt werden Diese Bereiche machten 2015 nach Anga-ben des Bundesministeriums fuumlr Ernaumlh-rung und Landwirtschaft mit insgesamt 73 Prozent den groumlszligten Teil der Tierversuche aus Ein Groszligteil davon entfaumlllt auf Maumluse Ratten und zunehmend auch auf Fische Grundsaumltzlich kann die neue Methode zur Auswahl des geeigneten Versuchstiermo-dells bzw zum Ausschluss nicht geeigneter Versuchstiermodelle bei jeglichen Tierver-suchen in diesen Bereichen genutzt werden Analog zu den Versuchstierzahlen liegen derzeit die meisten Omics-Daten fuumlr Maus und Ratte vor So sind beispielsweise allein in der oumlffentlichen NCBI GEO-Datenbank (National Center for Biotechnology Informa-tion Gene Expression Omnibus) derzeit Da-ten zu ca 340000 Maus-Proben und 75000 Ratte-Proben gelistet

Methode identifiziert geeignete Zellkulturmodelle

Dabei ist die Methode des Bf3R nicht auf humane und murine Datensaumltze beschraumlnkt sondern kann auf alle weiteren Spezies an-gewandt werden fuumlr die umfangreiche Da-tenbanken zu biologischen Signalwegen oder Gengruppen vorliegen Auch fuumlr die Beurteilung von zellbasierten Alternativ-methoden kann der neue Forschungsansatz

herangezogen werden Durch einen system-biologischen Abgleich der klinischen Daten mit Omics-Daten aus beispielsweise neuar-tigen 3D-Zellkulturen oder organaumlhnlichen Mikrostrukturen wird die Charakterisierung und Verifizierung von zellbasierten Alterna-tivmethoden ermoumlglicht

Praumlmierte Forschungsleistung

Fuumlr ihre Forschung erhielten die Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR 2016 den Hamburger Forschungspreis zur Foumlrderung der Entwicklung von Ersatz- und

Ergaumlnzungsmethoden Die Auszeichnung wurde zum erstem Mal von den Hamburger Behoumlrden fuumlr Gesundheit und Verbraucher-schutz sowie fuumlr Wissenschaft Forschung und Gleichstellung mit einem Foumlrderpreis in Houmlhe von 20000 Euro ausgeschrieben Der Preis wird fuumlr Arbeiten vergeben die einen Beitrag leisten Tierversuche zu ersetzen oder zu minimieren

Mehr erfahrenWeidner et al 2016 Defining the optimal animal model for translational research using gene set enrichment analysis EMBO Molecular Medicine 8 8 831ndash838

Wofuumlr Versuchstiere in Deutschland eingesetzt werden

630255Herstellung und Qualitaumlts-kontrolle medizinischer Produkte toxikologische Sicherheitspruumlfungen

22

59

14 5

1643259Grundlagenforschung

144997sonstige Zweckez B Zucht Aus- und Weiterbildung

381450translationale und angewandte Forschung

Que

lle B

unde

smin

iste

rium

fuumlr E

rnaumlh

rung

und

Lan

dwirt

scha

ft V

ersu

chst

ierz

ahle

n 20

15

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

42 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Alternativen zu Tierversuchen Forschung regional buumlndeln

Eine individualisierte Schmerztherapie fuumlr Versuchsmaumluse und eine Verringerung von Tierexperimenten zum Test der Inhala- tionstoxizitaumlt von Nanomaterialien (siehe rechte Spalte) ndash hierzu sollen die ersten Arbeitsergebnisse des BfR im Berlin-Bran-denburgischen Verbundprojekt BB3R zukuumlnftig beitragen Das Netzwerk aus Universitaumlten und Bundesinstitutionen forscht um Tierversuche zu vermeiden (Replacement) bzw zu verringern (Reduction) sowie das Leiden von Versuchstieren zu vermindern (Refinement) Das BfR ist als einer von sechs Verbundpartnern in den Bereichen der Refinement- und Replacement-Forschung beteiligt Das Bundesforschungsministerium foumlrdert das mit BB3R abgekuumlrzte Projekt fuumlr vier Jahre bis Fruumlhjahr 2018 es ist als Plattform fuumlr den wissenschaftlichen Austausch konzipiert und integriert ein Graduiertenkolleg

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschungwwwbb3rde

Belastung von Laborfischen erkennen

Koumlrperbau

Koumlrpermerkmale

Verhaltenkreisendes Schwimmen

Belastung von Laborfischen erkennen

Ob Laborfische Schmerzen empfinden oder leiden laumlsst sich mithilfe konkreter Kriterien beurteilen Die Vorarbeiten hierzu koordinierte der bdquoNationale Ausschuss zumSchutz von fuumlr wissenschaftliche Zweckeverwendeten Tierenldquo am BfR gemeinsam mit externen Sachverstaumlndigen und Beauf-tragten von Genehmigungsbehoumlrden Die erstmals definierten Kriterien bewerten unter anderem Auffaumllligkeiten im Koumlrper-bau sowie im Verhalten der Tiere Schmer-zen und Leiden koumlnnen so gezielt behandelt und gelindert werden Da die Frage der Belastung der Tiere anhand der Kriterien eindeutig geklaumlrt werden kann dienen sie zudem als Entscheidungshilfe fuumlr Behoumlr-den welche die Zucht belasteter genetisch veraumlnderter Tiere genehmigen muumlssen Fische insbesondere Zebrafische sind nach Maumlusen und Ratten die am dritthaumlufigsten verwendete Versuchstierart Die Zahl der Versuchsfische hat in den letzten Jahren stetig zugenommen

Mehr erfahren Bert et al 2016 Considerations for aEuropean animal welfare standard toevaluate adverse phenotypes in teleost fish EMBO J 35 11 1151ndash1154Empfehlung des Nationalen Ausschusses TierSchG Nr 0012015

Test der Inhalationstoxizitaumlt von Nanomaterialien

Die Einatmung gilt als wichtigster Aufnahmeweg fuumlr Nanomaterialien Im Rahmen der BB3R-Forschung bildet das BfR diese Art der Exposition mit In-vitro- Atemwegsepithelmodellen an ihrer Grenzflaumlche zur Luft ab Dieser Ansatz zum Test der Inhalationstoxi-zitaumlt hilft Anzahl und Umfang von Tierversuchen zu verringern

Versuchsaufbau Drei Roumlhrchen leiten ein Testaerosol mit luftgetragenen Nanomaterialien auf Epithelzellen

SPEKTRUM

copy B

fR

43012017

Jubilaumlumsfeier und internationales Symposium

Am 29 November 2017 feiert das BfR sein 15-jaumlh-riges Bestehen mit einem Festakt Geplant ist eine Feier mit ausgewaumlhlten Gaumlsten in der Akademie der Kuumlnste Anschlieszligend findet vom 30 Novem-ber bis zum 01 Dezember 2017 das gemeinsame internationale Symposium des BfR und seiner Schwesterinstitutionen aus Daumlnemark (DTU Food) und Frankreich (ANSES) sowie der suumldko-reanischen Behoumlrde fuumlr Lebens- und Arzneimittel-sicherheit (NIFDS) statt Unter dem Motto bdquoPast Present and Future Challenges in Risk Assessment ndash Strengthening Consumer Health Protectionldquo werden die letzten anderthalb Jahrzehnte Risikobewer-tung betrachtet Daruumlber hinaus werden aktuelle Aktivitaumlten sowie zukuumlnftige Herausforderungen des Verbraucherschutzes wie mikrobiologische Erreger chemische Substanzen Methoden und Harmonisierung auf nationaler wie internationa-ler Ebene diskutiert

VERANSTALTUNGEN

Nachwuchs foumlrdern

Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu foumlr-dern baut das BfR wissenschaftliche Nachwuchs-gruppen zu bestimmten Schwerpunktthemen auf Die bereits 2015 eingerichtete Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Warenketteldquo wird im Herbst 2017 durch einen weiteren Dokto-randen verstaumlrkt

Verstaumlrkung im Versuchstierschutz

Seit dem 1 April 2017 staumlrkt die Berufung von Herrn Universitaumltsprofessor Dr Lars Lewejo-hann den Kompetenzbereich bdquoVerminderung der Belastung und Verbesserung der Lebenssitua-tionldquo des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) Neben der Leitung der Fachgruppe bdquoTierschutz und Versuchstierkundeldquo im BfR wird Lars Lewejohann sein Wissen und neue Erkenntnisse als Hochschullehrer fuumlr bdquoTier-schutz mit dem Schwerpunkt Refinementldquo an der veterinaumlrmedizinischen Fakultaumlt der Freien Universitaumlt Berlin an Studierende und Doktoran-den weitergeben

PERSONALIEN

Alternativmethode zum Tierversuch bdquoKnochen-auf-dem-Chipldquo

Im Mai 2017 fand bei der Gemeinsamen For-schungsstelle (GFS)Joint Research Centre (JRC) der Generaldirektion (Directorate General) der Europaumlischen Kommission eine Summer School zu alternativen Ansaumltzen zum Tierversuch fuumlr die Risikobewertung in Ispra (Italien) statt Dort wurde Herr Dr Ing Frank Schulze aus der BfR-Fachgruppe bdquoZEBET ndash Alternativmethoden zu Tierversuchenldquo fuumlr seine Praumlsentation und das dazugehoumlrige Poster zum Thema bdquoEin Knochen-auf-dem-Chip fuumlr die Grundlagenwissenschaft und die Identifizierung von knochenschaumldigen-den Substanzenldquo mit einem Posterpreis (1 Platz) ausgezeichnet

copy B

fR

copy p

rivat

INSTITUTSLEBEN

44 BfR 2 GO

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

SCHWERPUNKT AUTHENTIZITAumlT

Lebensmittelfaumllschernauf der SpurGestreckt gepanscht gefaumllscht ndash Lebensmittelbetrug ist ein globales Problem Das BfR erforscht wie Verfahren zum Nachweis der Authen-tizitaumlt von Lebensmitteln harmonisiert werden koumlnnen Dabei schluumlp-fen die Forscherinnen und Forscher am BfR auch selbst in die Rolle der Lebensmittelfaumllscher

Kommt er aus dem Allgaumlu

Wurde eskaltgepresst

copy O

ben

Cop

rids

hutte

rsto

ckc

om U

nten

Ale

nKad

rshu

tters

tock

com

7012017

Ein Bildschirm ein Rechner ein Infra-rotspektrometer und viele kleine Pro-bengefaumlszlige gefuumlllt mit Fett extrahiert

aus Hartkaumlse Allgaumluer Emmentaler Ein Laborant entnimmt eine stecknadelkopf-groszlige Fettprobe und bringt sie auf das Ana-lysegeraumlt auf Sekunden spaumlter erscheint auf dem Bildschirm eine Wellenlinie aus 1800 Datenpunkten das Spektrum der Kaumlse-fettprobe Ein zweites Labor eine weitere Analyse Roumlhrchen fuumlr Roumlhrchen holt sich ein Greifarm Allgaumluer-Emmentaler-Proben und bringt sie in das starke Magnetfeld ei-nes Kernspinresonanz-Spektrometers ein Die Messung erzeugt bis zu 130000 Da-tenpunkte die fuumlr die jeweilige Kaumlseprobe charakteristisch sind Ein drittes Labor eine dritte Messmethode Mit der Isotopen-verhaumlltnis-Massenspektrometrie wird hier die Herkunft der Hartkaumlse-Proben be-stimmt Insgesamt sollen 150 bis 200 Pro-ben beschafft und analysiert werden bdquoAlle Daten werden aufgearbeitet und flieszligen in eine Auswertungs-Software die fuumlr jede Methode ein charakteristisches Datenspek-trum ndash den authentischen Fingerabdruck von Allgaumluer Emmentaler ndash berechnetldquo so Dr Susanne Esslinger Sie koordiniert die Versuche zum Authentizitaumltsnachweis von Allgaumluer Emmentaler

Die Suche nach dem Fingerabdruck

In den BfR-Laboren arbeiten Wissenschaft-lerinnen und Wissenschaftler daran den typischen unverwechselbaren Fingerab-

druck von verschiedenen Lebens- und Futtermitteln darunter Wein Spirituosen Kraumluter und Gewuumlrze Hartkaumlse Speiseoumlle und Mais zu finden Ihr Ziel ist es die Echtheit dieser Produkte bzw Abweichun-gen und somit Verfaumllschungen erkennen zu koumlnnen Ist dies gelungen wird Lebens-mittelfaumllschung erschwert Die Vergabe des EU-Guumltezeichens bdquoGeschuumltzte Ursprungs-bezeichnungldquo garantiert dass fuumlr die spe-zielle Produktbezeichnung bdquoAllgaumluer Em-mentalerldquo die Erzeugung Verarbeitung und Herstellung tatsaumlchlich im Allgaumlu erfolgt sein muumlssen Was nuumltzt das Guumlte-zeichen aber wenn es keine Methoden gibt um Original und Faumllschung zu unterschei-den Das BfR hat daher eine Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Waren-ketteldquo eingerichtet um die Forschung und interdisziplinaumlre Vernetzung zur Standar-disierung von Datenerhebungen zum Au-thentizitaumltsnachweis zu staumlrken

Das BfR beteiligt sich an mehreren natio-nalen und internationalen Verbundprojek-ten um neuartige Ansaumltze und Strategien fuumlr den Nachweis von Lebensmittel- und Futtermittelverfaumllschungen zu entwickeln mit denen derartige Praktiken weltweit besser aufgedeckt werden koumlnnen Die Schwerpunkte der BfR-Forschung zu die-sem Thema sind die Herkunftsbestimmung und Identifizierung unbekannter Zusaumltze mittels zielgerichteter sowie nicht zielge-richteter Analytik in Kombination mit sta-tistischen Verfahren und Fragen zur Daten-aufbereitung und -interpretation

Nicht zielgerichtete Analytik

Eine Herausforderung bei der Suche nach dem analytischen Charakteristikum von Lebensmitteln ist die natuumlrliche Variation von Inhaltsstoffen bdquoDeswegen muss erst einmal eine Vielzahl von unverfaumllschten Proben genommen werden um charak-teristische Merkmale in den Datensaumltzen zu findenldquo erklaumlrt Dr Carsten Fauhl-Has-sek der im BfR verschiedene Forschungs-projekte zur Authentizitaumltspruumlfung von Lebens- und Futtermitteln leitet bdquoUnsere Ergebnisse zeigen dass die Idee des unver-wechselbaren Fingerabdrucks von Lebens-mitteln funktioniertldquo Das BfR hat bereits

Die Vorbereitung der Kaumlseproben fuumlr die Untersuchung beinhaltet die Homogenisierung mit fluumlssigem Stickstoff

bdquoSehr deutlich sind die Datenpunkte zu erkennen die sich auszligerhalb des Normbereichs ndash der Bande ndash be-wegen Faumlllt ein Lebensmittel aus diesem Raster ist es verdaumlchtig

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

SCHWERPUNKTTHEMA AUTHENTIZITAumlT

8 BfR 2 GO

den physikalisch-chemischen Fingerab-druck verschiedener Weine Speiseoumlle oder juumlngst von Kraumlutern und Gewuumlrzen mittels Infrarot- und Kernspinresonanz-Spektro- skopie erfasst Das BfR-Labor wurde dafuumlr auch zur Faumllscherhoumlhle Kraumluter und Ge-wuumlrze sind mit unterschiedlichsten Zusaumlt-zen gemischt und deren aufbereitete Pro-ben ebenfalls mithilfe der Analysegeraumlte vermessen worden bdquoSehr deutlich sind die Datenpunkte zu erkennen die sich auszliger-halb des Normbereichs ndash der Bande ndash be-wegen Faumlllt ein Lebensmittel aus diesem Raster ist es verdaumlchtigldquo so Dr Fauhl-Has-sek So sehen die Spektren von z B mit Oli-venblaumlttern gestrecktem Oregano oder die von mit Sudanrot ndash eine Substanz die im Verdacht steht ein genotoxisches Kanzero-gen zu sein ndash gepanschtem Paprikapulver eindeutig anders aus

Die neuen Analyseverfahren mittels des charakteristischen Fingerabdrucks eines Lebensmittels ermoumlglichen somit eine flexible und schnelle Form der Echtheits-pruumlfung Statt gezielt nach gefaumllschten Produkten zu suchen steht hier der Au-thentizitaumltsnachweis im Fokus Diese neue Herangehensweise bezeichnet man auch als nicht zielgerichtete Analytik

Cloud der Fingerabdruumlcke

Zur perspektivischen routinemaumlszligigen An-wendung der nicht zielgerichteten Analytik fuumlr die Lebensmittelsicherheit muss aller-dings zunaumlchst eine gemeinsame Nutzung der Datenbanken fuumlr Referenz-Lebensmit-tel-Fingerabdruumlcke aller Akteure im Bereich Lebensmittelsicherheit ermoumlglicht werden Auch muss sichergestellt sein dass die Daten- erhebung sowie die anschlieszligende Analyse aller Nutzer vergleichbare Ergebnisse liefern

Das BfR arbeitet im Forschungsverbund an folgendem vereinfacht skizziertem Zu-kunftsszenario Zertifizierte amtliche und private Labore stellen ihre Lebensmit-tel-Fingerabdruumlcke uumlber eine Daten-Cloud bereit Hersteller Verarbeitungs- und Ver-edlungsbetriebe steuern die dazugehoumlrigen Produktinformationen bei Wenn Uumlber-wachungsbehoumlrden oder der Groszlig- und Einzelhandel Lebensmittelproben auf ihre Echtheit uumlberpruumlfen wollen vergleichen sie den Fingerabdruck ihrer eigenen Probe mit denen in der Fingerprint-Cloud Gibt es sig-nifikante Abweichungen ist das Lebensmit-tel zunaumlchst auffaumlllig und sollte weiter un-tersucht werden Noch sind viele technische und organisatorische Huumlrden zu nehmen

Das Prinzip bdquoNicht zielgerichteter Verfahrenldquo

Wavenumbers (cm-1)

Ab

sorb

anc

e

Paprikaproben Paprika dotiert mit Siliciumdioxid

Relevante Aspekte bei der Pruumlfung

Authentizitaumltspruumlfungen koumlnnen offizielle Produktbeschreibungen bestaumltigen oder betruumlgerische Aussagen nachweisen Relevante Aspekte dabei sind die Sub-stitution durch preiswertere aber aumlhnli-che Zusaumltze die Streckung mit fremdar-tigen Substanzen (z B Wasser Staumlrke) oder die Anwendung nicht gekenn-zeichneter oder unzulaumlssiger Verfahren wie Bestrahlung oder Extraktion die Bestaumltigung der geografischen Herkunft der botanischen oder zoologischen Spezies oder der Herstellungsprozesse wie bio konventionell oder gentechnisch veraumlndert sowie die Deklaration und Angaben zur Ruumlckverfolgbarkeit (Pro-duktkennzeichnung Prozessablaumlufe Chargenidentifikation)

Exogene Signale bei Verfaumllschung

copy M

Una

l Ozm

ens

hutte

rsto

ckc

om

LEBENSMITTELFAumlLSCHERN AUF DER SPUR

9012017

Eine stecknadelkopfgroszlige Kaumlsefettprobe wird auf das Analysegeraumlt aufgebracht Um charakteristische Merkmale in den Datensaumltzen zu finden muumlssen Dr Carsten Fauhl-Hassek (im Bild rechts oben) und sein Team eine Vielzahl solcher Proben nehmen und am Computer analysieren

bdquoErst muumlssen einheitliche Datenstandards verteilt operierende Systemloumlsungen und organisatorische Loumlsungsansaumltze zur Ge-waumlhrleistung der Datenintegritaumlt und -qua-litaumlt entwickelt werdenldquo erlaumlutert Matthias Filter bdquodamit diese Vision im Bereich Le-bensmittelsicherheit realisierbar istldquo Er ko-ordiniert am BfR die Arbeiten zum Schwer-punkt bdquoGlobale Warenkettenldquo

Vernetzte Referenzdatenbanken

Damit das Zukunftsszenario naumlher ruumlckt forschen Wissenschaftlerinnen und Wis-senschaftler am BfR zu der Entwicklung von mathematischen und statistischen Mo-dellen fuumlr die Datenauswertung und Har-monisierung von Datenaustauschformaten sowie zur harmonisierten Probennahme Dies sind wesentliche Voraussetzungen fuumlr den Aufbau und die Routineanwendung

von kollaborativen Referenzdatenbanken die uumlber die Cloud verfuumlgbar gemacht wer-den koumlnnen bdquoBislang verwendet jeder Her-steller von Spektrometern aber beispiels-weise noch eigene Datenformate sodass die Daten erst einmal dechiffriert werden muumlssen damit sie fuumlr alle Beteiligten ver-wendbar sindldquo sagt Filter

Bis solche Referenzdatenbanken der typi-schen chemisch-analytischen Profile von Lebensmitteln aufgebaut und fuumlr den flauml-chendeckenden Einsatz im Netzwerk aus Uumlberwachungsbehoumlrden Laboratorien so-wie Herstellern und Haumlndlern fertiggestellt sind dauert es nach Einschaumltzung der Exper-ten sicher noch 10 bis 15 Jahre Umso wichti-ger ist es jetzt die Weichen zu stellen

Mehr erfahrenwwwbfrbundde gt A-Z-Index Authentizitaumlt

Die Suche nach dem Fingerabdruck

Beim Aufbau von standardisierten Referenzdatenbanken kommen soge-nannte nicht zielgerichtete Verfahren zum Einsatz Dabei wird der physika-lisch-chemische Fingerabdruck von Lebensmitteln anhand spektromet-rischer undoder spektroskopischer Daten erhoben Dieser dient als Vergleichsstandard mit dem die Daten unbekannter Lebensmittelproben vergli-chen werden Abweichungen koumlnnen so leichter erkannt werden und Uumlber-wachungsbehoumlrden muumlssen nicht mehr gezielt nach bestimmten unerwuumlnsch-ten Substanzen suchen die oftmals noch gar nicht bekannt sind

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

10 BfR 2 GO

SCHWERPUNKTTHEMA AUTHENTIZITAumlT

Food Integrity EU-Konsortium gegen gefaumllschte Lebensmittel Das EU-Konsortium aus 38 Projektpartnern will strukturelle und methodische Voraus-setzungen schaffen um Verfaumllschungen fruumlhzeitig einheitlich erkennen zu koumlnnen Dazu sollen u a ein Netzwerk zwischen Be-houmlrden Industrie und Forschung aufgebaut Pruumlfprozesse harmonisiert und Wissensda-tenbanken erstellt werden Das Projekt laumluft bis Ende 2018

FoodAuthent Kollaborative Referenzdatenbanken fuumlr chemische Fingerabdruumlcke In dem dreijaumlhrigen Projekt werden Grundlagen fuumlr den Routineeinsatz von Fingerprinting-Analyseverfahren im Lebensmittelsektor und in der amtlichen Uumlberwachung geschaffen Zusammen mit den Projektpartnern entwickelt das BfR bis April 2019 gemeinschaftliche Fingerprin-ting-Datenbanken sowie Schnittstellen zu privatwirtschaftlich betriebenen Pro-duktinformationssystemen Exemplarisch erfolgt dies fuumlr Hartkaumlse Speiseoumlle und Spirituosen Die Daten sollen fuumlr die mit-wirkenden Akteure im Lebensmittelbereich frei zugaumlnglich sein

Original oder Faumllschung ndash Gemeinsam gegen Lebensmittelgaunerei

Das BfR beteiligt sich an Drittmittelprojekten um Herstellern und Uumlberwa-chungsbehoumlrden Methoden an die Hand zu geben mit denen schnell sicher und kosteneffizient die Echtheit eines Lebensmittels erkannt werden kann Einige werden hier vorgestellt

Animal-IDHerkunftsnachweis von tierischen Proteinen in Futter- und Lebens-mitteln Die Projektpartner kombinieren Massen- spektrometrie mit Verfahren zur Protein-anreicherung um Analysemethoden zur gewebespezifischen Herkunftsbestimmung von Futtermitteln zu entwickeln sowie Schnelltests auf Basis von proteinbasierten ELISA DipStick-Tests fuumlr die wichtigsten Tierarten in der Fleischproduktion wie Rind Schwein Pferd und Huhn Das BfR koordiniert das Vier-Jahres-Projekt (2016 bis 2019)

FoodRisk-Lab Softwareloumlsungen zur Unterstuumlt-zung der Bewertung von Risiken Das BfR entwickelt frei verfuumlgbare Soft-wareloumlsungen und Web-Dienste fuumlr die Bewertungsarbeit behoumlrdlicher Einrichtun-gen sowie fuumlr Wissenschaft und Forschung FoodChain-Lab unterstuumltzt z B die Ruumlckverfolgung von Futter- und Lebens-mitteln entlang der Warenketten und ermoumlglicht eine interaktive Analyse von Ausbruchsgeschehen Weitere Programme dienen der mathematischen Modellierung von Gefahren im Bereich der Futter- und Lebensmittelsicherheit

SPICEDSicherung der Gewuumlrz- und Kraumluterwarenketten Europas Gewuumlrze und Kraumluter werden sehr vielen Lebensmitteln zugesetzt Die Ergebnisse des Forschungsprojektes tragen dazu bei die Gewuumlrz- und Kraumluterwarenketten Euro-pas gegen natuumlrliche unabsichtliche und absichtliche biologische und chemische Ver-unreinigungen zu schuumltzen Das Projekt mit 11 Partnern aus sieben EU-Laumlndern wurde von 2013 bis 2016 im 7 Rahmenprogramm der EU gefoumlrdert und vom BfR koordiniert

11012017

FORSCHUNGSPROJEKTE

bdquoWir wollen Faumllschungen einen Riegel vorschiebenldquo

Professor Wittkowski welche Lebens- mittel werden uumlblicherweise verfaumllschtGefaumllscht wird uumlberall dort wo ein oumlkono-mischer Vorteil erzielt werden kann Pro-duktpiraterie kommt deswegen vor allem bei hochqualitativen und teuren Markenpro-dukten wie Olivenoumll Schafskaumlse Wein oder Spirituosen vor Ein uumlblicher Trick ist min-derwertige Zutaten als hochwertige zu ver-kaufen wie Shrimps als Garnelen Bei Pro-dukten bei denen die geografische Herkunft ein Qualitaumltsmerkmal ist wie Parma- oderSerrano-Schinken Irischer Whiskey oder Champagner wird versucht die Herkunft vorzutaumluschen

Koumlnnen Verbraucher denn noch der Le-bensmittelsicherheit vertrauen Glaubwuumlrdigkeit Vertrauen und Sicherheit sind eng miteinander verknuumlpft Menschen wollen einkaufen kochen essen und trin-ken gesund bleiben und es soll schmecken Sie wollen nicht wissen wie der Wein filt-riert oder bei welcher Temperatur der Kaf-fee geroumlstet wurde aber sie wollen darauf vertrauen dass die Angaben stimmen und dass diese Technologien sichere Lebens-mittel erzeugen Dies ist nur moumlglich weil es Standards fuumlr die Lebensmittelwirtschaft gibt und Uumlberwachungsbehoumlrden die Ein-haltung pruumlfen

Nur weil Parma-Schinken nicht aus Par-ma kommt stellt er doch noch kein Ge-sundheitsrisiko dar Geht es nicht viel-mehr um oumlkonomische Interessen der Hersteller Wissenschaftler koumlnnen zunaumlchst Normab-weichungen erkennen nicht aber die Mo-tivation von Verfaumllschern Zunaumlchst wird selbstverstaumlndlich eine Risikobewertung derartiger Befunde durchgefuumlhrt Anschlie-szligend kann man nach weiterer Uumlberpruumlfung und Ruumlckverfolgung der Lieferketten ent-scheiden ob es eine gezielte Verfaumllschung war oder nicht

Koumlnnen Sie ein Beispiel gebenStatt Rindfleisch wurde vor einigen Jahren in Lasagne Pferdefleisch nachgewiesen Im ersten Moment ein gesundheitlich unbe-denklicher Betrugsfall Pferdefleisch ist ein hochwertiges Lebensmittel Allerdings war nicht bekannt woher das Fleisch kam und ob es mit verbotenen undoder gesundheits-schaumldlichen Arzneimitteln belastet war Das wurde dann uumlberpruumlft und das Fleisch fuumlr unbedenklich erklaumlrt Oder Aufgrund des traditionellen Anbaus hatten Pistazien aus dem Iran eine Zeit lang erhoumlhte Mykoto-xingehalte und unterlagen daher strengen Auflagen bei der Einfuhr nach Europa Zur Umgehung dieser Auflagen traten Falsch-deklarationen der Herkunft auf Iranische Pistazien wurden als Pistazien aus Kaliforni-en in den Markt gebracht

Es geht also in erster Linie immer um Verbraucherschutz und nicht um Taumlu-schungs- oder Betrugsschutz Aus meiner Sicht ja Teilweise nehmen Faumllscher auch billigend in Kauf dass Men-schen zu Schaden kommen Mit Methanol gepanschter Alkohol oder mit Melamin gestrecktes Milchpulver sind Beispiele Die Verfaumllscher sind naumlmlich keine Toxikologen Die Frage ist also welche Methoden koumlnnen Behoumlrden bereitstellen um das Vertrauen in die Sicherheit der Lebensmittel zu erhalten

Das houmlrt sich an wie ein Wettlauf For-schung gegen Faumllschung Gibt es denn immer die richtige MethodeDas Gute an der Analytik ist dass man mit der richtigen Methode findet was man sucht Allerdings wissen wir nicht immer auf welche neuen betruumlgerischen Ideen Faumll-scher kommen Deswegen beteiligen wir uns in internationalen Forschungsvorhaben an der Entwicklung von Referenzdaten-banken mit dem typischen Fingerabdruck von Lebensmitteln Die sogenannte Finger-print-Analyse bietet die Moumlglichkeit nicht

nur Lebensmittel durch ihre Normabwei-chung als gefaumllscht zu identifizieren sondern auch bisher unbekannte Verfaumllschungen und gesundheitlich bedenkliche Manipulationen aufzudecken bevor die Ware in den Regalen steht

In der Praxis gibt es dazu doch sicher schon MaszlignahmenPrivate Analysefirmen haben sich bereits auf die Fingerprint-Methode fuumlr bestimmte Produkte spezialisiert und groszlige Datenban-ken angelegt Doch hier liegt ein Problem Jeder arbeitet mit seinen eigenen Daten Auch sind die Ergebnisse der Firmen nicht gerichtsfest weil die Datengrundlage nicht oumlffentlich ist Staatliche Institutionen ar-beiten dagegen mit transparenten und ver-gleichbaren Daten damit Beanstandungen gerichtsfest sind Deswegen muumlssen fuumlr ei-nen Erfolg der Fingerprint-Methoden die Messungen der verschiedenen Labore va-lidiert und die Datenbanken harmonisiert werden

bdquoUnser Allein- stellungsmerkmal ist dass wir Risikobewertung und Forschung betreiben

12 BfR 2 GO

SCHWERPUNKTTHEMA AUTHENTIZITAumlT

BfR-Vizepraumlsident Professor Dr Reiner Wittkowski setzt sich dafuumlr ein dass am BfR zu neuartigen Verfah-ren zur Authentifizierung von Lebensmitteln geforscht wird Als junger Lebensmittelchemiker hat er am Vorgaumlngerinstitut des BfR dem Bundesgesundheitsamt bereits fuumlr die Uumlberpruumlfung der Echtheit von Wein Methoden entwickelt etabliert und begonnen eine Fingerabdruck-Datenbank anzulegen

Was traumlgt das BfR zur Uumlberpruumlfung der Echtheit von Lebensmitteln bei Wir beteiligen uns seit Langem an allen maszliggeblichen EU-Forschungsvorhaben zur Authentizitaumltspruumlfung Unser Alleinstel-lungsmerkmal ist dass wir Risikobewertung und Forschung betreiben Das BfR hat an-ders als andere Bewertungsbehoumlrden eigene Laboratorien Wir haben deswegen einen sehr strengen Blick auf Bewertungsmetho-den und fragen wie sicher die Aussagekraft der Daten ist Das Kerngeschaumlft der 17 Re-ferenzlabore des BfR ist Methodenvali-dierungen durchzufuumlhren Auf nationaler Ebene arbeitet das BfR bereits eng mit der amtlichen Lebensmitteluumlberwachung der Bundeslaumlnder zusammen

Welchen konkreten Ansatz nutzt das BfRWir kombinieren Analytik und Daten-modellierung Das Institut hat eine lange Historie hinsichtlich des Nachweises der Echtheit von Lebensmitteln da auch in den Vorgaumlngerinstitutionen dazu geforscht wur-de In den 1990er-Jahren wurde hier eine der ersten Datenbanken zur Uumlberpruumlfung der Authentizitaumlt von Wein aufgebaut und wurden erstmals Kernresonanz-spektrosko-pische Verfahren in der Lebensmittel-Ana-lytik angewandt Die Expertise zum Thema Wein haben wir dann auf andere Lebens-mittel-Matrizes uumlbertragen Neben der Ana-lytik ist die Statistik unser zweiter Impetus Das BfR hat viel Erfahrung im Bereich der Datenanalyse fuumlr die Vor- und Ruumlckverfolg-barkeit von Lieferketten aufgebaut Mit der FoodChainLab-Software die im Rahmen der EHEC-Krise entwickelt wurde sind komplexe Datenmodellierungen moumlglich

Was sind die naumlchsten SchritteWir haben bereits ein nationales Kompe-tenznetzwerk zwischen Bundesbehoumlrden Landesuntersuchungsaumlmtern Universitaumlten und Forschungseinrichtungen etabliert und wir bringen das Thema weltweit voran Das BfR hat im November 2016 ein Symposium organisiert auf dem rund 100 Fachleute aus Deutschland Europa Nordamerika Afrika Asien und Neuseeland uumlber die Herausfor-derungen der Standardisierung diskutierten Aus meiner Sicht sollte unbedingt ein euro-paumlisches Referenzlabor eingerichtet werden ndash die EU-Kommission erwaumlgt dies bereits ndash um in Europa ein harmonisiertes System der angewendeten Methoden und der Datener-fassung fuumlr die Authentizitaumltspruumlfung von Lebensmitteln zu etablieren Nur das ist ziel-fuumlhrend wenn wir Faumllschungen global einen Riegel vorschieben wollen

copy B

fR

13012017

INTERVIEW MIT PROFESSOR DR REINER WITTKOWSKI

Der BfR-Verbrauchermonitor ist ein zentrales Instru-ment des gesundheitlichen Verbraucherschutzes Er zeigt wie die Oumlffentlichkeit Risiken wahrnimmt

Gefuumlhlte Risiken im Visier

copy ig

orst

evan

ovic

Shu

tters

tock

com

RISIKOWAHRNEHMUNG

14 BfR 2 GO

Welche Themen bewegen Verbraucherinnen und Verbrau-cher Was ist ihnen vertraut was beunruhigt sie Ant-worten auf diese Fragen liefert der BfR-Verbrauchermo-

nitor ndash eine seit 2014 regelmaumlszligig durchgefuumlhrte repraumlsentative Bevoumllkerungsbefragung mit der das BfR die generelle Einschaumlt-zung der Oumlffentlichkeit zu Verbraucherschutzthemen ermittelt In Ergaumlnzung dazu fuumlhrt das BfR Repraumlsentativbefragungen zu Ein-zelthemen durch die von besonderem aktuellem Interesse sind wie Antibiotikaresistenzen oder Pflanzenschutzmittel Die Ergeb-nisse dazu erscheinen als bdquoBfR-Verbrauchermonitor Spezialldquo Der Verbrauchermonitor ist ein wesentlicher Indikator um moumlgliche Missverstaumlndnisse oder Fehleinschaumltzungen seitens der Bevoumllke-rung fruumlhzeitig zu erkennen bdquoFuumlr uns ist es sehr wichtig konkret zu wissen was die Bevoumllkerung warum bewegt Daraus folgern wir welche kommunikativen Maszlignahmen zu ergreifen sindldquo sagt PD Dr Gaby-Fleur Boumll Leiterin der Abteilung Risikokommunika-tion am BfR

Methode der Datenerhebung

Fuumlr die repraumlsentative Umfrage des Verbrauchermonitors werden ca 1000 Personen die in Privathaushalten in Deutschland leben und mindestens 14 Jahre alt sind im Auftrag des BfR von Markt- und Meinungsforschungsinstituten telefonisch interviewt Diese Interviews werden computergestuumltzt anhand eines programmier-ten Fragebogens von geschulten Interviewern durchgefuumlhrt ndash kurz CATI-Methode genannt nach der englischen Bezeichnung compu-ter-assisted telephone interviewing Dabei werden die Fragen zum gesundheitlichen Verbraucherschutz und Fragen zu anderen The-menbereichen zu einer sogenannten Omnibus- oder Mehrthemen-befragung zusammengefasst Die Fragen des Verbrauchermonitors koumlnnen einen offenen Charakter haben (ungestuumltzte Fragen) oder geschlossen formuliert sein (gestuumltzte Fragen) Um die Ergebnisse der Verbrauchermonitore im Zeitverlauf miteinander vergleichen zu koumlnnen ist jede Umfrage aumlhnlich aufgebaut Das BfR widmet sich einerseits Themen die in der Oumlffentlichkeit eine groszlige Auf-merksamkeit erhalten Andererseits analysiert es Fragen die bisher weniger im oumlffentlichen Fokus stehen aber ebenfalls relevant sind wie beispielsweise gesundheitsschaumldliche Pflanzeninhaltsstoffe Auch das Ausmaszlig des Vertrauens in die staatlichen Strukturen des gesundheitlichen Verbraucherschutzes wird abgefragt da dies wie-derum die Wahrnehmung von Risiken beeinflussen kann

bdquoFuumlr uns ist es sehr wichtig konkret zu wissen was die Bevoumllkerung warum bewegt

Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher

Kaum veraumlndert hat sich in den letzten Jahren die Ansicht von Ver-braucherinnen und Verbrauchern dass Lebensmittel in Deutsch-land sicher sind Fragt man in der ungestuumltzten Abfrage nach den groumlszligten gesundheitlichen Risiken so sind dies im aktuellen Ver-brauchermonitor (082017) nach wie vor das Rauchen die Klima- bzw Umweltbelastung und ungesunde oder falsche Ernaumlhrung Da-nach werden Alkohol sowie ungesunde oder belastete Lebensmittel genannt Fragt man in der gestuumltzten Abfrage gezielt nach ausge-waumlhlten Themen so fuumlhren Salmonellen gentechnisch veraumlnderte Lebensmittel Antibiotikaresistenzen und Ruumlckstaumlnde von Pflan-zenschutzmitteln die Bekanntheitsskala an Dies sind auch die vier Themen die bei den meisten Befragten fuumlr Beunruhigung sorgen Es zeigt sich immer wieder dass Verbraucherinnen und Verbrau-cher Risiken unterschaumltzen die aus Sicht der Risikobewertung als

ZielsetzungVerbrauchermonitor

gt Erfassung und Analyse von Trends und Themen in der Verbraucherwahrnehmunggt Uumlber- bzw Unterschaumltzung von gesundheitlichen Risiken durch die Bevoumllkerunggt Beobachtung von Veraumlnderungen im Verbraucherverhaltengt Schnelle Erfassung der Verbraucherwahrnehmung in Krisensituationen

BfR-VERBRAUCHERMONITOR

15012017

gesundheitsrelevant eingestuft werden wie z B die Lebensmittelhygiene im eigenen Haushalt Noch weitgehend unbekannt ist der breiten Oumlffentlichkeit eine neue derzeit in der Wissenschaft diskutierte Metho-de zur Genveraumlnderung ndash das sogenannte bdquoGenome Editingldquo

Vertrauen staumlrken

Verschiedene Bevoumllkerungsgruppen neh-men Ereignisse oder Sachverhalte unter-schiedlich wahr Es haumlngt von vielen Fakto-ren ab wie groszlig ihnen ein Risiko erscheint Insbesondere zwischen der Wahrnehmung von Laien und Fachleuten koumlnnen sich Un-terschiede ergeben da die intuitive Risiko-einschaumltzung der Bevoumllkerung haumlufig auf anderen Prinzipien und Kriterien beruht als die wissenschaftliche Risikobewertung Aus der Risikowahrnehmungsforschung ist beispielsweise bekannt dass die Sorge vor

synthetisch hergestellten Stoffen groumlszliger ist als die Sorge vor natuumlrlich vorkommenden Stoffen wie beispielsweise giftigen Pflanze-ninhaltsstoffen

Der BfR-Verbrauchermonitor Spezial zum Thema Pflanzenschutzmittel hat zudem gezeigt dass ein Groszligteil der Bevoumllkerung faumllschlicherweise davon ausgeht dass in Lebensmitteln generell keine Reste von Pflanzenschutzmitteln vorkommen duumlr-fen Tatsaumlchlich sind Ruumlckstaumlnde von zu-gelassenen Pflanzenschutzmitteln bis zum erlaubten Ruumlckstandshoumlchstgehalt zulaumls-sig und als gesundheitlich unbedenklich eingestuft Auf diese Diskrepanz kann die Risikokommunikation gezielt reagieren indem sie die Oumlffentlichkeit mit geeigne-ten Kommunikationsformen umfassend uumlber die rechtlichen und wissenschaftli-chen Grundlagen der Risikobewertung bei Pflanzenschutzmitteln informiert

Die Ergebnisse solcher Bevoumllkerungsum-fragen liefern wichtige Einsichten in die Risikowahrnehmung verschiedener Bevoumll-kerungsgruppen und zeigen Unterschiede hinsichtlich demografischer Faktoren wie Alter Bildungshintergrund Berufsgrup-pe und Geschlecht auf So ist Frauen das Vorkommen von Pyrrolizidinalkaloiden in Kraumlutertee beispielsweise haumlufiger bekannt als Maumlnnern Auch hat sich gezeigt dass Maumlnner Prozesskontaminanten in Grill-fleisch weniger bedenklich einschaumltzen als Frauen

Mit dem Verbrauchermonitor hat das BfR ein Instrument etabliert mit dem noch fruumlher auf Informations- und Kommuni-kationsbeduumlrfnisse eingegangen und damit das Vertrauen der Oumlffentlichkeit in den ge-sundheitlichen Verbraucherschutz weiter gestaumlrkt werden kann

Alle bisher erschienenen BfR-Verbrauchermonitore koumlnnen abgerufen werden unter wwwbfrbundde gt Publikationen gt Broschuumlren gt BfR-Verbrauchermonitor

Welche Themen betrachten Sie persoumlnlich als die groumlszligten gesundheitlichen Risiken fuumlr Verbraucherinnen und Verbraucher

Inwieweit sind Sie persoumlnlich uumlber die folgenden Themen zur Lebensmittel-sicherheit beunruhigt oder nicht beunruhigt

16 BfR 2 GO

RISIKOWAHRNEHMUNG

2016 gab es in Deutschland in der deutsch-sprachigen Bevoumllkerung ab 14 Jahren rund 08 Millionen Personen die sich selbst als Veganer bezeichnen wuumlrden oder als je-mand der weitgehend auf tierische Produk-te verzichtet (2016 Allensbacher Markt- und Werbetraumlger-Analyse IfD Allensbach) Ei-nige Studien zeigen dass eine vegane Ernaumlh-rung positive Einfluumlsse auf die Gesundheit haben kann wie zum Beispiel ein geringeres Risiko fuumlr Typ-2-Diabetes Beschrieben wer-den allerdings auch gesundheitliche Risiken durch Naumlhrstoffmangelzustaumlnde etwa fuumlr Schwangere und Kinder Wer keine tierische Produkte zu sich nimmt riskiert unter an-derem eine Unterversorgung mit Vitamin B12 Eisen Calcium Jod und Zink sowie mit langkettigen Omega-3-Fettsaumluren

Vor diesem Hintergrund entwickelte das BfR geeignete Risikokommunikationsstra-tegien Ein Forschungsprojekt widmete sich den individuellen und sozialen Einflussfak-toren die zur Motivation und Aufrechter-haltung einer veganen Ernaumlhrung fuumlhren Insgesamt wurden 42 Veganerinnen und Veganer zu ihren Werten Einstellungen und Meinungen befragt Aufgrund der zum Teil sehr ausgepraumlgten Abweichun-gen zur Durchschnittsbevoumllkerung lassen sich verallgemeinernde Aussagen treffen Repraumlsentativ sind die Befragungsdaten al-lerdings nicht

Ethische Entscheidung

Fast immer begruumlnden Veganerinnen und Veganer ihre Entscheidung fuumlr eine vega-ne Ernaumlhrung mit ethischen Argumenten Gesundheitliche Motive werden selten ge-nannt Die Befragten sind uumlberwiegend konfessionslos und uumlberdurchschnittlich

gebildet Auszligerdem beguumlnstigt Vegetaris-mus die Entscheidung sich vegan zu ernaumlh-ren Zwei Drittel der Teilnehmenden haben sich bereits vorher vegetarisch ernaumlhrt Er-naumlhren sich bereits Personen aus dem na-hen Umfeld vegan kann dies die Entschei-dung auch vorantreiben

Fuumlr die uumlberwiegende Mehrheit der Be-fragten ist die Ruumlckkehr zur omnivoren Ernaumlhrung die tierische Produkte zulaumlsst nicht vorstellbar Auch eine Schwanger-schaft wird meist nicht als Grund dafuumlr angesehen Oft werden auch Kinder vegan ernaumlhrt Nach Aussagen der Befragten re-agiert das soziale Umfeld haumlufig mit Skepsis und Aversion Um eine soziale Ausgren-

zung der Kinder zu verhindern lassen die Befragten teils Kompromisse zu So koumlnn-ten Kinder zum Beispiel selbst waumlhlen ob sie auswaumlrts Tierprodukte essen

Wissen kommt an

Wer sich vegan ernaumlhrt verfuumlgt in der Re-gel uumlber ein fundiertes Ernaumlhrungswissen 40 der 42 Teilnehmenden der BfR-Studie waren sich zum Beispiel daruumlber im Klaren dass es ohne tierische Produkte zu einer Mangelversorgung mit Vitamin B12 kom-men kann Viele nehmen dieses Vitamin zusaumltzlich ein Bei der Informationssuche rund um vegane Ernaumlhrung ist das Inter-net die wichtigste Informationsquelle (siehe Grafik)

Strategie der Risikokommunikation

Im Rahmen der Befragung stellten sich wichtige Anknuumlpfungspunkte fuumlr die Risi-kokommunikation heraus Unter anderem wurde klar dass ein negativer Ansatz der die vegane Ernaumlhrung als gefaumlhrlich oder abnormal darstellt nur wenig Erfolg haben kann Eine effektive Risikokommunikation sollte an bestehende Uumlberzeugungen der Veganerinnen und Veganer anknuumlpfen Ziel sollte dabei sein konkrete Tipps fuumlr den Alltag zu geben die sich mit einer vega-nen Ernaumlhrung verbinden lassen Informa-tionen wie bei einer veganen Ernaumlhrung eine moumlgliche defizitaumlre Naumlhrstoffversor-gung verhindert werden kann sind grund-saumltzlich erfolgversprechend Insbesondere uumlber Alternativen oder Supplementierung in der Schwangerschaft bei Saumluglingen und Kleinkindern sollte umfassend informiert werden

Vegan und informiert

Welche Informationsquellen nutzen Sie um sich

uumlber vegane Ernaumlhrung zu informieren

Kochbuumlcher mit veganen Rezepten Blogs zum Thema und tierfreie Supermaumlrkte ndash die vegane Ernaumlhrung liegt im Trend Wer ganz auf tierische Produkte verzichtet riskiert jedoch eine Unterversorgung mit bestimmten Naumlhrstoffen Um eine effiziente Risikokommunikation zu gewaumlhrleis-ten hat das BfR Veganerinnen und Veganer zu Wissens-stand und Einstellungen befragt

Foren im Internet

Sonstige Quellen im Internet

Buumlcher

Zeitschriften

Freunde Bekannte

Sonstigen = 42 Mehrfachnennungen moumlglich

74

71

52

36

12

5

copy S

tudi

oPho

toD

Flor

ezs

hutte

rsto

ckc

om

BEFRAGUNG ZU VEGANISMUS

17012017

63

72 Ekel

Fremdheit

Bedenken zu Hygiene und Vertraumlglichkeit

Grillen Mehlwuumlrmer und Wanderheuschrecken ndash in vielen Regionen der Welt werden Insekten von Menschen verspeist Auch in der Schweiz sind Insek-ten seit dem Fruumlhjahr 2017 offiziell als Lebensmittel zugelassen Ihr Verzehr ist in Europa jedoch generell wenig verbreitet und die oumlffentliche Diskussion steckt noch in den Anfaumlngen Wie bekannt ist das Thema in der deutschen Bevoumllkerung Welche Einstellungen bestehen gegenuumlber essbaren Insekten Wie wird das Thema in den Medien dargestellt In zwei Studien hat das BfR Antworten auf diese Fragen gefunden

Die Mehrheit der Deutschen vermutet keine gesundheitlichen Risiken durch den Verzehr von Insekten wuumlrde sieaber dennoch nicht verzehren Hauptgruumlnde gegen den Verzehr

sind Ekel Fremdheit Bedenken zu Hygiene und Vertraumlglichkeit

46 13 15

Insekten als Lebensmittel fuumlr Menschen ndash 72 Prozent der Befragten haben schon davon gehoumlrt Insekten gelten als eiweiszlig- naumlhrstoff- und vitaminreich und als eine wesentliche Nahrungsquelle hinsichtlich des Welternaumlhrungsproblems

Insekten essen Mehr Theorie als Praxis

18 BfR 2 GO

RISIKOWAHRNEHMUNG

2014

27 Artikel

14

Zugrundeliegende Studien telefonische Repraumlsentativbefragung von 1000 Personen (deutschsprachige Bevoumllkerung ab 14 Jahren) Medienanalyse von 17 deutschen Print- und Onlinemedien (uumlberregionale Qualitaumltszei-tungen Hauptstadtpresse und woumlchentliche Zeitungen) im Zeitraum Januar 2014 bis Dezember 2015 zur Art und Haumlufigkeit der Berichterstattung uumlber essbare Insekten

14 Prozent der Befragten haben schon einmal Insekten verzehrt mehrheit-lich im Ausland Uumlberwiegend sind es Maumlnner 18 ndash 29-Jaumlhrige gut Gebildete und Staumldter

Die Medienberichterstattung zu Insekten als Lebens- und Futtermittel verdoppelte sich von 2014 zu 2015 In der Mehrheit ging es um Nutzen- aspekte Insekten wurden medial als bdquozukunftsweisendes sinnvolles Lebensmittel bei dem der Nutzen gegenuumlber moumlglichen Risiken uumlber-wiegtldquo dargestellt

Verbraucherinnen und Verbraucher wuumlnschen sich mehr Informationen zu moumlglichen gesundheitlichen Risiken von Insekten als Lebens- und Fut-termittel zu ihrer Produktion und zum Naumlhrstoffgehalt Dies koumlnnte die oumlffentliche Akzeptanz fuumlr den Verzehr von Insekten erhoumlhen Auch bdquounkenntlich gemachteldquo Insekten in Form verarbeiteter Lebensmittel wuumlrden eher akzeptiert als Insekten im urspruumlnglichen Zustand

WeiterlesenBfR-Symposium bdquoInsekten als Lebens- oder Futtermittel Nah-rung der Zukunftldquo Bericht zum Symposium am 24 Mai 2016 in 2016 Journal fuumlr Verbraucher-schutz und Lebensmittelsicher-heit 11 3 281ndash289

2015

60 Artikel

i

Insekten als Lebensmittel

gt zaumlhlen lebensmittelrechtlich in der EU zu den neuartigen Lebensmitteln und muumlssen zugelassen werden

gt unerforschte Aspekte Toxikologie Gehalt an Kontaminanten und Ruumlckstaumlnden allergenes Potenzial mikrobiologische Risiken

copy a

rka3

8sh

utte

rsto

ckc

om

19012017

INFOGRAFIK ZU INSEKTEN

Unerwuumlnscht inLebensmitteln

Gelangen Pyrrolizidinalkaloide (PA) in die Lebensmittelkette koumlnnen insbesondere 12-ungesaumlttigte PA dem Menschen schaden Seit Jahren

befasst sich das BfR mit der Frage welches gesundheitliche Risiko von 12-ungesaumlttigten PA in Lebensmitteln ausgeht Klar ist die PA-Kontami-

nation in der Lebensmittelkette sollte so gering wie moumlglich sein

LEBENSMITTELSICHERHEIT

20 BfR 2 GO

Unerwuumlnschte Stoffe die in die Lebensmittelkette gelangen koumlnnen fuumlr Verbraucherinnen und Verbraucher ein gesund-heitliches Risiko darstellen Ein Beispiel fuumlr solche Eintraumlge

sind 12-ungesaumlttigte Pyrrolizidinalkaloide (PA) Das sind Stoffe die von einigen Pflanzen als Schutz vor Fraszligfeinden gebildet werden Sie konnten zunaumlchst in Honig und anderen Bienenprodukten spaumlter auch in Tees Kraumlutertees und Gewuumlrzen aber auch in pflanzenba-sierten Nahrungsergaumlnzungsmitteln nachgewiesen werden

Toxische Wirkungen bei Mensch und Tier

Beim Menschen sind vereinzelt Vergiftungsfaumllle nach arzneilicher Einnahme von PA-haltigen Kraumlutertees und -erzeugnissen bekannt Weiterhin gibt es Berichte uumlber epidemische Lebererkrankungen mit Todesfaumlllen in Pakistan Indien Afghanistan Tadschikistan und der ehemaligen UdSSR nach Verzehr von Getreide das mit Samen von Heliotropium- oder Crotalaria-Arten kontaminiert war Aus der Nutztierhaltung ist das gehaumlufte Auftreten von Leberzirrhosen bei Schlachtrindern bekannt die mit Heu und Silage auch Alpenkreuz-kraut aufgenommen hatten Auch bei Pferden wurden mit Leberde-generation einhergehende durch PA im Futter verursachte Erkran-kungen die Seneciosen beobachtet

Die Leber ist das primaumlre Zielorgan von Schaumldigungen durch 12-ungesaumlttigte PA Jedoch koumlnnen auch die Lunge oder andere Organe betroffen sein Insbesondere bei Aufnahme houmlherer Dosen treten akute venookklusive Veraumlnderungen in der Leber (hepatic veno-occlusive disease HVOD) oder der Lunge auf In houmlheren Dosen wurden im Tierversuch mit 12-ungesaumlttigten PA auch ent-wicklungstoxische Effekte beobachtet Nach den vorliegenden tier- experimentellen Daten gilt die kanzerogene Wirkung von 12-un-gesaumlttigten PA als gesichert und ein entsprechendes Risiko fuumlr den Menschen wird in Betracht gezogen Vielfach zeigten Verbindungen die sich im Tierversuch als kanzerogen erwiesen in entsprechenden Mutagenitaumltstests eine genotoxische Wirkung

Wie 12-ungesaumlttigte PA in Lebensmittel gelangen koumlnnen

Nach bisherigem Kenntnisstand koumlnnen 12-ungesaumlttigte PA uumlber mehrere Wege in Lebensmittel gelangen In Deutschland sind Ver-unreinigungen vor allem in den Anbauflaumlchen von Nutzpflanzen mit PA-bildenden Wildkraumlutern wie z B bei Salaten mit Kreuzkraut oder Greiskraut aufgetreten Aus Afghanistan sind erhoumlhte Belastungen in Getreide bekannt Auch die Belastung von Tee und Kraumlutertee-Sor-ten mit PA wird auf eine Kontamination mit bestimmten Wildkraumlu-tern in den Anbauflaumlchen zuruumlckgefuumlhrt Auszligerdem koumlnnen Bienen-produkte wie Honig und Pollen mit PA belastet sein wenn die Tracht von bestimmten Wildpflanzen stammt 12-ungesaumlttigte PA koumlnnen auch uumlber verunreinigte Futtermittel in Milch Eier und Fleisch ge-langen Auch Nahrungsergaumlnzungsmittel koumlnnen auf der Basis von Pflanzen hergestellt sein die selbst 12-ungesaumlttigte PA bilden

Gesundheitliche Risiken durch belastete Lebensmittel

Das BfR hat 2016 eine Bewertung der gesundheitlichen Risiken durch 12-ungesaumlttigte PA erarbeitet Dabei wurde die Belastung aller wichtigen Lebensmittelgruppen beruumlcksichtigt fuumlr die aktuell Daten zum Vorkommen von 12-ungesaumlttigten PA vorliegen Bei der Bewertung wurde die genotoxisch-kanzerogene Wirkung als emp-findlichster Endpunkt zugrunde gelegt

copy F

eyya

z A

laca

ms

hutte

rsto

ckc

om

copy e

mbe

riza

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

21012017

Danach geht bei Kindern im Alter von sechs Monaten bis unter fuumlnf Jahren die Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA im Wesentlichen auf Kraumlutertee einschlieszliglich Rooibostee Schwarztee und Honig zuruumlck Fruumlchtetee Milch Eier und Fleisch tragen nur wenig zur Gesamtaufnahme von 12-un-gesaumlttigten PA bei Sieht man von bestimm-ten Nahrungsergaumlnzungsmitteln ab zeigt sich bei Erwachsenen ein aumlhnliches Bild Bei Erwachsenen ist der Beitrag von Honig zur Gesamtaufnahme an 12-ungesaumlttigten PA geringer und der von Gruumlntee houmlher als bei Kindern Bei hohen Gehalten koumlnnen Nahrungsergaumlnzungsmittel als zusaumltzliche Expositionsquelle zur Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber Lebensmittel beitragen Gewuumlrze und Kraumluter aber auch Mehle stellen moumlglicherweise eine relevante zusaumltzliche Expositionsquelle dar Fuumlr eine abschlieszligende Bewertung fehlen hier jedoch noch Daten

Obwohl in Einzelfaumlllen hohe Gehalte an 12-ungesaumlttigten PA in bestimmten Le-bensmitteln des allgemeinen Verzehrs nachgewiesen wurden haumllt das BfR nach derzeitiger Datenlage auch bei hoher Auf-nahme dieser Lebensmittel eine akute Ge-sundheitsschaumldigung fuumlr unwahrscheinlich Zur Abschaumltzung des potenziellen Risikos von genotoxisch-kanzerogenen Wirkungen legte das BfR wie international uumlblich den MOE-Ansatz (Margin of Exposure) zugrun-de Dabei wird ausgehend von Tierstudien angenommen dass fuumlr genotoxische Kan-zerogene ein MOE-Wert von 10000 oder houmlher aus Sicht der oumlffentlichen Gesundheit als wenig bedenklich und die Prioritaumlt fuumlr Maszlignahmen im Rahmen des Risikomanage-ments als niedrig angesehen werden kann Bei genotoxisch-kanzerogenen Stoffen kann keine Schwellendosis angenommen werden unterhalb derer keine unerwuumlnschten Wir-kungen mehr erwartet werden Daher gilt in der Europaumlischen Union die Empfehlung die Exposition gegenuumlber genotoxisch und kanzerogen wirkenden Substanzen so weit zu minimieren wie dies vernuumlnftig erreich-bar ist ndash das sogenannte ALARA-Prinzip (as low as reasonably achievable) Selbst geringe Aufnahmemengen koumlnnen insbesondere bei regelmaumlszligigem Verzehr mit einer Erhouml-hung gesundheitlicher Risiken verbunden sein

Die Bewertung des genotoxischen und kan-zerogenen Risikos erfolgt als Vergleich der Gesamtaufnahme uumlber verschiedene Tees Milch und Honig bei Kindern und Er-wachsenen auf der Basis verschiedener Ver-zehrszenarien mit dem BMDL10-Wert von

73 Mikrogramm pro Kilogramm Koumlrperge-wicht und Tag unter Berechnung des MOE Der BMDL10-Wert (Benchmark dose lower confidence limit 10) ist ein Schaumltzwert der niedrigsten Dosis die im Tierexperiment mit 95-prozentiger Sicherheit eine Krebsin-zidenz von nicht mehr als 10 Prozent ver-ursacht Alle Berechnungsansaumltze sowohl fuumlr Kinder als auch fuumlr die erwachsene Be-voumllkerung ergaben MOE-Werte deutlich unterhalb von 10000 Da nach Ansicht des Wissenschaftlichen Ausschusses der EFSA ein MOE erst ab einem Wert von mindes-tens 10000 aus Sicht der oumlffentlichen Ge-sundheit als wenig bedenklich anzusehen ist empfiehlt das BfR die Gesamtexposition mit PA aus allen Lebensmitteln so niedrig wie moumlglich zu halten und einen MOE von 10000 bei Beruumlcksichtigung der PA-Zufuhr aus allen Quellen nicht zu unterschreiten Dazu sollten die Bemuumlhungen fortgesetzt werden die PA-Gehalte in Lebensmitteln weiter zu senken

Forschungsansaumltze des BfR

Das BfR befasst sich seit einigen Jahren mit der Problematik der Verunreinigung von Lebensmitteln mit 12-ungesaumlttigten PA und verfolgt hierzu verschiedene Forschungs-ansaumltze Die Analytik der 12-ungesaumlttigten PA stellt aufgrund ihrer groszligen strukturel-len Vielfalt und des Vorkommens in unter-schiedlichen Lebensmitteln eine besondere Herausforderung dar In den letzten Jahren hat das BfR spezifische Nachweismethoden entwickelt und in Ringversuchen validiert Diese Methoden stehen auf der Homepage des BfR zur Verfuumlgung und koumlnnen z B in der Lebensmittel- und Futtermitteluumlberwa-chung eingesetzt werden

Neben der Entwicklung analytischer Me-thoden werden am BfR die molekularen Mechanismen der Toxizitaumlt von 12-unge-saumlttigten PA untersucht Hier stehen vor allem Untersuchungen zur strukturabhaumln-gigen Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber die Darmbarriere im Vordergrund Die Ergebnisse zeigen dass sich das Wirkungs-potenzial der 12-ungesaumlttigten PA aufgrund von Unterschieden im strukturabhaumlngigen Transport uumlber die Darmbarriere unter-scheiden kann Auch zeigten die getesteten Modellsubstanzen in einem Zellkulturmo-dell deutliche strukturspezifische Unter-schiede im Metabolismus Weitere Untersu-

Pflanzen die Pyrrolizidinalkaloi-de bilden finden sich vor allem in den Familien der Korbbluumltler (Asteraceae) der Raublatt- oder Borretschgewaumlchse (Boraginaceae) und der Huumllsenfruumlchtler (Faba-ceae)

22 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

chungen zu der Zerstoumlrung der sinusoidalen Endothelzellen durch 12-ungesaumlttigte PA sollen zum Verstaumlndnis der Mechanismen beitragen die zu den venookklusiven Ver-aumlnderungen in der Leber fuumlhren Auch wer-den Untersuchungen zur Metabolisierung nahrungsrelevanter Pyrrolizidinalkaloide durchgefuumlhrt Die Forschungsprojekte wer-den von der Deutschen Forschungsgemein-schaft (DFG) gefoumlrdert

Empfehlungen zur Reduktion der PA-Gehalte

Das BfR empfiehlt dass sich Management-maszlignahmen an der Vermeidung genoto-xisch-kanzerogener Effekte der 12-ungesaumlt-tigten PA als dem empfindlichsten Endpunkt orientieren Die Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA sollte fuumlr Verbrau-cherinnen und Verbraucher so gering wie moumlglich sein Dazu sollten die PA-Gehalte in Lebensmitteln so weit wie moumlglich sin-ken Dies gilt insbesondere fuumlr Kraumlutertees Rooibostee Schwarzen Tee und Gruumlnen Tee sowie bestimmte Nahrungsergaumlnzungsmit-tel Hier sollten Anbau- Ernte- und Reini-gungsmethoden weiterhin verbessert wer-den Auch die Auswahl der Rohhonige kann zu einer Reduzierung der Gehalte an 12-un-gesaumlttigten PA in verzehrfertigen Honigen beitragen Auszligerdem sind vor der Vermark-tung seitens der Lebensmittelunternehmer weiterhin Kontrollen in allen betroffenen Lebensmittelkategorien notwendig

Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das potenzielle gesundheitliche Risiko durch PA durch eine abwechslungsreiche Ernaumlh-rung verringern und so generell einseitigen Belastungen mit verschiedenen potenziell gesundheitsgefaumlhrdenden Stoffen vorbeu-gen Insbesondere fuumlr Kinder Schwangere und Stillende empfiehlt das BfR den taumlgli-chen Fluumlssigkeitsbedarf nicht ausschlieszliglich mit Kraumlutertee und Tee zu decken

Bei der Zubereitung von Salat Blattgemuumlse und Kraumlutern sollten Verbraucherinnen und Verbraucher Pflanzenteile aussortieren die sie keinen bekannten essbaren Pflanzen zu-ordnen koumlnnen

Wer Nahrungsergaumlnzungsmittel auf Pollen-basis oder auf Basis von Pflanzen einnimmt die 12-ungesaumlttigte PA bilden sollte sich bewusst sein dass diese Produkte 12-un-gesaumlttigte PA in houmlheren Konzentrationen enthalten koumlnnen

Mehr erfahrenStellungnahme Nr 0302016 des BfR vom 28 September 2016

Necinbase

Necinsaumlure

Die Struktur von PA

Chemisch handelt es sich um Ester aus einer Necinbase und aliphatischen Mono- oder Dicarbonsaumluren (Necin-saumluren) Aus toxikologischer Sicht besonders bedeutsam sind Pyrroli-zidinalkaloide mit 12-ungesaumlttigter Necinstruktur (12-ungesaumlttigte PA) Die 12-ungesaumlttigte Necinstruktur als gemeinsames Strukturmerkmal erlaubt grundsaumltzlich die Giftung durch Oxidation zum Dehydropyrrolizidin das durch seine alkylierenden Eigenschaf-ten fuumlr die genotoxische und karzino-gene Wirkung dieser Substanzgruppe verantwortlich ist

copy R

ukiM

edia

shu

tters

tock

com

copy J

iri H

era

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

23012017

Im suumldlichen Afrika spielt die Landwirt-schaft eine Schluumlsselrolle bei der Armuts-bekaumlmpfung Eine wachsende Produktion tierischer Lebensmittel bringt jedoch auch neue Herausforderungen an die Lebensmit-telsicherheit mit sich Das BfR-Forschungs-projekt bdquoSAD-Zambialdquo (bdquoStaphylococcus aureus in der Milchlebensmittelkette in Sambia ndash Bekaumlmpfung lebensmittelbeding-ter Erkrankungen und Antibiotikaresisten-zen beim Menschldquo) befasst sich damit wie die Produktion und der Vertrieb von Milch und Milchprodukten in Sambia sicherer gestaltet werden koumlnnen Ziel ist es zu be-werten in welchem Umfang das Bakterium Staphylococcus (S) aureus uumlber Milch und Milchprodukte auf den Menschen uumlbertra-gen wird In einem ersten Schritt werden Feldstudien in verschiedenen Provinzen des Landes durchgefuumlhrt um das Vorkommen dieses Erregers und moumlgliche Schwachstel-len in der Milchlebensmittelkette in Sambia zu analysieren Hierbei stehen Toxin-bil-dende S aureus-Staumlmme im Fokus Auszliger-dem wird untersucht in welchem Umfang Methicillin-resistente S aureus (MRSA) die gegen eine bestimmte Klasse von Antibio-tika resistent sind in der Milchlebensmit-

telkette vorkommen Die Bewertungsarbeit beinhaltet auch einen Vergleich traditio-neller und moderner Produktionssysteme Am BfR werden anschlieszligend die Analysen zu den Eigenschaften der gewonnenen Bakterienstaumlmme sowie stammvergleichen-de Untersuchungen durchgefuumlhrt In einem weiteren Schritt werden Ansatzpunkte zur Reduzierung der Bakterien sowie Methoden zum Monitoring von zoonotischen und An-tibiotika-resistenten S aureus in der Milch-lebensmittelkette in Sambia entwickelt So soll zum Verstaumlndnis der lebensmittelbe-dingten Risiken entlang der Milchlebens-mittelkette in Sambia beigetragen werden Das Projekt begann am 01072016 und laumluft drei Jahre Es wird vom Bundesminis-terium fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft gefoumlrdert und aus BfR-Mitteln co-finanziert Neben dem BfR beteiligen sich an dem For-schungsprojekt das International Livestock Research Institute die University of Zambia und das Central Veterinary Research Insti-tute als Teil des sambischen Ministeriums fuumlr Nutztiere und Fischerei Durch dieses Forschungsnetzwerk soll eine nachhaltige Partnerschaft aufgebaut werden

Mit dem Forschungsprojekt bdquoSAD-Zambialdquo leistet das BfR einen Beitrag zur Staumlrkung der Lebensmittelsicherheit und damit zur Ernaumlhrungssicherheit im suumldlichen Afrika Koordinatorin des Projekts ist Frau Dr Alexandra Fetsch Der sambische Doktorand Herr Bruno Phiri berichtet von seiner alltaumlglichen Arbeit Beide arbeiten in der Fach-gruppe bdquoMikrobielle Toxineldquo des BfR

POST AUS hellipSAMBIA

raquobdquoDas SAD-Zambia Projekt ist fuumlr mich ein Meilenstein und ich bin dem BfR sehr dankbar dass es mir diese Moumlglichkeit gibt Ich habe schon viel dazugelernt und konnte meine Kompetenzen bezuumlglich der Diagnose von Krankheitserregern verbessern Das Projekt bringt mich aber nicht nur persoumlnlich voran auch mein Land kann davon profitieren Mein Arbeitsalltag beginnt meist mit einem Besuch bei den Milchbauern und ihren Herden Dort schaue ich mir an wie die Kuumlhe gemolken werden und nehme Proben von den Tieren der Milch und der Umge-bung Auch in Milchsammelstellen und auf Maumlrkten nehme ich Proben Diese analysiere ich anschlieszligend im Labor an der Universitaumlt Schon jetzt freue ich mich auf die weiteren Untersuchungen der Bakterienstaumlm-me am BfR Ich war zu Beginn des Projektes dort ndash eine sehr eindrucks-volle Erfahrungldquo

(Bruno Phiri)

copy a

stud

ios

hutte

rsto

ckc

om

copy B

fR

24 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

Algengift in Tropenfischen

Bisher traten Lebensmittelvergiftungen durch Ciguato-xin ndash einem Algentoxin das in tropischen Speisefischen wie Barrakuda Schnapper oder Zackenbarsch enthalten sein kann ndash vorwiegend in den Tropen auf Mit dem zunehmenden Import von Fischen aus Suumldostasien haumlufen sich auch in Europa und seit 2012 in Deutschland Faumllle von Ciguatera Ein Problem dabei Eine Analyse-methode mit der Fisch routinemaumlszligig auf Ciguatoxine untersucht werden kann ist derzeit noch nicht verfuumlgbar Da weltweit nur wenige Labore auf den Nachweis von Ci-guatoxinen in Fischen spezialisiert sind wird im Projekt bdquoEuroCigualdquo der Europaumlischen Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit (EFSA) unter anderem an der Verbesserung entsprechender Analysemethoden und zum Vorkommen ciguatoxischer Fische in Europa geforscht Das BfR liefert fuumlr das Projekt Angaben zu Erkrankungsfaumlllen in Deutschland Die krankmachenden Algentoxine reichern sich uumlber die Nahrungskette in Raubfischen an und sind uumlberaus stabil Durch Erhitzen oder Tiefkuumlhlen lassen sie sich nicht entfernen Beim Menschen kann der Verzehr betroffener Fische dann zu Vergiftungen mit zum Teil schweren oder andauernden Beeintraumlchtigungen des Nervensystems fuumlhren An Ciguatera Erkrankte nehmen normale Kaumlltereize als ungewoumlhnlich schmerzhaft wahr

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt A-Z-Index Ciguatoxin

Alkaloide in Lupinensamen

In verarbeiteten Produkten oder zum Knabbern Lupinensamen sind im Trend Da sie jedoch toxikologisch relevante bittere Chinolizidinalkaloide enthalten koumlnnen bewertet das BfR ihr gesundheitliches Risiko Der Gehalt an Chinolizi-dinalkaloiden in Lupinensamen variiert je nach botanischer und geografischer Abstammung Samen die von bdquoBitterlupinenldquo stammen sind aufgrund ihrer houmlheren Gehalte ohne geeignete Vorbehandlung der bdquoEntbitterungldquo nicht zum Verzehr geeignet Denn Sie koumlnnen beim Menschen Vergiftungssymptome her-vorrufen Lupinenvarietaumlten die Samen mit niedrigen Alkaloidgehalten liefern werden als bdquoSuumlszliglupinenldquo bezeichnet Suumlszliglupinensamen sind auch ohne Entbitte-rung verzehrsfaumlhig In Deutschland kam es mit Bitterlupinensamen vereinzelt zu Vergiftungsfaumlllen Das BfR empfiehlt Herstellern daher nur ganze Lupinensamen in den Verkehr zu bringen die ohne weitere Entbitterungsprozesse verzehrsfaumlhig sind Mehl aus Lupinensamen sollten Hersteller aus alkaloidarmen oder ausrei-chend entbitterten Samen herstellen

Uumlbertragungswege des Hepatitis-E-Virus

Infektionen mit dem Hepatitis-E-Virus (HEV) koumlnnen zu einer akuten Leberentzuumlndung fuumlhren In den letzten Jahren sind die Zahlen gemeldeter Hepatitis-E-Faumllle des Menschen in Deutsch-land stark angestiegen Forschungsergebnisse des BfR in Zusam-menarbeit mit anderen Einrichtungen haben gezeigt dass das Virus in deutschen Haus- und Wildschweinen weit verbreitet ist Vereinzelt wurde HEV auch in Rehen und Rotwild nachgewiesen

Unklar ist derzeit noch auf welchen Wegen sich die Patienten mit dem Virus anstecken Moumlglich sind direkte Virusuumlbertra-gungen zum Beispiel vom Wildtier auf den Jaumlger und indirekte uumlber Lebensmittel die aus infizierten Tieren hergestellt wurden Wie aktuelle Studien des BfR zeigen kann HEV in verschiedenen Wurstwaren aus dem deutschen Einzelhandel nachgewiesen wer-den Fraglich ist ob das Virus in diesen Produkten noch anste-ckend ist oder ob es bei der Herstellung der Lebensmittel zerstoumlrt wird Hierfuumlr noumltige Untersuchungen waren in der Vergangenheit erschwert da sich HEV im Labor nur schlecht kultivieren lieszlig Erste Ergebnisse von Untersuchungen mithilfe eines am BfR ent-wickelten neuartigen Zellkultur-Systems weisen darauf hin dass HEV hitzeempfindlich ist aber bei Kuumlhlung oder Raumtempera-tur mehrere Wochen infektioumls bleiben kann

SPEKTRUM

copy N

eil B

urto

nsh

utte

rsto

ckc

om

copy N

atal

ia M

ylov

ash

utte

rsto

ckc

om

copy iS

tock

com

Mee

Poo

hyap

hoto

25012017

bdquoNur eine gemeinsame Strategie ist effektivldquo

Frau Kaumlsbohrer ein zentrales Thema Ihrer Forschung sind Antibiotikaresis-tenzen In der oumlffentlichen Debatte wird oft ein Zusammenhang hergestellt zwi-schen dem haumlufigen Einsatz von Anti-biotika in der Nutztierhaltung und dem Auftreten resistenter Bakterien in der Humanmedizin Doch werden bei Tieren nicht andere Antibiotika eingesetzt als bei MenschenUm die Unterschiede zu erlaumlutern muss man zwischen Praumlparaten und den antibiotischen Wirkstoffgruppen unterscheiden Beim Tier verwenden Veterinaumlrmediziner ande-re Praumlparate als Aumlrzte beim Menschen Der wirksame Inhaltsstoff das Antibiotikum kann aber dasselbe sein Die Antibiotika lassen sich wiederum in Wirkstoffgruppen einteilen Mit Blick auf die Wirkstoffgrup-pen gilt Die meisten Antibiotika die beim Menschen eingesetzt werden gehoumlren zu Wirkstoffgruppen die wir auch in der Vete-rinaumlrmedizin nutzen Es gibt nur ganz weni-ge Antibiotikagruppen die nur auf der einen oder der anderen Seite verwendet werden Dazu gehoumlren zum Beispiel die Carbapene-me die nicht beim Nutztier eingesetzt wer-den duumlrfen In der Humanmedizin kommen sie insbesondere zum Einsatz wenn andere Antibiotika nicht mehr wirksam sind

bdquoEine Resistenz ge-gen einen bestimm-ten Wirkstoff kann sich auch ausbrei-ten obwohl diese Wirkstoffgruppe nicht eingesetzt wurde

Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer leitet am BfR die Fachgruppe bdquoEpide-miologie Zoonosen und Antibiotika-resistenzldquo die unter anderem auch das Nationale Referenzlabor fuumlr Antibiotika- resistenzen umfasst Seit April 2016 ist sie auszligerdem Professorin an der Vetmeduni Vienna und leitet dort das Institut bdquoOumlffentliches Veterinaumlrwesenldquo

Wenn sie beim Nutztier nicht eingesetzt werden duumlrfen wie kann es dann sein dass Sie am BfR im Rahmen des For-schungsprojekts RESET Carbapene-mase-bildende Bakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden gefunden habenDie Entstehung von Antibiotikaresistenzen ist ein natuumlrlicher Vorgang bei Bakterien Durch den Gebrauch von Antibiotika wird dieser Prozess beschleunigt Eine Resistenz gegen einen bestimmten Wirkstoff kann sich auch ausbreiten obwohl diese Wirk-stoffgruppe nicht eingesetzt wurde Dank der Selektion gilt meist Wenn ich einen Wirkstoff einsetze gebe ich jenen Bakterien einen Vorteil die gegen den Wirkstoff resis-tent sind Aber Carbapenemasen also die Enzyme die von Carbapenem-resistenten Bakterien gebildet werden koumlnnen neben den Carbapenemen auch fast alle anderen

Bakterien die gegen Antibiotika resistent sind stellen ein Risiko fuumlr die oumlffentliche Gesundheit dar Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer widmet sich am BfR dieser Problematik Im Gespraumlch erklaumlrt sie welche Faktoren bei der Ausbreitung von Resistenzen eine Rolle spielen

copy M

icha

el B

ernk

opf

Vetm

edun

i Vie

nna

26 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

β-Laktam-Antibiotika inaktivieren Theo-retisch ist es daher moumlglich dass sich eine Resistenz gegen Carbapeneme ausbreitet obwohl der Tierarzt beim Nutztier eine an-dere Wirkstoffgruppe eingesetzt hat Ist die Resistenz bei Bakterien vorhanden gibt es viele Ausbreitungswege Ein Stall ist kein steriler Ort sondern belebte Umwelt Moumlg-liche Eintragswege fuumlr resistente Bakterien in einen Stall sind z B belebte Vektoren wie neu eingestallte Tiere Maumluse Fliegen oder Voumlgel aber auch unbelebte Vektoren wie Futter Wasser Staub oder Geraumltschaften

Was hat sich seit dem Fund der Carba-penemase-bildenden Enterobakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden fuumlr Ihre Arbeit beim BfR geaumlndert Der Fund hatte vielfaumlltige Konsequenzen Wir haben vor allem die gezielten Untersu-chungsaktivitaumlten verstaumlrkt Bakterien-Iso-late aus Tierbestaumlnden und Lebensmitteln werden seit 2014 im Rahmen des Resistenz-monitorings im BfR routinemaumlszligig auf eine Carbapenem-Resistenz getestet Auszligerdem steht seit 2015 fuumlr den Nachweis von Carba-penemase-bildenden Bakterien ein weiteres gezieltes Nachweisverfahren zur Verfuumlgung Hierzu muumlssen die Labore geschult werden Zusaumltzlich werden im Nationalen Refe-renzlabor fuumlr Antibiotikaresistenz am BfR Carbapenemase-verdaumlchtige Bakterien auf die charakteristischen Resistenzgene hin un-tersucht Am BfR wurden hierfuumlr verschie-dene Methoden fuumlr die Untersuchung von E coli und Salmonella etabliert Bisher wur-den sehr selten solche Resistenzgene nach-gewiesen bei Nutztieren das Gen blaVIM-1 bei einem Wildvogel das Gen blaNDM-1

Oftmals sind die Resistenzgene gegen Carbapeneme zusammen mit anderen Resistenzgenen auf mobilen geneti-schen Elementen lokalisiert Warum ist hier besondere Vorsicht gebotenZunaumlchst ist die Trefferwahrscheinlichkeit fuumlr eine Selektion houmlher wenn mehrere Re-sistenzgene auf einem genetischen Element liegen d h der Einsatz verschiedener Anti-biotika kann zu einem Selektionsvorteil fuumlh-ren Die Lokalisation von Resistenzgenen auf mobilen genetischen Elementen spielt fuumlr die Uumlbertragbarkeit von Resistenzen eine wichtige Rolle Denn Diese Resistenzgene koumlnnen mittels horizontalem Gentransfer auf ganz unterschiedliche Bakteriengruppen uumlbertragen werden Diese Erkenntnis hat eine Art Revolution ausgeloumlst Lange Zeit wurde ein Erreger mit all seinen Eigenschaf-ten als Einheit betrachtet Kann die Resis-tenz aber zwischen Bakteriengruppen hin

und her uumlbertragen werden verfaumllscht das moumlglicherweise den Blick auf eine Gruppe Folglich mussten die Nachweisverfahren umgestellt und die Uumlbertragbarkeit von Re-sistenzen mit analysiert werden Erschwe-rend kommt hinzu dass ein Resistenzgen auf einem grundsaumltzlich ungefaumlhrlichen

Bakterium zum Problem werden kann Manche Bakterien wie beispielsweise E coli gehoumlren zur normalen Darmflora Traumlgt so ein Bakterium eine Resistenzeigenschaft ist das erstmal nicht gefaumlhrlich Aber Es kann diese Eigenschaft moumlglicherweise an einen Infektionserreger weitergeben

Welche konkreten Folgen kann eine solche Weitergabe von Resistenzeigen-schaften habenSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt Schon jetzt weichen Aumlrzte auf Wirk-stoffgruppen aus die in der Humanmedizin lange verpoumlnt waren Dies gilt zum Beispiel fuumlr Colistin Fuumlr den Menschen ist es nicht gut vertraumlglich moumlgliche Nebenwirkun-gen sind beispielsweise die Schaumldigung der Nieren oder des Nervensystems In der Ve-terinaumlrmedizin hat Colistin seit Jahrzehnten eine erhebliche Bedeutung vor allem fuumlr die Behandlung von Infektionen des Ma-gen-Darm-Traktes bei Nutztieren auch um andere Wirkstoffgruppen zu vermeiden

Spielt im Fall von Colistin die Mobilitaumlt des Resistenzgens auch eine besonde-re Rolle Inzwischen ja Bis Ende 2015 waren sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler einig Eine Colistin-Resistenz ist nicht uumlbertragbar Das heiszligt kommt eine solche Resistenz bei einem Infektionserreger beim Nutztier vor ist sie nicht per se auf ein hu-manpathogenes Bakterium uumlbertragbar Doch Ende 2015 wurde in China erstmals das uumlbertragbare Gen mcr-1 beschrieben Untersuchungen in Belgien haben spaumlter zur Beschreibung eines weiteren mobilen Gens fuumlr die Colistin-Resistenz bei Nutztieren

bdquoSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

27012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Ausbreitung von Resistenzen

Haustiere

Krankenhaus

Belastetepflanzliche Lebensmittel

Belastete tierische Lebensmittel

Nutztiere

Futtermittel

Schaumldlinge

Uumlbertragungswege resistenter Bakterien

Menschen

Eine Antibiotikaresistenz entsteht

(z B durch Mutation)

Antibiotikatherapie beguumlnstigt die

Selektion resistenter Bakterien

Nahrung

Duumlnger Abwasser

Abwasser

28 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

gefuumlhrt mcr-2 Das bedeutet eine Uumlbertra-gung der durch diese Gene vermittelten Re-sistenz auf ein humanpathogenes Bakterium ist theoretisch moumlglich Allerdings scheint dies bisher selten der Fall zu sein

Diese Erkenntnisse offenbaren einen groszligen Forschungsbedarf Was tun Sie in der Abteilung bdquoBiologische Sicher-heitldquo um das Risiko zu bewerten Als 2015 klar wurde dass es eine uumlbertrag-bare Colistin-Resistenz gibt haben wir diese neue Erkenntnis in den laufenden Projekten natuumlrlich sofort aufgegriffen Im Rahmen des Forschungsprojekts RE-SET haben wir zum Beispiel vorhandenes Bakterienmaterial und die bei unseren Ko-operationspartnern verfuumlgbaren Gesamt-genominformationen auf das Vorkommen dieses neuen Resistenzgens gepruumlft Schnell war klar Ja dieses Gen finden wir in den Sequenzen Und die Pruumlfung von Colis-tin-resistenten Isolaten aus unserer Stamm-sammlung hat bestaumltigt dass dieses Resis-tenzgen bereits weit verbreitet ist

Muumlssen nun neue Forschungsprojekte zu dem Thema initiiert werdenJa denn viele Fragen bleiben bislang offen Wie haumlufig wird die Resistenz tatsaumlchlich uumlbertragen Was triggert diese Uumlbertra-gung Es gibt auch diagnostische Probleme Das uumlbliche Verfahren in der Humanmedi-zin um Resistenzen zu testen umfasst in der Regel nicht die Resistenz gegen Colistin Es gibt also viel zu tun Neue Diagnose- und Typisierungsverfahren aufbauen unser Re-sistenzmonitoring erweitern und routine-maumlszligig phaumlnotypisch resistente Isolate auf das Gen pruumlfen Die Ergebnisse muumlssen wir dann uumlbergreifend bewerten um Hand-lungsoptionen aufzuzeigen

Welche Uumlbertragungswege spielen bei der Colistin-Resistenz fuumlr den Men-schen eine Rolle Mit Sicherheit koumlnnen wir das derzeit nicht sagen Die chinesische Arbeitsgruppe hat Colistin-Resistenzen sowohl im Schweine-fleisch als auch beim Menschen gefunden Daher liegt die Hypothese nahe dass es eine Uumlbertragung uumlber Lebensmittel gibt Gleichzeitig gibt es generell die Beobachtung von nosokomialen Ausbreitungen resisten-ter Bakterien Das sind Ausbreitungen von Antibiotikaresistenzen im Krankenhaus

Resistenzen breiten sich aus Wunder-waffen verlieren ihre Wirkung selbst im Krankenhaus sind wir nicht sicher Gibt es uumlberhaupt eine effiziente Strategie gegen die Ausbreitung der Antibiotika- resistenzen Und wer ist dabei gefor-dertUm die Ausbreitung von Antibiotika- resistenzen zu verhindern braucht es eine gemeinsame Strategie Schlieszliglich sind hier komplexe Zusammenhaumlnge zwischen Mensch Tier und Umwelt am Werk Am BfR streben wir deswegen eine enge Zu-sammenarbeit mit allen Akteuren im oumlffent-lichen Gesundheits- und Veterinaumlrwesen an Bei diesem bdquoOne Health-Ansatzldquo sind sowohl Veterinaumlr- als auch Humanmedizi-ner gefordert Auch Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

Was sollten Verbraucherinnen und Ver-braucher beachtenHier gelten dieselben Hygieneregeln die auch fuumlr andere vom Tier oder vom Le-bensmittel auf den Menschen uumlbertragba-re Krankheitserreger gelten Zum Beispiel sollten sie sich nach dem Kontakt mit Tie-ren die Haumlnde mit warmem Wasser und Seife waschen Auch nach der Zubereitung von rohem Fleisch sollten die Haumlnde gruumlnd-lich gewaschen werden Fleisch Eier und Rohmilch sollten vor dem Verzehr durcher-hitzt werden Rohkost und Obst sollten vor dem Verzehr gruumlndlich mit Trinkwasser gewaschen oder geschaumllt werden Weiterhin wichtig ist den direkten oder indirekten Kontakt von rohem Fleisch und rohen Ei-ern mit verzehrfertigen Speisen die spaumlter nicht mehr erhitzt werden zu vermeiden Durch die Einhaltung der Hygieneregeln kann man einer Uumlbertragung von resisten-ten und oder pathogenen Bakterien auf an-dere Lebensmittel vorbeugen

Mehr erfahren Irrgang et al 2017 Recurrent detection of VIM-1-producing Escherichia coli clone in German pig production Journal ofAntimicrobial Chemotherapy 72 3 944ndash946

bdquoVerbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

RESET

Der Forschungsverbund RESET ndash Antibiotika-Resistenzen bei Tier und Mensch ndash beschaumlftigte sich von 2010 bis 2017 mit Resistenzen gegen die besonders wichtigen Antibiotika-Klas-sen der β-Laktam-Antibiotika und (Fluor-)Chinolone bei Darmbakterien wie Escherichia (E) coli Sind Bak-terien gegen beide Wirkstoffklassen resistent werden die therapeutischen Moumlglichkeiten drastisch eingeschraumlnkt Bei E coli und Salmonella enterica wurden derartige Resistenzen bereits nachgewiesen Das BfR beteiligte sich mit zwei Projekten an dem Forschungs-verbund Durch das konsequente Zusammenfuumlhren von Ergebnissen der unterschiedlichen Forschungsgebiete in einer gemeinsamen Datenbank konnten Erkenntnisluumlcken geschlossen und Risiken bewertet werden Das Projekt wurde vom Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) gefoumlrdert

29012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Kann es durch die Mischung verschiedener Pestizid-Ruumlckstaumlnde beim taumlglichen Verzehr zu gesundheitsgefaumlhrdenden Belastungen kommen

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

30 BfR 2 GO

Wenn von Paradigmenwechseln die Rede ist findet meist ein grundlegendes Umdenken statt In der Risikobewertung von Chemikalien habe ein Paradigmenwechsel stattge-

funden der die traditionelle Einzelsubstanz-Bewertung hinter sich lasse schrieben BfR-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler vor einiger Zeit Man koumlnnte meinen in der Toxikologie wird der Paracelsus-Satz kuumlnftig umgeschrieben Nicht nur die Dosis son-dern auch die Aufsummierung der Dosierungen in einer Mischung macht das Gift

Gift- oder Todescocktail ndash plakative Medienbegriffe

Denn tatsaumlchlich In den letzten Jahren beschaumlftigen sich weltweit immer mehr Gremien politische Ausschuumlsse und Forschungspro-jekte mit der Frage wie man die Auswirkungen von Mischungen auf Umwelt und Gesundheit kuumlnftig bewerten kann Auch in der Oumlffentlichkeit wird das Thema emotional verhandelt Chemikali-enmix Gift- oder sogar Todescocktail ndash mit plakativen Begriffen umschreiben Medien das Phaumlnomen der Mehrfachruumlckstaumlnde Entsprechend tief sitzt die Angst bei Verbraucherinnen und Ver-brauchern In einer vom BfR in Deutschland durchgefuumlhrten re-praumlsentativen Wahrnehmungsstudie vermuten 80 Prozent der Befragten dass der Einsatz mehrerer unterschiedlicher Pflanzen-schutzmittel zu gesundheitlichen Beeintraumlchtigungen durch Le-bensmittel fuumlhren kann

Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck sein

Zwar zeigen verschiedene aktuelle Monitoring-Projekte dass das gesundheitliche Risiko durch Mehrfachruumlckstaumlnde von Pflanzen-schutzmitteln unwahrscheinlich ist (s Interview) aber das Thema bleibt auch fuumlr die Wissenschaft draumlngend Denn auch wenn Mi-schungen schon seit Jahrzehnten wissenschaftlich analysiert und bewertet werden das Beduumlrfnis nach einer zuverlaumlssigen Bewertung der Risiken fuumlr Mensch und Umwelt steigt Grund dafuumlr ist zum einen die Vielzahl immer neuer Wirkstoffe Zusatzstoffe Chemika-lien Ruumlckstaumlnde und Kontaminanten gegenuumlber denen Menschen exponiert sind verbunden mit immer verfeinerten wissenschaftli-chen Nachweismethoden Zum anderen steigt der Druck aus der Oumlffentlichkeit Um wissenschaftliche Divergenzen zu vermeiden muumlssen transparente und international harmonisierte Verfahren entwickelt werden Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck in der Risikobewertung sein

Alle Gemische im Tierversuch zu testen ist nicht durchfuumlhrbar

Worum geht es im Einzelnen Mischungen liegen immer dann vor wenn ein Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt verschiedene Stoffe gleichzeitig aufnimmt z B Ruumlckstaumlnde Kontaminanten oder Chemikalien die nach der Europaumlischen Chemikalienverordnung REACH registriert sind Das geschieht wenn sogenannte intentional mixtures also beabsichtigte Mischungen wie Pflanzenschutzmittel oder Biozide in den Verkehr gebracht werden Aber auch unintenti-onal mixtures nimmt der Koumlrper auf Sei es dass verschiedene Stoffe in einem Produkt enthalten sind z B mehrere Pflanzenschutzmit-telruumlckstaumlnde in einem Apfel Oder sei es dass Stoffe gleichzeitig uumlber unterschiedliche Produkte aufgenommen werden In all diesen Faumlllen koumlnnen Mischungseffekte auftreten Diese sind je nach Wirk-mechanismus unterschiedlich stark ausgepraumlgt So koumlnnen sich die Wirkungen von Stoffen gegenseitig potenzieren oder auch aufheben Nach derzeitigem Kenntnisstand wird davon ausgegangen dass sich Wirkungen in der Regel addieren wenn die aufgenommenen Stoffe oberhalb der Wirkschwelle liegen den gleichen Wirkmechanismus haben und zu einem relevanten Zeitpunkt vom Organismus aufge-nommen wurden

Hier beginnen die Schwierigkeiten Es gibt zu viele intentional mix-tures die eine nahezu unuumlbersehbar groszlige Anzahl von Kombinati-onen ermoumlglichen Diese Gemische alle im Tierversuch zu testen wie sonst bei Einzelsubstanzen uumlblich waumlre sowohl ethisch nicht zu vertreten als auch praktisch nicht durchfuumlhrbar Daher arbeiten viele Forschungsprojekte u a der EU-Kommission daran tierversuchs-freie Methoden fuumlr die kumulative Bewertung zu entwickeln die die Effekte von Mischungen in vitro oder durch computergestuumltzte Be-rechnungen in silico berechnen (s Interview und Kasten)

Weltweit setzen Laumlnder das Thema auf ihre Agenda

Nicht nur fuumlr die Wissenschaft auch fuumlr den harmonisierten Voll-zug von Gesetzen ergeben sich dadurch neue Herausforderungen So schreibt z B die EU-Verordnung uumlber das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vor Kumulations- und Synergieeffekte zu be-ruumlcksichtigen ndash sofern es von der Behoumlrde anerkannte wissenschaft-liche Methoden zur Messung solcher Effekte gibt Doch die lagen bisher nicht vor Deshalb werden nun auf allen Ebenen technische Leitfaumlden fuumlr die neuen Methoden erstellt um eine harmonisierte

Auf die Mischung kommt es anKumulative Risikobewertung nimmt weltweit eine immer groumlszligere Bedeu-tung in der Toxikologie ein Das BfR arbeitet an einer Vielzahl von Projek-ten wie Mischungen in Zukunft bewertet werden koumlnnen

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

31012017

Vorgehensweise und transparente Nachvollziehbarkeit bei der Zu-lassung von Produkten zu gewaumlhrleisten Unter anderem die EFSA die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmittelsicherheit die Europauml-ische Chemikalienagentur ECHA und das JRC die Gemeinsame Forschungsstelle der Europaumlischen Kommission erarbeiten solche technischen Leitfaumlden

Neben der wissenschaftlichen Komplexitaumlt muumlssen diese techni-schen Leitfaumlden weitere Herausforderungen meistern Sie sollen fuumlr alle Bereiche gelten in denen Mischungen in Verkehr gebracht werden oder entstehen koumlnnen Bisher wurden Mischungen haumlufig nur in einem regulatorischen Bereich untersucht z B als Pflan-zenschutzmittel Biozid oder Arzneimittel Fuumlr andere Stoffe wie Lebensmittelzusatzstoffe oder Kontaminanten war die Bewertung von Mischungen bisher nicht klar gesetzlich reguliert In Zukunft sollen auch diese Stoffe bei einer Bewertung von Mischungen besser beruumlcksichtigt werden Auch soll nicht nur die chemische Zusam-mensetzung eines einzelnen Produktes systematisch bei der Zu-lassung beruumlcksichtigt werden sondern auch Mehrfachruumlckstaumlnde im gesamten Warenkorb den Verbraucherinnen und Verbraucher durchschnittlich zu einer gegebenen Zeit konsumieren Und zu gu-ter Letzt muumlssen die neuen Verfahren weltweit harmonisiert werden um das kumulative Risiko fuumlr Mensch und Umwelt auch angesichts globaler Warenketten gering zu halten Deshalb diskutieren Politik und Wissenschaft zurzeit nicht nur auf europaumlischer Ebene entspre-chende Leitfaumlden auch andere Laumlnder weltweit sowie die Weltge-sundheitsorganisation WHO und die Organisation fuumlr wirtschaftli-che Zusammenarbeit und Entwicklung OECD haben die kumulative Bewertung auf ihre Agenda genommen und stimmen ihre Guidance Documents mit den uumlbrigen Behoumlrden ab

Deutschland wendet die kumulative Bewertung schon an

Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR sind an zahlreichen dieser internationalen Projekte beteiligt sowohl an der wissenschaftlichen Erforschung kumulativer Effekte als auch an der Entwicklung technischer Leitfaumlden Einen wichtigen Schritt bei der kumulativen Bewertung hat Deutschland in der Europaumlischen Uni-

Stufe um Stufe zu einer gesicherten Bewertung

Seit Maumlrz 2017 wird in Deutschland eine Methodik fuumlr die Bewertung von Kumulations- und Synergie-effekten bei der gesundheitlichen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln in den Zulassungsverfahren angewandt Grundlage fuumlr das gestufte kumulative Bewertungsverfahren ist der sogenannte bdquoHazard Quotientldquo (HQ) der fuumlr jeden einzelnen Stoff ermit-telt wird Der HQ errechnet sich aus dem Verhaumlltnis zwischen dem relevanten gesundheitlichen Grenz-wert und der geschaumltzten Exposition

In einer ersten Stufe wird der HQ fuumlr alle Stoffe eines Gemisches einzeln ermittelt Liegt der HQ jedes Stoffes unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko fuumlr die einzelnen Bestandteile der Mischung zu erwarten Liegt dieser bei einzelnen Stoffen uumlber 1 wird gepruumlft ob die Exposition durch geeignete Maszlignahmen weiter vermindert werden kann zum Beispiel durch das Tragen entsprechender Schutz-kleidung

Liegt der HQ fuumlr alle Komponenten unter 1 wird in einer zweiten Stufe der sogenannte bdquoHazard Indexldquo (HI) des Gemisches ermittelt indem alle Gefahren-quotienten der verwendeten Stoffe addiert werden Liegt der ermittelte Wert weiterhin unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko durch das Gemisch zu erwarten

Liegt der HI uumlber 1 geht die Bewertung mit weiter verfeinerten Methoden in die dritte Stufe uumlber In dieser wird gepruumlft ob ein gesundheitliches Risiko vorliegt wenn eine Gruppierung der Einzelstoffe vorgenommen wird Dazu koumlnnen die einzelnen Stoffe in kumulative Bewertungsgruppen (cumula-tive assessment groups CAGs) eingeteilt werden die z B nach Effekten im gleichen Zielorgan oder nach dem gleichen Wirkmechanismus oder nach chemischer Verwandtschaft definiert sein koumlnnen Hintergrund dieser Einteilung ist die Annahme dass sich nach gegenwaumlrtigem Kenntnisstand nur Effek-te addieren die hinsichtlich der Zielorgane oder der Wirkmechanismen (MOA) vergleichbar sind Auch die relative Potenz der einzelnen Stoffe soll bei der verfeinerten Bewertung beruumlcksichtigt werden Liegt der HI innerhalb einer CAG unter 1 ist deshalb kein gesundheitliches Risiko zu erwarten Liegt er oberhalb des Wertes und koumlnnen weder Expositionsschaumltzung noch Gefahrenbewertung weiter verfeinert werden gilt das Gemisch als nicht sicher

Das mehrstufige Verfahren hat den Vorteil dass die ressourcenaufwendigeren Methoden zur verfei-nerten Bewertung z B in vergleichbaren CAGs oder MOAs nur zum Einsatz kommen wenn mit den ersten einfacheren Bewertungsmethoden nicht nachweisbar ist dass kein gesundheitliches Risiko zu erwarten ist

copy T

atom

mis

tock

com

32 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

EuroMix A tiered strategy for risk assessment of mixtures of multiple chemicals

EuroMix ist ein laumlnderuumlbergreifendes Projekt der EU-Kommission das die nie-derlaumlndische Behoumlrde fuumlr Gesundheit und Umweltschutz RIVM koordiniert Es zielt darauf ab eine tierversuchsfreie experi-mentelle Test-Strategie zu entwickeln um die Toxizitaumlt von Gemischen verschiedener toxikologisch relevanter Lebensmittelin-haltsstoffe Lebensmittelkontaminanten und Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde besser zu bestimmen Aus den Forschungsergeb-nissen wird ein Leitfaden fuumlr die kuumlnftige Umsetzung einer experimentellen Test-Stra-tegie entwickelt Das Acht-Millionen-Eu-ro-Projekt laumluft bis Mai 2019

Mehr erfahren wwweuromixprojecteu

Kombinationseffekte Forschungsprojekte des BfR

Am BfR werden in verschiedenen Abteilungen mehrere interne Forschungsprojekte zu Kombinationseffekten durch-gefuumlhrt Dazu gehoumlren u a Forschungsprojekte zu kumulativen Wirkungen in Pflanzenschutzmitteln und Bioziden zu Mehrfachruumlckstaumlnden in Lebensmitteln zur Expositionsschaumltzung sowie zu wirbeltierfreien Alternativmethoden Daruumlber hinaus ist und war das BfR auch an folgenden Drittmittel-Projekten beteiligt die zu Kombinationseffekten forschen

Combiomics Analyse von Kombinationseffekten von Pestiziden in vitro

Combiomics war ein zweieinhalbjaumlhri-ges Projekt des Bundesministeriums fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) das im Fruumlhling 2016 abgeschlossen wurde In dem vom BfR koordinierten Projekt wurden moumlgliche Kombinationswirkungen durch Mehrfachruumlckstaumlnde beispielhaft anhand einer Gruppe von Fungiziden in vitro unter-sucht Dazu wurden die molekularen Effek-te der Triazole mittels multi level omics und praumldiktiver mathematischer Modellierung untersucht Ausgehend von den Ergebnissen wurde ein Praumldiktionsmodell fuumlr Substanz-kombinationen erstellt validiert und auf Pestizide anderer Stoffgruppen bzw weitere Substanzklassen ausgedehnt um Kombi-nationseffekte kuumlnftig weitgehend ohne Tierversuche durchfuumlhrbar zu machen

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschung gt Drittmittelprojekte gt Combiomics

Combiomics 2Auch die zweite Projektphase von Com-biomics wird vom BfR koordiniert Hier sollen erfolgreich getestete Methoden und Zelllinien in Form einer standardisierten In-vitro-Testbatterie validiert und in ein Standardverfahren integriert werden das auch kuumlnftigen regulatorischen Anforde-rungen entspricht Das dreijaumlhrige Projekt wird vom BMBF bis Ende 2019 gefoumlrdert

Mehr erfahren wwwfisaonlinede gt Kombinationseffekte Pestizide

on schon jetzt unternommen Am 1 Maumlrz 2017 erschien im Bundesanzeiger eine Be-kanntmachung dass Kumulations- und Synergieeffekte in der gesundheitlichen Be-wertung von Pflanzenschutzmitteln kuumlnf-tig durch das BfR beruumlcksichtigt werden Damit bezieht Deutschland bei der zonalen Zulassung von Pflanzenschutzmitteln eine systematische kumulative Bewertung ein

Ein Leitfaden zur kumulativen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln wurde am BfR erarbeitet basierend auf den internatio-nalen Diskussionen bei EFSA und ECHA und 2014 veroumlffentlicht Seitdem wird das Verfahren am BfR angewandt uumlberpruumlft und verfeinert Im Kern geht es darum in einem mehrstufigen Verfahren verschie-dene Wirkstoffe in einem Pflanzenschutz-mittel oder in einer beantragten Tankmi-

schung kumulativ zu bewerten (s Kasten) Dazu werden sowohl die Exposition der Anwenderinnen und Anwender als auch die akute Exposition der Verbraucherinnen und Verbraucher betrachtet sodass die am meisten exponierten Gruppen beruumlcksich-tigt sind

Das Ziel Mischungen weltweit harmonisiert zu bewerten

Die Einfuumlhrung der Konzepte zur kumu-lativen Bewertung von Pflanzenschutzmit-teln hat auch in anderen EU-Laumlndern Aus-wirkungen auf die Risikobewertung Wenn Deutschland im zonalen Zulassungsverfah-ren bewertender Mitgliedstaat ist wird das Verfahren grundsaumltzlich angewandt Aber auch in die Bewertungsberichte anderer Laumlnder flieszligt die kumulative Bewertung als

deutscher Kommentar mit ein Durch den fachlichen Austausch zwischen den Mit-gliedstaaten wurde das Konzept in den letz-ten Jahren einem Peer-Review unterzogen Um die Praxis europaweit noch besser zu harmonisieren werden derzeit auszligerdem internationale Workshops organisiert auf denen diskutiert wird wie Mischungen bei der Risikobewertung kuumlnftig beruumlcksichtigt werden sollen Das BfR veranstaltet einen solchen Workshop im November 2017 im Auftrag der Europaumlischen Kommission die Franzoumlsische Behoumlrde fuumlr gesundheitlichen Verbraucher- Umwelt- und Arbeitsschutz (ANSES) einen weiteren im Februar 2018 unter aktiver Beteiligung des BfR

Das Ziel Mischungen weltweit harmoni-siert zu bewerten um Mensch und Umwelt besser zu schuumltzen ruumlckt damit naumlher

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

33012017

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

bdquoZiel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertungldquo Interview mit Herrn Dr Roland Solecki uumlber die Forschungsaktivitaumlten des BfR zu Mehrfachruumlckstaumlnden

Herr Solecki bei Mehrfachruumlckstaumlnden von Pflanzenschutzmitteln sprechen die Medien oft von einem bdquoGiftcocktailldquo Haben Sie Erkenntnisse daruumlber wie groszlig das gesundheitliche Risiko tat-saumlchlich istDas BfR hat dazu gemeinsam mit dem Bun-desministerium fuumlr Ernaumlhrung und Land-wirtschaft und dem Bundesamt fuumlr Ver-braucherschutz und Lebensmittelsicherheit einen Bericht uumlber die kumulativen Wir-kungen von Pflanzenschutzmitteln veroumlf-fentlicht Dieser basiert auf einer Methodik der niederlaumlndischen Behoumlrde fuumlr Gesund-heit und Umweltschutz RIVM Hintergrund ist ein Monitoring das uumlber einen Zeitraum von sechs Jahren in Deutschland durchge-fuumlhrt wurde Darin wurde untersucht wel-che Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde durch-schnittlich uumlber Lebensmittel aufgenommen werden Das Ergebnis war dass auch unter Worst-Case-Annahmen fuumlr die Mischungen von Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnden ein gesundheitliches Risiko unwahrscheinlich ist Die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit EFSA kam in ihrem Monito-ring-Bericht von 2015 fuumlr Gesamteuropa zu einem aumlhnlichen Ergebnis

Sie arbeiten unter anderem bei dem Pro-jekt EuroMix mit Worum geht es dabeiEs handelt sich um ein groszliges Forschungs-projekt der EU-Kommission zur kumulati-ven Bewertung von Mischungen im Rahmen von Horizont 2020 dem Rahmenprogramm der Europaumlischen Union fuumlr Forschung und Innovation Das Projekt hat zum Ziel neue Bewertungsmethoden fuumlr Mischungseffekte zu erarbeiten besonders auch im Hinblick auf Alternativen zu Tierversuchen innovati-ve Wege der Expositionsschaumltzung und Mo-dellierung von kumulativen Risiken Dabei geht es nicht nur um Pflanzenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatzstoffe und andere Chemikalien

Wie ist das BfR da in EuroMix einge-bundenVom BfR arbeiten sowohl die Abteilung Sicherheit von Pestiziden als auch die Ab-teilung fuumlr Lebensmittelsicherheit am Eu-roMix-Projekt mit Waumlhrend die von mir geleitete Abteilung fuumlr die regulative Bewer-tung eingebunden ist werden in der Abtei-lung Lebensmittelsicherheit experimentelle Arbeiten unter anderem zur Lebertoxizitaumlt durchgefuumlhrt in denen auch Kombinatio-nen von Pestiziden mit anderen Lebensmit-telinhaltsstoffen gepruumlft werden

Woran forschen Sie im EuroMix-ProjektWir haben zunaumlchst recherchiert welche gesetzlichen Anforderungen bestehen und wie unterschiedliche Behoumlrden weltweit

Mischungseffekte bewerten Und wir haben Forschungen zu Mischungen durchgefuumlhrt die bestimmte adverse Effekte auf die Leber verursachen Dabei wurden bestimmte Schluumlsselelemente untersucht um daraus ein Konzept fuumlr die Bewertung zu erarbei-ten Jetzt werden die Omics-Untersuchun-gen und andere alternative Pruumlfverfahren noch durch Tierversuche ergaumlnzt sodass wir auch am Gesamtorganismus die Effek-te uumlberpruumlfen koumlnnen Gleichzeitig werden die statistischen Hilfsmittel und die ande-ren elektronisch basierten Tools weiterent-wickelt Auszligerdem folgen noch weitere Stu-dien zur Exposition Die finalen Ergebnisse liegen am Ende des Projekts im Jahr 2019 vor

In welche weiteren europaumlischen Aktivi-taumlten ist das BfR eingebundenDie EFSA hat bereits einige Ansaumltze zur Bewertung der kombinierten Exposition gegenuumlber mehreren Pestiziden und Kon-taminanten bei Menschen sowie mehreren Pestiziden bei Bienen entwickelt Derzeit ist die EFSA damit befasst neue Ansaumltze und Instrumente zur Harmonisierung der Be-wertung von Risiken fuumlr Mensch und Um-welt zu erarbeiten die von der Exposition gegenuumlber mehreren chemischen Stoffen in der Lebensmittelkette ausgehen Ich bin derzeit Mitglied einer Arbeitsgruppe von Sachverstaumlndigen die der Wissenschaftliche Ausschuss der EFSA eingerichtet hat um Leitlinien im Hinblick auf die kombinierte Exposition gegenuumlber mehreren chemi-schen Stoffen zu entwickeln Diese Initiative unter dem Namen bdquoMixToxldquo wird 2018 den Leitfaden in einer oumlffentlichen Konsultation diskutieren

Bei dieser Vielzahl an Aktivitaumlten Wel-ches Ziel haben Sie persoumlnlich vor Au-genDas Ziel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertung von Stoffen in der gesundheitlichen Risikocharakterisie-rung und deren harmonisierte Implemen-tierung in den gesetzlichen Verfahren Dies wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen

bdquoBei den kumulati-ven Risiken geht es nicht nur um Pflan-zenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatz-stoffe und andere Chemikalien

Dr Roland Solecki leitet die Abteilung bdquoSicherheit von Pestizidenldquo am BfR

copy B

fR

34 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

SPEKTRUM

Identifizierung endokriner Disruptoren Vom Grundsatz in die Praxis

Fuumlr Pestizid-Wirkstoffe und andere Chemikalien sind harmonisierte wissenschaftliche Kriterien erforderlich mit denen hormonschaumldigende Substanzen identifiziert werden koumlnnen Das BfR veroumlffentlichte hierzu bereits 2016 ein Konsenspapier als wissenschaftliche Grundlage fuumlr die darauffolgende Arbeit der EU-Behoumlrden Auf legislativer Ebene werden aktuell EU-weit geltende Ver-ordnungen festgelegt um auf wissenschaftlicher Ebene Leitlinien zur regulatorisch harmonisierten Umsetzung dieser Verordnungen zu erarbeiten Mit dieser Aufga-be hat die EU-Kommission die EFSA und die ECHA gemeinsam beauftragt Das BfR unterstuumltzt die Behoumlr-den mit wissenschaftlicher und technischer Expertise indem es die entsprechende Arbeitsgruppe bei der EFSA personell verstaumlrkt sowie Recherchen und Umfragen zur Praktikabilitaumlt von Untersuchungsmethoden durchfuumlhrt Die Publikation der Leitlinien wird fuumlr Fruumlhjahr 2018 erwartet Sie koumlnnen auf Basis der verabschiedeten Ver-ordnungen nach ihrer Implementierung in der Genehmi-gungspraxis angewendet werden

Mehr erfahren Solecki et al 2017 Scientific principles for the identification of endocrine-disrupting chemicals a consensus statement Arch Toxicol 91 1001ndash1006

Insekten-Stopp in Textilien Allergene Wirkung unwahrscheinlich

Das Risiko fuumlr eine Allergie nach dem Kontakt mit Kleidung und Produkten die mit dem Biozid Permethrin behandelt sind ist nach derzeitigem Kenntnisstand unwahrscheinlich Das ist das Ergebnis einer aktuellen Risikobewertung des BfR Gestuumltzt wird das Ergebnis dadurch dass trotz weitverbreiteter Anwendung des Wirkstoffs in Medikamenten und Verbraucherprodukten kein Anstieg der Kontaktallergien gegenuumlber Permethrin zu verzeichnen ist Das Risiko fuumlr kanzero-gene systemische Effekte infolge einer dermalen und oralen Exposition gegenuumlber Permethrin aus Textilien ist nach Ansicht des BfR vernachlaumlssigbar gering Permethrin ist ein biozider Wirkstoff der zum Schutz gegen Insekten in Produkten wie Schlafsaumlcken Picknick- und Yogadecken sowie Teppichen und Kleidung eingesetzt wird Er ist im Chemikalienrecht als sensibilisierend eingestuft ein moumlgliches geringes kanzerogenes Potenzial wird von verschiedenen wissenschaftlichen Gremien diskutiert Der Wirkstoff kann aus Textilien freigesetzt und uumlber die Haut aufgenommen werden Bei kleinen Kindern die viele Produkte in den Mund nehmen kommt eine moumlgliche orale Aufnah-me des Stoffes hinzu

Mehr erfahren Stellungnahme Nr 0062017 des BfR vom 25 April 2017

Wie wirkt Aluminium in Leber und Darm

Aluminium ist in Lebensmitteln Kosmetika und Bedarfsge-genstaumlnden enthalten und kann uumlber die Nahrung aufgenom-men werden Erste Ergebnisse aus dem deutsch-franzoumlsischen Forschungsprojekt bdquoSolNanoToxldquo mit Beteiligung des BfR zeigen dass sich aus der Nahrung aufgenommene Aluminiumverbin- dungen temporaumlr im Darm anreichern Ob und in welchen Men-gen die Partikel weiter in den Koumlrper insbesondere in die Leber gelangen und welche Faktoren ihre Wirkung beeinflussen wird aktuell erforscht Die Forschungsgruppe sieht Anhaltspunkte dafuumlr dass ein Teil der angereicherten Partikel mit dem Stuhl wieder ausgeschieden wird Fuumlr seine Untersuchung simulierte das BfR anhand biologischer Proben die Verdauung verschiede-ner Aluminiumarten vom Mund uumlber den Magen bis zum Darm Mithilfe von Enzymen und Salzen wurden dabei physiologische Parameter wie der pH-Wert gesteuert Waumlhrend des simulierten Verdauungsprozesses veraumlnderten die Aluminiumverbindungen ihre chemische Reaktionsfaumlhigkeit und Loumlslichkeit Die Erkennt-nisse sind ein erster Schritt um den Prozess der Aufnahme Resorption und Verteilung von Aluminium im Koumlrper besser zu verstehen und daraus Daten fuumlr die Risikobewertung abzuleiten Aluminiumverbindungen koumlnnen in zu hohen Dosen toxisch auf das Nervensystem und ungeborenes Leben wirken sowie die Fruchtbarkeit und Knochenentwicklung beeinflussen

copy B

fR

copy c

gsto

cks

hutte

rsto

ckc

om

copy R

osel

ynne

shu

tters

tock

com

35012017

Bei Kleidung ist besonders der Einsatz von Silber-Nanopartikeln weit verbreitet Silber wirkt antibakteriell und soll die Geruchs-bildung durch Schwitzen reduzieren Beim Einsatz von Nanosilber in Kleidungsstuuml-cken ist in erster Linie eine Freisetzung in Schweiszlig und somit ein moumlglicher Hautkon-takt relevant Neben der Frage ob und in welcher Menge Silber prinzipiell aus Texti-lien herausgeloumlst wird beschaumlftigt sich die Forschung mit der Frage welchen Einfluss die Technologie hat mit der Nanosilber auf Textilien aufgetragen bzw eingebracht wird Bisher war zudem unklar inwiefern die Oberflaumlchenbeschichtung der Nano-partikel die Abgabe beeinflusst

Kuumlnstlicher Schweiszlig simuliert Freisetzung

In einem Forschungsprojekt pruumlfte das BfR neun Proben von Textilien die mit Nanosil-ber veredelt waren Als Vergleich diente ein mit konventionellem Silber (hier Silbersalz mit einem Partikeldurchmesser groumlszliger als 100 Nanometer) ausgeruumlstetes Textil Zwei der Textilien waren sogenannte Komposite bei denen Nanosilber in die Faser integriert ist Bei den anderen getesteten Textilien war die Faseroberflaumlche mit Silber-Nano-partikeln bzw in einem Fall mit konventio-nellem Silber beschichtet (Textil-Coating) Um die Abgabe von Silber durch Schwitzen

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

Kleidung wird durch sie wasser- und schmutzabweisend sie blocken UV-Strahlen und mindern Geruumlche Nanoma-terialien haben beliebte funktionelle Eigenschaften Ob sie aufgrund ihrer Winzigkeit gesundheitliche Risiken bergen ist indes noch weitgehend unbekannt In einem Forschungsprojekt uumlber Nanosilber hat das BfR ermittelt ob sich die Kleinstteilchen aus Textilien herausloumlsen und damit zum gesundheitlichen Risiko werden koumlnnen

Nanomaterial

ist ein natuumlrliches bei Prozessen anfallendes oder kuumlnstlich hergestelltes Material das Partikel in ungebundenem Zustand als Aggregat oder als Agglo-merat enthaumllt und bei dem die Mehrheit der Partikel ein oder mehrere Auszligen-maszlige im Bereich unter 100 Nanometer hat In Nanogroumlszlige kann ein Stoff andere Eigenschaften besitzen als wenn er in Form groumlszligerer Partikel vorliegt

copy o

still

shu

tters

tock

com

36 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von Textilfasern Links Nanokomposit bei dem kaum Silberpartikel an der Faseroberflaumlche zu finden sind Mitte und rechts Textilien mit Silbercoating hier befindet sich insgesamt mehr Silber auf der Oberflaumlche

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

zu simulieren wurden die Textilien fuumlr 24 Stunden in einer Schweiszligsimulanz-Louml-sung inkubiert Fuumlr die Auswertung wurde zunaumlchst der gesamte Silbergehalt in den Schweiszligloumlsungen mit massenspektromet-rischen Messmethoden bestimmt In den Proben in denen Silber vorhanden war wurden anschlieszligend mit Zentrifugation und einer speziellen Methode zum Messen von Einzelpartikeln geloumlstes und partikulauml-res Silber unterschieden Im letzten Schritt wurden die Partikelgroumlszligen des vorgefun-denen partikulaumlren Silbers gemessen um nanoskaliges Silber zu identifizieren

Silber aus Kleidung freigesetzt

Die Untersuchung des BfR zeigte dass von jeder Textilprobe Silber in die Schweiszligsi-mulanz-Loumlsung uumlberging je nach geteste-tem Textil zwischen 7 und 75 Prozent des originaumlr in den Textilien enthaltenen Sil-bers Dabei setzten die beschichteten Tex-tilien mehr Silber frei als die Komposite Den houmlchsten abgegebenen Anteil fand das BfR bei dem mit konventionellem Silber beschichteten Textil Die Freisetzung wird demnach staumlrker durch die Technologie der Veredelung bestimmt als durch die im Tex-til enthaltene Menge Auszligerdem scheint die Abgaberate von Silber aus Nanosilber im Vergleich zu konventionellem Silber nicht erhoumlht zu sein

In der Schweiszligloumlsung lag das freigesetzte Silber uumlberwiegend geloumlst vor Partikulaumlres Silber fand sich nur zum geringeren Teil dann jedoch auch im Nanometerbereich Ob es sich dabei um einzelne Nanoparti-kel handelt oder ob das Silber an groumlszligere Partikel gebunden ist muss in weiteren Untersuchungen uumlberpruumlft werden Nach

derzeitigem wissenschaftlichem Kennt-nisstand geht man davon aus dass sich Nanopartikel im Koumlrper anders verhalten als groumlszligere Partikel Uumlberraschenderweise detektierte die Forschungsgruppe auch in den Schweiszligsimulanzien der mit konven-tionellem Silber beschichteten Textilien partikulaumlres Silber in Nanogroumlszlige Das Vor-kommen von Silberpartikeln scheint also nicht davon abhaumlngig zu sein ob das Silber in Nano- oder konventioneller Form auf das Textil aufgebracht wurde

In einer parallelen Untersuchung fanden die Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler heraus dass zudem die Beschaffenheit der Nanopartikel beispielsweise in Form einer speziellen Beschichtung ihre Loumlslichkeit in der Schweiszligloumlsung beeinflusst

Art der Beschichtung relevant

Silber wird demnach aus Textilien freige-setzt in geringen Teilen sogar in partiku- laumlrer Form Die gewaumlhlte Form der Tex-tilfunktionalisierung aber auch die Be-schaffenheit der Nanopartikel stellen dabei wichtige Kriterien fuumlr das Freisetzungsver-halten dar Solche Erkenntnisse sind vor al-lem fuumlr den sicheren Einsatz von Nanoma-terialien in Alltagsprodukten wichtig weil die Exposition des Menschen gegenuumlber derartigen Stoffen moumlglichst klein gehalten werden sollte Auszligerdem geben sie Hin-weise in welcher Anwendungsform Nano-materialien im verbrauchernahen Bereich sicher eingesetzt werden koumlnnen

Mehr erfahren Wagener et al 2016 Textile Functionalization and Its Effects on the Release of Silver Nanoparticles into Artificial Sweat Environ Sci Technol 50 11 5927ndash5934

Per Flugzeitmassenspek-trometer laumlsst sich Silber auf beschichteten Textil-fasern detektieren

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

NANOPARTIKEL

37012017

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

38 BfR 2 GO

Neuer Ansatz fuumlr Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

Spiegelbild gesucht

Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR zeigt einen neuen Ansatz um mithilfe von Genexpressionsdaten das geeignete Tiermodell fuumlr die Grundlagenforschung oder fuumlr spezifische klinische Fra-gestellungen zu identifizieren Damit koumlnnen zukuumlnftig unnoumltige Tierversu-che vermieden werden Hamburger Wissenschaftsbehoumlrden wuumlrdigten die Erkenntnisse mit einem Forschungspreis

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

39012017

Fragestellung

Vergleich

Auswahl

z B bdquoMit welchem Mausmodell koumlnnen die Ursachen von Alzheimer erforscht werdenldquo

Vergleich von vorhandenen Omics-Expressionsdaten von Mensch und Tier

Auswahl des geeigneten Modells

1

2

3

Geeignete Tiermodelle identifizieren

An Tiermodellen werden zahlreiche biologische Prozesse und Krankheiten wie Wund-

heilung Diabetes Tumoren oder entzuumlndliche Erkrankungen erforscht Durch den

Vergleich der Omics-Expressionsdaten von Tiermodell und Mensch koumlnnen geeignete

Modelle fuumlr die jeweilige Fragestellung identifiziert werden

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

40 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Verlaumluft ein entzuumlndlicher Prozess bei Maumlusen aumlhnlich wie beim Menschen Sind Maumluse daher geeignete Ver-

suchstiere fuumlr Tests von antientzuumlndlichen Substanzen Um Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung in den klinischen Alltag zu uumlberfuumlhren ndash Aufgabengebiet der translationalen Forschung ndash werden wissen-schaftliche Fragestellungen oft in Tierversu-chen erprobt Ob und inwieweit die Ergeb-nisse auf den Menschen uumlbertragbar sind ist dabei immer wieder Gegenstand kontrover-ser Diskussionen Geeignete Methoden mit denen die Wissenschaft Tiermodelle mit op-timaler Uumlbertragbarkeit auf den Menschen auswaumlhlen kann wuumlrden dem wissenschaft-lichen Fortschritt helfen und die Zahl der Tierversuche reduzieren Es geht dabei um die Frage welches Tiermodell am besten das menschliche System widerspiegelt

Vergleichbarkeit von Genom- daten fehleranfaumlllig

Als Grundlage fuumlr diese Uumlberlegungen die-nen Daten aus modernen bioanalytischen Hochdurchsatzverfahren Immer haumlufiger setzt die Wissenschaft auf diese sogenannten Omics-Technologien die die Gesamtheit aller Gene und ihrer Produkte analysieren ndash sowohl beim Tier als auch beim Menschen Mit ihnen lassen sich molekulare Prozesse in lebenden Systemen umfassend darstel-len indem sie beispielsweise die Interaktion hunderter bis tausender Genprodukte zei-gen Die Analyse dieser zunehmend kom-plexen Omics-Datensaumltze stellt die Wissen-schaft jedoch vor Probleme da das Vorgehen dazu nicht standardisiert ist Die Interpreta-tion der Ergebnisse ist bisher meist von der Kompetenz der Durchfuumlhrenden und von der angewandten Methode abhaumlngig Im Ergebnis war die Entscheidung zur Frage der Uumlbertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen fehleranfaumlllig und die Suche nach

geeigneten Tiermodellen erschwert Die ge-ringe Standardisierung der Interpretation von Omics-Daten fuumlhrte in Forschungs-kreisen bereits zu widerspruumlchlichen Er-gebnissen so zum Beispiel bei zwei Studien aus den Jahren 2013 und 2015 die sich mit der Vergleichbarkeit von entzuumlndlichen Er-krankungen beim Menschen und gaumlngigen Mausmodellen beschaumlftigten Waumlhrend eine Forschungsgruppe im Jahr 2013 schlussfol-gerte dass entzuumlndliche Prozesse zwischen Mensch und Maus nicht vergleichbar seien kam eine andere Gruppe zwei Jahre spaumlter anhand der gleichen Omics-Daten zum ge-genteiligen Schluss Die Maus reagiere auf der molekularen Ebene sehr aumlhnlich wie der Mensch und sei daher als Tiermodell sehr nuumltzlich fuumlr die Erforschung menschlicher Erkrankungen Zwar ist es nicht ungewoumlhn-lich dass Ergebnisse von Studien unter-schiedlich eingeschaumltzt werden ndash allerdings selten auf Basis der gleichen Daten

Motivation des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR war es diese Widerspruumlche aufzuklaumlren und einen standardisierten und zielgerichteten Analyseansatz zu entwickeln der die Suche nach geeigneten Tiermodellen vereinfacht und somit unnoumltige Tierversuche vermei-den hilft Es gehoumlrt zu den Kernaufgaben des Bf3R bundesweit alle Aktivitaumlten zu koordi-nieren mit den Zielen Tierversuche auf das unerlaumlssliche Maszlig zu beschraumlnken und fuumlr Versuchstiere den bestmoumlglichen Schutz zu gewaumlhrleisten Die Aufgaben des Bf3R wer-den vom BfR wahrgenommen

Genomdaten von Tier und Mensch gezielt vergleichen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler des Bf3R haben die Omics-Daten aus den beiden erwaumlhnten widerspruumlchlichen Studien mithilfe hochperformanter Com-

puter nochmals systematisch ausgewertet Dabei wurden zunaumlchst die zu verglei-chenden Gene gruppenweise biologischen Prozessen zugeordnet die wesentlich fuumlr ein Entzuumlndungsgeschehen sind Diese Gene Set Enrichment Analysis (GSEA) ge-nannte Methode greift auf umfangreiche in oumlffentlichen Datenbanken hinterlegte Genomdaten gaumlngiger Tiermodelle und von Erkrankten zuruumlck Mit ihrer Heran-gehensweise konnten die Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler des BfR an-schlieszligend Veraumlnderungen auf der Ebene pathologischer Signalwege erkennen und Unterschiede zwischen Tiermodell und Mensch identifizieren Da der Groszligteil der untersuchten Genprodukte haumlufig nur geringfuumlgig veraumlndert war konnten bei der Analyse auf Ebene vollstaumlndiger bio-logischer Signalwege alle Gene einbezogen und Aumlnderungen in der Gesamtheit eines biologischen Signalwegs bewertet werden Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu bisherigen Analyseansaumltzen da fuumlr die Klauml-rung translationaler Fragestellungen bisher haumlufig willkuumlrlich und subjektiv Gene von Mensch und Tiermodell fuumlr einen direkten Eins-zu-eins-Vergleich ausgewaumlhlt wurden

Die systematische Auswertung des Bf3R zeigte dass die Ergebnisse beim vorlie-genden Genomdatenvergleich bei einigen Mausmodellen gut mit den beim Menschen ermittelten Daten uumlbereinstimmten Bei an-deren Mausmodellen hingegen war es nicht so So aumlhnelt das Entzuumlndungsgeschehen bei Maumlusen die mit Staphylococcus aureus (Staphylococcus-aureus-Injektionsmodell) infiziert sind oder eine Darmperforation (Cecal-ligation-and-puncture-Modell) erfah-ren den meisten klinischen Proben Hin-gegen verlaufen Erkrankungen die durch Lipopolysaccharide (LPS) und Streptococcus pneumoniae verursacht werden bei Mensch und Maus verschieden

Omics

Der Terminus beschreibt Methoden zur

Analyse komplexer biologischer Proben

auf der Ebene des gesamten Genoms

von Transkripten Proteinen oder Meta-

boliten

41012017

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

Forschungsansatz hilft Tierversuche zu reduzieren

Die Methode der Datenanalyse mittels GSEA-Ansatz erleichtert es Forschungs-gruppen zukuumlnftig zielgerichtet und stan-dardisiert das optimale Tiermodell aus-zuwaumlhlen das am besten die menschliche Situation abbildet Voraussetzung dafuumlr ist die Existenz von Omics-Daten zur klini-schen Fragestellung sowie zu den infrage kommenden Tierversuchen Dies ist bereits fuumlr eine Vielzahl von Tiermodellen sowie von humanen Erkrankungen der Fall neben Entzuumlndungserkrankungen beispielsweise fuumlr Herz-Kreislauf-Erkrankungen Krebser-krankungen Atemwegserkrankungen Stoff-wechselerkrankungen und neurologische Erkrankungen Aufgrund der vermehrten Verwendung von Omics-Methoden kann davon ausgegangen werden dass stetig wei-tere systembiologische Daten ermittelt und veroumlffentlicht werden Die vom Bf3R ange-wandte Methode wird daher weiterhin bei der gezielten Auswahl von Tiermodellen nuumltzlich sein

Das Verfahren kann in der Grundlagen-forschung sowie in der translationalen und angewandten Forschung eingesetzt werden Diese Bereiche machten 2015 nach Anga-ben des Bundesministeriums fuumlr Ernaumlh-rung und Landwirtschaft mit insgesamt 73 Prozent den groumlszligten Teil der Tierversuche aus Ein Groszligteil davon entfaumlllt auf Maumluse Ratten und zunehmend auch auf Fische Grundsaumltzlich kann die neue Methode zur Auswahl des geeigneten Versuchstiermo-dells bzw zum Ausschluss nicht geeigneter Versuchstiermodelle bei jeglichen Tierver-suchen in diesen Bereichen genutzt werden Analog zu den Versuchstierzahlen liegen derzeit die meisten Omics-Daten fuumlr Maus und Ratte vor So sind beispielsweise allein in der oumlffentlichen NCBI GEO-Datenbank (National Center for Biotechnology Informa-tion Gene Expression Omnibus) derzeit Da-ten zu ca 340000 Maus-Proben und 75000 Ratte-Proben gelistet

Methode identifiziert geeignete Zellkulturmodelle

Dabei ist die Methode des Bf3R nicht auf humane und murine Datensaumltze beschraumlnkt sondern kann auf alle weiteren Spezies an-gewandt werden fuumlr die umfangreiche Da-tenbanken zu biologischen Signalwegen oder Gengruppen vorliegen Auch fuumlr die Beurteilung von zellbasierten Alternativ-methoden kann der neue Forschungsansatz

herangezogen werden Durch einen system-biologischen Abgleich der klinischen Daten mit Omics-Daten aus beispielsweise neuar-tigen 3D-Zellkulturen oder organaumlhnlichen Mikrostrukturen wird die Charakterisierung und Verifizierung von zellbasierten Alterna-tivmethoden ermoumlglicht

Praumlmierte Forschungsleistung

Fuumlr ihre Forschung erhielten die Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR 2016 den Hamburger Forschungspreis zur Foumlrderung der Entwicklung von Ersatz- und

Ergaumlnzungsmethoden Die Auszeichnung wurde zum erstem Mal von den Hamburger Behoumlrden fuumlr Gesundheit und Verbraucher-schutz sowie fuumlr Wissenschaft Forschung und Gleichstellung mit einem Foumlrderpreis in Houmlhe von 20000 Euro ausgeschrieben Der Preis wird fuumlr Arbeiten vergeben die einen Beitrag leisten Tierversuche zu ersetzen oder zu minimieren

Mehr erfahrenWeidner et al 2016 Defining the optimal animal model for translational research using gene set enrichment analysis EMBO Molecular Medicine 8 8 831ndash838

Wofuumlr Versuchstiere in Deutschland eingesetzt werden

630255Herstellung und Qualitaumlts-kontrolle medizinischer Produkte toxikologische Sicherheitspruumlfungen

22

59

14 5

1643259Grundlagenforschung

144997sonstige Zweckez B Zucht Aus- und Weiterbildung

381450translationale und angewandte Forschung

Que

lle B

unde

smin

iste

rium

fuumlr E

rnaumlh

rung

und

Lan

dwirt

scha

ft V

ersu

chst

ierz

ahle

n 20

15

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

42 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Alternativen zu Tierversuchen Forschung regional buumlndeln

Eine individualisierte Schmerztherapie fuumlr Versuchsmaumluse und eine Verringerung von Tierexperimenten zum Test der Inhala- tionstoxizitaumlt von Nanomaterialien (siehe rechte Spalte) ndash hierzu sollen die ersten Arbeitsergebnisse des BfR im Berlin-Bran-denburgischen Verbundprojekt BB3R zukuumlnftig beitragen Das Netzwerk aus Universitaumlten und Bundesinstitutionen forscht um Tierversuche zu vermeiden (Replacement) bzw zu verringern (Reduction) sowie das Leiden von Versuchstieren zu vermindern (Refinement) Das BfR ist als einer von sechs Verbundpartnern in den Bereichen der Refinement- und Replacement-Forschung beteiligt Das Bundesforschungsministerium foumlrdert das mit BB3R abgekuumlrzte Projekt fuumlr vier Jahre bis Fruumlhjahr 2018 es ist als Plattform fuumlr den wissenschaftlichen Austausch konzipiert und integriert ein Graduiertenkolleg

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschungwwwbb3rde

Belastung von Laborfischen erkennen

Koumlrperbau

Koumlrpermerkmale

Verhaltenkreisendes Schwimmen

Belastung von Laborfischen erkennen

Ob Laborfische Schmerzen empfinden oder leiden laumlsst sich mithilfe konkreter Kriterien beurteilen Die Vorarbeiten hierzu koordinierte der bdquoNationale Ausschuss zumSchutz von fuumlr wissenschaftliche Zweckeverwendeten Tierenldquo am BfR gemeinsam mit externen Sachverstaumlndigen und Beauf-tragten von Genehmigungsbehoumlrden Die erstmals definierten Kriterien bewerten unter anderem Auffaumllligkeiten im Koumlrper-bau sowie im Verhalten der Tiere Schmer-zen und Leiden koumlnnen so gezielt behandelt und gelindert werden Da die Frage der Belastung der Tiere anhand der Kriterien eindeutig geklaumlrt werden kann dienen sie zudem als Entscheidungshilfe fuumlr Behoumlr-den welche die Zucht belasteter genetisch veraumlnderter Tiere genehmigen muumlssen Fische insbesondere Zebrafische sind nach Maumlusen und Ratten die am dritthaumlufigsten verwendete Versuchstierart Die Zahl der Versuchsfische hat in den letzten Jahren stetig zugenommen

Mehr erfahren Bert et al 2016 Considerations for aEuropean animal welfare standard toevaluate adverse phenotypes in teleost fish EMBO J 35 11 1151ndash1154Empfehlung des Nationalen Ausschusses TierSchG Nr 0012015

Test der Inhalationstoxizitaumlt von Nanomaterialien

Die Einatmung gilt als wichtigster Aufnahmeweg fuumlr Nanomaterialien Im Rahmen der BB3R-Forschung bildet das BfR diese Art der Exposition mit In-vitro- Atemwegsepithelmodellen an ihrer Grenzflaumlche zur Luft ab Dieser Ansatz zum Test der Inhalationstoxi-zitaumlt hilft Anzahl und Umfang von Tierversuchen zu verringern

Versuchsaufbau Drei Roumlhrchen leiten ein Testaerosol mit luftgetragenen Nanomaterialien auf Epithelzellen

SPEKTRUM

copy B

fR

43012017

Jubilaumlumsfeier und internationales Symposium

Am 29 November 2017 feiert das BfR sein 15-jaumlh-riges Bestehen mit einem Festakt Geplant ist eine Feier mit ausgewaumlhlten Gaumlsten in der Akademie der Kuumlnste Anschlieszligend findet vom 30 Novem-ber bis zum 01 Dezember 2017 das gemeinsame internationale Symposium des BfR und seiner Schwesterinstitutionen aus Daumlnemark (DTU Food) und Frankreich (ANSES) sowie der suumldko-reanischen Behoumlrde fuumlr Lebens- und Arzneimittel-sicherheit (NIFDS) statt Unter dem Motto bdquoPast Present and Future Challenges in Risk Assessment ndash Strengthening Consumer Health Protectionldquo werden die letzten anderthalb Jahrzehnte Risikobewer-tung betrachtet Daruumlber hinaus werden aktuelle Aktivitaumlten sowie zukuumlnftige Herausforderungen des Verbraucherschutzes wie mikrobiologische Erreger chemische Substanzen Methoden und Harmonisierung auf nationaler wie internationa-ler Ebene diskutiert

VERANSTALTUNGEN

Nachwuchs foumlrdern

Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu foumlr-dern baut das BfR wissenschaftliche Nachwuchs-gruppen zu bestimmten Schwerpunktthemen auf Die bereits 2015 eingerichtete Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Warenketteldquo wird im Herbst 2017 durch einen weiteren Dokto-randen verstaumlrkt

Verstaumlrkung im Versuchstierschutz

Seit dem 1 April 2017 staumlrkt die Berufung von Herrn Universitaumltsprofessor Dr Lars Lewejo-hann den Kompetenzbereich bdquoVerminderung der Belastung und Verbesserung der Lebenssitua-tionldquo des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) Neben der Leitung der Fachgruppe bdquoTierschutz und Versuchstierkundeldquo im BfR wird Lars Lewejohann sein Wissen und neue Erkenntnisse als Hochschullehrer fuumlr bdquoTier-schutz mit dem Schwerpunkt Refinementldquo an der veterinaumlrmedizinischen Fakultaumlt der Freien Universitaumlt Berlin an Studierende und Doktoran-den weitergeben

PERSONALIEN

Alternativmethode zum Tierversuch bdquoKnochen-auf-dem-Chipldquo

Im Mai 2017 fand bei der Gemeinsamen For-schungsstelle (GFS)Joint Research Centre (JRC) der Generaldirektion (Directorate General) der Europaumlischen Kommission eine Summer School zu alternativen Ansaumltzen zum Tierversuch fuumlr die Risikobewertung in Ispra (Italien) statt Dort wurde Herr Dr Ing Frank Schulze aus der BfR-Fachgruppe bdquoZEBET ndash Alternativmethoden zu Tierversuchenldquo fuumlr seine Praumlsentation und das dazugehoumlrige Poster zum Thema bdquoEin Knochen-auf-dem-Chip fuumlr die Grundlagenwissenschaft und die Identifizierung von knochenschaumldigen-den Substanzenldquo mit einem Posterpreis (1 Platz) ausgezeichnet

copy B

fR

copy p

rivat

INSTITUTSLEBEN

44 BfR 2 GO

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

Ein Bildschirm ein Rechner ein Infra-rotspektrometer und viele kleine Pro-bengefaumlszlige gefuumlllt mit Fett extrahiert

aus Hartkaumlse Allgaumluer Emmentaler Ein Laborant entnimmt eine stecknadelkopf-groszlige Fettprobe und bringt sie auf das Ana-lysegeraumlt auf Sekunden spaumlter erscheint auf dem Bildschirm eine Wellenlinie aus 1800 Datenpunkten das Spektrum der Kaumlse-fettprobe Ein zweites Labor eine weitere Analyse Roumlhrchen fuumlr Roumlhrchen holt sich ein Greifarm Allgaumluer-Emmentaler-Proben und bringt sie in das starke Magnetfeld ei-nes Kernspinresonanz-Spektrometers ein Die Messung erzeugt bis zu 130000 Da-tenpunkte die fuumlr die jeweilige Kaumlseprobe charakteristisch sind Ein drittes Labor eine dritte Messmethode Mit der Isotopen-verhaumlltnis-Massenspektrometrie wird hier die Herkunft der Hartkaumlse-Proben be-stimmt Insgesamt sollen 150 bis 200 Pro-ben beschafft und analysiert werden bdquoAlle Daten werden aufgearbeitet und flieszligen in eine Auswertungs-Software die fuumlr jede Methode ein charakteristisches Datenspek-trum ndash den authentischen Fingerabdruck von Allgaumluer Emmentaler ndash berechnetldquo so Dr Susanne Esslinger Sie koordiniert die Versuche zum Authentizitaumltsnachweis von Allgaumluer Emmentaler

Die Suche nach dem Fingerabdruck

In den BfR-Laboren arbeiten Wissenschaft-lerinnen und Wissenschaftler daran den typischen unverwechselbaren Fingerab-

druck von verschiedenen Lebens- und Futtermitteln darunter Wein Spirituosen Kraumluter und Gewuumlrze Hartkaumlse Speiseoumlle und Mais zu finden Ihr Ziel ist es die Echtheit dieser Produkte bzw Abweichun-gen und somit Verfaumllschungen erkennen zu koumlnnen Ist dies gelungen wird Lebens-mittelfaumllschung erschwert Die Vergabe des EU-Guumltezeichens bdquoGeschuumltzte Ursprungs-bezeichnungldquo garantiert dass fuumlr die spe-zielle Produktbezeichnung bdquoAllgaumluer Em-mentalerldquo die Erzeugung Verarbeitung und Herstellung tatsaumlchlich im Allgaumlu erfolgt sein muumlssen Was nuumltzt das Guumlte-zeichen aber wenn es keine Methoden gibt um Original und Faumllschung zu unterschei-den Das BfR hat daher eine Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Waren-ketteldquo eingerichtet um die Forschung und interdisziplinaumlre Vernetzung zur Standar-disierung von Datenerhebungen zum Au-thentizitaumltsnachweis zu staumlrken

Das BfR beteiligt sich an mehreren natio-nalen und internationalen Verbundprojek-ten um neuartige Ansaumltze und Strategien fuumlr den Nachweis von Lebensmittel- und Futtermittelverfaumllschungen zu entwickeln mit denen derartige Praktiken weltweit besser aufgedeckt werden koumlnnen Die Schwerpunkte der BfR-Forschung zu die-sem Thema sind die Herkunftsbestimmung und Identifizierung unbekannter Zusaumltze mittels zielgerichteter sowie nicht zielge-richteter Analytik in Kombination mit sta-tistischen Verfahren und Fragen zur Daten-aufbereitung und -interpretation

Nicht zielgerichtete Analytik

Eine Herausforderung bei der Suche nach dem analytischen Charakteristikum von Lebensmitteln ist die natuumlrliche Variation von Inhaltsstoffen bdquoDeswegen muss erst einmal eine Vielzahl von unverfaumllschten Proben genommen werden um charak-teristische Merkmale in den Datensaumltzen zu findenldquo erklaumlrt Dr Carsten Fauhl-Has-sek der im BfR verschiedene Forschungs-projekte zur Authentizitaumltspruumlfung von Lebens- und Futtermitteln leitet bdquoUnsere Ergebnisse zeigen dass die Idee des unver-wechselbaren Fingerabdrucks von Lebens-mitteln funktioniertldquo Das BfR hat bereits

Die Vorbereitung der Kaumlseproben fuumlr die Untersuchung beinhaltet die Homogenisierung mit fluumlssigem Stickstoff

bdquoSehr deutlich sind die Datenpunkte zu erkennen die sich auszligerhalb des Normbereichs ndash der Bande ndash be-wegen Faumlllt ein Lebensmittel aus diesem Raster ist es verdaumlchtig

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

SCHWERPUNKTTHEMA AUTHENTIZITAumlT

8 BfR 2 GO

den physikalisch-chemischen Fingerab-druck verschiedener Weine Speiseoumlle oder juumlngst von Kraumlutern und Gewuumlrzen mittels Infrarot- und Kernspinresonanz-Spektro- skopie erfasst Das BfR-Labor wurde dafuumlr auch zur Faumllscherhoumlhle Kraumluter und Ge-wuumlrze sind mit unterschiedlichsten Zusaumlt-zen gemischt und deren aufbereitete Pro-ben ebenfalls mithilfe der Analysegeraumlte vermessen worden bdquoSehr deutlich sind die Datenpunkte zu erkennen die sich auszliger-halb des Normbereichs ndash der Bande ndash be-wegen Faumlllt ein Lebensmittel aus diesem Raster ist es verdaumlchtigldquo so Dr Fauhl-Has-sek So sehen die Spektren von z B mit Oli-venblaumlttern gestrecktem Oregano oder die von mit Sudanrot ndash eine Substanz die im Verdacht steht ein genotoxisches Kanzero-gen zu sein ndash gepanschtem Paprikapulver eindeutig anders aus

Die neuen Analyseverfahren mittels des charakteristischen Fingerabdrucks eines Lebensmittels ermoumlglichen somit eine flexible und schnelle Form der Echtheits-pruumlfung Statt gezielt nach gefaumllschten Produkten zu suchen steht hier der Au-thentizitaumltsnachweis im Fokus Diese neue Herangehensweise bezeichnet man auch als nicht zielgerichtete Analytik

Cloud der Fingerabdruumlcke

Zur perspektivischen routinemaumlszligigen An-wendung der nicht zielgerichteten Analytik fuumlr die Lebensmittelsicherheit muss aller-dings zunaumlchst eine gemeinsame Nutzung der Datenbanken fuumlr Referenz-Lebensmit-tel-Fingerabdruumlcke aller Akteure im Bereich Lebensmittelsicherheit ermoumlglicht werden Auch muss sichergestellt sein dass die Daten- erhebung sowie die anschlieszligende Analyse aller Nutzer vergleichbare Ergebnisse liefern

Das BfR arbeitet im Forschungsverbund an folgendem vereinfacht skizziertem Zu-kunftsszenario Zertifizierte amtliche und private Labore stellen ihre Lebensmit-tel-Fingerabdruumlcke uumlber eine Daten-Cloud bereit Hersteller Verarbeitungs- und Ver-edlungsbetriebe steuern die dazugehoumlrigen Produktinformationen bei Wenn Uumlber-wachungsbehoumlrden oder der Groszlig- und Einzelhandel Lebensmittelproben auf ihre Echtheit uumlberpruumlfen wollen vergleichen sie den Fingerabdruck ihrer eigenen Probe mit denen in der Fingerprint-Cloud Gibt es sig-nifikante Abweichungen ist das Lebensmit-tel zunaumlchst auffaumlllig und sollte weiter un-tersucht werden Noch sind viele technische und organisatorische Huumlrden zu nehmen

Das Prinzip bdquoNicht zielgerichteter Verfahrenldquo

Wavenumbers (cm-1)

Ab

sorb

anc

e

Paprikaproben Paprika dotiert mit Siliciumdioxid

Relevante Aspekte bei der Pruumlfung

Authentizitaumltspruumlfungen koumlnnen offizielle Produktbeschreibungen bestaumltigen oder betruumlgerische Aussagen nachweisen Relevante Aspekte dabei sind die Sub-stitution durch preiswertere aber aumlhnli-che Zusaumltze die Streckung mit fremdar-tigen Substanzen (z B Wasser Staumlrke) oder die Anwendung nicht gekenn-zeichneter oder unzulaumlssiger Verfahren wie Bestrahlung oder Extraktion die Bestaumltigung der geografischen Herkunft der botanischen oder zoologischen Spezies oder der Herstellungsprozesse wie bio konventionell oder gentechnisch veraumlndert sowie die Deklaration und Angaben zur Ruumlckverfolgbarkeit (Pro-duktkennzeichnung Prozessablaumlufe Chargenidentifikation)

Exogene Signale bei Verfaumllschung

copy M

Una

l Ozm

ens

hutte

rsto

ckc

om

LEBENSMITTELFAumlLSCHERN AUF DER SPUR

9012017

Eine stecknadelkopfgroszlige Kaumlsefettprobe wird auf das Analysegeraumlt aufgebracht Um charakteristische Merkmale in den Datensaumltzen zu finden muumlssen Dr Carsten Fauhl-Hassek (im Bild rechts oben) und sein Team eine Vielzahl solcher Proben nehmen und am Computer analysieren

bdquoErst muumlssen einheitliche Datenstandards verteilt operierende Systemloumlsungen und organisatorische Loumlsungsansaumltze zur Ge-waumlhrleistung der Datenintegritaumlt und -qua-litaumlt entwickelt werdenldquo erlaumlutert Matthias Filter bdquodamit diese Vision im Bereich Le-bensmittelsicherheit realisierbar istldquo Er ko-ordiniert am BfR die Arbeiten zum Schwer-punkt bdquoGlobale Warenkettenldquo

Vernetzte Referenzdatenbanken

Damit das Zukunftsszenario naumlher ruumlckt forschen Wissenschaftlerinnen und Wis-senschaftler am BfR zu der Entwicklung von mathematischen und statistischen Mo-dellen fuumlr die Datenauswertung und Har-monisierung von Datenaustauschformaten sowie zur harmonisierten Probennahme Dies sind wesentliche Voraussetzungen fuumlr den Aufbau und die Routineanwendung

von kollaborativen Referenzdatenbanken die uumlber die Cloud verfuumlgbar gemacht wer-den koumlnnen bdquoBislang verwendet jeder Her-steller von Spektrometern aber beispiels-weise noch eigene Datenformate sodass die Daten erst einmal dechiffriert werden muumlssen damit sie fuumlr alle Beteiligten ver-wendbar sindldquo sagt Filter

Bis solche Referenzdatenbanken der typi-schen chemisch-analytischen Profile von Lebensmitteln aufgebaut und fuumlr den flauml-chendeckenden Einsatz im Netzwerk aus Uumlberwachungsbehoumlrden Laboratorien so-wie Herstellern und Haumlndlern fertiggestellt sind dauert es nach Einschaumltzung der Exper-ten sicher noch 10 bis 15 Jahre Umso wichti-ger ist es jetzt die Weichen zu stellen

Mehr erfahrenwwwbfrbundde gt A-Z-Index Authentizitaumlt

Die Suche nach dem Fingerabdruck

Beim Aufbau von standardisierten Referenzdatenbanken kommen soge-nannte nicht zielgerichtete Verfahren zum Einsatz Dabei wird der physika-lisch-chemische Fingerabdruck von Lebensmitteln anhand spektromet-rischer undoder spektroskopischer Daten erhoben Dieser dient als Vergleichsstandard mit dem die Daten unbekannter Lebensmittelproben vergli-chen werden Abweichungen koumlnnen so leichter erkannt werden und Uumlber-wachungsbehoumlrden muumlssen nicht mehr gezielt nach bestimmten unerwuumlnsch-ten Substanzen suchen die oftmals noch gar nicht bekannt sind

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

10 BfR 2 GO

SCHWERPUNKTTHEMA AUTHENTIZITAumlT

Food Integrity EU-Konsortium gegen gefaumllschte Lebensmittel Das EU-Konsortium aus 38 Projektpartnern will strukturelle und methodische Voraus-setzungen schaffen um Verfaumllschungen fruumlhzeitig einheitlich erkennen zu koumlnnen Dazu sollen u a ein Netzwerk zwischen Be-houmlrden Industrie und Forschung aufgebaut Pruumlfprozesse harmonisiert und Wissensda-tenbanken erstellt werden Das Projekt laumluft bis Ende 2018

FoodAuthent Kollaborative Referenzdatenbanken fuumlr chemische Fingerabdruumlcke In dem dreijaumlhrigen Projekt werden Grundlagen fuumlr den Routineeinsatz von Fingerprinting-Analyseverfahren im Lebensmittelsektor und in der amtlichen Uumlberwachung geschaffen Zusammen mit den Projektpartnern entwickelt das BfR bis April 2019 gemeinschaftliche Fingerprin-ting-Datenbanken sowie Schnittstellen zu privatwirtschaftlich betriebenen Pro-duktinformationssystemen Exemplarisch erfolgt dies fuumlr Hartkaumlse Speiseoumlle und Spirituosen Die Daten sollen fuumlr die mit-wirkenden Akteure im Lebensmittelbereich frei zugaumlnglich sein

Original oder Faumllschung ndash Gemeinsam gegen Lebensmittelgaunerei

Das BfR beteiligt sich an Drittmittelprojekten um Herstellern und Uumlberwa-chungsbehoumlrden Methoden an die Hand zu geben mit denen schnell sicher und kosteneffizient die Echtheit eines Lebensmittels erkannt werden kann Einige werden hier vorgestellt

Animal-IDHerkunftsnachweis von tierischen Proteinen in Futter- und Lebens-mitteln Die Projektpartner kombinieren Massen- spektrometrie mit Verfahren zur Protein-anreicherung um Analysemethoden zur gewebespezifischen Herkunftsbestimmung von Futtermitteln zu entwickeln sowie Schnelltests auf Basis von proteinbasierten ELISA DipStick-Tests fuumlr die wichtigsten Tierarten in der Fleischproduktion wie Rind Schwein Pferd und Huhn Das BfR koordiniert das Vier-Jahres-Projekt (2016 bis 2019)

FoodRisk-Lab Softwareloumlsungen zur Unterstuumlt-zung der Bewertung von Risiken Das BfR entwickelt frei verfuumlgbare Soft-wareloumlsungen und Web-Dienste fuumlr die Bewertungsarbeit behoumlrdlicher Einrichtun-gen sowie fuumlr Wissenschaft und Forschung FoodChain-Lab unterstuumltzt z B die Ruumlckverfolgung von Futter- und Lebens-mitteln entlang der Warenketten und ermoumlglicht eine interaktive Analyse von Ausbruchsgeschehen Weitere Programme dienen der mathematischen Modellierung von Gefahren im Bereich der Futter- und Lebensmittelsicherheit

SPICEDSicherung der Gewuumlrz- und Kraumluterwarenketten Europas Gewuumlrze und Kraumluter werden sehr vielen Lebensmitteln zugesetzt Die Ergebnisse des Forschungsprojektes tragen dazu bei die Gewuumlrz- und Kraumluterwarenketten Euro-pas gegen natuumlrliche unabsichtliche und absichtliche biologische und chemische Ver-unreinigungen zu schuumltzen Das Projekt mit 11 Partnern aus sieben EU-Laumlndern wurde von 2013 bis 2016 im 7 Rahmenprogramm der EU gefoumlrdert und vom BfR koordiniert

11012017

FORSCHUNGSPROJEKTE

bdquoWir wollen Faumllschungen einen Riegel vorschiebenldquo

Professor Wittkowski welche Lebens- mittel werden uumlblicherweise verfaumllschtGefaumllscht wird uumlberall dort wo ein oumlkono-mischer Vorteil erzielt werden kann Pro-duktpiraterie kommt deswegen vor allem bei hochqualitativen und teuren Markenpro-dukten wie Olivenoumll Schafskaumlse Wein oder Spirituosen vor Ein uumlblicher Trick ist min-derwertige Zutaten als hochwertige zu ver-kaufen wie Shrimps als Garnelen Bei Pro-dukten bei denen die geografische Herkunft ein Qualitaumltsmerkmal ist wie Parma- oderSerrano-Schinken Irischer Whiskey oder Champagner wird versucht die Herkunft vorzutaumluschen

Koumlnnen Verbraucher denn noch der Le-bensmittelsicherheit vertrauen Glaubwuumlrdigkeit Vertrauen und Sicherheit sind eng miteinander verknuumlpft Menschen wollen einkaufen kochen essen und trin-ken gesund bleiben und es soll schmecken Sie wollen nicht wissen wie der Wein filt-riert oder bei welcher Temperatur der Kaf-fee geroumlstet wurde aber sie wollen darauf vertrauen dass die Angaben stimmen und dass diese Technologien sichere Lebens-mittel erzeugen Dies ist nur moumlglich weil es Standards fuumlr die Lebensmittelwirtschaft gibt und Uumlberwachungsbehoumlrden die Ein-haltung pruumlfen

Nur weil Parma-Schinken nicht aus Par-ma kommt stellt er doch noch kein Ge-sundheitsrisiko dar Geht es nicht viel-mehr um oumlkonomische Interessen der Hersteller Wissenschaftler koumlnnen zunaumlchst Normab-weichungen erkennen nicht aber die Mo-tivation von Verfaumllschern Zunaumlchst wird selbstverstaumlndlich eine Risikobewertung derartiger Befunde durchgefuumlhrt Anschlie-szligend kann man nach weiterer Uumlberpruumlfung und Ruumlckverfolgung der Lieferketten ent-scheiden ob es eine gezielte Verfaumllschung war oder nicht

Koumlnnen Sie ein Beispiel gebenStatt Rindfleisch wurde vor einigen Jahren in Lasagne Pferdefleisch nachgewiesen Im ersten Moment ein gesundheitlich unbe-denklicher Betrugsfall Pferdefleisch ist ein hochwertiges Lebensmittel Allerdings war nicht bekannt woher das Fleisch kam und ob es mit verbotenen undoder gesundheits-schaumldlichen Arzneimitteln belastet war Das wurde dann uumlberpruumlft und das Fleisch fuumlr unbedenklich erklaumlrt Oder Aufgrund des traditionellen Anbaus hatten Pistazien aus dem Iran eine Zeit lang erhoumlhte Mykoto-xingehalte und unterlagen daher strengen Auflagen bei der Einfuhr nach Europa Zur Umgehung dieser Auflagen traten Falsch-deklarationen der Herkunft auf Iranische Pistazien wurden als Pistazien aus Kaliforni-en in den Markt gebracht

Es geht also in erster Linie immer um Verbraucherschutz und nicht um Taumlu-schungs- oder Betrugsschutz Aus meiner Sicht ja Teilweise nehmen Faumllscher auch billigend in Kauf dass Men-schen zu Schaden kommen Mit Methanol gepanschter Alkohol oder mit Melamin gestrecktes Milchpulver sind Beispiele Die Verfaumllscher sind naumlmlich keine Toxikologen Die Frage ist also welche Methoden koumlnnen Behoumlrden bereitstellen um das Vertrauen in die Sicherheit der Lebensmittel zu erhalten

Das houmlrt sich an wie ein Wettlauf For-schung gegen Faumllschung Gibt es denn immer die richtige MethodeDas Gute an der Analytik ist dass man mit der richtigen Methode findet was man sucht Allerdings wissen wir nicht immer auf welche neuen betruumlgerischen Ideen Faumll-scher kommen Deswegen beteiligen wir uns in internationalen Forschungsvorhaben an der Entwicklung von Referenzdaten-banken mit dem typischen Fingerabdruck von Lebensmitteln Die sogenannte Finger-print-Analyse bietet die Moumlglichkeit nicht

nur Lebensmittel durch ihre Normabwei-chung als gefaumllscht zu identifizieren sondern auch bisher unbekannte Verfaumllschungen und gesundheitlich bedenkliche Manipulationen aufzudecken bevor die Ware in den Regalen steht

In der Praxis gibt es dazu doch sicher schon MaszlignahmenPrivate Analysefirmen haben sich bereits auf die Fingerprint-Methode fuumlr bestimmte Produkte spezialisiert und groszlige Datenban-ken angelegt Doch hier liegt ein Problem Jeder arbeitet mit seinen eigenen Daten Auch sind die Ergebnisse der Firmen nicht gerichtsfest weil die Datengrundlage nicht oumlffentlich ist Staatliche Institutionen ar-beiten dagegen mit transparenten und ver-gleichbaren Daten damit Beanstandungen gerichtsfest sind Deswegen muumlssen fuumlr ei-nen Erfolg der Fingerprint-Methoden die Messungen der verschiedenen Labore va-lidiert und die Datenbanken harmonisiert werden

bdquoUnser Allein- stellungsmerkmal ist dass wir Risikobewertung und Forschung betreiben

12 BfR 2 GO

SCHWERPUNKTTHEMA AUTHENTIZITAumlT

BfR-Vizepraumlsident Professor Dr Reiner Wittkowski setzt sich dafuumlr ein dass am BfR zu neuartigen Verfah-ren zur Authentifizierung von Lebensmitteln geforscht wird Als junger Lebensmittelchemiker hat er am Vorgaumlngerinstitut des BfR dem Bundesgesundheitsamt bereits fuumlr die Uumlberpruumlfung der Echtheit von Wein Methoden entwickelt etabliert und begonnen eine Fingerabdruck-Datenbank anzulegen

Was traumlgt das BfR zur Uumlberpruumlfung der Echtheit von Lebensmitteln bei Wir beteiligen uns seit Langem an allen maszliggeblichen EU-Forschungsvorhaben zur Authentizitaumltspruumlfung Unser Alleinstel-lungsmerkmal ist dass wir Risikobewertung und Forschung betreiben Das BfR hat an-ders als andere Bewertungsbehoumlrden eigene Laboratorien Wir haben deswegen einen sehr strengen Blick auf Bewertungsmetho-den und fragen wie sicher die Aussagekraft der Daten ist Das Kerngeschaumlft der 17 Re-ferenzlabore des BfR ist Methodenvali-dierungen durchzufuumlhren Auf nationaler Ebene arbeitet das BfR bereits eng mit der amtlichen Lebensmitteluumlberwachung der Bundeslaumlnder zusammen

Welchen konkreten Ansatz nutzt das BfRWir kombinieren Analytik und Daten-modellierung Das Institut hat eine lange Historie hinsichtlich des Nachweises der Echtheit von Lebensmitteln da auch in den Vorgaumlngerinstitutionen dazu geforscht wur-de In den 1990er-Jahren wurde hier eine der ersten Datenbanken zur Uumlberpruumlfung der Authentizitaumlt von Wein aufgebaut und wurden erstmals Kernresonanz-spektrosko-pische Verfahren in der Lebensmittel-Ana-lytik angewandt Die Expertise zum Thema Wein haben wir dann auf andere Lebens-mittel-Matrizes uumlbertragen Neben der Ana-lytik ist die Statistik unser zweiter Impetus Das BfR hat viel Erfahrung im Bereich der Datenanalyse fuumlr die Vor- und Ruumlckverfolg-barkeit von Lieferketten aufgebaut Mit der FoodChainLab-Software die im Rahmen der EHEC-Krise entwickelt wurde sind komplexe Datenmodellierungen moumlglich

Was sind die naumlchsten SchritteWir haben bereits ein nationales Kompe-tenznetzwerk zwischen Bundesbehoumlrden Landesuntersuchungsaumlmtern Universitaumlten und Forschungseinrichtungen etabliert und wir bringen das Thema weltweit voran Das BfR hat im November 2016 ein Symposium organisiert auf dem rund 100 Fachleute aus Deutschland Europa Nordamerika Afrika Asien und Neuseeland uumlber die Herausfor-derungen der Standardisierung diskutierten Aus meiner Sicht sollte unbedingt ein euro-paumlisches Referenzlabor eingerichtet werden ndash die EU-Kommission erwaumlgt dies bereits ndash um in Europa ein harmonisiertes System der angewendeten Methoden und der Datener-fassung fuumlr die Authentizitaumltspruumlfung von Lebensmitteln zu etablieren Nur das ist ziel-fuumlhrend wenn wir Faumllschungen global einen Riegel vorschieben wollen

copy B

fR

13012017

INTERVIEW MIT PROFESSOR DR REINER WITTKOWSKI

Der BfR-Verbrauchermonitor ist ein zentrales Instru-ment des gesundheitlichen Verbraucherschutzes Er zeigt wie die Oumlffentlichkeit Risiken wahrnimmt

Gefuumlhlte Risiken im Visier

copy ig

orst

evan

ovic

Shu

tters

tock

com

RISIKOWAHRNEHMUNG

14 BfR 2 GO

Welche Themen bewegen Verbraucherinnen und Verbrau-cher Was ist ihnen vertraut was beunruhigt sie Ant-worten auf diese Fragen liefert der BfR-Verbrauchermo-

nitor ndash eine seit 2014 regelmaumlszligig durchgefuumlhrte repraumlsentative Bevoumllkerungsbefragung mit der das BfR die generelle Einschaumlt-zung der Oumlffentlichkeit zu Verbraucherschutzthemen ermittelt In Ergaumlnzung dazu fuumlhrt das BfR Repraumlsentativbefragungen zu Ein-zelthemen durch die von besonderem aktuellem Interesse sind wie Antibiotikaresistenzen oder Pflanzenschutzmittel Die Ergeb-nisse dazu erscheinen als bdquoBfR-Verbrauchermonitor Spezialldquo Der Verbrauchermonitor ist ein wesentlicher Indikator um moumlgliche Missverstaumlndnisse oder Fehleinschaumltzungen seitens der Bevoumllke-rung fruumlhzeitig zu erkennen bdquoFuumlr uns ist es sehr wichtig konkret zu wissen was die Bevoumllkerung warum bewegt Daraus folgern wir welche kommunikativen Maszlignahmen zu ergreifen sindldquo sagt PD Dr Gaby-Fleur Boumll Leiterin der Abteilung Risikokommunika-tion am BfR

Methode der Datenerhebung

Fuumlr die repraumlsentative Umfrage des Verbrauchermonitors werden ca 1000 Personen die in Privathaushalten in Deutschland leben und mindestens 14 Jahre alt sind im Auftrag des BfR von Markt- und Meinungsforschungsinstituten telefonisch interviewt Diese Interviews werden computergestuumltzt anhand eines programmier-ten Fragebogens von geschulten Interviewern durchgefuumlhrt ndash kurz CATI-Methode genannt nach der englischen Bezeichnung compu-ter-assisted telephone interviewing Dabei werden die Fragen zum gesundheitlichen Verbraucherschutz und Fragen zu anderen The-menbereichen zu einer sogenannten Omnibus- oder Mehrthemen-befragung zusammengefasst Die Fragen des Verbrauchermonitors koumlnnen einen offenen Charakter haben (ungestuumltzte Fragen) oder geschlossen formuliert sein (gestuumltzte Fragen) Um die Ergebnisse der Verbrauchermonitore im Zeitverlauf miteinander vergleichen zu koumlnnen ist jede Umfrage aumlhnlich aufgebaut Das BfR widmet sich einerseits Themen die in der Oumlffentlichkeit eine groszlige Auf-merksamkeit erhalten Andererseits analysiert es Fragen die bisher weniger im oumlffentlichen Fokus stehen aber ebenfalls relevant sind wie beispielsweise gesundheitsschaumldliche Pflanzeninhaltsstoffe Auch das Ausmaszlig des Vertrauens in die staatlichen Strukturen des gesundheitlichen Verbraucherschutzes wird abgefragt da dies wie-derum die Wahrnehmung von Risiken beeinflussen kann

bdquoFuumlr uns ist es sehr wichtig konkret zu wissen was die Bevoumllkerung warum bewegt

Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher

Kaum veraumlndert hat sich in den letzten Jahren die Ansicht von Ver-braucherinnen und Verbrauchern dass Lebensmittel in Deutsch-land sicher sind Fragt man in der ungestuumltzten Abfrage nach den groumlszligten gesundheitlichen Risiken so sind dies im aktuellen Ver-brauchermonitor (082017) nach wie vor das Rauchen die Klima- bzw Umweltbelastung und ungesunde oder falsche Ernaumlhrung Da-nach werden Alkohol sowie ungesunde oder belastete Lebensmittel genannt Fragt man in der gestuumltzten Abfrage gezielt nach ausge-waumlhlten Themen so fuumlhren Salmonellen gentechnisch veraumlnderte Lebensmittel Antibiotikaresistenzen und Ruumlckstaumlnde von Pflan-zenschutzmitteln die Bekanntheitsskala an Dies sind auch die vier Themen die bei den meisten Befragten fuumlr Beunruhigung sorgen Es zeigt sich immer wieder dass Verbraucherinnen und Verbrau-cher Risiken unterschaumltzen die aus Sicht der Risikobewertung als

ZielsetzungVerbrauchermonitor

gt Erfassung und Analyse von Trends und Themen in der Verbraucherwahrnehmunggt Uumlber- bzw Unterschaumltzung von gesundheitlichen Risiken durch die Bevoumllkerunggt Beobachtung von Veraumlnderungen im Verbraucherverhaltengt Schnelle Erfassung der Verbraucherwahrnehmung in Krisensituationen

BfR-VERBRAUCHERMONITOR

15012017

gesundheitsrelevant eingestuft werden wie z B die Lebensmittelhygiene im eigenen Haushalt Noch weitgehend unbekannt ist der breiten Oumlffentlichkeit eine neue derzeit in der Wissenschaft diskutierte Metho-de zur Genveraumlnderung ndash das sogenannte bdquoGenome Editingldquo

Vertrauen staumlrken

Verschiedene Bevoumllkerungsgruppen neh-men Ereignisse oder Sachverhalte unter-schiedlich wahr Es haumlngt von vielen Fakto-ren ab wie groszlig ihnen ein Risiko erscheint Insbesondere zwischen der Wahrnehmung von Laien und Fachleuten koumlnnen sich Un-terschiede ergeben da die intuitive Risiko-einschaumltzung der Bevoumllkerung haumlufig auf anderen Prinzipien und Kriterien beruht als die wissenschaftliche Risikobewertung Aus der Risikowahrnehmungsforschung ist beispielsweise bekannt dass die Sorge vor

synthetisch hergestellten Stoffen groumlszliger ist als die Sorge vor natuumlrlich vorkommenden Stoffen wie beispielsweise giftigen Pflanze-ninhaltsstoffen

Der BfR-Verbrauchermonitor Spezial zum Thema Pflanzenschutzmittel hat zudem gezeigt dass ein Groszligteil der Bevoumllkerung faumllschlicherweise davon ausgeht dass in Lebensmitteln generell keine Reste von Pflanzenschutzmitteln vorkommen duumlr-fen Tatsaumlchlich sind Ruumlckstaumlnde von zu-gelassenen Pflanzenschutzmitteln bis zum erlaubten Ruumlckstandshoumlchstgehalt zulaumls-sig und als gesundheitlich unbedenklich eingestuft Auf diese Diskrepanz kann die Risikokommunikation gezielt reagieren indem sie die Oumlffentlichkeit mit geeigne-ten Kommunikationsformen umfassend uumlber die rechtlichen und wissenschaftli-chen Grundlagen der Risikobewertung bei Pflanzenschutzmitteln informiert

Die Ergebnisse solcher Bevoumllkerungsum-fragen liefern wichtige Einsichten in die Risikowahrnehmung verschiedener Bevoumll-kerungsgruppen und zeigen Unterschiede hinsichtlich demografischer Faktoren wie Alter Bildungshintergrund Berufsgrup-pe und Geschlecht auf So ist Frauen das Vorkommen von Pyrrolizidinalkaloiden in Kraumlutertee beispielsweise haumlufiger bekannt als Maumlnnern Auch hat sich gezeigt dass Maumlnner Prozesskontaminanten in Grill-fleisch weniger bedenklich einschaumltzen als Frauen

Mit dem Verbrauchermonitor hat das BfR ein Instrument etabliert mit dem noch fruumlher auf Informations- und Kommuni-kationsbeduumlrfnisse eingegangen und damit das Vertrauen der Oumlffentlichkeit in den ge-sundheitlichen Verbraucherschutz weiter gestaumlrkt werden kann

Alle bisher erschienenen BfR-Verbrauchermonitore koumlnnen abgerufen werden unter wwwbfrbundde gt Publikationen gt Broschuumlren gt BfR-Verbrauchermonitor

Welche Themen betrachten Sie persoumlnlich als die groumlszligten gesundheitlichen Risiken fuumlr Verbraucherinnen und Verbraucher

Inwieweit sind Sie persoumlnlich uumlber die folgenden Themen zur Lebensmittel-sicherheit beunruhigt oder nicht beunruhigt

16 BfR 2 GO

RISIKOWAHRNEHMUNG

2016 gab es in Deutschland in der deutsch-sprachigen Bevoumllkerung ab 14 Jahren rund 08 Millionen Personen die sich selbst als Veganer bezeichnen wuumlrden oder als je-mand der weitgehend auf tierische Produk-te verzichtet (2016 Allensbacher Markt- und Werbetraumlger-Analyse IfD Allensbach) Ei-nige Studien zeigen dass eine vegane Ernaumlh-rung positive Einfluumlsse auf die Gesundheit haben kann wie zum Beispiel ein geringeres Risiko fuumlr Typ-2-Diabetes Beschrieben wer-den allerdings auch gesundheitliche Risiken durch Naumlhrstoffmangelzustaumlnde etwa fuumlr Schwangere und Kinder Wer keine tierische Produkte zu sich nimmt riskiert unter an-derem eine Unterversorgung mit Vitamin B12 Eisen Calcium Jod und Zink sowie mit langkettigen Omega-3-Fettsaumluren

Vor diesem Hintergrund entwickelte das BfR geeignete Risikokommunikationsstra-tegien Ein Forschungsprojekt widmete sich den individuellen und sozialen Einflussfak-toren die zur Motivation und Aufrechter-haltung einer veganen Ernaumlhrung fuumlhren Insgesamt wurden 42 Veganerinnen und Veganer zu ihren Werten Einstellungen und Meinungen befragt Aufgrund der zum Teil sehr ausgepraumlgten Abweichun-gen zur Durchschnittsbevoumllkerung lassen sich verallgemeinernde Aussagen treffen Repraumlsentativ sind die Befragungsdaten al-lerdings nicht

Ethische Entscheidung

Fast immer begruumlnden Veganerinnen und Veganer ihre Entscheidung fuumlr eine vega-ne Ernaumlhrung mit ethischen Argumenten Gesundheitliche Motive werden selten ge-nannt Die Befragten sind uumlberwiegend konfessionslos und uumlberdurchschnittlich

gebildet Auszligerdem beguumlnstigt Vegetaris-mus die Entscheidung sich vegan zu ernaumlh-ren Zwei Drittel der Teilnehmenden haben sich bereits vorher vegetarisch ernaumlhrt Er-naumlhren sich bereits Personen aus dem na-hen Umfeld vegan kann dies die Entschei-dung auch vorantreiben

Fuumlr die uumlberwiegende Mehrheit der Be-fragten ist die Ruumlckkehr zur omnivoren Ernaumlhrung die tierische Produkte zulaumlsst nicht vorstellbar Auch eine Schwanger-schaft wird meist nicht als Grund dafuumlr angesehen Oft werden auch Kinder vegan ernaumlhrt Nach Aussagen der Befragten re-agiert das soziale Umfeld haumlufig mit Skepsis und Aversion Um eine soziale Ausgren-

zung der Kinder zu verhindern lassen die Befragten teils Kompromisse zu So koumlnn-ten Kinder zum Beispiel selbst waumlhlen ob sie auswaumlrts Tierprodukte essen

Wissen kommt an

Wer sich vegan ernaumlhrt verfuumlgt in der Re-gel uumlber ein fundiertes Ernaumlhrungswissen 40 der 42 Teilnehmenden der BfR-Studie waren sich zum Beispiel daruumlber im Klaren dass es ohne tierische Produkte zu einer Mangelversorgung mit Vitamin B12 kom-men kann Viele nehmen dieses Vitamin zusaumltzlich ein Bei der Informationssuche rund um vegane Ernaumlhrung ist das Inter-net die wichtigste Informationsquelle (siehe Grafik)

Strategie der Risikokommunikation

Im Rahmen der Befragung stellten sich wichtige Anknuumlpfungspunkte fuumlr die Risi-kokommunikation heraus Unter anderem wurde klar dass ein negativer Ansatz der die vegane Ernaumlhrung als gefaumlhrlich oder abnormal darstellt nur wenig Erfolg haben kann Eine effektive Risikokommunikation sollte an bestehende Uumlberzeugungen der Veganerinnen und Veganer anknuumlpfen Ziel sollte dabei sein konkrete Tipps fuumlr den Alltag zu geben die sich mit einer vega-nen Ernaumlhrung verbinden lassen Informa-tionen wie bei einer veganen Ernaumlhrung eine moumlgliche defizitaumlre Naumlhrstoffversor-gung verhindert werden kann sind grund-saumltzlich erfolgversprechend Insbesondere uumlber Alternativen oder Supplementierung in der Schwangerschaft bei Saumluglingen und Kleinkindern sollte umfassend informiert werden

Vegan und informiert

Welche Informationsquellen nutzen Sie um sich

uumlber vegane Ernaumlhrung zu informieren

Kochbuumlcher mit veganen Rezepten Blogs zum Thema und tierfreie Supermaumlrkte ndash die vegane Ernaumlhrung liegt im Trend Wer ganz auf tierische Produkte verzichtet riskiert jedoch eine Unterversorgung mit bestimmten Naumlhrstoffen Um eine effiziente Risikokommunikation zu gewaumlhrleis-ten hat das BfR Veganerinnen und Veganer zu Wissens-stand und Einstellungen befragt

Foren im Internet

Sonstige Quellen im Internet

Buumlcher

Zeitschriften

Freunde Bekannte

Sonstigen = 42 Mehrfachnennungen moumlglich

74

71

52

36

12

5

copy S

tudi

oPho

toD

Flor

ezs

hutte

rsto

ckc

om

BEFRAGUNG ZU VEGANISMUS

17012017

63

72 Ekel

Fremdheit

Bedenken zu Hygiene und Vertraumlglichkeit

Grillen Mehlwuumlrmer und Wanderheuschrecken ndash in vielen Regionen der Welt werden Insekten von Menschen verspeist Auch in der Schweiz sind Insek-ten seit dem Fruumlhjahr 2017 offiziell als Lebensmittel zugelassen Ihr Verzehr ist in Europa jedoch generell wenig verbreitet und die oumlffentliche Diskussion steckt noch in den Anfaumlngen Wie bekannt ist das Thema in der deutschen Bevoumllkerung Welche Einstellungen bestehen gegenuumlber essbaren Insekten Wie wird das Thema in den Medien dargestellt In zwei Studien hat das BfR Antworten auf diese Fragen gefunden

Die Mehrheit der Deutschen vermutet keine gesundheitlichen Risiken durch den Verzehr von Insekten wuumlrde sieaber dennoch nicht verzehren Hauptgruumlnde gegen den Verzehr

sind Ekel Fremdheit Bedenken zu Hygiene und Vertraumlglichkeit

46 13 15

Insekten als Lebensmittel fuumlr Menschen ndash 72 Prozent der Befragten haben schon davon gehoumlrt Insekten gelten als eiweiszlig- naumlhrstoff- und vitaminreich und als eine wesentliche Nahrungsquelle hinsichtlich des Welternaumlhrungsproblems

Insekten essen Mehr Theorie als Praxis

18 BfR 2 GO

RISIKOWAHRNEHMUNG

2014

27 Artikel

14

Zugrundeliegende Studien telefonische Repraumlsentativbefragung von 1000 Personen (deutschsprachige Bevoumllkerung ab 14 Jahren) Medienanalyse von 17 deutschen Print- und Onlinemedien (uumlberregionale Qualitaumltszei-tungen Hauptstadtpresse und woumlchentliche Zeitungen) im Zeitraum Januar 2014 bis Dezember 2015 zur Art und Haumlufigkeit der Berichterstattung uumlber essbare Insekten

14 Prozent der Befragten haben schon einmal Insekten verzehrt mehrheit-lich im Ausland Uumlberwiegend sind es Maumlnner 18 ndash 29-Jaumlhrige gut Gebildete und Staumldter

Die Medienberichterstattung zu Insekten als Lebens- und Futtermittel verdoppelte sich von 2014 zu 2015 In der Mehrheit ging es um Nutzen- aspekte Insekten wurden medial als bdquozukunftsweisendes sinnvolles Lebensmittel bei dem der Nutzen gegenuumlber moumlglichen Risiken uumlber-wiegtldquo dargestellt

Verbraucherinnen und Verbraucher wuumlnschen sich mehr Informationen zu moumlglichen gesundheitlichen Risiken von Insekten als Lebens- und Fut-termittel zu ihrer Produktion und zum Naumlhrstoffgehalt Dies koumlnnte die oumlffentliche Akzeptanz fuumlr den Verzehr von Insekten erhoumlhen Auch bdquounkenntlich gemachteldquo Insekten in Form verarbeiteter Lebensmittel wuumlrden eher akzeptiert als Insekten im urspruumlnglichen Zustand

WeiterlesenBfR-Symposium bdquoInsekten als Lebens- oder Futtermittel Nah-rung der Zukunftldquo Bericht zum Symposium am 24 Mai 2016 in 2016 Journal fuumlr Verbraucher-schutz und Lebensmittelsicher-heit 11 3 281ndash289

2015

60 Artikel

i

Insekten als Lebensmittel

gt zaumlhlen lebensmittelrechtlich in der EU zu den neuartigen Lebensmitteln und muumlssen zugelassen werden

gt unerforschte Aspekte Toxikologie Gehalt an Kontaminanten und Ruumlckstaumlnden allergenes Potenzial mikrobiologische Risiken

copy a

rka3

8sh

utte

rsto

ckc

om

19012017

INFOGRAFIK ZU INSEKTEN

Unerwuumlnscht inLebensmitteln

Gelangen Pyrrolizidinalkaloide (PA) in die Lebensmittelkette koumlnnen insbesondere 12-ungesaumlttigte PA dem Menschen schaden Seit Jahren

befasst sich das BfR mit der Frage welches gesundheitliche Risiko von 12-ungesaumlttigten PA in Lebensmitteln ausgeht Klar ist die PA-Kontami-

nation in der Lebensmittelkette sollte so gering wie moumlglich sein

LEBENSMITTELSICHERHEIT

20 BfR 2 GO

Unerwuumlnschte Stoffe die in die Lebensmittelkette gelangen koumlnnen fuumlr Verbraucherinnen und Verbraucher ein gesund-heitliches Risiko darstellen Ein Beispiel fuumlr solche Eintraumlge

sind 12-ungesaumlttigte Pyrrolizidinalkaloide (PA) Das sind Stoffe die von einigen Pflanzen als Schutz vor Fraszligfeinden gebildet werden Sie konnten zunaumlchst in Honig und anderen Bienenprodukten spaumlter auch in Tees Kraumlutertees und Gewuumlrzen aber auch in pflanzenba-sierten Nahrungsergaumlnzungsmitteln nachgewiesen werden

Toxische Wirkungen bei Mensch und Tier

Beim Menschen sind vereinzelt Vergiftungsfaumllle nach arzneilicher Einnahme von PA-haltigen Kraumlutertees und -erzeugnissen bekannt Weiterhin gibt es Berichte uumlber epidemische Lebererkrankungen mit Todesfaumlllen in Pakistan Indien Afghanistan Tadschikistan und der ehemaligen UdSSR nach Verzehr von Getreide das mit Samen von Heliotropium- oder Crotalaria-Arten kontaminiert war Aus der Nutztierhaltung ist das gehaumlufte Auftreten von Leberzirrhosen bei Schlachtrindern bekannt die mit Heu und Silage auch Alpenkreuz-kraut aufgenommen hatten Auch bei Pferden wurden mit Leberde-generation einhergehende durch PA im Futter verursachte Erkran-kungen die Seneciosen beobachtet

Die Leber ist das primaumlre Zielorgan von Schaumldigungen durch 12-ungesaumlttigte PA Jedoch koumlnnen auch die Lunge oder andere Organe betroffen sein Insbesondere bei Aufnahme houmlherer Dosen treten akute venookklusive Veraumlnderungen in der Leber (hepatic veno-occlusive disease HVOD) oder der Lunge auf In houmlheren Dosen wurden im Tierversuch mit 12-ungesaumlttigten PA auch ent-wicklungstoxische Effekte beobachtet Nach den vorliegenden tier- experimentellen Daten gilt die kanzerogene Wirkung von 12-un-gesaumlttigten PA als gesichert und ein entsprechendes Risiko fuumlr den Menschen wird in Betracht gezogen Vielfach zeigten Verbindungen die sich im Tierversuch als kanzerogen erwiesen in entsprechenden Mutagenitaumltstests eine genotoxische Wirkung

Wie 12-ungesaumlttigte PA in Lebensmittel gelangen koumlnnen

Nach bisherigem Kenntnisstand koumlnnen 12-ungesaumlttigte PA uumlber mehrere Wege in Lebensmittel gelangen In Deutschland sind Ver-unreinigungen vor allem in den Anbauflaumlchen von Nutzpflanzen mit PA-bildenden Wildkraumlutern wie z B bei Salaten mit Kreuzkraut oder Greiskraut aufgetreten Aus Afghanistan sind erhoumlhte Belastungen in Getreide bekannt Auch die Belastung von Tee und Kraumlutertee-Sor-ten mit PA wird auf eine Kontamination mit bestimmten Wildkraumlu-tern in den Anbauflaumlchen zuruumlckgefuumlhrt Auszligerdem koumlnnen Bienen-produkte wie Honig und Pollen mit PA belastet sein wenn die Tracht von bestimmten Wildpflanzen stammt 12-ungesaumlttigte PA koumlnnen auch uumlber verunreinigte Futtermittel in Milch Eier und Fleisch ge-langen Auch Nahrungsergaumlnzungsmittel koumlnnen auf der Basis von Pflanzen hergestellt sein die selbst 12-ungesaumlttigte PA bilden

Gesundheitliche Risiken durch belastete Lebensmittel

Das BfR hat 2016 eine Bewertung der gesundheitlichen Risiken durch 12-ungesaumlttigte PA erarbeitet Dabei wurde die Belastung aller wichtigen Lebensmittelgruppen beruumlcksichtigt fuumlr die aktuell Daten zum Vorkommen von 12-ungesaumlttigten PA vorliegen Bei der Bewertung wurde die genotoxisch-kanzerogene Wirkung als emp-findlichster Endpunkt zugrunde gelegt

copy F

eyya

z A

laca

ms

hutte

rsto

ckc

om

copy e

mbe

riza

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

21012017

Danach geht bei Kindern im Alter von sechs Monaten bis unter fuumlnf Jahren die Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA im Wesentlichen auf Kraumlutertee einschlieszliglich Rooibostee Schwarztee und Honig zuruumlck Fruumlchtetee Milch Eier und Fleisch tragen nur wenig zur Gesamtaufnahme von 12-un-gesaumlttigten PA bei Sieht man von bestimm-ten Nahrungsergaumlnzungsmitteln ab zeigt sich bei Erwachsenen ein aumlhnliches Bild Bei Erwachsenen ist der Beitrag von Honig zur Gesamtaufnahme an 12-ungesaumlttigten PA geringer und der von Gruumlntee houmlher als bei Kindern Bei hohen Gehalten koumlnnen Nahrungsergaumlnzungsmittel als zusaumltzliche Expositionsquelle zur Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber Lebensmittel beitragen Gewuumlrze und Kraumluter aber auch Mehle stellen moumlglicherweise eine relevante zusaumltzliche Expositionsquelle dar Fuumlr eine abschlieszligende Bewertung fehlen hier jedoch noch Daten

Obwohl in Einzelfaumlllen hohe Gehalte an 12-ungesaumlttigten PA in bestimmten Le-bensmitteln des allgemeinen Verzehrs nachgewiesen wurden haumllt das BfR nach derzeitiger Datenlage auch bei hoher Auf-nahme dieser Lebensmittel eine akute Ge-sundheitsschaumldigung fuumlr unwahrscheinlich Zur Abschaumltzung des potenziellen Risikos von genotoxisch-kanzerogenen Wirkungen legte das BfR wie international uumlblich den MOE-Ansatz (Margin of Exposure) zugrun-de Dabei wird ausgehend von Tierstudien angenommen dass fuumlr genotoxische Kan-zerogene ein MOE-Wert von 10000 oder houmlher aus Sicht der oumlffentlichen Gesundheit als wenig bedenklich und die Prioritaumlt fuumlr Maszlignahmen im Rahmen des Risikomanage-ments als niedrig angesehen werden kann Bei genotoxisch-kanzerogenen Stoffen kann keine Schwellendosis angenommen werden unterhalb derer keine unerwuumlnschten Wir-kungen mehr erwartet werden Daher gilt in der Europaumlischen Union die Empfehlung die Exposition gegenuumlber genotoxisch und kanzerogen wirkenden Substanzen so weit zu minimieren wie dies vernuumlnftig erreich-bar ist ndash das sogenannte ALARA-Prinzip (as low as reasonably achievable) Selbst geringe Aufnahmemengen koumlnnen insbesondere bei regelmaumlszligigem Verzehr mit einer Erhouml-hung gesundheitlicher Risiken verbunden sein

Die Bewertung des genotoxischen und kan-zerogenen Risikos erfolgt als Vergleich der Gesamtaufnahme uumlber verschiedene Tees Milch und Honig bei Kindern und Er-wachsenen auf der Basis verschiedener Ver-zehrszenarien mit dem BMDL10-Wert von

73 Mikrogramm pro Kilogramm Koumlrperge-wicht und Tag unter Berechnung des MOE Der BMDL10-Wert (Benchmark dose lower confidence limit 10) ist ein Schaumltzwert der niedrigsten Dosis die im Tierexperiment mit 95-prozentiger Sicherheit eine Krebsin-zidenz von nicht mehr als 10 Prozent ver-ursacht Alle Berechnungsansaumltze sowohl fuumlr Kinder als auch fuumlr die erwachsene Be-voumllkerung ergaben MOE-Werte deutlich unterhalb von 10000 Da nach Ansicht des Wissenschaftlichen Ausschusses der EFSA ein MOE erst ab einem Wert von mindes-tens 10000 aus Sicht der oumlffentlichen Ge-sundheit als wenig bedenklich anzusehen ist empfiehlt das BfR die Gesamtexposition mit PA aus allen Lebensmitteln so niedrig wie moumlglich zu halten und einen MOE von 10000 bei Beruumlcksichtigung der PA-Zufuhr aus allen Quellen nicht zu unterschreiten Dazu sollten die Bemuumlhungen fortgesetzt werden die PA-Gehalte in Lebensmitteln weiter zu senken

Forschungsansaumltze des BfR

Das BfR befasst sich seit einigen Jahren mit der Problematik der Verunreinigung von Lebensmitteln mit 12-ungesaumlttigten PA und verfolgt hierzu verschiedene Forschungs-ansaumltze Die Analytik der 12-ungesaumlttigten PA stellt aufgrund ihrer groszligen strukturel-len Vielfalt und des Vorkommens in unter-schiedlichen Lebensmitteln eine besondere Herausforderung dar In den letzten Jahren hat das BfR spezifische Nachweismethoden entwickelt und in Ringversuchen validiert Diese Methoden stehen auf der Homepage des BfR zur Verfuumlgung und koumlnnen z B in der Lebensmittel- und Futtermitteluumlberwa-chung eingesetzt werden

Neben der Entwicklung analytischer Me-thoden werden am BfR die molekularen Mechanismen der Toxizitaumlt von 12-unge-saumlttigten PA untersucht Hier stehen vor allem Untersuchungen zur strukturabhaumln-gigen Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber die Darmbarriere im Vordergrund Die Ergebnisse zeigen dass sich das Wirkungs-potenzial der 12-ungesaumlttigten PA aufgrund von Unterschieden im strukturabhaumlngigen Transport uumlber die Darmbarriere unter-scheiden kann Auch zeigten die getesteten Modellsubstanzen in einem Zellkulturmo-dell deutliche strukturspezifische Unter-schiede im Metabolismus Weitere Untersu-

Pflanzen die Pyrrolizidinalkaloi-de bilden finden sich vor allem in den Familien der Korbbluumltler (Asteraceae) der Raublatt- oder Borretschgewaumlchse (Boraginaceae) und der Huumllsenfruumlchtler (Faba-ceae)

22 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

chungen zu der Zerstoumlrung der sinusoidalen Endothelzellen durch 12-ungesaumlttigte PA sollen zum Verstaumlndnis der Mechanismen beitragen die zu den venookklusiven Ver-aumlnderungen in der Leber fuumlhren Auch wer-den Untersuchungen zur Metabolisierung nahrungsrelevanter Pyrrolizidinalkaloide durchgefuumlhrt Die Forschungsprojekte wer-den von der Deutschen Forschungsgemein-schaft (DFG) gefoumlrdert

Empfehlungen zur Reduktion der PA-Gehalte

Das BfR empfiehlt dass sich Management-maszlignahmen an der Vermeidung genoto-xisch-kanzerogener Effekte der 12-ungesaumlt-tigten PA als dem empfindlichsten Endpunkt orientieren Die Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA sollte fuumlr Verbrau-cherinnen und Verbraucher so gering wie moumlglich sein Dazu sollten die PA-Gehalte in Lebensmitteln so weit wie moumlglich sin-ken Dies gilt insbesondere fuumlr Kraumlutertees Rooibostee Schwarzen Tee und Gruumlnen Tee sowie bestimmte Nahrungsergaumlnzungsmit-tel Hier sollten Anbau- Ernte- und Reini-gungsmethoden weiterhin verbessert wer-den Auch die Auswahl der Rohhonige kann zu einer Reduzierung der Gehalte an 12-un-gesaumlttigten PA in verzehrfertigen Honigen beitragen Auszligerdem sind vor der Vermark-tung seitens der Lebensmittelunternehmer weiterhin Kontrollen in allen betroffenen Lebensmittelkategorien notwendig

Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das potenzielle gesundheitliche Risiko durch PA durch eine abwechslungsreiche Ernaumlh-rung verringern und so generell einseitigen Belastungen mit verschiedenen potenziell gesundheitsgefaumlhrdenden Stoffen vorbeu-gen Insbesondere fuumlr Kinder Schwangere und Stillende empfiehlt das BfR den taumlgli-chen Fluumlssigkeitsbedarf nicht ausschlieszliglich mit Kraumlutertee und Tee zu decken

Bei der Zubereitung von Salat Blattgemuumlse und Kraumlutern sollten Verbraucherinnen und Verbraucher Pflanzenteile aussortieren die sie keinen bekannten essbaren Pflanzen zu-ordnen koumlnnen

Wer Nahrungsergaumlnzungsmittel auf Pollen-basis oder auf Basis von Pflanzen einnimmt die 12-ungesaumlttigte PA bilden sollte sich bewusst sein dass diese Produkte 12-un-gesaumlttigte PA in houmlheren Konzentrationen enthalten koumlnnen

Mehr erfahrenStellungnahme Nr 0302016 des BfR vom 28 September 2016

Necinbase

Necinsaumlure

Die Struktur von PA

Chemisch handelt es sich um Ester aus einer Necinbase und aliphatischen Mono- oder Dicarbonsaumluren (Necin-saumluren) Aus toxikologischer Sicht besonders bedeutsam sind Pyrroli-zidinalkaloide mit 12-ungesaumlttigter Necinstruktur (12-ungesaumlttigte PA) Die 12-ungesaumlttigte Necinstruktur als gemeinsames Strukturmerkmal erlaubt grundsaumltzlich die Giftung durch Oxidation zum Dehydropyrrolizidin das durch seine alkylierenden Eigenschaf-ten fuumlr die genotoxische und karzino-gene Wirkung dieser Substanzgruppe verantwortlich ist

copy R

ukiM

edia

shu

tters

tock

com

copy J

iri H

era

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

23012017

Im suumldlichen Afrika spielt die Landwirt-schaft eine Schluumlsselrolle bei der Armuts-bekaumlmpfung Eine wachsende Produktion tierischer Lebensmittel bringt jedoch auch neue Herausforderungen an die Lebensmit-telsicherheit mit sich Das BfR-Forschungs-projekt bdquoSAD-Zambialdquo (bdquoStaphylococcus aureus in der Milchlebensmittelkette in Sambia ndash Bekaumlmpfung lebensmittelbeding-ter Erkrankungen und Antibiotikaresisten-zen beim Menschldquo) befasst sich damit wie die Produktion und der Vertrieb von Milch und Milchprodukten in Sambia sicherer gestaltet werden koumlnnen Ziel ist es zu be-werten in welchem Umfang das Bakterium Staphylococcus (S) aureus uumlber Milch und Milchprodukte auf den Menschen uumlbertra-gen wird In einem ersten Schritt werden Feldstudien in verschiedenen Provinzen des Landes durchgefuumlhrt um das Vorkommen dieses Erregers und moumlgliche Schwachstel-len in der Milchlebensmittelkette in Sambia zu analysieren Hierbei stehen Toxin-bil-dende S aureus-Staumlmme im Fokus Auszliger-dem wird untersucht in welchem Umfang Methicillin-resistente S aureus (MRSA) die gegen eine bestimmte Klasse von Antibio-tika resistent sind in der Milchlebensmit-

telkette vorkommen Die Bewertungsarbeit beinhaltet auch einen Vergleich traditio-neller und moderner Produktionssysteme Am BfR werden anschlieszligend die Analysen zu den Eigenschaften der gewonnenen Bakterienstaumlmme sowie stammvergleichen-de Untersuchungen durchgefuumlhrt In einem weiteren Schritt werden Ansatzpunkte zur Reduzierung der Bakterien sowie Methoden zum Monitoring von zoonotischen und An-tibiotika-resistenten S aureus in der Milch-lebensmittelkette in Sambia entwickelt So soll zum Verstaumlndnis der lebensmittelbe-dingten Risiken entlang der Milchlebens-mittelkette in Sambia beigetragen werden Das Projekt begann am 01072016 und laumluft drei Jahre Es wird vom Bundesminis-terium fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft gefoumlrdert und aus BfR-Mitteln co-finanziert Neben dem BfR beteiligen sich an dem For-schungsprojekt das International Livestock Research Institute die University of Zambia und das Central Veterinary Research Insti-tute als Teil des sambischen Ministeriums fuumlr Nutztiere und Fischerei Durch dieses Forschungsnetzwerk soll eine nachhaltige Partnerschaft aufgebaut werden

Mit dem Forschungsprojekt bdquoSAD-Zambialdquo leistet das BfR einen Beitrag zur Staumlrkung der Lebensmittelsicherheit und damit zur Ernaumlhrungssicherheit im suumldlichen Afrika Koordinatorin des Projekts ist Frau Dr Alexandra Fetsch Der sambische Doktorand Herr Bruno Phiri berichtet von seiner alltaumlglichen Arbeit Beide arbeiten in der Fach-gruppe bdquoMikrobielle Toxineldquo des BfR

POST AUS hellipSAMBIA

raquobdquoDas SAD-Zambia Projekt ist fuumlr mich ein Meilenstein und ich bin dem BfR sehr dankbar dass es mir diese Moumlglichkeit gibt Ich habe schon viel dazugelernt und konnte meine Kompetenzen bezuumlglich der Diagnose von Krankheitserregern verbessern Das Projekt bringt mich aber nicht nur persoumlnlich voran auch mein Land kann davon profitieren Mein Arbeitsalltag beginnt meist mit einem Besuch bei den Milchbauern und ihren Herden Dort schaue ich mir an wie die Kuumlhe gemolken werden und nehme Proben von den Tieren der Milch und der Umge-bung Auch in Milchsammelstellen und auf Maumlrkten nehme ich Proben Diese analysiere ich anschlieszligend im Labor an der Universitaumlt Schon jetzt freue ich mich auf die weiteren Untersuchungen der Bakterienstaumlm-me am BfR Ich war zu Beginn des Projektes dort ndash eine sehr eindrucks-volle Erfahrungldquo

(Bruno Phiri)

copy a

stud

ios

hutte

rsto

ckc

om

copy B

fR

24 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

Algengift in Tropenfischen

Bisher traten Lebensmittelvergiftungen durch Ciguato-xin ndash einem Algentoxin das in tropischen Speisefischen wie Barrakuda Schnapper oder Zackenbarsch enthalten sein kann ndash vorwiegend in den Tropen auf Mit dem zunehmenden Import von Fischen aus Suumldostasien haumlufen sich auch in Europa und seit 2012 in Deutschland Faumllle von Ciguatera Ein Problem dabei Eine Analyse-methode mit der Fisch routinemaumlszligig auf Ciguatoxine untersucht werden kann ist derzeit noch nicht verfuumlgbar Da weltweit nur wenige Labore auf den Nachweis von Ci-guatoxinen in Fischen spezialisiert sind wird im Projekt bdquoEuroCigualdquo der Europaumlischen Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit (EFSA) unter anderem an der Verbesserung entsprechender Analysemethoden und zum Vorkommen ciguatoxischer Fische in Europa geforscht Das BfR liefert fuumlr das Projekt Angaben zu Erkrankungsfaumlllen in Deutschland Die krankmachenden Algentoxine reichern sich uumlber die Nahrungskette in Raubfischen an und sind uumlberaus stabil Durch Erhitzen oder Tiefkuumlhlen lassen sie sich nicht entfernen Beim Menschen kann der Verzehr betroffener Fische dann zu Vergiftungen mit zum Teil schweren oder andauernden Beeintraumlchtigungen des Nervensystems fuumlhren An Ciguatera Erkrankte nehmen normale Kaumlltereize als ungewoumlhnlich schmerzhaft wahr

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt A-Z-Index Ciguatoxin

Alkaloide in Lupinensamen

In verarbeiteten Produkten oder zum Knabbern Lupinensamen sind im Trend Da sie jedoch toxikologisch relevante bittere Chinolizidinalkaloide enthalten koumlnnen bewertet das BfR ihr gesundheitliches Risiko Der Gehalt an Chinolizi-dinalkaloiden in Lupinensamen variiert je nach botanischer und geografischer Abstammung Samen die von bdquoBitterlupinenldquo stammen sind aufgrund ihrer houmlheren Gehalte ohne geeignete Vorbehandlung der bdquoEntbitterungldquo nicht zum Verzehr geeignet Denn Sie koumlnnen beim Menschen Vergiftungssymptome her-vorrufen Lupinenvarietaumlten die Samen mit niedrigen Alkaloidgehalten liefern werden als bdquoSuumlszliglupinenldquo bezeichnet Suumlszliglupinensamen sind auch ohne Entbitte-rung verzehrsfaumlhig In Deutschland kam es mit Bitterlupinensamen vereinzelt zu Vergiftungsfaumlllen Das BfR empfiehlt Herstellern daher nur ganze Lupinensamen in den Verkehr zu bringen die ohne weitere Entbitterungsprozesse verzehrsfaumlhig sind Mehl aus Lupinensamen sollten Hersteller aus alkaloidarmen oder ausrei-chend entbitterten Samen herstellen

Uumlbertragungswege des Hepatitis-E-Virus

Infektionen mit dem Hepatitis-E-Virus (HEV) koumlnnen zu einer akuten Leberentzuumlndung fuumlhren In den letzten Jahren sind die Zahlen gemeldeter Hepatitis-E-Faumllle des Menschen in Deutsch-land stark angestiegen Forschungsergebnisse des BfR in Zusam-menarbeit mit anderen Einrichtungen haben gezeigt dass das Virus in deutschen Haus- und Wildschweinen weit verbreitet ist Vereinzelt wurde HEV auch in Rehen und Rotwild nachgewiesen

Unklar ist derzeit noch auf welchen Wegen sich die Patienten mit dem Virus anstecken Moumlglich sind direkte Virusuumlbertra-gungen zum Beispiel vom Wildtier auf den Jaumlger und indirekte uumlber Lebensmittel die aus infizierten Tieren hergestellt wurden Wie aktuelle Studien des BfR zeigen kann HEV in verschiedenen Wurstwaren aus dem deutschen Einzelhandel nachgewiesen wer-den Fraglich ist ob das Virus in diesen Produkten noch anste-ckend ist oder ob es bei der Herstellung der Lebensmittel zerstoumlrt wird Hierfuumlr noumltige Untersuchungen waren in der Vergangenheit erschwert da sich HEV im Labor nur schlecht kultivieren lieszlig Erste Ergebnisse von Untersuchungen mithilfe eines am BfR ent-wickelten neuartigen Zellkultur-Systems weisen darauf hin dass HEV hitzeempfindlich ist aber bei Kuumlhlung oder Raumtempera-tur mehrere Wochen infektioumls bleiben kann

SPEKTRUM

copy N

eil B

urto

nsh

utte

rsto

ckc

om

copy N

atal

ia M

ylov

ash

utte

rsto

ckc

om

copy iS

tock

com

Mee

Poo

hyap

hoto

25012017

bdquoNur eine gemeinsame Strategie ist effektivldquo

Frau Kaumlsbohrer ein zentrales Thema Ihrer Forschung sind Antibiotikaresis-tenzen In der oumlffentlichen Debatte wird oft ein Zusammenhang hergestellt zwi-schen dem haumlufigen Einsatz von Anti-biotika in der Nutztierhaltung und dem Auftreten resistenter Bakterien in der Humanmedizin Doch werden bei Tieren nicht andere Antibiotika eingesetzt als bei MenschenUm die Unterschiede zu erlaumlutern muss man zwischen Praumlparaten und den antibiotischen Wirkstoffgruppen unterscheiden Beim Tier verwenden Veterinaumlrmediziner ande-re Praumlparate als Aumlrzte beim Menschen Der wirksame Inhaltsstoff das Antibiotikum kann aber dasselbe sein Die Antibiotika lassen sich wiederum in Wirkstoffgruppen einteilen Mit Blick auf die Wirkstoffgrup-pen gilt Die meisten Antibiotika die beim Menschen eingesetzt werden gehoumlren zu Wirkstoffgruppen die wir auch in der Vete-rinaumlrmedizin nutzen Es gibt nur ganz weni-ge Antibiotikagruppen die nur auf der einen oder der anderen Seite verwendet werden Dazu gehoumlren zum Beispiel die Carbapene-me die nicht beim Nutztier eingesetzt wer-den duumlrfen In der Humanmedizin kommen sie insbesondere zum Einsatz wenn andere Antibiotika nicht mehr wirksam sind

bdquoEine Resistenz ge-gen einen bestimm-ten Wirkstoff kann sich auch ausbrei-ten obwohl diese Wirkstoffgruppe nicht eingesetzt wurde

Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer leitet am BfR die Fachgruppe bdquoEpide-miologie Zoonosen und Antibiotika-resistenzldquo die unter anderem auch das Nationale Referenzlabor fuumlr Antibiotika- resistenzen umfasst Seit April 2016 ist sie auszligerdem Professorin an der Vetmeduni Vienna und leitet dort das Institut bdquoOumlffentliches Veterinaumlrwesenldquo

Wenn sie beim Nutztier nicht eingesetzt werden duumlrfen wie kann es dann sein dass Sie am BfR im Rahmen des For-schungsprojekts RESET Carbapene-mase-bildende Bakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden gefunden habenDie Entstehung von Antibiotikaresistenzen ist ein natuumlrlicher Vorgang bei Bakterien Durch den Gebrauch von Antibiotika wird dieser Prozess beschleunigt Eine Resistenz gegen einen bestimmten Wirkstoff kann sich auch ausbreiten obwohl diese Wirk-stoffgruppe nicht eingesetzt wurde Dank der Selektion gilt meist Wenn ich einen Wirkstoff einsetze gebe ich jenen Bakterien einen Vorteil die gegen den Wirkstoff resis-tent sind Aber Carbapenemasen also die Enzyme die von Carbapenem-resistenten Bakterien gebildet werden koumlnnen neben den Carbapenemen auch fast alle anderen

Bakterien die gegen Antibiotika resistent sind stellen ein Risiko fuumlr die oumlffentliche Gesundheit dar Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer widmet sich am BfR dieser Problematik Im Gespraumlch erklaumlrt sie welche Faktoren bei der Ausbreitung von Resistenzen eine Rolle spielen

copy M

icha

el B

ernk

opf

Vetm

edun

i Vie

nna

26 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

β-Laktam-Antibiotika inaktivieren Theo-retisch ist es daher moumlglich dass sich eine Resistenz gegen Carbapeneme ausbreitet obwohl der Tierarzt beim Nutztier eine an-dere Wirkstoffgruppe eingesetzt hat Ist die Resistenz bei Bakterien vorhanden gibt es viele Ausbreitungswege Ein Stall ist kein steriler Ort sondern belebte Umwelt Moumlg-liche Eintragswege fuumlr resistente Bakterien in einen Stall sind z B belebte Vektoren wie neu eingestallte Tiere Maumluse Fliegen oder Voumlgel aber auch unbelebte Vektoren wie Futter Wasser Staub oder Geraumltschaften

Was hat sich seit dem Fund der Carba-penemase-bildenden Enterobakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden fuumlr Ihre Arbeit beim BfR geaumlndert Der Fund hatte vielfaumlltige Konsequenzen Wir haben vor allem die gezielten Untersu-chungsaktivitaumlten verstaumlrkt Bakterien-Iso-late aus Tierbestaumlnden und Lebensmitteln werden seit 2014 im Rahmen des Resistenz-monitorings im BfR routinemaumlszligig auf eine Carbapenem-Resistenz getestet Auszligerdem steht seit 2015 fuumlr den Nachweis von Carba-penemase-bildenden Bakterien ein weiteres gezieltes Nachweisverfahren zur Verfuumlgung Hierzu muumlssen die Labore geschult werden Zusaumltzlich werden im Nationalen Refe-renzlabor fuumlr Antibiotikaresistenz am BfR Carbapenemase-verdaumlchtige Bakterien auf die charakteristischen Resistenzgene hin un-tersucht Am BfR wurden hierfuumlr verschie-dene Methoden fuumlr die Untersuchung von E coli und Salmonella etabliert Bisher wur-den sehr selten solche Resistenzgene nach-gewiesen bei Nutztieren das Gen blaVIM-1 bei einem Wildvogel das Gen blaNDM-1

Oftmals sind die Resistenzgene gegen Carbapeneme zusammen mit anderen Resistenzgenen auf mobilen geneti-schen Elementen lokalisiert Warum ist hier besondere Vorsicht gebotenZunaumlchst ist die Trefferwahrscheinlichkeit fuumlr eine Selektion houmlher wenn mehrere Re-sistenzgene auf einem genetischen Element liegen d h der Einsatz verschiedener Anti-biotika kann zu einem Selektionsvorteil fuumlh-ren Die Lokalisation von Resistenzgenen auf mobilen genetischen Elementen spielt fuumlr die Uumlbertragbarkeit von Resistenzen eine wichtige Rolle Denn Diese Resistenzgene koumlnnen mittels horizontalem Gentransfer auf ganz unterschiedliche Bakteriengruppen uumlbertragen werden Diese Erkenntnis hat eine Art Revolution ausgeloumlst Lange Zeit wurde ein Erreger mit all seinen Eigenschaf-ten als Einheit betrachtet Kann die Resis-tenz aber zwischen Bakteriengruppen hin

und her uumlbertragen werden verfaumllscht das moumlglicherweise den Blick auf eine Gruppe Folglich mussten die Nachweisverfahren umgestellt und die Uumlbertragbarkeit von Re-sistenzen mit analysiert werden Erschwe-rend kommt hinzu dass ein Resistenzgen auf einem grundsaumltzlich ungefaumlhrlichen

Bakterium zum Problem werden kann Manche Bakterien wie beispielsweise E coli gehoumlren zur normalen Darmflora Traumlgt so ein Bakterium eine Resistenzeigenschaft ist das erstmal nicht gefaumlhrlich Aber Es kann diese Eigenschaft moumlglicherweise an einen Infektionserreger weitergeben

Welche konkreten Folgen kann eine solche Weitergabe von Resistenzeigen-schaften habenSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt Schon jetzt weichen Aumlrzte auf Wirk-stoffgruppen aus die in der Humanmedizin lange verpoumlnt waren Dies gilt zum Beispiel fuumlr Colistin Fuumlr den Menschen ist es nicht gut vertraumlglich moumlgliche Nebenwirkun-gen sind beispielsweise die Schaumldigung der Nieren oder des Nervensystems In der Ve-terinaumlrmedizin hat Colistin seit Jahrzehnten eine erhebliche Bedeutung vor allem fuumlr die Behandlung von Infektionen des Ma-gen-Darm-Traktes bei Nutztieren auch um andere Wirkstoffgruppen zu vermeiden

Spielt im Fall von Colistin die Mobilitaumlt des Resistenzgens auch eine besonde-re Rolle Inzwischen ja Bis Ende 2015 waren sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler einig Eine Colistin-Resistenz ist nicht uumlbertragbar Das heiszligt kommt eine solche Resistenz bei einem Infektionserreger beim Nutztier vor ist sie nicht per se auf ein hu-manpathogenes Bakterium uumlbertragbar Doch Ende 2015 wurde in China erstmals das uumlbertragbare Gen mcr-1 beschrieben Untersuchungen in Belgien haben spaumlter zur Beschreibung eines weiteren mobilen Gens fuumlr die Colistin-Resistenz bei Nutztieren

bdquoSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

27012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Ausbreitung von Resistenzen

Haustiere

Krankenhaus

Belastetepflanzliche Lebensmittel

Belastete tierische Lebensmittel

Nutztiere

Futtermittel

Schaumldlinge

Uumlbertragungswege resistenter Bakterien

Menschen

Eine Antibiotikaresistenz entsteht

(z B durch Mutation)

Antibiotikatherapie beguumlnstigt die

Selektion resistenter Bakterien

Nahrung

Duumlnger Abwasser

Abwasser

28 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

gefuumlhrt mcr-2 Das bedeutet eine Uumlbertra-gung der durch diese Gene vermittelten Re-sistenz auf ein humanpathogenes Bakterium ist theoretisch moumlglich Allerdings scheint dies bisher selten der Fall zu sein

Diese Erkenntnisse offenbaren einen groszligen Forschungsbedarf Was tun Sie in der Abteilung bdquoBiologische Sicher-heitldquo um das Risiko zu bewerten Als 2015 klar wurde dass es eine uumlbertrag-bare Colistin-Resistenz gibt haben wir diese neue Erkenntnis in den laufenden Projekten natuumlrlich sofort aufgegriffen Im Rahmen des Forschungsprojekts RE-SET haben wir zum Beispiel vorhandenes Bakterienmaterial und die bei unseren Ko-operationspartnern verfuumlgbaren Gesamt-genominformationen auf das Vorkommen dieses neuen Resistenzgens gepruumlft Schnell war klar Ja dieses Gen finden wir in den Sequenzen Und die Pruumlfung von Colis-tin-resistenten Isolaten aus unserer Stamm-sammlung hat bestaumltigt dass dieses Resis-tenzgen bereits weit verbreitet ist

Muumlssen nun neue Forschungsprojekte zu dem Thema initiiert werdenJa denn viele Fragen bleiben bislang offen Wie haumlufig wird die Resistenz tatsaumlchlich uumlbertragen Was triggert diese Uumlbertra-gung Es gibt auch diagnostische Probleme Das uumlbliche Verfahren in der Humanmedi-zin um Resistenzen zu testen umfasst in der Regel nicht die Resistenz gegen Colistin Es gibt also viel zu tun Neue Diagnose- und Typisierungsverfahren aufbauen unser Re-sistenzmonitoring erweitern und routine-maumlszligig phaumlnotypisch resistente Isolate auf das Gen pruumlfen Die Ergebnisse muumlssen wir dann uumlbergreifend bewerten um Hand-lungsoptionen aufzuzeigen

Welche Uumlbertragungswege spielen bei der Colistin-Resistenz fuumlr den Men-schen eine Rolle Mit Sicherheit koumlnnen wir das derzeit nicht sagen Die chinesische Arbeitsgruppe hat Colistin-Resistenzen sowohl im Schweine-fleisch als auch beim Menschen gefunden Daher liegt die Hypothese nahe dass es eine Uumlbertragung uumlber Lebensmittel gibt Gleichzeitig gibt es generell die Beobachtung von nosokomialen Ausbreitungen resisten-ter Bakterien Das sind Ausbreitungen von Antibiotikaresistenzen im Krankenhaus

Resistenzen breiten sich aus Wunder-waffen verlieren ihre Wirkung selbst im Krankenhaus sind wir nicht sicher Gibt es uumlberhaupt eine effiziente Strategie gegen die Ausbreitung der Antibiotika- resistenzen Und wer ist dabei gefor-dertUm die Ausbreitung von Antibiotika- resistenzen zu verhindern braucht es eine gemeinsame Strategie Schlieszliglich sind hier komplexe Zusammenhaumlnge zwischen Mensch Tier und Umwelt am Werk Am BfR streben wir deswegen eine enge Zu-sammenarbeit mit allen Akteuren im oumlffent-lichen Gesundheits- und Veterinaumlrwesen an Bei diesem bdquoOne Health-Ansatzldquo sind sowohl Veterinaumlr- als auch Humanmedizi-ner gefordert Auch Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

Was sollten Verbraucherinnen und Ver-braucher beachtenHier gelten dieselben Hygieneregeln die auch fuumlr andere vom Tier oder vom Le-bensmittel auf den Menschen uumlbertragba-re Krankheitserreger gelten Zum Beispiel sollten sie sich nach dem Kontakt mit Tie-ren die Haumlnde mit warmem Wasser und Seife waschen Auch nach der Zubereitung von rohem Fleisch sollten die Haumlnde gruumlnd-lich gewaschen werden Fleisch Eier und Rohmilch sollten vor dem Verzehr durcher-hitzt werden Rohkost und Obst sollten vor dem Verzehr gruumlndlich mit Trinkwasser gewaschen oder geschaumllt werden Weiterhin wichtig ist den direkten oder indirekten Kontakt von rohem Fleisch und rohen Ei-ern mit verzehrfertigen Speisen die spaumlter nicht mehr erhitzt werden zu vermeiden Durch die Einhaltung der Hygieneregeln kann man einer Uumlbertragung von resisten-ten und oder pathogenen Bakterien auf an-dere Lebensmittel vorbeugen

Mehr erfahren Irrgang et al 2017 Recurrent detection of VIM-1-producing Escherichia coli clone in German pig production Journal ofAntimicrobial Chemotherapy 72 3 944ndash946

bdquoVerbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

RESET

Der Forschungsverbund RESET ndash Antibiotika-Resistenzen bei Tier und Mensch ndash beschaumlftigte sich von 2010 bis 2017 mit Resistenzen gegen die besonders wichtigen Antibiotika-Klas-sen der β-Laktam-Antibiotika und (Fluor-)Chinolone bei Darmbakterien wie Escherichia (E) coli Sind Bak-terien gegen beide Wirkstoffklassen resistent werden die therapeutischen Moumlglichkeiten drastisch eingeschraumlnkt Bei E coli und Salmonella enterica wurden derartige Resistenzen bereits nachgewiesen Das BfR beteiligte sich mit zwei Projekten an dem Forschungs-verbund Durch das konsequente Zusammenfuumlhren von Ergebnissen der unterschiedlichen Forschungsgebiete in einer gemeinsamen Datenbank konnten Erkenntnisluumlcken geschlossen und Risiken bewertet werden Das Projekt wurde vom Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) gefoumlrdert

29012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Kann es durch die Mischung verschiedener Pestizid-Ruumlckstaumlnde beim taumlglichen Verzehr zu gesundheitsgefaumlhrdenden Belastungen kommen

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

30 BfR 2 GO

Wenn von Paradigmenwechseln die Rede ist findet meist ein grundlegendes Umdenken statt In der Risikobewertung von Chemikalien habe ein Paradigmenwechsel stattge-

funden der die traditionelle Einzelsubstanz-Bewertung hinter sich lasse schrieben BfR-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler vor einiger Zeit Man koumlnnte meinen in der Toxikologie wird der Paracelsus-Satz kuumlnftig umgeschrieben Nicht nur die Dosis son-dern auch die Aufsummierung der Dosierungen in einer Mischung macht das Gift

Gift- oder Todescocktail ndash plakative Medienbegriffe

Denn tatsaumlchlich In den letzten Jahren beschaumlftigen sich weltweit immer mehr Gremien politische Ausschuumlsse und Forschungspro-jekte mit der Frage wie man die Auswirkungen von Mischungen auf Umwelt und Gesundheit kuumlnftig bewerten kann Auch in der Oumlffentlichkeit wird das Thema emotional verhandelt Chemikali-enmix Gift- oder sogar Todescocktail ndash mit plakativen Begriffen umschreiben Medien das Phaumlnomen der Mehrfachruumlckstaumlnde Entsprechend tief sitzt die Angst bei Verbraucherinnen und Ver-brauchern In einer vom BfR in Deutschland durchgefuumlhrten re-praumlsentativen Wahrnehmungsstudie vermuten 80 Prozent der Befragten dass der Einsatz mehrerer unterschiedlicher Pflanzen-schutzmittel zu gesundheitlichen Beeintraumlchtigungen durch Le-bensmittel fuumlhren kann

Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck sein

Zwar zeigen verschiedene aktuelle Monitoring-Projekte dass das gesundheitliche Risiko durch Mehrfachruumlckstaumlnde von Pflanzen-schutzmitteln unwahrscheinlich ist (s Interview) aber das Thema bleibt auch fuumlr die Wissenschaft draumlngend Denn auch wenn Mi-schungen schon seit Jahrzehnten wissenschaftlich analysiert und bewertet werden das Beduumlrfnis nach einer zuverlaumlssigen Bewertung der Risiken fuumlr Mensch und Umwelt steigt Grund dafuumlr ist zum einen die Vielzahl immer neuer Wirkstoffe Zusatzstoffe Chemika-lien Ruumlckstaumlnde und Kontaminanten gegenuumlber denen Menschen exponiert sind verbunden mit immer verfeinerten wissenschaftli-chen Nachweismethoden Zum anderen steigt der Druck aus der Oumlffentlichkeit Um wissenschaftliche Divergenzen zu vermeiden muumlssen transparente und international harmonisierte Verfahren entwickelt werden Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck in der Risikobewertung sein

Alle Gemische im Tierversuch zu testen ist nicht durchfuumlhrbar

Worum geht es im Einzelnen Mischungen liegen immer dann vor wenn ein Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt verschiedene Stoffe gleichzeitig aufnimmt z B Ruumlckstaumlnde Kontaminanten oder Chemikalien die nach der Europaumlischen Chemikalienverordnung REACH registriert sind Das geschieht wenn sogenannte intentional mixtures also beabsichtigte Mischungen wie Pflanzenschutzmittel oder Biozide in den Verkehr gebracht werden Aber auch unintenti-onal mixtures nimmt der Koumlrper auf Sei es dass verschiedene Stoffe in einem Produkt enthalten sind z B mehrere Pflanzenschutzmit-telruumlckstaumlnde in einem Apfel Oder sei es dass Stoffe gleichzeitig uumlber unterschiedliche Produkte aufgenommen werden In all diesen Faumlllen koumlnnen Mischungseffekte auftreten Diese sind je nach Wirk-mechanismus unterschiedlich stark ausgepraumlgt So koumlnnen sich die Wirkungen von Stoffen gegenseitig potenzieren oder auch aufheben Nach derzeitigem Kenntnisstand wird davon ausgegangen dass sich Wirkungen in der Regel addieren wenn die aufgenommenen Stoffe oberhalb der Wirkschwelle liegen den gleichen Wirkmechanismus haben und zu einem relevanten Zeitpunkt vom Organismus aufge-nommen wurden

Hier beginnen die Schwierigkeiten Es gibt zu viele intentional mix-tures die eine nahezu unuumlbersehbar groszlige Anzahl von Kombinati-onen ermoumlglichen Diese Gemische alle im Tierversuch zu testen wie sonst bei Einzelsubstanzen uumlblich waumlre sowohl ethisch nicht zu vertreten als auch praktisch nicht durchfuumlhrbar Daher arbeiten viele Forschungsprojekte u a der EU-Kommission daran tierversuchs-freie Methoden fuumlr die kumulative Bewertung zu entwickeln die die Effekte von Mischungen in vitro oder durch computergestuumltzte Be-rechnungen in silico berechnen (s Interview und Kasten)

Weltweit setzen Laumlnder das Thema auf ihre Agenda

Nicht nur fuumlr die Wissenschaft auch fuumlr den harmonisierten Voll-zug von Gesetzen ergeben sich dadurch neue Herausforderungen So schreibt z B die EU-Verordnung uumlber das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vor Kumulations- und Synergieeffekte zu be-ruumlcksichtigen ndash sofern es von der Behoumlrde anerkannte wissenschaft-liche Methoden zur Messung solcher Effekte gibt Doch die lagen bisher nicht vor Deshalb werden nun auf allen Ebenen technische Leitfaumlden fuumlr die neuen Methoden erstellt um eine harmonisierte

Auf die Mischung kommt es anKumulative Risikobewertung nimmt weltweit eine immer groumlszligere Bedeu-tung in der Toxikologie ein Das BfR arbeitet an einer Vielzahl von Projek-ten wie Mischungen in Zukunft bewertet werden koumlnnen

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

31012017

Vorgehensweise und transparente Nachvollziehbarkeit bei der Zu-lassung von Produkten zu gewaumlhrleisten Unter anderem die EFSA die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmittelsicherheit die Europauml-ische Chemikalienagentur ECHA und das JRC die Gemeinsame Forschungsstelle der Europaumlischen Kommission erarbeiten solche technischen Leitfaumlden

Neben der wissenschaftlichen Komplexitaumlt muumlssen diese techni-schen Leitfaumlden weitere Herausforderungen meistern Sie sollen fuumlr alle Bereiche gelten in denen Mischungen in Verkehr gebracht werden oder entstehen koumlnnen Bisher wurden Mischungen haumlufig nur in einem regulatorischen Bereich untersucht z B als Pflan-zenschutzmittel Biozid oder Arzneimittel Fuumlr andere Stoffe wie Lebensmittelzusatzstoffe oder Kontaminanten war die Bewertung von Mischungen bisher nicht klar gesetzlich reguliert In Zukunft sollen auch diese Stoffe bei einer Bewertung von Mischungen besser beruumlcksichtigt werden Auch soll nicht nur die chemische Zusam-mensetzung eines einzelnen Produktes systematisch bei der Zu-lassung beruumlcksichtigt werden sondern auch Mehrfachruumlckstaumlnde im gesamten Warenkorb den Verbraucherinnen und Verbraucher durchschnittlich zu einer gegebenen Zeit konsumieren Und zu gu-ter Letzt muumlssen die neuen Verfahren weltweit harmonisiert werden um das kumulative Risiko fuumlr Mensch und Umwelt auch angesichts globaler Warenketten gering zu halten Deshalb diskutieren Politik und Wissenschaft zurzeit nicht nur auf europaumlischer Ebene entspre-chende Leitfaumlden auch andere Laumlnder weltweit sowie die Weltge-sundheitsorganisation WHO und die Organisation fuumlr wirtschaftli-che Zusammenarbeit und Entwicklung OECD haben die kumulative Bewertung auf ihre Agenda genommen und stimmen ihre Guidance Documents mit den uumlbrigen Behoumlrden ab

Deutschland wendet die kumulative Bewertung schon an

Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR sind an zahlreichen dieser internationalen Projekte beteiligt sowohl an der wissenschaftlichen Erforschung kumulativer Effekte als auch an der Entwicklung technischer Leitfaumlden Einen wichtigen Schritt bei der kumulativen Bewertung hat Deutschland in der Europaumlischen Uni-

Stufe um Stufe zu einer gesicherten Bewertung

Seit Maumlrz 2017 wird in Deutschland eine Methodik fuumlr die Bewertung von Kumulations- und Synergie-effekten bei der gesundheitlichen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln in den Zulassungsverfahren angewandt Grundlage fuumlr das gestufte kumulative Bewertungsverfahren ist der sogenannte bdquoHazard Quotientldquo (HQ) der fuumlr jeden einzelnen Stoff ermit-telt wird Der HQ errechnet sich aus dem Verhaumlltnis zwischen dem relevanten gesundheitlichen Grenz-wert und der geschaumltzten Exposition

In einer ersten Stufe wird der HQ fuumlr alle Stoffe eines Gemisches einzeln ermittelt Liegt der HQ jedes Stoffes unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko fuumlr die einzelnen Bestandteile der Mischung zu erwarten Liegt dieser bei einzelnen Stoffen uumlber 1 wird gepruumlft ob die Exposition durch geeignete Maszlignahmen weiter vermindert werden kann zum Beispiel durch das Tragen entsprechender Schutz-kleidung

Liegt der HQ fuumlr alle Komponenten unter 1 wird in einer zweiten Stufe der sogenannte bdquoHazard Indexldquo (HI) des Gemisches ermittelt indem alle Gefahren-quotienten der verwendeten Stoffe addiert werden Liegt der ermittelte Wert weiterhin unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko durch das Gemisch zu erwarten

Liegt der HI uumlber 1 geht die Bewertung mit weiter verfeinerten Methoden in die dritte Stufe uumlber In dieser wird gepruumlft ob ein gesundheitliches Risiko vorliegt wenn eine Gruppierung der Einzelstoffe vorgenommen wird Dazu koumlnnen die einzelnen Stoffe in kumulative Bewertungsgruppen (cumula-tive assessment groups CAGs) eingeteilt werden die z B nach Effekten im gleichen Zielorgan oder nach dem gleichen Wirkmechanismus oder nach chemischer Verwandtschaft definiert sein koumlnnen Hintergrund dieser Einteilung ist die Annahme dass sich nach gegenwaumlrtigem Kenntnisstand nur Effek-te addieren die hinsichtlich der Zielorgane oder der Wirkmechanismen (MOA) vergleichbar sind Auch die relative Potenz der einzelnen Stoffe soll bei der verfeinerten Bewertung beruumlcksichtigt werden Liegt der HI innerhalb einer CAG unter 1 ist deshalb kein gesundheitliches Risiko zu erwarten Liegt er oberhalb des Wertes und koumlnnen weder Expositionsschaumltzung noch Gefahrenbewertung weiter verfeinert werden gilt das Gemisch als nicht sicher

Das mehrstufige Verfahren hat den Vorteil dass die ressourcenaufwendigeren Methoden zur verfei-nerten Bewertung z B in vergleichbaren CAGs oder MOAs nur zum Einsatz kommen wenn mit den ersten einfacheren Bewertungsmethoden nicht nachweisbar ist dass kein gesundheitliches Risiko zu erwarten ist

copy T

atom

mis

tock

com

32 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

EuroMix A tiered strategy for risk assessment of mixtures of multiple chemicals

EuroMix ist ein laumlnderuumlbergreifendes Projekt der EU-Kommission das die nie-derlaumlndische Behoumlrde fuumlr Gesundheit und Umweltschutz RIVM koordiniert Es zielt darauf ab eine tierversuchsfreie experi-mentelle Test-Strategie zu entwickeln um die Toxizitaumlt von Gemischen verschiedener toxikologisch relevanter Lebensmittelin-haltsstoffe Lebensmittelkontaminanten und Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde besser zu bestimmen Aus den Forschungsergeb-nissen wird ein Leitfaden fuumlr die kuumlnftige Umsetzung einer experimentellen Test-Stra-tegie entwickelt Das Acht-Millionen-Eu-ro-Projekt laumluft bis Mai 2019

Mehr erfahren wwweuromixprojecteu

Kombinationseffekte Forschungsprojekte des BfR

Am BfR werden in verschiedenen Abteilungen mehrere interne Forschungsprojekte zu Kombinationseffekten durch-gefuumlhrt Dazu gehoumlren u a Forschungsprojekte zu kumulativen Wirkungen in Pflanzenschutzmitteln und Bioziden zu Mehrfachruumlckstaumlnden in Lebensmitteln zur Expositionsschaumltzung sowie zu wirbeltierfreien Alternativmethoden Daruumlber hinaus ist und war das BfR auch an folgenden Drittmittel-Projekten beteiligt die zu Kombinationseffekten forschen

Combiomics Analyse von Kombinationseffekten von Pestiziden in vitro

Combiomics war ein zweieinhalbjaumlhri-ges Projekt des Bundesministeriums fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) das im Fruumlhling 2016 abgeschlossen wurde In dem vom BfR koordinierten Projekt wurden moumlgliche Kombinationswirkungen durch Mehrfachruumlckstaumlnde beispielhaft anhand einer Gruppe von Fungiziden in vitro unter-sucht Dazu wurden die molekularen Effek-te der Triazole mittels multi level omics und praumldiktiver mathematischer Modellierung untersucht Ausgehend von den Ergebnissen wurde ein Praumldiktionsmodell fuumlr Substanz-kombinationen erstellt validiert und auf Pestizide anderer Stoffgruppen bzw weitere Substanzklassen ausgedehnt um Kombi-nationseffekte kuumlnftig weitgehend ohne Tierversuche durchfuumlhrbar zu machen

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschung gt Drittmittelprojekte gt Combiomics

Combiomics 2Auch die zweite Projektphase von Com-biomics wird vom BfR koordiniert Hier sollen erfolgreich getestete Methoden und Zelllinien in Form einer standardisierten In-vitro-Testbatterie validiert und in ein Standardverfahren integriert werden das auch kuumlnftigen regulatorischen Anforde-rungen entspricht Das dreijaumlhrige Projekt wird vom BMBF bis Ende 2019 gefoumlrdert

Mehr erfahren wwwfisaonlinede gt Kombinationseffekte Pestizide

on schon jetzt unternommen Am 1 Maumlrz 2017 erschien im Bundesanzeiger eine Be-kanntmachung dass Kumulations- und Synergieeffekte in der gesundheitlichen Be-wertung von Pflanzenschutzmitteln kuumlnf-tig durch das BfR beruumlcksichtigt werden Damit bezieht Deutschland bei der zonalen Zulassung von Pflanzenschutzmitteln eine systematische kumulative Bewertung ein

Ein Leitfaden zur kumulativen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln wurde am BfR erarbeitet basierend auf den internatio-nalen Diskussionen bei EFSA und ECHA und 2014 veroumlffentlicht Seitdem wird das Verfahren am BfR angewandt uumlberpruumlft und verfeinert Im Kern geht es darum in einem mehrstufigen Verfahren verschie-dene Wirkstoffe in einem Pflanzenschutz-mittel oder in einer beantragten Tankmi-

schung kumulativ zu bewerten (s Kasten) Dazu werden sowohl die Exposition der Anwenderinnen und Anwender als auch die akute Exposition der Verbraucherinnen und Verbraucher betrachtet sodass die am meisten exponierten Gruppen beruumlcksich-tigt sind

Das Ziel Mischungen weltweit harmonisiert zu bewerten

Die Einfuumlhrung der Konzepte zur kumu-lativen Bewertung von Pflanzenschutzmit-teln hat auch in anderen EU-Laumlndern Aus-wirkungen auf die Risikobewertung Wenn Deutschland im zonalen Zulassungsverfah-ren bewertender Mitgliedstaat ist wird das Verfahren grundsaumltzlich angewandt Aber auch in die Bewertungsberichte anderer Laumlnder flieszligt die kumulative Bewertung als

deutscher Kommentar mit ein Durch den fachlichen Austausch zwischen den Mit-gliedstaaten wurde das Konzept in den letz-ten Jahren einem Peer-Review unterzogen Um die Praxis europaweit noch besser zu harmonisieren werden derzeit auszligerdem internationale Workshops organisiert auf denen diskutiert wird wie Mischungen bei der Risikobewertung kuumlnftig beruumlcksichtigt werden sollen Das BfR veranstaltet einen solchen Workshop im November 2017 im Auftrag der Europaumlischen Kommission die Franzoumlsische Behoumlrde fuumlr gesundheitlichen Verbraucher- Umwelt- und Arbeitsschutz (ANSES) einen weiteren im Februar 2018 unter aktiver Beteiligung des BfR

Das Ziel Mischungen weltweit harmoni-siert zu bewerten um Mensch und Umwelt besser zu schuumltzen ruumlckt damit naumlher

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

33012017

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

bdquoZiel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertungldquo Interview mit Herrn Dr Roland Solecki uumlber die Forschungsaktivitaumlten des BfR zu Mehrfachruumlckstaumlnden

Herr Solecki bei Mehrfachruumlckstaumlnden von Pflanzenschutzmitteln sprechen die Medien oft von einem bdquoGiftcocktailldquo Haben Sie Erkenntnisse daruumlber wie groszlig das gesundheitliche Risiko tat-saumlchlich istDas BfR hat dazu gemeinsam mit dem Bun-desministerium fuumlr Ernaumlhrung und Land-wirtschaft und dem Bundesamt fuumlr Ver-braucherschutz und Lebensmittelsicherheit einen Bericht uumlber die kumulativen Wir-kungen von Pflanzenschutzmitteln veroumlf-fentlicht Dieser basiert auf einer Methodik der niederlaumlndischen Behoumlrde fuumlr Gesund-heit und Umweltschutz RIVM Hintergrund ist ein Monitoring das uumlber einen Zeitraum von sechs Jahren in Deutschland durchge-fuumlhrt wurde Darin wurde untersucht wel-che Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde durch-schnittlich uumlber Lebensmittel aufgenommen werden Das Ergebnis war dass auch unter Worst-Case-Annahmen fuumlr die Mischungen von Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnden ein gesundheitliches Risiko unwahrscheinlich ist Die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit EFSA kam in ihrem Monito-ring-Bericht von 2015 fuumlr Gesamteuropa zu einem aumlhnlichen Ergebnis

Sie arbeiten unter anderem bei dem Pro-jekt EuroMix mit Worum geht es dabeiEs handelt sich um ein groszliges Forschungs-projekt der EU-Kommission zur kumulati-ven Bewertung von Mischungen im Rahmen von Horizont 2020 dem Rahmenprogramm der Europaumlischen Union fuumlr Forschung und Innovation Das Projekt hat zum Ziel neue Bewertungsmethoden fuumlr Mischungseffekte zu erarbeiten besonders auch im Hinblick auf Alternativen zu Tierversuchen innovati-ve Wege der Expositionsschaumltzung und Mo-dellierung von kumulativen Risiken Dabei geht es nicht nur um Pflanzenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatzstoffe und andere Chemikalien

Wie ist das BfR da in EuroMix einge-bundenVom BfR arbeiten sowohl die Abteilung Sicherheit von Pestiziden als auch die Ab-teilung fuumlr Lebensmittelsicherheit am Eu-roMix-Projekt mit Waumlhrend die von mir geleitete Abteilung fuumlr die regulative Bewer-tung eingebunden ist werden in der Abtei-lung Lebensmittelsicherheit experimentelle Arbeiten unter anderem zur Lebertoxizitaumlt durchgefuumlhrt in denen auch Kombinatio-nen von Pestiziden mit anderen Lebensmit-telinhaltsstoffen gepruumlft werden

Woran forschen Sie im EuroMix-ProjektWir haben zunaumlchst recherchiert welche gesetzlichen Anforderungen bestehen und wie unterschiedliche Behoumlrden weltweit

Mischungseffekte bewerten Und wir haben Forschungen zu Mischungen durchgefuumlhrt die bestimmte adverse Effekte auf die Leber verursachen Dabei wurden bestimmte Schluumlsselelemente untersucht um daraus ein Konzept fuumlr die Bewertung zu erarbei-ten Jetzt werden die Omics-Untersuchun-gen und andere alternative Pruumlfverfahren noch durch Tierversuche ergaumlnzt sodass wir auch am Gesamtorganismus die Effek-te uumlberpruumlfen koumlnnen Gleichzeitig werden die statistischen Hilfsmittel und die ande-ren elektronisch basierten Tools weiterent-wickelt Auszligerdem folgen noch weitere Stu-dien zur Exposition Die finalen Ergebnisse liegen am Ende des Projekts im Jahr 2019 vor

In welche weiteren europaumlischen Aktivi-taumlten ist das BfR eingebundenDie EFSA hat bereits einige Ansaumltze zur Bewertung der kombinierten Exposition gegenuumlber mehreren Pestiziden und Kon-taminanten bei Menschen sowie mehreren Pestiziden bei Bienen entwickelt Derzeit ist die EFSA damit befasst neue Ansaumltze und Instrumente zur Harmonisierung der Be-wertung von Risiken fuumlr Mensch und Um-welt zu erarbeiten die von der Exposition gegenuumlber mehreren chemischen Stoffen in der Lebensmittelkette ausgehen Ich bin derzeit Mitglied einer Arbeitsgruppe von Sachverstaumlndigen die der Wissenschaftliche Ausschuss der EFSA eingerichtet hat um Leitlinien im Hinblick auf die kombinierte Exposition gegenuumlber mehreren chemi-schen Stoffen zu entwickeln Diese Initiative unter dem Namen bdquoMixToxldquo wird 2018 den Leitfaden in einer oumlffentlichen Konsultation diskutieren

Bei dieser Vielzahl an Aktivitaumlten Wel-ches Ziel haben Sie persoumlnlich vor Au-genDas Ziel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertung von Stoffen in der gesundheitlichen Risikocharakterisie-rung und deren harmonisierte Implemen-tierung in den gesetzlichen Verfahren Dies wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen

bdquoBei den kumulati-ven Risiken geht es nicht nur um Pflan-zenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatz-stoffe und andere Chemikalien

Dr Roland Solecki leitet die Abteilung bdquoSicherheit von Pestizidenldquo am BfR

copy B

fR

34 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

SPEKTRUM

Identifizierung endokriner Disruptoren Vom Grundsatz in die Praxis

Fuumlr Pestizid-Wirkstoffe und andere Chemikalien sind harmonisierte wissenschaftliche Kriterien erforderlich mit denen hormonschaumldigende Substanzen identifiziert werden koumlnnen Das BfR veroumlffentlichte hierzu bereits 2016 ein Konsenspapier als wissenschaftliche Grundlage fuumlr die darauffolgende Arbeit der EU-Behoumlrden Auf legislativer Ebene werden aktuell EU-weit geltende Ver-ordnungen festgelegt um auf wissenschaftlicher Ebene Leitlinien zur regulatorisch harmonisierten Umsetzung dieser Verordnungen zu erarbeiten Mit dieser Aufga-be hat die EU-Kommission die EFSA und die ECHA gemeinsam beauftragt Das BfR unterstuumltzt die Behoumlr-den mit wissenschaftlicher und technischer Expertise indem es die entsprechende Arbeitsgruppe bei der EFSA personell verstaumlrkt sowie Recherchen und Umfragen zur Praktikabilitaumlt von Untersuchungsmethoden durchfuumlhrt Die Publikation der Leitlinien wird fuumlr Fruumlhjahr 2018 erwartet Sie koumlnnen auf Basis der verabschiedeten Ver-ordnungen nach ihrer Implementierung in der Genehmi-gungspraxis angewendet werden

Mehr erfahren Solecki et al 2017 Scientific principles for the identification of endocrine-disrupting chemicals a consensus statement Arch Toxicol 91 1001ndash1006

Insekten-Stopp in Textilien Allergene Wirkung unwahrscheinlich

Das Risiko fuumlr eine Allergie nach dem Kontakt mit Kleidung und Produkten die mit dem Biozid Permethrin behandelt sind ist nach derzeitigem Kenntnisstand unwahrscheinlich Das ist das Ergebnis einer aktuellen Risikobewertung des BfR Gestuumltzt wird das Ergebnis dadurch dass trotz weitverbreiteter Anwendung des Wirkstoffs in Medikamenten und Verbraucherprodukten kein Anstieg der Kontaktallergien gegenuumlber Permethrin zu verzeichnen ist Das Risiko fuumlr kanzero-gene systemische Effekte infolge einer dermalen und oralen Exposition gegenuumlber Permethrin aus Textilien ist nach Ansicht des BfR vernachlaumlssigbar gering Permethrin ist ein biozider Wirkstoff der zum Schutz gegen Insekten in Produkten wie Schlafsaumlcken Picknick- und Yogadecken sowie Teppichen und Kleidung eingesetzt wird Er ist im Chemikalienrecht als sensibilisierend eingestuft ein moumlgliches geringes kanzerogenes Potenzial wird von verschiedenen wissenschaftlichen Gremien diskutiert Der Wirkstoff kann aus Textilien freigesetzt und uumlber die Haut aufgenommen werden Bei kleinen Kindern die viele Produkte in den Mund nehmen kommt eine moumlgliche orale Aufnah-me des Stoffes hinzu

Mehr erfahren Stellungnahme Nr 0062017 des BfR vom 25 April 2017

Wie wirkt Aluminium in Leber und Darm

Aluminium ist in Lebensmitteln Kosmetika und Bedarfsge-genstaumlnden enthalten und kann uumlber die Nahrung aufgenom-men werden Erste Ergebnisse aus dem deutsch-franzoumlsischen Forschungsprojekt bdquoSolNanoToxldquo mit Beteiligung des BfR zeigen dass sich aus der Nahrung aufgenommene Aluminiumverbin- dungen temporaumlr im Darm anreichern Ob und in welchen Men-gen die Partikel weiter in den Koumlrper insbesondere in die Leber gelangen und welche Faktoren ihre Wirkung beeinflussen wird aktuell erforscht Die Forschungsgruppe sieht Anhaltspunkte dafuumlr dass ein Teil der angereicherten Partikel mit dem Stuhl wieder ausgeschieden wird Fuumlr seine Untersuchung simulierte das BfR anhand biologischer Proben die Verdauung verschiede-ner Aluminiumarten vom Mund uumlber den Magen bis zum Darm Mithilfe von Enzymen und Salzen wurden dabei physiologische Parameter wie der pH-Wert gesteuert Waumlhrend des simulierten Verdauungsprozesses veraumlnderten die Aluminiumverbindungen ihre chemische Reaktionsfaumlhigkeit und Loumlslichkeit Die Erkennt-nisse sind ein erster Schritt um den Prozess der Aufnahme Resorption und Verteilung von Aluminium im Koumlrper besser zu verstehen und daraus Daten fuumlr die Risikobewertung abzuleiten Aluminiumverbindungen koumlnnen in zu hohen Dosen toxisch auf das Nervensystem und ungeborenes Leben wirken sowie die Fruchtbarkeit und Knochenentwicklung beeinflussen

copy B

fR

copy c

gsto

cks

hutte

rsto

ckc

om

copy R

osel

ynne

shu

tters

tock

com

35012017

Bei Kleidung ist besonders der Einsatz von Silber-Nanopartikeln weit verbreitet Silber wirkt antibakteriell und soll die Geruchs-bildung durch Schwitzen reduzieren Beim Einsatz von Nanosilber in Kleidungsstuuml-cken ist in erster Linie eine Freisetzung in Schweiszlig und somit ein moumlglicher Hautkon-takt relevant Neben der Frage ob und in welcher Menge Silber prinzipiell aus Texti-lien herausgeloumlst wird beschaumlftigt sich die Forschung mit der Frage welchen Einfluss die Technologie hat mit der Nanosilber auf Textilien aufgetragen bzw eingebracht wird Bisher war zudem unklar inwiefern die Oberflaumlchenbeschichtung der Nano-partikel die Abgabe beeinflusst

Kuumlnstlicher Schweiszlig simuliert Freisetzung

In einem Forschungsprojekt pruumlfte das BfR neun Proben von Textilien die mit Nanosil-ber veredelt waren Als Vergleich diente ein mit konventionellem Silber (hier Silbersalz mit einem Partikeldurchmesser groumlszliger als 100 Nanometer) ausgeruumlstetes Textil Zwei der Textilien waren sogenannte Komposite bei denen Nanosilber in die Faser integriert ist Bei den anderen getesteten Textilien war die Faseroberflaumlche mit Silber-Nano-partikeln bzw in einem Fall mit konventio-nellem Silber beschichtet (Textil-Coating) Um die Abgabe von Silber durch Schwitzen

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

Kleidung wird durch sie wasser- und schmutzabweisend sie blocken UV-Strahlen und mindern Geruumlche Nanoma-terialien haben beliebte funktionelle Eigenschaften Ob sie aufgrund ihrer Winzigkeit gesundheitliche Risiken bergen ist indes noch weitgehend unbekannt In einem Forschungsprojekt uumlber Nanosilber hat das BfR ermittelt ob sich die Kleinstteilchen aus Textilien herausloumlsen und damit zum gesundheitlichen Risiko werden koumlnnen

Nanomaterial

ist ein natuumlrliches bei Prozessen anfallendes oder kuumlnstlich hergestelltes Material das Partikel in ungebundenem Zustand als Aggregat oder als Agglo-merat enthaumllt und bei dem die Mehrheit der Partikel ein oder mehrere Auszligen-maszlige im Bereich unter 100 Nanometer hat In Nanogroumlszlige kann ein Stoff andere Eigenschaften besitzen als wenn er in Form groumlszligerer Partikel vorliegt

copy o

still

shu

tters

tock

com

36 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von Textilfasern Links Nanokomposit bei dem kaum Silberpartikel an der Faseroberflaumlche zu finden sind Mitte und rechts Textilien mit Silbercoating hier befindet sich insgesamt mehr Silber auf der Oberflaumlche

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

zu simulieren wurden die Textilien fuumlr 24 Stunden in einer Schweiszligsimulanz-Louml-sung inkubiert Fuumlr die Auswertung wurde zunaumlchst der gesamte Silbergehalt in den Schweiszligloumlsungen mit massenspektromet-rischen Messmethoden bestimmt In den Proben in denen Silber vorhanden war wurden anschlieszligend mit Zentrifugation und einer speziellen Methode zum Messen von Einzelpartikeln geloumlstes und partikulauml-res Silber unterschieden Im letzten Schritt wurden die Partikelgroumlszligen des vorgefun-denen partikulaumlren Silbers gemessen um nanoskaliges Silber zu identifizieren

Silber aus Kleidung freigesetzt

Die Untersuchung des BfR zeigte dass von jeder Textilprobe Silber in die Schweiszligsi-mulanz-Loumlsung uumlberging je nach geteste-tem Textil zwischen 7 und 75 Prozent des originaumlr in den Textilien enthaltenen Sil-bers Dabei setzten die beschichteten Tex-tilien mehr Silber frei als die Komposite Den houmlchsten abgegebenen Anteil fand das BfR bei dem mit konventionellem Silber beschichteten Textil Die Freisetzung wird demnach staumlrker durch die Technologie der Veredelung bestimmt als durch die im Tex-til enthaltene Menge Auszligerdem scheint die Abgaberate von Silber aus Nanosilber im Vergleich zu konventionellem Silber nicht erhoumlht zu sein

In der Schweiszligloumlsung lag das freigesetzte Silber uumlberwiegend geloumlst vor Partikulaumlres Silber fand sich nur zum geringeren Teil dann jedoch auch im Nanometerbereich Ob es sich dabei um einzelne Nanoparti-kel handelt oder ob das Silber an groumlszligere Partikel gebunden ist muss in weiteren Untersuchungen uumlberpruumlft werden Nach

derzeitigem wissenschaftlichem Kennt-nisstand geht man davon aus dass sich Nanopartikel im Koumlrper anders verhalten als groumlszligere Partikel Uumlberraschenderweise detektierte die Forschungsgruppe auch in den Schweiszligsimulanzien der mit konven-tionellem Silber beschichteten Textilien partikulaumlres Silber in Nanogroumlszlige Das Vor-kommen von Silberpartikeln scheint also nicht davon abhaumlngig zu sein ob das Silber in Nano- oder konventioneller Form auf das Textil aufgebracht wurde

In einer parallelen Untersuchung fanden die Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler heraus dass zudem die Beschaffenheit der Nanopartikel beispielsweise in Form einer speziellen Beschichtung ihre Loumlslichkeit in der Schweiszligloumlsung beeinflusst

Art der Beschichtung relevant

Silber wird demnach aus Textilien freige-setzt in geringen Teilen sogar in partiku- laumlrer Form Die gewaumlhlte Form der Tex-tilfunktionalisierung aber auch die Be-schaffenheit der Nanopartikel stellen dabei wichtige Kriterien fuumlr das Freisetzungsver-halten dar Solche Erkenntnisse sind vor al-lem fuumlr den sicheren Einsatz von Nanoma-terialien in Alltagsprodukten wichtig weil die Exposition des Menschen gegenuumlber derartigen Stoffen moumlglichst klein gehalten werden sollte Auszligerdem geben sie Hin-weise in welcher Anwendungsform Nano-materialien im verbrauchernahen Bereich sicher eingesetzt werden koumlnnen

Mehr erfahren Wagener et al 2016 Textile Functionalization and Its Effects on the Release of Silver Nanoparticles into Artificial Sweat Environ Sci Technol 50 11 5927ndash5934

Per Flugzeitmassenspek-trometer laumlsst sich Silber auf beschichteten Textil-fasern detektieren

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

NANOPARTIKEL

37012017

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

38 BfR 2 GO

Neuer Ansatz fuumlr Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

Spiegelbild gesucht

Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR zeigt einen neuen Ansatz um mithilfe von Genexpressionsdaten das geeignete Tiermodell fuumlr die Grundlagenforschung oder fuumlr spezifische klinische Fra-gestellungen zu identifizieren Damit koumlnnen zukuumlnftig unnoumltige Tierversu-che vermieden werden Hamburger Wissenschaftsbehoumlrden wuumlrdigten die Erkenntnisse mit einem Forschungspreis

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

39012017

Fragestellung

Vergleich

Auswahl

z B bdquoMit welchem Mausmodell koumlnnen die Ursachen von Alzheimer erforscht werdenldquo

Vergleich von vorhandenen Omics-Expressionsdaten von Mensch und Tier

Auswahl des geeigneten Modells

1

2

3

Geeignete Tiermodelle identifizieren

An Tiermodellen werden zahlreiche biologische Prozesse und Krankheiten wie Wund-

heilung Diabetes Tumoren oder entzuumlndliche Erkrankungen erforscht Durch den

Vergleich der Omics-Expressionsdaten von Tiermodell und Mensch koumlnnen geeignete

Modelle fuumlr die jeweilige Fragestellung identifiziert werden

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

40 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Verlaumluft ein entzuumlndlicher Prozess bei Maumlusen aumlhnlich wie beim Menschen Sind Maumluse daher geeignete Ver-

suchstiere fuumlr Tests von antientzuumlndlichen Substanzen Um Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung in den klinischen Alltag zu uumlberfuumlhren ndash Aufgabengebiet der translationalen Forschung ndash werden wissen-schaftliche Fragestellungen oft in Tierversu-chen erprobt Ob und inwieweit die Ergeb-nisse auf den Menschen uumlbertragbar sind ist dabei immer wieder Gegenstand kontrover-ser Diskussionen Geeignete Methoden mit denen die Wissenschaft Tiermodelle mit op-timaler Uumlbertragbarkeit auf den Menschen auswaumlhlen kann wuumlrden dem wissenschaft-lichen Fortschritt helfen und die Zahl der Tierversuche reduzieren Es geht dabei um die Frage welches Tiermodell am besten das menschliche System widerspiegelt

Vergleichbarkeit von Genom- daten fehleranfaumlllig

Als Grundlage fuumlr diese Uumlberlegungen die-nen Daten aus modernen bioanalytischen Hochdurchsatzverfahren Immer haumlufiger setzt die Wissenschaft auf diese sogenannten Omics-Technologien die die Gesamtheit aller Gene und ihrer Produkte analysieren ndash sowohl beim Tier als auch beim Menschen Mit ihnen lassen sich molekulare Prozesse in lebenden Systemen umfassend darstel-len indem sie beispielsweise die Interaktion hunderter bis tausender Genprodukte zei-gen Die Analyse dieser zunehmend kom-plexen Omics-Datensaumltze stellt die Wissen-schaft jedoch vor Probleme da das Vorgehen dazu nicht standardisiert ist Die Interpreta-tion der Ergebnisse ist bisher meist von der Kompetenz der Durchfuumlhrenden und von der angewandten Methode abhaumlngig Im Ergebnis war die Entscheidung zur Frage der Uumlbertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen fehleranfaumlllig und die Suche nach

geeigneten Tiermodellen erschwert Die ge-ringe Standardisierung der Interpretation von Omics-Daten fuumlhrte in Forschungs-kreisen bereits zu widerspruumlchlichen Er-gebnissen so zum Beispiel bei zwei Studien aus den Jahren 2013 und 2015 die sich mit der Vergleichbarkeit von entzuumlndlichen Er-krankungen beim Menschen und gaumlngigen Mausmodellen beschaumlftigten Waumlhrend eine Forschungsgruppe im Jahr 2013 schlussfol-gerte dass entzuumlndliche Prozesse zwischen Mensch und Maus nicht vergleichbar seien kam eine andere Gruppe zwei Jahre spaumlter anhand der gleichen Omics-Daten zum ge-genteiligen Schluss Die Maus reagiere auf der molekularen Ebene sehr aumlhnlich wie der Mensch und sei daher als Tiermodell sehr nuumltzlich fuumlr die Erforschung menschlicher Erkrankungen Zwar ist es nicht ungewoumlhn-lich dass Ergebnisse von Studien unter-schiedlich eingeschaumltzt werden ndash allerdings selten auf Basis der gleichen Daten

Motivation des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR war es diese Widerspruumlche aufzuklaumlren und einen standardisierten und zielgerichteten Analyseansatz zu entwickeln der die Suche nach geeigneten Tiermodellen vereinfacht und somit unnoumltige Tierversuche vermei-den hilft Es gehoumlrt zu den Kernaufgaben des Bf3R bundesweit alle Aktivitaumlten zu koordi-nieren mit den Zielen Tierversuche auf das unerlaumlssliche Maszlig zu beschraumlnken und fuumlr Versuchstiere den bestmoumlglichen Schutz zu gewaumlhrleisten Die Aufgaben des Bf3R wer-den vom BfR wahrgenommen

Genomdaten von Tier und Mensch gezielt vergleichen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler des Bf3R haben die Omics-Daten aus den beiden erwaumlhnten widerspruumlchlichen Studien mithilfe hochperformanter Com-

puter nochmals systematisch ausgewertet Dabei wurden zunaumlchst die zu verglei-chenden Gene gruppenweise biologischen Prozessen zugeordnet die wesentlich fuumlr ein Entzuumlndungsgeschehen sind Diese Gene Set Enrichment Analysis (GSEA) ge-nannte Methode greift auf umfangreiche in oumlffentlichen Datenbanken hinterlegte Genomdaten gaumlngiger Tiermodelle und von Erkrankten zuruumlck Mit ihrer Heran-gehensweise konnten die Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler des BfR an-schlieszligend Veraumlnderungen auf der Ebene pathologischer Signalwege erkennen und Unterschiede zwischen Tiermodell und Mensch identifizieren Da der Groszligteil der untersuchten Genprodukte haumlufig nur geringfuumlgig veraumlndert war konnten bei der Analyse auf Ebene vollstaumlndiger bio-logischer Signalwege alle Gene einbezogen und Aumlnderungen in der Gesamtheit eines biologischen Signalwegs bewertet werden Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu bisherigen Analyseansaumltzen da fuumlr die Klauml-rung translationaler Fragestellungen bisher haumlufig willkuumlrlich und subjektiv Gene von Mensch und Tiermodell fuumlr einen direkten Eins-zu-eins-Vergleich ausgewaumlhlt wurden

Die systematische Auswertung des Bf3R zeigte dass die Ergebnisse beim vorlie-genden Genomdatenvergleich bei einigen Mausmodellen gut mit den beim Menschen ermittelten Daten uumlbereinstimmten Bei an-deren Mausmodellen hingegen war es nicht so So aumlhnelt das Entzuumlndungsgeschehen bei Maumlusen die mit Staphylococcus aureus (Staphylococcus-aureus-Injektionsmodell) infiziert sind oder eine Darmperforation (Cecal-ligation-and-puncture-Modell) erfah-ren den meisten klinischen Proben Hin-gegen verlaufen Erkrankungen die durch Lipopolysaccharide (LPS) und Streptococcus pneumoniae verursacht werden bei Mensch und Maus verschieden

Omics

Der Terminus beschreibt Methoden zur

Analyse komplexer biologischer Proben

auf der Ebene des gesamten Genoms

von Transkripten Proteinen oder Meta-

boliten

41012017

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

Forschungsansatz hilft Tierversuche zu reduzieren

Die Methode der Datenanalyse mittels GSEA-Ansatz erleichtert es Forschungs-gruppen zukuumlnftig zielgerichtet und stan-dardisiert das optimale Tiermodell aus-zuwaumlhlen das am besten die menschliche Situation abbildet Voraussetzung dafuumlr ist die Existenz von Omics-Daten zur klini-schen Fragestellung sowie zu den infrage kommenden Tierversuchen Dies ist bereits fuumlr eine Vielzahl von Tiermodellen sowie von humanen Erkrankungen der Fall neben Entzuumlndungserkrankungen beispielsweise fuumlr Herz-Kreislauf-Erkrankungen Krebser-krankungen Atemwegserkrankungen Stoff-wechselerkrankungen und neurologische Erkrankungen Aufgrund der vermehrten Verwendung von Omics-Methoden kann davon ausgegangen werden dass stetig wei-tere systembiologische Daten ermittelt und veroumlffentlicht werden Die vom Bf3R ange-wandte Methode wird daher weiterhin bei der gezielten Auswahl von Tiermodellen nuumltzlich sein

Das Verfahren kann in der Grundlagen-forschung sowie in der translationalen und angewandten Forschung eingesetzt werden Diese Bereiche machten 2015 nach Anga-ben des Bundesministeriums fuumlr Ernaumlh-rung und Landwirtschaft mit insgesamt 73 Prozent den groumlszligten Teil der Tierversuche aus Ein Groszligteil davon entfaumlllt auf Maumluse Ratten und zunehmend auch auf Fische Grundsaumltzlich kann die neue Methode zur Auswahl des geeigneten Versuchstiermo-dells bzw zum Ausschluss nicht geeigneter Versuchstiermodelle bei jeglichen Tierver-suchen in diesen Bereichen genutzt werden Analog zu den Versuchstierzahlen liegen derzeit die meisten Omics-Daten fuumlr Maus und Ratte vor So sind beispielsweise allein in der oumlffentlichen NCBI GEO-Datenbank (National Center for Biotechnology Informa-tion Gene Expression Omnibus) derzeit Da-ten zu ca 340000 Maus-Proben und 75000 Ratte-Proben gelistet

Methode identifiziert geeignete Zellkulturmodelle

Dabei ist die Methode des Bf3R nicht auf humane und murine Datensaumltze beschraumlnkt sondern kann auf alle weiteren Spezies an-gewandt werden fuumlr die umfangreiche Da-tenbanken zu biologischen Signalwegen oder Gengruppen vorliegen Auch fuumlr die Beurteilung von zellbasierten Alternativ-methoden kann der neue Forschungsansatz

herangezogen werden Durch einen system-biologischen Abgleich der klinischen Daten mit Omics-Daten aus beispielsweise neuar-tigen 3D-Zellkulturen oder organaumlhnlichen Mikrostrukturen wird die Charakterisierung und Verifizierung von zellbasierten Alterna-tivmethoden ermoumlglicht

Praumlmierte Forschungsleistung

Fuumlr ihre Forschung erhielten die Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR 2016 den Hamburger Forschungspreis zur Foumlrderung der Entwicklung von Ersatz- und

Ergaumlnzungsmethoden Die Auszeichnung wurde zum erstem Mal von den Hamburger Behoumlrden fuumlr Gesundheit und Verbraucher-schutz sowie fuumlr Wissenschaft Forschung und Gleichstellung mit einem Foumlrderpreis in Houmlhe von 20000 Euro ausgeschrieben Der Preis wird fuumlr Arbeiten vergeben die einen Beitrag leisten Tierversuche zu ersetzen oder zu minimieren

Mehr erfahrenWeidner et al 2016 Defining the optimal animal model for translational research using gene set enrichment analysis EMBO Molecular Medicine 8 8 831ndash838

Wofuumlr Versuchstiere in Deutschland eingesetzt werden

630255Herstellung und Qualitaumlts-kontrolle medizinischer Produkte toxikologische Sicherheitspruumlfungen

22

59

14 5

1643259Grundlagenforschung

144997sonstige Zweckez B Zucht Aus- und Weiterbildung

381450translationale und angewandte Forschung

Que

lle B

unde

smin

iste

rium

fuumlr E

rnaumlh

rung

und

Lan

dwirt

scha

ft V

ersu

chst

ierz

ahle

n 20

15

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

42 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Alternativen zu Tierversuchen Forschung regional buumlndeln

Eine individualisierte Schmerztherapie fuumlr Versuchsmaumluse und eine Verringerung von Tierexperimenten zum Test der Inhala- tionstoxizitaumlt von Nanomaterialien (siehe rechte Spalte) ndash hierzu sollen die ersten Arbeitsergebnisse des BfR im Berlin-Bran-denburgischen Verbundprojekt BB3R zukuumlnftig beitragen Das Netzwerk aus Universitaumlten und Bundesinstitutionen forscht um Tierversuche zu vermeiden (Replacement) bzw zu verringern (Reduction) sowie das Leiden von Versuchstieren zu vermindern (Refinement) Das BfR ist als einer von sechs Verbundpartnern in den Bereichen der Refinement- und Replacement-Forschung beteiligt Das Bundesforschungsministerium foumlrdert das mit BB3R abgekuumlrzte Projekt fuumlr vier Jahre bis Fruumlhjahr 2018 es ist als Plattform fuumlr den wissenschaftlichen Austausch konzipiert und integriert ein Graduiertenkolleg

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschungwwwbb3rde

Belastung von Laborfischen erkennen

Koumlrperbau

Koumlrpermerkmale

Verhaltenkreisendes Schwimmen

Belastung von Laborfischen erkennen

Ob Laborfische Schmerzen empfinden oder leiden laumlsst sich mithilfe konkreter Kriterien beurteilen Die Vorarbeiten hierzu koordinierte der bdquoNationale Ausschuss zumSchutz von fuumlr wissenschaftliche Zweckeverwendeten Tierenldquo am BfR gemeinsam mit externen Sachverstaumlndigen und Beauf-tragten von Genehmigungsbehoumlrden Die erstmals definierten Kriterien bewerten unter anderem Auffaumllligkeiten im Koumlrper-bau sowie im Verhalten der Tiere Schmer-zen und Leiden koumlnnen so gezielt behandelt und gelindert werden Da die Frage der Belastung der Tiere anhand der Kriterien eindeutig geklaumlrt werden kann dienen sie zudem als Entscheidungshilfe fuumlr Behoumlr-den welche die Zucht belasteter genetisch veraumlnderter Tiere genehmigen muumlssen Fische insbesondere Zebrafische sind nach Maumlusen und Ratten die am dritthaumlufigsten verwendete Versuchstierart Die Zahl der Versuchsfische hat in den letzten Jahren stetig zugenommen

Mehr erfahren Bert et al 2016 Considerations for aEuropean animal welfare standard toevaluate adverse phenotypes in teleost fish EMBO J 35 11 1151ndash1154Empfehlung des Nationalen Ausschusses TierSchG Nr 0012015

Test der Inhalationstoxizitaumlt von Nanomaterialien

Die Einatmung gilt als wichtigster Aufnahmeweg fuumlr Nanomaterialien Im Rahmen der BB3R-Forschung bildet das BfR diese Art der Exposition mit In-vitro- Atemwegsepithelmodellen an ihrer Grenzflaumlche zur Luft ab Dieser Ansatz zum Test der Inhalationstoxi-zitaumlt hilft Anzahl und Umfang von Tierversuchen zu verringern

Versuchsaufbau Drei Roumlhrchen leiten ein Testaerosol mit luftgetragenen Nanomaterialien auf Epithelzellen

SPEKTRUM

copy B

fR

43012017

Jubilaumlumsfeier und internationales Symposium

Am 29 November 2017 feiert das BfR sein 15-jaumlh-riges Bestehen mit einem Festakt Geplant ist eine Feier mit ausgewaumlhlten Gaumlsten in der Akademie der Kuumlnste Anschlieszligend findet vom 30 Novem-ber bis zum 01 Dezember 2017 das gemeinsame internationale Symposium des BfR und seiner Schwesterinstitutionen aus Daumlnemark (DTU Food) und Frankreich (ANSES) sowie der suumldko-reanischen Behoumlrde fuumlr Lebens- und Arzneimittel-sicherheit (NIFDS) statt Unter dem Motto bdquoPast Present and Future Challenges in Risk Assessment ndash Strengthening Consumer Health Protectionldquo werden die letzten anderthalb Jahrzehnte Risikobewer-tung betrachtet Daruumlber hinaus werden aktuelle Aktivitaumlten sowie zukuumlnftige Herausforderungen des Verbraucherschutzes wie mikrobiologische Erreger chemische Substanzen Methoden und Harmonisierung auf nationaler wie internationa-ler Ebene diskutiert

VERANSTALTUNGEN

Nachwuchs foumlrdern

Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu foumlr-dern baut das BfR wissenschaftliche Nachwuchs-gruppen zu bestimmten Schwerpunktthemen auf Die bereits 2015 eingerichtete Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Warenketteldquo wird im Herbst 2017 durch einen weiteren Dokto-randen verstaumlrkt

Verstaumlrkung im Versuchstierschutz

Seit dem 1 April 2017 staumlrkt die Berufung von Herrn Universitaumltsprofessor Dr Lars Lewejo-hann den Kompetenzbereich bdquoVerminderung der Belastung und Verbesserung der Lebenssitua-tionldquo des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) Neben der Leitung der Fachgruppe bdquoTierschutz und Versuchstierkundeldquo im BfR wird Lars Lewejohann sein Wissen und neue Erkenntnisse als Hochschullehrer fuumlr bdquoTier-schutz mit dem Schwerpunkt Refinementldquo an der veterinaumlrmedizinischen Fakultaumlt der Freien Universitaumlt Berlin an Studierende und Doktoran-den weitergeben

PERSONALIEN

Alternativmethode zum Tierversuch bdquoKnochen-auf-dem-Chipldquo

Im Mai 2017 fand bei der Gemeinsamen For-schungsstelle (GFS)Joint Research Centre (JRC) der Generaldirektion (Directorate General) der Europaumlischen Kommission eine Summer School zu alternativen Ansaumltzen zum Tierversuch fuumlr die Risikobewertung in Ispra (Italien) statt Dort wurde Herr Dr Ing Frank Schulze aus der BfR-Fachgruppe bdquoZEBET ndash Alternativmethoden zu Tierversuchenldquo fuumlr seine Praumlsentation und das dazugehoumlrige Poster zum Thema bdquoEin Knochen-auf-dem-Chip fuumlr die Grundlagenwissenschaft und die Identifizierung von knochenschaumldigen-den Substanzenldquo mit einem Posterpreis (1 Platz) ausgezeichnet

copy B

fR

copy p

rivat

INSTITUTSLEBEN

44 BfR 2 GO

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

den physikalisch-chemischen Fingerab-druck verschiedener Weine Speiseoumlle oder juumlngst von Kraumlutern und Gewuumlrzen mittels Infrarot- und Kernspinresonanz-Spektro- skopie erfasst Das BfR-Labor wurde dafuumlr auch zur Faumllscherhoumlhle Kraumluter und Ge-wuumlrze sind mit unterschiedlichsten Zusaumlt-zen gemischt und deren aufbereitete Pro-ben ebenfalls mithilfe der Analysegeraumlte vermessen worden bdquoSehr deutlich sind die Datenpunkte zu erkennen die sich auszliger-halb des Normbereichs ndash der Bande ndash be-wegen Faumlllt ein Lebensmittel aus diesem Raster ist es verdaumlchtigldquo so Dr Fauhl-Has-sek So sehen die Spektren von z B mit Oli-venblaumlttern gestrecktem Oregano oder die von mit Sudanrot ndash eine Substanz die im Verdacht steht ein genotoxisches Kanzero-gen zu sein ndash gepanschtem Paprikapulver eindeutig anders aus

Die neuen Analyseverfahren mittels des charakteristischen Fingerabdrucks eines Lebensmittels ermoumlglichen somit eine flexible und schnelle Form der Echtheits-pruumlfung Statt gezielt nach gefaumllschten Produkten zu suchen steht hier der Au-thentizitaumltsnachweis im Fokus Diese neue Herangehensweise bezeichnet man auch als nicht zielgerichtete Analytik

Cloud der Fingerabdruumlcke

Zur perspektivischen routinemaumlszligigen An-wendung der nicht zielgerichteten Analytik fuumlr die Lebensmittelsicherheit muss aller-dings zunaumlchst eine gemeinsame Nutzung der Datenbanken fuumlr Referenz-Lebensmit-tel-Fingerabdruumlcke aller Akteure im Bereich Lebensmittelsicherheit ermoumlglicht werden Auch muss sichergestellt sein dass die Daten- erhebung sowie die anschlieszligende Analyse aller Nutzer vergleichbare Ergebnisse liefern

Das BfR arbeitet im Forschungsverbund an folgendem vereinfacht skizziertem Zu-kunftsszenario Zertifizierte amtliche und private Labore stellen ihre Lebensmit-tel-Fingerabdruumlcke uumlber eine Daten-Cloud bereit Hersteller Verarbeitungs- und Ver-edlungsbetriebe steuern die dazugehoumlrigen Produktinformationen bei Wenn Uumlber-wachungsbehoumlrden oder der Groszlig- und Einzelhandel Lebensmittelproben auf ihre Echtheit uumlberpruumlfen wollen vergleichen sie den Fingerabdruck ihrer eigenen Probe mit denen in der Fingerprint-Cloud Gibt es sig-nifikante Abweichungen ist das Lebensmit-tel zunaumlchst auffaumlllig und sollte weiter un-tersucht werden Noch sind viele technische und organisatorische Huumlrden zu nehmen

Das Prinzip bdquoNicht zielgerichteter Verfahrenldquo

Wavenumbers (cm-1)

Ab

sorb

anc

e

Paprikaproben Paprika dotiert mit Siliciumdioxid

Relevante Aspekte bei der Pruumlfung

Authentizitaumltspruumlfungen koumlnnen offizielle Produktbeschreibungen bestaumltigen oder betruumlgerische Aussagen nachweisen Relevante Aspekte dabei sind die Sub-stitution durch preiswertere aber aumlhnli-che Zusaumltze die Streckung mit fremdar-tigen Substanzen (z B Wasser Staumlrke) oder die Anwendung nicht gekenn-zeichneter oder unzulaumlssiger Verfahren wie Bestrahlung oder Extraktion die Bestaumltigung der geografischen Herkunft der botanischen oder zoologischen Spezies oder der Herstellungsprozesse wie bio konventionell oder gentechnisch veraumlndert sowie die Deklaration und Angaben zur Ruumlckverfolgbarkeit (Pro-duktkennzeichnung Prozessablaumlufe Chargenidentifikation)

Exogene Signale bei Verfaumllschung

copy M

Una

l Ozm

ens

hutte

rsto

ckc

om

LEBENSMITTELFAumlLSCHERN AUF DER SPUR

9012017

Eine stecknadelkopfgroszlige Kaumlsefettprobe wird auf das Analysegeraumlt aufgebracht Um charakteristische Merkmale in den Datensaumltzen zu finden muumlssen Dr Carsten Fauhl-Hassek (im Bild rechts oben) und sein Team eine Vielzahl solcher Proben nehmen und am Computer analysieren

bdquoErst muumlssen einheitliche Datenstandards verteilt operierende Systemloumlsungen und organisatorische Loumlsungsansaumltze zur Ge-waumlhrleistung der Datenintegritaumlt und -qua-litaumlt entwickelt werdenldquo erlaumlutert Matthias Filter bdquodamit diese Vision im Bereich Le-bensmittelsicherheit realisierbar istldquo Er ko-ordiniert am BfR die Arbeiten zum Schwer-punkt bdquoGlobale Warenkettenldquo

Vernetzte Referenzdatenbanken

Damit das Zukunftsszenario naumlher ruumlckt forschen Wissenschaftlerinnen und Wis-senschaftler am BfR zu der Entwicklung von mathematischen und statistischen Mo-dellen fuumlr die Datenauswertung und Har-monisierung von Datenaustauschformaten sowie zur harmonisierten Probennahme Dies sind wesentliche Voraussetzungen fuumlr den Aufbau und die Routineanwendung

von kollaborativen Referenzdatenbanken die uumlber die Cloud verfuumlgbar gemacht wer-den koumlnnen bdquoBislang verwendet jeder Her-steller von Spektrometern aber beispiels-weise noch eigene Datenformate sodass die Daten erst einmal dechiffriert werden muumlssen damit sie fuumlr alle Beteiligten ver-wendbar sindldquo sagt Filter

Bis solche Referenzdatenbanken der typi-schen chemisch-analytischen Profile von Lebensmitteln aufgebaut und fuumlr den flauml-chendeckenden Einsatz im Netzwerk aus Uumlberwachungsbehoumlrden Laboratorien so-wie Herstellern und Haumlndlern fertiggestellt sind dauert es nach Einschaumltzung der Exper-ten sicher noch 10 bis 15 Jahre Umso wichti-ger ist es jetzt die Weichen zu stellen

Mehr erfahrenwwwbfrbundde gt A-Z-Index Authentizitaumlt

Die Suche nach dem Fingerabdruck

Beim Aufbau von standardisierten Referenzdatenbanken kommen soge-nannte nicht zielgerichtete Verfahren zum Einsatz Dabei wird der physika-lisch-chemische Fingerabdruck von Lebensmitteln anhand spektromet-rischer undoder spektroskopischer Daten erhoben Dieser dient als Vergleichsstandard mit dem die Daten unbekannter Lebensmittelproben vergli-chen werden Abweichungen koumlnnen so leichter erkannt werden und Uumlber-wachungsbehoumlrden muumlssen nicht mehr gezielt nach bestimmten unerwuumlnsch-ten Substanzen suchen die oftmals noch gar nicht bekannt sind

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

10 BfR 2 GO

SCHWERPUNKTTHEMA AUTHENTIZITAumlT

Food Integrity EU-Konsortium gegen gefaumllschte Lebensmittel Das EU-Konsortium aus 38 Projektpartnern will strukturelle und methodische Voraus-setzungen schaffen um Verfaumllschungen fruumlhzeitig einheitlich erkennen zu koumlnnen Dazu sollen u a ein Netzwerk zwischen Be-houmlrden Industrie und Forschung aufgebaut Pruumlfprozesse harmonisiert und Wissensda-tenbanken erstellt werden Das Projekt laumluft bis Ende 2018

FoodAuthent Kollaborative Referenzdatenbanken fuumlr chemische Fingerabdruumlcke In dem dreijaumlhrigen Projekt werden Grundlagen fuumlr den Routineeinsatz von Fingerprinting-Analyseverfahren im Lebensmittelsektor und in der amtlichen Uumlberwachung geschaffen Zusammen mit den Projektpartnern entwickelt das BfR bis April 2019 gemeinschaftliche Fingerprin-ting-Datenbanken sowie Schnittstellen zu privatwirtschaftlich betriebenen Pro-duktinformationssystemen Exemplarisch erfolgt dies fuumlr Hartkaumlse Speiseoumlle und Spirituosen Die Daten sollen fuumlr die mit-wirkenden Akteure im Lebensmittelbereich frei zugaumlnglich sein

Original oder Faumllschung ndash Gemeinsam gegen Lebensmittelgaunerei

Das BfR beteiligt sich an Drittmittelprojekten um Herstellern und Uumlberwa-chungsbehoumlrden Methoden an die Hand zu geben mit denen schnell sicher und kosteneffizient die Echtheit eines Lebensmittels erkannt werden kann Einige werden hier vorgestellt

Animal-IDHerkunftsnachweis von tierischen Proteinen in Futter- und Lebens-mitteln Die Projektpartner kombinieren Massen- spektrometrie mit Verfahren zur Protein-anreicherung um Analysemethoden zur gewebespezifischen Herkunftsbestimmung von Futtermitteln zu entwickeln sowie Schnelltests auf Basis von proteinbasierten ELISA DipStick-Tests fuumlr die wichtigsten Tierarten in der Fleischproduktion wie Rind Schwein Pferd und Huhn Das BfR koordiniert das Vier-Jahres-Projekt (2016 bis 2019)

FoodRisk-Lab Softwareloumlsungen zur Unterstuumlt-zung der Bewertung von Risiken Das BfR entwickelt frei verfuumlgbare Soft-wareloumlsungen und Web-Dienste fuumlr die Bewertungsarbeit behoumlrdlicher Einrichtun-gen sowie fuumlr Wissenschaft und Forschung FoodChain-Lab unterstuumltzt z B die Ruumlckverfolgung von Futter- und Lebens-mitteln entlang der Warenketten und ermoumlglicht eine interaktive Analyse von Ausbruchsgeschehen Weitere Programme dienen der mathematischen Modellierung von Gefahren im Bereich der Futter- und Lebensmittelsicherheit

SPICEDSicherung der Gewuumlrz- und Kraumluterwarenketten Europas Gewuumlrze und Kraumluter werden sehr vielen Lebensmitteln zugesetzt Die Ergebnisse des Forschungsprojektes tragen dazu bei die Gewuumlrz- und Kraumluterwarenketten Euro-pas gegen natuumlrliche unabsichtliche und absichtliche biologische und chemische Ver-unreinigungen zu schuumltzen Das Projekt mit 11 Partnern aus sieben EU-Laumlndern wurde von 2013 bis 2016 im 7 Rahmenprogramm der EU gefoumlrdert und vom BfR koordiniert

11012017

FORSCHUNGSPROJEKTE

bdquoWir wollen Faumllschungen einen Riegel vorschiebenldquo

Professor Wittkowski welche Lebens- mittel werden uumlblicherweise verfaumllschtGefaumllscht wird uumlberall dort wo ein oumlkono-mischer Vorteil erzielt werden kann Pro-duktpiraterie kommt deswegen vor allem bei hochqualitativen und teuren Markenpro-dukten wie Olivenoumll Schafskaumlse Wein oder Spirituosen vor Ein uumlblicher Trick ist min-derwertige Zutaten als hochwertige zu ver-kaufen wie Shrimps als Garnelen Bei Pro-dukten bei denen die geografische Herkunft ein Qualitaumltsmerkmal ist wie Parma- oderSerrano-Schinken Irischer Whiskey oder Champagner wird versucht die Herkunft vorzutaumluschen

Koumlnnen Verbraucher denn noch der Le-bensmittelsicherheit vertrauen Glaubwuumlrdigkeit Vertrauen und Sicherheit sind eng miteinander verknuumlpft Menschen wollen einkaufen kochen essen und trin-ken gesund bleiben und es soll schmecken Sie wollen nicht wissen wie der Wein filt-riert oder bei welcher Temperatur der Kaf-fee geroumlstet wurde aber sie wollen darauf vertrauen dass die Angaben stimmen und dass diese Technologien sichere Lebens-mittel erzeugen Dies ist nur moumlglich weil es Standards fuumlr die Lebensmittelwirtschaft gibt und Uumlberwachungsbehoumlrden die Ein-haltung pruumlfen

Nur weil Parma-Schinken nicht aus Par-ma kommt stellt er doch noch kein Ge-sundheitsrisiko dar Geht es nicht viel-mehr um oumlkonomische Interessen der Hersteller Wissenschaftler koumlnnen zunaumlchst Normab-weichungen erkennen nicht aber die Mo-tivation von Verfaumllschern Zunaumlchst wird selbstverstaumlndlich eine Risikobewertung derartiger Befunde durchgefuumlhrt Anschlie-szligend kann man nach weiterer Uumlberpruumlfung und Ruumlckverfolgung der Lieferketten ent-scheiden ob es eine gezielte Verfaumllschung war oder nicht

Koumlnnen Sie ein Beispiel gebenStatt Rindfleisch wurde vor einigen Jahren in Lasagne Pferdefleisch nachgewiesen Im ersten Moment ein gesundheitlich unbe-denklicher Betrugsfall Pferdefleisch ist ein hochwertiges Lebensmittel Allerdings war nicht bekannt woher das Fleisch kam und ob es mit verbotenen undoder gesundheits-schaumldlichen Arzneimitteln belastet war Das wurde dann uumlberpruumlft und das Fleisch fuumlr unbedenklich erklaumlrt Oder Aufgrund des traditionellen Anbaus hatten Pistazien aus dem Iran eine Zeit lang erhoumlhte Mykoto-xingehalte und unterlagen daher strengen Auflagen bei der Einfuhr nach Europa Zur Umgehung dieser Auflagen traten Falsch-deklarationen der Herkunft auf Iranische Pistazien wurden als Pistazien aus Kaliforni-en in den Markt gebracht

Es geht also in erster Linie immer um Verbraucherschutz und nicht um Taumlu-schungs- oder Betrugsschutz Aus meiner Sicht ja Teilweise nehmen Faumllscher auch billigend in Kauf dass Men-schen zu Schaden kommen Mit Methanol gepanschter Alkohol oder mit Melamin gestrecktes Milchpulver sind Beispiele Die Verfaumllscher sind naumlmlich keine Toxikologen Die Frage ist also welche Methoden koumlnnen Behoumlrden bereitstellen um das Vertrauen in die Sicherheit der Lebensmittel zu erhalten

Das houmlrt sich an wie ein Wettlauf For-schung gegen Faumllschung Gibt es denn immer die richtige MethodeDas Gute an der Analytik ist dass man mit der richtigen Methode findet was man sucht Allerdings wissen wir nicht immer auf welche neuen betruumlgerischen Ideen Faumll-scher kommen Deswegen beteiligen wir uns in internationalen Forschungsvorhaben an der Entwicklung von Referenzdaten-banken mit dem typischen Fingerabdruck von Lebensmitteln Die sogenannte Finger-print-Analyse bietet die Moumlglichkeit nicht

nur Lebensmittel durch ihre Normabwei-chung als gefaumllscht zu identifizieren sondern auch bisher unbekannte Verfaumllschungen und gesundheitlich bedenkliche Manipulationen aufzudecken bevor die Ware in den Regalen steht

In der Praxis gibt es dazu doch sicher schon MaszlignahmenPrivate Analysefirmen haben sich bereits auf die Fingerprint-Methode fuumlr bestimmte Produkte spezialisiert und groszlige Datenban-ken angelegt Doch hier liegt ein Problem Jeder arbeitet mit seinen eigenen Daten Auch sind die Ergebnisse der Firmen nicht gerichtsfest weil die Datengrundlage nicht oumlffentlich ist Staatliche Institutionen ar-beiten dagegen mit transparenten und ver-gleichbaren Daten damit Beanstandungen gerichtsfest sind Deswegen muumlssen fuumlr ei-nen Erfolg der Fingerprint-Methoden die Messungen der verschiedenen Labore va-lidiert und die Datenbanken harmonisiert werden

bdquoUnser Allein- stellungsmerkmal ist dass wir Risikobewertung und Forschung betreiben

12 BfR 2 GO

SCHWERPUNKTTHEMA AUTHENTIZITAumlT

BfR-Vizepraumlsident Professor Dr Reiner Wittkowski setzt sich dafuumlr ein dass am BfR zu neuartigen Verfah-ren zur Authentifizierung von Lebensmitteln geforscht wird Als junger Lebensmittelchemiker hat er am Vorgaumlngerinstitut des BfR dem Bundesgesundheitsamt bereits fuumlr die Uumlberpruumlfung der Echtheit von Wein Methoden entwickelt etabliert und begonnen eine Fingerabdruck-Datenbank anzulegen

Was traumlgt das BfR zur Uumlberpruumlfung der Echtheit von Lebensmitteln bei Wir beteiligen uns seit Langem an allen maszliggeblichen EU-Forschungsvorhaben zur Authentizitaumltspruumlfung Unser Alleinstel-lungsmerkmal ist dass wir Risikobewertung und Forschung betreiben Das BfR hat an-ders als andere Bewertungsbehoumlrden eigene Laboratorien Wir haben deswegen einen sehr strengen Blick auf Bewertungsmetho-den und fragen wie sicher die Aussagekraft der Daten ist Das Kerngeschaumlft der 17 Re-ferenzlabore des BfR ist Methodenvali-dierungen durchzufuumlhren Auf nationaler Ebene arbeitet das BfR bereits eng mit der amtlichen Lebensmitteluumlberwachung der Bundeslaumlnder zusammen

Welchen konkreten Ansatz nutzt das BfRWir kombinieren Analytik und Daten-modellierung Das Institut hat eine lange Historie hinsichtlich des Nachweises der Echtheit von Lebensmitteln da auch in den Vorgaumlngerinstitutionen dazu geforscht wur-de In den 1990er-Jahren wurde hier eine der ersten Datenbanken zur Uumlberpruumlfung der Authentizitaumlt von Wein aufgebaut und wurden erstmals Kernresonanz-spektrosko-pische Verfahren in der Lebensmittel-Ana-lytik angewandt Die Expertise zum Thema Wein haben wir dann auf andere Lebens-mittel-Matrizes uumlbertragen Neben der Ana-lytik ist die Statistik unser zweiter Impetus Das BfR hat viel Erfahrung im Bereich der Datenanalyse fuumlr die Vor- und Ruumlckverfolg-barkeit von Lieferketten aufgebaut Mit der FoodChainLab-Software die im Rahmen der EHEC-Krise entwickelt wurde sind komplexe Datenmodellierungen moumlglich

Was sind die naumlchsten SchritteWir haben bereits ein nationales Kompe-tenznetzwerk zwischen Bundesbehoumlrden Landesuntersuchungsaumlmtern Universitaumlten und Forschungseinrichtungen etabliert und wir bringen das Thema weltweit voran Das BfR hat im November 2016 ein Symposium organisiert auf dem rund 100 Fachleute aus Deutschland Europa Nordamerika Afrika Asien und Neuseeland uumlber die Herausfor-derungen der Standardisierung diskutierten Aus meiner Sicht sollte unbedingt ein euro-paumlisches Referenzlabor eingerichtet werden ndash die EU-Kommission erwaumlgt dies bereits ndash um in Europa ein harmonisiertes System der angewendeten Methoden und der Datener-fassung fuumlr die Authentizitaumltspruumlfung von Lebensmitteln zu etablieren Nur das ist ziel-fuumlhrend wenn wir Faumllschungen global einen Riegel vorschieben wollen

copy B

fR

13012017

INTERVIEW MIT PROFESSOR DR REINER WITTKOWSKI

Der BfR-Verbrauchermonitor ist ein zentrales Instru-ment des gesundheitlichen Verbraucherschutzes Er zeigt wie die Oumlffentlichkeit Risiken wahrnimmt

Gefuumlhlte Risiken im Visier

copy ig

orst

evan

ovic

Shu

tters

tock

com

RISIKOWAHRNEHMUNG

14 BfR 2 GO

Welche Themen bewegen Verbraucherinnen und Verbrau-cher Was ist ihnen vertraut was beunruhigt sie Ant-worten auf diese Fragen liefert der BfR-Verbrauchermo-

nitor ndash eine seit 2014 regelmaumlszligig durchgefuumlhrte repraumlsentative Bevoumllkerungsbefragung mit der das BfR die generelle Einschaumlt-zung der Oumlffentlichkeit zu Verbraucherschutzthemen ermittelt In Ergaumlnzung dazu fuumlhrt das BfR Repraumlsentativbefragungen zu Ein-zelthemen durch die von besonderem aktuellem Interesse sind wie Antibiotikaresistenzen oder Pflanzenschutzmittel Die Ergeb-nisse dazu erscheinen als bdquoBfR-Verbrauchermonitor Spezialldquo Der Verbrauchermonitor ist ein wesentlicher Indikator um moumlgliche Missverstaumlndnisse oder Fehleinschaumltzungen seitens der Bevoumllke-rung fruumlhzeitig zu erkennen bdquoFuumlr uns ist es sehr wichtig konkret zu wissen was die Bevoumllkerung warum bewegt Daraus folgern wir welche kommunikativen Maszlignahmen zu ergreifen sindldquo sagt PD Dr Gaby-Fleur Boumll Leiterin der Abteilung Risikokommunika-tion am BfR

Methode der Datenerhebung

Fuumlr die repraumlsentative Umfrage des Verbrauchermonitors werden ca 1000 Personen die in Privathaushalten in Deutschland leben und mindestens 14 Jahre alt sind im Auftrag des BfR von Markt- und Meinungsforschungsinstituten telefonisch interviewt Diese Interviews werden computergestuumltzt anhand eines programmier-ten Fragebogens von geschulten Interviewern durchgefuumlhrt ndash kurz CATI-Methode genannt nach der englischen Bezeichnung compu-ter-assisted telephone interviewing Dabei werden die Fragen zum gesundheitlichen Verbraucherschutz und Fragen zu anderen The-menbereichen zu einer sogenannten Omnibus- oder Mehrthemen-befragung zusammengefasst Die Fragen des Verbrauchermonitors koumlnnen einen offenen Charakter haben (ungestuumltzte Fragen) oder geschlossen formuliert sein (gestuumltzte Fragen) Um die Ergebnisse der Verbrauchermonitore im Zeitverlauf miteinander vergleichen zu koumlnnen ist jede Umfrage aumlhnlich aufgebaut Das BfR widmet sich einerseits Themen die in der Oumlffentlichkeit eine groszlige Auf-merksamkeit erhalten Andererseits analysiert es Fragen die bisher weniger im oumlffentlichen Fokus stehen aber ebenfalls relevant sind wie beispielsweise gesundheitsschaumldliche Pflanzeninhaltsstoffe Auch das Ausmaszlig des Vertrauens in die staatlichen Strukturen des gesundheitlichen Verbraucherschutzes wird abgefragt da dies wie-derum die Wahrnehmung von Risiken beeinflussen kann

bdquoFuumlr uns ist es sehr wichtig konkret zu wissen was die Bevoumllkerung warum bewegt

Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher

Kaum veraumlndert hat sich in den letzten Jahren die Ansicht von Ver-braucherinnen und Verbrauchern dass Lebensmittel in Deutsch-land sicher sind Fragt man in der ungestuumltzten Abfrage nach den groumlszligten gesundheitlichen Risiken so sind dies im aktuellen Ver-brauchermonitor (082017) nach wie vor das Rauchen die Klima- bzw Umweltbelastung und ungesunde oder falsche Ernaumlhrung Da-nach werden Alkohol sowie ungesunde oder belastete Lebensmittel genannt Fragt man in der gestuumltzten Abfrage gezielt nach ausge-waumlhlten Themen so fuumlhren Salmonellen gentechnisch veraumlnderte Lebensmittel Antibiotikaresistenzen und Ruumlckstaumlnde von Pflan-zenschutzmitteln die Bekanntheitsskala an Dies sind auch die vier Themen die bei den meisten Befragten fuumlr Beunruhigung sorgen Es zeigt sich immer wieder dass Verbraucherinnen und Verbrau-cher Risiken unterschaumltzen die aus Sicht der Risikobewertung als

ZielsetzungVerbrauchermonitor

gt Erfassung und Analyse von Trends und Themen in der Verbraucherwahrnehmunggt Uumlber- bzw Unterschaumltzung von gesundheitlichen Risiken durch die Bevoumllkerunggt Beobachtung von Veraumlnderungen im Verbraucherverhaltengt Schnelle Erfassung der Verbraucherwahrnehmung in Krisensituationen

BfR-VERBRAUCHERMONITOR

15012017

gesundheitsrelevant eingestuft werden wie z B die Lebensmittelhygiene im eigenen Haushalt Noch weitgehend unbekannt ist der breiten Oumlffentlichkeit eine neue derzeit in der Wissenschaft diskutierte Metho-de zur Genveraumlnderung ndash das sogenannte bdquoGenome Editingldquo

Vertrauen staumlrken

Verschiedene Bevoumllkerungsgruppen neh-men Ereignisse oder Sachverhalte unter-schiedlich wahr Es haumlngt von vielen Fakto-ren ab wie groszlig ihnen ein Risiko erscheint Insbesondere zwischen der Wahrnehmung von Laien und Fachleuten koumlnnen sich Un-terschiede ergeben da die intuitive Risiko-einschaumltzung der Bevoumllkerung haumlufig auf anderen Prinzipien und Kriterien beruht als die wissenschaftliche Risikobewertung Aus der Risikowahrnehmungsforschung ist beispielsweise bekannt dass die Sorge vor

synthetisch hergestellten Stoffen groumlszliger ist als die Sorge vor natuumlrlich vorkommenden Stoffen wie beispielsweise giftigen Pflanze-ninhaltsstoffen

Der BfR-Verbrauchermonitor Spezial zum Thema Pflanzenschutzmittel hat zudem gezeigt dass ein Groszligteil der Bevoumllkerung faumllschlicherweise davon ausgeht dass in Lebensmitteln generell keine Reste von Pflanzenschutzmitteln vorkommen duumlr-fen Tatsaumlchlich sind Ruumlckstaumlnde von zu-gelassenen Pflanzenschutzmitteln bis zum erlaubten Ruumlckstandshoumlchstgehalt zulaumls-sig und als gesundheitlich unbedenklich eingestuft Auf diese Diskrepanz kann die Risikokommunikation gezielt reagieren indem sie die Oumlffentlichkeit mit geeigne-ten Kommunikationsformen umfassend uumlber die rechtlichen und wissenschaftli-chen Grundlagen der Risikobewertung bei Pflanzenschutzmitteln informiert

Die Ergebnisse solcher Bevoumllkerungsum-fragen liefern wichtige Einsichten in die Risikowahrnehmung verschiedener Bevoumll-kerungsgruppen und zeigen Unterschiede hinsichtlich demografischer Faktoren wie Alter Bildungshintergrund Berufsgrup-pe und Geschlecht auf So ist Frauen das Vorkommen von Pyrrolizidinalkaloiden in Kraumlutertee beispielsweise haumlufiger bekannt als Maumlnnern Auch hat sich gezeigt dass Maumlnner Prozesskontaminanten in Grill-fleisch weniger bedenklich einschaumltzen als Frauen

Mit dem Verbrauchermonitor hat das BfR ein Instrument etabliert mit dem noch fruumlher auf Informations- und Kommuni-kationsbeduumlrfnisse eingegangen und damit das Vertrauen der Oumlffentlichkeit in den ge-sundheitlichen Verbraucherschutz weiter gestaumlrkt werden kann

Alle bisher erschienenen BfR-Verbrauchermonitore koumlnnen abgerufen werden unter wwwbfrbundde gt Publikationen gt Broschuumlren gt BfR-Verbrauchermonitor

Welche Themen betrachten Sie persoumlnlich als die groumlszligten gesundheitlichen Risiken fuumlr Verbraucherinnen und Verbraucher

Inwieweit sind Sie persoumlnlich uumlber die folgenden Themen zur Lebensmittel-sicherheit beunruhigt oder nicht beunruhigt

16 BfR 2 GO

RISIKOWAHRNEHMUNG

2016 gab es in Deutschland in der deutsch-sprachigen Bevoumllkerung ab 14 Jahren rund 08 Millionen Personen die sich selbst als Veganer bezeichnen wuumlrden oder als je-mand der weitgehend auf tierische Produk-te verzichtet (2016 Allensbacher Markt- und Werbetraumlger-Analyse IfD Allensbach) Ei-nige Studien zeigen dass eine vegane Ernaumlh-rung positive Einfluumlsse auf die Gesundheit haben kann wie zum Beispiel ein geringeres Risiko fuumlr Typ-2-Diabetes Beschrieben wer-den allerdings auch gesundheitliche Risiken durch Naumlhrstoffmangelzustaumlnde etwa fuumlr Schwangere und Kinder Wer keine tierische Produkte zu sich nimmt riskiert unter an-derem eine Unterversorgung mit Vitamin B12 Eisen Calcium Jod und Zink sowie mit langkettigen Omega-3-Fettsaumluren

Vor diesem Hintergrund entwickelte das BfR geeignete Risikokommunikationsstra-tegien Ein Forschungsprojekt widmete sich den individuellen und sozialen Einflussfak-toren die zur Motivation und Aufrechter-haltung einer veganen Ernaumlhrung fuumlhren Insgesamt wurden 42 Veganerinnen und Veganer zu ihren Werten Einstellungen und Meinungen befragt Aufgrund der zum Teil sehr ausgepraumlgten Abweichun-gen zur Durchschnittsbevoumllkerung lassen sich verallgemeinernde Aussagen treffen Repraumlsentativ sind die Befragungsdaten al-lerdings nicht

Ethische Entscheidung

Fast immer begruumlnden Veganerinnen und Veganer ihre Entscheidung fuumlr eine vega-ne Ernaumlhrung mit ethischen Argumenten Gesundheitliche Motive werden selten ge-nannt Die Befragten sind uumlberwiegend konfessionslos und uumlberdurchschnittlich

gebildet Auszligerdem beguumlnstigt Vegetaris-mus die Entscheidung sich vegan zu ernaumlh-ren Zwei Drittel der Teilnehmenden haben sich bereits vorher vegetarisch ernaumlhrt Er-naumlhren sich bereits Personen aus dem na-hen Umfeld vegan kann dies die Entschei-dung auch vorantreiben

Fuumlr die uumlberwiegende Mehrheit der Be-fragten ist die Ruumlckkehr zur omnivoren Ernaumlhrung die tierische Produkte zulaumlsst nicht vorstellbar Auch eine Schwanger-schaft wird meist nicht als Grund dafuumlr angesehen Oft werden auch Kinder vegan ernaumlhrt Nach Aussagen der Befragten re-agiert das soziale Umfeld haumlufig mit Skepsis und Aversion Um eine soziale Ausgren-

zung der Kinder zu verhindern lassen die Befragten teils Kompromisse zu So koumlnn-ten Kinder zum Beispiel selbst waumlhlen ob sie auswaumlrts Tierprodukte essen

Wissen kommt an

Wer sich vegan ernaumlhrt verfuumlgt in der Re-gel uumlber ein fundiertes Ernaumlhrungswissen 40 der 42 Teilnehmenden der BfR-Studie waren sich zum Beispiel daruumlber im Klaren dass es ohne tierische Produkte zu einer Mangelversorgung mit Vitamin B12 kom-men kann Viele nehmen dieses Vitamin zusaumltzlich ein Bei der Informationssuche rund um vegane Ernaumlhrung ist das Inter-net die wichtigste Informationsquelle (siehe Grafik)

Strategie der Risikokommunikation

Im Rahmen der Befragung stellten sich wichtige Anknuumlpfungspunkte fuumlr die Risi-kokommunikation heraus Unter anderem wurde klar dass ein negativer Ansatz der die vegane Ernaumlhrung als gefaumlhrlich oder abnormal darstellt nur wenig Erfolg haben kann Eine effektive Risikokommunikation sollte an bestehende Uumlberzeugungen der Veganerinnen und Veganer anknuumlpfen Ziel sollte dabei sein konkrete Tipps fuumlr den Alltag zu geben die sich mit einer vega-nen Ernaumlhrung verbinden lassen Informa-tionen wie bei einer veganen Ernaumlhrung eine moumlgliche defizitaumlre Naumlhrstoffversor-gung verhindert werden kann sind grund-saumltzlich erfolgversprechend Insbesondere uumlber Alternativen oder Supplementierung in der Schwangerschaft bei Saumluglingen und Kleinkindern sollte umfassend informiert werden

Vegan und informiert

Welche Informationsquellen nutzen Sie um sich

uumlber vegane Ernaumlhrung zu informieren

Kochbuumlcher mit veganen Rezepten Blogs zum Thema und tierfreie Supermaumlrkte ndash die vegane Ernaumlhrung liegt im Trend Wer ganz auf tierische Produkte verzichtet riskiert jedoch eine Unterversorgung mit bestimmten Naumlhrstoffen Um eine effiziente Risikokommunikation zu gewaumlhrleis-ten hat das BfR Veganerinnen und Veganer zu Wissens-stand und Einstellungen befragt

Foren im Internet

Sonstige Quellen im Internet

Buumlcher

Zeitschriften

Freunde Bekannte

Sonstigen = 42 Mehrfachnennungen moumlglich

74

71

52

36

12

5

copy S

tudi

oPho

toD

Flor

ezs

hutte

rsto

ckc

om

BEFRAGUNG ZU VEGANISMUS

17012017

63

72 Ekel

Fremdheit

Bedenken zu Hygiene und Vertraumlglichkeit

Grillen Mehlwuumlrmer und Wanderheuschrecken ndash in vielen Regionen der Welt werden Insekten von Menschen verspeist Auch in der Schweiz sind Insek-ten seit dem Fruumlhjahr 2017 offiziell als Lebensmittel zugelassen Ihr Verzehr ist in Europa jedoch generell wenig verbreitet und die oumlffentliche Diskussion steckt noch in den Anfaumlngen Wie bekannt ist das Thema in der deutschen Bevoumllkerung Welche Einstellungen bestehen gegenuumlber essbaren Insekten Wie wird das Thema in den Medien dargestellt In zwei Studien hat das BfR Antworten auf diese Fragen gefunden

Die Mehrheit der Deutschen vermutet keine gesundheitlichen Risiken durch den Verzehr von Insekten wuumlrde sieaber dennoch nicht verzehren Hauptgruumlnde gegen den Verzehr

sind Ekel Fremdheit Bedenken zu Hygiene und Vertraumlglichkeit

46 13 15

Insekten als Lebensmittel fuumlr Menschen ndash 72 Prozent der Befragten haben schon davon gehoumlrt Insekten gelten als eiweiszlig- naumlhrstoff- und vitaminreich und als eine wesentliche Nahrungsquelle hinsichtlich des Welternaumlhrungsproblems

Insekten essen Mehr Theorie als Praxis

18 BfR 2 GO

RISIKOWAHRNEHMUNG

2014

27 Artikel

14

Zugrundeliegende Studien telefonische Repraumlsentativbefragung von 1000 Personen (deutschsprachige Bevoumllkerung ab 14 Jahren) Medienanalyse von 17 deutschen Print- und Onlinemedien (uumlberregionale Qualitaumltszei-tungen Hauptstadtpresse und woumlchentliche Zeitungen) im Zeitraum Januar 2014 bis Dezember 2015 zur Art und Haumlufigkeit der Berichterstattung uumlber essbare Insekten

14 Prozent der Befragten haben schon einmal Insekten verzehrt mehrheit-lich im Ausland Uumlberwiegend sind es Maumlnner 18 ndash 29-Jaumlhrige gut Gebildete und Staumldter

Die Medienberichterstattung zu Insekten als Lebens- und Futtermittel verdoppelte sich von 2014 zu 2015 In der Mehrheit ging es um Nutzen- aspekte Insekten wurden medial als bdquozukunftsweisendes sinnvolles Lebensmittel bei dem der Nutzen gegenuumlber moumlglichen Risiken uumlber-wiegtldquo dargestellt

Verbraucherinnen und Verbraucher wuumlnschen sich mehr Informationen zu moumlglichen gesundheitlichen Risiken von Insekten als Lebens- und Fut-termittel zu ihrer Produktion und zum Naumlhrstoffgehalt Dies koumlnnte die oumlffentliche Akzeptanz fuumlr den Verzehr von Insekten erhoumlhen Auch bdquounkenntlich gemachteldquo Insekten in Form verarbeiteter Lebensmittel wuumlrden eher akzeptiert als Insekten im urspruumlnglichen Zustand

WeiterlesenBfR-Symposium bdquoInsekten als Lebens- oder Futtermittel Nah-rung der Zukunftldquo Bericht zum Symposium am 24 Mai 2016 in 2016 Journal fuumlr Verbraucher-schutz und Lebensmittelsicher-heit 11 3 281ndash289

2015

60 Artikel

i

Insekten als Lebensmittel

gt zaumlhlen lebensmittelrechtlich in der EU zu den neuartigen Lebensmitteln und muumlssen zugelassen werden

gt unerforschte Aspekte Toxikologie Gehalt an Kontaminanten und Ruumlckstaumlnden allergenes Potenzial mikrobiologische Risiken

copy a

rka3

8sh

utte

rsto

ckc

om

19012017

INFOGRAFIK ZU INSEKTEN

Unerwuumlnscht inLebensmitteln

Gelangen Pyrrolizidinalkaloide (PA) in die Lebensmittelkette koumlnnen insbesondere 12-ungesaumlttigte PA dem Menschen schaden Seit Jahren

befasst sich das BfR mit der Frage welches gesundheitliche Risiko von 12-ungesaumlttigten PA in Lebensmitteln ausgeht Klar ist die PA-Kontami-

nation in der Lebensmittelkette sollte so gering wie moumlglich sein

LEBENSMITTELSICHERHEIT

20 BfR 2 GO

Unerwuumlnschte Stoffe die in die Lebensmittelkette gelangen koumlnnen fuumlr Verbraucherinnen und Verbraucher ein gesund-heitliches Risiko darstellen Ein Beispiel fuumlr solche Eintraumlge

sind 12-ungesaumlttigte Pyrrolizidinalkaloide (PA) Das sind Stoffe die von einigen Pflanzen als Schutz vor Fraszligfeinden gebildet werden Sie konnten zunaumlchst in Honig und anderen Bienenprodukten spaumlter auch in Tees Kraumlutertees und Gewuumlrzen aber auch in pflanzenba-sierten Nahrungsergaumlnzungsmitteln nachgewiesen werden

Toxische Wirkungen bei Mensch und Tier

Beim Menschen sind vereinzelt Vergiftungsfaumllle nach arzneilicher Einnahme von PA-haltigen Kraumlutertees und -erzeugnissen bekannt Weiterhin gibt es Berichte uumlber epidemische Lebererkrankungen mit Todesfaumlllen in Pakistan Indien Afghanistan Tadschikistan und der ehemaligen UdSSR nach Verzehr von Getreide das mit Samen von Heliotropium- oder Crotalaria-Arten kontaminiert war Aus der Nutztierhaltung ist das gehaumlufte Auftreten von Leberzirrhosen bei Schlachtrindern bekannt die mit Heu und Silage auch Alpenkreuz-kraut aufgenommen hatten Auch bei Pferden wurden mit Leberde-generation einhergehende durch PA im Futter verursachte Erkran-kungen die Seneciosen beobachtet

Die Leber ist das primaumlre Zielorgan von Schaumldigungen durch 12-ungesaumlttigte PA Jedoch koumlnnen auch die Lunge oder andere Organe betroffen sein Insbesondere bei Aufnahme houmlherer Dosen treten akute venookklusive Veraumlnderungen in der Leber (hepatic veno-occlusive disease HVOD) oder der Lunge auf In houmlheren Dosen wurden im Tierversuch mit 12-ungesaumlttigten PA auch ent-wicklungstoxische Effekte beobachtet Nach den vorliegenden tier- experimentellen Daten gilt die kanzerogene Wirkung von 12-un-gesaumlttigten PA als gesichert und ein entsprechendes Risiko fuumlr den Menschen wird in Betracht gezogen Vielfach zeigten Verbindungen die sich im Tierversuch als kanzerogen erwiesen in entsprechenden Mutagenitaumltstests eine genotoxische Wirkung

Wie 12-ungesaumlttigte PA in Lebensmittel gelangen koumlnnen

Nach bisherigem Kenntnisstand koumlnnen 12-ungesaumlttigte PA uumlber mehrere Wege in Lebensmittel gelangen In Deutschland sind Ver-unreinigungen vor allem in den Anbauflaumlchen von Nutzpflanzen mit PA-bildenden Wildkraumlutern wie z B bei Salaten mit Kreuzkraut oder Greiskraut aufgetreten Aus Afghanistan sind erhoumlhte Belastungen in Getreide bekannt Auch die Belastung von Tee und Kraumlutertee-Sor-ten mit PA wird auf eine Kontamination mit bestimmten Wildkraumlu-tern in den Anbauflaumlchen zuruumlckgefuumlhrt Auszligerdem koumlnnen Bienen-produkte wie Honig und Pollen mit PA belastet sein wenn die Tracht von bestimmten Wildpflanzen stammt 12-ungesaumlttigte PA koumlnnen auch uumlber verunreinigte Futtermittel in Milch Eier und Fleisch ge-langen Auch Nahrungsergaumlnzungsmittel koumlnnen auf der Basis von Pflanzen hergestellt sein die selbst 12-ungesaumlttigte PA bilden

Gesundheitliche Risiken durch belastete Lebensmittel

Das BfR hat 2016 eine Bewertung der gesundheitlichen Risiken durch 12-ungesaumlttigte PA erarbeitet Dabei wurde die Belastung aller wichtigen Lebensmittelgruppen beruumlcksichtigt fuumlr die aktuell Daten zum Vorkommen von 12-ungesaumlttigten PA vorliegen Bei der Bewertung wurde die genotoxisch-kanzerogene Wirkung als emp-findlichster Endpunkt zugrunde gelegt

copy F

eyya

z A

laca

ms

hutte

rsto

ckc

om

copy e

mbe

riza

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

21012017

Danach geht bei Kindern im Alter von sechs Monaten bis unter fuumlnf Jahren die Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA im Wesentlichen auf Kraumlutertee einschlieszliglich Rooibostee Schwarztee und Honig zuruumlck Fruumlchtetee Milch Eier und Fleisch tragen nur wenig zur Gesamtaufnahme von 12-un-gesaumlttigten PA bei Sieht man von bestimm-ten Nahrungsergaumlnzungsmitteln ab zeigt sich bei Erwachsenen ein aumlhnliches Bild Bei Erwachsenen ist der Beitrag von Honig zur Gesamtaufnahme an 12-ungesaumlttigten PA geringer und der von Gruumlntee houmlher als bei Kindern Bei hohen Gehalten koumlnnen Nahrungsergaumlnzungsmittel als zusaumltzliche Expositionsquelle zur Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber Lebensmittel beitragen Gewuumlrze und Kraumluter aber auch Mehle stellen moumlglicherweise eine relevante zusaumltzliche Expositionsquelle dar Fuumlr eine abschlieszligende Bewertung fehlen hier jedoch noch Daten

Obwohl in Einzelfaumlllen hohe Gehalte an 12-ungesaumlttigten PA in bestimmten Le-bensmitteln des allgemeinen Verzehrs nachgewiesen wurden haumllt das BfR nach derzeitiger Datenlage auch bei hoher Auf-nahme dieser Lebensmittel eine akute Ge-sundheitsschaumldigung fuumlr unwahrscheinlich Zur Abschaumltzung des potenziellen Risikos von genotoxisch-kanzerogenen Wirkungen legte das BfR wie international uumlblich den MOE-Ansatz (Margin of Exposure) zugrun-de Dabei wird ausgehend von Tierstudien angenommen dass fuumlr genotoxische Kan-zerogene ein MOE-Wert von 10000 oder houmlher aus Sicht der oumlffentlichen Gesundheit als wenig bedenklich und die Prioritaumlt fuumlr Maszlignahmen im Rahmen des Risikomanage-ments als niedrig angesehen werden kann Bei genotoxisch-kanzerogenen Stoffen kann keine Schwellendosis angenommen werden unterhalb derer keine unerwuumlnschten Wir-kungen mehr erwartet werden Daher gilt in der Europaumlischen Union die Empfehlung die Exposition gegenuumlber genotoxisch und kanzerogen wirkenden Substanzen so weit zu minimieren wie dies vernuumlnftig erreich-bar ist ndash das sogenannte ALARA-Prinzip (as low as reasonably achievable) Selbst geringe Aufnahmemengen koumlnnen insbesondere bei regelmaumlszligigem Verzehr mit einer Erhouml-hung gesundheitlicher Risiken verbunden sein

Die Bewertung des genotoxischen und kan-zerogenen Risikos erfolgt als Vergleich der Gesamtaufnahme uumlber verschiedene Tees Milch und Honig bei Kindern und Er-wachsenen auf der Basis verschiedener Ver-zehrszenarien mit dem BMDL10-Wert von

73 Mikrogramm pro Kilogramm Koumlrperge-wicht und Tag unter Berechnung des MOE Der BMDL10-Wert (Benchmark dose lower confidence limit 10) ist ein Schaumltzwert der niedrigsten Dosis die im Tierexperiment mit 95-prozentiger Sicherheit eine Krebsin-zidenz von nicht mehr als 10 Prozent ver-ursacht Alle Berechnungsansaumltze sowohl fuumlr Kinder als auch fuumlr die erwachsene Be-voumllkerung ergaben MOE-Werte deutlich unterhalb von 10000 Da nach Ansicht des Wissenschaftlichen Ausschusses der EFSA ein MOE erst ab einem Wert von mindes-tens 10000 aus Sicht der oumlffentlichen Ge-sundheit als wenig bedenklich anzusehen ist empfiehlt das BfR die Gesamtexposition mit PA aus allen Lebensmitteln so niedrig wie moumlglich zu halten und einen MOE von 10000 bei Beruumlcksichtigung der PA-Zufuhr aus allen Quellen nicht zu unterschreiten Dazu sollten die Bemuumlhungen fortgesetzt werden die PA-Gehalte in Lebensmitteln weiter zu senken

Forschungsansaumltze des BfR

Das BfR befasst sich seit einigen Jahren mit der Problematik der Verunreinigung von Lebensmitteln mit 12-ungesaumlttigten PA und verfolgt hierzu verschiedene Forschungs-ansaumltze Die Analytik der 12-ungesaumlttigten PA stellt aufgrund ihrer groszligen strukturel-len Vielfalt und des Vorkommens in unter-schiedlichen Lebensmitteln eine besondere Herausforderung dar In den letzten Jahren hat das BfR spezifische Nachweismethoden entwickelt und in Ringversuchen validiert Diese Methoden stehen auf der Homepage des BfR zur Verfuumlgung und koumlnnen z B in der Lebensmittel- und Futtermitteluumlberwa-chung eingesetzt werden

Neben der Entwicklung analytischer Me-thoden werden am BfR die molekularen Mechanismen der Toxizitaumlt von 12-unge-saumlttigten PA untersucht Hier stehen vor allem Untersuchungen zur strukturabhaumln-gigen Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber die Darmbarriere im Vordergrund Die Ergebnisse zeigen dass sich das Wirkungs-potenzial der 12-ungesaumlttigten PA aufgrund von Unterschieden im strukturabhaumlngigen Transport uumlber die Darmbarriere unter-scheiden kann Auch zeigten die getesteten Modellsubstanzen in einem Zellkulturmo-dell deutliche strukturspezifische Unter-schiede im Metabolismus Weitere Untersu-

Pflanzen die Pyrrolizidinalkaloi-de bilden finden sich vor allem in den Familien der Korbbluumltler (Asteraceae) der Raublatt- oder Borretschgewaumlchse (Boraginaceae) und der Huumllsenfruumlchtler (Faba-ceae)

22 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

chungen zu der Zerstoumlrung der sinusoidalen Endothelzellen durch 12-ungesaumlttigte PA sollen zum Verstaumlndnis der Mechanismen beitragen die zu den venookklusiven Ver-aumlnderungen in der Leber fuumlhren Auch wer-den Untersuchungen zur Metabolisierung nahrungsrelevanter Pyrrolizidinalkaloide durchgefuumlhrt Die Forschungsprojekte wer-den von der Deutschen Forschungsgemein-schaft (DFG) gefoumlrdert

Empfehlungen zur Reduktion der PA-Gehalte

Das BfR empfiehlt dass sich Management-maszlignahmen an der Vermeidung genoto-xisch-kanzerogener Effekte der 12-ungesaumlt-tigten PA als dem empfindlichsten Endpunkt orientieren Die Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA sollte fuumlr Verbrau-cherinnen und Verbraucher so gering wie moumlglich sein Dazu sollten die PA-Gehalte in Lebensmitteln so weit wie moumlglich sin-ken Dies gilt insbesondere fuumlr Kraumlutertees Rooibostee Schwarzen Tee und Gruumlnen Tee sowie bestimmte Nahrungsergaumlnzungsmit-tel Hier sollten Anbau- Ernte- und Reini-gungsmethoden weiterhin verbessert wer-den Auch die Auswahl der Rohhonige kann zu einer Reduzierung der Gehalte an 12-un-gesaumlttigten PA in verzehrfertigen Honigen beitragen Auszligerdem sind vor der Vermark-tung seitens der Lebensmittelunternehmer weiterhin Kontrollen in allen betroffenen Lebensmittelkategorien notwendig

Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das potenzielle gesundheitliche Risiko durch PA durch eine abwechslungsreiche Ernaumlh-rung verringern und so generell einseitigen Belastungen mit verschiedenen potenziell gesundheitsgefaumlhrdenden Stoffen vorbeu-gen Insbesondere fuumlr Kinder Schwangere und Stillende empfiehlt das BfR den taumlgli-chen Fluumlssigkeitsbedarf nicht ausschlieszliglich mit Kraumlutertee und Tee zu decken

Bei der Zubereitung von Salat Blattgemuumlse und Kraumlutern sollten Verbraucherinnen und Verbraucher Pflanzenteile aussortieren die sie keinen bekannten essbaren Pflanzen zu-ordnen koumlnnen

Wer Nahrungsergaumlnzungsmittel auf Pollen-basis oder auf Basis von Pflanzen einnimmt die 12-ungesaumlttigte PA bilden sollte sich bewusst sein dass diese Produkte 12-un-gesaumlttigte PA in houmlheren Konzentrationen enthalten koumlnnen

Mehr erfahrenStellungnahme Nr 0302016 des BfR vom 28 September 2016

Necinbase

Necinsaumlure

Die Struktur von PA

Chemisch handelt es sich um Ester aus einer Necinbase und aliphatischen Mono- oder Dicarbonsaumluren (Necin-saumluren) Aus toxikologischer Sicht besonders bedeutsam sind Pyrroli-zidinalkaloide mit 12-ungesaumlttigter Necinstruktur (12-ungesaumlttigte PA) Die 12-ungesaumlttigte Necinstruktur als gemeinsames Strukturmerkmal erlaubt grundsaumltzlich die Giftung durch Oxidation zum Dehydropyrrolizidin das durch seine alkylierenden Eigenschaf-ten fuumlr die genotoxische und karzino-gene Wirkung dieser Substanzgruppe verantwortlich ist

copy R

ukiM

edia

shu

tters

tock

com

copy J

iri H

era

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

23012017

Im suumldlichen Afrika spielt die Landwirt-schaft eine Schluumlsselrolle bei der Armuts-bekaumlmpfung Eine wachsende Produktion tierischer Lebensmittel bringt jedoch auch neue Herausforderungen an die Lebensmit-telsicherheit mit sich Das BfR-Forschungs-projekt bdquoSAD-Zambialdquo (bdquoStaphylococcus aureus in der Milchlebensmittelkette in Sambia ndash Bekaumlmpfung lebensmittelbeding-ter Erkrankungen und Antibiotikaresisten-zen beim Menschldquo) befasst sich damit wie die Produktion und der Vertrieb von Milch und Milchprodukten in Sambia sicherer gestaltet werden koumlnnen Ziel ist es zu be-werten in welchem Umfang das Bakterium Staphylococcus (S) aureus uumlber Milch und Milchprodukte auf den Menschen uumlbertra-gen wird In einem ersten Schritt werden Feldstudien in verschiedenen Provinzen des Landes durchgefuumlhrt um das Vorkommen dieses Erregers und moumlgliche Schwachstel-len in der Milchlebensmittelkette in Sambia zu analysieren Hierbei stehen Toxin-bil-dende S aureus-Staumlmme im Fokus Auszliger-dem wird untersucht in welchem Umfang Methicillin-resistente S aureus (MRSA) die gegen eine bestimmte Klasse von Antibio-tika resistent sind in der Milchlebensmit-

telkette vorkommen Die Bewertungsarbeit beinhaltet auch einen Vergleich traditio-neller und moderner Produktionssysteme Am BfR werden anschlieszligend die Analysen zu den Eigenschaften der gewonnenen Bakterienstaumlmme sowie stammvergleichen-de Untersuchungen durchgefuumlhrt In einem weiteren Schritt werden Ansatzpunkte zur Reduzierung der Bakterien sowie Methoden zum Monitoring von zoonotischen und An-tibiotika-resistenten S aureus in der Milch-lebensmittelkette in Sambia entwickelt So soll zum Verstaumlndnis der lebensmittelbe-dingten Risiken entlang der Milchlebens-mittelkette in Sambia beigetragen werden Das Projekt begann am 01072016 und laumluft drei Jahre Es wird vom Bundesminis-terium fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft gefoumlrdert und aus BfR-Mitteln co-finanziert Neben dem BfR beteiligen sich an dem For-schungsprojekt das International Livestock Research Institute die University of Zambia und das Central Veterinary Research Insti-tute als Teil des sambischen Ministeriums fuumlr Nutztiere und Fischerei Durch dieses Forschungsnetzwerk soll eine nachhaltige Partnerschaft aufgebaut werden

Mit dem Forschungsprojekt bdquoSAD-Zambialdquo leistet das BfR einen Beitrag zur Staumlrkung der Lebensmittelsicherheit und damit zur Ernaumlhrungssicherheit im suumldlichen Afrika Koordinatorin des Projekts ist Frau Dr Alexandra Fetsch Der sambische Doktorand Herr Bruno Phiri berichtet von seiner alltaumlglichen Arbeit Beide arbeiten in der Fach-gruppe bdquoMikrobielle Toxineldquo des BfR

POST AUS hellipSAMBIA

raquobdquoDas SAD-Zambia Projekt ist fuumlr mich ein Meilenstein und ich bin dem BfR sehr dankbar dass es mir diese Moumlglichkeit gibt Ich habe schon viel dazugelernt und konnte meine Kompetenzen bezuumlglich der Diagnose von Krankheitserregern verbessern Das Projekt bringt mich aber nicht nur persoumlnlich voran auch mein Land kann davon profitieren Mein Arbeitsalltag beginnt meist mit einem Besuch bei den Milchbauern und ihren Herden Dort schaue ich mir an wie die Kuumlhe gemolken werden und nehme Proben von den Tieren der Milch und der Umge-bung Auch in Milchsammelstellen und auf Maumlrkten nehme ich Proben Diese analysiere ich anschlieszligend im Labor an der Universitaumlt Schon jetzt freue ich mich auf die weiteren Untersuchungen der Bakterienstaumlm-me am BfR Ich war zu Beginn des Projektes dort ndash eine sehr eindrucks-volle Erfahrungldquo

(Bruno Phiri)

copy a

stud

ios

hutte

rsto

ckc

om

copy B

fR

24 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

Algengift in Tropenfischen

Bisher traten Lebensmittelvergiftungen durch Ciguato-xin ndash einem Algentoxin das in tropischen Speisefischen wie Barrakuda Schnapper oder Zackenbarsch enthalten sein kann ndash vorwiegend in den Tropen auf Mit dem zunehmenden Import von Fischen aus Suumldostasien haumlufen sich auch in Europa und seit 2012 in Deutschland Faumllle von Ciguatera Ein Problem dabei Eine Analyse-methode mit der Fisch routinemaumlszligig auf Ciguatoxine untersucht werden kann ist derzeit noch nicht verfuumlgbar Da weltweit nur wenige Labore auf den Nachweis von Ci-guatoxinen in Fischen spezialisiert sind wird im Projekt bdquoEuroCigualdquo der Europaumlischen Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit (EFSA) unter anderem an der Verbesserung entsprechender Analysemethoden und zum Vorkommen ciguatoxischer Fische in Europa geforscht Das BfR liefert fuumlr das Projekt Angaben zu Erkrankungsfaumlllen in Deutschland Die krankmachenden Algentoxine reichern sich uumlber die Nahrungskette in Raubfischen an und sind uumlberaus stabil Durch Erhitzen oder Tiefkuumlhlen lassen sie sich nicht entfernen Beim Menschen kann der Verzehr betroffener Fische dann zu Vergiftungen mit zum Teil schweren oder andauernden Beeintraumlchtigungen des Nervensystems fuumlhren An Ciguatera Erkrankte nehmen normale Kaumlltereize als ungewoumlhnlich schmerzhaft wahr

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt A-Z-Index Ciguatoxin

Alkaloide in Lupinensamen

In verarbeiteten Produkten oder zum Knabbern Lupinensamen sind im Trend Da sie jedoch toxikologisch relevante bittere Chinolizidinalkaloide enthalten koumlnnen bewertet das BfR ihr gesundheitliches Risiko Der Gehalt an Chinolizi-dinalkaloiden in Lupinensamen variiert je nach botanischer und geografischer Abstammung Samen die von bdquoBitterlupinenldquo stammen sind aufgrund ihrer houmlheren Gehalte ohne geeignete Vorbehandlung der bdquoEntbitterungldquo nicht zum Verzehr geeignet Denn Sie koumlnnen beim Menschen Vergiftungssymptome her-vorrufen Lupinenvarietaumlten die Samen mit niedrigen Alkaloidgehalten liefern werden als bdquoSuumlszliglupinenldquo bezeichnet Suumlszliglupinensamen sind auch ohne Entbitte-rung verzehrsfaumlhig In Deutschland kam es mit Bitterlupinensamen vereinzelt zu Vergiftungsfaumlllen Das BfR empfiehlt Herstellern daher nur ganze Lupinensamen in den Verkehr zu bringen die ohne weitere Entbitterungsprozesse verzehrsfaumlhig sind Mehl aus Lupinensamen sollten Hersteller aus alkaloidarmen oder ausrei-chend entbitterten Samen herstellen

Uumlbertragungswege des Hepatitis-E-Virus

Infektionen mit dem Hepatitis-E-Virus (HEV) koumlnnen zu einer akuten Leberentzuumlndung fuumlhren In den letzten Jahren sind die Zahlen gemeldeter Hepatitis-E-Faumllle des Menschen in Deutsch-land stark angestiegen Forschungsergebnisse des BfR in Zusam-menarbeit mit anderen Einrichtungen haben gezeigt dass das Virus in deutschen Haus- und Wildschweinen weit verbreitet ist Vereinzelt wurde HEV auch in Rehen und Rotwild nachgewiesen

Unklar ist derzeit noch auf welchen Wegen sich die Patienten mit dem Virus anstecken Moumlglich sind direkte Virusuumlbertra-gungen zum Beispiel vom Wildtier auf den Jaumlger und indirekte uumlber Lebensmittel die aus infizierten Tieren hergestellt wurden Wie aktuelle Studien des BfR zeigen kann HEV in verschiedenen Wurstwaren aus dem deutschen Einzelhandel nachgewiesen wer-den Fraglich ist ob das Virus in diesen Produkten noch anste-ckend ist oder ob es bei der Herstellung der Lebensmittel zerstoumlrt wird Hierfuumlr noumltige Untersuchungen waren in der Vergangenheit erschwert da sich HEV im Labor nur schlecht kultivieren lieszlig Erste Ergebnisse von Untersuchungen mithilfe eines am BfR ent-wickelten neuartigen Zellkultur-Systems weisen darauf hin dass HEV hitzeempfindlich ist aber bei Kuumlhlung oder Raumtempera-tur mehrere Wochen infektioumls bleiben kann

SPEKTRUM

copy N

eil B

urto

nsh

utte

rsto

ckc

om

copy N

atal

ia M

ylov

ash

utte

rsto

ckc

om

copy iS

tock

com

Mee

Poo

hyap

hoto

25012017

bdquoNur eine gemeinsame Strategie ist effektivldquo

Frau Kaumlsbohrer ein zentrales Thema Ihrer Forschung sind Antibiotikaresis-tenzen In der oumlffentlichen Debatte wird oft ein Zusammenhang hergestellt zwi-schen dem haumlufigen Einsatz von Anti-biotika in der Nutztierhaltung und dem Auftreten resistenter Bakterien in der Humanmedizin Doch werden bei Tieren nicht andere Antibiotika eingesetzt als bei MenschenUm die Unterschiede zu erlaumlutern muss man zwischen Praumlparaten und den antibiotischen Wirkstoffgruppen unterscheiden Beim Tier verwenden Veterinaumlrmediziner ande-re Praumlparate als Aumlrzte beim Menschen Der wirksame Inhaltsstoff das Antibiotikum kann aber dasselbe sein Die Antibiotika lassen sich wiederum in Wirkstoffgruppen einteilen Mit Blick auf die Wirkstoffgrup-pen gilt Die meisten Antibiotika die beim Menschen eingesetzt werden gehoumlren zu Wirkstoffgruppen die wir auch in der Vete-rinaumlrmedizin nutzen Es gibt nur ganz weni-ge Antibiotikagruppen die nur auf der einen oder der anderen Seite verwendet werden Dazu gehoumlren zum Beispiel die Carbapene-me die nicht beim Nutztier eingesetzt wer-den duumlrfen In der Humanmedizin kommen sie insbesondere zum Einsatz wenn andere Antibiotika nicht mehr wirksam sind

bdquoEine Resistenz ge-gen einen bestimm-ten Wirkstoff kann sich auch ausbrei-ten obwohl diese Wirkstoffgruppe nicht eingesetzt wurde

Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer leitet am BfR die Fachgruppe bdquoEpide-miologie Zoonosen und Antibiotika-resistenzldquo die unter anderem auch das Nationale Referenzlabor fuumlr Antibiotika- resistenzen umfasst Seit April 2016 ist sie auszligerdem Professorin an der Vetmeduni Vienna und leitet dort das Institut bdquoOumlffentliches Veterinaumlrwesenldquo

Wenn sie beim Nutztier nicht eingesetzt werden duumlrfen wie kann es dann sein dass Sie am BfR im Rahmen des For-schungsprojekts RESET Carbapene-mase-bildende Bakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden gefunden habenDie Entstehung von Antibiotikaresistenzen ist ein natuumlrlicher Vorgang bei Bakterien Durch den Gebrauch von Antibiotika wird dieser Prozess beschleunigt Eine Resistenz gegen einen bestimmten Wirkstoff kann sich auch ausbreiten obwohl diese Wirk-stoffgruppe nicht eingesetzt wurde Dank der Selektion gilt meist Wenn ich einen Wirkstoff einsetze gebe ich jenen Bakterien einen Vorteil die gegen den Wirkstoff resis-tent sind Aber Carbapenemasen also die Enzyme die von Carbapenem-resistenten Bakterien gebildet werden koumlnnen neben den Carbapenemen auch fast alle anderen

Bakterien die gegen Antibiotika resistent sind stellen ein Risiko fuumlr die oumlffentliche Gesundheit dar Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer widmet sich am BfR dieser Problematik Im Gespraumlch erklaumlrt sie welche Faktoren bei der Ausbreitung von Resistenzen eine Rolle spielen

copy M

icha

el B

ernk

opf

Vetm

edun

i Vie

nna

26 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

β-Laktam-Antibiotika inaktivieren Theo-retisch ist es daher moumlglich dass sich eine Resistenz gegen Carbapeneme ausbreitet obwohl der Tierarzt beim Nutztier eine an-dere Wirkstoffgruppe eingesetzt hat Ist die Resistenz bei Bakterien vorhanden gibt es viele Ausbreitungswege Ein Stall ist kein steriler Ort sondern belebte Umwelt Moumlg-liche Eintragswege fuumlr resistente Bakterien in einen Stall sind z B belebte Vektoren wie neu eingestallte Tiere Maumluse Fliegen oder Voumlgel aber auch unbelebte Vektoren wie Futter Wasser Staub oder Geraumltschaften

Was hat sich seit dem Fund der Carba-penemase-bildenden Enterobakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden fuumlr Ihre Arbeit beim BfR geaumlndert Der Fund hatte vielfaumlltige Konsequenzen Wir haben vor allem die gezielten Untersu-chungsaktivitaumlten verstaumlrkt Bakterien-Iso-late aus Tierbestaumlnden und Lebensmitteln werden seit 2014 im Rahmen des Resistenz-monitorings im BfR routinemaumlszligig auf eine Carbapenem-Resistenz getestet Auszligerdem steht seit 2015 fuumlr den Nachweis von Carba-penemase-bildenden Bakterien ein weiteres gezieltes Nachweisverfahren zur Verfuumlgung Hierzu muumlssen die Labore geschult werden Zusaumltzlich werden im Nationalen Refe-renzlabor fuumlr Antibiotikaresistenz am BfR Carbapenemase-verdaumlchtige Bakterien auf die charakteristischen Resistenzgene hin un-tersucht Am BfR wurden hierfuumlr verschie-dene Methoden fuumlr die Untersuchung von E coli und Salmonella etabliert Bisher wur-den sehr selten solche Resistenzgene nach-gewiesen bei Nutztieren das Gen blaVIM-1 bei einem Wildvogel das Gen blaNDM-1

Oftmals sind die Resistenzgene gegen Carbapeneme zusammen mit anderen Resistenzgenen auf mobilen geneti-schen Elementen lokalisiert Warum ist hier besondere Vorsicht gebotenZunaumlchst ist die Trefferwahrscheinlichkeit fuumlr eine Selektion houmlher wenn mehrere Re-sistenzgene auf einem genetischen Element liegen d h der Einsatz verschiedener Anti-biotika kann zu einem Selektionsvorteil fuumlh-ren Die Lokalisation von Resistenzgenen auf mobilen genetischen Elementen spielt fuumlr die Uumlbertragbarkeit von Resistenzen eine wichtige Rolle Denn Diese Resistenzgene koumlnnen mittels horizontalem Gentransfer auf ganz unterschiedliche Bakteriengruppen uumlbertragen werden Diese Erkenntnis hat eine Art Revolution ausgeloumlst Lange Zeit wurde ein Erreger mit all seinen Eigenschaf-ten als Einheit betrachtet Kann die Resis-tenz aber zwischen Bakteriengruppen hin

und her uumlbertragen werden verfaumllscht das moumlglicherweise den Blick auf eine Gruppe Folglich mussten die Nachweisverfahren umgestellt und die Uumlbertragbarkeit von Re-sistenzen mit analysiert werden Erschwe-rend kommt hinzu dass ein Resistenzgen auf einem grundsaumltzlich ungefaumlhrlichen

Bakterium zum Problem werden kann Manche Bakterien wie beispielsweise E coli gehoumlren zur normalen Darmflora Traumlgt so ein Bakterium eine Resistenzeigenschaft ist das erstmal nicht gefaumlhrlich Aber Es kann diese Eigenschaft moumlglicherweise an einen Infektionserreger weitergeben

Welche konkreten Folgen kann eine solche Weitergabe von Resistenzeigen-schaften habenSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt Schon jetzt weichen Aumlrzte auf Wirk-stoffgruppen aus die in der Humanmedizin lange verpoumlnt waren Dies gilt zum Beispiel fuumlr Colistin Fuumlr den Menschen ist es nicht gut vertraumlglich moumlgliche Nebenwirkun-gen sind beispielsweise die Schaumldigung der Nieren oder des Nervensystems In der Ve-terinaumlrmedizin hat Colistin seit Jahrzehnten eine erhebliche Bedeutung vor allem fuumlr die Behandlung von Infektionen des Ma-gen-Darm-Traktes bei Nutztieren auch um andere Wirkstoffgruppen zu vermeiden

Spielt im Fall von Colistin die Mobilitaumlt des Resistenzgens auch eine besonde-re Rolle Inzwischen ja Bis Ende 2015 waren sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler einig Eine Colistin-Resistenz ist nicht uumlbertragbar Das heiszligt kommt eine solche Resistenz bei einem Infektionserreger beim Nutztier vor ist sie nicht per se auf ein hu-manpathogenes Bakterium uumlbertragbar Doch Ende 2015 wurde in China erstmals das uumlbertragbare Gen mcr-1 beschrieben Untersuchungen in Belgien haben spaumlter zur Beschreibung eines weiteren mobilen Gens fuumlr die Colistin-Resistenz bei Nutztieren

bdquoSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

27012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Ausbreitung von Resistenzen

Haustiere

Krankenhaus

Belastetepflanzliche Lebensmittel

Belastete tierische Lebensmittel

Nutztiere

Futtermittel

Schaumldlinge

Uumlbertragungswege resistenter Bakterien

Menschen

Eine Antibiotikaresistenz entsteht

(z B durch Mutation)

Antibiotikatherapie beguumlnstigt die

Selektion resistenter Bakterien

Nahrung

Duumlnger Abwasser

Abwasser

28 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

gefuumlhrt mcr-2 Das bedeutet eine Uumlbertra-gung der durch diese Gene vermittelten Re-sistenz auf ein humanpathogenes Bakterium ist theoretisch moumlglich Allerdings scheint dies bisher selten der Fall zu sein

Diese Erkenntnisse offenbaren einen groszligen Forschungsbedarf Was tun Sie in der Abteilung bdquoBiologische Sicher-heitldquo um das Risiko zu bewerten Als 2015 klar wurde dass es eine uumlbertrag-bare Colistin-Resistenz gibt haben wir diese neue Erkenntnis in den laufenden Projekten natuumlrlich sofort aufgegriffen Im Rahmen des Forschungsprojekts RE-SET haben wir zum Beispiel vorhandenes Bakterienmaterial und die bei unseren Ko-operationspartnern verfuumlgbaren Gesamt-genominformationen auf das Vorkommen dieses neuen Resistenzgens gepruumlft Schnell war klar Ja dieses Gen finden wir in den Sequenzen Und die Pruumlfung von Colis-tin-resistenten Isolaten aus unserer Stamm-sammlung hat bestaumltigt dass dieses Resis-tenzgen bereits weit verbreitet ist

Muumlssen nun neue Forschungsprojekte zu dem Thema initiiert werdenJa denn viele Fragen bleiben bislang offen Wie haumlufig wird die Resistenz tatsaumlchlich uumlbertragen Was triggert diese Uumlbertra-gung Es gibt auch diagnostische Probleme Das uumlbliche Verfahren in der Humanmedi-zin um Resistenzen zu testen umfasst in der Regel nicht die Resistenz gegen Colistin Es gibt also viel zu tun Neue Diagnose- und Typisierungsverfahren aufbauen unser Re-sistenzmonitoring erweitern und routine-maumlszligig phaumlnotypisch resistente Isolate auf das Gen pruumlfen Die Ergebnisse muumlssen wir dann uumlbergreifend bewerten um Hand-lungsoptionen aufzuzeigen

Welche Uumlbertragungswege spielen bei der Colistin-Resistenz fuumlr den Men-schen eine Rolle Mit Sicherheit koumlnnen wir das derzeit nicht sagen Die chinesische Arbeitsgruppe hat Colistin-Resistenzen sowohl im Schweine-fleisch als auch beim Menschen gefunden Daher liegt die Hypothese nahe dass es eine Uumlbertragung uumlber Lebensmittel gibt Gleichzeitig gibt es generell die Beobachtung von nosokomialen Ausbreitungen resisten-ter Bakterien Das sind Ausbreitungen von Antibiotikaresistenzen im Krankenhaus

Resistenzen breiten sich aus Wunder-waffen verlieren ihre Wirkung selbst im Krankenhaus sind wir nicht sicher Gibt es uumlberhaupt eine effiziente Strategie gegen die Ausbreitung der Antibiotika- resistenzen Und wer ist dabei gefor-dertUm die Ausbreitung von Antibiotika- resistenzen zu verhindern braucht es eine gemeinsame Strategie Schlieszliglich sind hier komplexe Zusammenhaumlnge zwischen Mensch Tier und Umwelt am Werk Am BfR streben wir deswegen eine enge Zu-sammenarbeit mit allen Akteuren im oumlffent-lichen Gesundheits- und Veterinaumlrwesen an Bei diesem bdquoOne Health-Ansatzldquo sind sowohl Veterinaumlr- als auch Humanmedizi-ner gefordert Auch Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

Was sollten Verbraucherinnen und Ver-braucher beachtenHier gelten dieselben Hygieneregeln die auch fuumlr andere vom Tier oder vom Le-bensmittel auf den Menschen uumlbertragba-re Krankheitserreger gelten Zum Beispiel sollten sie sich nach dem Kontakt mit Tie-ren die Haumlnde mit warmem Wasser und Seife waschen Auch nach der Zubereitung von rohem Fleisch sollten die Haumlnde gruumlnd-lich gewaschen werden Fleisch Eier und Rohmilch sollten vor dem Verzehr durcher-hitzt werden Rohkost und Obst sollten vor dem Verzehr gruumlndlich mit Trinkwasser gewaschen oder geschaumllt werden Weiterhin wichtig ist den direkten oder indirekten Kontakt von rohem Fleisch und rohen Ei-ern mit verzehrfertigen Speisen die spaumlter nicht mehr erhitzt werden zu vermeiden Durch die Einhaltung der Hygieneregeln kann man einer Uumlbertragung von resisten-ten und oder pathogenen Bakterien auf an-dere Lebensmittel vorbeugen

Mehr erfahren Irrgang et al 2017 Recurrent detection of VIM-1-producing Escherichia coli clone in German pig production Journal ofAntimicrobial Chemotherapy 72 3 944ndash946

bdquoVerbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

RESET

Der Forschungsverbund RESET ndash Antibiotika-Resistenzen bei Tier und Mensch ndash beschaumlftigte sich von 2010 bis 2017 mit Resistenzen gegen die besonders wichtigen Antibiotika-Klas-sen der β-Laktam-Antibiotika und (Fluor-)Chinolone bei Darmbakterien wie Escherichia (E) coli Sind Bak-terien gegen beide Wirkstoffklassen resistent werden die therapeutischen Moumlglichkeiten drastisch eingeschraumlnkt Bei E coli und Salmonella enterica wurden derartige Resistenzen bereits nachgewiesen Das BfR beteiligte sich mit zwei Projekten an dem Forschungs-verbund Durch das konsequente Zusammenfuumlhren von Ergebnissen der unterschiedlichen Forschungsgebiete in einer gemeinsamen Datenbank konnten Erkenntnisluumlcken geschlossen und Risiken bewertet werden Das Projekt wurde vom Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) gefoumlrdert

29012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Kann es durch die Mischung verschiedener Pestizid-Ruumlckstaumlnde beim taumlglichen Verzehr zu gesundheitsgefaumlhrdenden Belastungen kommen

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

30 BfR 2 GO

Wenn von Paradigmenwechseln die Rede ist findet meist ein grundlegendes Umdenken statt In der Risikobewertung von Chemikalien habe ein Paradigmenwechsel stattge-

funden der die traditionelle Einzelsubstanz-Bewertung hinter sich lasse schrieben BfR-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler vor einiger Zeit Man koumlnnte meinen in der Toxikologie wird der Paracelsus-Satz kuumlnftig umgeschrieben Nicht nur die Dosis son-dern auch die Aufsummierung der Dosierungen in einer Mischung macht das Gift

Gift- oder Todescocktail ndash plakative Medienbegriffe

Denn tatsaumlchlich In den letzten Jahren beschaumlftigen sich weltweit immer mehr Gremien politische Ausschuumlsse und Forschungspro-jekte mit der Frage wie man die Auswirkungen von Mischungen auf Umwelt und Gesundheit kuumlnftig bewerten kann Auch in der Oumlffentlichkeit wird das Thema emotional verhandelt Chemikali-enmix Gift- oder sogar Todescocktail ndash mit plakativen Begriffen umschreiben Medien das Phaumlnomen der Mehrfachruumlckstaumlnde Entsprechend tief sitzt die Angst bei Verbraucherinnen und Ver-brauchern In einer vom BfR in Deutschland durchgefuumlhrten re-praumlsentativen Wahrnehmungsstudie vermuten 80 Prozent der Befragten dass der Einsatz mehrerer unterschiedlicher Pflanzen-schutzmittel zu gesundheitlichen Beeintraumlchtigungen durch Le-bensmittel fuumlhren kann

Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck sein

Zwar zeigen verschiedene aktuelle Monitoring-Projekte dass das gesundheitliche Risiko durch Mehrfachruumlckstaumlnde von Pflanzen-schutzmitteln unwahrscheinlich ist (s Interview) aber das Thema bleibt auch fuumlr die Wissenschaft draumlngend Denn auch wenn Mi-schungen schon seit Jahrzehnten wissenschaftlich analysiert und bewertet werden das Beduumlrfnis nach einer zuverlaumlssigen Bewertung der Risiken fuumlr Mensch und Umwelt steigt Grund dafuumlr ist zum einen die Vielzahl immer neuer Wirkstoffe Zusatzstoffe Chemika-lien Ruumlckstaumlnde und Kontaminanten gegenuumlber denen Menschen exponiert sind verbunden mit immer verfeinerten wissenschaftli-chen Nachweismethoden Zum anderen steigt der Druck aus der Oumlffentlichkeit Um wissenschaftliche Divergenzen zu vermeiden muumlssen transparente und international harmonisierte Verfahren entwickelt werden Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck in der Risikobewertung sein

Alle Gemische im Tierversuch zu testen ist nicht durchfuumlhrbar

Worum geht es im Einzelnen Mischungen liegen immer dann vor wenn ein Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt verschiedene Stoffe gleichzeitig aufnimmt z B Ruumlckstaumlnde Kontaminanten oder Chemikalien die nach der Europaumlischen Chemikalienverordnung REACH registriert sind Das geschieht wenn sogenannte intentional mixtures also beabsichtigte Mischungen wie Pflanzenschutzmittel oder Biozide in den Verkehr gebracht werden Aber auch unintenti-onal mixtures nimmt der Koumlrper auf Sei es dass verschiedene Stoffe in einem Produkt enthalten sind z B mehrere Pflanzenschutzmit-telruumlckstaumlnde in einem Apfel Oder sei es dass Stoffe gleichzeitig uumlber unterschiedliche Produkte aufgenommen werden In all diesen Faumlllen koumlnnen Mischungseffekte auftreten Diese sind je nach Wirk-mechanismus unterschiedlich stark ausgepraumlgt So koumlnnen sich die Wirkungen von Stoffen gegenseitig potenzieren oder auch aufheben Nach derzeitigem Kenntnisstand wird davon ausgegangen dass sich Wirkungen in der Regel addieren wenn die aufgenommenen Stoffe oberhalb der Wirkschwelle liegen den gleichen Wirkmechanismus haben und zu einem relevanten Zeitpunkt vom Organismus aufge-nommen wurden

Hier beginnen die Schwierigkeiten Es gibt zu viele intentional mix-tures die eine nahezu unuumlbersehbar groszlige Anzahl von Kombinati-onen ermoumlglichen Diese Gemische alle im Tierversuch zu testen wie sonst bei Einzelsubstanzen uumlblich waumlre sowohl ethisch nicht zu vertreten als auch praktisch nicht durchfuumlhrbar Daher arbeiten viele Forschungsprojekte u a der EU-Kommission daran tierversuchs-freie Methoden fuumlr die kumulative Bewertung zu entwickeln die die Effekte von Mischungen in vitro oder durch computergestuumltzte Be-rechnungen in silico berechnen (s Interview und Kasten)

Weltweit setzen Laumlnder das Thema auf ihre Agenda

Nicht nur fuumlr die Wissenschaft auch fuumlr den harmonisierten Voll-zug von Gesetzen ergeben sich dadurch neue Herausforderungen So schreibt z B die EU-Verordnung uumlber das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vor Kumulations- und Synergieeffekte zu be-ruumlcksichtigen ndash sofern es von der Behoumlrde anerkannte wissenschaft-liche Methoden zur Messung solcher Effekte gibt Doch die lagen bisher nicht vor Deshalb werden nun auf allen Ebenen technische Leitfaumlden fuumlr die neuen Methoden erstellt um eine harmonisierte

Auf die Mischung kommt es anKumulative Risikobewertung nimmt weltweit eine immer groumlszligere Bedeu-tung in der Toxikologie ein Das BfR arbeitet an einer Vielzahl von Projek-ten wie Mischungen in Zukunft bewertet werden koumlnnen

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

31012017

Vorgehensweise und transparente Nachvollziehbarkeit bei der Zu-lassung von Produkten zu gewaumlhrleisten Unter anderem die EFSA die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmittelsicherheit die Europauml-ische Chemikalienagentur ECHA und das JRC die Gemeinsame Forschungsstelle der Europaumlischen Kommission erarbeiten solche technischen Leitfaumlden

Neben der wissenschaftlichen Komplexitaumlt muumlssen diese techni-schen Leitfaumlden weitere Herausforderungen meistern Sie sollen fuumlr alle Bereiche gelten in denen Mischungen in Verkehr gebracht werden oder entstehen koumlnnen Bisher wurden Mischungen haumlufig nur in einem regulatorischen Bereich untersucht z B als Pflan-zenschutzmittel Biozid oder Arzneimittel Fuumlr andere Stoffe wie Lebensmittelzusatzstoffe oder Kontaminanten war die Bewertung von Mischungen bisher nicht klar gesetzlich reguliert In Zukunft sollen auch diese Stoffe bei einer Bewertung von Mischungen besser beruumlcksichtigt werden Auch soll nicht nur die chemische Zusam-mensetzung eines einzelnen Produktes systematisch bei der Zu-lassung beruumlcksichtigt werden sondern auch Mehrfachruumlckstaumlnde im gesamten Warenkorb den Verbraucherinnen und Verbraucher durchschnittlich zu einer gegebenen Zeit konsumieren Und zu gu-ter Letzt muumlssen die neuen Verfahren weltweit harmonisiert werden um das kumulative Risiko fuumlr Mensch und Umwelt auch angesichts globaler Warenketten gering zu halten Deshalb diskutieren Politik und Wissenschaft zurzeit nicht nur auf europaumlischer Ebene entspre-chende Leitfaumlden auch andere Laumlnder weltweit sowie die Weltge-sundheitsorganisation WHO und die Organisation fuumlr wirtschaftli-che Zusammenarbeit und Entwicklung OECD haben die kumulative Bewertung auf ihre Agenda genommen und stimmen ihre Guidance Documents mit den uumlbrigen Behoumlrden ab

Deutschland wendet die kumulative Bewertung schon an

Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR sind an zahlreichen dieser internationalen Projekte beteiligt sowohl an der wissenschaftlichen Erforschung kumulativer Effekte als auch an der Entwicklung technischer Leitfaumlden Einen wichtigen Schritt bei der kumulativen Bewertung hat Deutschland in der Europaumlischen Uni-

Stufe um Stufe zu einer gesicherten Bewertung

Seit Maumlrz 2017 wird in Deutschland eine Methodik fuumlr die Bewertung von Kumulations- und Synergie-effekten bei der gesundheitlichen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln in den Zulassungsverfahren angewandt Grundlage fuumlr das gestufte kumulative Bewertungsverfahren ist der sogenannte bdquoHazard Quotientldquo (HQ) der fuumlr jeden einzelnen Stoff ermit-telt wird Der HQ errechnet sich aus dem Verhaumlltnis zwischen dem relevanten gesundheitlichen Grenz-wert und der geschaumltzten Exposition

In einer ersten Stufe wird der HQ fuumlr alle Stoffe eines Gemisches einzeln ermittelt Liegt der HQ jedes Stoffes unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko fuumlr die einzelnen Bestandteile der Mischung zu erwarten Liegt dieser bei einzelnen Stoffen uumlber 1 wird gepruumlft ob die Exposition durch geeignete Maszlignahmen weiter vermindert werden kann zum Beispiel durch das Tragen entsprechender Schutz-kleidung

Liegt der HQ fuumlr alle Komponenten unter 1 wird in einer zweiten Stufe der sogenannte bdquoHazard Indexldquo (HI) des Gemisches ermittelt indem alle Gefahren-quotienten der verwendeten Stoffe addiert werden Liegt der ermittelte Wert weiterhin unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko durch das Gemisch zu erwarten

Liegt der HI uumlber 1 geht die Bewertung mit weiter verfeinerten Methoden in die dritte Stufe uumlber In dieser wird gepruumlft ob ein gesundheitliches Risiko vorliegt wenn eine Gruppierung der Einzelstoffe vorgenommen wird Dazu koumlnnen die einzelnen Stoffe in kumulative Bewertungsgruppen (cumula-tive assessment groups CAGs) eingeteilt werden die z B nach Effekten im gleichen Zielorgan oder nach dem gleichen Wirkmechanismus oder nach chemischer Verwandtschaft definiert sein koumlnnen Hintergrund dieser Einteilung ist die Annahme dass sich nach gegenwaumlrtigem Kenntnisstand nur Effek-te addieren die hinsichtlich der Zielorgane oder der Wirkmechanismen (MOA) vergleichbar sind Auch die relative Potenz der einzelnen Stoffe soll bei der verfeinerten Bewertung beruumlcksichtigt werden Liegt der HI innerhalb einer CAG unter 1 ist deshalb kein gesundheitliches Risiko zu erwarten Liegt er oberhalb des Wertes und koumlnnen weder Expositionsschaumltzung noch Gefahrenbewertung weiter verfeinert werden gilt das Gemisch als nicht sicher

Das mehrstufige Verfahren hat den Vorteil dass die ressourcenaufwendigeren Methoden zur verfei-nerten Bewertung z B in vergleichbaren CAGs oder MOAs nur zum Einsatz kommen wenn mit den ersten einfacheren Bewertungsmethoden nicht nachweisbar ist dass kein gesundheitliches Risiko zu erwarten ist

copy T

atom

mis

tock

com

32 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

EuroMix A tiered strategy for risk assessment of mixtures of multiple chemicals

EuroMix ist ein laumlnderuumlbergreifendes Projekt der EU-Kommission das die nie-derlaumlndische Behoumlrde fuumlr Gesundheit und Umweltschutz RIVM koordiniert Es zielt darauf ab eine tierversuchsfreie experi-mentelle Test-Strategie zu entwickeln um die Toxizitaumlt von Gemischen verschiedener toxikologisch relevanter Lebensmittelin-haltsstoffe Lebensmittelkontaminanten und Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde besser zu bestimmen Aus den Forschungsergeb-nissen wird ein Leitfaden fuumlr die kuumlnftige Umsetzung einer experimentellen Test-Stra-tegie entwickelt Das Acht-Millionen-Eu-ro-Projekt laumluft bis Mai 2019

Mehr erfahren wwweuromixprojecteu

Kombinationseffekte Forschungsprojekte des BfR

Am BfR werden in verschiedenen Abteilungen mehrere interne Forschungsprojekte zu Kombinationseffekten durch-gefuumlhrt Dazu gehoumlren u a Forschungsprojekte zu kumulativen Wirkungen in Pflanzenschutzmitteln und Bioziden zu Mehrfachruumlckstaumlnden in Lebensmitteln zur Expositionsschaumltzung sowie zu wirbeltierfreien Alternativmethoden Daruumlber hinaus ist und war das BfR auch an folgenden Drittmittel-Projekten beteiligt die zu Kombinationseffekten forschen

Combiomics Analyse von Kombinationseffekten von Pestiziden in vitro

Combiomics war ein zweieinhalbjaumlhri-ges Projekt des Bundesministeriums fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) das im Fruumlhling 2016 abgeschlossen wurde In dem vom BfR koordinierten Projekt wurden moumlgliche Kombinationswirkungen durch Mehrfachruumlckstaumlnde beispielhaft anhand einer Gruppe von Fungiziden in vitro unter-sucht Dazu wurden die molekularen Effek-te der Triazole mittels multi level omics und praumldiktiver mathematischer Modellierung untersucht Ausgehend von den Ergebnissen wurde ein Praumldiktionsmodell fuumlr Substanz-kombinationen erstellt validiert und auf Pestizide anderer Stoffgruppen bzw weitere Substanzklassen ausgedehnt um Kombi-nationseffekte kuumlnftig weitgehend ohne Tierversuche durchfuumlhrbar zu machen

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschung gt Drittmittelprojekte gt Combiomics

Combiomics 2Auch die zweite Projektphase von Com-biomics wird vom BfR koordiniert Hier sollen erfolgreich getestete Methoden und Zelllinien in Form einer standardisierten In-vitro-Testbatterie validiert und in ein Standardverfahren integriert werden das auch kuumlnftigen regulatorischen Anforde-rungen entspricht Das dreijaumlhrige Projekt wird vom BMBF bis Ende 2019 gefoumlrdert

Mehr erfahren wwwfisaonlinede gt Kombinationseffekte Pestizide

on schon jetzt unternommen Am 1 Maumlrz 2017 erschien im Bundesanzeiger eine Be-kanntmachung dass Kumulations- und Synergieeffekte in der gesundheitlichen Be-wertung von Pflanzenschutzmitteln kuumlnf-tig durch das BfR beruumlcksichtigt werden Damit bezieht Deutschland bei der zonalen Zulassung von Pflanzenschutzmitteln eine systematische kumulative Bewertung ein

Ein Leitfaden zur kumulativen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln wurde am BfR erarbeitet basierend auf den internatio-nalen Diskussionen bei EFSA und ECHA und 2014 veroumlffentlicht Seitdem wird das Verfahren am BfR angewandt uumlberpruumlft und verfeinert Im Kern geht es darum in einem mehrstufigen Verfahren verschie-dene Wirkstoffe in einem Pflanzenschutz-mittel oder in einer beantragten Tankmi-

schung kumulativ zu bewerten (s Kasten) Dazu werden sowohl die Exposition der Anwenderinnen und Anwender als auch die akute Exposition der Verbraucherinnen und Verbraucher betrachtet sodass die am meisten exponierten Gruppen beruumlcksich-tigt sind

Das Ziel Mischungen weltweit harmonisiert zu bewerten

Die Einfuumlhrung der Konzepte zur kumu-lativen Bewertung von Pflanzenschutzmit-teln hat auch in anderen EU-Laumlndern Aus-wirkungen auf die Risikobewertung Wenn Deutschland im zonalen Zulassungsverfah-ren bewertender Mitgliedstaat ist wird das Verfahren grundsaumltzlich angewandt Aber auch in die Bewertungsberichte anderer Laumlnder flieszligt die kumulative Bewertung als

deutscher Kommentar mit ein Durch den fachlichen Austausch zwischen den Mit-gliedstaaten wurde das Konzept in den letz-ten Jahren einem Peer-Review unterzogen Um die Praxis europaweit noch besser zu harmonisieren werden derzeit auszligerdem internationale Workshops organisiert auf denen diskutiert wird wie Mischungen bei der Risikobewertung kuumlnftig beruumlcksichtigt werden sollen Das BfR veranstaltet einen solchen Workshop im November 2017 im Auftrag der Europaumlischen Kommission die Franzoumlsische Behoumlrde fuumlr gesundheitlichen Verbraucher- Umwelt- und Arbeitsschutz (ANSES) einen weiteren im Februar 2018 unter aktiver Beteiligung des BfR

Das Ziel Mischungen weltweit harmoni-siert zu bewerten um Mensch und Umwelt besser zu schuumltzen ruumlckt damit naumlher

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

33012017

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

bdquoZiel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertungldquo Interview mit Herrn Dr Roland Solecki uumlber die Forschungsaktivitaumlten des BfR zu Mehrfachruumlckstaumlnden

Herr Solecki bei Mehrfachruumlckstaumlnden von Pflanzenschutzmitteln sprechen die Medien oft von einem bdquoGiftcocktailldquo Haben Sie Erkenntnisse daruumlber wie groszlig das gesundheitliche Risiko tat-saumlchlich istDas BfR hat dazu gemeinsam mit dem Bun-desministerium fuumlr Ernaumlhrung und Land-wirtschaft und dem Bundesamt fuumlr Ver-braucherschutz und Lebensmittelsicherheit einen Bericht uumlber die kumulativen Wir-kungen von Pflanzenschutzmitteln veroumlf-fentlicht Dieser basiert auf einer Methodik der niederlaumlndischen Behoumlrde fuumlr Gesund-heit und Umweltschutz RIVM Hintergrund ist ein Monitoring das uumlber einen Zeitraum von sechs Jahren in Deutschland durchge-fuumlhrt wurde Darin wurde untersucht wel-che Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde durch-schnittlich uumlber Lebensmittel aufgenommen werden Das Ergebnis war dass auch unter Worst-Case-Annahmen fuumlr die Mischungen von Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnden ein gesundheitliches Risiko unwahrscheinlich ist Die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit EFSA kam in ihrem Monito-ring-Bericht von 2015 fuumlr Gesamteuropa zu einem aumlhnlichen Ergebnis

Sie arbeiten unter anderem bei dem Pro-jekt EuroMix mit Worum geht es dabeiEs handelt sich um ein groszliges Forschungs-projekt der EU-Kommission zur kumulati-ven Bewertung von Mischungen im Rahmen von Horizont 2020 dem Rahmenprogramm der Europaumlischen Union fuumlr Forschung und Innovation Das Projekt hat zum Ziel neue Bewertungsmethoden fuumlr Mischungseffekte zu erarbeiten besonders auch im Hinblick auf Alternativen zu Tierversuchen innovati-ve Wege der Expositionsschaumltzung und Mo-dellierung von kumulativen Risiken Dabei geht es nicht nur um Pflanzenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatzstoffe und andere Chemikalien

Wie ist das BfR da in EuroMix einge-bundenVom BfR arbeiten sowohl die Abteilung Sicherheit von Pestiziden als auch die Ab-teilung fuumlr Lebensmittelsicherheit am Eu-roMix-Projekt mit Waumlhrend die von mir geleitete Abteilung fuumlr die regulative Bewer-tung eingebunden ist werden in der Abtei-lung Lebensmittelsicherheit experimentelle Arbeiten unter anderem zur Lebertoxizitaumlt durchgefuumlhrt in denen auch Kombinatio-nen von Pestiziden mit anderen Lebensmit-telinhaltsstoffen gepruumlft werden

Woran forschen Sie im EuroMix-ProjektWir haben zunaumlchst recherchiert welche gesetzlichen Anforderungen bestehen und wie unterschiedliche Behoumlrden weltweit

Mischungseffekte bewerten Und wir haben Forschungen zu Mischungen durchgefuumlhrt die bestimmte adverse Effekte auf die Leber verursachen Dabei wurden bestimmte Schluumlsselelemente untersucht um daraus ein Konzept fuumlr die Bewertung zu erarbei-ten Jetzt werden die Omics-Untersuchun-gen und andere alternative Pruumlfverfahren noch durch Tierversuche ergaumlnzt sodass wir auch am Gesamtorganismus die Effek-te uumlberpruumlfen koumlnnen Gleichzeitig werden die statistischen Hilfsmittel und die ande-ren elektronisch basierten Tools weiterent-wickelt Auszligerdem folgen noch weitere Stu-dien zur Exposition Die finalen Ergebnisse liegen am Ende des Projekts im Jahr 2019 vor

In welche weiteren europaumlischen Aktivi-taumlten ist das BfR eingebundenDie EFSA hat bereits einige Ansaumltze zur Bewertung der kombinierten Exposition gegenuumlber mehreren Pestiziden und Kon-taminanten bei Menschen sowie mehreren Pestiziden bei Bienen entwickelt Derzeit ist die EFSA damit befasst neue Ansaumltze und Instrumente zur Harmonisierung der Be-wertung von Risiken fuumlr Mensch und Um-welt zu erarbeiten die von der Exposition gegenuumlber mehreren chemischen Stoffen in der Lebensmittelkette ausgehen Ich bin derzeit Mitglied einer Arbeitsgruppe von Sachverstaumlndigen die der Wissenschaftliche Ausschuss der EFSA eingerichtet hat um Leitlinien im Hinblick auf die kombinierte Exposition gegenuumlber mehreren chemi-schen Stoffen zu entwickeln Diese Initiative unter dem Namen bdquoMixToxldquo wird 2018 den Leitfaden in einer oumlffentlichen Konsultation diskutieren

Bei dieser Vielzahl an Aktivitaumlten Wel-ches Ziel haben Sie persoumlnlich vor Au-genDas Ziel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertung von Stoffen in der gesundheitlichen Risikocharakterisie-rung und deren harmonisierte Implemen-tierung in den gesetzlichen Verfahren Dies wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen

bdquoBei den kumulati-ven Risiken geht es nicht nur um Pflan-zenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatz-stoffe und andere Chemikalien

Dr Roland Solecki leitet die Abteilung bdquoSicherheit von Pestizidenldquo am BfR

copy B

fR

34 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

SPEKTRUM

Identifizierung endokriner Disruptoren Vom Grundsatz in die Praxis

Fuumlr Pestizid-Wirkstoffe und andere Chemikalien sind harmonisierte wissenschaftliche Kriterien erforderlich mit denen hormonschaumldigende Substanzen identifiziert werden koumlnnen Das BfR veroumlffentlichte hierzu bereits 2016 ein Konsenspapier als wissenschaftliche Grundlage fuumlr die darauffolgende Arbeit der EU-Behoumlrden Auf legislativer Ebene werden aktuell EU-weit geltende Ver-ordnungen festgelegt um auf wissenschaftlicher Ebene Leitlinien zur regulatorisch harmonisierten Umsetzung dieser Verordnungen zu erarbeiten Mit dieser Aufga-be hat die EU-Kommission die EFSA und die ECHA gemeinsam beauftragt Das BfR unterstuumltzt die Behoumlr-den mit wissenschaftlicher und technischer Expertise indem es die entsprechende Arbeitsgruppe bei der EFSA personell verstaumlrkt sowie Recherchen und Umfragen zur Praktikabilitaumlt von Untersuchungsmethoden durchfuumlhrt Die Publikation der Leitlinien wird fuumlr Fruumlhjahr 2018 erwartet Sie koumlnnen auf Basis der verabschiedeten Ver-ordnungen nach ihrer Implementierung in der Genehmi-gungspraxis angewendet werden

Mehr erfahren Solecki et al 2017 Scientific principles for the identification of endocrine-disrupting chemicals a consensus statement Arch Toxicol 91 1001ndash1006

Insekten-Stopp in Textilien Allergene Wirkung unwahrscheinlich

Das Risiko fuumlr eine Allergie nach dem Kontakt mit Kleidung und Produkten die mit dem Biozid Permethrin behandelt sind ist nach derzeitigem Kenntnisstand unwahrscheinlich Das ist das Ergebnis einer aktuellen Risikobewertung des BfR Gestuumltzt wird das Ergebnis dadurch dass trotz weitverbreiteter Anwendung des Wirkstoffs in Medikamenten und Verbraucherprodukten kein Anstieg der Kontaktallergien gegenuumlber Permethrin zu verzeichnen ist Das Risiko fuumlr kanzero-gene systemische Effekte infolge einer dermalen und oralen Exposition gegenuumlber Permethrin aus Textilien ist nach Ansicht des BfR vernachlaumlssigbar gering Permethrin ist ein biozider Wirkstoff der zum Schutz gegen Insekten in Produkten wie Schlafsaumlcken Picknick- und Yogadecken sowie Teppichen und Kleidung eingesetzt wird Er ist im Chemikalienrecht als sensibilisierend eingestuft ein moumlgliches geringes kanzerogenes Potenzial wird von verschiedenen wissenschaftlichen Gremien diskutiert Der Wirkstoff kann aus Textilien freigesetzt und uumlber die Haut aufgenommen werden Bei kleinen Kindern die viele Produkte in den Mund nehmen kommt eine moumlgliche orale Aufnah-me des Stoffes hinzu

Mehr erfahren Stellungnahme Nr 0062017 des BfR vom 25 April 2017

Wie wirkt Aluminium in Leber und Darm

Aluminium ist in Lebensmitteln Kosmetika und Bedarfsge-genstaumlnden enthalten und kann uumlber die Nahrung aufgenom-men werden Erste Ergebnisse aus dem deutsch-franzoumlsischen Forschungsprojekt bdquoSolNanoToxldquo mit Beteiligung des BfR zeigen dass sich aus der Nahrung aufgenommene Aluminiumverbin- dungen temporaumlr im Darm anreichern Ob und in welchen Men-gen die Partikel weiter in den Koumlrper insbesondere in die Leber gelangen und welche Faktoren ihre Wirkung beeinflussen wird aktuell erforscht Die Forschungsgruppe sieht Anhaltspunkte dafuumlr dass ein Teil der angereicherten Partikel mit dem Stuhl wieder ausgeschieden wird Fuumlr seine Untersuchung simulierte das BfR anhand biologischer Proben die Verdauung verschiede-ner Aluminiumarten vom Mund uumlber den Magen bis zum Darm Mithilfe von Enzymen und Salzen wurden dabei physiologische Parameter wie der pH-Wert gesteuert Waumlhrend des simulierten Verdauungsprozesses veraumlnderten die Aluminiumverbindungen ihre chemische Reaktionsfaumlhigkeit und Loumlslichkeit Die Erkennt-nisse sind ein erster Schritt um den Prozess der Aufnahme Resorption und Verteilung von Aluminium im Koumlrper besser zu verstehen und daraus Daten fuumlr die Risikobewertung abzuleiten Aluminiumverbindungen koumlnnen in zu hohen Dosen toxisch auf das Nervensystem und ungeborenes Leben wirken sowie die Fruchtbarkeit und Knochenentwicklung beeinflussen

copy B

fR

copy c

gsto

cks

hutte

rsto

ckc

om

copy R

osel

ynne

shu

tters

tock

com

35012017

Bei Kleidung ist besonders der Einsatz von Silber-Nanopartikeln weit verbreitet Silber wirkt antibakteriell und soll die Geruchs-bildung durch Schwitzen reduzieren Beim Einsatz von Nanosilber in Kleidungsstuuml-cken ist in erster Linie eine Freisetzung in Schweiszlig und somit ein moumlglicher Hautkon-takt relevant Neben der Frage ob und in welcher Menge Silber prinzipiell aus Texti-lien herausgeloumlst wird beschaumlftigt sich die Forschung mit der Frage welchen Einfluss die Technologie hat mit der Nanosilber auf Textilien aufgetragen bzw eingebracht wird Bisher war zudem unklar inwiefern die Oberflaumlchenbeschichtung der Nano-partikel die Abgabe beeinflusst

Kuumlnstlicher Schweiszlig simuliert Freisetzung

In einem Forschungsprojekt pruumlfte das BfR neun Proben von Textilien die mit Nanosil-ber veredelt waren Als Vergleich diente ein mit konventionellem Silber (hier Silbersalz mit einem Partikeldurchmesser groumlszliger als 100 Nanometer) ausgeruumlstetes Textil Zwei der Textilien waren sogenannte Komposite bei denen Nanosilber in die Faser integriert ist Bei den anderen getesteten Textilien war die Faseroberflaumlche mit Silber-Nano-partikeln bzw in einem Fall mit konventio-nellem Silber beschichtet (Textil-Coating) Um die Abgabe von Silber durch Schwitzen

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

Kleidung wird durch sie wasser- und schmutzabweisend sie blocken UV-Strahlen und mindern Geruumlche Nanoma-terialien haben beliebte funktionelle Eigenschaften Ob sie aufgrund ihrer Winzigkeit gesundheitliche Risiken bergen ist indes noch weitgehend unbekannt In einem Forschungsprojekt uumlber Nanosilber hat das BfR ermittelt ob sich die Kleinstteilchen aus Textilien herausloumlsen und damit zum gesundheitlichen Risiko werden koumlnnen

Nanomaterial

ist ein natuumlrliches bei Prozessen anfallendes oder kuumlnstlich hergestelltes Material das Partikel in ungebundenem Zustand als Aggregat oder als Agglo-merat enthaumllt und bei dem die Mehrheit der Partikel ein oder mehrere Auszligen-maszlige im Bereich unter 100 Nanometer hat In Nanogroumlszlige kann ein Stoff andere Eigenschaften besitzen als wenn er in Form groumlszligerer Partikel vorliegt

copy o

still

shu

tters

tock

com

36 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von Textilfasern Links Nanokomposit bei dem kaum Silberpartikel an der Faseroberflaumlche zu finden sind Mitte und rechts Textilien mit Silbercoating hier befindet sich insgesamt mehr Silber auf der Oberflaumlche

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

zu simulieren wurden die Textilien fuumlr 24 Stunden in einer Schweiszligsimulanz-Louml-sung inkubiert Fuumlr die Auswertung wurde zunaumlchst der gesamte Silbergehalt in den Schweiszligloumlsungen mit massenspektromet-rischen Messmethoden bestimmt In den Proben in denen Silber vorhanden war wurden anschlieszligend mit Zentrifugation und einer speziellen Methode zum Messen von Einzelpartikeln geloumlstes und partikulauml-res Silber unterschieden Im letzten Schritt wurden die Partikelgroumlszligen des vorgefun-denen partikulaumlren Silbers gemessen um nanoskaliges Silber zu identifizieren

Silber aus Kleidung freigesetzt

Die Untersuchung des BfR zeigte dass von jeder Textilprobe Silber in die Schweiszligsi-mulanz-Loumlsung uumlberging je nach geteste-tem Textil zwischen 7 und 75 Prozent des originaumlr in den Textilien enthaltenen Sil-bers Dabei setzten die beschichteten Tex-tilien mehr Silber frei als die Komposite Den houmlchsten abgegebenen Anteil fand das BfR bei dem mit konventionellem Silber beschichteten Textil Die Freisetzung wird demnach staumlrker durch die Technologie der Veredelung bestimmt als durch die im Tex-til enthaltene Menge Auszligerdem scheint die Abgaberate von Silber aus Nanosilber im Vergleich zu konventionellem Silber nicht erhoumlht zu sein

In der Schweiszligloumlsung lag das freigesetzte Silber uumlberwiegend geloumlst vor Partikulaumlres Silber fand sich nur zum geringeren Teil dann jedoch auch im Nanometerbereich Ob es sich dabei um einzelne Nanoparti-kel handelt oder ob das Silber an groumlszligere Partikel gebunden ist muss in weiteren Untersuchungen uumlberpruumlft werden Nach

derzeitigem wissenschaftlichem Kennt-nisstand geht man davon aus dass sich Nanopartikel im Koumlrper anders verhalten als groumlszligere Partikel Uumlberraschenderweise detektierte die Forschungsgruppe auch in den Schweiszligsimulanzien der mit konven-tionellem Silber beschichteten Textilien partikulaumlres Silber in Nanogroumlszlige Das Vor-kommen von Silberpartikeln scheint also nicht davon abhaumlngig zu sein ob das Silber in Nano- oder konventioneller Form auf das Textil aufgebracht wurde

In einer parallelen Untersuchung fanden die Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler heraus dass zudem die Beschaffenheit der Nanopartikel beispielsweise in Form einer speziellen Beschichtung ihre Loumlslichkeit in der Schweiszligloumlsung beeinflusst

Art der Beschichtung relevant

Silber wird demnach aus Textilien freige-setzt in geringen Teilen sogar in partiku- laumlrer Form Die gewaumlhlte Form der Tex-tilfunktionalisierung aber auch die Be-schaffenheit der Nanopartikel stellen dabei wichtige Kriterien fuumlr das Freisetzungsver-halten dar Solche Erkenntnisse sind vor al-lem fuumlr den sicheren Einsatz von Nanoma-terialien in Alltagsprodukten wichtig weil die Exposition des Menschen gegenuumlber derartigen Stoffen moumlglichst klein gehalten werden sollte Auszligerdem geben sie Hin-weise in welcher Anwendungsform Nano-materialien im verbrauchernahen Bereich sicher eingesetzt werden koumlnnen

Mehr erfahren Wagener et al 2016 Textile Functionalization and Its Effects on the Release of Silver Nanoparticles into Artificial Sweat Environ Sci Technol 50 11 5927ndash5934

Per Flugzeitmassenspek-trometer laumlsst sich Silber auf beschichteten Textil-fasern detektieren

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

NANOPARTIKEL

37012017

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

38 BfR 2 GO

Neuer Ansatz fuumlr Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

Spiegelbild gesucht

Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR zeigt einen neuen Ansatz um mithilfe von Genexpressionsdaten das geeignete Tiermodell fuumlr die Grundlagenforschung oder fuumlr spezifische klinische Fra-gestellungen zu identifizieren Damit koumlnnen zukuumlnftig unnoumltige Tierversu-che vermieden werden Hamburger Wissenschaftsbehoumlrden wuumlrdigten die Erkenntnisse mit einem Forschungspreis

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

39012017

Fragestellung

Vergleich

Auswahl

z B bdquoMit welchem Mausmodell koumlnnen die Ursachen von Alzheimer erforscht werdenldquo

Vergleich von vorhandenen Omics-Expressionsdaten von Mensch und Tier

Auswahl des geeigneten Modells

1

2

3

Geeignete Tiermodelle identifizieren

An Tiermodellen werden zahlreiche biologische Prozesse und Krankheiten wie Wund-

heilung Diabetes Tumoren oder entzuumlndliche Erkrankungen erforscht Durch den

Vergleich der Omics-Expressionsdaten von Tiermodell und Mensch koumlnnen geeignete

Modelle fuumlr die jeweilige Fragestellung identifiziert werden

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

40 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Verlaumluft ein entzuumlndlicher Prozess bei Maumlusen aumlhnlich wie beim Menschen Sind Maumluse daher geeignete Ver-

suchstiere fuumlr Tests von antientzuumlndlichen Substanzen Um Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung in den klinischen Alltag zu uumlberfuumlhren ndash Aufgabengebiet der translationalen Forschung ndash werden wissen-schaftliche Fragestellungen oft in Tierversu-chen erprobt Ob und inwieweit die Ergeb-nisse auf den Menschen uumlbertragbar sind ist dabei immer wieder Gegenstand kontrover-ser Diskussionen Geeignete Methoden mit denen die Wissenschaft Tiermodelle mit op-timaler Uumlbertragbarkeit auf den Menschen auswaumlhlen kann wuumlrden dem wissenschaft-lichen Fortschritt helfen und die Zahl der Tierversuche reduzieren Es geht dabei um die Frage welches Tiermodell am besten das menschliche System widerspiegelt

Vergleichbarkeit von Genom- daten fehleranfaumlllig

Als Grundlage fuumlr diese Uumlberlegungen die-nen Daten aus modernen bioanalytischen Hochdurchsatzverfahren Immer haumlufiger setzt die Wissenschaft auf diese sogenannten Omics-Technologien die die Gesamtheit aller Gene und ihrer Produkte analysieren ndash sowohl beim Tier als auch beim Menschen Mit ihnen lassen sich molekulare Prozesse in lebenden Systemen umfassend darstel-len indem sie beispielsweise die Interaktion hunderter bis tausender Genprodukte zei-gen Die Analyse dieser zunehmend kom-plexen Omics-Datensaumltze stellt die Wissen-schaft jedoch vor Probleme da das Vorgehen dazu nicht standardisiert ist Die Interpreta-tion der Ergebnisse ist bisher meist von der Kompetenz der Durchfuumlhrenden und von der angewandten Methode abhaumlngig Im Ergebnis war die Entscheidung zur Frage der Uumlbertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen fehleranfaumlllig und die Suche nach

geeigneten Tiermodellen erschwert Die ge-ringe Standardisierung der Interpretation von Omics-Daten fuumlhrte in Forschungs-kreisen bereits zu widerspruumlchlichen Er-gebnissen so zum Beispiel bei zwei Studien aus den Jahren 2013 und 2015 die sich mit der Vergleichbarkeit von entzuumlndlichen Er-krankungen beim Menschen und gaumlngigen Mausmodellen beschaumlftigten Waumlhrend eine Forschungsgruppe im Jahr 2013 schlussfol-gerte dass entzuumlndliche Prozesse zwischen Mensch und Maus nicht vergleichbar seien kam eine andere Gruppe zwei Jahre spaumlter anhand der gleichen Omics-Daten zum ge-genteiligen Schluss Die Maus reagiere auf der molekularen Ebene sehr aumlhnlich wie der Mensch und sei daher als Tiermodell sehr nuumltzlich fuumlr die Erforschung menschlicher Erkrankungen Zwar ist es nicht ungewoumlhn-lich dass Ergebnisse von Studien unter-schiedlich eingeschaumltzt werden ndash allerdings selten auf Basis der gleichen Daten

Motivation des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR war es diese Widerspruumlche aufzuklaumlren und einen standardisierten und zielgerichteten Analyseansatz zu entwickeln der die Suche nach geeigneten Tiermodellen vereinfacht und somit unnoumltige Tierversuche vermei-den hilft Es gehoumlrt zu den Kernaufgaben des Bf3R bundesweit alle Aktivitaumlten zu koordi-nieren mit den Zielen Tierversuche auf das unerlaumlssliche Maszlig zu beschraumlnken und fuumlr Versuchstiere den bestmoumlglichen Schutz zu gewaumlhrleisten Die Aufgaben des Bf3R wer-den vom BfR wahrgenommen

Genomdaten von Tier und Mensch gezielt vergleichen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler des Bf3R haben die Omics-Daten aus den beiden erwaumlhnten widerspruumlchlichen Studien mithilfe hochperformanter Com-

puter nochmals systematisch ausgewertet Dabei wurden zunaumlchst die zu verglei-chenden Gene gruppenweise biologischen Prozessen zugeordnet die wesentlich fuumlr ein Entzuumlndungsgeschehen sind Diese Gene Set Enrichment Analysis (GSEA) ge-nannte Methode greift auf umfangreiche in oumlffentlichen Datenbanken hinterlegte Genomdaten gaumlngiger Tiermodelle und von Erkrankten zuruumlck Mit ihrer Heran-gehensweise konnten die Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler des BfR an-schlieszligend Veraumlnderungen auf der Ebene pathologischer Signalwege erkennen und Unterschiede zwischen Tiermodell und Mensch identifizieren Da der Groszligteil der untersuchten Genprodukte haumlufig nur geringfuumlgig veraumlndert war konnten bei der Analyse auf Ebene vollstaumlndiger bio-logischer Signalwege alle Gene einbezogen und Aumlnderungen in der Gesamtheit eines biologischen Signalwegs bewertet werden Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu bisherigen Analyseansaumltzen da fuumlr die Klauml-rung translationaler Fragestellungen bisher haumlufig willkuumlrlich und subjektiv Gene von Mensch und Tiermodell fuumlr einen direkten Eins-zu-eins-Vergleich ausgewaumlhlt wurden

Die systematische Auswertung des Bf3R zeigte dass die Ergebnisse beim vorlie-genden Genomdatenvergleich bei einigen Mausmodellen gut mit den beim Menschen ermittelten Daten uumlbereinstimmten Bei an-deren Mausmodellen hingegen war es nicht so So aumlhnelt das Entzuumlndungsgeschehen bei Maumlusen die mit Staphylococcus aureus (Staphylococcus-aureus-Injektionsmodell) infiziert sind oder eine Darmperforation (Cecal-ligation-and-puncture-Modell) erfah-ren den meisten klinischen Proben Hin-gegen verlaufen Erkrankungen die durch Lipopolysaccharide (LPS) und Streptococcus pneumoniae verursacht werden bei Mensch und Maus verschieden

Omics

Der Terminus beschreibt Methoden zur

Analyse komplexer biologischer Proben

auf der Ebene des gesamten Genoms

von Transkripten Proteinen oder Meta-

boliten

41012017

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

Forschungsansatz hilft Tierversuche zu reduzieren

Die Methode der Datenanalyse mittels GSEA-Ansatz erleichtert es Forschungs-gruppen zukuumlnftig zielgerichtet und stan-dardisiert das optimale Tiermodell aus-zuwaumlhlen das am besten die menschliche Situation abbildet Voraussetzung dafuumlr ist die Existenz von Omics-Daten zur klini-schen Fragestellung sowie zu den infrage kommenden Tierversuchen Dies ist bereits fuumlr eine Vielzahl von Tiermodellen sowie von humanen Erkrankungen der Fall neben Entzuumlndungserkrankungen beispielsweise fuumlr Herz-Kreislauf-Erkrankungen Krebser-krankungen Atemwegserkrankungen Stoff-wechselerkrankungen und neurologische Erkrankungen Aufgrund der vermehrten Verwendung von Omics-Methoden kann davon ausgegangen werden dass stetig wei-tere systembiologische Daten ermittelt und veroumlffentlicht werden Die vom Bf3R ange-wandte Methode wird daher weiterhin bei der gezielten Auswahl von Tiermodellen nuumltzlich sein

Das Verfahren kann in der Grundlagen-forschung sowie in der translationalen und angewandten Forschung eingesetzt werden Diese Bereiche machten 2015 nach Anga-ben des Bundesministeriums fuumlr Ernaumlh-rung und Landwirtschaft mit insgesamt 73 Prozent den groumlszligten Teil der Tierversuche aus Ein Groszligteil davon entfaumlllt auf Maumluse Ratten und zunehmend auch auf Fische Grundsaumltzlich kann die neue Methode zur Auswahl des geeigneten Versuchstiermo-dells bzw zum Ausschluss nicht geeigneter Versuchstiermodelle bei jeglichen Tierver-suchen in diesen Bereichen genutzt werden Analog zu den Versuchstierzahlen liegen derzeit die meisten Omics-Daten fuumlr Maus und Ratte vor So sind beispielsweise allein in der oumlffentlichen NCBI GEO-Datenbank (National Center for Biotechnology Informa-tion Gene Expression Omnibus) derzeit Da-ten zu ca 340000 Maus-Proben und 75000 Ratte-Proben gelistet

Methode identifiziert geeignete Zellkulturmodelle

Dabei ist die Methode des Bf3R nicht auf humane und murine Datensaumltze beschraumlnkt sondern kann auf alle weiteren Spezies an-gewandt werden fuumlr die umfangreiche Da-tenbanken zu biologischen Signalwegen oder Gengruppen vorliegen Auch fuumlr die Beurteilung von zellbasierten Alternativ-methoden kann der neue Forschungsansatz

herangezogen werden Durch einen system-biologischen Abgleich der klinischen Daten mit Omics-Daten aus beispielsweise neuar-tigen 3D-Zellkulturen oder organaumlhnlichen Mikrostrukturen wird die Charakterisierung und Verifizierung von zellbasierten Alterna-tivmethoden ermoumlglicht

Praumlmierte Forschungsleistung

Fuumlr ihre Forschung erhielten die Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR 2016 den Hamburger Forschungspreis zur Foumlrderung der Entwicklung von Ersatz- und

Ergaumlnzungsmethoden Die Auszeichnung wurde zum erstem Mal von den Hamburger Behoumlrden fuumlr Gesundheit und Verbraucher-schutz sowie fuumlr Wissenschaft Forschung und Gleichstellung mit einem Foumlrderpreis in Houmlhe von 20000 Euro ausgeschrieben Der Preis wird fuumlr Arbeiten vergeben die einen Beitrag leisten Tierversuche zu ersetzen oder zu minimieren

Mehr erfahrenWeidner et al 2016 Defining the optimal animal model for translational research using gene set enrichment analysis EMBO Molecular Medicine 8 8 831ndash838

Wofuumlr Versuchstiere in Deutschland eingesetzt werden

630255Herstellung und Qualitaumlts-kontrolle medizinischer Produkte toxikologische Sicherheitspruumlfungen

22

59

14 5

1643259Grundlagenforschung

144997sonstige Zweckez B Zucht Aus- und Weiterbildung

381450translationale und angewandte Forschung

Que

lle B

unde

smin

iste

rium

fuumlr E

rnaumlh

rung

und

Lan

dwirt

scha

ft V

ersu

chst

ierz

ahle

n 20

15

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

42 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Alternativen zu Tierversuchen Forschung regional buumlndeln

Eine individualisierte Schmerztherapie fuumlr Versuchsmaumluse und eine Verringerung von Tierexperimenten zum Test der Inhala- tionstoxizitaumlt von Nanomaterialien (siehe rechte Spalte) ndash hierzu sollen die ersten Arbeitsergebnisse des BfR im Berlin-Bran-denburgischen Verbundprojekt BB3R zukuumlnftig beitragen Das Netzwerk aus Universitaumlten und Bundesinstitutionen forscht um Tierversuche zu vermeiden (Replacement) bzw zu verringern (Reduction) sowie das Leiden von Versuchstieren zu vermindern (Refinement) Das BfR ist als einer von sechs Verbundpartnern in den Bereichen der Refinement- und Replacement-Forschung beteiligt Das Bundesforschungsministerium foumlrdert das mit BB3R abgekuumlrzte Projekt fuumlr vier Jahre bis Fruumlhjahr 2018 es ist als Plattform fuumlr den wissenschaftlichen Austausch konzipiert und integriert ein Graduiertenkolleg

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschungwwwbb3rde

Belastung von Laborfischen erkennen

Koumlrperbau

Koumlrpermerkmale

Verhaltenkreisendes Schwimmen

Belastung von Laborfischen erkennen

Ob Laborfische Schmerzen empfinden oder leiden laumlsst sich mithilfe konkreter Kriterien beurteilen Die Vorarbeiten hierzu koordinierte der bdquoNationale Ausschuss zumSchutz von fuumlr wissenschaftliche Zweckeverwendeten Tierenldquo am BfR gemeinsam mit externen Sachverstaumlndigen und Beauf-tragten von Genehmigungsbehoumlrden Die erstmals definierten Kriterien bewerten unter anderem Auffaumllligkeiten im Koumlrper-bau sowie im Verhalten der Tiere Schmer-zen und Leiden koumlnnen so gezielt behandelt und gelindert werden Da die Frage der Belastung der Tiere anhand der Kriterien eindeutig geklaumlrt werden kann dienen sie zudem als Entscheidungshilfe fuumlr Behoumlr-den welche die Zucht belasteter genetisch veraumlnderter Tiere genehmigen muumlssen Fische insbesondere Zebrafische sind nach Maumlusen und Ratten die am dritthaumlufigsten verwendete Versuchstierart Die Zahl der Versuchsfische hat in den letzten Jahren stetig zugenommen

Mehr erfahren Bert et al 2016 Considerations for aEuropean animal welfare standard toevaluate adverse phenotypes in teleost fish EMBO J 35 11 1151ndash1154Empfehlung des Nationalen Ausschusses TierSchG Nr 0012015

Test der Inhalationstoxizitaumlt von Nanomaterialien

Die Einatmung gilt als wichtigster Aufnahmeweg fuumlr Nanomaterialien Im Rahmen der BB3R-Forschung bildet das BfR diese Art der Exposition mit In-vitro- Atemwegsepithelmodellen an ihrer Grenzflaumlche zur Luft ab Dieser Ansatz zum Test der Inhalationstoxi-zitaumlt hilft Anzahl und Umfang von Tierversuchen zu verringern

Versuchsaufbau Drei Roumlhrchen leiten ein Testaerosol mit luftgetragenen Nanomaterialien auf Epithelzellen

SPEKTRUM

copy B

fR

43012017

Jubilaumlumsfeier und internationales Symposium

Am 29 November 2017 feiert das BfR sein 15-jaumlh-riges Bestehen mit einem Festakt Geplant ist eine Feier mit ausgewaumlhlten Gaumlsten in der Akademie der Kuumlnste Anschlieszligend findet vom 30 Novem-ber bis zum 01 Dezember 2017 das gemeinsame internationale Symposium des BfR und seiner Schwesterinstitutionen aus Daumlnemark (DTU Food) und Frankreich (ANSES) sowie der suumldko-reanischen Behoumlrde fuumlr Lebens- und Arzneimittel-sicherheit (NIFDS) statt Unter dem Motto bdquoPast Present and Future Challenges in Risk Assessment ndash Strengthening Consumer Health Protectionldquo werden die letzten anderthalb Jahrzehnte Risikobewer-tung betrachtet Daruumlber hinaus werden aktuelle Aktivitaumlten sowie zukuumlnftige Herausforderungen des Verbraucherschutzes wie mikrobiologische Erreger chemische Substanzen Methoden und Harmonisierung auf nationaler wie internationa-ler Ebene diskutiert

VERANSTALTUNGEN

Nachwuchs foumlrdern

Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu foumlr-dern baut das BfR wissenschaftliche Nachwuchs-gruppen zu bestimmten Schwerpunktthemen auf Die bereits 2015 eingerichtete Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Warenketteldquo wird im Herbst 2017 durch einen weiteren Dokto-randen verstaumlrkt

Verstaumlrkung im Versuchstierschutz

Seit dem 1 April 2017 staumlrkt die Berufung von Herrn Universitaumltsprofessor Dr Lars Lewejo-hann den Kompetenzbereich bdquoVerminderung der Belastung und Verbesserung der Lebenssitua-tionldquo des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) Neben der Leitung der Fachgruppe bdquoTierschutz und Versuchstierkundeldquo im BfR wird Lars Lewejohann sein Wissen und neue Erkenntnisse als Hochschullehrer fuumlr bdquoTier-schutz mit dem Schwerpunkt Refinementldquo an der veterinaumlrmedizinischen Fakultaumlt der Freien Universitaumlt Berlin an Studierende und Doktoran-den weitergeben

PERSONALIEN

Alternativmethode zum Tierversuch bdquoKnochen-auf-dem-Chipldquo

Im Mai 2017 fand bei der Gemeinsamen For-schungsstelle (GFS)Joint Research Centre (JRC) der Generaldirektion (Directorate General) der Europaumlischen Kommission eine Summer School zu alternativen Ansaumltzen zum Tierversuch fuumlr die Risikobewertung in Ispra (Italien) statt Dort wurde Herr Dr Ing Frank Schulze aus der BfR-Fachgruppe bdquoZEBET ndash Alternativmethoden zu Tierversuchenldquo fuumlr seine Praumlsentation und das dazugehoumlrige Poster zum Thema bdquoEin Knochen-auf-dem-Chip fuumlr die Grundlagenwissenschaft und die Identifizierung von knochenschaumldigen-den Substanzenldquo mit einem Posterpreis (1 Platz) ausgezeichnet

copy B

fR

copy p

rivat

INSTITUTSLEBEN

44 BfR 2 GO

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

Eine stecknadelkopfgroszlige Kaumlsefettprobe wird auf das Analysegeraumlt aufgebracht Um charakteristische Merkmale in den Datensaumltzen zu finden muumlssen Dr Carsten Fauhl-Hassek (im Bild rechts oben) und sein Team eine Vielzahl solcher Proben nehmen und am Computer analysieren

bdquoErst muumlssen einheitliche Datenstandards verteilt operierende Systemloumlsungen und organisatorische Loumlsungsansaumltze zur Ge-waumlhrleistung der Datenintegritaumlt und -qua-litaumlt entwickelt werdenldquo erlaumlutert Matthias Filter bdquodamit diese Vision im Bereich Le-bensmittelsicherheit realisierbar istldquo Er ko-ordiniert am BfR die Arbeiten zum Schwer-punkt bdquoGlobale Warenkettenldquo

Vernetzte Referenzdatenbanken

Damit das Zukunftsszenario naumlher ruumlckt forschen Wissenschaftlerinnen und Wis-senschaftler am BfR zu der Entwicklung von mathematischen und statistischen Mo-dellen fuumlr die Datenauswertung und Har-monisierung von Datenaustauschformaten sowie zur harmonisierten Probennahme Dies sind wesentliche Voraussetzungen fuumlr den Aufbau und die Routineanwendung

von kollaborativen Referenzdatenbanken die uumlber die Cloud verfuumlgbar gemacht wer-den koumlnnen bdquoBislang verwendet jeder Her-steller von Spektrometern aber beispiels-weise noch eigene Datenformate sodass die Daten erst einmal dechiffriert werden muumlssen damit sie fuumlr alle Beteiligten ver-wendbar sindldquo sagt Filter

Bis solche Referenzdatenbanken der typi-schen chemisch-analytischen Profile von Lebensmitteln aufgebaut und fuumlr den flauml-chendeckenden Einsatz im Netzwerk aus Uumlberwachungsbehoumlrden Laboratorien so-wie Herstellern und Haumlndlern fertiggestellt sind dauert es nach Einschaumltzung der Exper-ten sicher noch 10 bis 15 Jahre Umso wichti-ger ist es jetzt die Weichen zu stellen

Mehr erfahrenwwwbfrbundde gt A-Z-Index Authentizitaumlt

Die Suche nach dem Fingerabdruck

Beim Aufbau von standardisierten Referenzdatenbanken kommen soge-nannte nicht zielgerichtete Verfahren zum Einsatz Dabei wird der physika-lisch-chemische Fingerabdruck von Lebensmitteln anhand spektromet-rischer undoder spektroskopischer Daten erhoben Dieser dient als Vergleichsstandard mit dem die Daten unbekannter Lebensmittelproben vergli-chen werden Abweichungen koumlnnen so leichter erkannt werden und Uumlber-wachungsbehoumlrden muumlssen nicht mehr gezielt nach bestimmten unerwuumlnsch-ten Substanzen suchen die oftmals noch gar nicht bekannt sind

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

10 BfR 2 GO

SCHWERPUNKTTHEMA AUTHENTIZITAumlT

Food Integrity EU-Konsortium gegen gefaumllschte Lebensmittel Das EU-Konsortium aus 38 Projektpartnern will strukturelle und methodische Voraus-setzungen schaffen um Verfaumllschungen fruumlhzeitig einheitlich erkennen zu koumlnnen Dazu sollen u a ein Netzwerk zwischen Be-houmlrden Industrie und Forschung aufgebaut Pruumlfprozesse harmonisiert und Wissensda-tenbanken erstellt werden Das Projekt laumluft bis Ende 2018

FoodAuthent Kollaborative Referenzdatenbanken fuumlr chemische Fingerabdruumlcke In dem dreijaumlhrigen Projekt werden Grundlagen fuumlr den Routineeinsatz von Fingerprinting-Analyseverfahren im Lebensmittelsektor und in der amtlichen Uumlberwachung geschaffen Zusammen mit den Projektpartnern entwickelt das BfR bis April 2019 gemeinschaftliche Fingerprin-ting-Datenbanken sowie Schnittstellen zu privatwirtschaftlich betriebenen Pro-duktinformationssystemen Exemplarisch erfolgt dies fuumlr Hartkaumlse Speiseoumlle und Spirituosen Die Daten sollen fuumlr die mit-wirkenden Akteure im Lebensmittelbereich frei zugaumlnglich sein

Original oder Faumllschung ndash Gemeinsam gegen Lebensmittelgaunerei

Das BfR beteiligt sich an Drittmittelprojekten um Herstellern und Uumlberwa-chungsbehoumlrden Methoden an die Hand zu geben mit denen schnell sicher und kosteneffizient die Echtheit eines Lebensmittels erkannt werden kann Einige werden hier vorgestellt

Animal-IDHerkunftsnachweis von tierischen Proteinen in Futter- und Lebens-mitteln Die Projektpartner kombinieren Massen- spektrometrie mit Verfahren zur Protein-anreicherung um Analysemethoden zur gewebespezifischen Herkunftsbestimmung von Futtermitteln zu entwickeln sowie Schnelltests auf Basis von proteinbasierten ELISA DipStick-Tests fuumlr die wichtigsten Tierarten in der Fleischproduktion wie Rind Schwein Pferd und Huhn Das BfR koordiniert das Vier-Jahres-Projekt (2016 bis 2019)

FoodRisk-Lab Softwareloumlsungen zur Unterstuumlt-zung der Bewertung von Risiken Das BfR entwickelt frei verfuumlgbare Soft-wareloumlsungen und Web-Dienste fuumlr die Bewertungsarbeit behoumlrdlicher Einrichtun-gen sowie fuumlr Wissenschaft und Forschung FoodChain-Lab unterstuumltzt z B die Ruumlckverfolgung von Futter- und Lebens-mitteln entlang der Warenketten und ermoumlglicht eine interaktive Analyse von Ausbruchsgeschehen Weitere Programme dienen der mathematischen Modellierung von Gefahren im Bereich der Futter- und Lebensmittelsicherheit

SPICEDSicherung der Gewuumlrz- und Kraumluterwarenketten Europas Gewuumlrze und Kraumluter werden sehr vielen Lebensmitteln zugesetzt Die Ergebnisse des Forschungsprojektes tragen dazu bei die Gewuumlrz- und Kraumluterwarenketten Euro-pas gegen natuumlrliche unabsichtliche und absichtliche biologische und chemische Ver-unreinigungen zu schuumltzen Das Projekt mit 11 Partnern aus sieben EU-Laumlndern wurde von 2013 bis 2016 im 7 Rahmenprogramm der EU gefoumlrdert und vom BfR koordiniert

11012017

FORSCHUNGSPROJEKTE

bdquoWir wollen Faumllschungen einen Riegel vorschiebenldquo

Professor Wittkowski welche Lebens- mittel werden uumlblicherweise verfaumllschtGefaumllscht wird uumlberall dort wo ein oumlkono-mischer Vorteil erzielt werden kann Pro-duktpiraterie kommt deswegen vor allem bei hochqualitativen und teuren Markenpro-dukten wie Olivenoumll Schafskaumlse Wein oder Spirituosen vor Ein uumlblicher Trick ist min-derwertige Zutaten als hochwertige zu ver-kaufen wie Shrimps als Garnelen Bei Pro-dukten bei denen die geografische Herkunft ein Qualitaumltsmerkmal ist wie Parma- oderSerrano-Schinken Irischer Whiskey oder Champagner wird versucht die Herkunft vorzutaumluschen

Koumlnnen Verbraucher denn noch der Le-bensmittelsicherheit vertrauen Glaubwuumlrdigkeit Vertrauen und Sicherheit sind eng miteinander verknuumlpft Menschen wollen einkaufen kochen essen und trin-ken gesund bleiben und es soll schmecken Sie wollen nicht wissen wie der Wein filt-riert oder bei welcher Temperatur der Kaf-fee geroumlstet wurde aber sie wollen darauf vertrauen dass die Angaben stimmen und dass diese Technologien sichere Lebens-mittel erzeugen Dies ist nur moumlglich weil es Standards fuumlr die Lebensmittelwirtschaft gibt und Uumlberwachungsbehoumlrden die Ein-haltung pruumlfen

Nur weil Parma-Schinken nicht aus Par-ma kommt stellt er doch noch kein Ge-sundheitsrisiko dar Geht es nicht viel-mehr um oumlkonomische Interessen der Hersteller Wissenschaftler koumlnnen zunaumlchst Normab-weichungen erkennen nicht aber die Mo-tivation von Verfaumllschern Zunaumlchst wird selbstverstaumlndlich eine Risikobewertung derartiger Befunde durchgefuumlhrt Anschlie-szligend kann man nach weiterer Uumlberpruumlfung und Ruumlckverfolgung der Lieferketten ent-scheiden ob es eine gezielte Verfaumllschung war oder nicht

Koumlnnen Sie ein Beispiel gebenStatt Rindfleisch wurde vor einigen Jahren in Lasagne Pferdefleisch nachgewiesen Im ersten Moment ein gesundheitlich unbe-denklicher Betrugsfall Pferdefleisch ist ein hochwertiges Lebensmittel Allerdings war nicht bekannt woher das Fleisch kam und ob es mit verbotenen undoder gesundheits-schaumldlichen Arzneimitteln belastet war Das wurde dann uumlberpruumlft und das Fleisch fuumlr unbedenklich erklaumlrt Oder Aufgrund des traditionellen Anbaus hatten Pistazien aus dem Iran eine Zeit lang erhoumlhte Mykoto-xingehalte und unterlagen daher strengen Auflagen bei der Einfuhr nach Europa Zur Umgehung dieser Auflagen traten Falsch-deklarationen der Herkunft auf Iranische Pistazien wurden als Pistazien aus Kaliforni-en in den Markt gebracht

Es geht also in erster Linie immer um Verbraucherschutz und nicht um Taumlu-schungs- oder Betrugsschutz Aus meiner Sicht ja Teilweise nehmen Faumllscher auch billigend in Kauf dass Men-schen zu Schaden kommen Mit Methanol gepanschter Alkohol oder mit Melamin gestrecktes Milchpulver sind Beispiele Die Verfaumllscher sind naumlmlich keine Toxikologen Die Frage ist also welche Methoden koumlnnen Behoumlrden bereitstellen um das Vertrauen in die Sicherheit der Lebensmittel zu erhalten

Das houmlrt sich an wie ein Wettlauf For-schung gegen Faumllschung Gibt es denn immer die richtige MethodeDas Gute an der Analytik ist dass man mit der richtigen Methode findet was man sucht Allerdings wissen wir nicht immer auf welche neuen betruumlgerischen Ideen Faumll-scher kommen Deswegen beteiligen wir uns in internationalen Forschungsvorhaben an der Entwicklung von Referenzdaten-banken mit dem typischen Fingerabdruck von Lebensmitteln Die sogenannte Finger-print-Analyse bietet die Moumlglichkeit nicht

nur Lebensmittel durch ihre Normabwei-chung als gefaumllscht zu identifizieren sondern auch bisher unbekannte Verfaumllschungen und gesundheitlich bedenkliche Manipulationen aufzudecken bevor die Ware in den Regalen steht

In der Praxis gibt es dazu doch sicher schon MaszlignahmenPrivate Analysefirmen haben sich bereits auf die Fingerprint-Methode fuumlr bestimmte Produkte spezialisiert und groszlige Datenban-ken angelegt Doch hier liegt ein Problem Jeder arbeitet mit seinen eigenen Daten Auch sind die Ergebnisse der Firmen nicht gerichtsfest weil die Datengrundlage nicht oumlffentlich ist Staatliche Institutionen ar-beiten dagegen mit transparenten und ver-gleichbaren Daten damit Beanstandungen gerichtsfest sind Deswegen muumlssen fuumlr ei-nen Erfolg der Fingerprint-Methoden die Messungen der verschiedenen Labore va-lidiert und die Datenbanken harmonisiert werden

bdquoUnser Allein- stellungsmerkmal ist dass wir Risikobewertung und Forschung betreiben

12 BfR 2 GO

SCHWERPUNKTTHEMA AUTHENTIZITAumlT

BfR-Vizepraumlsident Professor Dr Reiner Wittkowski setzt sich dafuumlr ein dass am BfR zu neuartigen Verfah-ren zur Authentifizierung von Lebensmitteln geforscht wird Als junger Lebensmittelchemiker hat er am Vorgaumlngerinstitut des BfR dem Bundesgesundheitsamt bereits fuumlr die Uumlberpruumlfung der Echtheit von Wein Methoden entwickelt etabliert und begonnen eine Fingerabdruck-Datenbank anzulegen

Was traumlgt das BfR zur Uumlberpruumlfung der Echtheit von Lebensmitteln bei Wir beteiligen uns seit Langem an allen maszliggeblichen EU-Forschungsvorhaben zur Authentizitaumltspruumlfung Unser Alleinstel-lungsmerkmal ist dass wir Risikobewertung und Forschung betreiben Das BfR hat an-ders als andere Bewertungsbehoumlrden eigene Laboratorien Wir haben deswegen einen sehr strengen Blick auf Bewertungsmetho-den und fragen wie sicher die Aussagekraft der Daten ist Das Kerngeschaumlft der 17 Re-ferenzlabore des BfR ist Methodenvali-dierungen durchzufuumlhren Auf nationaler Ebene arbeitet das BfR bereits eng mit der amtlichen Lebensmitteluumlberwachung der Bundeslaumlnder zusammen

Welchen konkreten Ansatz nutzt das BfRWir kombinieren Analytik und Daten-modellierung Das Institut hat eine lange Historie hinsichtlich des Nachweises der Echtheit von Lebensmitteln da auch in den Vorgaumlngerinstitutionen dazu geforscht wur-de In den 1990er-Jahren wurde hier eine der ersten Datenbanken zur Uumlberpruumlfung der Authentizitaumlt von Wein aufgebaut und wurden erstmals Kernresonanz-spektrosko-pische Verfahren in der Lebensmittel-Ana-lytik angewandt Die Expertise zum Thema Wein haben wir dann auf andere Lebens-mittel-Matrizes uumlbertragen Neben der Ana-lytik ist die Statistik unser zweiter Impetus Das BfR hat viel Erfahrung im Bereich der Datenanalyse fuumlr die Vor- und Ruumlckverfolg-barkeit von Lieferketten aufgebaut Mit der FoodChainLab-Software die im Rahmen der EHEC-Krise entwickelt wurde sind komplexe Datenmodellierungen moumlglich

Was sind die naumlchsten SchritteWir haben bereits ein nationales Kompe-tenznetzwerk zwischen Bundesbehoumlrden Landesuntersuchungsaumlmtern Universitaumlten und Forschungseinrichtungen etabliert und wir bringen das Thema weltweit voran Das BfR hat im November 2016 ein Symposium organisiert auf dem rund 100 Fachleute aus Deutschland Europa Nordamerika Afrika Asien und Neuseeland uumlber die Herausfor-derungen der Standardisierung diskutierten Aus meiner Sicht sollte unbedingt ein euro-paumlisches Referenzlabor eingerichtet werden ndash die EU-Kommission erwaumlgt dies bereits ndash um in Europa ein harmonisiertes System der angewendeten Methoden und der Datener-fassung fuumlr die Authentizitaumltspruumlfung von Lebensmitteln zu etablieren Nur das ist ziel-fuumlhrend wenn wir Faumllschungen global einen Riegel vorschieben wollen

copy B

fR

13012017

INTERVIEW MIT PROFESSOR DR REINER WITTKOWSKI

Der BfR-Verbrauchermonitor ist ein zentrales Instru-ment des gesundheitlichen Verbraucherschutzes Er zeigt wie die Oumlffentlichkeit Risiken wahrnimmt

Gefuumlhlte Risiken im Visier

copy ig

orst

evan

ovic

Shu

tters

tock

com

RISIKOWAHRNEHMUNG

14 BfR 2 GO

Welche Themen bewegen Verbraucherinnen und Verbrau-cher Was ist ihnen vertraut was beunruhigt sie Ant-worten auf diese Fragen liefert der BfR-Verbrauchermo-

nitor ndash eine seit 2014 regelmaumlszligig durchgefuumlhrte repraumlsentative Bevoumllkerungsbefragung mit der das BfR die generelle Einschaumlt-zung der Oumlffentlichkeit zu Verbraucherschutzthemen ermittelt In Ergaumlnzung dazu fuumlhrt das BfR Repraumlsentativbefragungen zu Ein-zelthemen durch die von besonderem aktuellem Interesse sind wie Antibiotikaresistenzen oder Pflanzenschutzmittel Die Ergeb-nisse dazu erscheinen als bdquoBfR-Verbrauchermonitor Spezialldquo Der Verbrauchermonitor ist ein wesentlicher Indikator um moumlgliche Missverstaumlndnisse oder Fehleinschaumltzungen seitens der Bevoumllke-rung fruumlhzeitig zu erkennen bdquoFuumlr uns ist es sehr wichtig konkret zu wissen was die Bevoumllkerung warum bewegt Daraus folgern wir welche kommunikativen Maszlignahmen zu ergreifen sindldquo sagt PD Dr Gaby-Fleur Boumll Leiterin der Abteilung Risikokommunika-tion am BfR

Methode der Datenerhebung

Fuumlr die repraumlsentative Umfrage des Verbrauchermonitors werden ca 1000 Personen die in Privathaushalten in Deutschland leben und mindestens 14 Jahre alt sind im Auftrag des BfR von Markt- und Meinungsforschungsinstituten telefonisch interviewt Diese Interviews werden computergestuumltzt anhand eines programmier-ten Fragebogens von geschulten Interviewern durchgefuumlhrt ndash kurz CATI-Methode genannt nach der englischen Bezeichnung compu-ter-assisted telephone interviewing Dabei werden die Fragen zum gesundheitlichen Verbraucherschutz und Fragen zu anderen The-menbereichen zu einer sogenannten Omnibus- oder Mehrthemen-befragung zusammengefasst Die Fragen des Verbrauchermonitors koumlnnen einen offenen Charakter haben (ungestuumltzte Fragen) oder geschlossen formuliert sein (gestuumltzte Fragen) Um die Ergebnisse der Verbrauchermonitore im Zeitverlauf miteinander vergleichen zu koumlnnen ist jede Umfrage aumlhnlich aufgebaut Das BfR widmet sich einerseits Themen die in der Oumlffentlichkeit eine groszlige Auf-merksamkeit erhalten Andererseits analysiert es Fragen die bisher weniger im oumlffentlichen Fokus stehen aber ebenfalls relevant sind wie beispielsweise gesundheitsschaumldliche Pflanzeninhaltsstoffe Auch das Ausmaszlig des Vertrauens in die staatlichen Strukturen des gesundheitlichen Verbraucherschutzes wird abgefragt da dies wie-derum die Wahrnehmung von Risiken beeinflussen kann

bdquoFuumlr uns ist es sehr wichtig konkret zu wissen was die Bevoumllkerung warum bewegt

Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher

Kaum veraumlndert hat sich in den letzten Jahren die Ansicht von Ver-braucherinnen und Verbrauchern dass Lebensmittel in Deutsch-land sicher sind Fragt man in der ungestuumltzten Abfrage nach den groumlszligten gesundheitlichen Risiken so sind dies im aktuellen Ver-brauchermonitor (082017) nach wie vor das Rauchen die Klima- bzw Umweltbelastung und ungesunde oder falsche Ernaumlhrung Da-nach werden Alkohol sowie ungesunde oder belastete Lebensmittel genannt Fragt man in der gestuumltzten Abfrage gezielt nach ausge-waumlhlten Themen so fuumlhren Salmonellen gentechnisch veraumlnderte Lebensmittel Antibiotikaresistenzen und Ruumlckstaumlnde von Pflan-zenschutzmitteln die Bekanntheitsskala an Dies sind auch die vier Themen die bei den meisten Befragten fuumlr Beunruhigung sorgen Es zeigt sich immer wieder dass Verbraucherinnen und Verbrau-cher Risiken unterschaumltzen die aus Sicht der Risikobewertung als

ZielsetzungVerbrauchermonitor

gt Erfassung und Analyse von Trends und Themen in der Verbraucherwahrnehmunggt Uumlber- bzw Unterschaumltzung von gesundheitlichen Risiken durch die Bevoumllkerunggt Beobachtung von Veraumlnderungen im Verbraucherverhaltengt Schnelle Erfassung der Verbraucherwahrnehmung in Krisensituationen

BfR-VERBRAUCHERMONITOR

15012017

gesundheitsrelevant eingestuft werden wie z B die Lebensmittelhygiene im eigenen Haushalt Noch weitgehend unbekannt ist der breiten Oumlffentlichkeit eine neue derzeit in der Wissenschaft diskutierte Metho-de zur Genveraumlnderung ndash das sogenannte bdquoGenome Editingldquo

Vertrauen staumlrken

Verschiedene Bevoumllkerungsgruppen neh-men Ereignisse oder Sachverhalte unter-schiedlich wahr Es haumlngt von vielen Fakto-ren ab wie groszlig ihnen ein Risiko erscheint Insbesondere zwischen der Wahrnehmung von Laien und Fachleuten koumlnnen sich Un-terschiede ergeben da die intuitive Risiko-einschaumltzung der Bevoumllkerung haumlufig auf anderen Prinzipien und Kriterien beruht als die wissenschaftliche Risikobewertung Aus der Risikowahrnehmungsforschung ist beispielsweise bekannt dass die Sorge vor

synthetisch hergestellten Stoffen groumlszliger ist als die Sorge vor natuumlrlich vorkommenden Stoffen wie beispielsweise giftigen Pflanze-ninhaltsstoffen

Der BfR-Verbrauchermonitor Spezial zum Thema Pflanzenschutzmittel hat zudem gezeigt dass ein Groszligteil der Bevoumllkerung faumllschlicherweise davon ausgeht dass in Lebensmitteln generell keine Reste von Pflanzenschutzmitteln vorkommen duumlr-fen Tatsaumlchlich sind Ruumlckstaumlnde von zu-gelassenen Pflanzenschutzmitteln bis zum erlaubten Ruumlckstandshoumlchstgehalt zulaumls-sig und als gesundheitlich unbedenklich eingestuft Auf diese Diskrepanz kann die Risikokommunikation gezielt reagieren indem sie die Oumlffentlichkeit mit geeigne-ten Kommunikationsformen umfassend uumlber die rechtlichen und wissenschaftli-chen Grundlagen der Risikobewertung bei Pflanzenschutzmitteln informiert

Die Ergebnisse solcher Bevoumllkerungsum-fragen liefern wichtige Einsichten in die Risikowahrnehmung verschiedener Bevoumll-kerungsgruppen und zeigen Unterschiede hinsichtlich demografischer Faktoren wie Alter Bildungshintergrund Berufsgrup-pe und Geschlecht auf So ist Frauen das Vorkommen von Pyrrolizidinalkaloiden in Kraumlutertee beispielsweise haumlufiger bekannt als Maumlnnern Auch hat sich gezeigt dass Maumlnner Prozesskontaminanten in Grill-fleisch weniger bedenklich einschaumltzen als Frauen

Mit dem Verbrauchermonitor hat das BfR ein Instrument etabliert mit dem noch fruumlher auf Informations- und Kommuni-kationsbeduumlrfnisse eingegangen und damit das Vertrauen der Oumlffentlichkeit in den ge-sundheitlichen Verbraucherschutz weiter gestaumlrkt werden kann

Alle bisher erschienenen BfR-Verbrauchermonitore koumlnnen abgerufen werden unter wwwbfrbundde gt Publikationen gt Broschuumlren gt BfR-Verbrauchermonitor

Welche Themen betrachten Sie persoumlnlich als die groumlszligten gesundheitlichen Risiken fuumlr Verbraucherinnen und Verbraucher

Inwieweit sind Sie persoumlnlich uumlber die folgenden Themen zur Lebensmittel-sicherheit beunruhigt oder nicht beunruhigt

16 BfR 2 GO

RISIKOWAHRNEHMUNG

2016 gab es in Deutschland in der deutsch-sprachigen Bevoumllkerung ab 14 Jahren rund 08 Millionen Personen die sich selbst als Veganer bezeichnen wuumlrden oder als je-mand der weitgehend auf tierische Produk-te verzichtet (2016 Allensbacher Markt- und Werbetraumlger-Analyse IfD Allensbach) Ei-nige Studien zeigen dass eine vegane Ernaumlh-rung positive Einfluumlsse auf die Gesundheit haben kann wie zum Beispiel ein geringeres Risiko fuumlr Typ-2-Diabetes Beschrieben wer-den allerdings auch gesundheitliche Risiken durch Naumlhrstoffmangelzustaumlnde etwa fuumlr Schwangere und Kinder Wer keine tierische Produkte zu sich nimmt riskiert unter an-derem eine Unterversorgung mit Vitamin B12 Eisen Calcium Jod und Zink sowie mit langkettigen Omega-3-Fettsaumluren

Vor diesem Hintergrund entwickelte das BfR geeignete Risikokommunikationsstra-tegien Ein Forschungsprojekt widmete sich den individuellen und sozialen Einflussfak-toren die zur Motivation und Aufrechter-haltung einer veganen Ernaumlhrung fuumlhren Insgesamt wurden 42 Veganerinnen und Veganer zu ihren Werten Einstellungen und Meinungen befragt Aufgrund der zum Teil sehr ausgepraumlgten Abweichun-gen zur Durchschnittsbevoumllkerung lassen sich verallgemeinernde Aussagen treffen Repraumlsentativ sind die Befragungsdaten al-lerdings nicht

Ethische Entscheidung

Fast immer begruumlnden Veganerinnen und Veganer ihre Entscheidung fuumlr eine vega-ne Ernaumlhrung mit ethischen Argumenten Gesundheitliche Motive werden selten ge-nannt Die Befragten sind uumlberwiegend konfessionslos und uumlberdurchschnittlich

gebildet Auszligerdem beguumlnstigt Vegetaris-mus die Entscheidung sich vegan zu ernaumlh-ren Zwei Drittel der Teilnehmenden haben sich bereits vorher vegetarisch ernaumlhrt Er-naumlhren sich bereits Personen aus dem na-hen Umfeld vegan kann dies die Entschei-dung auch vorantreiben

Fuumlr die uumlberwiegende Mehrheit der Be-fragten ist die Ruumlckkehr zur omnivoren Ernaumlhrung die tierische Produkte zulaumlsst nicht vorstellbar Auch eine Schwanger-schaft wird meist nicht als Grund dafuumlr angesehen Oft werden auch Kinder vegan ernaumlhrt Nach Aussagen der Befragten re-agiert das soziale Umfeld haumlufig mit Skepsis und Aversion Um eine soziale Ausgren-

zung der Kinder zu verhindern lassen die Befragten teils Kompromisse zu So koumlnn-ten Kinder zum Beispiel selbst waumlhlen ob sie auswaumlrts Tierprodukte essen

Wissen kommt an

Wer sich vegan ernaumlhrt verfuumlgt in der Re-gel uumlber ein fundiertes Ernaumlhrungswissen 40 der 42 Teilnehmenden der BfR-Studie waren sich zum Beispiel daruumlber im Klaren dass es ohne tierische Produkte zu einer Mangelversorgung mit Vitamin B12 kom-men kann Viele nehmen dieses Vitamin zusaumltzlich ein Bei der Informationssuche rund um vegane Ernaumlhrung ist das Inter-net die wichtigste Informationsquelle (siehe Grafik)

Strategie der Risikokommunikation

Im Rahmen der Befragung stellten sich wichtige Anknuumlpfungspunkte fuumlr die Risi-kokommunikation heraus Unter anderem wurde klar dass ein negativer Ansatz der die vegane Ernaumlhrung als gefaumlhrlich oder abnormal darstellt nur wenig Erfolg haben kann Eine effektive Risikokommunikation sollte an bestehende Uumlberzeugungen der Veganerinnen und Veganer anknuumlpfen Ziel sollte dabei sein konkrete Tipps fuumlr den Alltag zu geben die sich mit einer vega-nen Ernaumlhrung verbinden lassen Informa-tionen wie bei einer veganen Ernaumlhrung eine moumlgliche defizitaumlre Naumlhrstoffversor-gung verhindert werden kann sind grund-saumltzlich erfolgversprechend Insbesondere uumlber Alternativen oder Supplementierung in der Schwangerschaft bei Saumluglingen und Kleinkindern sollte umfassend informiert werden

Vegan und informiert

Welche Informationsquellen nutzen Sie um sich

uumlber vegane Ernaumlhrung zu informieren

Kochbuumlcher mit veganen Rezepten Blogs zum Thema und tierfreie Supermaumlrkte ndash die vegane Ernaumlhrung liegt im Trend Wer ganz auf tierische Produkte verzichtet riskiert jedoch eine Unterversorgung mit bestimmten Naumlhrstoffen Um eine effiziente Risikokommunikation zu gewaumlhrleis-ten hat das BfR Veganerinnen und Veganer zu Wissens-stand und Einstellungen befragt

Foren im Internet

Sonstige Quellen im Internet

Buumlcher

Zeitschriften

Freunde Bekannte

Sonstigen = 42 Mehrfachnennungen moumlglich

74

71

52

36

12

5

copy S

tudi

oPho

toD

Flor

ezs

hutte

rsto

ckc

om

BEFRAGUNG ZU VEGANISMUS

17012017

63

72 Ekel

Fremdheit

Bedenken zu Hygiene und Vertraumlglichkeit

Grillen Mehlwuumlrmer und Wanderheuschrecken ndash in vielen Regionen der Welt werden Insekten von Menschen verspeist Auch in der Schweiz sind Insek-ten seit dem Fruumlhjahr 2017 offiziell als Lebensmittel zugelassen Ihr Verzehr ist in Europa jedoch generell wenig verbreitet und die oumlffentliche Diskussion steckt noch in den Anfaumlngen Wie bekannt ist das Thema in der deutschen Bevoumllkerung Welche Einstellungen bestehen gegenuumlber essbaren Insekten Wie wird das Thema in den Medien dargestellt In zwei Studien hat das BfR Antworten auf diese Fragen gefunden

Die Mehrheit der Deutschen vermutet keine gesundheitlichen Risiken durch den Verzehr von Insekten wuumlrde sieaber dennoch nicht verzehren Hauptgruumlnde gegen den Verzehr

sind Ekel Fremdheit Bedenken zu Hygiene und Vertraumlglichkeit

46 13 15

Insekten als Lebensmittel fuumlr Menschen ndash 72 Prozent der Befragten haben schon davon gehoumlrt Insekten gelten als eiweiszlig- naumlhrstoff- und vitaminreich und als eine wesentliche Nahrungsquelle hinsichtlich des Welternaumlhrungsproblems

Insekten essen Mehr Theorie als Praxis

18 BfR 2 GO

RISIKOWAHRNEHMUNG

2014

27 Artikel

14

Zugrundeliegende Studien telefonische Repraumlsentativbefragung von 1000 Personen (deutschsprachige Bevoumllkerung ab 14 Jahren) Medienanalyse von 17 deutschen Print- und Onlinemedien (uumlberregionale Qualitaumltszei-tungen Hauptstadtpresse und woumlchentliche Zeitungen) im Zeitraum Januar 2014 bis Dezember 2015 zur Art und Haumlufigkeit der Berichterstattung uumlber essbare Insekten

14 Prozent der Befragten haben schon einmal Insekten verzehrt mehrheit-lich im Ausland Uumlberwiegend sind es Maumlnner 18 ndash 29-Jaumlhrige gut Gebildete und Staumldter

Die Medienberichterstattung zu Insekten als Lebens- und Futtermittel verdoppelte sich von 2014 zu 2015 In der Mehrheit ging es um Nutzen- aspekte Insekten wurden medial als bdquozukunftsweisendes sinnvolles Lebensmittel bei dem der Nutzen gegenuumlber moumlglichen Risiken uumlber-wiegtldquo dargestellt

Verbraucherinnen und Verbraucher wuumlnschen sich mehr Informationen zu moumlglichen gesundheitlichen Risiken von Insekten als Lebens- und Fut-termittel zu ihrer Produktion und zum Naumlhrstoffgehalt Dies koumlnnte die oumlffentliche Akzeptanz fuumlr den Verzehr von Insekten erhoumlhen Auch bdquounkenntlich gemachteldquo Insekten in Form verarbeiteter Lebensmittel wuumlrden eher akzeptiert als Insekten im urspruumlnglichen Zustand

WeiterlesenBfR-Symposium bdquoInsekten als Lebens- oder Futtermittel Nah-rung der Zukunftldquo Bericht zum Symposium am 24 Mai 2016 in 2016 Journal fuumlr Verbraucher-schutz und Lebensmittelsicher-heit 11 3 281ndash289

2015

60 Artikel

i

Insekten als Lebensmittel

gt zaumlhlen lebensmittelrechtlich in der EU zu den neuartigen Lebensmitteln und muumlssen zugelassen werden

gt unerforschte Aspekte Toxikologie Gehalt an Kontaminanten und Ruumlckstaumlnden allergenes Potenzial mikrobiologische Risiken

copy a

rka3

8sh

utte

rsto

ckc

om

19012017

INFOGRAFIK ZU INSEKTEN

Unerwuumlnscht inLebensmitteln

Gelangen Pyrrolizidinalkaloide (PA) in die Lebensmittelkette koumlnnen insbesondere 12-ungesaumlttigte PA dem Menschen schaden Seit Jahren

befasst sich das BfR mit der Frage welches gesundheitliche Risiko von 12-ungesaumlttigten PA in Lebensmitteln ausgeht Klar ist die PA-Kontami-

nation in der Lebensmittelkette sollte so gering wie moumlglich sein

LEBENSMITTELSICHERHEIT

20 BfR 2 GO

Unerwuumlnschte Stoffe die in die Lebensmittelkette gelangen koumlnnen fuumlr Verbraucherinnen und Verbraucher ein gesund-heitliches Risiko darstellen Ein Beispiel fuumlr solche Eintraumlge

sind 12-ungesaumlttigte Pyrrolizidinalkaloide (PA) Das sind Stoffe die von einigen Pflanzen als Schutz vor Fraszligfeinden gebildet werden Sie konnten zunaumlchst in Honig und anderen Bienenprodukten spaumlter auch in Tees Kraumlutertees und Gewuumlrzen aber auch in pflanzenba-sierten Nahrungsergaumlnzungsmitteln nachgewiesen werden

Toxische Wirkungen bei Mensch und Tier

Beim Menschen sind vereinzelt Vergiftungsfaumllle nach arzneilicher Einnahme von PA-haltigen Kraumlutertees und -erzeugnissen bekannt Weiterhin gibt es Berichte uumlber epidemische Lebererkrankungen mit Todesfaumlllen in Pakistan Indien Afghanistan Tadschikistan und der ehemaligen UdSSR nach Verzehr von Getreide das mit Samen von Heliotropium- oder Crotalaria-Arten kontaminiert war Aus der Nutztierhaltung ist das gehaumlufte Auftreten von Leberzirrhosen bei Schlachtrindern bekannt die mit Heu und Silage auch Alpenkreuz-kraut aufgenommen hatten Auch bei Pferden wurden mit Leberde-generation einhergehende durch PA im Futter verursachte Erkran-kungen die Seneciosen beobachtet

Die Leber ist das primaumlre Zielorgan von Schaumldigungen durch 12-ungesaumlttigte PA Jedoch koumlnnen auch die Lunge oder andere Organe betroffen sein Insbesondere bei Aufnahme houmlherer Dosen treten akute venookklusive Veraumlnderungen in der Leber (hepatic veno-occlusive disease HVOD) oder der Lunge auf In houmlheren Dosen wurden im Tierversuch mit 12-ungesaumlttigten PA auch ent-wicklungstoxische Effekte beobachtet Nach den vorliegenden tier- experimentellen Daten gilt die kanzerogene Wirkung von 12-un-gesaumlttigten PA als gesichert und ein entsprechendes Risiko fuumlr den Menschen wird in Betracht gezogen Vielfach zeigten Verbindungen die sich im Tierversuch als kanzerogen erwiesen in entsprechenden Mutagenitaumltstests eine genotoxische Wirkung

Wie 12-ungesaumlttigte PA in Lebensmittel gelangen koumlnnen

Nach bisherigem Kenntnisstand koumlnnen 12-ungesaumlttigte PA uumlber mehrere Wege in Lebensmittel gelangen In Deutschland sind Ver-unreinigungen vor allem in den Anbauflaumlchen von Nutzpflanzen mit PA-bildenden Wildkraumlutern wie z B bei Salaten mit Kreuzkraut oder Greiskraut aufgetreten Aus Afghanistan sind erhoumlhte Belastungen in Getreide bekannt Auch die Belastung von Tee und Kraumlutertee-Sor-ten mit PA wird auf eine Kontamination mit bestimmten Wildkraumlu-tern in den Anbauflaumlchen zuruumlckgefuumlhrt Auszligerdem koumlnnen Bienen-produkte wie Honig und Pollen mit PA belastet sein wenn die Tracht von bestimmten Wildpflanzen stammt 12-ungesaumlttigte PA koumlnnen auch uumlber verunreinigte Futtermittel in Milch Eier und Fleisch ge-langen Auch Nahrungsergaumlnzungsmittel koumlnnen auf der Basis von Pflanzen hergestellt sein die selbst 12-ungesaumlttigte PA bilden

Gesundheitliche Risiken durch belastete Lebensmittel

Das BfR hat 2016 eine Bewertung der gesundheitlichen Risiken durch 12-ungesaumlttigte PA erarbeitet Dabei wurde die Belastung aller wichtigen Lebensmittelgruppen beruumlcksichtigt fuumlr die aktuell Daten zum Vorkommen von 12-ungesaumlttigten PA vorliegen Bei der Bewertung wurde die genotoxisch-kanzerogene Wirkung als emp-findlichster Endpunkt zugrunde gelegt

copy F

eyya

z A

laca

ms

hutte

rsto

ckc

om

copy e

mbe

riza

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

21012017

Danach geht bei Kindern im Alter von sechs Monaten bis unter fuumlnf Jahren die Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA im Wesentlichen auf Kraumlutertee einschlieszliglich Rooibostee Schwarztee und Honig zuruumlck Fruumlchtetee Milch Eier und Fleisch tragen nur wenig zur Gesamtaufnahme von 12-un-gesaumlttigten PA bei Sieht man von bestimm-ten Nahrungsergaumlnzungsmitteln ab zeigt sich bei Erwachsenen ein aumlhnliches Bild Bei Erwachsenen ist der Beitrag von Honig zur Gesamtaufnahme an 12-ungesaumlttigten PA geringer und der von Gruumlntee houmlher als bei Kindern Bei hohen Gehalten koumlnnen Nahrungsergaumlnzungsmittel als zusaumltzliche Expositionsquelle zur Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber Lebensmittel beitragen Gewuumlrze und Kraumluter aber auch Mehle stellen moumlglicherweise eine relevante zusaumltzliche Expositionsquelle dar Fuumlr eine abschlieszligende Bewertung fehlen hier jedoch noch Daten

Obwohl in Einzelfaumlllen hohe Gehalte an 12-ungesaumlttigten PA in bestimmten Le-bensmitteln des allgemeinen Verzehrs nachgewiesen wurden haumllt das BfR nach derzeitiger Datenlage auch bei hoher Auf-nahme dieser Lebensmittel eine akute Ge-sundheitsschaumldigung fuumlr unwahrscheinlich Zur Abschaumltzung des potenziellen Risikos von genotoxisch-kanzerogenen Wirkungen legte das BfR wie international uumlblich den MOE-Ansatz (Margin of Exposure) zugrun-de Dabei wird ausgehend von Tierstudien angenommen dass fuumlr genotoxische Kan-zerogene ein MOE-Wert von 10000 oder houmlher aus Sicht der oumlffentlichen Gesundheit als wenig bedenklich und die Prioritaumlt fuumlr Maszlignahmen im Rahmen des Risikomanage-ments als niedrig angesehen werden kann Bei genotoxisch-kanzerogenen Stoffen kann keine Schwellendosis angenommen werden unterhalb derer keine unerwuumlnschten Wir-kungen mehr erwartet werden Daher gilt in der Europaumlischen Union die Empfehlung die Exposition gegenuumlber genotoxisch und kanzerogen wirkenden Substanzen so weit zu minimieren wie dies vernuumlnftig erreich-bar ist ndash das sogenannte ALARA-Prinzip (as low as reasonably achievable) Selbst geringe Aufnahmemengen koumlnnen insbesondere bei regelmaumlszligigem Verzehr mit einer Erhouml-hung gesundheitlicher Risiken verbunden sein

Die Bewertung des genotoxischen und kan-zerogenen Risikos erfolgt als Vergleich der Gesamtaufnahme uumlber verschiedene Tees Milch und Honig bei Kindern und Er-wachsenen auf der Basis verschiedener Ver-zehrszenarien mit dem BMDL10-Wert von

73 Mikrogramm pro Kilogramm Koumlrperge-wicht und Tag unter Berechnung des MOE Der BMDL10-Wert (Benchmark dose lower confidence limit 10) ist ein Schaumltzwert der niedrigsten Dosis die im Tierexperiment mit 95-prozentiger Sicherheit eine Krebsin-zidenz von nicht mehr als 10 Prozent ver-ursacht Alle Berechnungsansaumltze sowohl fuumlr Kinder als auch fuumlr die erwachsene Be-voumllkerung ergaben MOE-Werte deutlich unterhalb von 10000 Da nach Ansicht des Wissenschaftlichen Ausschusses der EFSA ein MOE erst ab einem Wert von mindes-tens 10000 aus Sicht der oumlffentlichen Ge-sundheit als wenig bedenklich anzusehen ist empfiehlt das BfR die Gesamtexposition mit PA aus allen Lebensmitteln so niedrig wie moumlglich zu halten und einen MOE von 10000 bei Beruumlcksichtigung der PA-Zufuhr aus allen Quellen nicht zu unterschreiten Dazu sollten die Bemuumlhungen fortgesetzt werden die PA-Gehalte in Lebensmitteln weiter zu senken

Forschungsansaumltze des BfR

Das BfR befasst sich seit einigen Jahren mit der Problematik der Verunreinigung von Lebensmitteln mit 12-ungesaumlttigten PA und verfolgt hierzu verschiedene Forschungs-ansaumltze Die Analytik der 12-ungesaumlttigten PA stellt aufgrund ihrer groszligen strukturel-len Vielfalt und des Vorkommens in unter-schiedlichen Lebensmitteln eine besondere Herausforderung dar In den letzten Jahren hat das BfR spezifische Nachweismethoden entwickelt und in Ringversuchen validiert Diese Methoden stehen auf der Homepage des BfR zur Verfuumlgung und koumlnnen z B in der Lebensmittel- und Futtermitteluumlberwa-chung eingesetzt werden

Neben der Entwicklung analytischer Me-thoden werden am BfR die molekularen Mechanismen der Toxizitaumlt von 12-unge-saumlttigten PA untersucht Hier stehen vor allem Untersuchungen zur strukturabhaumln-gigen Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber die Darmbarriere im Vordergrund Die Ergebnisse zeigen dass sich das Wirkungs-potenzial der 12-ungesaumlttigten PA aufgrund von Unterschieden im strukturabhaumlngigen Transport uumlber die Darmbarriere unter-scheiden kann Auch zeigten die getesteten Modellsubstanzen in einem Zellkulturmo-dell deutliche strukturspezifische Unter-schiede im Metabolismus Weitere Untersu-

Pflanzen die Pyrrolizidinalkaloi-de bilden finden sich vor allem in den Familien der Korbbluumltler (Asteraceae) der Raublatt- oder Borretschgewaumlchse (Boraginaceae) und der Huumllsenfruumlchtler (Faba-ceae)

22 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

chungen zu der Zerstoumlrung der sinusoidalen Endothelzellen durch 12-ungesaumlttigte PA sollen zum Verstaumlndnis der Mechanismen beitragen die zu den venookklusiven Ver-aumlnderungen in der Leber fuumlhren Auch wer-den Untersuchungen zur Metabolisierung nahrungsrelevanter Pyrrolizidinalkaloide durchgefuumlhrt Die Forschungsprojekte wer-den von der Deutschen Forschungsgemein-schaft (DFG) gefoumlrdert

Empfehlungen zur Reduktion der PA-Gehalte

Das BfR empfiehlt dass sich Management-maszlignahmen an der Vermeidung genoto-xisch-kanzerogener Effekte der 12-ungesaumlt-tigten PA als dem empfindlichsten Endpunkt orientieren Die Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA sollte fuumlr Verbrau-cherinnen und Verbraucher so gering wie moumlglich sein Dazu sollten die PA-Gehalte in Lebensmitteln so weit wie moumlglich sin-ken Dies gilt insbesondere fuumlr Kraumlutertees Rooibostee Schwarzen Tee und Gruumlnen Tee sowie bestimmte Nahrungsergaumlnzungsmit-tel Hier sollten Anbau- Ernte- und Reini-gungsmethoden weiterhin verbessert wer-den Auch die Auswahl der Rohhonige kann zu einer Reduzierung der Gehalte an 12-un-gesaumlttigten PA in verzehrfertigen Honigen beitragen Auszligerdem sind vor der Vermark-tung seitens der Lebensmittelunternehmer weiterhin Kontrollen in allen betroffenen Lebensmittelkategorien notwendig

Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das potenzielle gesundheitliche Risiko durch PA durch eine abwechslungsreiche Ernaumlh-rung verringern und so generell einseitigen Belastungen mit verschiedenen potenziell gesundheitsgefaumlhrdenden Stoffen vorbeu-gen Insbesondere fuumlr Kinder Schwangere und Stillende empfiehlt das BfR den taumlgli-chen Fluumlssigkeitsbedarf nicht ausschlieszliglich mit Kraumlutertee und Tee zu decken

Bei der Zubereitung von Salat Blattgemuumlse und Kraumlutern sollten Verbraucherinnen und Verbraucher Pflanzenteile aussortieren die sie keinen bekannten essbaren Pflanzen zu-ordnen koumlnnen

Wer Nahrungsergaumlnzungsmittel auf Pollen-basis oder auf Basis von Pflanzen einnimmt die 12-ungesaumlttigte PA bilden sollte sich bewusst sein dass diese Produkte 12-un-gesaumlttigte PA in houmlheren Konzentrationen enthalten koumlnnen

Mehr erfahrenStellungnahme Nr 0302016 des BfR vom 28 September 2016

Necinbase

Necinsaumlure

Die Struktur von PA

Chemisch handelt es sich um Ester aus einer Necinbase und aliphatischen Mono- oder Dicarbonsaumluren (Necin-saumluren) Aus toxikologischer Sicht besonders bedeutsam sind Pyrroli-zidinalkaloide mit 12-ungesaumlttigter Necinstruktur (12-ungesaumlttigte PA) Die 12-ungesaumlttigte Necinstruktur als gemeinsames Strukturmerkmal erlaubt grundsaumltzlich die Giftung durch Oxidation zum Dehydropyrrolizidin das durch seine alkylierenden Eigenschaf-ten fuumlr die genotoxische und karzino-gene Wirkung dieser Substanzgruppe verantwortlich ist

copy R

ukiM

edia

shu

tters

tock

com

copy J

iri H

era

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

23012017

Im suumldlichen Afrika spielt die Landwirt-schaft eine Schluumlsselrolle bei der Armuts-bekaumlmpfung Eine wachsende Produktion tierischer Lebensmittel bringt jedoch auch neue Herausforderungen an die Lebensmit-telsicherheit mit sich Das BfR-Forschungs-projekt bdquoSAD-Zambialdquo (bdquoStaphylococcus aureus in der Milchlebensmittelkette in Sambia ndash Bekaumlmpfung lebensmittelbeding-ter Erkrankungen und Antibiotikaresisten-zen beim Menschldquo) befasst sich damit wie die Produktion und der Vertrieb von Milch und Milchprodukten in Sambia sicherer gestaltet werden koumlnnen Ziel ist es zu be-werten in welchem Umfang das Bakterium Staphylococcus (S) aureus uumlber Milch und Milchprodukte auf den Menschen uumlbertra-gen wird In einem ersten Schritt werden Feldstudien in verschiedenen Provinzen des Landes durchgefuumlhrt um das Vorkommen dieses Erregers und moumlgliche Schwachstel-len in der Milchlebensmittelkette in Sambia zu analysieren Hierbei stehen Toxin-bil-dende S aureus-Staumlmme im Fokus Auszliger-dem wird untersucht in welchem Umfang Methicillin-resistente S aureus (MRSA) die gegen eine bestimmte Klasse von Antibio-tika resistent sind in der Milchlebensmit-

telkette vorkommen Die Bewertungsarbeit beinhaltet auch einen Vergleich traditio-neller und moderner Produktionssysteme Am BfR werden anschlieszligend die Analysen zu den Eigenschaften der gewonnenen Bakterienstaumlmme sowie stammvergleichen-de Untersuchungen durchgefuumlhrt In einem weiteren Schritt werden Ansatzpunkte zur Reduzierung der Bakterien sowie Methoden zum Monitoring von zoonotischen und An-tibiotika-resistenten S aureus in der Milch-lebensmittelkette in Sambia entwickelt So soll zum Verstaumlndnis der lebensmittelbe-dingten Risiken entlang der Milchlebens-mittelkette in Sambia beigetragen werden Das Projekt begann am 01072016 und laumluft drei Jahre Es wird vom Bundesminis-terium fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft gefoumlrdert und aus BfR-Mitteln co-finanziert Neben dem BfR beteiligen sich an dem For-schungsprojekt das International Livestock Research Institute die University of Zambia und das Central Veterinary Research Insti-tute als Teil des sambischen Ministeriums fuumlr Nutztiere und Fischerei Durch dieses Forschungsnetzwerk soll eine nachhaltige Partnerschaft aufgebaut werden

Mit dem Forschungsprojekt bdquoSAD-Zambialdquo leistet das BfR einen Beitrag zur Staumlrkung der Lebensmittelsicherheit und damit zur Ernaumlhrungssicherheit im suumldlichen Afrika Koordinatorin des Projekts ist Frau Dr Alexandra Fetsch Der sambische Doktorand Herr Bruno Phiri berichtet von seiner alltaumlglichen Arbeit Beide arbeiten in der Fach-gruppe bdquoMikrobielle Toxineldquo des BfR

POST AUS hellipSAMBIA

raquobdquoDas SAD-Zambia Projekt ist fuumlr mich ein Meilenstein und ich bin dem BfR sehr dankbar dass es mir diese Moumlglichkeit gibt Ich habe schon viel dazugelernt und konnte meine Kompetenzen bezuumlglich der Diagnose von Krankheitserregern verbessern Das Projekt bringt mich aber nicht nur persoumlnlich voran auch mein Land kann davon profitieren Mein Arbeitsalltag beginnt meist mit einem Besuch bei den Milchbauern und ihren Herden Dort schaue ich mir an wie die Kuumlhe gemolken werden und nehme Proben von den Tieren der Milch und der Umge-bung Auch in Milchsammelstellen und auf Maumlrkten nehme ich Proben Diese analysiere ich anschlieszligend im Labor an der Universitaumlt Schon jetzt freue ich mich auf die weiteren Untersuchungen der Bakterienstaumlm-me am BfR Ich war zu Beginn des Projektes dort ndash eine sehr eindrucks-volle Erfahrungldquo

(Bruno Phiri)

copy a

stud

ios

hutte

rsto

ckc

om

copy B

fR

24 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

Algengift in Tropenfischen

Bisher traten Lebensmittelvergiftungen durch Ciguato-xin ndash einem Algentoxin das in tropischen Speisefischen wie Barrakuda Schnapper oder Zackenbarsch enthalten sein kann ndash vorwiegend in den Tropen auf Mit dem zunehmenden Import von Fischen aus Suumldostasien haumlufen sich auch in Europa und seit 2012 in Deutschland Faumllle von Ciguatera Ein Problem dabei Eine Analyse-methode mit der Fisch routinemaumlszligig auf Ciguatoxine untersucht werden kann ist derzeit noch nicht verfuumlgbar Da weltweit nur wenige Labore auf den Nachweis von Ci-guatoxinen in Fischen spezialisiert sind wird im Projekt bdquoEuroCigualdquo der Europaumlischen Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit (EFSA) unter anderem an der Verbesserung entsprechender Analysemethoden und zum Vorkommen ciguatoxischer Fische in Europa geforscht Das BfR liefert fuumlr das Projekt Angaben zu Erkrankungsfaumlllen in Deutschland Die krankmachenden Algentoxine reichern sich uumlber die Nahrungskette in Raubfischen an und sind uumlberaus stabil Durch Erhitzen oder Tiefkuumlhlen lassen sie sich nicht entfernen Beim Menschen kann der Verzehr betroffener Fische dann zu Vergiftungen mit zum Teil schweren oder andauernden Beeintraumlchtigungen des Nervensystems fuumlhren An Ciguatera Erkrankte nehmen normale Kaumlltereize als ungewoumlhnlich schmerzhaft wahr

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt A-Z-Index Ciguatoxin

Alkaloide in Lupinensamen

In verarbeiteten Produkten oder zum Knabbern Lupinensamen sind im Trend Da sie jedoch toxikologisch relevante bittere Chinolizidinalkaloide enthalten koumlnnen bewertet das BfR ihr gesundheitliches Risiko Der Gehalt an Chinolizi-dinalkaloiden in Lupinensamen variiert je nach botanischer und geografischer Abstammung Samen die von bdquoBitterlupinenldquo stammen sind aufgrund ihrer houmlheren Gehalte ohne geeignete Vorbehandlung der bdquoEntbitterungldquo nicht zum Verzehr geeignet Denn Sie koumlnnen beim Menschen Vergiftungssymptome her-vorrufen Lupinenvarietaumlten die Samen mit niedrigen Alkaloidgehalten liefern werden als bdquoSuumlszliglupinenldquo bezeichnet Suumlszliglupinensamen sind auch ohne Entbitte-rung verzehrsfaumlhig In Deutschland kam es mit Bitterlupinensamen vereinzelt zu Vergiftungsfaumlllen Das BfR empfiehlt Herstellern daher nur ganze Lupinensamen in den Verkehr zu bringen die ohne weitere Entbitterungsprozesse verzehrsfaumlhig sind Mehl aus Lupinensamen sollten Hersteller aus alkaloidarmen oder ausrei-chend entbitterten Samen herstellen

Uumlbertragungswege des Hepatitis-E-Virus

Infektionen mit dem Hepatitis-E-Virus (HEV) koumlnnen zu einer akuten Leberentzuumlndung fuumlhren In den letzten Jahren sind die Zahlen gemeldeter Hepatitis-E-Faumllle des Menschen in Deutsch-land stark angestiegen Forschungsergebnisse des BfR in Zusam-menarbeit mit anderen Einrichtungen haben gezeigt dass das Virus in deutschen Haus- und Wildschweinen weit verbreitet ist Vereinzelt wurde HEV auch in Rehen und Rotwild nachgewiesen

Unklar ist derzeit noch auf welchen Wegen sich die Patienten mit dem Virus anstecken Moumlglich sind direkte Virusuumlbertra-gungen zum Beispiel vom Wildtier auf den Jaumlger und indirekte uumlber Lebensmittel die aus infizierten Tieren hergestellt wurden Wie aktuelle Studien des BfR zeigen kann HEV in verschiedenen Wurstwaren aus dem deutschen Einzelhandel nachgewiesen wer-den Fraglich ist ob das Virus in diesen Produkten noch anste-ckend ist oder ob es bei der Herstellung der Lebensmittel zerstoumlrt wird Hierfuumlr noumltige Untersuchungen waren in der Vergangenheit erschwert da sich HEV im Labor nur schlecht kultivieren lieszlig Erste Ergebnisse von Untersuchungen mithilfe eines am BfR ent-wickelten neuartigen Zellkultur-Systems weisen darauf hin dass HEV hitzeempfindlich ist aber bei Kuumlhlung oder Raumtempera-tur mehrere Wochen infektioumls bleiben kann

SPEKTRUM

copy N

eil B

urto

nsh

utte

rsto

ckc

om

copy N

atal

ia M

ylov

ash

utte

rsto

ckc

om

copy iS

tock

com

Mee

Poo

hyap

hoto

25012017

bdquoNur eine gemeinsame Strategie ist effektivldquo

Frau Kaumlsbohrer ein zentrales Thema Ihrer Forschung sind Antibiotikaresis-tenzen In der oumlffentlichen Debatte wird oft ein Zusammenhang hergestellt zwi-schen dem haumlufigen Einsatz von Anti-biotika in der Nutztierhaltung und dem Auftreten resistenter Bakterien in der Humanmedizin Doch werden bei Tieren nicht andere Antibiotika eingesetzt als bei MenschenUm die Unterschiede zu erlaumlutern muss man zwischen Praumlparaten und den antibiotischen Wirkstoffgruppen unterscheiden Beim Tier verwenden Veterinaumlrmediziner ande-re Praumlparate als Aumlrzte beim Menschen Der wirksame Inhaltsstoff das Antibiotikum kann aber dasselbe sein Die Antibiotika lassen sich wiederum in Wirkstoffgruppen einteilen Mit Blick auf die Wirkstoffgrup-pen gilt Die meisten Antibiotika die beim Menschen eingesetzt werden gehoumlren zu Wirkstoffgruppen die wir auch in der Vete-rinaumlrmedizin nutzen Es gibt nur ganz weni-ge Antibiotikagruppen die nur auf der einen oder der anderen Seite verwendet werden Dazu gehoumlren zum Beispiel die Carbapene-me die nicht beim Nutztier eingesetzt wer-den duumlrfen In der Humanmedizin kommen sie insbesondere zum Einsatz wenn andere Antibiotika nicht mehr wirksam sind

bdquoEine Resistenz ge-gen einen bestimm-ten Wirkstoff kann sich auch ausbrei-ten obwohl diese Wirkstoffgruppe nicht eingesetzt wurde

Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer leitet am BfR die Fachgruppe bdquoEpide-miologie Zoonosen und Antibiotika-resistenzldquo die unter anderem auch das Nationale Referenzlabor fuumlr Antibiotika- resistenzen umfasst Seit April 2016 ist sie auszligerdem Professorin an der Vetmeduni Vienna und leitet dort das Institut bdquoOumlffentliches Veterinaumlrwesenldquo

Wenn sie beim Nutztier nicht eingesetzt werden duumlrfen wie kann es dann sein dass Sie am BfR im Rahmen des For-schungsprojekts RESET Carbapene-mase-bildende Bakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden gefunden habenDie Entstehung von Antibiotikaresistenzen ist ein natuumlrlicher Vorgang bei Bakterien Durch den Gebrauch von Antibiotika wird dieser Prozess beschleunigt Eine Resistenz gegen einen bestimmten Wirkstoff kann sich auch ausbreiten obwohl diese Wirk-stoffgruppe nicht eingesetzt wurde Dank der Selektion gilt meist Wenn ich einen Wirkstoff einsetze gebe ich jenen Bakterien einen Vorteil die gegen den Wirkstoff resis-tent sind Aber Carbapenemasen also die Enzyme die von Carbapenem-resistenten Bakterien gebildet werden koumlnnen neben den Carbapenemen auch fast alle anderen

Bakterien die gegen Antibiotika resistent sind stellen ein Risiko fuumlr die oumlffentliche Gesundheit dar Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer widmet sich am BfR dieser Problematik Im Gespraumlch erklaumlrt sie welche Faktoren bei der Ausbreitung von Resistenzen eine Rolle spielen

copy M

icha

el B

ernk

opf

Vetm

edun

i Vie

nna

26 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

β-Laktam-Antibiotika inaktivieren Theo-retisch ist es daher moumlglich dass sich eine Resistenz gegen Carbapeneme ausbreitet obwohl der Tierarzt beim Nutztier eine an-dere Wirkstoffgruppe eingesetzt hat Ist die Resistenz bei Bakterien vorhanden gibt es viele Ausbreitungswege Ein Stall ist kein steriler Ort sondern belebte Umwelt Moumlg-liche Eintragswege fuumlr resistente Bakterien in einen Stall sind z B belebte Vektoren wie neu eingestallte Tiere Maumluse Fliegen oder Voumlgel aber auch unbelebte Vektoren wie Futter Wasser Staub oder Geraumltschaften

Was hat sich seit dem Fund der Carba-penemase-bildenden Enterobakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden fuumlr Ihre Arbeit beim BfR geaumlndert Der Fund hatte vielfaumlltige Konsequenzen Wir haben vor allem die gezielten Untersu-chungsaktivitaumlten verstaumlrkt Bakterien-Iso-late aus Tierbestaumlnden und Lebensmitteln werden seit 2014 im Rahmen des Resistenz-monitorings im BfR routinemaumlszligig auf eine Carbapenem-Resistenz getestet Auszligerdem steht seit 2015 fuumlr den Nachweis von Carba-penemase-bildenden Bakterien ein weiteres gezieltes Nachweisverfahren zur Verfuumlgung Hierzu muumlssen die Labore geschult werden Zusaumltzlich werden im Nationalen Refe-renzlabor fuumlr Antibiotikaresistenz am BfR Carbapenemase-verdaumlchtige Bakterien auf die charakteristischen Resistenzgene hin un-tersucht Am BfR wurden hierfuumlr verschie-dene Methoden fuumlr die Untersuchung von E coli und Salmonella etabliert Bisher wur-den sehr selten solche Resistenzgene nach-gewiesen bei Nutztieren das Gen blaVIM-1 bei einem Wildvogel das Gen blaNDM-1

Oftmals sind die Resistenzgene gegen Carbapeneme zusammen mit anderen Resistenzgenen auf mobilen geneti-schen Elementen lokalisiert Warum ist hier besondere Vorsicht gebotenZunaumlchst ist die Trefferwahrscheinlichkeit fuumlr eine Selektion houmlher wenn mehrere Re-sistenzgene auf einem genetischen Element liegen d h der Einsatz verschiedener Anti-biotika kann zu einem Selektionsvorteil fuumlh-ren Die Lokalisation von Resistenzgenen auf mobilen genetischen Elementen spielt fuumlr die Uumlbertragbarkeit von Resistenzen eine wichtige Rolle Denn Diese Resistenzgene koumlnnen mittels horizontalem Gentransfer auf ganz unterschiedliche Bakteriengruppen uumlbertragen werden Diese Erkenntnis hat eine Art Revolution ausgeloumlst Lange Zeit wurde ein Erreger mit all seinen Eigenschaf-ten als Einheit betrachtet Kann die Resis-tenz aber zwischen Bakteriengruppen hin

und her uumlbertragen werden verfaumllscht das moumlglicherweise den Blick auf eine Gruppe Folglich mussten die Nachweisverfahren umgestellt und die Uumlbertragbarkeit von Re-sistenzen mit analysiert werden Erschwe-rend kommt hinzu dass ein Resistenzgen auf einem grundsaumltzlich ungefaumlhrlichen

Bakterium zum Problem werden kann Manche Bakterien wie beispielsweise E coli gehoumlren zur normalen Darmflora Traumlgt so ein Bakterium eine Resistenzeigenschaft ist das erstmal nicht gefaumlhrlich Aber Es kann diese Eigenschaft moumlglicherweise an einen Infektionserreger weitergeben

Welche konkreten Folgen kann eine solche Weitergabe von Resistenzeigen-schaften habenSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt Schon jetzt weichen Aumlrzte auf Wirk-stoffgruppen aus die in der Humanmedizin lange verpoumlnt waren Dies gilt zum Beispiel fuumlr Colistin Fuumlr den Menschen ist es nicht gut vertraumlglich moumlgliche Nebenwirkun-gen sind beispielsweise die Schaumldigung der Nieren oder des Nervensystems In der Ve-terinaumlrmedizin hat Colistin seit Jahrzehnten eine erhebliche Bedeutung vor allem fuumlr die Behandlung von Infektionen des Ma-gen-Darm-Traktes bei Nutztieren auch um andere Wirkstoffgruppen zu vermeiden

Spielt im Fall von Colistin die Mobilitaumlt des Resistenzgens auch eine besonde-re Rolle Inzwischen ja Bis Ende 2015 waren sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler einig Eine Colistin-Resistenz ist nicht uumlbertragbar Das heiszligt kommt eine solche Resistenz bei einem Infektionserreger beim Nutztier vor ist sie nicht per se auf ein hu-manpathogenes Bakterium uumlbertragbar Doch Ende 2015 wurde in China erstmals das uumlbertragbare Gen mcr-1 beschrieben Untersuchungen in Belgien haben spaumlter zur Beschreibung eines weiteren mobilen Gens fuumlr die Colistin-Resistenz bei Nutztieren

bdquoSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

27012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Ausbreitung von Resistenzen

Haustiere

Krankenhaus

Belastetepflanzliche Lebensmittel

Belastete tierische Lebensmittel

Nutztiere

Futtermittel

Schaumldlinge

Uumlbertragungswege resistenter Bakterien

Menschen

Eine Antibiotikaresistenz entsteht

(z B durch Mutation)

Antibiotikatherapie beguumlnstigt die

Selektion resistenter Bakterien

Nahrung

Duumlnger Abwasser

Abwasser

28 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

gefuumlhrt mcr-2 Das bedeutet eine Uumlbertra-gung der durch diese Gene vermittelten Re-sistenz auf ein humanpathogenes Bakterium ist theoretisch moumlglich Allerdings scheint dies bisher selten der Fall zu sein

Diese Erkenntnisse offenbaren einen groszligen Forschungsbedarf Was tun Sie in der Abteilung bdquoBiologische Sicher-heitldquo um das Risiko zu bewerten Als 2015 klar wurde dass es eine uumlbertrag-bare Colistin-Resistenz gibt haben wir diese neue Erkenntnis in den laufenden Projekten natuumlrlich sofort aufgegriffen Im Rahmen des Forschungsprojekts RE-SET haben wir zum Beispiel vorhandenes Bakterienmaterial und die bei unseren Ko-operationspartnern verfuumlgbaren Gesamt-genominformationen auf das Vorkommen dieses neuen Resistenzgens gepruumlft Schnell war klar Ja dieses Gen finden wir in den Sequenzen Und die Pruumlfung von Colis-tin-resistenten Isolaten aus unserer Stamm-sammlung hat bestaumltigt dass dieses Resis-tenzgen bereits weit verbreitet ist

Muumlssen nun neue Forschungsprojekte zu dem Thema initiiert werdenJa denn viele Fragen bleiben bislang offen Wie haumlufig wird die Resistenz tatsaumlchlich uumlbertragen Was triggert diese Uumlbertra-gung Es gibt auch diagnostische Probleme Das uumlbliche Verfahren in der Humanmedi-zin um Resistenzen zu testen umfasst in der Regel nicht die Resistenz gegen Colistin Es gibt also viel zu tun Neue Diagnose- und Typisierungsverfahren aufbauen unser Re-sistenzmonitoring erweitern und routine-maumlszligig phaumlnotypisch resistente Isolate auf das Gen pruumlfen Die Ergebnisse muumlssen wir dann uumlbergreifend bewerten um Hand-lungsoptionen aufzuzeigen

Welche Uumlbertragungswege spielen bei der Colistin-Resistenz fuumlr den Men-schen eine Rolle Mit Sicherheit koumlnnen wir das derzeit nicht sagen Die chinesische Arbeitsgruppe hat Colistin-Resistenzen sowohl im Schweine-fleisch als auch beim Menschen gefunden Daher liegt die Hypothese nahe dass es eine Uumlbertragung uumlber Lebensmittel gibt Gleichzeitig gibt es generell die Beobachtung von nosokomialen Ausbreitungen resisten-ter Bakterien Das sind Ausbreitungen von Antibiotikaresistenzen im Krankenhaus

Resistenzen breiten sich aus Wunder-waffen verlieren ihre Wirkung selbst im Krankenhaus sind wir nicht sicher Gibt es uumlberhaupt eine effiziente Strategie gegen die Ausbreitung der Antibiotika- resistenzen Und wer ist dabei gefor-dertUm die Ausbreitung von Antibiotika- resistenzen zu verhindern braucht es eine gemeinsame Strategie Schlieszliglich sind hier komplexe Zusammenhaumlnge zwischen Mensch Tier und Umwelt am Werk Am BfR streben wir deswegen eine enge Zu-sammenarbeit mit allen Akteuren im oumlffent-lichen Gesundheits- und Veterinaumlrwesen an Bei diesem bdquoOne Health-Ansatzldquo sind sowohl Veterinaumlr- als auch Humanmedizi-ner gefordert Auch Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

Was sollten Verbraucherinnen und Ver-braucher beachtenHier gelten dieselben Hygieneregeln die auch fuumlr andere vom Tier oder vom Le-bensmittel auf den Menschen uumlbertragba-re Krankheitserreger gelten Zum Beispiel sollten sie sich nach dem Kontakt mit Tie-ren die Haumlnde mit warmem Wasser und Seife waschen Auch nach der Zubereitung von rohem Fleisch sollten die Haumlnde gruumlnd-lich gewaschen werden Fleisch Eier und Rohmilch sollten vor dem Verzehr durcher-hitzt werden Rohkost und Obst sollten vor dem Verzehr gruumlndlich mit Trinkwasser gewaschen oder geschaumllt werden Weiterhin wichtig ist den direkten oder indirekten Kontakt von rohem Fleisch und rohen Ei-ern mit verzehrfertigen Speisen die spaumlter nicht mehr erhitzt werden zu vermeiden Durch die Einhaltung der Hygieneregeln kann man einer Uumlbertragung von resisten-ten und oder pathogenen Bakterien auf an-dere Lebensmittel vorbeugen

Mehr erfahren Irrgang et al 2017 Recurrent detection of VIM-1-producing Escherichia coli clone in German pig production Journal ofAntimicrobial Chemotherapy 72 3 944ndash946

bdquoVerbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

RESET

Der Forschungsverbund RESET ndash Antibiotika-Resistenzen bei Tier und Mensch ndash beschaumlftigte sich von 2010 bis 2017 mit Resistenzen gegen die besonders wichtigen Antibiotika-Klas-sen der β-Laktam-Antibiotika und (Fluor-)Chinolone bei Darmbakterien wie Escherichia (E) coli Sind Bak-terien gegen beide Wirkstoffklassen resistent werden die therapeutischen Moumlglichkeiten drastisch eingeschraumlnkt Bei E coli und Salmonella enterica wurden derartige Resistenzen bereits nachgewiesen Das BfR beteiligte sich mit zwei Projekten an dem Forschungs-verbund Durch das konsequente Zusammenfuumlhren von Ergebnissen der unterschiedlichen Forschungsgebiete in einer gemeinsamen Datenbank konnten Erkenntnisluumlcken geschlossen und Risiken bewertet werden Das Projekt wurde vom Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) gefoumlrdert

29012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Kann es durch die Mischung verschiedener Pestizid-Ruumlckstaumlnde beim taumlglichen Verzehr zu gesundheitsgefaumlhrdenden Belastungen kommen

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

30 BfR 2 GO

Wenn von Paradigmenwechseln die Rede ist findet meist ein grundlegendes Umdenken statt In der Risikobewertung von Chemikalien habe ein Paradigmenwechsel stattge-

funden der die traditionelle Einzelsubstanz-Bewertung hinter sich lasse schrieben BfR-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler vor einiger Zeit Man koumlnnte meinen in der Toxikologie wird der Paracelsus-Satz kuumlnftig umgeschrieben Nicht nur die Dosis son-dern auch die Aufsummierung der Dosierungen in einer Mischung macht das Gift

Gift- oder Todescocktail ndash plakative Medienbegriffe

Denn tatsaumlchlich In den letzten Jahren beschaumlftigen sich weltweit immer mehr Gremien politische Ausschuumlsse und Forschungspro-jekte mit der Frage wie man die Auswirkungen von Mischungen auf Umwelt und Gesundheit kuumlnftig bewerten kann Auch in der Oumlffentlichkeit wird das Thema emotional verhandelt Chemikali-enmix Gift- oder sogar Todescocktail ndash mit plakativen Begriffen umschreiben Medien das Phaumlnomen der Mehrfachruumlckstaumlnde Entsprechend tief sitzt die Angst bei Verbraucherinnen und Ver-brauchern In einer vom BfR in Deutschland durchgefuumlhrten re-praumlsentativen Wahrnehmungsstudie vermuten 80 Prozent der Befragten dass der Einsatz mehrerer unterschiedlicher Pflanzen-schutzmittel zu gesundheitlichen Beeintraumlchtigungen durch Le-bensmittel fuumlhren kann

Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck sein

Zwar zeigen verschiedene aktuelle Monitoring-Projekte dass das gesundheitliche Risiko durch Mehrfachruumlckstaumlnde von Pflanzen-schutzmitteln unwahrscheinlich ist (s Interview) aber das Thema bleibt auch fuumlr die Wissenschaft draumlngend Denn auch wenn Mi-schungen schon seit Jahrzehnten wissenschaftlich analysiert und bewertet werden das Beduumlrfnis nach einer zuverlaumlssigen Bewertung der Risiken fuumlr Mensch und Umwelt steigt Grund dafuumlr ist zum einen die Vielzahl immer neuer Wirkstoffe Zusatzstoffe Chemika-lien Ruumlckstaumlnde und Kontaminanten gegenuumlber denen Menschen exponiert sind verbunden mit immer verfeinerten wissenschaftli-chen Nachweismethoden Zum anderen steigt der Druck aus der Oumlffentlichkeit Um wissenschaftliche Divergenzen zu vermeiden muumlssen transparente und international harmonisierte Verfahren entwickelt werden Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck in der Risikobewertung sein

Alle Gemische im Tierversuch zu testen ist nicht durchfuumlhrbar

Worum geht es im Einzelnen Mischungen liegen immer dann vor wenn ein Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt verschiedene Stoffe gleichzeitig aufnimmt z B Ruumlckstaumlnde Kontaminanten oder Chemikalien die nach der Europaumlischen Chemikalienverordnung REACH registriert sind Das geschieht wenn sogenannte intentional mixtures also beabsichtigte Mischungen wie Pflanzenschutzmittel oder Biozide in den Verkehr gebracht werden Aber auch unintenti-onal mixtures nimmt der Koumlrper auf Sei es dass verschiedene Stoffe in einem Produkt enthalten sind z B mehrere Pflanzenschutzmit-telruumlckstaumlnde in einem Apfel Oder sei es dass Stoffe gleichzeitig uumlber unterschiedliche Produkte aufgenommen werden In all diesen Faumlllen koumlnnen Mischungseffekte auftreten Diese sind je nach Wirk-mechanismus unterschiedlich stark ausgepraumlgt So koumlnnen sich die Wirkungen von Stoffen gegenseitig potenzieren oder auch aufheben Nach derzeitigem Kenntnisstand wird davon ausgegangen dass sich Wirkungen in der Regel addieren wenn die aufgenommenen Stoffe oberhalb der Wirkschwelle liegen den gleichen Wirkmechanismus haben und zu einem relevanten Zeitpunkt vom Organismus aufge-nommen wurden

Hier beginnen die Schwierigkeiten Es gibt zu viele intentional mix-tures die eine nahezu unuumlbersehbar groszlige Anzahl von Kombinati-onen ermoumlglichen Diese Gemische alle im Tierversuch zu testen wie sonst bei Einzelsubstanzen uumlblich waumlre sowohl ethisch nicht zu vertreten als auch praktisch nicht durchfuumlhrbar Daher arbeiten viele Forschungsprojekte u a der EU-Kommission daran tierversuchs-freie Methoden fuumlr die kumulative Bewertung zu entwickeln die die Effekte von Mischungen in vitro oder durch computergestuumltzte Be-rechnungen in silico berechnen (s Interview und Kasten)

Weltweit setzen Laumlnder das Thema auf ihre Agenda

Nicht nur fuumlr die Wissenschaft auch fuumlr den harmonisierten Voll-zug von Gesetzen ergeben sich dadurch neue Herausforderungen So schreibt z B die EU-Verordnung uumlber das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vor Kumulations- und Synergieeffekte zu be-ruumlcksichtigen ndash sofern es von der Behoumlrde anerkannte wissenschaft-liche Methoden zur Messung solcher Effekte gibt Doch die lagen bisher nicht vor Deshalb werden nun auf allen Ebenen technische Leitfaumlden fuumlr die neuen Methoden erstellt um eine harmonisierte

Auf die Mischung kommt es anKumulative Risikobewertung nimmt weltweit eine immer groumlszligere Bedeu-tung in der Toxikologie ein Das BfR arbeitet an einer Vielzahl von Projek-ten wie Mischungen in Zukunft bewertet werden koumlnnen

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

31012017

Vorgehensweise und transparente Nachvollziehbarkeit bei der Zu-lassung von Produkten zu gewaumlhrleisten Unter anderem die EFSA die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmittelsicherheit die Europauml-ische Chemikalienagentur ECHA und das JRC die Gemeinsame Forschungsstelle der Europaumlischen Kommission erarbeiten solche technischen Leitfaumlden

Neben der wissenschaftlichen Komplexitaumlt muumlssen diese techni-schen Leitfaumlden weitere Herausforderungen meistern Sie sollen fuumlr alle Bereiche gelten in denen Mischungen in Verkehr gebracht werden oder entstehen koumlnnen Bisher wurden Mischungen haumlufig nur in einem regulatorischen Bereich untersucht z B als Pflan-zenschutzmittel Biozid oder Arzneimittel Fuumlr andere Stoffe wie Lebensmittelzusatzstoffe oder Kontaminanten war die Bewertung von Mischungen bisher nicht klar gesetzlich reguliert In Zukunft sollen auch diese Stoffe bei einer Bewertung von Mischungen besser beruumlcksichtigt werden Auch soll nicht nur die chemische Zusam-mensetzung eines einzelnen Produktes systematisch bei der Zu-lassung beruumlcksichtigt werden sondern auch Mehrfachruumlckstaumlnde im gesamten Warenkorb den Verbraucherinnen und Verbraucher durchschnittlich zu einer gegebenen Zeit konsumieren Und zu gu-ter Letzt muumlssen die neuen Verfahren weltweit harmonisiert werden um das kumulative Risiko fuumlr Mensch und Umwelt auch angesichts globaler Warenketten gering zu halten Deshalb diskutieren Politik und Wissenschaft zurzeit nicht nur auf europaumlischer Ebene entspre-chende Leitfaumlden auch andere Laumlnder weltweit sowie die Weltge-sundheitsorganisation WHO und die Organisation fuumlr wirtschaftli-che Zusammenarbeit und Entwicklung OECD haben die kumulative Bewertung auf ihre Agenda genommen und stimmen ihre Guidance Documents mit den uumlbrigen Behoumlrden ab

Deutschland wendet die kumulative Bewertung schon an

Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR sind an zahlreichen dieser internationalen Projekte beteiligt sowohl an der wissenschaftlichen Erforschung kumulativer Effekte als auch an der Entwicklung technischer Leitfaumlden Einen wichtigen Schritt bei der kumulativen Bewertung hat Deutschland in der Europaumlischen Uni-

Stufe um Stufe zu einer gesicherten Bewertung

Seit Maumlrz 2017 wird in Deutschland eine Methodik fuumlr die Bewertung von Kumulations- und Synergie-effekten bei der gesundheitlichen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln in den Zulassungsverfahren angewandt Grundlage fuumlr das gestufte kumulative Bewertungsverfahren ist der sogenannte bdquoHazard Quotientldquo (HQ) der fuumlr jeden einzelnen Stoff ermit-telt wird Der HQ errechnet sich aus dem Verhaumlltnis zwischen dem relevanten gesundheitlichen Grenz-wert und der geschaumltzten Exposition

In einer ersten Stufe wird der HQ fuumlr alle Stoffe eines Gemisches einzeln ermittelt Liegt der HQ jedes Stoffes unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko fuumlr die einzelnen Bestandteile der Mischung zu erwarten Liegt dieser bei einzelnen Stoffen uumlber 1 wird gepruumlft ob die Exposition durch geeignete Maszlignahmen weiter vermindert werden kann zum Beispiel durch das Tragen entsprechender Schutz-kleidung

Liegt der HQ fuumlr alle Komponenten unter 1 wird in einer zweiten Stufe der sogenannte bdquoHazard Indexldquo (HI) des Gemisches ermittelt indem alle Gefahren-quotienten der verwendeten Stoffe addiert werden Liegt der ermittelte Wert weiterhin unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko durch das Gemisch zu erwarten

Liegt der HI uumlber 1 geht die Bewertung mit weiter verfeinerten Methoden in die dritte Stufe uumlber In dieser wird gepruumlft ob ein gesundheitliches Risiko vorliegt wenn eine Gruppierung der Einzelstoffe vorgenommen wird Dazu koumlnnen die einzelnen Stoffe in kumulative Bewertungsgruppen (cumula-tive assessment groups CAGs) eingeteilt werden die z B nach Effekten im gleichen Zielorgan oder nach dem gleichen Wirkmechanismus oder nach chemischer Verwandtschaft definiert sein koumlnnen Hintergrund dieser Einteilung ist die Annahme dass sich nach gegenwaumlrtigem Kenntnisstand nur Effek-te addieren die hinsichtlich der Zielorgane oder der Wirkmechanismen (MOA) vergleichbar sind Auch die relative Potenz der einzelnen Stoffe soll bei der verfeinerten Bewertung beruumlcksichtigt werden Liegt der HI innerhalb einer CAG unter 1 ist deshalb kein gesundheitliches Risiko zu erwarten Liegt er oberhalb des Wertes und koumlnnen weder Expositionsschaumltzung noch Gefahrenbewertung weiter verfeinert werden gilt das Gemisch als nicht sicher

Das mehrstufige Verfahren hat den Vorteil dass die ressourcenaufwendigeren Methoden zur verfei-nerten Bewertung z B in vergleichbaren CAGs oder MOAs nur zum Einsatz kommen wenn mit den ersten einfacheren Bewertungsmethoden nicht nachweisbar ist dass kein gesundheitliches Risiko zu erwarten ist

copy T

atom

mis

tock

com

32 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

EuroMix A tiered strategy for risk assessment of mixtures of multiple chemicals

EuroMix ist ein laumlnderuumlbergreifendes Projekt der EU-Kommission das die nie-derlaumlndische Behoumlrde fuumlr Gesundheit und Umweltschutz RIVM koordiniert Es zielt darauf ab eine tierversuchsfreie experi-mentelle Test-Strategie zu entwickeln um die Toxizitaumlt von Gemischen verschiedener toxikologisch relevanter Lebensmittelin-haltsstoffe Lebensmittelkontaminanten und Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde besser zu bestimmen Aus den Forschungsergeb-nissen wird ein Leitfaden fuumlr die kuumlnftige Umsetzung einer experimentellen Test-Stra-tegie entwickelt Das Acht-Millionen-Eu-ro-Projekt laumluft bis Mai 2019

Mehr erfahren wwweuromixprojecteu

Kombinationseffekte Forschungsprojekte des BfR

Am BfR werden in verschiedenen Abteilungen mehrere interne Forschungsprojekte zu Kombinationseffekten durch-gefuumlhrt Dazu gehoumlren u a Forschungsprojekte zu kumulativen Wirkungen in Pflanzenschutzmitteln und Bioziden zu Mehrfachruumlckstaumlnden in Lebensmitteln zur Expositionsschaumltzung sowie zu wirbeltierfreien Alternativmethoden Daruumlber hinaus ist und war das BfR auch an folgenden Drittmittel-Projekten beteiligt die zu Kombinationseffekten forschen

Combiomics Analyse von Kombinationseffekten von Pestiziden in vitro

Combiomics war ein zweieinhalbjaumlhri-ges Projekt des Bundesministeriums fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) das im Fruumlhling 2016 abgeschlossen wurde In dem vom BfR koordinierten Projekt wurden moumlgliche Kombinationswirkungen durch Mehrfachruumlckstaumlnde beispielhaft anhand einer Gruppe von Fungiziden in vitro unter-sucht Dazu wurden die molekularen Effek-te der Triazole mittels multi level omics und praumldiktiver mathematischer Modellierung untersucht Ausgehend von den Ergebnissen wurde ein Praumldiktionsmodell fuumlr Substanz-kombinationen erstellt validiert und auf Pestizide anderer Stoffgruppen bzw weitere Substanzklassen ausgedehnt um Kombi-nationseffekte kuumlnftig weitgehend ohne Tierversuche durchfuumlhrbar zu machen

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschung gt Drittmittelprojekte gt Combiomics

Combiomics 2Auch die zweite Projektphase von Com-biomics wird vom BfR koordiniert Hier sollen erfolgreich getestete Methoden und Zelllinien in Form einer standardisierten In-vitro-Testbatterie validiert und in ein Standardverfahren integriert werden das auch kuumlnftigen regulatorischen Anforde-rungen entspricht Das dreijaumlhrige Projekt wird vom BMBF bis Ende 2019 gefoumlrdert

Mehr erfahren wwwfisaonlinede gt Kombinationseffekte Pestizide

on schon jetzt unternommen Am 1 Maumlrz 2017 erschien im Bundesanzeiger eine Be-kanntmachung dass Kumulations- und Synergieeffekte in der gesundheitlichen Be-wertung von Pflanzenschutzmitteln kuumlnf-tig durch das BfR beruumlcksichtigt werden Damit bezieht Deutschland bei der zonalen Zulassung von Pflanzenschutzmitteln eine systematische kumulative Bewertung ein

Ein Leitfaden zur kumulativen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln wurde am BfR erarbeitet basierend auf den internatio-nalen Diskussionen bei EFSA und ECHA und 2014 veroumlffentlicht Seitdem wird das Verfahren am BfR angewandt uumlberpruumlft und verfeinert Im Kern geht es darum in einem mehrstufigen Verfahren verschie-dene Wirkstoffe in einem Pflanzenschutz-mittel oder in einer beantragten Tankmi-

schung kumulativ zu bewerten (s Kasten) Dazu werden sowohl die Exposition der Anwenderinnen und Anwender als auch die akute Exposition der Verbraucherinnen und Verbraucher betrachtet sodass die am meisten exponierten Gruppen beruumlcksich-tigt sind

Das Ziel Mischungen weltweit harmonisiert zu bewerten

Die Einfuumlhrung der Konzepte zur kumu-lativen Bewertung von Pflanzenschutzmit-teln hat auch in anderen EU-Laumlndern Aus-wirkungen auf die Risikobewertung Wenn Deutschland im zonalen Zulassungsverfah-ren bewertender Mitgliedstaat ist wird das Verfahren grundsaumltzlich angewandt Aber auch in die Bewertungsberichte anderer Laumlnder flieszligt die kumulative Bewertung als

deutscher Kommentar mit ein Durch den fachlichen Austausch zwischen den Mit-gliedstaaten wurde das Konzept in den letz-ten Jahren einem Peer-Review unterzogen Um die Praxis europaweit noch besser zu harmonisieren werden derzeit auszligerdem internationale Workshops organisiert auf denen diskutiert wird wie Mischungen bei der Risikobewertung kuumlnftig beruumlcksichtigt werden sollen Das BfR veranstaltet einen solchen Workshop im November 2017 im Auftrag der Europaumlischen Kommission die Franzoumlsische Behoumlrde fuumlr gesundheitlichen Verbraucher- Umwelt- und Arbeitsschutz (ANSES) einen weiteren im Februar 2018 unter aktiver Beteiligung des BfR

Das Ziel Mischungen weltweit harmoni-siert zu bewerten um Mensch und Umwelt besser zu schuumltzen ruumlckt damit naumlher

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

33012017

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

bdquoZiel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertungldquo Interview mit Herrn Dr Roland Solecki uumlber die Forschungsaktivitaumlten des BfR zu Mehrfachruumlckstaumlnden

Herr Solecki bei Mehrfachruumlckstaumlnden von Pflanzenschutzmitteln sprechen die Medien oft von einem bdquoGiftcocktailldquo Haben Sie Erkenntnisse daruumlber wie groszlig das gesundheitliche Risiko tat-saumlchlich istDas BfR hat dazu gemeinsam mit dem Bun-desministerium fuumlr Ernaumlhrung und Land-wirtschaft und dem Bundesamt fuumlr Ver-braucherschutz und Lebensmittelsicherheit einen Bericht uumlber die kumulativen Wir-kungen von Pflanzenschutzmitteln veroumlf-fentlicht Dieser basiert auf einer Methodik der niederlaumlndischen Behoumlrde fuumlr Gesund-heit und Umweltschutz RIVM Hintergrund ist ein Monitoring das uumlber einen Zeitraum von sechs Jahren in Deutschland durchge-fuumlhrt wurde Darin wurde untersucht wel-che Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde durch-schnittlich uumlber Lebensmittel aufgenommen werden Das Ergebnis war dass auch unter Worst-Case-Annahmen fuumlr die Mischungen von Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnden ein gesundheitliches Risiko unwahrscheinlich ist Die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit EFSA kam in ihrem Monito-ring-Bericht von 2015 fuumlr Gesamteuropa zu einem aumlhnlichen Ergebnis

Sie arbeiten unter anderem bei dem Pro-jekt EuroMix mit Worum geht es dabeiEs handelt sich um ein groszliges Forschungs-projekt der EU-Kommission zur kumulati-ven Bewertung von Mischungen im Rahmen von Horizont 2020 dem Rahmenprogramm der Europaumlischen Union fuumlr Forschung und Innovation Das Projekt hat zum Ziel neue Bewertungsmethoden fuumlr Mischungseffekte zu erarbeiten besonders auch im Hinblick auf Alternativen zu Tierversuchen innovati-ve Wege der Expositionsschaumltzung und Mo-dellierung von kumulativen Risiken Dabei geht es nicht nur um Pflanzenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatzstoffe und andere Chemikalien

Wie ist das BfR da in EuroMix einge-bundenVom BfR arbeiten sowohl die Abteilung Sicherheit von Pestiziden als auch die Ab-teilung fuumlr Lebensmittelsicherheit am Eu-roMix-Projekt mit Waumlhrend die von mir geleitete Abteilung fuumlr die regulative Bewer-tung eingebunden ist werden in der Abtei-lung Lebensmittelsicherheit experimentelle Arbeiten unter anderem zur Lebertoxizitaumlt durchgefuumlhrt in denen auch Kombinatio-nen von Pestiziden mit anderen Lebensmit-telinhaltsstoffen gepruumlft werden

Woran forschen Sie im EuroMix-ProjektWir haben zunaumlchst recherchiert welche gesetzlichen Anforderungen bestehen und wie unterschiedliche Behoumlrden weltweit

Mischungseffekte bewerten Und wir haben Forschungen zu Mischungen durchgefuumlhrt die bestimmte adverse Effekte auf die Leber verursachen Dabei wurden bestimmte Schluumlsselelemente untersucht um daraus ein Konzept fuumlr die Bewertung zu erarbei-ten Jetzt werden die Omics-Untersuchun-gen und andere alternative Pruumlfverfahren noch durch Tierversuche ergaumlnzt sodass wir auch am Gesamtorganismus die Effek-te uumlberpruumlfen koumlnnen Gleichzeitig werden die statistischen Hilfsmittel und die ande-ren elektronisch basierten Tools weiterent-wickelt Auszligerdem folgen noch weitere Stu-dien zur Exposition Die finalen Ergebnisse liegen am Ende des Projekts im Jahr 2019 vor

In welche weiteren europaumlischen Aktivi-taumlten ist das BfR eingebundenDie EFSA hat bereits einige Ansaumltze zur Bewertung der kombinierten Exposition gegenuumlber mehreren Pestiziden und Kon-taminanten bei Menschen sowie mehreren Pestiziden bei Bienen entwickelt Derzeit ist die EFSA damit befasst neue Ansaumltze und Instrumente zur Harmonisierung der Be-wertung von Risiken fuumlr Mensch und Um-welt zu erarbeiten die von der Exposition gegenuumlber mehreren chemischen Stoffen in der Lebensmittelkette ausgehen Ich bin derzeit Mitglied einer Arbeitsgruppe von Sachverstaumlndigen die der Wissenschaftliche Ausschuss der EFSA eingerichtet hat um Leitlinien im Hinblick auf die kombinierte Exposition gegenuumlber mehreren chemi-schen Stoffen zu entwickeln Diese Initiative unter dem Namen bdquoMixToxldquo wird 2018 den Leitfaden in einer oumlffentlichen Konsultation diskutieren

Bei dieser Vielzahl an Aktivitaumlten Wel-ches Ziel haben Sie persoumlnlich vor Au-genDas Ziel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertung von Stoffen in der gesundheitlichen Risikocharakterisie-rung und deren harmonisierte Implemen-tierung in den gesetzlichen Verfahren Dies wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen

bdquoBei den kumulati-ven Risiken geht es nicht nur um Pflan-zenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatz-stoffe und andere Chemikalien

Dr Roland Solecki leitet die Abteilung bdquoSicherheit von Pestizidenldquo am BfR

copy B

fR

34 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

SPEKTRUM

Identifizierung endokriner Disruptoren Vom Grundsatz in die Praxis

Fuumlr Pestizid-Wirkstoffe und andere Chemikalien sind harmonisierte wissenschaftliche Kriterien erforderlich mit denen hormonschaumldigende Substanzen identifiziert werden koumlnnen Das BfR veroumlffentlichte hierzu bereits 2016 ein Konsenspapier als wissenschaftliche Grundlage fuumlr die darauffolgende Arbeit der EU-Behoumlrden Auf legislativer Ebene werden aktuell EU-weit geltende Ver-ordnungen festgelegt um auf wissenschaftlicher Ebene Leitlinien zur regulatorisch harmonisierten Umsetzung dieser Verordnungen zu erarbeiten Mit dieser Aufga-be hat die EU-Kommission die EFSA und die ECHA gemeinsam beauftragt Das BfR unterstuumltzt die Behoumlr-den mit wissenschaftlicher und technischer Expertise indem es die entsprechende Arbeitsgruppe bei der EFSA personell verstaumlrkt sowie Recherchen und Umfragen zur Praktikabilitaumlt von Untersuchungsmethoden durchfuumlhrt Die Publikation der Leitlinien wird fuumlr Fruumlhjahr 2018 erwartet Sie koumlnnen auf Basis der verabschiedeten Ver-ordnungen nach ihrer Implementierung in der Genehmi-gungspraxis angewendet werden

Mehr erfahren Solecki et al 2017 Scientific principles for the identification of endocrine-disrupting chemicals a consensus statement Arch Toxicol 91 1001ndash1006

Insekten-Stopp in Textilien Allergene Wirkung unwahrscheinlich

Das Risiko fuumlr eine Allergie nach dem Kontakt mit Kleidung und Produkten die mit dem Biozid Permethrin behandelt sind ist nach derzeitigem Kenntnisstand unwahrscheinlich Das ist das Ergebnis einer aktuellen Risikobewertung des BfR Gestuumltzt wird das Ergebnis dadurch dass trotz weitverbreiteter Anwendung des Wirkstoffs in Medikamenten und Verbraucherprodukten kein Anstieg der Kontaktallergien gegenuumlber Permethrin zu verzeichnen ist Das Risiko fuumlr kanzero-gene systemische Effekte infolge einer dermalen und oralen Exposition gegenuumlber Permethrin aus Textilien ist nach Ansicht des BfR vernachlaumlssigbar gering Permethrin ist ein biozider Wirkstoff der zum Schutz gegen Insekten in Produkten wie Schlafsaumlcken Picknick- und Yogadecken sowie Teppichen und Kleidung eingesetzt wird Er ist im Chemikalienrecht als sensibilisierend eingestuft ein moumlgliches geringes kanzerogenes Potenzial wird von verschiedenen wissenschaftlichen Gremien diskutiert Der Wirkstoff kann aus Textilien freigesetzt und uumlber die Haut aufgenommen werden Bei kleinen Kindern die viele Produkte in den Mund nehmen kommt eine moumlgliche orale Aufnah-me des Stoffes hinzu

Mehr erfahren Stellungnahme Nr 0062017 des BfR vom 25 April 2017

Wie wirkt Aluminium in Leber und Darm

Aluminium ist in Lebensmitteln Kosmetika und Bedarfsge-genstaumlnden enthalten und kann uumlber die Nahrung aufgenom-men werden Erste Ergebnisse aus dem deutsch-franzoumlsischen Forschungsprojekt bdquoSolNanoToxldquo mit Beteiligung des BfR zeigen dass sich aus der Nahrung aufgenommene Aluminiumverbin- dungen temporaumlr im Darm anreichern Ob und in welchen Men-gen die Partikel weiter in den Koumlrper insbesondere in die Leber gelangen und welche Faktoren ihre Wirkung beeinflussen wird aktuell erforscht Die Forschungsgruppe sieht Anhaltspunkte dafuumlr dass ein Teil der angereicherten Partikel mit dem Stuhl wieder ausgeschieden wird Fuumlr seine Untersuchung simulierte das BfR anhand biologischer Proben die Verdauung verschiede-ner Aluminiumarten vom Mund uumlber den Magen bis zum Darm Mithilfe von Enzymen und Salzen wurden dabei physiologische Parameter wie der pH-Wert gesteuert Waumlhrend des simulierten Verdauungsprozesses veraumlnderten die Aluminiumverbindungen ihre chemische Reaktionsfaumlhigkeit und Loumlslichkeit Die Erkennt-nisse sind ein erster Schritt um den Prozess der Aufnahme Resorption und Verteilung von Aluminium im Koumlrper besser zu verstehen und daraus Daten fuumlr die Risikobewertung abzuleiten Aluminiumverbindungen koumlnnen in zu hohen Dosen toxisch auf das Nervensystem und ungeborenes Leben wirken sowie die Fruchtbarkeit und Knochenentwicklung beeinflussen

copy B

fR

copy c

gsto

cks

hutte

rsto

ckc

om

copy R

osel

ynne

shu

tters

tock

com

35012017

Bei Kleidung ist besonders der Einsatz von Silber-Nanopartikeln weit verbreitet Silber wirkt antibakteriell und soll die Geruchs-bildung durch Schwitzen reduzieren Beim Einsatz von Nanosilber in Kleidungsstuuml-cken ist in erster Linie eine Freisetzung in Schweiszlig und somit ein moumlglicher Hautkon-takt relevant Neben der Frage ob und in welcher Menge Silber prinzipiell aus Texti-lien herausgeloumlst wird beschaumlftigt sich die Forschung mit der Frage welchen Einfluss die Technologie hat mit der Nanosilber auf Textilien aufgetragen bzw eingebracht wird Bisher war zudem unklar inwiefern die Oberflaumlchenbeschichtung der Nano-partikel die Abgabe beeinflusst

Kuumlnstlicher Schweiszlig simuliert Freisetzung

In einem Forschungsprojekt pruumlfte das BfR neun Proben von Textilien die mit Nanosil-ber veredelt waren Als Vergleich diente ein mit konventionellem Silber (hier Silbersalz mit einem Partikeldurchmesser groumlszliger als 100 Nanometer) ausgeruumlstetes Textil Zwei der Textilien waren sogenannte Komposite bei denen Nanosilber in die Faser integriert ist Bei den anderen getesteten Textilien war die Faseroberflaumlche mit Silber-Nano-partikeln bzw in einem Fall mit konventio-nellem Silber beschichtet (Textil-Coating) Um die Abgabe von Silber durch Schwitzen

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

Kleidung wird durch sie wasser- und schmutzabweisend sie blocken UV-Strahlen und mindern Geruumlche Nanoma-terialien haben beliebte funktionelle Eigenschaften Ob sie aufgrund ihrer Winzigkeit gesundheitliche Risiken bergen ist indes noch weitgehend unbekannt In einem Forschungsprojekt uumlber Nanosilber hat das BfR ermittelt ob sich die Kleinstteilchen aus Textilien herausloumlsen und damit zum gesundheitlichen Risiko werden koumlnnen

Nanomaterial

ist ein natuumlrliches bei Prozessen anfallendes oder kuumlnstlich hergestelltes Material das Partikel in ungebundenem Zustand als Aggregat oder als Agglo-merat enthaumllt und bei dem die Mehrheit der Partikel ein oder mehrere Auszligen-maszlige im Bereich unter 100 Nanometer hat In Nanogroumlszlige kann ein Stoff andere Eigenschaften besitzen als wenn er in Form groumlszligerer Partikel vorliegt

copy o

still

shu

tters

tock

com

36 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von Textilfasern Links Nanokomposit bei dem kaum Silberpartikel an der Faseroberflaumlche zu finden sind Mitte und rechts Textilien mit Silbercoating hier befindet sich insgesamt mehr Silber auf der Oberflaumlche

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

zu simulieren wurden die Textilien fuumlr 24 Stunden in einer Schweiszligsimulanz-Louml-sung inkubiert Fuumlr die Auswertung wurde zunaumlchst der gesamte Silbergehalt in den Schweiszligloumlsungen mit massenspektromet-rischen Messmethoden bestimmt In den Proben in denen Silber vorhanden war wurden anschlieszligend mit Zentrifugation und einer speziellen Methode zum Messen von Einzelpartikeln geloumlstes und partikulauml-res Silber unterschieden Im letzten Schritt wurden die Partikelgroumlszligen des vorgefun-denen partikulaumlren Silbers gemessen um nanoskaliges Silber zu identifizieren

Silber aus Kleidung freigesetzt

Die Untersuchung des BfR zeigte dass von jeder Textilprobe Silber in die Schweiszligsi-mulanz-Loumlsung uumlberging je nach geteste-tem Textil zwischen 7 und 75 Prozent des originaumlr in den Textilien enthaltenen Sil-bers Dabei setzten die beschichteten Tex-tilien mehr Silber frei als die Komposite Den houmlchsten abgegebenen Anteil fand das BfR bei dem mit konventionellem Silber beschichteten Textil Die Freisetzung wird demnach staumlrker durch die Technologie der Veredelung bestimmt als durch die im Tex-til enthaltene Menge Auszligerdem scheint die Abgaberate von Silber aus Nanosilber im Vergleich zu konventionellem Silber nicht erhoumlht zu sein

In der Schweiszligloumlsung lag das freigesetzte Silber uumlberwiegend geloumlst vor Partikulaumlres Silber fand sich nur zum geringeren Teil dann jedoch auch im Nanometerbereich Ob es sich dabei um einzelne Nanoparti-kel handelt oder ob das Silber an groumlszligere Partikel gebunden ist muss in weiteren Untersuchungen uumlberpruumlft werden Nach

derzeitigem wissenschaftlichem Kennt-nisstand geht man davon aus dass sich Nanopartikel im Koumlrper anders verhalten als groumlszligere Partikel Uumlberraschenderweise detektierte die Forschungsgruppe auch in den Schweiszligsimulanzien der mit konven-tionellem Silber beschichteten Textilien partikulaumlres Silber in Nanogroumlszlige Das Vor-kommen von Silberpartikeln scheint also nicht davon abhaumlngig zu sein ob das Silber in Nano- oder konventioneller Form auf das Textil aufgebracht wurde

In einer parallelen Untersuchung fanden die Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler heraus dass zudem die Beschaffenheit der Nanopartikel beispielsweise in Form einer speziellen Beschichtung ihre Loumlslichkeit in der Schweiszligloumlsung beeinflusst

Art der Beschichtung relevant

Silber wird demnach aus Textilien freige-setzt in geringen Teilen sogar in partiku- laumlrer Form Die gewaumlhlte Form der Tex-tilfunktionalisierung aber auch die Be-schaffenheit der Nanopartikel stellen dabei wichtige Kriterien fuumlr das Freisetzungsver-halten dar Solche Erkenntnisse sind vor al-lem fuumlr den sicheren Einsatz von Nanoma-terialien in Alltagsprodukten wichtig weil die Exposition des Menschen gegenuumlber derartigen Stoffen moumlglichst klein gehalten werden sollte Auszligerdem geben sie Hin-weise in welcher Anwendungsform Nano-materialien im verbrauchernahen Bereich sicher eingesetzt werden koumlnnen

Mehr erfahren Wagener et al 2016 Textile Functionalization and Its Effects on the Release of Silver Nanoparticles into Artificial Sweat Environ Sci Technol 50 11 5927ndash5934

Per Flugzeitmassenspek-trometer laumlsst sich Silber auf beschichteten Textil-fasern detektieren

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

NANOPARTIKEL

37012017

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

38 BfR 2 GO

Neuer Ansatz fuumlr Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

Spiegelbild gesucht

Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR zeigt einen neuen Ansatz um mithilfe von Genexpressionsdaten das geeignete Tiermodell fuumlr die Grundlagenforschung oder fuumlr spezifische klinische Fra-gestellungen zu identifizieren Damit koumlnnen zukuumlnftig unnoumltige Tierversu-che vermieden werden Hamburger Wissenschaftsbehoumlrden wuumlrdigten die Erkenntnisse mit einem Forschungspreis

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

39012017

Fragestellung

Vergleich

Auswahl

z B bdquoMit welchem Mausmodell koumlnnen die Ursachen von Alzheimer erforscht werdenldquo

Vergleich von vorhandenen Omics-Expressionsdaten von Mensch und Tier

Auswahl des geeigneten Modells

1

2

3

Geeignete Tiermodelle identifizieren

An Tiermodellen werden zahlreiche biologische Prozesse und Krankheiten wie Wund-

heilung Diabetes Tumoren oder entzuumlndliche Erkrankungen erforscht Durch den

Vergleich der Omics-Expressionsdaten von Tiermodell und Mensch koumlnnen geeignete

Modelle fuumlr die jeweilige Fragestellung identifiziert werden

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

40 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Verlaumluft ein entzuumlndlicher Prozess bei Maumlusen aumlhnlich wie beim Menschen Sind Maumluse daher geeignete Ver-

suchstiere fuumlr Tests von antientzuumlndlichen Substanzen Um Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung in den klinischen Alltag zu uumlberfuumlhren ndash Aufgabengebiet der translationalen Forschung ndash werden wissen-schaftliche Fragestellungen oft in Tierversu-chen erprobt Ob und inwieweit die Ergeb-nisse auf den Menschen uumlbertragbar sind ist dabei immer wieder Gegenstand kontrover-ser Diskussionen Geeignete Methoden mit denen die Wissenschaft Tiermodelle mit op-timaler Uumlbertragbarkeit auf den Menschen auswaumlhlen kann wuumlrden dem wissenschaft-lichen Fortschritt helfen und die Zahl der Tierversuche reduzieren Es geht dabei um die Frage welches Tiermodell am besten das menschliche System widerspiegelt

Vergleichbarkeit von Genom- daten fehleranfaumlllig

Als Grundlage fuumlr diese Uumlberlegungen die-nen Daten aus modernen bioanalytischen Hochdurchsatzverfahren Immer haumlufiger setzt die Wissenschaft auf diese sogenannten Omics-Technologien die die Gesamtheit aller Gene und ihrer Produkte analysieren ndash sowohl beim Tier als auch beim Menschen Mit ihnen lassen sich molekulare Prozesse in lebenden Systemen umfassend darstel-len indem sie beispielsweise die Interaktion hunderter bis tausender Genprodukte zei-gen Die Analyse dieser zunehmend kom-plexen Omics-Datensaumltze stellt die Wissen-schaft jedoch vor Probleme da das Vorgehen dazu nicht standardisiert ist Die Interpreta-tion der Ergebnisse ist bisher meist von der Kompetenz der Durchfuumlhrenden und von der angewandten Methode abhaumlngig Im Ergebnis war die Entscheidung zur Frage der Uumlbertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen fehleranfaumlllig und die Suche nach

geeigneten Tiermodellen erschwert Die ge-ringe Standardisierung der Interpretation von Omics-Daten fuumlhrte in Forschungs-kreisen bereits zu widerspruumlchlichen Er-gebnissen so zum Beispiel bei zwei Studien aus den Jahren 2013 und 2015 die sich mit der Vergleichbarkeit von entzuumlndlichen Er-krankungen beim Menschen und gaumlngigen Mausmodellen beschaumlftigten Waumlhrend eine Forschungsgruppe im Jahr 2013 schlussfol-gerte dass entzuumlndliche Prozesse zwischen Mensch und Maus nicht vergleichbar seien kam eine andere Gruppe zwei Jahre spaumlter anhand der gleichen Omics-Daten zum ge-genteiligen Schluss Die Maus reagiere auf der molekularen Ebene sehr aumlhnlich wie der Mensch und sei daher als Tiermodell sehr nuumltzlich fuumlr die Erforschung menschlicher Erkrankungen Zwar ist es nicht ungewoumlhn-lich dass Ergebnisse von Studien unter-schiedlich eingeschaumltzt werden ndash allerdings selten auf Basis der gleichen Daten

Motivation des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR war es diese Widerspruumlche aufzuklaumlren und einen standardisierten und zielgerichteten Analyseansatz zu entwickeln der die Suche nach geeigneten Tiermodellen vereinfacht und somit unnoumltige Tierversuche vermei-den hilft Es gehoumlrt zu den Kernaufgaben des Bf3R bundesweit alle Aktivitaumlten zu koordi-nieren mit den Zielen Tierversuche auf das unerlaumlssliche Maszlig zu beschraumlnken und fuumlr Versuchstiere den bestmoumlglichen Schutz zu gewaumlhrleisten Die Aufgaben des Bf3R wer-den vom BfR wahrgenommen

Genomdaten von Tier und Mensch gezielt vergleichen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler des Bf3R haben die Omics-Daten aus den beiden erwaumlhnten widerspruumlchlichen Studien mithilfe hochperformanter Com-

puter nochmals systematisch ausgewertet Dabei wurden zunaumlchst die zu verglei-chenden Gene gruppenweise biologischen Prozessen zugeordnet die wesentlich fuumlr ein Entzuumlndungsgeschehen sind Diese Gene Set Enrichment Analysis (GSEA) ge-nannte Methode greift auf umfangreiche in oumlffentlichen Datenbanken hinterlegte Genomdaten gaumlngiger Tiermodelle und von Erkrankten zuruumlck Mit ihrer Heran-gehensweise konnten die Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler des BfR an-schlieszligend Veraumlnderungen auf der Ebene pathologischer Signalwege erkennen und Unterschiede zwischen Tiermodell und Mensch identifizieren Da der Groszligteil der untersuchten Genprodukte haumlufig nur geringfuumlgig veraumlndert war konnten bei der Analyse auf Ebene vollstaumlndiger bio-logischer Signalwege alle Gene einbezogen und Aumlnderungen in der Gesamtheit eines biologischen Signalwegs bewertet werden Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu bisherigen Analyseansaumltzen da fuumlr die Klauml-rung translationaler Fragestellungen bisher haumlufig willkuumlrlich und subjektiv Gene von Mensch und Tiermodell fuumlr einen direkten Eins-zu-eins-Vergleich ausgewaumlhlt wurden

Die systematische Auswertung des Bf3R zeigte dass die Ergebnisse beim vorlie-genden Genomdatenvergleich bei einigen Mausmodellen gut mit den beim Menschen ermittelten Daten uumlbereinstimmten Bei an-deren Mausmodellen hingegen war es nicht so So aumlhnelt das Entzuumlndungsgeschehen bei Maumlusen die mit Staphylococcus aureus (Staphylococcus-aureus-Injektionsmodell) infiziert sind oder eine Darmperforation (Cecal-ligation-and-puncture-Modell) erfah-ren den meisten klinischen Proben Hin-gegen verlaufen Erkrankungen die durch Lipopolysaccharide (LPS) und Streptococcus pneumoniae verursacht werden bei Mensch und Maus verschieden

Omics

Der Terminus beschreibt Methoden zur

Analyse komplexer biologischer Proben

auf der Ebene des gesamten Genoms

von Transkripten Proteinen oder Meta-

boliten

41012017

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

Forschungsansatz hilft Tierversuche zu reduzieren

Die Methode der Datenanalyse mittels GSEA-Ansatz erleichtert es Forschungs-gruppen zukuumlnftig zielgerichtet und stan-dardisiert das optimale Tiermodell aus-zuwaumlhlen das am besten die menschliche Situation abbildet Voraussetzung dafuumlr ist die Existenz von Omics-Daten zur klini-schen Fragestellung sowie zu den infrage kommenden Tierversuchen Dies ist bereits fuumlr eine Vielzahl von Tiermodellen sowie von humanen Erkrankungen der Fall neben Entzuumlndungserkrankungen beispielsweise fuumlr Herz-Kreislauf-Erkrankungen Krebser-krankungen Atemwegserkrankungen Stoff-wechselerkrankungen und neurologische Erkrankungen Aufgrund der vermehrten Verwendung von Omics-Methoden kann davon ausgegangen werden dass stetig wei-tere systembiologische Daten ermittelt und veroumlffentlicht werden Die vom Bf3R ange-wandte Methode wird daher weiterhin bei der gezielten Auswahl von Tiermodellen nuumltzlich sein

Das Verfahren kann in der Grundlagen-forschung sowie in der translationalen und angewandten Forschung eingesetzt werden Diese Bereiche machten 2015 nach Anga-ben des Bundesministeriums fuumlr Ernaumlh-rung und Landwirtschaft mit insgesamt 73 Prozent den groumlszligten Teil der Tierversuche aus Ein Groszligteil davon entfaumlllt auf Maumluse Ratten und zunehmend auch auf Fische Grundsaumltzlich kann die neue Methode zur Auswahl des geeigneten Versuchstiermo-dells bzw zum Ausschluss nicht geeigneter Versuchstiermodelle bei jeglichen Tierver-suchen in diesen Bereichen genutzt werden Analog zu den Versuchstierzahlen liegen derzeit die meisten Omics-Daten fuumlr Maus und Ratte vor So sind beispielsweise allein in der oumlffentlichen NCBI GEO-Datenbank (National Center for Biotechnology Informa-tion Gene Expression Omnibus) derzeit Da-ten zu ca 340000 Maus-Proben und 75000 Ratte-Proben gelistet

Methode identifiziert geeignete Zellkulturmodelle

Dabei ist die Methode des Bf3R nicht auf humane und murine Datensaumltze beschraumlnkt sondern kann auf alle weiteren Spezies an-gewandt werden fuumlr die umfangreiche Da-tenbanken zu biologischen Signalwegen oder Gengruppen vorliegen Auch fuumlr die Beurteilung von zellbasierten Alternativ-methoden kann der neue Forschungsansatz

herangezogen werden Durch einen system-biologischen Abgleich der klinischen Daten mit Omics-Daten aus beispielsweise neuar-tigen 3D-Zellkulturen oder organaumlhnlichen Mikrostrukturen wird die Charakterisierung und Verifizierung von zellbasierten Alterna-tivmethoden ermoumlglicht

Praumlmierte Forschungsleistung

Fuumlr ihre Forschung erhielten die Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR 2016 den Hamburger Forschungspreis zur Foumlrderung der Entwicklung von Ersatz- und

Ergaumlnzungsmethoden Die Auszeichnung wurde zum erstem Mal von den Hamburger Behoumlrden fuumlr Gesundheit und Verbraucher-schutz sowie fuumlr Wissenschaft Forschung und Gleichstellung mit einem Foumlrderpreis in Houmlhe von 20000 Euro ausgeschrieben Der Preis wird fuumlr Arbeiten vergeben die einen Beitrag leisten Tierversuche zu ersetzen oder zu minimieren

Mehr erfahrenWeidner et al 2016 Defining the optimal animal model for translational research using gene set enrichment analysis EMBO Molecular Medicine 8 8 831ndash838

Wofuumlr Versuchstiere in Deutschland eingesetzt werden

630255Herstellung und Qualitaumlts-kontrolle medizinischer Produkte toxikologische Sicherheitspruumlfungen

22

59

14 5

1643259Grundlagenforschung

144997sonstige Zweckez B Zucht Aus- und Weiterbildung

381450translationale und angewandte Forschung

Que

lle B

unde

smin

iste

rium

fuumlr E

rnaumlh

rung

und

Lan

dwirt

scha

ft V

ersu

chst

ierz

ahle

n 20

15

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

42 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Alternativen zu Tierversuchen Forschung regional buumlndeln

Eine individualisierte Schmerztherapie fuumlr Versuchsmaumluse und eine Verringerung von Tierexperimenten zum Test der Inhala- tionstoxizitaumlt von Nanomaterialien (siehe rechte Spalte) ndash hierzu sollen die ersten Arbeitsergebnisse des BfR im Berlin-Bran-denburgischen Verbundprojekt BB3R zukuumlnftig beitragen Das Netzwerk aus Universitaumlten und Bundesinstitutionen forscht um Tierversuche zu vermeiden (Replacement) bzw zu verringern (Reduction) sowie das Leiden von Versuchstieren zu vermindern (Refinement) Das BfR ist als einer von sechs Verbundpartnern in den Bereichen der Refinement- und Replacement-Forschung beteiligt Das Bundesforschungsministerium foumlrdert das mit BB3R abgekuumlrzte Projekt fuumlr vier Jahre bis Fruumlhjahr 2018 es ist als Plattform fuumlr den wissenschaftlichen Austausch konzipiert und integriert ein Graduiertenkolleg

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschungwwwbb3rde

Belastung von Laborfischen erkennen

Koumlrperbau

Koumlrpermerkmale

Verhaltenkreisendes Schwimmen

Belastung von Laborfischen erkennen

Ob Laborfische Schmerzen empfinden oder leiden laumlsst sich mithilfe konkreter Kriterien beurteilen Die Vorarbeiten hierzu koordinierte der bdquoNationale Ausschuss zumSchutz von fuumlr wissenschaftliche Zweckeverwendeten Tierenldquo am BfR gemeinsam mit externen Sachverstaumlndigen und Beauf-tragten von Genehmigungsbehoumlrden Die erstmals definierten Kriterien bewerten unter anderem Auffaumllligkeiten im Koumlrper-bau sowie im Verhalten der Tiere Schmer-zen und Leiden koumlnnen so gezielt behandelt und gelindert werden Da die Frage der Belastung der Tiere anhand der Kriterien eindeutig geklaumlrt werden kann dienen sie zudem als Entscheidungshilfe fuumlr Behoumlr-den welche die Zucht belasteter genetisch veraumlnderter Tiere genehmigen muumlssen Fische insbesondere Zebrafische sind nach Maumlusen und Ratten die am dritthaumlufigsten verwendete Versuchstierart Die Zahl der Versuchsfische hat in den letzten Jahren stetig zugenommen

Mehr erfahren Bert et al 2016 Considerations for aEuropean animal welfare standard toevaluate adverse phenotypes in teleost fish EMBO J 35 11 1151ndash1154Empfehlung des Nationalen Ausschusses TierSchG Nr 0012015

Test der Inhalationstoxizitaumlt von Nanomaterialien

Die Einatmung gilt als wichtigster Aufnahmeweg fuumlr Nanomaterialien Im Rahmen der BB3R-Forschung bildet das BfR diese Art der Exposition mit In-vitro- Atemwegsepithelmodellen an ihrer Grenzflaumlche zur Luft ab Dieser Ansatz zum Test der Inhalationstoxi-zitaumlt hilft Anzahl und Umfang von Tierversuchen zu verringern

Versuchsaufbau Drei Roumlhrchen leiten ein Testaerosol mit luftgetragenen Nanomaterialien auf Epithelzellen

SPEKTRUM

copy B

fR

43012017

Jubilaumlumsfeier und internationales Symposium

Am 29 November 2017 feiert das BfR sein 15-jaumlh-riges Bestehen mit einem Festakt Geplant ist eine Feier mit ausgewaumlhlten Gaumlsten in der Akademie der Kuumlnste Anschlieszligend findet vom 30 Novem-ber bis zum 01 Dezember 2017 das gemeinsame internationale Symposium des BfR und seiner Schwesterinstitutionen aus Daumlnemark (DTU Food) und Frankreich (ANSES) sowie der suumldko-reanischen Behoumlrde fuumlr Lebens- und Arzneimittel-sicherheit (NIFDS) statt Unter dem Motto bdquoPast Present and Future Challenges in Risk Assessment ndash Strengthening Consumer Health Protectionldquo werden die letzten anderthalb Jahrzehnte Risikobewer-tung betrachtet Daruumlber hinaus werden aktuelle Aktivitaumlten sowie zukuumlnftige Herausforderungen des Verbraucherschutzes wie mikrobiologische Erreger chemische Substanzen Methoden und Harmonisierung auf nationaler wie internationa-ler Ebene diskutiert

VERANSTALTUNGEN

Nachwuchs foumlrdern

Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu foumlr-dern baut das BfR wissenschaftliche Nachwuchs-gruppen zu bestimmten Schwerpunktthemen auf Die bereits 2015 eingerichtete Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Warenketteldquo wird im Herbst 2017 durch einen weiteren Dokto-randen verstaumlrkt

Verstaumlrkung im Versuchstierschutz

Seit dem 1 April 2017 staumlrkt die Berufung von Herrn Universitaumltsprofessor Dr Lars Lewejo-hann den Kompetenzbereich bdquoVerminderung der Belastung und Verbesserung der Lebenssitua-tionldquo des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) Neben der Leitung der Fachgruppe bdquoTierschutz und Versuchstierkundeldquo im BfR wird Lars Lewejohann sein Wissen und neue Erkenntnisse als Hochschullehrer fuumlr bdquoTier-schutz mit dem Schwerpunkt Refinementldquo an der veterinaumlrmedizinischen Fakultaumlt der Freien Universitaumlt Berlin an Studierende und Doktoran-den weitergeben

PERSONALIEN

Alternativmethode zum Tierversuch bdquoKnochen-auf-dem-Chipldquo

Im Mai 2017 fand bei der Gemeinsamen For-schungsstelle (GFS)Joint Research Centre (JRC) der Generaldirektion (Directorate General) der Europaumlischen Kommission eine Summer School zu alternativen Ansaumltzen zum Tierversuch fuumlr die Risikobewertung in Ispra (Italien) statt Dort wurde Herr Dr Ing Frank Schulze aus der BfR-Fachgruppe bdquoZEBET ndash Alternativmethoden zu Tierversuchenldquo fuumlr seine Praumlsentation und das dazugehoumlrige Poster zum Thema bdquoEin Knochen-auf-dem-Chip fuumlr die Grundlagenwissenschaft und die Identifizierung von knochenschaumldigen-den Substanzenldquo mit einem Posterpreis (1 Platz) ausgezeichnet

copy B

fR

copy p

rivat

INSTITUTSLEBEN

44 BfR 2 GO

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

Food Integrity EU-Konsortium gegen gefaumllschte Lebensmittel Das EU-Konsortium aus 38 Projektpartnern will strukturelle und methodische Voraus-setzungen schaffen um Verfaumllschungen fruumlhzeitig einheitlich erkennen zu koumlnnen Dazu sollen u a ein Netzwerk zwischen Be-houmlrden Industrie und Forschung aufgebaut Pruumlfprozesse harmonisiert und Wissensda-tenbanken erstellt werden Das Projekt laumluft bis Ende 2018

FoodAuthent Kollaborative Referenzdatenbanken fuumlr chemische Fingerabdruumlcke In dem dreijaumlhrigen Projekt werden Grundlagen fuumlr den Routineeinsatz von Fingerprinting-Analyseverfahren im Lebensmittelsektor und in der amtlichen Uumlberwachung geschaffen Zusammen mit den Projektpartnern entwickelt das BfR bis April 2019 gemeinschaftliche Fingerprin-ting-Datenbanken sowie Schnittstellen zu privatwirtschaftlich betriebenen Pro-duktinformationssystemen Exemplarisch erfolgt dies fuumlr Hartkaumlse Speiseoumlle und Spirituosen Die Daten sollen fuumlr die mit-wirkenden Akteure im Lebensmittelbereich frei zugaumlnglich sein

Original oder Faumllschung ndash Gemeinsam gegen Lebensmittelgaunerei

Das BfR beteiligt sich an Drittmittelprojekten um Herstellern und Uumlberwa-chungsbehoumlrden Methoden an die Hand zu geben mit denen schnell sicher und kosteneffizient die Echtheit eines Lebensmittels erkannt werden kann Einige werden hier vorgestellt

Animal-IDHerkunftsnachweis von tierischen Proteinen in Futter- und Lebens-mitteln Die Projektpartner kombinieren Massen- spektrometrie mit Verfahren zur Protein-anreicherung um Analysemethoden zur gewebespezifischen Herkunftsbestimmung von Futtermitteln zu entwickeln sowie Schnelltests auf Basis von proteinbasierten ELISA DipStick-Tests fuumlr die wichtigsten Tierarten in der Fleischproduktion wie Rind Schwein Pferd und Huhn Das BfR koordiniert das Vier-Jahres-Projekt (2016 bis 2019)

FoodRisk-Lab Softwareloumlsungen zur Unterstuumlt-zung der Bewertung von Risiken Das BfR entwickelt frei verfuumlgbare Soft-wareloumlsungen und Web-Dienste fuumlr die Bewertungsarbeit behoumlrdlicher Einrichtun-gen sowie fuumlr Wissenschaft und Forschung FoodChain-Lab unterstuumltzt z B die Ruumlckverfolgung von Futter- und Lebens-mitteln entlang der Warenketten und ermoumlglicht eine interaktive Analyse von Ausbruchsgeschehen Weitere Programme dienen der mathematischen Modellierung von Gefahren im Bereich der Futter- und Lebensmittelsicherheit

SPICEDSicherung der Gewuumlrz- und Kraumluterwarenketten Europas Gewuumlrze und Kraumluter werden sehr vielen Lebensmitteln zugesetzt Die Ergebnisse des Forschungsprojektes tragen dazu bei die Gewuumlrz- und Kraumluterwarenketten Euro-pas gegen natuumlrliche unabsichtliche und absichtliche biologische und chemische Ver-unreinigungen zu schuumltzen Das Projekt mit 11 Partnern aus sieben EU-Laumlndern wurde von 2013 bis 2016 im 7 Rahmenprogramm der EU gefoumlrdert und vom BfR koordiniert

11012017

FORSCHUNGSPROJEKTE

bdquoWir wollen Faumllschungen einen Riegel vorschiebenldquo

Professor Wittkowski welche Lebens- mittel werden uumlblicherweise verfaumllschtGefaumllscht wird uumlberall dort wo ein oumlkono-mischer Vorteil erzielt werden kann Pro-duktpiraterie kommt deswegen vor allem bei hochqualitativen und teuren Markenpro-dukten wie Olivenoumll Schafskaumlse Wein oder Spirituosen vor Ein uumlblicher Trick ist min-derwertige Zutaten als hochwertige zu ver-kaufen wie Shrimps als Garnelen Bei Pro-dukten bei denen die geografische Herkunft ein Qualitaumltsmerkmal ist wie Parma- oderSerrano-Schinken Irischer Whiskey oder Champagner wird versucht die Herkunft vorzutaumluschen

Koumlnnen Verbraucher denn noch der Le-bensmittelsicherheit vertrauen Glaubwuumlrdigkeit Vertrauen und Sicherheit sind eng miteinander verknuumlpft Menschen wollen einkaufen kochen essen und trin-ken gesund bleiben und es soll schmecken Sie wollen nicht wissen wie der Wein filt-riert oder bei welcher Temperatur der Kaf-fee geroumlstet wurde aber sie wollen darauf vertrauen dass die Angaben stimmen und dass diese Technologien sichere Lebens-mittel erzeugen Dies ist nur moumlglich weil es Standards fuumlr die Lebensmittelwirtschaft gibt und Uumlberwachungsbehoumlrden die Ein-haltung pruumlfen

Nur weil Parma-Schinken nicht aus Par-ma kommt stellt er doch noch kein Ge-sundheitsrisiko dar Geht es nicht viel-mehr um oumlkonomische Interessen der Hersteller Wissenschaftler koumlnnen zunaumlchst Normab-weichungen erkennen nicht aber die Mo-tivation von Verfaumllschern Zunaumlchst wird selbstverstaumlndlich eine Risikobewertung derartiger Befunde durchgefuumlhrt Anschlie-szligend kann man nach weiterer Uumlberpruumlfung und Ruumlckverfolgung der Lieferketten ent-scheiden ob es eine gezielte Verfaumllschung war oder nicht

Koumlnnen Sie ein Beispiel gebenStatt Rindfleisch wurde vor einigen Jahren in Lasagne Pferdefleisch nachgewiesen Im ersten Moment ein gesundheitlich unbe-denklicher Betrugsfall Pferdefleisch ist ein hochwertiges Lebensmittel Allerdings war nicht bekannt woher das Fleisch kam und ob es mit verbotenen undoder gesundheits-schaumldlichen Arzneimitteln belastet war Das wurde dann uumlberpruumlft und das Fleisch fuumlr unbedenklich erklaumlrt Oder Aufgrund des traditionellen Anbaus hatten Pistazien aus dem Iran eine Zeit lang erhoumlhte Mykoto-xingehalte und unterlagen daher strengen Auflagen bei der Einfuhr nach Europa Zur Umgehung dieser Auflagen traten Falsch-deklarationen der Herkunft auf Iranische Pistazien wurden als Pistazien aus Kaliforni-en in den Markt gebracht

Es geht also in erster Linie immer um Verbraucherschutz und nicht um Taumlu-schungs- oder Betrugsschutz Aus meiner Sicht ja Teilweise nehmen Faumllscher auch billigend in Kauf dass Men-schen zu Schaden kommen Mit Methanol gepanschter Alkohol oder mit Melamin gestrecktes Milchpulver sind Beispiele Die Verfaumllscher sind naumlmlich keine Toxikologen Die Frage ist also welche Methoden koumlnnen Behoumlrden bereitstellen um das Vertrauen in die Sicherheit der Lebensmittel zu erhalten

Das houmlrt sich an wie ein Wettlauf For-schung gegen Faumllschung Gibt es denn immer die richtige MethodeDas Gute an der Analytik ist dass man mit der richtigen Methode findet was man sucht Allerdings wissen wir nicht immer auf welche neuen betruumlgerischen Ideen Faumll-scher kommen Deswegen beteiligen wir uns in internationalen Forschungsvorhaben an der Entwicklung von Referenzdaten-banken mit dem typischen Fingerabdruck von Lebensmitteln Die sogenannte Finger-print-Analyse bietet die Moumlglichkeit nicht

nur Lebensmittel durch ihre Normabwei-chung als gefaumllscht zu identifizieren sondern auch bisher unbekannte Verfaumllschungen und gesundheitlich bedenkliche Manipulationen aufzudecken bevor die Ware in den Regalen steht

In der Praxis gibt es dazu doch sicher schon MaszlignahmenPrivate Analysefirmen haben sich bereits auf die Fingerprint-Methode fuumlr bestimmte Produkte spezialisiert und groszlige Datenban-ken angelegt Doch hier liegt ein Problem Jeder arbeitet mit seinen eigenen Daten Auch sind die Ergebnisse der Firmen nicht gerichtsfest weil die Datengrundlage nicht oumlffentlich ist Staatliche Institutionen ar-beiten dagegen mit transparenten und ver-gleichbaren Daten damit Beanstandungen gerichtsfest sind Deswegen muumlssen fuumlr ei-nen Erfolg der Fingerprint-Methoden die Messungen der verschiedenen Labore va-lidiert und die Datenbanken harmonisiert werden

bdquoUnser Allein- stellungsmerkmal ist dass wir Risikobewertung und Forschung betreiben

12 BfR 2 GO

SCHWERPUNKTTHEMA AUTHENTIZITAumlT

BfR-Vizepraumlsident Professor Dr Reiner Wittkowski setzt sich dafuumlr ein dass am BfR zu neuartigen Verfah-ren zur Authentifizierung von Lebensmitteln geforscht wird Als junger Lebensmittelchemiker hat er am Vorgaumlngerinstitut des BfR dem Bundesgesundheitsamt bereits fuumlr die Uumlberpruumlfung der Echtheit von Wein Methoden entwickelt etabliert und begonnen eine Fingerabdruck-Datenbank anzulegen

Was traumlgt das BfR zur Uumlberpruumlfung der Echtheit von Lebensmitteln bei Wir beteiligen uns seit Langem an allen maszliggeblichen EU-Forschungsvorhaben zur Authentizitaumltspruumlfung Unser Alleinstel-lungsmerkmal ist dass wir Risikobewertung und Forschung betreiben Das BfR hat an-ders als andere Bewertungsbehoumlrden eigene Laboratorien Wir haben deswegen einen sehr strengen Blick auf Bewertungsmetho-den und fragen wie sicher die Aussagekraft der Daten ist Das Kerngeschaumlft der 17 Re-ferenzlabore des BfR ist Methodenvali-dierungen durchzufuumlhren Auf nationaler Ebene arbeitet das BfR bereits eng mit der amtlichen Lebensmitteluumlberwachung der Bundeslaumlnder zusammen

Welchen konkreten Ansatz nutzt das BfRWir kombinieren Analytik und Daten-modellierung Das Institut hat eine lange Historie hinsichtlich des Nachweises der Echtheit von Lebensmitteln da auch in den Vorgaumlngerinstitutionen dazu geforscht wur-de In den 1990er-Jahren wurde hier eine der ersten Datenbanken zur Uumlberpruumlfung der Authentizitaumlt von Wein aufgebaut und wurden erstmals Kernresonanz-spektrosko-pische Verfahren in der Lebensmittel-Ana-lytik angewandt Die Expertise zum Thema Wein haben wir dann auf andere Lebens-mittel-Matrizes uumlbertragen Neben der Ana-lytik ist die Statistik unser zweiter Impetus Das BfR hat viel Erfahrung im Bereich der Datenanalyse fuumlr die Vor- und Ruumlckverfolg-barkeit von Lieferketten aufgebaut Mit der FoodChainLab-Software die im Rahmen der EHEC-Krise entwickelt wurde sind komplexe Datenmodellierungen moumlglich

Was sind die naumlchsten SchritteWir haben bereits ein nationales Kompe-tenznetzwerk zwischen Bundesbehoumlrden Landesuntersuchungsaumlmtern Universitaumlten und Forschungseinrichtungen etabliert und wir bringen das Thema weltweit voran Das BfR hat im November 2016 ein Symposium organisiert auf dem rund 100 Fachleute aus Deutschland Europa Nordamerika Afrika Asien und Neuseeland uumlber die Herausfor-derungen der Standardisierung diskutierten Aus meiner Sicht sollte unbedingt ein euro-paumlisches Referenzlabor eingerichtet werden ndash die EU-Kommission erwaumlgt dies bereits ndash um in Europa ein harmonisiertes System der angewendeten Methoden und der Datener-fassung fuumlr die Authentizitaumltspruumlfung von Lebensmitteln zu etablieren Nur das ist ziel-fuumlhrend wenn wir Faumllschungen global einen Riegel vorschieben wollen

copy B

fR

13012017

INTERVIEW MIT PROFESSOR DR REINER WITTKOWSKI

Der BfR-Verbrauchermonitor ist ein zentrales Instru-ment des gesundheitlichen Verbraucherschutzes Er zeigt wie die Oumlffentlichkeit Risiken wahrnimmt

Gefuumlhlte Risiken im Visier

copy ig

orst

evan

ovic

Shu

tters

tock

com

RISIKOWAHRNEHMUNG

14 BfR 2 GO

Welche Themen bewegen Verbraucherinnen und Verbrau-cher Was ist ihnen vertraut was beunruhigt sie Ant-worten auf diese Fragen liefert der BfR-Verbrauchermo-

nitor ndash eine seit 2014 regelmaumlszligig durchgefuumlhrte repraumlsentative Bevoumllkerungsbefragung mit der das BfR die generelle Einschaumlt-zung der Oumlffentlichkeit zu Verbraucherschutzthemen ermittelt In Ergaumlnzung dazu fuumlhrt das BfR Repraumlsentativbefragungen zu Ein-zelthemen durch die von besonderem aktuellem Interesse sind wie Antibiotikaresistenzen oder Pflanzenschutzmittel Die Ergeb-nisse dazu erscheinen als bdquoBfR-Verbrauchermonitor Spezialldquo Der Verbrauchermonitor ist ein wesentlicher Indikator um moumlgliche Missverstaumlndnisse oder Fehleinschaumltzungen seitens der Bevoumllke-rung fruumlhzeitig zu erkennen bdquoFuumlr uns ist es sehr wichtig konkret zu wissen was die Bevoumllkerung warum bewegt Daraus folgern wir welche kommunikativen Maszlignahmen zu ergreifen sindldquo sagt PD Dr Gaby-Fleur Boumll Leiterin der Abteilung Risikokommunika-tion am BfR

Methode der Datenerhebung

Fuumlr die repraumlsentative Umfrage des Verbrauchermonitors werden ca 1000 Personen die in Privathaushalten in Deutschland leben und mindestens 14 Jahre alt sind im Auftrag des BfR von Markt- und Meinungsforschungsinstituten telefonisch interviewt Diese Interviews werden computergestuumltzt anhand eines programmier-ten Fragebogens von geschulten Interviewern durchgefuumlhrt ndash kurz CATI-Methode genannt nach der englischen Bezeichnung compu-ter-assisted telephone interviewing Dabei werden die Fragen zum gesundheitlichen Verbraucherschutz und Fragen zu anderen The-menbereichen zu einer sogenannten Omnibus- oder Mehrthemen-befragung zusammengefasst Die Fragen des Verbrauchermonitors koumlnnen einen offenen Charakter haben (ungestuumltzte Fragen) oder geschlossen formuliert sein (gestuumltzte Fragen) Um die Ergebnisse der Verbrauchermonitore im Zeitverlauf miteinander vergleichen zu koumlnnen ist jede Umfrage aumlhnlich aufgebaut Das BfR widmet sich einerseits Themen die in der Oumlffentlichkeit eine groszlige Auf-merksamkeit erhalten Andererseits analysiert es Fragen die bisher weniger im oumlffentlichen Fokus stehen aber ebenfalls relevant sind wie beispielsweise gesundheitsschaumldliche Pflanzeninhaltsstoffe Auch das Ausmaszlig des Vertrauens in die staatlichen Strukturen des gesundheitlichen Verbraucherschutzes wird abgefragt da dies wie-derum die Wahrnehmung von Risiken beeinflussen kann

bdquoFuumlr uns ist es sehr wichtig konkret zu wissen was die Bevoumllkerung warum bewegt

Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher

Kaum veraumlndert hat sich in den letzten Jahren die Ansicht von Ver-braucherinnen und Verbrauchern dass Lebensmittel in Deutsch-land sicher sind Fragt man in der ungestuumltzten Abfrage nach den groumlszligten gesundheitlichen Risiken so sind dies im aktuellen Ver-brauchermonitor (082017) nach wie vor das Rauchen die Klima- bzw Umweltbelastung und ungesunde oder falsche Ernaumlhrung Da-nach werden Alkohol sowie ungesunde oder belastete Lebensmittel genannt Fragt man in der gestuumltzten Abfrage gezielt nach ausge-waumlhlten Themen so fuumlhren Salmonellen gentechnisch veraumlnderte Lebensmittel Antibiotikaresistenzen und Ruumlckstaumlnde von Pflan-zenschutzmitteln die Bekanntheitsskala an Dies sind auch die vier Themen die bei den meisten Befragten fuumlr Beunruhigung sorgen Es zeigt sich immer wieder dass Verbraucherinnen und Verbrau-cher Risiken unterschaumltzen die aus Sicht der Risikobewertung als

ZielsetzungVerbrauchermonitor

gt Erfassung und Analyse von Trends und Themen in der Verbraucherwahrnehmunggt Uumlber- bzw Unterschaumltzung von gesundheitlichen Risiken durch die Bevoumllkerunggt Beobachtung von Veraumlnderungen im Verbraucherverhaltengt Schnelle Erfassung der Verbraucherwahrnehmung in Krisensituationen

BfR-VERBRAUCHERMONITOR

15012017

gesundheitsrelevant eingestuft werden wie z B die Lebensmittelhygiene im eigenen Haushalt Noch weitgehend unbekannt ist der breiten Oumlffentlichkeit eine neue derzeit in der Wissenschaft diskutierte Metho-de zur Genveraumlnderung ndash das sogenannte bdquoGenome Editingldquo

Vertrauen staumlrken

Verschiedene Bevoumllkerungsgruppen neh-men Ereignisse oder Sachverhalte unter-schiedlich wahr Es haumlngt von vielen Fakto-ren ab wie groszlig ihnen ein Risiko erscheint Insbesondere zwischen der Wahrnehmung von Laien und Fachleuten koumlnnen sich Un-terschiede ergeben da die intuitive Risiko-einschaumltzung der Bevoumllkerung haumlufig auf anderen Prinzipien und Kriterien beruht als die wissenschaftliche Risikobewertung Aus der Risikowahrnehmungsforschung ist beispielsweise bekannt dass die Sorge vor

synthetisch hergestellten Stoffen groumlszliger ist als die Sorge vor natuumlrlich vorkommenden Stoffen wie beispielsweise giftigen Pflanze-ninhaltsstoffen

Der BfR-Verbrauchermonitor Spezial zum Thema Pflanzenschutzmittel hat zudem gezeigt dass ein Groszligteil der Bevoumllkerung faumllschlicherweise davon ausgeht dass in Lebensmitteln generell keine Reste von Pflanzenschutzmitteln vorkommen duumlr-fen Tatsaumlchlich sind Ruumlckstaumlnde von zu-gelassenen Pflanzenschutzmitteln bis zum erlaubten Ruumlckstandshoumlchstgehalt zulaumls-sig und als gesundheitlich unbedenklich eingestuft Auf diese Diskrepanz kann die Risikokommunikation gezielt reagieren indem sie die Oumlffentlichkeit mit geeigne-ten Kommunikationsformen umfassend uumlber die rechtlichen und wissenschaftli-chen Grundlagen der Risikobewertung bei Pflanzenschutzmitteln informiert

Die Ergebnisse solcher Bevoumllkerungsum-fragen liefern wichtige Einsichten in die Risikowahrnehmung verschiedener Bevoumll-kerungsgruppen und zeigen Unterschiede hinsichtlich demografischer Faktoren wie Alter Bildungshintergrund Berufsgrup-pe und Geschlecht auf So ist Frauen das Vorkommen von Pyrrolizidinalkaloiden in Kraumlutertee beispielsweise haumlufiger bekannt als Maumlnnern Auch hat sich gezeigt dass Maumlnner Prozesskontaminanten in Grill-fleisch weniger bedenklich einschaumltzen als Frauen

Mit dem Verbrauchermonitor hat das BfR ein Instrument etabliert mit dem noch fruumlher auf Informations- und Kommuni-kationsbeduumlrfnisse eingegangen und damit das Vertrauen der Oumlffentlichkeit in den ge-sundheitlichen Verbraucherschutz weiter gestaumlrkt werden kann

Alle bisher erschienenen BfR-Verbrauchermonitore koumlnnen abgerufen werden unter wwwbfrbundde gt Publikationen gt Broschuumlren gt BfR-Verbrauchermonitor

Welche Themen betrachten Sie persoumlnlich als die groumlszligten gesundheitlichen Risiken fuumlr Verbraucherinnen und Verbraucher

Inwieweit sind Sie persoumlnlich uumlber die folgenden Themen zur Lebensmittel-sicherheit beunruhigt oder nicht beunruhigt

16 BfR 2 GO

RISIKOWAHRNEHMUNG

2016 gab es in Deutschland in der deutsch-sprachigen Bevoumllkerung ab 14 Jahren rund 08 Millionen Personen die sich selbst als Veganer bezeichnen wuumlrden oder als je-mand der weitgehend auf tierische Produk-te verzichtet (2016 Allensbacher Markt- und Werbetraumlger-Analyse IfD Allensbach) Ei-nige Studien zeigen dass eine vegane Ernaumlh-rung positive Einfluumlsse auf die Gesundheit haben kann wie zum Beispiel ein geringeres Risiko fuumlr Typ-2-Diabetes Beschrieben wer-den allerdings auch gesundheitliche Risiken durch Naumlhrstoffmangelzustaumlnde etwa fuumlr Schwangere und Kinder Wer keine tierische Produkte zu sich nimmt riskiert unter an-derem eine Unterversorgung mit Vitamin B12 Eisen Calcium Jod und Zink sowie mit langkettigen Omega-3-Fettsaumluren

Vor diesem Hintergrund entwickelte das BfR geeignete Risikokommunikationsstra-tegien Ein Forschungsprojekt widmete sich den individuellen und sozialen Einflussfak-toren die zur Motivation und Aufrechter-haltung einer veganen Ernaumlhrung fuumlhren Insgesamt wurden 42 Veganerinnen und Veganer zu ihren Werten Einstellungen und Meinungen befragt Aufgrund der zum Teil sehr ausgepraumlgten Abweichun-gen zur Durchschnittsbevoumllkerung lassen sich verallgemeinernde Aussagen treffen Repraumlsentativ sind die Befragungsdaten al-lerdings nicht

Ethische Entscheidung

Fast immer begruumlnden Veganerinnen und Veganer ihre Entscheidung fuumlr eine vega-ne Ernaumlhrung mit ethischen Argumenten Gesundheitliche Motive werden selten ge-nannt Die Befragten sind uumlberwiegend konfessionslos und uumlberdurchschnittlich

gebildet Auszligerdem beguumlnstigt Vegetaris-mus die Entscheidung sich vegan zu ernaumlh-ren Zwei Drittel der Teilnehmenden haben sich bereits vorher vegetarisch ernaumlhrt Er-naumlhren sich bereits Personen aus dem na-hen Umfeld vegan kann dies die Entschei-dung auch vorantreiben

Fuumlr die uumlberwiegende Mehrheit der Be-fragten ist die Ruumlckkehr zur omnivoren Ernaumlhrung die tierische Produkte zulaumlsst nicht vorstellbar Auch eine Schwanger-schaft wird meist nicht als Grund dafuumlr angesehen Oft werden auch Kinder vegan ernaumlhrt Nach Aussagen der Befragten re-agiert das soziale Umfeld haumlufig mit Skepsis und Aversion Um eine soziale Ausgren-

zung der Kinder zu verhindern lassen die Befragten teils Kompromisse zu So koumlnn-ten Kinder zum Beispiel selbst waumlhlen ob sie auswaumlrts Tierprodukte essen

Wissen kommt an

Wer sich vegan ernaumlhrt verfuumlgt in der Re-gel uumlber ein fundiertes Ernaumlhrungswissen 40 der 42 Teilnehmenden der BfR-Studie waren sich zum Beispiel daruumlber im Klaren dass es ohne tierische Produkte zu einer Mangelversorgung mit Vitamin B12 kom-men kann Viele nehmen dieses Vitamin zusaumltzlich ein Bei der Informationssuche rund um vegane Ernaumlhrung ist das Inter-net die wichtigste Informationsquelle (siehe Grafik)

Strategie der Risikokommunikation

Im Rahmen der Befragung stellten sich wichtige Anknuumlpfungspunkte fuumlr die Risi-kokommunikation heraus Unter anderem wurde klar dass ein negativer Ansatz der die vegane Ernaumlhrung als gefaumlhrlich oder abnormal darstellt nur wenig Erfolg haben kann Eine effektive Risikokommunikation sollte an bestehende Uumlberzeugungen der Veganerinnen und Veganer anknuumlpfen Ziel sollte dabei sein konkrete Tipps fuumlr den Alltag zu geben die sich mit einer vega-nen Ernaumlhrung verbinden lassen Informa-tionen wie bei einer veganen Ernaumlhrung eine moumlgliche defizitaumlre Naumlhrstoffversor-gung verhindert werden kann sind grund-saumltzlich erfolgversprechend Insbesondere uumlber Alternativen oder Supplementierung in der Schwangerschaft bei Saumluglingen und Kleinkindern sollte umfassend informiert werden

Vegan und informiert

Welche Informationsquellen nutzen Sie um sich

uumlber vegane Ernaumlhrung zu informieren

Kochbuumlcher mit veganen Rezepten Blogs zum Thema und tierfreie Supermaumlrkte ndash die vegane Ernaumlhrung liegt im Trend Wer ganz auf tierische Produkte verzichtet riskiert jedoch eine Unterversorgung mit bestimmten Naumlhrstoffen Um eine effiziente Risikokommunikation zu gewaumlhrleis-ten hat das BfR Veganerinnen und Veganer zu Wissens-stand und Einstellungen befragt

Foren im Internet

Sonstige Quellen im Internet

Buumlcher

Zeitschriften

Freunde Bekannte

Sonstigen = 42 Mehrfachnennungen moumlglich

74

71

52

36

12

5

copy S

tudi

oPho

toD

Flor

ezs

hutte

rsto

ckc

om

BEFRAGUNG ZU VEGANISMUS

17012017

63

72 Ekel

Fremdheit

Bedenken zu Hygiene und Vertraumlglichkeit

Grillen Mehlwuumlrmer und Wanderheuschrecken ndash in vielen Regionen der Welt werden Insekten von Menschen verspeist Auch in der Schweiz sind Insek-ten seit dem Fruumlhjahr 2017 offiziell als Lebensmittel zugelassen Ihr Verzehr ist in Europa jedoch generell wenig verbreitet und die oumlffentliche Diskussion steckt noch in den Anfaumlngen Wie bekannt ist das Thema in der deutschen Bevoumllkerung Welche Einstellungen bestehen gegenuumlber essbaren Insekten Wie wird das Thema in den Medien dargestellt In zwei Studien hat das BfR Antworten auf diese Fragen gefunden

Die Mehrheit der Deutschen vermutet keine gesundheitlichen Risiken durch den Verzehr von Insekten wuumlrde sieaber dennoch nicht verzehren Hauptgruumlnde gegen den Verzehr

sind Ekel Fremdheit Bedenken zu Hygiene und Vertraumlglichkeit

46 13 15

Insekten als Lebensmittel fuumlr Menschen ndash 72 Prozent der Befragten haben schon davon gehoumlrt Insekten gelten als eiweiszlig- naumlhrstoff- und vitaminreich und als eine wesentliche Nahrungsquelle hinsichtlich des Welternaumlhrungsproblems

Insekten essen Mehr Theorie als Praxis

18 BfR 2 GO

RISIKOWAHRNEHMUNG

2014

27 Artikel

14

Zugrundeliegende Studien telefonische Repraumlsentativbefragung von 1000 Personen (deutschsprachige Bevoumllkerung ab 14 Jahren) Medienanalyse von 17 deutschen Print- und Onlinemedien (uumlberregionale Qualitaumltszei-tungen Hauptstadtpresse und woumlchentliche Zeitungen) im Zeitraum Januar 2014 bis Dezember 2015 zur Art und Haumlufigkeit der Berichterstattung uumlber essbare Insekten

14 Prozent der Befragten haben schon einmal Insekten verzehrt mehrheit-lich im Ausland Uumlberwiegend sind es Maumlnner 18 ndash 29-Jaumlhrige gut Gebildete und Staumldter

Die Medienberichterstattung zu Insekten als Lebens- und Futtermittel verdoppelte sich von 2014 zu 2015 In der Mehrheit ging es um Nutzen- aspekte Insekten wurden medial als bdquozukunftsweisendes sinnvolles Lebensmittel bei dem der Nutzen gegenuumlber moumlglichen Risiken uumlber-wiegtldquo dargestellt

Verbraucherinnen und Verbraucher wuumlnschen sich mehr Informationen zu moumlglichen gesundheitlichen Risiken von Insekten als Lebens- und Fut-termittel zu ihrer Produktion und zum Naumlhrstoffgehalt Dies koumlnnte die oumlffentliche Akzeptanz fuumlr den Verzehr von Insekten erhoumlhen Auch bdquounkenntlich gemachteldquo Insekten in Form verarbeiteter Lebensmittel wuumlrden eher akzeptiert als Insekten im urspruumlnglichen Zustand

WeiterlesenBfR-Symposium bdquoInsekten als Lebens- oder Futtermittel Nah-rung der Zukunftldquo Bericht zum Symposium am 24 Mai 2016 in 2016 Journal fuumlr Verbraucher-schutz und Lebensmittelsicher-heit 11 3 281ndash289

2015

60 Artikel

i

Insekten als Lebensmittel

gt zaumlhlen lebensmittelrechtlich in der EU zu den neuartigen Lebensmitteln und muumlssen zugelassen werden

gt unerforschte Aspekte Toxikologie Gehalt an Kontaminanten und Ruumlckstaumlnden allergenes Potenzial mikrobiologische Risiken

copy a

rka3

8sh

utte

rsto

ckc

om

19012017

INFOGRAFIK ZU INSEKTEN

Unerwuumlnscht inLebensmitteln

Gelangen Pyrrolizidinalkaloide (PA) in die Lebensmittelkette koumlnnen insbesondere 12-ungesaumlttigte PA dem Menschen schaden Seit Jahren

befasst sich das BfR mit der Frage welches gesundheitliche Risiko von 12-ungesaumlttigten PA in Lebensmitteln ausgeht Klar ist die PA-Kontami-

nation in der Lebensmittelkette sollte so gering wie moumlglich sein

LEBENSMITTELSICHERHEIT

20 BfR 2 GO

Unerwuumlnschte Stoffe die in die Lebensmittelkette gelangen koumlnnen fuumlr Verbraucherinnen und Verbraucher ein gesund-heitliches Risiko darstellen Ein Beispiel fuumlr solche Eintraumlge

sind 12-ungesaumlttigte Pyrrolizidinalkaloide (PA) Das sind Stoffe die von einigen Pflanzen als Schutz vor Fraszligfeinden gebildet werden Sie konnten zunaumlchst in Honig und anderen Bienenprodukten spaumlter auch in Tees Kraumlutertees und Gewuumlrzen aber auch in pflanzenba-sierten Nahrungsergaumlnzungsmitteln nachgewiesen werden

Toxische Wirkungen bei Mensch und Tier

Beim Menschen sind vereinzelt Vergiftungsfaumllle nach arzneilicher Einnahme von PA-haltigen Kraumlutertees und -erzeugnissen bekannt Weiterhin gibt es Berichte uumlber epidemische Lebererkrankungen mit Todesfaumlllen in Pakistan Indien Afghanistan Tadschikistan und der ehemaligen UdSSR nach Verzehr von Getreide das mit Samen von Heliotropium- oder Crotalaria-Arten kontaminiert war Aus der Nutztierhaltung ist das gehaumlufte Auftreten von Leberzirrhosen bei Schlachtrindern bekannt die mit Heu und Silage auch Alpenkreuz-kraut aufgenommen hatten Auch bei Pferden wurden mit Leberde-generation einhergehende durch PA im Futter verursachte Erkran-kungen die Seneciosen beobachtet

Die Leber ist das primaumlre Zielorgan von Schaumldigungen durch 12-ungesaumlttigte PA Jedoch koumlnnen auch die Lunge oder andere Organe betroffen sein Insbesondere bei Aufnahme houmlherer Dosen treten akute venookklusive Veraumlnderungen in der Leber (hepatic veno-occlusive disease HVOD) oder der Lunge auf In houmlheren Dosen wurden im Tierversuch mit 12-ungesaumlttigten PA auch ent-wicklungstoxische Effekte beobachtet Nach den vorliegenden tier- experimentellen Daten gilt die kanzerogene Wirkung von 12-un-gesaumlttigten PA als gesichert und ein entsprechendes Risiko fuumlr den Menschen wird in Betracht gezogen Vielfach zeigten Verbindungen die sich im Tierversuch als kanzerogen erwiesen in entsprechenden Mutagenitaumltstests eine genotoxische Wirkung

Wie 12-ungesaumlttigte PA in Lebensmittel gelangen koumlnnen

Nach bisherigem Kenntnisstand koumlnnen 12-ungesaumlttigte PA uumlber mehrere Wege in Lebensmittel gelangen In Deutschland sind Ver-unreinigungen vor allem in den Anbauflaumlchen von Nutzpflanzen mit PA-bildenden Wildkraumlutern wie z B bei Salaten mit Kreuzkraut oder Greiskraut aufgetreten Aus Afghanistan sind erhoumlhte Belastungen in Getreide bekannt Auch die Belastung von Tee und Kraumlutertee-Sor-ten mit PA wird auf eine Kontamination mit bestimmten Wildkraumlu-tern in den Anbauflaumlchen zuruumlckgefuumlhrt Auszligerdem koumlnnen Bienen-produkte wie Honig und Pollen mit PA belastet sein wenn die Tracht von bestimmten Wildpflanzen stammt 12-ungesaumlttigte PA koumlnnen auch uumlber verunreinigte Futtermittel in Milch Eier und Fleisch ge-langen Auch Nahrungsergaumlnzungsmittel koumlnnen auf der Basis von Pflanzen hergestellt sein die selbst 12-ungesaumlttigte PA bilden

Gesundheitliche Risiken durch belastete Lebensmittel

Das BfR hat 2016 eine Bewertung der gesundheitlichen Risiken durch 12-ungesaumlttigte PA erarbeitet Dabei wurde die Belastung aller wichtigen Lebensmittelgruppen beruumlcksichtigt fuumlr die aktuell Daten zum Vorkommen von 12-ungesaumlttigten PA vorliegen Bei der Bewertung wurde die genotoxisch-kanzerogene Wirkung als emp-findlichster Endpunkt zugrunde gelegt

copy F

eyya

z A

laca

ms

hutte

rsto

ckc

om

copy e

mbe

riza

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

21012017

Danach geht bei Kindern im Alter von sechs Monaten bis unter fuumlnf Jahren die Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA im Wesentlichen auf Kraumlutertee einschlieszliglich Rooibostee Schwarztee und Honig zuruumlck Fruumlchtetee Milch Eier und Fleisch tragen nur wenig zur Gesamtaufnahme von 12-un-gesaumlttigten PA bei Sieht man von bestimm-ten Nahrungsergaumlnzungsmitteln ab zeigt sich bei Erwachsenen ein aumlhnliches Bild Bei Erwachsenen ist der Beitrag von Honig zur Gesamtaufnahme an 12-ungesaumlttigten PA geringer und der von Gruumlntee houmlher als bei Kindern Bei hohen Gehalten koumlnnen Nahrungsergaumlnzungsmittel als zusaumltzliche Expositionsquelle zur Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber Lebensmittel beitragen Gewuumlrze und Kraumluter aber auch Mehle stellen moumlglicherweise eine relevante zusaumltzliche Expositionsquelle dar Fuumlr eine abschlieszligende Bewertung fehlen hier jedoch noch Daten

Obwohl in Einzelfaumlllen hohe Gehalte an 12-ungesaumlttigten PA in bestimmten Le-bensmitteln des allgemeinen Verzehrs nachgewiesen wurden haumllt das BfR nach derzeitiger Datenlage auch bei hoher Auf-nahme dieser Lebensmittel eine akute Ge-sundheitsschaumldigung fuumlr unwahrscheinlich Zur Abschaumltzung des potenziellen Risikos von genotoxisch-kanzerogenen Wirkungen legte das BfR wie international uumlblich den MOE-Ansatz (Margin of Exposure) zugrun-de Dabei wird ausgehend von Tierstudien angenommen dass fuumlr genotoxische Kan-zerogene ein MOE-Wert von 10000 oder houmlher aus Sicht der oumlffentlichen Gesundheit als wenig bedenklich und die Prioritaumlt fuumlr Maszlignahmen im Rahmen des Risikomanage-ments als niedrig angesehen werden kann Bei genotoxisch-kanzerogenen Stoffen kann keine Schwellendosis angenommen werden unterhalb derer keine unerwuumlnschten Wir-kungen mehr erwartet werden Daher gilt in der Europaumlischen Union die Empfehlung die Exposition gegenuumlber genotoxisch und kanzerogen wirkenden Substanzen so weit zu minimieren wie dies vernuumlnftig erreich-bar ist ndash das sogenannte ALARA-Prinzip (as low as reasonably achievable) Selbst geringe Aufnahmemengen koumlnnen insbesondere bei regelmaumlszligigem Verzehr mit einer Erhouml-hung gesundheitlicher Risiken verbunden sein

Die Bewertung des genotoxischen und kan-zerogenen Risikos erfolgt als Vergleich der Gesamtaufnahme uumlber verschiedene Tees Milch und Honig bei Kindern und Er-wachsenen auf der Basis verschiedener Ver-zehrszenarien mit dem BMDL10-Wert von

73 Mikrogramm pro Kilogramm Koumlrperge-wicht und Tag unter Berechnung des MOE Der BMDL10-Wert (Benchmark dose lower confidence limit 10) ist ein Schaumltzwert der niedrigsten Dosis die im Tierexperiment mit 95-prozentiger Sicherheit eine Krebsin-zidenz von nicht mehr als 10 Prozent ver-ursacht Alle Berechnungsansaumltze sowohl fuumlr Kinder als auch fuumlr die erwachsene Be-voumllkerung ergaben MOE-Werte deutlich unterhalb von 10000 Da nach Ansicht des Wissenschaftlichen Ausschusses der EFSA ein MOE erst ab einem Wert von mindes-tens 10000 aus Sicht der oumlffentlichen Ge-sundheit als wenig bedenklich anzusehen ist empfiehlt das BfR die Gesamtexposition mit PA aus allen Lebensmitteln so niedrig wie moumlglich zu halten und einen MOE von 10000 bei Beruumlcksichtigung der PA-Zufuhr aus allen Quellen nicht zu unterschreiten Dazu sollten die Bemuumlhungen fortgesetzt werden die PA-Gehalte in Lebensmitteln weiter zu senken

Forschungsansaumltze des BfR

Das BfR befasst sich seit einigen Jahren mit der Problematik der Verunreinigung von Lebensmitteln mit 12-ungesaumlttigten PA und verfolgt hierzu verschiedene Forschungs-ansaumltze Die Analytik der 12-ungesaumlttigten PA stellt aufgrund ihrer groszligen strukturel-len Vielfalt und des Vorkommens in unter-schiedlichen Lebensmitteln eine besondere Herausforderung dar In den letzten Jahren hat das BfR spezifische Nachweismethoden entwickelt und in Ringversuchen validiert Diese Methoden stehen auf der Homepage des BfR zur Verfuumlgung und koumlnnen z B in der Lebensmittel- und Futtermitteluumlberwa-chung eingesetzt werden

Neben der Entwicklung analytischer Me-thoden werden am BfR die molekularen Mechanismen der Toxizitaumlt von 12-unge-saumlttigten PA untersucht Hier stehen vor allem Untersuchungen zur strukturabhaumln-gigen Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber die Darmbarriere im Vordergrund Die Ergebnisse zeigen dass sich das Wirkungs-potenzial der 12-ungesaumlttigten PA aufgrund von Unterschieden im strukturabhaumlngigen Transport uumlber die Darmbarriere unter-scheiden kann Auch zeigten die getesteten Modellsubstanzen in einem Zellkulturmo-dell deutliche strukturspezifische Unter-schiede im Metabolismus Weitere Untersu-

Pflanzen die Pyrrolizidinalkaloi-de bilden finden sich vor allem in den Familien der Korbbluumltler (Asteraceae) der Raublatt- oder Borretschgewaumlchse (Boraginaceae) und der Huumllsenfruumlchtler (Faba-ceae)

22 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

chungen zu der Zerstoumlrung der sinusoidalen Endothelzellen durch 12-ungesaumlttigte PA sollen zum Verstaumlndnis der Mechanismen beitragen die zu den venookklusiven Ver-aumlnderungen in der Leber fuumlhren Auch wer-den Untersuchungen zur Metabolisierung nahrungsrelevanter Pyrrolizidinalkaloide durchgefuumlhrt Die Forschungsprojekte wer-den von der Deutschen Forschungsgemein-schaft (DFG) gefoumlrdert

Empfehlungen zur Reduktion der PA-Gehalte

Das BfR empfiehlt dass sich Management-maszlignahmen an der Vermeidung genoto-xisch-kanzerogener Effekte der 12-ungesaumlt-tigten PA als dem empfindlichsten Endpunkt orientieren Die Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA sollte fuumlr Verbrau-cherinnen und Verbraucher so gering wie moumlglich sein Dazu sollten die PA-Gehalte in Lebensmitteln so weit wie moumlglich sin-ken Dies gilt insbesondere fuumlr Kraumlutertees Rooibostee Schwarzen Tee und Gruumlnen Tee sowie bestimmte Nahrungsergaumlnzungsmit-tel Hier sollten Anbau- Ernte- und Reini-gungsmethoden weiterhin verbessert wer-den Auch die Auswahl der Rohhonige kann zu einer Reduzierung der Gehalte an 12-un-gesaumlttigten PA in verzehrfertigen Honigen beitragen Auszligerdem sind vor der Vermark-tung seitens der Lebensmittelunternehmer weiterhin Kontrollen in allen betroffenen Lebensmittelkategorien notwendig

Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das potenzielle gesundheitliche Risiko durch PA durch eine abwechslungsreiche Ernaumlh-rung verringern und so generell einseitigen Belastungen mit verschiedenen potenziell gesundheitsgefaumlhrdenden Stoffen vorbeu-gen Insbesondere fuumlr Kinder Schwangere und Stillende empfiehlt das BfR den taumlgli-chen Fluumlssigkeitsbedarf nicht ausschlieszliglich mit Kraumlutertee und Tee zu decken

Bei der Zubereitung von Salat Blattgemuumlse und Kraumlutern sollten Verbraucherinnen und Verbraucher Pflanzenteile aussortieren die sie keinen bekannten essbaren Pflanzen zu-ordnen koumlnnen

Wer Nahrungsergaumlnzungsmittel auf Pollen-basis oder auf Basis von Pflanzen einnimmt die 12-ungesaumlttigte PA bilden sollte sich bewusst sein dass diese Produkte 12-un-gesaumlttigte PA in houmlheren Konzentrationen enthalten koumlnnen

Mehr erfahrenStellungnahme Nr 0302016 des BfR vom 28 September 2016

Necinbase

Necinsaumlure

Die Struktur von PA

Chemisch handelt es sich um Ester aus einer Necinbase und aliphatischen Mono- oder Dicarbonsaumluren (Necin-saumluren) Aus toxikologischer Sicht besonders bedeutsam sind Pyrroli-zidinalkaloide mit 12-ungesaumlttigter Necinstruktur (12-ungesaumlttigte PA) Die 12-ungesaumlttigte Necinstruktur als gemeinsames Strukturmerkmal erlaubt grundsaumltzlich die Giftung durch Oxidation zum Dehydropyrrolizidin das durch seine alkylierenden Eigenschaf-ten fuumlr die genotoxische und karzino-gene Wirkung dieser Substanzgruppe verantwortlich ist

copy R

ukiM

edia

shu

tters

tock

com

copy J

iri H

era

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

23012017

Im suumldlichen Afrika spielt die Landwirt-schaft eine Schluumlsselrolle bei der Armuts-bekaumlmpfung Eine wachsende Produktion tierischer Lebensmittel bringt jedoch auch neue Herausforderungen an die Lebensmit-telsicherheit mit sich Das BfR-Forschungs-projekt bdquoSAD-Zambialdquo (bdquoStaphylococcus aureus in der Milchlebensmittelkette in Sambia ndash Bekaumlmpfung lebensmittelbeding-ter Erkrankungen und Antibiotikaresisten-zen beim Menschldquo) befasst sich damit wie die Produktion und der Vertrieb von Milch und Milchprodukten in Sambia sicherer gestaltet werden koumlnnen Ziel ist es zu be-werten in welchem Umfang das Bakterium Staphylococcus (S) aureus uumlber Milch und Milchprodukte auf den Menschen uumlbertra-gen wird In einem ersten Schritt werden Feldstudien in verschiedenen Provinzen des Landes durchgefuumlhrt um das Vorkommen dieses Erregers und moumlgliche Schwachstel-len in der Milchlebensmittelkette in Sambia zu analysieren Hierbei stehen Toxin-bil-dende S aureus-Staumlmme im Fokus Auszliger-dem wird untersucht in welchem Umfang Methicillin-resistente S aureus (MRSA) die gegen eine bestimmte Klasse von Antibio-tika resistent sind in der Milchlebensmit-

telkette vorkommen Die Bewertungsarbeit beinhaltet auch einen Vergleich traditio-neller und moderner Produktionssysteme Am BfR werden anschlieszligend die Analysen zu den Eigenschaften der gewonnenen Bakterienstaumlmme sowie stammvergleichen-de Untersuchungen durchgefuumlhrt In einem weiteren Schritt werden Ansatzpunkte zur Reduzierung der Bakterien sowie Methoden zum Monitoring von zoonotischen und An-tibiotika-resistenten S aureus in der Milch-lebensmittelkette in Sambia entwickelt So soll zum Verstaumlndnis der lebensmittelbe-dingten Risiken entlang der Milchlebens-mittelkette in Sambia beigetragen werden Das Projekt begann am 01072016 und laumluft drei Jahre Es wird vom Bundesminis-terium fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft gefoumlrdert und aus BfR-Mitteln co-finanziert Neben dem BfR beteiligen sich an dem For-schungsprojekt das International Livestock Research Institute die University of Zambia und das Central Veterinary Research Insti-tute als Teil des sambischen Ministeriums fuumlr Nutztiere und Fischerei Durch dieses Forschungsnetzwerk soll eine nachhaltige Partnerschaft aufgebaut werden

Mit dem Forschungsprojekt bdquoSAD-Zambialdquo leistet das BfR einen Beitrag zur Staumlrkung der Lebensmittelsicherheit und damit zur Ernaumlhrungssicherheit im suumldlichen Afrika Koordinatorin des Projekts ist Frau Dr Alexandra Fetsch Der sambische Doktorand Herr Bruno Phiri berichtet von seiner alltaumlglichen Arbeit Beide arbeiten in der Fach-gruppe bdquoMikrobielle Toxineldquo des BfR

POST AUS hellipSAMBIA

raquobdquoDas SAD-Zambia Projekt ist fuumlr mich ein Meilenstein und ich bin dem BfR sehr dankbar dass es mir diese Moumlglichkeit gibt Ich habe schon viel dazugelernt und konnte meine Kompetenzen bezuumlglich der Diagnose von Krankheitserregern verbessern Das Projekt bringt mich aber nicht nur persoumlnlich voran auch mein Land kann davon profitieren Mein Arbeitsalltag beginnt meist mit einem Besuch bei den Milchbauern und ihren Herden Dort schaue ich mir an wie die Kuumlhe gemolken werden und nehme Proben von den Tieren der Milch und der Umge-bung Auch in Milchsammelstellen und auf Maumlrkten nehme ich Proben Diese analysiere ich anschlieszligend im Labor an der Universitaumlt Schon jetzt freue ich mich auf die weiteren Untersuchungen der Bakterienstaumlm-me am BfR Ich war zu Beginn des Projektes dort ndash eine sehr eindrucks-volle Erfahrungldquo

(Bruno Phiri)

copy a

stud

ios

hutte

rsto

ckc

om

copy B

fR

24 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

Algengift in Tropenfischen

Bisher traten Lebensmittelvergiftungen durch Ciguato-xin ndash einem Algentoxin das in tropischen Speisefischen wie Barrakuda Schnapper oder Zackenbarsch enthalten sein kann ndash vorwiegend in den Tropen auf Mit dem zunehmenden Import von Fischen aus Suumldostasien haumlufen sich auch in Europa und seit 2012 in Deutschland Faumllle von Ciguatera Ein Problem dabei Eine Analyse-methode mit der Fisch routinemaumlszligig auf Ciguatoxine untersucht werden kann ist derzeit noch nicht verfuumlgbar Da weltweit nur wenige Labore auf den Nachweis von Ci-guatoxinen in Fischen spezialisiert sind wird im Projekt bdquoEuroCigualdquo der Europaumlischen Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit (EFSA) unter anderem an der Verbesserung entsprechender Analysemethoden und zum Vorkommen ciguatoxischer Fische in Europa geforscht Das BfR liefert fuumlr das Projekt Angaben zu Erkrankungsfaumlllen in Deutschland Die krankmachenden Algentoxine reichern sich uumlber die Nahrungskette in Raubfischen an und sind uumlberaus stabil Durch Erhitzen oder Tiefkuumlhlen lassen sie sich nicht entfernen Beim Menschen kann der Verzehr betroffener Fische dann zu Vergiftungen mit zum Teil schweren oder andauernden Beeintraumlchtigungen des Nervensystems fuumlhren An Ciguatera Erkrankte nehmen normale Kaumlltereize als ungewoumlhnlich schmerzhaft wahr

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt A-Z-Index Ciguatoxin

Alkaloide in Lupinensamen

In verarbeiteten Produkten oder zum Knabbern Lupinensamen sind im Trend Da sie jedoch toxikologisch relevante bittere Chinolizidinalkaloide enthalten koumlnnen bewertet das BfR ihr gesundheitliches Risiko Der Gehalt an Chinolizi-dinalkaloiden in Lupinensamen variiert je nach botanischer und geografischer Abstammung Samen die von bdquoBitterlupinenldquo stammen sind aufgrund ihrer houmlheren Gehalte ohne geeignete Vorbehandlung der bdquoEntbitterungldquo nicht zum Verzehr geeignet Denn Sie koumlnnen beim Menschen Vergiftungssymptome her-vorrufen Lupinenvarietaumlten die Samen mit niedrigen Alkaloidgehalten liefern werden als bdquoSuumlszliglupinenldquo bezeichnet Suumlszliglupinensamen sind auch ohne Entbitte-rung verzehrsfaumlhig In Deutschland kam es mit Bitterlupinensamen vereinzelt zu Vergiftungsfaumlllen Das BfR empfiehlt Herstellern daher nur ganze Lupinensamen in den Verkehr zu bringen die ohne weitere Entbitterungsprozesse verzehrsfaumlhig sind Mehl aus Lupinensamen sollten Hersteller aus alkaloidarmen oder ausrei-chend entbitterten Samen herstellen

Uumlbertragungswege des Hepatitis-E-Virus

Infektionen mit dem Hepatitis-E-Virus (HEV) koumlnnen zu einer akuten Leberentzuumlndung fuumlhren In den letzten Jahren sind die Zahlen gemeldeter Hepatitis-E-Faumllle des Menschen in Deutsch-land stark angestiegen Forschungsergebnisse des BfR in Zusam-menarbeit mit anderen Einrichtungen haben gezeigt dass das Virus in deutschen Haus- und Wildschweinen weit verbreitet ist Vereinzelt wurde HEV auch in Rehen und Rotwild nachgewiesen

Unklar ist derzeit noch auf welchen Wegen sich die Patienten mit dem Virus anstecken Moumlglich sind direkte Virusuumlbertra-gungen zum Beispiel vom Wildtier auf den Jaumlger und indirekte uumlber Lebensmittel die aus infizierten Tieren hergestellt wurden Wie aktuelle Studien des BfR zeigen kann HEV in verschiedenen Wurstwaren aus dem deutschen Einzelhandel nachgewiesen wer-den Fraglich ist ob das Virus in diesen Produkten noch anste-ckend ist oder ob es bei der Herstellung der Lebensmittel zerstoumlrt wird Hierfuumlr noumltige Untersuchungen waren in der Vergangenheit erschwert da sich HEV im Labor nur schlecht kultivieren lieszlig Erste Ergebnisse von Untersuchungen mithilfe eines am BfR ent-wickelten neuartigen Zellkultur-Systems weisen darauf hin dass HEV hitzeempfindlich ist aber bei Kuumlhlung oder Raumtempera-tur mehrere Wochen infektioumls bleiben kann

SPEKTRUM

copy N

eil B

urto

nsh

utte

rsto

ckc

om

copy N

atal

ia M

ylov

ash

utte

rsto

ckc

om

copy iS

tock

com

Mee

Poo

hyap

hoto

25012017

bdquoNur eine gemeinsame Strategie ist effektivldquo

Frau Kaumlsbohrer ein zentrales Thema Ihrer Forschung sind Antibiotikaresis-tenzen In der oumlffentlichen Debatte wird oft ein Zusammenhang hergestellt zwi-schen dem haumlufigen Einsatz von Anti-biotika in der Nutztierhaltung und dem Auftreten resistenter Bakterien in der Humanmedizin Doch werden bei Tieren nicht andere Antibiotika eingesetzt als bei MenschenUm die Unterschiede zu erlaumlutern muss man zwischen Praumlparaten und den antibiotischen Wirkstoffgruppen unterscheiden Beim Tier verwenden Veterinaumlrmediziner ande-re Praumlparate als Aumlrzte beim Menschen Der wirksame Inhaltsstoff das Antibiotikum kann aber dasselbe sein Die Antibiotika lassen sich wiederum in Wirkstoffgruppen einteilen Mit Blick auf die Wirkstoffgrup-pen gilt Die meisten Antibiotika die beim Menschen eingesetzt werden gehoumlren zu Wirkstoffgruppen die wir auch in der Vete-rinaumlrmedizin nutzen Es gibt nur ganz weni-ge Antibiotikagruppen die nur auf der einen oder der anderen Seite verwendet werden Dazu gehoumlren zum Beispiel die Carbapene-me die nicht beim Nutztier eingesetzt wer-den duumlrfen In der Humanmedizin kommen sie insbesondere zum Einsatz wenn andere Antibiotika nicht mehr wirksam sind

bdquoEine Resistenz ge-gen einen bestimm-ten Wirkstoff kann sich auch ausbrei-ten obwohl diese Wirkstoffgruppe nicht eingesetzt wurde

Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer leitet am BfR die Fachgruppe bdquoEpide-miologie Zoonosen und Antibiotika-resistenzldquo die unter anderem auch das Nationale Referenzlabor fuumlr Antibiotika- resistenzen umfasst Seit April 2016 ist sie auszligerdem Professorin an der Vetmeduni Vienna und leitet dort das Institut bdquoOumlffentliches Veterinaumlrwesenldquo

Wenn sie beim Nutztier nicht eingesetzt werden duumlrfen wie kann es dann sein dass Sie am BfR im Rahmen des For-schungsprojekts RESET Carbapene-mase-bildende Bakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden gefunden habenDie Entstehung von Antibiotikaresistenzen ist ein natuumlrlicher Vorgang bei Bakterien Durch den Gebrauch von Antibiotika wird dieser Prozess beschleunigt Eine Resistenz gegen einen bestimmten Wirkstoff kann sich auch ausbreiten obwohl diese Wirk-stoffgruppe nicht eingesetzt wurde Dank der Selektion gilt meist Wenn ich einen Wirkstoff einsetze gebe ich jenen Bakterien einen Vorteil die gegen den Wirkstoff resis-tent sind Aber Carbapenemasen also die Enzyme die von Carbapenem-resistenten Bakterien gebildet werden koumlnnen neben den Carbapenemen auch fast alle anderen

Bakterien die gegen Antibiotika resistent sind stellen ein Risiko fuumlr die oumlffentliche Gesundheit dar Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer widmet sich am BfR dieser Problematik Im Gespraumlch erklaumlrt sie welche Faktoren bei der Ausbreitung von Resistenzen eine Rolle spielen

copy M

icha

el B

ernk

opf

Vetm

edun

i Vie

nna

26 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

β-Laktam-Antibiotika inaktivieren Theo-retisch ist es daher moumlglich dass sich eine Resistenz gegen Carbapeneme ausbreitet obwohl der Tierarzt beim Nutztier eine an-dere Wirkstoffgruppe eingesetzt hat Ist die Resistenz bei Bakterien vorhanden gibt es viele Ausbreitungswege Ein Stall ist kein steriler Ort sondern belebte Umwelt Moumlg-liche Eintragswege fuumlr resistente Bakterien in einen Stall sind z B belebte Vektoren wie neu eingestallte Tiere Maumluse Fliegen oder Voumlgel aber auch unbelebte Vektoren wie Futter Wasser Staub oder Geraumltschaften

Was hat sich seit dem Fund der Carba-penemase-bildenden Enterobakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden fuumlr Ihre Arbeit beim BfR geaumlndert Der Fund hatte vielfaumlltige Konsequenzen Wir haben vor allem die gezielten Untersu-chungsaktivitaumlten verstaumlrkt Bakterien-Iso-late aus Tierbestaumlnden und Lebensmitteln werden seit 2014 im Rahmen des Resistenz-monitorings im BfR routinemaumlszligig auf eine Carbapenem-Resistenz getestet Auszligerdem steht seit 2015 fuumlr den Nachweis von Carba-penemase-bildenden Bakterien ein weiteres gezieltes Nachweisverfahren zur Verfuumlgung Hierzu muumlssen die Labore geschult werden Zusaumltzlich werden im Nationalen Refe-renzlabor fuumlr Antibiotikaresistenz am BfR Carbapenemase-verdaumlchtige Bakterien auf die charakteristischen Resistenzgene hin un-tersucht Am BfR wurden hierfuumlr verschie-dene Methoden fuumlr die Untersuchung von E coli und Salmonella etabliert Bisher wur-den sehr selten solche Resistenzgene nach-gewiesen bei Nutztieren das Gen blaVIM-1 bei einem Wildvogel das Gen blaNDM-1

Oftmals sind die Resistenzgene gegen Carbapeneme zusammen mit anderen Resistenzgenen auf mobilen geneti-schen Elementen lokalisiert Warum ist hier besondere Vorsicht gebotenZunaumlchst ist die Trefferwahrscheinlichkeit fuumlr eine Selektion houmlher wenn mehrere Re-sistenzgene auf einem genetischen Element liegen d h der Einsatz verschiedener Anti-biotika kann zu einem Selektionsvorteil fuumlh-ren Die Lokalisation von Resistenzgenen auf mobilen genetischen Elementen spielt fuumlr die Uumlbertragbarkeit von Resistenzen eine wichtige Rolle Denn Diese Resistenzgene koumlnnen mittels horizontalem Gentransfer auf ganz unterschiedliche Bakteriengruppen uumlbertragen werden Diese Erkenntnis hat eine Art Revolution ausgeloumlst Lange Zeit wurde ein Erreger mit all seinen Eigenschaf-ten als Einheit betrachtet Kann die Resis-tenz aber zwischen Bakteriengruppen hin

und her uumlbertragen werden verfaumllscht das moumlglicherweise den Blick auf eine Gruppe Folglich mussten die Nachweisverfahren umgestellt und die Uumlbertragbarkeit von Re-sistenzen mit analysiert werden Erschwe-rend kommt hinzu dass ein Resistenzgen auf einem grundsaumltzlich ungefaumlhrlichen

Bakterium zum Problem werden kann Manche Bakterien wie beispielsweise E coli gehoumlren zur normalen Darmflora Traumlgt so ein Bakterium eine Resistenzeigenschaft ist das erstmal nicht gefaumlhrlich Aber Es kann diese Eigenschaft moumlglicherweise an einen Infektionserreger weitergeben

Welche konkreten Folgen kann eine solche Weitergabe von Resistenzeigen-schaften habenSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt Schon jetzt weichen Aumlrzte auf Wirk-stoffgruppen aus die in der Humanmedizin lange verpoumlnt waren Dies gilt zum Beispiel fuumlr Colistin Fuumlr den Menschen ist es nicht gut vertraumlglich moumlgliche Nebenwirkun-gen sind beispielsweise die Schaumldigung der Nieren oder des Nervensystems In der Ve-terinaumlrmedizin hat Colistin seit Jahrzehnten eine erhebliche Bedeutung vor allem fuumlr die Behandlung von Infektionen des Ma-gen-Darm-Traktes bei Nutztieren auch um andere Wirkstoffgruppen zu vermeiden

Spielt im Fall von Colistin die Mobilitaumlt des Resistenzgens auch eine besonde-re Rolle Inzwischen ja Bis Ende 2015 waren sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler einig Eine Colistin-Resistenz ist nicht uumlbertragbar Das heiszligt kommt eine solche Resistenz bei einem Infektionserreger beim Nutztier vor ist sie nicht per se auf ein hu-manpathogenes Bakterium uumlbertragbar Doch Ende 2015 wurde in China erstmals das uumlbertragbare Gen mcr-1 beschrieben Untersuchungen in Belgien haben spaumlter zur Beschreibung eines weiteren mobilen Gens fuumlr die Colistin-Resistenz bei Nutztieren

bdquoSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

27012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Ausbreitung von Resistenzen

Haustiere

Krankenhaus

Belastetepflanzliche Lebensmittel

Belastete tierische Lebensmittel

Nutztiere

Futtermittel

Schaumldlinge

Uumlbertragungswege resistenter Bakterien

Menschen

Eine Antibiotikaresistenz entsteht

(z B durch Mutation)

Antibiotikatherapie beguumlnstigt die

Selektion resistenter Bakterien

Nahrung

Duumlnger Abwasser

Abwasser

28 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

gefuumlhrt mcr-2 Das bedeutet eine Uumlbertra-gung der durch diese Gene vermittelten Re-sistenz auf ein humanpathogenes Bakterium ist theoretisch moumlglich Allerdings scheint dies bisher selten der Fall zu sein

Diese Erkenntnisse offenbaren einen groszligen Forschungsbedarf Was tun Sie in der Abteilung bdquoBiologische Sicher-heitldquo um das Risiko zu bewerten Als 2015 klar wurde dass es eine uumlbertrag-bare Colistin-Resistenz gibt haben wir diese neue Erkenntnis in den laufenden Projekten natuumlrlich sofort aufgegriffen Im Rahmen des Forschungsprojekts RE-SET haben wir zum Beispiel vorhandenes Bakterienmaterial und die bei unseren Ko-operationspartnern verfuumlgbaren Gesamt-genominformationen auf das Vorkommen dieses neuen Resistenzgens gepruumlft Schnell war klar Ja dieses Gen finden wir in den Sequenzen Und die Pruumlfung von Colis-tin-resistenten Isolaten aus unserer Stamm-sammlung hat bestaumltigt dass dieses Resis-tenzgen bereits weit verbreitet ist

Muumlssen nun neue Forschungsprojekte zu dem Thema initiiert werdenJa denn viele Fragen bleiben bislang offen Wie haumlufig wird die Resistenz tatsaumlchlich uumlbertragen Was triggert diese Uumlbertra-gung Es gibt auch diagnostische Probleme Das uumlbliche Verfahren in der Humanmedi-zin um Resistenzen zu testen umfasst in der Regel nicht die Resistenz gegen Colistin Es gibt also viel zu tun Neue Diagnose- und Typisierungsverfahren aufbauen unser Re-sistenzmonitoring erweitern und routine-maumlszligig phaumlnotypisch resistente Isolate auf das Gen pruumlfen Die Ergebnisse muumlssen wir dann uumlbergreifend bewerten um Hand-lungsoptionen aufzuzeigen

Welche Uumlbertragungswege spielen bei der Colistin-Resistenz fuumlr den Men-schen eine Rolle Mit Sicherheit koumlnnen wir das derzeit nicht sagen Die chinesische Arbeitsgruppe hat Colistin-Resistenzen sowohl im Schweine-fleisch als auch beim Menschen gefunden Daher liegt die Hypothese nahe dass es eine Uumlbertragung uumlber Lebensmittel gibt Gleichzeitig gibt es generell die Beobachtung von nosokomialen Ausbreitungen resisten-ter Bakterien Das sind Ausbreitungen von Antibiotikaresistenzen im Krankenhaus

Resistenzen breiten sich aus Wunder-waffen verlieren ihre Wirkung selbst im Krankenhaus sind wir nicht sicher Gibt es uumlberhaupt eine effiziente Strategie gegen die Ausbreitung der Antibiotika- resistenzen Und wer ist dabei gefor-dertUm die Ausbreitung von Antibiotika- resistenzen zu verhindern braucht es eine gemeinsame Strategie Schlieszliglich sind hier komplexe Zusammenhaumlnge zwischen Mensch Tier und Umwelt am Werk Am BfR streben wir deswegen eine enge Zu-sammenarbeit mit allen Akteuren im oumlffent-lichen Gesundheits- und Veterinaumlrwesen an Bei diesem bdquoOne Health-Ansatzldquo sind sowohl Veterinaumlr- als auch Humanmedizi-ner gefordert Auch Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

Was sollten Verbraucherinnen und Ver-braucher beachtenHier gelten dieselben Hygieneregeln die auch fuumlr andere vom Tier oder vom Le-bensmittel auf den Menschen uumlbertragba-re Krankheitserreger gelten Zum Beispiel sollten sie sich nach dem Kontakt mit Tie-ren die Haumlnde mit warmem Wasser und Seife waschen Auch nach der Zubereitung von rohem Fleisch sollten die Haumlnde gruumlnd-lich gewaschen werden Fleisch Eier und Rohmilch sollten vor dem Verzehr durcher-hitzt werden Rohkost und Obst sollten vor dem Verzehr gruumlndlich mit Trinkwasser gewaschen oder geschaumllt werden Weiterhin wichtig ist den direkten oder indirekten Kontakt von rohem Fleisch und rohen Ei-ern mit verzehrfertigen Speisen die spaumlter nicht mehr erhitzt werden zu vermeiden Durch die Einhaltung der Hygieneregeln kann man einer Uumlbertragung von resisten-ten und oder pathogenen Bakterien auf an-dere Lebensmittel vorbeugen

Mehr erfahren Irrgang et al 2017 Recurrent detection of VIM-1-producing Escherichia coli clone in German pig production Journal ofAntimicrobial Chemotherapy 72 3 944ndash946

bdquoVerbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

RESET

Der Forschungsverbund RESET ndash Antibiotika-Resistenzen bei Tier und Mensch ndash beschaumlftigte sich von 2010 bis 2017 mit Resistenzen gegen die besonders wichtigen Antibiotika-Klas-sen der β-Laktam-Antibiotika und (Fluor-)Chinolone bei Darmbakterien wie Escherichia (E) coli Sind Bak-terien gegen beide Wirkstoffklassen resistent werden die therapeutischen Moumlglichkeiten drastisch eingeschraumlnkt Bei E coli und Salmonella enterica wurden derartige Resistenzen bereits nachgewiesen Das BfR beteiligte sich mit zwei Projekten an dem Forschungs-verbund Durch das konsequente Zusammenfuumlhren von Ergebnissen der unterschiedlichen Forschungsgebiete in einer gemeinsamen Datenbank konnten Erkenntnisluumlcken geschlossen und Risiken bewertet werden Das Projekt wurde vom Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) gefoumlrdert

29012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Kann es durch die Mischung verschiedener Pestizid-Ruumlckstaumlnde beim taumlglichen Verzehr zu gesundheitsgefaumlhrdenden Belastungen kommen

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

30 BfR 2 GO

Wenn von Paradigmenwechseln die Rede ist findet meist ein grundlegendes Umdenken statt In der Risikobewertung von Chemikalien habe ein Paradigmenwechsel stattge-

funden der die traditionelle Einzelsubstanz-Bewertung hinter sich lasse schrieben BfR-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler vor einiger Zeit Man koumlnnte meinen in der Toxikologie wird der Paracelsus-Satz kuumlnftig umgeschrieben Nicht nur die Dosis son-dern auch die Aufsummierung der Dosierungen in einer Mischung macht das Gift

Gift- oder Todescocktail ndash plakative Medienbegriffe

Denn tatsaumlchlich In den letzten Jahren beschaumlftigen sich weltweit immer mehr Gremien politische Ausschuumlsse und Forschungspro-jekte mit der Frage wie man die Auswirkungen von Mischungen auf Umwelt und Gesundheit kuumlnftig bewerten kann Auch in der Oumlffentlichkeit wird das Thema emotional verhandelt Chemikali-enmix Gift- oder sogar Todescocktail ndash mit plakativen Begriffen umschreiben Medien das Phaumlnomen der Mehrfachruumlckstaumlnde Entsprechend tief sitzt die Angst bei Verbraucherinnen und Ver-brauchern In einer vom BfR in Deutschland durchgefuumlhrten re-praumlsentativen Wahrnehmungsstudie vermuten 80 Prozent der Befragten dass der Einsatz mehrerer unterschiedlicher Pflanzen-schutzmittel zu gesundheitlichen Beeintraumlchtigungen durch Le-bensmittel fuumlhren kann

Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck sein

Zwar zeigen verschiedene aktuelle Monitoring-Projekte dass das gesundheitliche Risiko durch Mehrfachruumlckstaumlnde von Pflanzen-schutzmitteln unwahrscheinlich ist (s Interview) aber das Thema bleibt auch fuumlr die Wissenschaft draumlngend Denn auch wenn Mi-schungen schon seit Jahrzehnten wissenschaftlich analysiert und bewertet werden das Beduumlrfnis nach einer zuverlaumlssigen Bewertung der Risiken fuumlr Mensch und Umwelt steigt Grund dafuumlr ist zum einen die Vielzahl immer neuer Wirkstoffe Zusatzstoffe Chemika-lien Ruumlckstaumlnde und Kontaminanten gegenuumlber denen Menschen exponiert sind verbunden mit immer verfeinerten wissenschaftli-chen Nachweismethoden Zum anderen steigt der Druck aus der Oumlffentlichkeit Um wissenschaftliche Divergenzen zu vermeiden muumlssen transparente und international harmonisierte Verfahren entwickelt werden Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck in der Risikobewertung sein

Alle Gemische im Tierversuch zu testen ist nicht durchfuumlhrbar

Worum geht es im Einzelnen Mischungen liegen immer dann vor wenn ein Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt verschiedene Stoffe gleichzeitig aufnimmt z B Ruumlckstaumlnde Kontaminanten oder Chemikalien die nach der Europaumlischen Chemikalienverordnung REACH registriert sind Das geschieht wenn sogenannte intentional mixtures also beabsichtigte Mischungen wie Pflanzenschutzmittel oder Biozide in den Verkehr gebracht werden Aber auch unintenti-onal mixtures nimmt der Koumlrper auf Sei es dass verschiedene Stoffe in einem Produkt enthalten sind z B mehrere Pflanzenschutzmit-telruumlckstaumlnde in einem Apfel Oder sei es dass Stoffe gleichzeitig uumlber unterschiedliche Produkte aufgenommen werden In all diesen Faumlllen koumlnnen Mischungseffekte auftreten Diese sind je nach Wirk-mechanismus unterschiedlich stark ausgepraumlgt So koumlnnen sich die Wirkungen von Stoffen gegenseitig potenzieren oder auch aufheben Nach derzeitigem Kenntnisstand wird davon ausgegangen dass sich Wirkungen in der Regel addieren wenn die aufgenommenen Stoffe oberhalb der Wirkschwelle liegen den gleichen Wirkmechanismus haben und zu einem relevanten Zeitpunkt vom Organismus aufge-nommen wurden

Hier beginnen die Schwierigkeiten Es gibt zu viele intentional mix-tures die eine nahezu unuumlbersehbar groszlige Anzahl von Kombinati-onen ermoumlglichen Diese Gemische alle im Tierversuch zu testen wie sonst bei Einzelsubstanzen uumlblich waumlre sowohl ethisch nicht zu vertreten als auch praktisch nicht durchfuumlhrbar Daher arbeiten viele Forschungsprojekte u a der EU-Kommission daran tierversuchs-freie Methoden fuumlr die kumulative Bewertung zu entwickeln die die Effekte von Mischungen in vitro oder durch computergestuumltzte Be-rechnungen in silico berechnen (s Interview und Kasten)

Weltweit setzen Laumlnder das Thema auf ihre Agenda

Nicht nur fuumlr die Wissenschaft auch fuumlr den harmonisierten Voll-zug von Gesetzen ergeben sich dadurch neue Herausforderungen So schreibt z B die EU-Verordnung uumlber das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vor Kumulations- und Synergieeffekte zu be-ruumlcksichtigen ndash sofern es von der Behoumlrde anerkannte wissenschaft-liche Methoden zur Messung solcher Effekte gibt Doch die lagen bisher nicht vor Deshalb werden nun auf allen Ebenen technische Leitfaumlden fuumlr die neuen Methoden erstellt um eine harmonisierte

Auf die Mischung kommt es anKumulative Risikobewertung nimmt weltweit eine immer groumlszligere Bedeu-tung in der Toxikologie ein Das BfR arbeitet an einer Vielzahl von Projek-ten wie Mischungen in Zukunft bewertet werden koumlnnen

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

31012017

Vorgehensweise und transparente Nachvollziehbarkeit bei der Zu-lassung von Produkten zu gewaumlhrleisten Unter anderem die EFSA die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmittelsicherheit die Europauml-ische Chemikalienagentur ECHA und das JRC die Gemeinsame Forschungsstelle der Europaumlischen Kommission erarbeiten solche technischen Leitfaumlden

Neben der wissenschaftlichen Komplexitaumlt muumlssen diese techni-schen Leitfaumlden weitere Herausforderungen meistern Sie sollen fuumlr alle Bereiche gelten in denen Mischungen in Verkehr gebracht werden oder entstehen koumlnnen Bisher wurden Mischungen haumlufig nur in einem regulatorischen Bereich untersucht z B als Pflan-zenschutzmittel Biozid oder Arzneimittel Fuumlr andere Stoffe wie Lebensmittelzusatzstoffe oder Kontaminanten war die Bewertung von Mischungen bisher nicht klar gesetzlich reguliert In Zukunft sollen auch diese Stoffe bei einer Bewertung von Mischungen besser beruumlcksichtigt werden Auch soll nicht nur die chemische Zusam-mensetzung eines einzelnen Produktes systematisch bei der Zu-lassung beruumlcksichtigt werden sondern auch Mehrfachruumlckstaumlnde im gesamten Warenkorb den Verbraucherinnen und Verbraucher durchschnittlich zu einer gegebenen Zeit konsumieren Und zu gu-ter Letzt muumlssen die neuen Verfahren weltweit harmonisiert werden um das kumulative Risiko fuumlr Mensch und Umwelt auch angesichts globaler Warenketten gering zu halten Deshalb diskutieren Politik und Wissenschaft zurzeit nicht nur auf europaumlischer Ebene entspre-chende Leitfaumlden auch andere Laumlnder weltweit sowie die Weltge-sundheitsorganisation WHO und die Organisation fuumlr wirtschaftli-che Zusammenarbeit und Entwicklung OECD haben die kumulative Bewertung auf ihre Agenda genommen und stimmen ihre Guidance Documents mit den uumlbrigen Behoumlrden ab

Deutschland wendet die kumulative Bewertung schon an

Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR sind an zahlreichen dieser internationalen Projekte beteiligt sowohl an der wissenschaftlichen Erforschung kumulativer Effekte als auch an der Entwicklung technischer Leitfaumlden Einen wichtigen Schritt bei der kumulativen Bewertung hat Deutschland in der Europaumlischen Uni-

Stufe um Stufe zu einer gesicherten Bewertung

Seit Maumlrz 2017 wird in Deutschland eine Methodik fuumlr die Bewertung von Kumulations- und Synergie-effekten bei der gesundheitlichen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln in den Zulassungsverfahren angewandt Grundlage fuumlr das gestufte kumulative Bewertungsverfahren ist der sogenannte bdquoHazard Quotientldquo (HQ) der fuumlr jeden einzelnen Stoff ermit-telt wird Der HQ errechnet sich aus dem Verhaumlltnis zwischen dem relevanten gesundheitlichen Grenz-wert und der geschaumltzten Exposition

In einer ersten Stufe wird der HQ fuumlr alle Stoffe eines Gemisches einzeln ermittelt Liegt der HQ jedes Stoffes unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko fuumlr die einzelnen Bestandteile der Mischung zu erwarten Liegt dieser bei einzelnen Stoffen uumlber 1 wird gepruumlft ob die Exposition durch geeignete Maszlignahmen weiter vermindert werden kann zum Beispiel durch das Tragen entsprechender Schutz-kleidung

Liegt der HQ fuumlr alle Komponenten unter 1 wird in einer zweiten Stufe der sogenannte bdquoHazard Indexldquo (HI) des Gemisches ermittelt indem alle Gefahren-quotienten der verwendeten Stoffe addiert werden Liegt der ermittelte Wert weiterhin unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko durch das Gemisch zu erwarten

Liegt der HI uumlber 1 geht die Bewertung mit weiter verfeinerten Methoden in die dritte Stufe uumlber In dieser wird gepruumlft ob ein gesundheitliches Risiko vorliegt wenn eine Gruppierung der Einzelstoffe vorgenommen wird Dazu koumlnnen die einzelnen Stoffe in kumulative Bewertungsgruppen (cumula-tive assessment groups CAGs) eingeteilt werden die z B nach Effekten im gleichen Zielorgan oder nach dem gleichen Wirkmechanismus oder nach chemischer Verwandtschaft definiert sein koumlnnen Hintergrund dieser Einteilung ist die Annahme dass sich nach gegenwaumlrtigem Kenntnisstand nur Effek-te addieren die hinsichtlich der Zielorgane oder der Wirkmechanismen (MOA) vergleichbar sind Auch die relative Potenz der einzelnen Stoffe soll bei der verfeinerten Bewertung beruumlcksichtigt werden Liegt der HI innerhalb einer CAG unter 1 ist deshalb kein gesundheitliches Risiko zu erwarten Liegt er oberhalb des Wertes und koumlnnen weder Expositionsschaumltzung noch Gefahrenbewertung weiter verfeinert werden gilt das Gemisch als nicht sicher

Das mehrstufige Verfahren hat den Vorteil dass die ressourcenaufwendigeren Methoden zur verfei-nerten Bewertung z B in vergleichbaren CAGs oder MOAs nur zum Einsatz kommen wenn mit den ersten einfacheren Bewertungsmethoden nicht nachweisbar ist dass kein gesundheitliches Risiko zu erwarten ist

copy T

atom

mis

tock

com

32 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

EuroMix A tiered strategy for risk assessment of mixtures of multiple chemicals

EuroMix ist ein laumlnderuumlbergreifendes Projekt der EU-Kommission das die nie-derlaumlndische Behoumlrde fuumlr Gesundheit und Umweltschutz RIVM koordiniert Es zielt darauf ab eine tierversuchsfreie experi-mentelle Test-Strategie zu entwickeln um die Toxizitaumlt von Gemischen verschiedener toxikologisch relevanter Lebensmittelin-haltsstoffe Lebensmittelkontaminanten und Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde besser zu bestimmen Aus den Forschungsergeb-nissen wird ein Leitfaden fuumlr die kuumlnftige Umsetzung einer experimentellen Test-Stra-tegie entwickelt Das Acht-Millionen-Eu-ro-Projekt laumluft bis Mai 2019

Mehr erfahren wwweuromixprojecteu

Kombinationseffekte Forschungsprojekte des BfR

Am BfR werden in verschiedenen Abteilungen mehrere interne Forschungsprojekte zu Kombinationseffekten durch-gefuumlhrt Dazu gehoumlren u a Forschungsprojekte zu kumulativen Wirkungen in Pflanzenschutzmitteln und Bioziden zu Mehrfachruumlckstaumlnden in Lebensmitteln zur Expositionsschaumltzung sowie zu wirbeltierfreien Alternativmethoden Daruumlber hinaus ist und war das BfR auch an folgenden Drittmittel-Projekten beteiligt die zu Kombinationseffekten forschen

Combiomics Analyse von Kombinationseffekten von Pestiziden in vitro

Combiomics war ein zweieinhalbjaumlhri-ges Projekt des Bundesministeriums fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) das im Fruumlhling 2016 abgeschlossen wurde In dem vom BfR koordinierten Projekt wurden moumlgliche Kombinationswirkungen durch Mehrfachruumlckstaumlnde beispielhaft anhand einer Gruppe von Fungiziden in vitro unter-sucht Dazu wurden die molekularen Effek-te der Triazole mittels multi level omics und praumldiktiver mathematischer Modellierung untersucht Ausgehend von den Ergebnissen wurde ein Praumldiktionsmodell fuumlr Substanz-kombinationen erstellt validiert und auf Pestizide anderer Stoffgruppen bzw weitere Substanzklassen ausgedehnt um Kombi-nationseffekte kuumlnftig weitgehend ohne Tierversuche durchfuumlhrbar zu machen

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschung gt Drittmittelprojekte gt Combiomics

Combiomics 2Auch die zweite Projektphase von Com-biomics wird vom BfR koordiniert Hier sollen erfolgreich getestete Methoden und Zelllinien in Form einer standardisierten In-vitro-Testbatterie validiert und in ein Standardverfahren integriert werden das auch kuumlnftigen regulatorischen Anforde-rungen entspricht Das dreijaumlhrige Projekt wird vom BMBF bis Ende 2019 gefoumlrdert

Mehr erfahren wwwfisaonlinede gt Kombinationseffekte Pestizide

on schon jetzt unternommen Am 1 Maumlrz 2017 erschien im Bundesanzeiger eine Be-kanntmachung dass Kumulations- und Synergieeffekte in der gesundheitlichen Be-wertung von Pflanzenschutzmitteln kuumlnf-tig durch das BfR beruumlcksichtigt werden Damit bezieht Deutschland bei der zonalen Zulassung von Pflanzenschutzmitteln eine systematische kumulative Bewertung ein

Ein Leitfaden zur kumulativen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln wurde am BfR erarbeitet basierend auf den internatio-nalen Diskussionen bei EFSA und ECHA und 2014 veroumlffentlicht Seitdem wird das Verfahren am BfR angewandt uumlberpruumlft und verfeinert Im Kern geht es darum in einem mehrstufigen Verfahren verschie-dene Wirkstoffe in einem Pflanzenschutz-mittel oder in einer beantragten Tankmi-

schung kumulativ zu bewerten (s Kasten) Dazu werden sowohl die Exposition der Anwenderinnen und Anwender als auch die akute Exposition der Verbraucherinnen und Verbraucher betrachtet sodass die am meisten exponierten Gruppen beruumlcksich-tigt sind

Das Ziel Mischungen weltweit harmonisiert zu bewerten

Die Einfuumlhrung der Konzepte zur kumu-lativen Bewertung von Pflanzenschutzmit-teln hat auch in anderen EU-Laumlndern Aus-wirkungen auf die Risikobewertung Wenn Deutschland im zonalen Zulassungsverfah-ren bewertender Mitgliedstaat ist wird das Verfahren grundsaumltzlich angewandt Aber auch in die Bewertungsberichte anderer Laumlnder flieszligt die kumulative Bewertung als

deutscher Kommentar mit ein Durch den fachlichen Austausch zwischen den Mit-gliedstaaten wurde das Konzept in den letz-ten Jahren einem Peer-Review unterzogen Um die Praxis europaweit noch besser zu harmonisieren werden derzeit auszligerdem internationale Workshops organisiert auf denen diskutiert wird wie Mischungen bei der Risikobewertung kuumlnftig beruumlcksichtigt werden sollen Das BfR veranstaltet einen solchen Workshop im November 2017 im Auftrag der Europaumlischen Kommission die Franzoumlsische Behoumlrde fuumlr gesundheitlichen Verbraucher- Umwelt- und Arbeitsschutz (ANSES) einen weiteren im Februar 2018 unter aktiver Beteiligung des BfR

Das Ziel Mischungen weltweit harmoni-siert zu bewerten um Mensch und Umwelt besser zu schuumltzen ruumlckt damit naumlher

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

33012017

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

bdquoZiel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertungldquo Interview mit Herrn Dr Roland Solecki uumlber die Forschungsaktivitaumlten des BfR zu Mehrfachruumlckstaumlnden

Herr Solecki bei Mehrfachruumlckstaumlnden von Pflanzenschutzmitteln sprechen die Medien oft von einem bdquoGiftcocktailldquo Haben Sie Erkenntnisse daruumlber wie groszlig das gesundheitliche Risiko tat-saumlchlich istDas BfR hat dazu gemeinsam mit dem Bun-desministerium fuumlr Ernaumlhrung und Land-wirtschaft und dem Bundesamt fuumlr Ver-braucherschutz und Lebensmittelsicherheit einen Bericht uumlber die kumulativen Wir-kungen von Pflanzenschutzmitteln veroumlf-fentlicht Dieser basiert auf einer Methodik der niederlaumlndischen Behoumlrde fuumlr Gesund-heit und Umweltschutz RIVM Hintergrund ist ein Monitoring das uumlber einen Zeitraum von sechs Jahren in Deutschland durchge-fuumlhrt wurde Darin wurde untersucht wel-che Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde durch-schnittlich uumlber Lebensmittel aufgenommen werden Das Ergebnis war dass auch unter Worst-Case-Annahmen fuumlr die Mischungen von Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnden ein gesundheitliches Risiko unwahrscheinlich ist Die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit EFSA kam in ihrem Monito-ring-Bericht von 2015 fuumlr Gesamteuropa zu einem aumlhnlichen Ergebnis

Sie arbeiten unter anderem bei dem Pro-jekt EuroMix mit Worum geht es dabeiEs handelt sich um ein groszliges Forschungs-projekt der EU-Kommission zur kumulati-ven Bewertung von Mischungen im Rahmen von Horizont 2020 dem Rahmenprogramm der Europaumlischen Union fuumlr Forschung und Innovation Das Projekt hat zum Ziel neue Bewertungsmethoden fuumlr Mischungseffekte zu erarbeiten besonders auch im Hinblick auf Alternativen zu Tierversuchen innovati-ve Wege der Expositionsschaumltzung und Mo-dellierung von kumulativen Risiken Dabei geht es nicht nur um Pflanzenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatzstoffe und andere Chemikalien

Wie ist das BfR da in EuroMix einge-bundenVom BfR arbeiten sowohl die Abteilung Sicherheit von Pestiziden als auch die Ab-teilung fuumlr Lebensmittelsicherheit am Eu-roMix-Projekt mit Waumlhrend die von mir geleitete Abteilung fuumlr die regulative Bewer-tung eingebunden ist werden in der Abtei-lung Lebensmittelsicherheit experimentelle Arbeiten unter anderem zur Lebertoxizitaumlt durchgefuumlhrt in denen auch Kombinatio-nen von Pestiziden mit anderen Lebensmit-telinhaltsstoffen gepruumlft werden

Woran forschen Sie im EuroMix-ProjektWir haben zunaumlchst recherchiert welche gesetzlichen Anforderungen bestehen und wie unterschiedliche Behoumlrden weltweit

Mischungseffekte bewerten Und wir haben Forschungen zu Mischungen durchgefuumlhrt die bestimmte adverse Effekte auf die Leber verursachen Dabei wurden bestimmte Schluumlsselelemente untersucht um daraus ein Konzept fuumlr die Bewertung zu erarbei-ten Jetzt werden die Omics-Untersuchun-gen und andere alternative Pruumlfverfahren noch durch Tierversuche ergaumlnzt sodass wir auch am Gesamtorganismus die Effek-te uumlberpruumlfen koumlnnen Gleichzeitig werden die statistischen Hilfsmittel und die ande-ren elektronisch basierten Tools weiterent-wickelt Auszligerdem folgen noch weitere Stu-dien zur Exposition Die finalen Ergebnisse liegen am Ende des Projekts im Jahr 2019 vor

In welche weiteren europaumlischen Aktivi-taumlten ist das BfR eingebundenDie EFSA hat bereits einige Ansaumltze zur Bewertung der kombinierten Exposition gegenuumlber mehreren Pestiziden und Kon-taminanten bei Menschen sowie mehreren Pestiziden bei Bienen entwickelt Derzeit ist die EFSA damit befasst neue Ansaumltze und Instrumente zur Harmonisierung der Be-wertung von Risiken fuumlr Mensch und Um-welt zu erarbeiten die von der Exposition gegenuumlber mehreren chemischen Stoffen in der Lebensmittelkette ausgehen Ich bin derzeit Mitglied einer Arbeitsgruppe von Sachverstaumlndigen die der Wissenschaftliche Ausschuss der EFSA eingerichtet hat um Leitlinien im Hinblick auf die kombinierte Exposition gegenuumlber mehreren chemi-schen Stoffen zu entwickeln Diese Initiative unter dem Namen bdquoMixToxldquo wird 2018 den Leitfaden in einer oumlffentlichen Konsultation diskutieren

Bei dieser Vielzahl an Aktivitaumlten Wel-ches Ziel haben Sie persoumlnlich vor Au-genDas Ziel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertung von Stoffen in der gesundheitlichen Risikocharakterisie-rung und deren harmonisierte Implemen-tierung in den gesetzlichen Verfahren Dies wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen

bdquoBei den kumulati-ven Risiken geht es nicht nur um Pflan-zenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatz-stoffe und andere Chemikalien

Dr Roland Solecki leitet die Abteilung bdquoSicherheit von Pestizidenldquo am BfR

copy B

fR

34 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

SPEKTRUM

Identifizierung endokriner Disruptoren Vom Grundsatz in die Praxis

Fuumlr Pestizid-Wirkstoffe und andere Chemikalien sind harmonisierte wissenschaftliche Kriterien erforderlich mit denen hormonschaumldigende Substanzen identifiziert werden koumlnnen Das BfR veroumlffentlichte hierzu bereits 2016 ein Konsenspapier als wissenschaftliche Grundlage fuumlr die darauffolgende Arbeit der EU-Behoumlrden Auf legislativer Ebene werden aktuell EU-weit geltende Ver-ordnungen festgelegt um auf wissenschaftlicher Ebene Leitlinien zur regulatorisch harmonisierten Umsetzung dieser Verordnungen zu erarbeiten Mit dieser Aufga-be hat die EU-Kommission die EFSA und die ECHA gemeinsam beauftragt Das BfR unterstuumltzt die Behoumlr-den mit wissenschaftlicher und technischer Expertise indem es die entsprechende Arbeitsgruppe bei der EFSA personell verstaumlrkt sowie Recherchen und Umfragen zur Praktikabilitaumlt von Untersuchungsmethoden durchfuumlhrt Die Publikation der Leitlinien wird fuumlr Fruumlhjahr 2018 erwartet Sie koumlnnen auf Basis der verabschiedeten Ver-ordnungen nach ihrer Implementierung in der Genehmi-gungspraxis angewendet werden

Mehr erfahren Solecki et al 2017 Scientific principles for the identification of endocrine-disrupting chemicals a consensus statement Arch Toxicol 91 1001ndash1006

Insekten-Stopp in Textilien Allergene Wirkung unwahrscheinlich

Das Risiko fuumlr eine Allergie nach dem Kontakt mit Kleidung und Produkten die mit dem Biozid Permethrin behandelt sind ist nach derzeitigem Kenntnisstand unwahrscheinlich Das ist das Ergebnis einer aktuellen Risikobewertung des BfR Gestuumltzt wird das Ergebnis dadurch dass trotz weitverbreiteter Anwendung des Wirkstoffs in Medikamenten und Verbraucherprodukten kein Anstieg der Kontaktallergien gegenuumlber Permethrin zu verzeichnen ist Das Risiko fuumlr kanzero-gene systemische Effekte infolge einer dermalen und oralen Exposition gegenuumlber Permethrin aus Textilien ist nach Ansicht des BfR vernachlaumlssigbar gering Permethrin ist ein biozider Wirkstoff der zum Schutz gegen Insekten in Produkten wie Schlafsaumlcken Picknick- und Yogadecken sowie Teppichen und Kleidung eingesetzt wird Er ist im Chemikalienrecht als sensibilisierend eingestuft ein moumlgliches geringes kanzerogenes Potenzial wird von verschiedenen wissenschaftlichen Gremien diskutiert Der Wirkstoff kann aus Textilien freigesetzt und uumlber die Haut aufgenommen werden Bei kleinen Kindern die viele Produkte in den Mund nehmen kommt eine moumlgliche orale Aufnah-me des Stoffes hinzu

Mehr erfahren Stellungnahme Nr 0062017 des BfR vom 25 April 2017

Wie wirkt Aluminium in Leber und Darm

Aluminium ist in Lebensmitteln Kosmetika und Bedarfsge-genstaumlnden enthalten und kann uumlber die Nahrung aufgenom-men werden Erste Ergebnisse aus dem deutsch-franzoumlsischen Forschungsprojekt bdquoSolNanoToxldquo mit Beteiligung des BfR zeigen dass sich aus der Nahrung aufgenommene Aluminiumverbin- dungen temporaumlr im Darm anreichern Ob und in welchen Men-gen die Partikel weiter in den Koumlrper insbesondere in die Leber gelangen und welche Faktoren ihre Wirkung beeinflussen wird aktuell erforscht Die Forschungsgruppe sieht Anhaltspunkte dafuumlr dass ein Teil der angereicherten Partikel mit dem Stuhl wieder ausgeschieden wird Fuumlr seine Untersuchung simulierte das BfR anhand biologischer Proben die Verdauung verschiede-ner Aluminiumarten vom Mund uumlber den Magen bis zum Darm Mithilfe von Enzymen und Salzen wurden dabei physiologische Parameter wie der pH-Wert gesteuert Waumlhrend des simulierten Verdauungsprozesses veraumlnderten die Aluminiumverbindungen ihre chemische Reaktionsfaumlhigkeit und Loumlslichkeit Die Erkennt-nisse sind ein erster Schritt um den Prozess der Aufnahme Resorption und Verteilung von Aluminium im Koumlrper besser zu verstehen und daraus Daten fuumlr die Risikobewertung abzuleiten Aluminiumverbindungen koumlnnen in zu hohen Dosen toxisch auf das Nervensystem und ungeborenes Leben wirken sowie die Fruchtbarkeit und Knochenentwicklung beeinflussen

copy B

fR

copy c

gsto

cks

hutte

rsto

ckc

om

copy R

osel

ynne

shu

tters

tock

com

35012017

Bei Kleidung ist besonders der Einsatz von Silber-Nanopartikeln weit verbreitet Silber wirkt antibakteriell und soll die Geruchs-bildung durch Schwitzen reduzieren Beim Einsatz von Nanosilber in Kleidungsstuuml-cken ist in erster Linie eine Freisetzung in Schweiszlig und somit ein moumlglicher Hautkon-takt relevant Neben der Frage ob und in welcher Menge Silber prinzipiell aus Texti-lien herausgeloumlst wird beschaumlftigt sich die Forschung mit der Frage welchen Einfluss die Technologie hat mit der Nanosilber auf Textilien aufgetragen bzw eingebracht wird Bisher war zudem unklar inwiefern die Oberflaumlchenbeschichtung der Nano-partikel die Abgabe beeinflusst

Kuumlnstlicher Schweiszlig simuliert Freisetzung

In einem Forschungsprojekt pruumlfte das BfR neun Proben von Textilien die mit Nanosil-ber veredelt waren Als Vergleich diente ein mit konventionellem Silber (hier Silbersalz mit einem Partikeldurchmesser groumlszliger als 100 Nanometer) ausgeruumlstetes Textil Zwei der Textilien waren sogenannte Komposite bei denen Nanosilber in die Faser integriert ist Bei den anderen getesteten Textilien war die Faseroberflaumlche mit Silber-Nano-partikeln bzw in einem Fall mit konventio-nellem Silber beschichtet (Textil-Coating) Um die Abgabe von Silber durch Schwitzen

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

Kleidung wird durch sie wasser- und schmutzabweisend sie blocken UV-Strahlen und mindern Geruumlche Nanoma-terialien haben beliebte funktionelle Eigenschaften Ob sie aufgrund ihrer Winzigkeit gesundheitliche Risiken bergen ist indes noch weitgehend unbekannt In einem Forschungsprojekt uumlber Nanosilber hat das BfR ermittelt ob sich die Kleinstteilchen aus Textilien herausloumlsen und damit zum gesundheitlichen Risiko werden koumlnnen

Nanomaterial

ist ein natuumlrliches bei Prozessen anfallendes oder kuumlnstlich hergestelltes Material das Partikel in ungebundenem Zustand als Aggregat oder als Agglo-merat enthaumllt und bei dem die Mehrheit der Partikel ein oder mehrere Auszligen-maszlige im Bereich unter 100 Nanometer hat In Nanogroumlszlige kann ein Stoff andere Eigenschaften besitzen als wenn er in Form groumlszligerer Partikel vorliegt

copy o

still

shu

tters

tock

com

36 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von Textilfasern Links Nanokomposit bei dem kaum Silberpartikel an der Faseroberflaumlche zu finden sind Mitte und rechts Textilien mit Silbercoating hier befindet sich insgesamt mehr Silber auf der Oberflaumlche

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

zu simulieren wurden die Textilien fuumlr 24 Stunden in einer Schweiszligsimulanz-Louml-sung inkubiert Fuumlr die Auswertung wurde zunaumlchst der gesamte Silbergehalt in den Schweiszligloumlsungen mit massenspektromet-rischen Messmethoden bestimmt In den Proben in denen Silber vorhanden war wurden anschlieszligend mit Zentrifugation und einer speziellen Methode zum Messen von Einzelpartikeln geloumlstes und partikulauml-res Silber unterschieden Im letzten Schritt wurden die Partikelgroumlszligen des vorgefun-denen partikulaumlren Silbers gemessen um nanoskaliges Silber zu identifizieren

Silber aus Kleidung freigesetzt

Die Untersuchung des BfR zeigte dass von jeder Textilprobe Silber in die Schweiszligsi-mulanz-Loumlsung uumlberging je nach geteste-tem Textil zwischen 7 und 75 Prozent des originaumlr in den Textilien enthaltenen Sil-bers Dabei setzten die beschichteten Tex-tilien mehr Silber frei als die Komposite Den houmlchsten abgegebenen Anteil fand das BfR bei dem mit konventionellem Silber beschichteten Textil Die Freisetzung wird demnach staumlrker durch die Technologie der Veredelung bestimmt als durch die im Tex-til enthaltene Menge Auszligerdem scheint die Abgaberate von Silber aus Nanosilber im Vergleich zu konventionellem Silber nicht erhoumlht zu sein

In der Schweiszligloumlsung lag das freigesetzte Silber uumlberwiegend geloumlst vor Partikulaumlres Silber fand sich nur zum geringeren Teil dann jedoch auch im Nanometerbereich Ob es sich dabei um einzelne Nanoparti-kel handelt oder ob das Silber an groumlszligere Partikel gebunden ist muss in weiteren Untersuchungen uumlberpruumlft werden Nach

derzeitigem wissenschaftlichem Kennt-nisstand geht man davon aus dass sich Nanopartikel im Koumlrper anders verhalten als groumlszligere Partikel Uumlberraschenderweise detektierte die Forschungsgruppe auch in den Schweiszligsimulanzien der mit konven-tionellem Silber beschichteten Textilien partikulaumlres Silber in Nanogroumlszlige Das Vor-kommen von Silberpartikeln scheint also nicht davon abhaumlngig zu sein ob das Silber in Nano- oder konventioneller Form auf das Textil aufgebracht wurde

In einer parallelen Untersuchung fanden die Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler heraus dass zudem die Beschaffenheit der Nanopartikel beispielsweise in Form einer speziellen Beschichtung ihre Loumlslichkeit in der Schweiszligloumlsung beeinflusst

Art der Beschichtung relevant

Silber wird demnach aus Textilien freige-setzt in geringen Teilen sogar in partiku- laumlrer Form Die gewaumlhlte Form der Tex-tilfunktionalisierung aber auch die Be-schaffenheit der Nanopartikel stellen dabei wichtige Kriterien fuumlr das Freisetzungsver-halten dar Solche Erkenntnisse sind vor al-lem fuumlr den sicheren Einsatz von Nanoma-terialien in Alltagsprodukten wichtig weil die Exposition des Menschen gegenuumlber derartigen Stoffen moumlglichst klein gehalten werden sollte Auszligerdem geben sie Hin-weise in welcher Anwendungsform Nano-materialien im verbrauchernahen Bereich sicher eingesetzt werden koumlnnen

Mehr erfahren Wagener et al 2016 Textile Functionalization and Its Effects on the Release of Silver Nanoparticles into Artificial Sweat Environ Sci Technol 50 11 5927ndash5934

Per Flugzeitmassenspek-trometer laumlsst sich Silber auf beschichteten Textil-fasern detektieren

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

NANOPARTIKEL

37012017

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

38 BfR 2 GO

Neuer Ansatz fuumlr Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

Spiegelbild gesucht

Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR zeigt einen neuen Ansatz um mithilfe von Genexpressionsdaten das geeignete Tiermodell fuumlr die Grundlagenforschung oder fuumlr spezifische klinische Fra-gestellungen zu identifizieren Damit koumlnnen zukuumlnftig unnoumltige Tierversu-che vermieden werden Hamburger Wissenschaftsbehoumlrden wuumlrdigten die Erkenntnisse mit einem Forschungspreis

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

39012017

Fragestellung

Vergleich

Auswahl

z B bdquoMit welchem Mausmodell koumlnnen die Ursachen von Alzheimer erforscht werdenldquo

Vergleich von vorhandenen Omics-Expressionsdaten von Mensch und Tier

Auswahl des geeigneten Modells

1

2

3

Geeignete Tiermodelle identifizieren

An Tiermodellen werden zahlreiche biologische Prozesse und Krankheiten wie Wund-

heilung Diabetes Tumoren oder entzuumlndliche Erkrankungen erforscht Durch den

Vergleich der Omics-Expressionsdaten von Tiermodell und Mensch koumlnnen geeignete

Modelle fuumlr die jeweilige Fragestellung identifiziert werden

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

40 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Verlaumluft ein entzuumlndlicher Prozess bei Maumlusen aumlhnlich wie beim Menschen Sind Maumluse daher geeignete Ver-

suchstiere fuumlr Tests von antientzuumlndlichen Substanzen Um Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung in den klinischen Alltag zu uumlberfuumlhren ndash Aufgabengebiet der translationalen Forschung ndash werden wissen-schaftliche Fragestellungen oft in Tierversu-chen erprobt Ob und inwieweit die Ergeb-nisse auf den Menschen uumlbertragbar sind ist dabei immer wieder Gegenstand kontrover-ser Diskussionen Geeignete Methoden mit denen die Wissenschaft Tiermodelle mit op-timaler Uumlbertragbarkeit auf den Menschen auswaumlhlen kann wuumlrden dem wissenschaft-lichen Fortschritt helfen und die Zahl der Tierversuche reduzieren Es geht dabei um die Frage welches Tiermodell am besten das menschliche System widerspiegelt

Vergleichbarkeit von Genom- daten fehleranfaumlllig

Als Grundlage fuumlr diese Uumlberlegungen die-nen Daten aus modernen bioanalytischen Hochdurchsatzverfahren Immer haumlufiger setzt die Wissenschaft auf diese sogenannten Omics-Technologien die die Gesamtheit aller Gene und ihrer Produkte analysieren ndash sowohl beim Tier als auch beim Menschen Mit ihnen lassen sich molekulare Prozesse in lebenden Systemen umfassend darstel-len indem sie beispielsweise die Interaktion hunderter bis tausender Genprodukte zei-gen Die Analyse dieser zunehmend kom-plexen Omics-Datensaumltze stellt die Wissen-schaft jedoch vor Probleme da das Vorgehen dazu nicht standardisiert ist Die Interpreta-tion der Ergebnisse ist bisher meist von der Kompetenz der Durchfuumlhrenden und von der angewandten Methode abhaumlngig Im Ergebnis war die Entscheidung zur Frage der Uumlbertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen fehleranfaumlllig und die Suche nach

geeigneten Tiermodellen erschwert Die ge-ringe Standardisierung der Interpretation von Omics-Daten fuumlhrte in Forschungs-kreisen bereits zu widerspruumlchlichen Er-gebnissen so zum Beispiel bei zwei Studien aus den Jahren 2013 und 2015 die sich mit der Vergleichbarkeit von entzuumlndlichen Er-krankungen beim Menschen und gaumlngigen Mausmodellen beschaumlftigten Waumlhrend eine Forschungsgruppe im Jahr 2013 schlussfol-gerte dass entzuumlndliche Prozesse zwischen Mensch und Maus nicht vergleichbar seien kam eine andere Gruppe zwei Jahre spaumlter anhand der gleichen Omics-Daten zum ge-genteiligen Schluss Die Maus reagiere auf der molekularen Ebene sehr aumlhnlich wie der Mensch und sei daher als Tiermodell sehr nuumltzlich fuumlr die Erforschung menschlicher Erkrankungen Zwar ist es nicht ungewoumlhn-lich dass Ergebnisse von Studien unter-schiedlich eingeschaumltzt werden ndash allerdings selten auf Basis der gleichen Daten

Motivation des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR war es diese Widerspruumlche aufzuklaumlren und einen standardisierten und zielgerichteten Analyseansatz zu entwickeln der die Suche nach geeigneten Tiermodellen vereinfacht und somit unnoumltige Tierversuche vermei-den hilft Es gehoumlrt zu den Kernaufgaben des Bf3R bundesweit alle Aktivitaumlten zu koordi-nieren mit den Zielen Tierversuche auf das unerlaumlssliche Maszlig zu beschraumlnken und fuumlr Versuchstiere den bestmoumlglichen Schutz zu gewaumlhrleisten Die Aufgaben des Bf3R wer-den vom BfR wahrgenommen

Genomdaten von Tier und Mensch gezielt vergleichen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler des Bf3R haben die Omics-Daten aus den beiden erwaumlhnten widerspruumlchlichen Studien mithilfe hochperformanter Com-

puter nochmals systematisch ausgewertet Dabei wurden zunaumlchst die zu verglei-chenden Gene gruppenweise biologischen Prozessen zugeordnet die wesentlich fuumlr ein Entzuumlndungsgeschehen sind Diese Gene Set Enrichment Analysis (GSEA) ge-nannte Methode greift auf umfangreiche in oumlffentlichen Datenbanken hinterlegte Genomdaten gaumlngiger Tiermodelle und von Erkrankten zuruumlck Mit ihrer Heran-gehensweise konnten die Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler des BfR an-schlieszligend Veraumlnderungen auf der Ebene pathologischer Signalwege erkennen und Unterschiede zwischen Tiermodell und Mensch identifizieren Da der Groszligteil der untersuchten Genprodukte haumlufig nur geringfuumlgig veraumlndert war konnten bei der Analyse auf Ebene vollstaumlndiger bio-logischer Signalwege alle Gene einbezogen und Aumlnderungen in der Gesamtheit eines biologischen Signalwegs bewertet werden Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu bisherigen Analyseansaumltzen da fuumlr die Klauml-rung translationaler Fragestellungen bisher haumlufig willkuumlrlich und subjektiv Gene von Mensch und Tiermodell fuumlr einen direkten Eins-zu-eins-Vergleich ausgewaumlhlt wurden

Die systematische Auswertung des Bf3R zeigte dass die Ergebnisse beim vorlie-genden Genomdatenvergleich bei einigen Mausmodellen gut mit den beim Menschen ermittelten Daten uumlbereinstimmten Bei an-deren Mausmodellen hingegen war es nicht so So aumlhnelt das Entzuumlndungsgeschehen bei Maumlusen die mit Staphylococcus aureus (Staphylococcus-aureus-Injektionsmodell) infiziert sind oder eine Darmperforation (Cecal-ligation-and-puncture-Modell) erfah-ren den meisten klinischen Proben Hin-gegen verlaufen Erkrankungen die durch Lipopolysaccharide (LPS) und Streptococcus pneumoniae verursacht werden bei Mensch und Maus verschieden

Omics

Der Terminus beschreibt Methoden zur

Analyse komplexer biologischer Proben

auf der Ebene des gesamten Genoms

von Transkripten Proteinen oder Meta-

boliten

41012017

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

Forschungsansatz hilft Tierversuche zu reduzieren

Die Methode der Datenanalyse mittels GSEA-Ansatz erleichtert es Forschungs-gruppen zukuumlnftig zielgerichtet und stan-dardisiert das optimale Tiermodell aus-zuwaumlhlen das am besten die menschliche Situation abbildet Voraussetzung dafuumlr ist die Existenz von Omics-Daten zur klini-schen Fragestellung sowie zu den infrage kommenden Tierversuchen Dies ist bereits fuumlr eine Vielzahl von Tiermodellen sowie von humanen Erkrankungen der Fall neben Entzuumlndungserkrankungen beispielsweise fuumlr Herz-Kreislauf-Erkrankungen Krebser-krankungen Atemwegserkrankungen Stoff-wechselerkrankungen und neurologische Erkrankungen Aufgrund der vermehrten Verwendung von Omics-Methoden kann davon ausgegangen werden dass stetig wei-tere systembiologische Daten ermittelt und veroumlffentlicht werden Die vom Bf3R ange-wandte Methode wird daher weiterhin bei der gezielten Auswahl von Tiermodellen nuumltzlich sein

Das Verfahren kann in der Grundlagen-forschung sowie in der translationalen und angewandten Forschung eingesetzt werden Diese Bereiche machten 2015 nach Anga-ben des Bundesministeriums fuumlr Ernaumlh-rung und Landwirtschaft mit insgesamt 73 Prozent den groumlszligten Teil der Tierversuche aus Ein Groszligteil davon entfaumlllt auf Maumluse Ratten und zunehmend auch auf Fische Grundsaumltzlich kann die neue Methode zur Auswahl des geeigneten Versuchstiermo-dells bzw zum Ausschluss nicht geeigneter Versuchstiermodelle bei jeglichen Tierver-suchen in diesen Bereichen genutzt werden Analog zu den Versuchstierzahlen liegen derzeit die meisten Omics-Daten fuumlr Maus und Ratte vor So sind beispielsweise allein in der oumlffentlichen NCBI GEO-Datenbank (National Center for Biotechnology Informa-tion Gene Expression Omnibus) derzeit Da-ten zu ca 340000 Maus-Proben und 75000 Ratte-Proben gelistet

Methode identifiziert geeignete Zellkulturmodelle

Dabei ist die Methode des Bf3R nicht auf humane und murine Datensaumltze beschraumlnkt sondern kann auf alle weiteren Spezies an-gewandt werden fuumlr die umfangreiche Da-tenbanken zu biologischen Signalwegen oder Gengruppen vorliegen Auch fuumlr die Beurteilung von zellbasierten Alternativ-methoden kann der neue Forschungsansatz

herangezogen werden Durch einen system-biologischen Abgleich der klinischen Daten mit Omics-Daten aus beispielsweise neuar-tigen 3D-Zellkulturen oder organaumlhnlichen Mikrostrukturen wird die Charakterisierung und Verifizierung von zellbasierten Alterna-tivmethoden ermoumlglicht

Praumlmierte Forschungsleistung

Fuumlr ihre Forschung erhielten die Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR 2016 den Hamburger Forschungspreis zur Foumlrderung der Entwicklung von Ersatz- und

Ergaumlnzungsmethoden Die Auszeichnung wurde zum erstem Mal von den Hamburger Behoumlrden fuumlr Gesundheit und Verbraucher-schutz sowie fuumlr Wissenschaft Forschung und Gleichstellung mit einem Foumlrderpreis in Houmlhe von 20000 Euro ausgeschrieben Der Preis wird fuumlr Arbeiten vergeben die einen Beitrag leisten Tierversuche zu ersetzen oder zu minimieren

Mehr erfahrenWeidner et al 2016 Defining the optimal animal model for translational research using gene set enrichment analysis EMBO Molecular Medicine 8 8 831ndash838

Wofuumlr Versuchstiere in Deutschland eingesetzt werden

630255Herstellung und Qualitaumlts-kontrolle medizinischer Produkte toxikologische Sicherheitspruumlfungen

22

59

14 5

1643259Grundlagenforschung

144997sonstige Zweckez B Zucht Aus- und Weiterbildung

381450translationale und angewandte Forschung

Que

lle B

unde

smin

iste

rium

fuumlr E

rnaumlh

rung

und

Lan

dwirt

scha

ft V

ersu

chst

ierz

ahle

n 20

15

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

42 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Alternativen zu Tierversuchen Forschung regional buumlndeln

Eine individualisierte Schmerztherapie fuumlr Versuchsmaumluse und eine Verringerung von Tierexperimenten zum Test der Inhala- tionstoxizitaumlt von Nanomaterialien (siehe rechte Spalte) ndash hierzu sollen die ersten Arbeitsergebnisse des BfR im Berlin-Bran-denburgischen Verbundprojekt BB3R zukuumlnftig beitragen Das Netzwerk aus Universitaumlten und Bundesinstitutionen forscht um Tierversuche zu vermeiden (Replacement) bzw zu verringern (Reduction) sowie das Leiden von Versuchstieren zu vermindern (Refinement) Das BfR ist als einer von sechs Verbundpartnern in den Bereichen der Refinement- und Replacement-Forschung beteiligt Das Bundesforschungsministerium foumlrdert das mit BB3R abgekuumlrzte Projekt fuumlr vier Jahre bis Fruumlhjahr 2018 es ist als Plattform fuumlr den wissenschaftlichen Austausch konzipiert und integriert ein Graduiertenkolleg

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschungwwwbb3rde

Belastung von Laborfischen erkennen

Koumlrperbau

Koumlrpermerkmale

Verhaltenkreisendes Schwimmen

Belastung von Laborfischen erkennen

Ob Laborfische Schmerzen empfinden oder leiden laumlsst sich mithilfe konkreter Kriterien beurteilen Die Vorarbeiten hierzu koordinierte der bdquoNationale Ausschuss zumSchutz von fuumlr wissenschaftliche Zweckeverwendeten Tierenldquo am BfR gemeinsam mit externen Sachverstaumlndigen und Beauf-tragten von Genehmigungsbehoumlrden Die erstmals definierten Kriterien bewerten unter anderem Auffaumllligkeiten im Koumlrper-bau sowie im Verhalten der Tiere Schmer-zen und Leiden koumlnnen so gezielt behandelt und gelindert werden Da die Frage der Belastung der Tiere anhand der Kriterien eindeutig geklaumlrt werden kann dienen sie zudem als Entscheidungshilfe fuumlr Behoumlr-den welche die Zucht belasteter genetisch veraumlnderter Tiere genehmigen muumlssen Fische insbesondere Zebrafische sind nach Maumlusen und Ratten die am dritthaumlufigsten verwendete Versuchstierart Die Zahl der Versuchsfische hat in den letzten Jahren stetig zugenommen

Mehr erfahren Bert et al 2016 Considerations for aEuropean animal welfare standard toevaluate adverse phenotypes in teleost fish EMBO J 35 11 1151ndash1154Empfehlung des Nationalen Ausschusses TierSchG Nr 0012015

Test der Inhalationstoxizitaumlt von Nanomaterialien

Die Einatmung gilt als wichtigster Aufnahmeweg fuumlr Nanomaterialien Im Rahmen der BB3R-Forschung bildet das BfR diese Art der Exposition mit In-vitro- Atemwegsepithelmodellen an ihrer Grenzflaumlche zur Luft ab Dieser Ansatz zum Test der Inhalationstoxi-zitaumlt hilft Anzahl und Umfang von Tierversuchen zu verringern

Versuchsaufbau Drei Roumlhrchen leiten ein Testaerosol mit luftgetragenen Nanomaterialien auf Epithelzellen

SPEKTRUM

copy B

fR

43012017

Jubilaumlumsfeier und internationales Symposium

Am 29 November 2017 feiert das BfR sein 15-jaumlh-riges Bestehen mit einem Festakt Geplant ist eine Feier mit ausgewaumlhlten Gaumlsten in der Akademie der Kuumlnste Anschlieszligend findet vom 30 Novem-ber bis zum 01 Dezember 2017 das gemeinsame internationale Symposium des BfR und seiner Schwesterinstitutionen aus Daumlnemark (DTU Food) und Frankreich (ANSES) sowie der suumldko-reanischen Behoumlrde fuumlr Lebens- und Arzneimittel-sicherheit (NIFDS) statt Unter dem Motto bdquoPast Present and Future Challenges in Risk Assessment ndash Strengthening Consumer Health Protectionldquo werden die letzten anderthalb Jahrzehnte Risikobewer-tung betrachtet Daruumlber hinaus werden aktuelle Aktivitaumlten sowie zukuumlnftige Herausforderungen des Verbraucherschutzes wie mikrobiologische Erreger chemische Substanzen Methoden und Harmonisierung auf nationaler wie internationa-ler Ebene diskutiert

VERANSTALTUNGEN

Nachwuchs foumlrdern

Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu foumlr-dern baut das BfR wissenschaftliche Nachwuchs-gruppen zu bestimmten Schwerpunktthemen auf Die bereits 2015 eingerichtete Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Warenketteldquo wird im Herbst 2017 durch einen weiteren Dokto-randen verstaumlrkt

Verstaumlrkung im Versuchstierschutz

Seit dem 1 April 2017 staumlrkt die Berufung von Herrn Universitaumltsprofessor Dr Lars Lewejo-hann den Kompetenzbereich bdquoVerminderung der Belastung und Verbesserung der Lebenssitua-tionldquo des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) Neben der Leitung der Fachgruppe bdquoTierschutz und Versuchstierkundeldquo im BfR wird Lars Lewejohann sein Wissen und neue Erkenntnisse als Hochschullehrer fuumlr bdquoTier-schutz mit dem Schwerpunkt Refinementldquo an der veterinaumlrmedizinischen Fakultaumlt der Freien Universitaumlt Berlin an Studierende und Doktoran-den weitergeben

PERSONALIEN

Alternativmethode zum Tierversuch bdquoKnochen-auf-dem-Chipldquo

Im Mai 2017 fand bei der Gemeinsamen For-schungsstelle (GFS)Joint Research Centre (JRC) der Generaldirektion (Directorate General) der Europaumlischen Kommission eine Summer School zu alternativen Ansaumltzen zum Tierversuch fuumlr die Risikobewertung in Ispra (Italien) statt Dort wurde Herr Dr Ing Frank Schulze aus der BfR-Fachgruppe bdquoZEBET ndash Alternativmethoden zu Tierversuchenldquo fuumlr seine Praumlsentation und das dazugehoumlrige Poster zum Thema bdquoEin Knochen-auf-dem-Chip fuumlr die Grundlagenwissenschaft und die Identifizierung von knochenschaumldigen-den Substanzenldquo mit einem Posterpreis (1 Platz) ausgezeichnet

copy B

fR

copy p

rivat

INSTITUTSLEBEN

44 BfR 2 GO

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

bdquoWir wollen Faumllschungen einen Riegel vorschiebenldquo

Professor Wittkowski welche Lebens- mittel werden uumlblicherweise verfaumllschtGefaumllscht wird uumlberall dort wo ein oumlkono-mischer Vorteil erzielt werden kann Pro-duktpiraterie kommt deswegen vor allem bei hochqualitativen und teuren Markenpro-dukten wie Olivenoumll Schafskaumlse Wein oder Spirituosen vor Ein uumlblicher Trick ist min-derwertige Zutaten als hochwertige zu ver-kaufen wie Shrimps als Garnelen Bei Pro-dukten bei denen die geografische Herkunft ein Qualitaumltsmerkmal ist wie Parma- oderSerrano-Schinken Irischer Whiskey oder Champagner wird versucht die Herkunft vorzutaumluschen

Koumlnnen Verbraucher denn noch der Le-bensmittelsicherheit vertrauen Glaubwuumlrdigkeit Vertrauen und Sicherheit sind eng miteinander verknuumlpft Menschen wollen einkaufen kochen essen und trin-ken gesund bleiben und es soll schmecken Sie wollen nicht wissen wie der Wein filt-riert oder bei welcher Temperatur der Kaf-fee geroumlstet wurde aber sie wollen darauf vertrauen dass die Angaben stimmen und dass diese Technologien sichere Lebens-mittel erzeugen Dies ist nur moumlglich weil es Standards fuumlr die Lebensmittelwirtschaft gibt und Uumlberwachungsbehoumlrden die Ein-haltung pruumlfen

Nur weil Parma-Schinken nicht aus Par-ma kommt stellt er doch noch kein Ge-sundheitsrisiko dar Geht es nicht viel-mehr um oumlkonomische Interessen der Hersteller Wissenschaftler koumlnnen zunaumlchst Normab-weichungen erkennen nicht aber die Mo-tivation von Verfaumllschern Zunaumlchst wird selbstverstaumlndlich eine Risikobewertung derartiger Befunde durchgefuumlhrt Anschlie-szligend kann man nach weiterer Uumlberpruumlfung und Ruumlckverfolgung der Lieferketten ent-scheiden ob es eine gezielte Verfaumllschung war oder nicht

Koumlnnen Sie ein Beispiel gebenStatt Rindfleisch wurde vor einigen Jahren in Lasagne Pferdefleisch nachgewiesen Im ersten Moment ein gesundheitlich unbe-denklicher Betrugsfall Pferdefleisch ist ein hochwertiges Lebensmittel Allerdings war nicht bekannt woher das Fleisch kam und ob es mit verbotenen undoder gesundheits-schaumldlichen Arzneimitteln belastet war Das wurde dann uumlberpruumlft und das Fleisch fuumlr unbedenklich erklaumlrt Oder Aufgrund des traditionellen Anbaus hatten Pistazien aus dem Iran eine Zeit lang erhoumlhte Mykoto-xingehalte und unterlagen daher strengen Auflagen bei der Einfuhr nach Europa Zur Umgehung dieser Auflagen traten Falsch-deklarationen der Herkunft auf Iranische Pistazien wurden als Pistazien aus Kaliforni-en in den Markt gebracht

Es geht also in erster Linie immer um Verbraucherschutz und nicht um Taumlu-schungs- oder Betrugsschutz Aus meiner Sicht ja Teilweise nehmen Faumllscher auch billigend in Kauf dass Men-schen zu Schaden kommen Mit Methanol gepanschter Alkohol oder mit Melamin gestrecktes Milchpulver sind Beispiele Die Verfaumllscher sind naumlmlich keine Toxikologen Die Frage ist also welche Methoden koumlnnen Behoumlrden bereitstellen um das Vertrauen in die Sicherheit der Lebensmittel zu erhalten

Das houmlrt sich an wie ein Wettlauf For-schung gegen Faumllschung Gibt es denn immer die richtige MethodeDas Gute an der Analytik ist dass man mit der richtigen Methode findet was man sucht Allerdings wissen wir nicht immer auf welche neuen betruumlgerischen Ideen Faumll-scher kommen Deswegen beteiligen wir uns in internationalen Forschungsvorhaben an der Entwicklung von Referenzdaten-banken mit dem typischen Fingerabdruck von Lebensmitteln Die sogenannte Finger-print-Analyse bietet die Moumlglichkeit nicht

nur Lebensmittel durch ihre Normabwei-chung als gefaumllscht zu identifizieren sondern auch bisher unbekannte Verfaumllschungen und gesundheitlich bedenkliche Manipulationen aufzudecken bevor die Ware in den Regalen steht

In der Praxis gibt es dazu doch sicher schon MaszlignahmenPrivate Analysefirmen haben sich bereits auf die Fingerprint-Methode fuumlr bestimmte Produkte spezialisiert und groszlige Datenban-ken angelegt Doch hier liegt ein Problem Jeder arbeitet mit seinen eigenen Daten Auch sind die Ergebnisse der Firmen nicht gerichtsfest weil die Datengrundlage nicht oumlffentlich ist Staatliche Institutionen ar-beiten dagegen mit transparenten und ver-gleichbaren Daten damit Beanstandungen gerichtsfest sind Deswegen muumlssen fuumlr ei-nen Erfolg der Fingerprint-Methoden die Messungen der verschiedenen Labore va-lidiert und die Datenbanken harmonisiert werden

bdquoUnser Allein- stellungsmerkmal ist dass wir Risikobewertung und Forschung betreiben

12 BfR 2 GO

SCHWERPUNKTTHEMA AUTHENTIZITAumlT

BfR-Vizepraumlsident Professor Dr Reiner Wittkowski setzt sich dafuumlr ein dass am BfR zu neuartigen Verfah-ren zur Authentifizierung von Lebensmitteln geforscht wird Als junger Lebensmittelchemiker hat er am Vorgaumlngerinstitut des BfR dem Bundesgesundheitsamt bereits fuumlr die Uumlberpruumlfung der Echtheit von Wein Methoden entwickelt etabliert und begonnen eine Fingerabdruck-Datenbank anzulegen

Was traumlgt das BfR zur Uumlberpruumlfung der Echtheit von Lebensmitteln bei Wir beteiligen uns seit Langem an allen maszliggeblichen EU-Forschungsvorhaben zur Authentizitaumltspruumlfung Unser Alleinstel-lungsmerkmal ist dass wir Risikobewertung und Forschung betreiben Das BfR hat an-ders als andere Bewertungsbehoumlrden eigene Laboratorien Wir haben deswegen einen sehr strengen Blick auf Bewertungsmetho-den und fragen wie sicher die Aussagekraft der Daten ist Das Kerngeschaumlft der 17 Re-ferenzlabore des BfR ist Methodenvali-dierungen durchzufuumlhren Auf nationaler Ebene arbeitet das BfR bereits eng mit der amtlichen Lebensmitteluumlberwachung der Bundeslaumlnder zusammen

Welchen konkreten Ansatz nutzt das BfRWir kombinieren Analytik und Daten-modellierung Das Institut hat eine lange Historie hinsichtlich des Nachweises der Echtheit von Lebensmitteln da auch in den Vorgaumlngerinstitutionen dazu geforscht wur-de In den 1990er-Jahren wurde hier eine der ersten Datenbanken zur Uumlberpruumlfung der Authentizitaumlt von Wein aufgebaut und wurden erstmals Kernresonanz-spektrosko-pische Verfahren in der Lebensmittel-Ana-lytik angewandt Die Expertise zum Thema Wein haben wir dann auf andere Lebens-mittel-Matrizes uumlbertragen Neben der Ana-lytik ist die Statistik unser zweiter Impetus Das BfR hat viel Erfahrung im Bereich der Datenanalyse fuumlr die Vor- und Ruumlckverfolg-barkeit von Lieferketten aufgebaut Mit der FoodChainLab-Software die im Rahmen der EHEC-Krise entwickelt wurde sind komplexe Datenmodellierungen moumlglich

Was sind die naumlchsten SchritteWir haben bereits ein nationales Kompe-tenznetzwerk zwischen Bundesbehoumlrden Landesuntersuchungsaumlmtern Universitaumlten und Forschungseinrichtungen etabliert und wir bringen das Thema weltweit voran Das BfR hat im November 2016 ein Symposium organisiert auf dem rund 100 Fachleute aus Deutschland Europa Nordamerika Afrika Asien und Neuseeland uumlber die Herausfor-derungen der Standardisierung diskutierten Aus meiner Sicht sollte unbedingt ein euro-paumlisches Referenzlabor eingerichtet werden ndash die EU-Kommission erwaumlgt dies bereits ndash um in Europa ein harmonisiertes System der angewendeten Methoden und der Datener-fassung fuumlr die Authentizitaumltspruumlfung von Lebensmitteln zu etablieren Nur das ist ziel-fuumlhrend wenn wir Faumllschungen global einen Riegel vorschieben wollen

copy B

fR

13012017

INTERVIEW MIT PROFESSOR DR REINER WITTKOWSKI

Der BfR-Verbrauchermonitor ist ein zentrales Instru-ment des gesundheitlichen Verbraucherschutzes Er zeigt wie die Oumlffentlichkeit Risiken wahrnimmt

Gefuumlhlte Risiken im Visier

copy ig

orst

evan

ovic

Shu

tters

tock

com

RISIKOWAHRNEHMUNG

14 BfR 2 GO

Welche Themen bewegen Verbraucherinnen und Verbrau-cher Was ist ihnen vertraut was beunruhigt sie Ant-worten auf diese Fragen liefert der BfR-Verbrauchermo-

nitor ndash eine seit 2014 regelmaumlszligig durchgefuumlhrte repraumlsentative Bevoumllkerungsbefragung mit der das BfR die generelle Einschaumlt-zung der Oumlffentlichkeit zu Verbraucherschutzthemen ermittelt In Ergaumlnzung dazu fuumlhrt das BfR Repraumlsentativbefragungen zu Ein-zelthemen durch die von besonderem aktuellem Interesse sind wie Antibiotikaresistenzen oder Pflanzenschutzmittel Die Ergeb-nisse dazu erscheinen als bdquoBfR-Verbrauchermonitor Spezialldquo Der Verbrauchermonitor ist ein wesentlicher Indikator um moumlgliche Missverstaumlndnisse oder Fehleinschaumltzungen seitens der Bevoumllke-rung fruumlhzeitig zu erkennen bdquoFuumlr uns ist es sehr wichtig konkret zu wissen was die Bevoumllkerung warum bewegt Daraus folgern wir welche kommunikativen Maszlignahmen zu ergreifen sindldquo sagt PD Dr Gaby-Fleur Boumll Leiterin der Abteilung Risikokommunika-tion am BfR

Methode der Datenerhebung

Fuumlr die repraumlsentative Umfrage des Verbrauchermonitors werden ca 1000 Personen die in Privathaushalten in Deutschland leben und mindestens 14 Jahre alt sind im Auftrag des BfR von Markt- und Meinungsforschungsinstituten telefonisch interviewt Diese Interviews werden computergestuumltzt anhand eines programmier-ten Fragebogens von geschulten Interviewern durchgefuumlhrt ndash kurz CATI-Methode genannt nach der englischen Bezeichnung compu-ter-assisted telephone interviewing Dabei werden die Fragen zum gesundheitlichen Verbraucherschutz und Fragen zu anderen The-menbereichen zu einer sogenannten Omnibus- oder Mehrthemen-befragung zusammengefasst Die Fragen des Verbrauchermonitors koumlnnen einen offenen Charakter haben (ungestuumltzte Fragen) oder geschlossen formuliert sein (gestuumltzte Fragen) Um die Ergebnisse der Verbrauchermonitore im Zeitverlauf miteinander vergleichen zu koumlnnen ist jede Umfrage aumlhnlich aufgebaut Das BfR widmet sich einerseits Themen die in der Oumlffentlichkeit eine groszlige Auf-merksamkeit erhalten Andererseits analysiert es Fragen die bisher weniger im oumlffentlichen Fokus stehen aber ebenfalls relevant sind wie beispielsweise gesundheitsschaumldliche Pflanzeninhaltsstoffe Auch das Ausmaszlig des Vertrauens in die staatlichen Strukturen des gesundheitlichen Verbraucherschutzes wird abgefragt da dies wie-derum die Wahrnehmung von Risiken beeinflussen kann

bdquoFuumlr uns ist es sehr wichtig konkret zu wissen was die Bevoumllkerung warum bewegt

Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher

Kaum veraumlndert hat sich in den letzten Jahren die Ansicht von Ver-braucherinnen und Verbrauchern dass Lebensmittel in Deutsch-land sicher sind Fragt man in der ungestuumltzten Abfrage nach den groumlszligten gesundheitlichen Risiken so sind dies im aktuellen Ver-brauchermonitor (082017) nach wie vor das Rauchen die Klima- bzw Umweltbelastung und ungesunde oder falsche Ernaumlhrung Da-nach werden Alkohol sowie ungesunde oder belastete Lebensmittel genannt Fragt man in der gestuumltzten Abfrage gezielt nach ausge-waumlhlten Themen so fuumlhren Salmonellen gentechnisch veraumlnderte Lebensmittel Antibiotikaresistenzen und Ruumlckstaumlnde von Pflan-zenschutzmitteln die Bekanntheitsskala an Dies sind auch die vier Themen die bei den meisten Befragten fuumlr Beunruhigung sorgen Es zeigt sich immer wieder dass Verbraucherinnen und Verbrau-cher Risiken unterschaumltzen die aus Sicht der Risikobewertung als

ZielsetzungVerbrauchermonitor

gt Erfassung und Analyse von Trends und Themen in der Verbraucherwahrnehmunggt Uumlber- bzw Unterschaumltzung von gesundheitlichen Risiken durch die Bevoumllkerunggt Beobachtung von Veraumlnderungen im Verbraucherverhaltengt Schnelle Erfassung der Verbraucherwahrnehmung in Krisensituationen

BfR-VERBRAUCHERMONITOR

15012017

gesundheitsrelevant eingestuft werden wie z B die Lebensmittelhygiene im eigenen Haushalt Noch weitgehend unbekannt ist der breiten Oumlffentlichkeit eine neue derzeit in der Wissenschaft diskutierte Metho-de zur Genveraumlnderung ndash das sogenannte bdquoGenome Editingldquo

Vertrauen staumlrken

Verschiedene Bevoumllkerungsgruppen neh-men Ereignisse oder Sachverhalte unter-schiedlich wahr Es haumlngt von vielen Fakto-ren ab wie groszlig ihnen ein Risiko erscheint Insbesondere zwischen der Wahrnehmung von Laien und Fachleuten koumlnnen sich Un-terschiede ergeben da die intuitive Risiko-einschaumltzung der Bevoumllkerung haumlufig auf anderen Prinzipien und Kriterien beruht als die wissenschaftliche Risikobewertung Aus der Risikowahrnehmungsforschung ist beispielsweise bekannt dass die Sorge vor

synthetisch hergestellten Stoffen groumlszliger ist als die Sorge vor natuumlrlich vorkommenden Stoffen wie beispielsweise giftigen Pflanze-ninhaltsstoffen

Der BfR-Verbrauchermonitor Spezial zum Thema Pflanzenschutzmittel hat zudem gezeigt dass ein Groszligteil der Bevoumllkerung faumllschlicherweise davon ausgeht dass in Lebensmitteln generell keine Reste von Pflanzenschutzmitteln vorkommen duumlr-fen Tatsaumlchlich sind Ruumlckstaumlnde von zu-gelassenen Pflanzenschutzmitteln bis zum erlaubten Ruumlckstandshoumlchstgehalt zulaumls-sig und als gesundheitlich unbedenklich eingestuft Auf diese Diskrepanz kann die Risikokommunikation gezielt reagieren indem sie die Oumlffentlichkeit mit geeigne-ten Kommunikationsformen umfassend uumlber die rechtlichen und wissenschaftli-chen Grundlagen der Risikobewertung bei Pflanzenschutzmitteln informiert

Die Ergebnisse solcher Bevoumllkerungsum-fragen liefern wichtige Einsichten in die Risikowahrnehmung verschiedener Bevoumll-kerungsgruppen und zeigen Unterschiede hinsichtlich demografischer Faktoren wie Alter Bildungshintergrund Berufsgrup-pe und Geschlecht auf So ist Frauen das Vorkommen von Pyrrolizidinalkaloiden in Kraumlutertee beispielsweise haumlufiger bekannt als Maumlnnern Auch hat sich gezeigt dass Maumlnner Prozesskontaminanten in Grill-fleisch weniger bedenklich einschaumltzen als Frauen

Mit dem Verbrauchermonitor hat das BfR ein Instrument etabliert mit dem noch fruumlher auf Informations- und Kommuni-kationsbeduumlrfnisse eingegangen und damit das Vertrauen der Oumlffentlichkeit in den ge-sundheitlichen Verbraucherschutz weiter gestaumlrkt werden kann

Alle bisher erschienenen BfR-Verbrauchermonitore koumlnnen abgerufen werden unter wwwbfrbundde gt Publikationen gt Broschuumlren gt BfR-Verbrauchermonitor

Welche Themen betrachten Sie persoumlnlich als die groumlszligten gesundheitlichen Risiken fuumlr Verbraucherinnen und Verbraucher

Inwieweit sind Sie persoumlnlich uumlber die folgenden Themen zur Lebensmittel-sicherheit beunruhigt oder nicht beunruhigt

16 BfR 2 GO

RISIKOWAHRNEHMUNG

2016 gab es in Deutschland in der deutsch-sprachigen Bevoumllkerung ab 14 Jahren rund 08 Millionen Personen die sich selbst als Veganer bezeichnen wuumlrden oder als je-mand der weitgehend auf tierische Produk-te verzichtet (2016 Allensbacher Markt- und Werbetraumlger-Analyse IfD Allensbach) Ei-nige Studien zeigen dass eine vegane Ernaumlh-rung positive Einfluumlsse auf die Gesundheit haben kann wie zum Beispiel ein geringeres Risiko fuumlr Typ-2-Diabetes Beschrieben wer-den allerdings auch gesundheitliche Risiken durch Naumlhrstoffmangelzustaumlnde etwa fuumlr Schwangere und Kinder Wer keine tierische Produkte zu sich nimmt riskiert unter an-derem eine Unterversorgung mit Vitamin B12 Eisen Calcium Jod und Zink sowie mit langkettigen Omega-3-Fettsaumluren

Vor diesem Hintergrund entwickelte das BfR geeignete Risikokommunikationsstra-tegien Ein Forschungsprojekt widmete sich den individuellen und sozialen Einflussfak-toren die zur Motivation und Aufrechter-haltung einer veganen Ernaumlhrung fuumlhren Insgesamt wurden 42 Veganerinnen und Veganer zu ihren Werten Einstellungen und Meinungen befragt Aufgrund der zum Teil sehr ausgepraumlgten Abweichun-gen zur Durchschnittsbevoumllkerung lassen sich verallgemeinernde Aussagen treffen Repraumlsentativ sind die Befragungsdaten al-lerdings nicht

Ethische Entscheidung

Fast immer begruumlnden Veganerinnen und Veganer ihre Entscheidung fuumlr eine vega-ne Ernaumlhrung mit ethischen Argumenten Gesundheitliche Motive werden selten ge-nannt Die Befragten sind uumlberwiegend konfessionslos und uumlberdurchschnittlich

gebildet Auszligerdem beguumlnstigt Vegetaris-mus die Entscheidung sich vegan zu ernaumlh-ren Zwei Drittel der Teilnehmenden haben sich bereits vorher vegetarisch ernaumlhrt Er-naumlhren sich bereits Personen aus dem na-hen Umfeld vegan kann dies die Entschei-dung auch vorantreiben

Fuumlr die uumlberwiegende Mehrheit der Be-fragten ist die Ruumlckkehr zur omnivoren Ernaumlhrung die tierische Produkte zulaumlsst nicht vorstellbar Auch eine Schwanger-schaft wird meist nicht als Grund dafuumlr angesehen Oft werden auch Kinder vegan ernaumlhrt Nach Aussagen der Befragten re-agiert das soziale Umfeld haumlufig mit Skepsis und Aversion Um eine soziale Ausgren-

zung der Kinder zu verhindern lassen die Befragten teils Kompromisse zu So koumlnn-ten Kinder zum Beispiel selbst waumlhlen ob sie auswaumlrts Tierprodukte essen

Wissen kommt an

Wer sich vegan ernaumlhrt verfuumlgt in der Re-gel uumlber ein fundiertes Ernaumlhrungswissen 40 der 42 Teilnehmenden der BfR-Studie waren sich zum Beispiel daruumlber im Klaren dass es ohne tierische Produkte zu einer Mangelversorgung mit Vitamin B12 kom-men kann Viele nehmen dieses Vitamin zusaumltzlich ein Bei der Informationssuche rund um vegane Ernaumlhrung ist das Inter-net die wichtigste Informationsquelle (siehe Grafik)

Strategie der Risikokommunikation

Im Rahmen der Befragung stellten sich wichtige Anknuumlpfungspunkte fuumlr die Risi-kokommunikation heraus Unter anderem wurde klar dass ein negativer Ansatz der die vegane Ernaumlhrung als gefaumlhrlich oder abnormal darstellt nur wenig Erfolg haben kann Eine effektive Risikokommunikation sollte an bestehende Uumlberzeugungen der Veganerinnen und Veganer anknuumlpfen Ziel sollte dabei sein konkrete Tipps fuumlr den Alltag zu geben die sich mit einer vega-nen Ernaumlhrung verbinden lassen Informa-tionen wie bei einer veganen Ernaumlhrung eine moumlgliche defizitaumlre Naumlhrstoffversor-gung verhindert werden kann sind grund-saumltzlich erfolgversprechend Insbesondere uumlber Alternativen oder Supplementierung in der Schwangerschaft bei Saumluglingen und Kleinkindern sollte umfassend informiert werden

Vegan und informiert

Welche Informationsquellen nutzen Sie um sich

uumlber vegane Ernaumlhrung zu informieren

Kochbuumlcher mit veganen Rezepten Blogs zum Thema und tierfreie Supermaumlrkte ndash die vegane Ernaumlhrung liegt im Trend Wer ganz auf tierische Produkte verzichtet riskiert jedoch eine Unterversorgung mit bestimmten Naumlhrstoffen Um eine effiziente Risikokommunikation zu gewaumlhrleis-ten hat das BfR Veganerinnen und Veganer zu Wissens-stand und Einstellungen befragt

Foren im Internet

Sonstige Quellen im Internet

Buumlcher

Zeitschriften

Freunde Bekannte

Sonstigen = 42 Mehrfachnennungen moumlglich

74

71

52

36

12

5

copy S

tudi

oPho

toD

Flor

ezs

hutte

rsto

ckc

om

BEFRAGUNG ZU VEGANISMUS

17012017

63

72 Ekel

Fremdheit

Bedenken zu Hygiene und Vertraumlglichkeit

Grillen Mehlwuumlrmer und Wanderheuschrecken ndash in vielen Regionen der Welt werden Insekten von Menschen verspeist Auch in der Schweiz sind Insek-ten seit dem Fruumlhjahr 2017 offiziell als Lebensmittel zugelassen Ihr Verzehr ist in Europa jedoch generell wenig verbreitet und die oumlffentliche Diskussion steckt noch in den Anfaumlngen Wie bekannt ist das Thema in der deutschen Bevoumllkerung Welche Einstellungen bestehen gegenuumlber essbaren Insekten Wie wird das Thema in den Medien dargestellt In zwei Studien hat das BfR Antworten auf diese Fragen gefunden

Die Mehrheit der Deutschen vermutet keine gesundheitlichen Risiken durch den Verzehr von Insekten wuumlrde sieaber dennoch nicht verzehren Hauptgruumlnde gegen den Verzehr

sind Ekel Fremdheit Bedenken zu Hygiene und Vertraumlglichkeit

46 13 15

Insekten als Lebensmittel fuumlr Menschen ndash 72 Prozent der Befragten haben schon davon gehoumlrt Insekten gelten als eiweiszlig- naumlhrstoff- und vitaminreich und als eine wesentliche Nahrungsquelle hinsichtlich des Welternaumlhrungsproblems

Insekten essen Mehr Theorie als Praxis

18 BfR 2 GO

RISIKOWAHRNEHMUNG

2014

27 Artikel

14

Zugrundeliegende Studien telefonische Repraumlsentativbefragung von 1000 Personen (deutschsprachige Bevoumllkerung ab 14 Jahren) Medienanalyse von 17 deutschen Print- und Onlinemedien (uumlberregionale Qualitaumltszei-tungen Hauptstadtpresse und woumlchentliche Zeitungen) im Zeitraum Januar 2014 bis Dezember 2015 zur Art und Haumlufigkeit der Berichterstattung uumlber essbare Insekten

14 Prozent der Befragten haben schon einmal Insekten verzehrt mehrheit-lich im Ausland Uumlberwiegend sind es Maumlnner 18 ndash 29-Jaumlhrige gut Gebildete und Staumldter

Die Medienberichterstattung zu Insekten als Lebens- und Futtermittel verdoppelte sich von 2014 zu 2015 In der Mehrheit ging es um Nutzen- aspekte Insekten wurden medial als bdquozukunftsweisendes sinnvolles Lebensmittel bei dem der Nutzen gegenuumlber moumlglichen Risiken uumlber-wiegtldquo dargestellt

Verbraucherinnen und Verbraucher wuumlnschen sich mehr Informationen zu moumlglichen gesundheitlichen Risiken von Insekten als Lebens- und Fut-termittel zu ihrer Produktion und zum Naumlhrstoffgehalt Dies koumlnnte die oumlffentliche Akzeptanz fuumlr den Verzehr von Insekten erhoumlhen Auch bdquounkenntlich gemachteldquo Insekten in Form verarbeiteter Lebensmittel wuumlrden eher akzeptiert als Insekten im urspruumlnglichen Zustand

WeiterlesenBfR-Symposium bdquoInsekten als Lebens- oder Futtermittel Nah-rung der Zukunftldquo Bericht zum Symposium am 24 Mai 2016 in 2016 Journal fuumlr Verbraucher-schutz und Lebensmittelsicher-heit 11 3 281ndash289

2015

60 Artikel

i

Insekten als Lebensmittel

gt zaumlhlen lebensmittelrechtlich in der EU zu den neuartigen Lebensmitteln und muumlssen zugelassen werden

gt unerforschte Aspekte Toxikologie Gehalt an Kontaminanten und Ruumlckstaumlnden allergenes Potenzial mikrobiologische Risiken

copy a

rka3

8sh

utte

rsto

ckc

om

19012017

INFOGRAFIK ZU INSEKTEN

Unerwuumlnscht inLebensmitteln

Gelangen Pyrrolizidinalkaloide (PA) in die Lebensmittelkette koumlnnen insbesondere 12-ungesaumlttigte PA dem Menschen schaden Seit Jahren

befasst sich das BfR mit der Frage welches gesundheitliche Risiko von 12-ungesaumlttigten PA in Lebensmitteln ausgeht Klar ist die PA-Kontami-

nation in der Lebensmittelkette sollte so gering wie moumlglich sein

LEBENSMITTELSICHERHEIT

20 BfR 2 GO

Unerwuumlnschte Stoffe die in die Lebensmittelkette gelangen koumlnnen fuumlr Verbraucherinnen und Verbraucher ein gesund-heitliches Risiko darstellen Ein Beispiel fuumlr solche Eintraumlge

sind 12-ungesaumlttigte Pyrrolizidinalkaloide (PA) Das sind Stoffe die von einigen Pflanzen als Schutz vor Fraszligfeinden gebildet werden Sie konnten zunaumlchst in Honig und anderen Bienenprodukten spaumlter auch in Tees Kraumlutertees und Gewuumlrzen aber auch in pflanzenba-sierten Nahrungsergaumlnzungsmitteln nachgewiesen werden

Toxische Wirkungen bei Mensch und Tier

Beim Menschen sind vereinzelt Vergiftungsfaumllle nach arzneilicher Einnahme von PA-haltigen Kraumlutertees und -erzeugnissen bekannt Weiterhin gibt es Berichte uumlber epidemische Lebererkrankungen mit Todesfaumlllen in Pakistan Indien Afghanistan Tadschikistan und der ehemaligen UdSSR nach Verzehr von Getreide das mit Samen von Heliotropium- oder Crotalaria-Arten kontaminiert war Aus der Nutztierhaltung ist das gehaumlufte Auftreten von Leberzirrhosen bei Schlachtrindern bekannt die mit Heu und Silage auch Alpenkreuz-kraut aufgenommen hatten Auch bei Pferden wurden mit Leberde-generation einhergehende durch PA im Futter verursachte Erkran-kungen die Seneciosen beobachtet

Die Leber ist das primaumlre Zielorgan von Schaumldigungen durch 12-ungesaumlttigte PA Jedoch koumlnnen auch die Lunge oder andere Organe betroffen sein Insbesondere bei Aufnahme houmlherer Dosen treten akute venookklusive Veraumlnderungen in der Leber (hepatic veno-occlusive disease HVOD) oder der Lunge auf In houmlheren Dosen wurden im Tierversuch mit 12-ungesaumlttigten PA auch ent-wicklungstoxische Effekte beobachtet Nach den vorliegenden tier- experimentellen Daten gilt die kanzerogene Wirkung von 12-un-gesaumlttigten PA als gesichert und ein entsprechendes Risiko fuumlr den Menschen wird in Betracht gezogen Vielfach zeigten Verbindungen die sich im Tierversuch als kanzerogen erwiesen in entsprechenden Mutagenitaumltstests eine genotoxische Wirkung

Wie 12-ungesaumlttigte PA in Lebensmittel gelangen koumlnnen

Nach bisherigem Kenntnisstand koumlnnen 12-ungesaumlttigte PA uumlber mehrere Wege in Lebensmittel gelangen In Deutschland sind Ver-unreinigungen vor allem in den Anbauflaumlchen von Nutzpflanzen mit PA-bildenden Wildkraumlutern wie z B bei Salaten mit Kreuzkraut oder Greiskraut aufgetreten Aus Afghanistan sind erhoumlhte Belastungen in Getreide bekannt Auch die Belastung von Tee und Kraumlutertee-Sor-ten mit PA wird auf eine Kontamination mit bestimmten Wildkraumlu-tern in den Anbauflaumlchen zuruumlckgefuumlhrt Auszligerdem koumlnnen Bienen-produkte wie Honig und Pollen mit PA belastet sein wenn die Tracht von bestimmten Wildpflanzen stammt 12-ungesaumlttigte PA koumlnnen auch uumlber verunreinigte Futtermittel in Milch Eier und Fleisch ge-langen Auch Nahrungsergaumlnzungsmittel koumlnnen auf der Basis von Pflanzen hergestellt sein die selbst 12-ungesaumlttigte PA bilden

Gesundheitliche Risiken durch belastete Lebensmittel

Das BfR hat 2016 eine Bewertung der gesundheitlichen Risiken durch 12-ungesaumlttigte PA erarbeitet Dabei wurde die Belastung aller wichtigen Lebensmittelgruppen beruumlcksichtigt fuumlr die aktuell Daten zum Vorkommen von 12-ungesaumlttigten PA vorliegen Bei der Bewertung wurde die genotoxisch-kanzerogene Wirkung als emp-findlichster Endpunkt zugrunde gelegt

copy F

eyya

z A

laca

ms

hutte

rsto

ckc

om

copy e

mbe

riza

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

21012017

Danach geht bei Kindern im Alter von sechs Monaten bis unter fuumlnf Jahren die Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA im Wesentlichen auf Kraumlutertee einschlieszliglich Rooibostee Schwarztee und Honig zuruumlck Fruumlchtetee Milch Eier und Fleisch tragen nur wenig zur Gesamtaufnahme von 12-un-gesaumlttigten PA bei Sieht man von bestimm-ten Nahrungsergaumlnzungsmitteln ab zeigt sich bei Erwachsenen ein aumlhnliches Bild Bei Erwachsenen ist der Beitrag von Honig zur Gesamtaufnahme an 12-ungesaumlttigten PA geringer und der von Gruumlntee houmlher als bei Kindern Bei hohen Gehalten koumlnnen Nahrungsergaumlnzungsmittel als zusaumltzliche Expositionsquelle zur Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber Lebensmittel beitragen Gewuumlrze und Kraumluter aber auch Mehle stellen moumlglicherweise eine relevante zusaumltzliche Expositionsquelle dar Fuumlr eine abschlieszligende Bewertung fehlen hier jedoch noch Daten

Obwohl in Einzelfaumlllen hohe Gehalte an 12-ungesaumlttigten PA in bestimmten Le-bensmitteln des allgemeinen Verzehrs nachgewiesen wurden haumllt das BfR nach derzeitiger Datenlage auch bei hoher Auf-nahme dieser Lebensmittel eine akute Ge-sundheitsschaumldigung fuumlr unwahrscheinlich Zur Abschaumltzung des potenziellen Risikos von genotoxisch-kanzerogenen Wirkungen legte das BfR wie international uumlblich den MOE-Ansatz (Margin of Exposure) zugrun-de Dabei wird ausgehend von Tierstudien angenommen dass fuumlr genotoxische Kan-zerogene ein MOE-Wert von 10000 oder houmlher aus Sicht der oumlffentlichen Gesundheit als wenig bedenklich und die Prioritaumlt fuumlr Maszlignahmen im Rahmen des Risikomanage-ments als niedrig angesehen werden kann Bei genotoxisch-kanzerogenen Stoffen kann keine Schwellendosis angenommen werden unterhalb derer keine unerwuumlnschten Wir-kungen mehr erwartet werden Daher gilt in der Europaumlischen Union die Empfehlung die Exposition gegenuumlber genotoxisch und kanzerogen wirkenden Substanzen so weit zu minimieren wie dies vernuumlnftig erreich-bar ist ndash das sogenannte ALARA-Prinzip (as low as reasonably achievable) Selbst geringe Aufnahmemengen koumlnnen insbesondere bei regelmaumlszligigem Verzehr mit einer Erhouml-hung gesundheitlicher Risiken verbunden sein

Die Bewertung des genotoxischen und kan-zerogenen Risikos erfolgt als Vergleich der Gesamtaufnahme uumlber verschiedene Tees Milch und Honig bei Kindern und Er-wachsenen auf der Basis verschiedener Ver-zehrszenarien mit dem BMDL10-Wert von

73 Mikrogramm pro Kilogramm Koumlrperge-wicht und Tag unter Berechnung des MOE Der BMDL10-Wert (Benchmark dose lower confidence limit 10) ist ein Schaumltzwert der niedrigsten Dosis die im Tierexperiment mit 95-prozentiger Sicherheit eine Krebsin-zidenz von nicht mehr als 10 Prozent ver-ursacht Alle Berechnungsansaumltze sowohl fuumlr Kinder als auch fuumlr die erwachsene Be-voumllkerung ergaben MOE-Werte deutlich unterhalb von 10000 Da nach Ansicht des Wissenschaftlichen Ausschusses der EFSA ein MOE erst ab einem Wert von mindes-tens 10000 aus Sicht der oumlffentlichen Ge-sundheit als wenig bedenklich anzusehen ist empfiehlt das BfR die Gesamtexposition mit PA aus allen Lebensmitteln so niedrig wie moumlglich zu halten und einen MOE von 10000 bei Beruumlcksichtigung der PA-Zufuhr aus allen Quellen nicht zu unterschreiten Dazu sollten die Bemuumlhungen fortgesetzt werden die PA-Gehalte in Lebensmitteln weiter zu senken

Forschungsansaumltze des BfR

Das BfR befasst sich seit einigen Jahren mit der Problematik der Verunreinigung von Lebensmitteln mit 12-ungesaumlttigten PA und verfolgt hierzu verschiedene Forschungs-ansaumltze Die Analytik der 12-ungesaumlttigten PA stellt aufgrund ihrer groszligen strukturel-len Vielfalt und des Vorkommens in unter-schiedlichen Lebensmitteln eine besondere Herausforderung dar In den letzten Jahren hat das BfR spezifische Nachweismethoden entwickelt und in Ringversuchen validiert Diese Methoden stehen auf der Homepage des BfR zur Verfuumlgung und koumlnnen z B in der Lebensmittel- und Futtermitteluumlberwa-chung eingesetzt werden

Neben der Entwicklung analytischer Me-thoden werden am BfR die molekularen Mechanismen der Toxizitaumlt von 12-unge-saumlttigten PA untersucht Hier stehen vor allem Untersuchungen zur strukturabhaumln-gigen Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber die Darmbarriere im Vordergrund Die Ergebnisse zeigen dass sich das Wirkungs-potenzial der 12-ungesaumlttigten PA aufgrund von Unterschieden im strukturabhaumlngigen Transport uumlber die Darmbarriere unter-scheiden kann Auch zeigten die getesteten Modellsubstanzen in einem Zellkulturmo-dell deutliche strukturspezifische Unter-schiede im Metabolismus Weitere Untersu-

Pflanzen die Pyrrolizidinalkaloi-de bilden finden sich vor allem in den Familien der Korbbluumltler (Asteraceae) der Raublatt- oder Borretschgewaumlchse (Boraginaceae) und der Huumllsenfruumlchtler (Faba-ceae)

22 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

chungen zu der Zerstoumlrung der sinusoidalen Endothelzellen durch 12-ungesaumlttigte PA sollen zum Verstaumlndnis der Mechanismen beitragen die zu den venookklusiven Ver-aumlnderungen in der Leber fuumlhren Auch wer-den Untersuchungen zur Metabolisierung nahrungsrelevanter Pyrrolizidinalkaloide durchgefuumlhrt Die Forschungsprojekte wer-den von der Deutschen Forschungsgemein-schaft (DFG) gefoumlrdert

Empfehlungen zur Reduktion der PA-Gehalte

Das BfR empfiehlt dass sich Management-maszlignahmen an der Vermeidung genoto-xisch-kanzerogener Effekte der 12-ungesaumlt-tigten PA als dem empfindlichsten Endpunkt orientieren Die Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA sollte fuumlr Verbrau-cherinnen und Verbraucher so gering wie moumlglich sein Dazu sollten die PA-Gehalte in Lebensmitteln so weit wie moumlglich sin-ken Dies gilt insbesondere fuumlr Kraumlutertees Rooibostee Schwarzen Tee und Gruumlnen Tee sowie bestimmte Nahrungsergaumlnzungsmit-tel Hier sollten Anbau- Ernte- und Reini-gungsmethoden weiterhin verbessert wer-den Auch die Auswahl der Rohhonige kann zu einer Reduzierung der Gehalte an 12-un-gesaumlttigten PA in verzehrfertigen Honigen beitragen Auszligerdem sind vor der Vermark-tung seitens der Lebensmittelunternehmer weiterhin Kontrollen in allen betroffenen Lebensmittelkategorien notwendig

Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das potenzielle gesundheitliche Risiko durch PA durch eine abwechslungsreiche Ernaumlh-rung verringern und so generell einseitigen Belastungen mit verschiedenen potenziell gesundheitsgefaumlhrdenden Stoffen vorbeu-gen Insbesondere fuumlr Kinder Schwangere und Stillende empfiehlt das BfR den taumlgli-chen Fluumlssigkeitsbedarf nicht ausschlieszliglich mit Kraumlutertee und Tee zu decken

Bei der Zubereitung von Salat Blattgemuumlse und Kraumlutern sollten Verbraucherinnen und Verbraucher Pflanzenteile aussortieren die sie keinen bekannten essbaren Pflanzen zu-ordnen koumlnnen

Wer Nahrungsergaumlnzungsmittel auf Pollen-basis oder auf Basis von Pflanzen einnimmt die 12-ungesaumlttigte PA bilden sollte sich bewusst sein dass diese Produkte 12-un-gesaumlttigte PA in houmlheren Konzentrationen enthalten koumlnnen

Mehr erfahrenStellungnahme Nr 0302016 des BfR vom 28 September 2016

Necinbase

Necinsaumlure

Die Struktur von PA

Chemisch handelt es sich um Ester aus einer Necinbase und aliphatischen Mono- oder Dicarbonsaumluren (Necin-saumluren) Aus toxikologischer Sicht besonders bedeutsam sind Pyrroli-zidinalkaloide mit 12-ungesaumlttigter Necinstruktur (12-ungesaumlttigte PA) Die 12-ungesaumlttigte Necinstruktur als gemeinsames Strukturmerkmal erlaubt grundsaumltzlich die Giftung durch Oxidation zum Dehydropyrrolizidin das durch seine alkylierenden Eigenschaf-ten fuumlr die genotoxische und karzino-gene Wirkung dieser Substanzgruppe verantwortlich ist

copy R

ukiM

edia

shu

tters

tock

com

copy J

iri H

era

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

23012017

Im suumldlichen Afrika spielt die Landwirt-schaft eine Schluumlsselrolle bei der Armuts-bekaumlmpfung Eine wachsende Produktion tierischer Lebensmittel bringt jedoch auch neue Herausforderungen an die Lebensmit-telsicherheit mit sich Das BfR-Forschungs-projekt bdquoSAD-Zambialdquo (bdquoStaphylococcus aureus in der Milchlebensmittelkette in Sambia ndash Bekaumlmpfung lebensmittelbeding-ter Erkrankungen und Antibiotikaresisten-zen beim Menschldquo) befasst sich damit wie die Produktion und der Vertrieb von Milch und Milchprodukten in Sambia sicherer gestaltet werden koumlnnen Ziel ist es zu be-werten in welchem Umfang das Bakterium Staphylococcus (S) aureus uumlber Milch und Milchprodukte auf den Menschen uumlbertra-gen wird In einem ersten Schritt werden Feldstudien in verschiedenen Provinzen des Landes durchgefuumlhrt um das Vorkommen dieses Erregers und moumlgliche Schwachstel-len in der Milchlebensmittelkette in Sambia zu analysieren Hierbei stehen Toxin-bil-dende S aureus-Staumlmme im Fokus Auszliger-dem wird untersucht in welchem Umfang Methicillin-resistente S aureus (MRSA) die gegen eine bestimmte Klasse von Antibio-tika resistent sind in der Milchlebensmit-

telkette vorkommen Die Bewertungsarbeit beinhaltet auch einen Vergleich traditio-neller und moderner Produktionssysteme Am BfR werden anschlieszligend die Analysen zu den Eigenschaften der gewonnenen Bakterienstaumlmme sowie stammvergleichen-de Untersuchungen durchgefuumlhrt In einem weiteren Schritt werden Ansatzpunkte zur Reduzierung der Bakterien sowie Methoden zum Monitoring von zoonotischen und An-tibiotika-resistenten S aureus in der Milch-lebensmittelkette in Sambia entwickelt So soll zum Verstaumlndnis der lebensmittelbe-dingten Risiken entlang der Milchlebens-mittelkette in Sambia beigetragen werden Das Projekt begann am 01072016 und laumluft drei Jahre Es wird vom Bundesminis-terium fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft gefoumlrdert und aus BfR-Mitteln co-finanziert Neben dem BfR beteiligen sich an dem For-schungsprojekt das International Livestock Research Institute die University of Zambia und das Central Veterinary Research Insti-tute als Teil des sambischen Ministeriums fuumlr Nutztiere und Fischerei Durch dieses Forschungsnetzwerk soll eine nachhaltige Partnerschaft aufgebaut werden

Mit dem Forschungsprojekt bdquoSAD-Zambialdquo leistet das BfR einen Beitrag zur Staumlrkung der Lebensmittelsicherheit und damit zur Ernaumlhrungssicherheit im suumldlichen Afrika Koordinatorin des Projekts ist Frau Dr Alexandra Fetsch Der sambische Doktorand Herr Bruno Phiri berichtet von seiner alltaumlglichen Arbeit Beide arbeiten in der Fach-gruppe bdquoMikrobielle Toxineldquo des BfR

POST AUS hellipSAMBIA

raquobdquoDas SAD-Zambia Projekt ist fuumlr mich ein Meilenstein und ich bin dem BfR sehr dankbar dass es mir diese Moumlglichkeit gibt Ich habe schon viel dazugelernt und konnte meine Kompetenzen bezuumlglich der Diagnose von Krankheitserregern verbessern Das Projekt bringt mich aber nicht nur persoumlnlich voran auch mein Land kann davon profitieren Mein Arbeitsalltag beginnt meist mit einem Besuch bei den Milchbauern und ihren Herden Dort schaue ich mir an wie die Kuumlhe gemolken werden und nehme Proben von den Tieren der Milch und der Umge-bung Auch in Milchsammelstellen und auf Maumlrkten nehme ich Proben Diese analysiere ich anschlieszligend im Labor an der Universitaumlt Schon jetzt freue ich mich auf die weiteren Untersuchungen der Bakterienstaumlm-me am BfR Ich war zu Beginn des Projektes dort ndash eine sehr eindrucks-volle Erfahrungldquo

(Bruno Phiri)

copy a

stud

ios

hutte

rsto

ckc

om

copy B

fR

24 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

Algengift in Tropenfischen

Bisher traten Lebensmittelvergiftungen durch Ciguato-xin ndash einem Algentoxin das in tropischen Speisefischen wie Barrakuda Schnapper oder Zackenbarsch enthalten sein kann ndash vorwiegend in den Tropen auf Mit dem zunehmenden Import von Fischen aus Suumldostasien haumlufen sich auch in Europa und seit 2012 in Deutschland Faumllle von Ciguatera Ein Problem dabei Eine Analyse-methode mit der Fisch routinemaumlszligig auf Ciguatoxine untersucht werden kann ist derzeit noch nicht verfuumlgbar Da weltweit nur wenige Labore auf den Nachweis von Ci-guatoxinen in Fischen spezialisiert sind wird im Projekt bdquoEuroCigualdquo der Europaumlischen Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit (EFSA) unter anderem an der Verbesserung entsprechender Analysemethoden und zum Vorkommen ciguatoxischer Fische in Europa geforscht Das BfR liefert fuumlr das Projekt Angaben zu Erkrankungsfaumlllen in Deutschland Die krankmachenden Algentoxine reichern sich uumlber die Nahrungskette in Raubfischen an und sind uumlberaus stabil Durch Erhitzen oder Tiefkuumlhlen lassen sie sich nicht entfernen Beim Menschen kann der Verzehr betroffener Fische dann zu Vergiftungen mit zum Teil schweren oder andauernden Beeintraumlchtigungen des Nervensystems fuumlhren An Ciguatera Erkrankte nehmen normale Kaumlltereize als ungewoumlhnlich schmerzhaft wahr

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt A-Z-Index Ciguatoxin

Alkaloide in Lupinensamen

In verarbeiteten Produkten oder zum Knabbern Lupinensamen sind im Trend Da sie jedoch toxikologisch relevante bittere Chinolizidinalkaloide enthalten koumlnnen bewertet das BfR ihr gesundheitliches Risiko Der Gehalt an Chinolizi-dinalkaloiden in Lupinensamen variiert je nach botanischer und geografischer Abstammung Samen die von bdquoBitterlupinenldquo stammen sind aufgrund ihrer houmlheren Gehalte ohne geeignete Vorbehandlung der bdquoEntbitterungldquo nicht zum Verzehr geeignet Denn Sie koumlnnen beim Menschen Vergiftungssymptome her-vorrufen Lupinenvarietaumlten die Samen mit niedrigen Alkaloidgehalten liefern werden als bdquoSuumlszliglupinenldquo bezeichnet Suumlszliglupinensamen sind auch ohne Entbitte-rung verzehrsfaumlhig In Deutschland kam es mit Bitterlupinensamen vereinzelt zu Vergiftungsfaumlllen Das BfR empfiehlt Herstellern daher nur ganze Lupinensamen in den Verkehr zu bringen die ohne weitere Entbitterungsprozesse verzehrsfaumlhig sind Mehl aus Lupinensamen sollten Hersteller aus alkaloidarmen oder ausrei-chend entbitterten Samen herstellen

Uumlbertragungswege des Hepatitis-E-Virus

Infektionen mit dem Hepatitis-E-Virus (HEV) koumlnnen zu einer akuten Leberentzuumlndung fuumlhren In den letzten Jahren sind die Zahlen gemeldeter Hepatitis-E-Faumllle des Menschen in Deutsch-land stark angestiegen Forschungsergebnisse des BfR in Zusam-menarbeit mit anderen Einrichtungen haben gezeigt dass das Virus in deutschen Haus- und Wildschweinen weit verbreitet ist Vereinzelt wurde HEV auch in Rehen und Rotwild nachgewiesen

Unklar ist derzeit noch auf welchen Wegen sich die Patienten mit dem Virus anstecken Moumlglich sind direkte Virusuumlbertra-gungen zum Beispiel vom Wildtier auf den Jaumlger und indirekte uumlber Lebensmittel die aus infizierten Tieren hergestellt wurden Wie aktuelle Studien des BfR zeigen kann HEV in verschiedenen Wurstwaren aus dem deutschen Einzelhandel nachgewiesen wer-den Fraglich ist ob das Virus in diesen Produkten noch anste-ckend ist oder ob es bei der Herstellung der Lebensmittel zerstoumlrt wird Hierfuumlr noumltige Untersuchungen waren in der Vergangenheit erschwert da sich HEV im Labor nur schlecht kultivieren lieszlig Erste Ergebnisse von Untersuchungen mithilfe eines am BfR ent-wickelten neuartigen Zellkultur-Systems weisen darauf hin dass HEV hitzeempfindlich ist aber bei Kuumlhlung oder Raumtempera-tur mehrere Wochen infektioumls bleiben kann

SPEKTRUM

copy N

eil B

urto

nsh

utte

rsto

ckc

om

copy N

atal

ia M

ylov

ash

utte

rsto

ckc

om

copy iS

tock

com

Mee

Poo

hyap

hoto

25012017

bdquoNur eine gemeinsame Strategie ist effektivldquo

Frau Kaumlsbohrer ein zentrales Thema Ihrer Forschung sind Antibiotikaresis-tenzen In der oumlffentlichen Debatte wird oft ein Zusammenhang hergestellt zwi-schen dem haumlufigen Einsatz von Anti-biotika in der Nutztierhaltung und dem Auftreten resistenter Bakterien in der Humanmedizin Doch werden bei Tieren nicht andere Antibiotika eingesetzt als bei MenschenUm die Unterschiede zu erlaumlutern muss man zwischen Praumlparaten und den antibiotischen Wirkstoffgruppen unterscheiden Beim Tier verwenden Veterinaumlrmediziner ande-re Praumlparate als Aumlrzte beim Menschen Der wirksame Inhaltsstoff das Antibiotikum kann aber dasselbe sein Die Antibiotika lassen sich wiederum in Wirkstoffgruppen einteilen Mit Blick auf die Wirkstoffgrup-pen gilt Die meisten Antibiotika die beim Menschen eingesetzt werden gehoumlren zu Wirkstoffgruppen die wir auch in der Vete-rinaumlrmedizin nutzen Es gibt nur ganz weni-ge Antibiotikagruppen die nur auf der einen oder der anderen Seite verwendet werden Dazu gehoumlren zum Beispiel die Carbapene-me die nicht beim Nutztier eingesetzt wer-den duumlrfen In der Humanmedizin kommen sie insbesondere zum Einsatz wenn andere Antibiotika nicht mehr wirksam sind

bdquoEine Resistenz ge-gen einen bestimm-ten Wirkstoff kann sich auch ausbrei-ten obwohl diese Wirkstoffgruppe nicht eingesetzt wurde

Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer leitet am BfR die Fachgruppe bdquoEpide-miologie Zoonosen und Antibiotika-resistenzldquo die unter anderem auch das Nationale Referenzlabor fuumlr Antibiotika- resistenzen umfasst Seit April 2016 ist sie auszligerdem Professorin an der Vetmeduni Vienna und leitet dort das Institut bdquoOumlffentliches Veterinaumlrwesenldquo

Wenn sie beim Nutztier nicht eingesetzt werden duumlrfen wie kann es dann sein dass Sie am BfR im Rahmen des For-schungsprojekts RESET Carbapene-mase-bildende Bakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden gefunden habenDie Entstehung von Antibiotikaresistenzen ist ein natuumlrlicher Vorgang bei Bakterien Durch den Gebrauch von Antibiotika wird dieser Prozess beschleunigt Eine Resistenz gegen einen bestimmten Wirkstoff kann sich auch ausbreiten obwohl diese Wirk-stoffgruppe nicht eingesetzt wurde Dank der Selektion gilt meist Wenn ich einen Wirkstoff einsetze gebe ich jenen Bakterien einen Vorteil die gegen den Wirkstoff resis-tent sind Aber Carbapenemasen also die Enzyme die von Carbapenem-resistenten Bakterien gebildet werden koumlnnen neben den Carbapenemen auch fast alle anderen

Bakterien die gegen Antibiotika resistent sind stellen ein Risiko fuumlr die oumlffentliche Gesundheit dar Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer widmet sich am BfR dieser Problematik Im Gespraumlch erklaumlrt sie welche Faktoren bei der Ausbreitung von Resistenzen eine Rolle spielen

copy M

icha

el B

ernk

opf

Vetm

edun

i Vie

nna

26 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

β-Laktam-Antibiotika inaktivieren Theo-retisch ist es daher moumlglich dass sich eine Resistenz gegen Carbapeneme ausbreitet obwohl der Tierarzt beim Nutztier eine an-dere Wirkstoffgruppe eingesetzt hat Ist die Resistenz bei Bakterien vorhanden gibt es viele Ausbreitungswege Ein Stall ist kein steriler Ort sondern belebte Umwelt Moumlg-liche Eintragswege fuumlr resistente Bakterien in einen Stall sind z B belebte Vektoren wie neu eingestallte Tiere Maumluse Fliegen oder Voumlgel aber auch unbelebte Vektoren wie Futter Wasser Staub oder Geraumltschaften

Was hat sich seit dem Fund der Carba-penemase-bildenden Enterobakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden fuumlr Ihre Arbeit beim BfR geaumlndert Der Fund hatte vielfaumlltige Konsequenzen Wir haben vor allem die gezielten Untersu-chungsaktivitaumlten verstaumlrkt Bakterien-Iso-late aus Tierbestaumlnden und Lebensmitteln werden seit 2014 im Rahmen des Resistenz-monitorings im BfR routinemaumlszligig auf eine Carbapenem-Resistenz getestet Auszligerdem steht seit 2015 fuumlr den Nachweis von Carba-penemase-bildenden Bakterien ein weiteres gezieltes Nachweisverfahren zur Verfuumlgung Hierzu muumlssen die Labore geschult werden Zusaumltzlich werden im Nationalen Refe-renzlabor fuumlr Antibiotikaresistenz am BfR Carbapenemase-verdaumlchtige Bakterien auf die charakteristischen Resistenzgene hin un-tersucht Am BfR wurden hierfuumlr verschie-dene Methoden fuumlr die Untersuchung von E coli und Salmonella etabliert Bisher wur-den sehr selten solche Resistenzgene nach-gewiesen bei Nutztieren das Gen blaVIM-1 bei einem Wildvogel das Gen blaNDM-1

Oftmals sind die Resistenzgene gegen Carbapeneme zusammen mit anderen Resistenzgenen auf mobilen geneti-schen Elementen lokalisiert Warum ist hier besondere Vorsicht gebotenZunaumlchst ist die Trefferwahrscheinlichkeit fuumlr eine Selektion houmlher wenn mehrere Re-sistenzgene auf einem genetischen Element liegen d h der Einsatz verschiedener Anti-biotika kann zu einem Selektionsvorteil fuumlh-ren Die Lokalisation von Resistenzgenen auf mobilen genetischen Elementen spielt fuumlr die Uumlbertragbarkeit von Resistenzen eine wichtige Rolle Denn Diese Resistenzgene koumlnnen mittels horizontalem Gentransfer auf ganz unterschiedliche Bakteriengruppen uumlbertragen werden Diese Erkenntnis hat eine Art Revolution ausgeloumlst Lange Zeit wurde ein Erreger mit all seinen Eigenschaf-ten als Einheit betrachtet Kann die Resis-tenz aber zwischen Bakteriengruppen hin

und her uumlbertragen werden verfaumllscht das moumlglicherweise den Blick auf eine Gruppe Folglich mussten die Nachweisverfahren umgestellt und die Uumlbertragbarkeit von Re-sistenzen mit analysiert werden Erschwe-rend kommt hinzu dass ein Resistenzgen auf einem grundsaumltzlich ungefaumlhrlichen

Bakterium zum Problem werden kann Manche Bakterien wie beispielsweise E coli gehoumlren zur normalen Darmflora Traumlgt so ein Bakterium eine Resistenzeigenschaft ist das erstmal nicht gefaumlhrlich Aber Es kann diese Eigenschaft moumlglicherweise an einen Infektionserreger weitergeben

Welche konkreten Folgen kann eine solche Weitergabe von Resistenzeigen-schaften habenSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt Schon jetzt weichen Aumlrzte auf Wirk-stoffgruppen aus die in der Humanmedizin lange verpoumlnt waren Dies gilt zum Beispiel fuumlr Colistin Fuumlr den Menschen ist es nicht gut vertraumlglich moumlgliche Nebenwirkun-gen sind beispielsweise die Schaumldigung der Nieren oder des Nervensystems In der Ve-terinaumlrmedizin hat Colistin seit Jahrzehnten eine erhebliche Bedeutung vor allem fuumlr die Behandlung von Infektionen des Ma-gen-Darm-Traktes bei Nutztieren auch um andere Wirkstoffgruppen zu vermeiden

Spielt im Fall von Colistin die Mobilitaumlt des Resistenzgens auch eine besonde-re Rolle Inzwischen ja Bis Ende 2015 waren sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler einig Eine Colistin-Resistenz ist nicht uumlbertragbar Das heiszligt kommt eine solche Resistenz bei einem Infektionserreger beim Nutztier vor ist sie nicht per se auf ein hu-manpathogenes Bakterium uumlbertragbar Doch Ende 2015 wurde in China erstmals das uumlbertragbare Gen mcr-1 beschrieben Untersuchungen in Belgien haben spaumlter zur Beschreibung eines weiteren mobilen Gens fuumlr die Colistin-Resistenz bei Nutztieren

bdquoSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

27012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Ausbreitung von Resistenzen

Haustiere

Krankenhaus

Belastetepflanzliche Lebensmittel

Belastete tierische Lebensmittel

Nutztiere

Futtermittel

Schaumldlinge

Uumlbertragungswege resistenter Bakterien

Menschen

Eine Antibiotikaresistenz entsteht

(z B durch Mutation)

Antibiotikatherapie beguumlnstigt die

Selektion resistenter Bakterien

Nahrung

Duumlnger Abwasser

Abwasser

28 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

gefuumlhrt mcr-2 Das bedeutet eine Uumlbertra-gung der durch diese Gene vermittelten Re-sistenz auf ein humanpathogenes Bakterium ist theoretisch moumlglich Allerdings scheint dies bisher selten der Fall zu sein

Diese Erkenntnisse offenbaren einen groszligen Forschungsbedarf Was tun Sie in der Abteilung bdquoBiologische Sicher-heitldquo um das Risiko zu bewerten Als 2015 klar wurde dass es eine uumlbertrag-bare Colistin-Resistenz gibt haben wir diese neue Erkenntnis in den laufenden Projekten natuumlrlich sofort aufgegriffen Im Rahmen des Forschungsprojekts RE-SET haben wir zum Beispiel vorhandenes Bakterienmaterial und die bei unseren Ko-operationspartnern verfuumlgbaren Gesamt-genominformationen auf das Vorkommen dieses neuen Resistenzgens gepruumlft Schnell war klar Ja dieses Gen finden wir in den Sequenzen Und die Pruumlfung von Colis-tin-resistenten Isolaten aus unserer Stamm-sammlung hat bestaumltigt dass dieses Resis-tenzgen bereits weit verbreitet ist

Muumlssen nun neue Forschungsprojekte zu dem Thema initiiert werdenJa denn viele Fragen bleiben bislang offen Wie haumlufig wird die Resistenz tatsaumlchlich uumlbertragen Was triggert diese Uumlbertra-gung Es gibt auch diagnostische Probleme Das uumlbliche Verfahren in der Humanmedi-zin um Resistenzen zu testen umfasst in der Regel nicht die Resistenz gegen Colistin Es gibt also viel zu tun Neue Diagnose- und Typisierungsverfahren aufbauen unser Re-sistenzmonitoring erweitern und routine-maumlszligig phaumlnotypisch resistente Isolate auf das Gen pruumlfen Die Ergebnisse muumlssen wir dann uumlbergreifend bewerten um Hand-lungsoptionen aufzuzeigen

Welche Uumlbertragungswege spielen bei der Colistin-Resistenz fuumlr den Men-schen eine Rolle Mit Sicherheit koumlnnen wir das derzeit nicht sagen Die chinesische Arbeitsgruppe hat Colistin-Resistenzen sowohl im Schweine-fleisch als auch beim Menschen gefunden Daher liegt die Hypothese nahe dass es eine Uumlbertragung uumlber Lebensmittel gibt Gleichzeitig gibt es generell die Beobachtung von nosokomialen Ausbreitungen resisten-ter Bakterien Das sind Ausbreitungen von Antibiotikaresistenzen im Krankenhaus

Resistenzen breiten sich aus Wunder-waffen verlieren ihre Wirkung selbst im Krankenhaus sind wir nicht sicher Gibt es uumlberhaupt eine effiziente Strategie gegen die Ausbreitung der Antibiotika- resistenzen Und wer ist dabei gefor-dertUm die Ausbreitung von Antibiotika- resistenzen zu verhindern braucht es eine gemeinsame Strategie Schlieszliglich sind hier komplexe Zusammenhaumlnge zwischen Mensch Tier und Umwelt am Werk Am BfR streben wir deswegen eine enge Zu-sammenarbeit mit allen Akteuren im oumlffent-lichen Gesundheits- und Veterinaumlrwesen an Bei diesem bdquoOne Health-Ansatzldquo sind sowohl Veterinaumlr- als auch Humanmedizi-ner gefordert Auch Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

Was sollten Verbraucherinnen und Ver-braucher beachtenHier gelten dieselben Hygieneregeln die auch fuumlr andere vom Tier oder vom Le-bensmittel auf den Menschen uumlbertragba-re Krankheitserreger gelten Zum Beispiel sollten sie sich nach dem Kontakt mit Tie-ren die Haumlnde mit warmem Wasser und Seife waschen Auch nach der Zubereitung von rohem Fleisch sollten die Haumlnde gruumlnd-lich gewaschen werden Fleisch Eier und Rohmilch sollten vor dem Verzehr durcher-hitzt werden Rohkost und Obst sollten vor dem Verzehr gruumlndlich mit Trinkwasser gewaschen oder geschaumllt werden Weiterhin wichtig ist den direkten oder indirekten Kontakt von rohem Fleisch und rohen Ei-ern mit verzehrfertigen Speisen die spaumlter nicht mehr erhitzt werden zu vermeiden Durch die Einhaltung der Hygieneregeln kann man einer Uumlbertragung von resisten-ten und oder pathogenen Bakterien auf an-dere Lebensmittel vorbeugen

Mehr erfahren Irrgang et al 2017 Recurrent detection of VIM-1-producing Escherichia coli clone in German pig production Journal ofAntimicrobial Chemotherapy 72 3 944ndash946

bdquoVerbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

RESET

Der Forschungsverbund RESET ndash Antibiotika-Resistenzen bei Tier und Mensch ndash beschaumlftigte sich von 2010 bis 2017 mit Resistenzen gegen die besonders wichtigen Antibiotika-Klas-sen der β-Laktam-Antibiotika und (Fluor-)Chinolone bei Darmbakterien wie Escherichia (E) coli Sind Bak-terien gegen beide Wirkstoffklassen resistent werden die therapeutischen Moumlglichkeiten drastisch eingeschraumlnkt Bei E coli und Salmonella enterica wurden derartige Resistenzen bereits nachgewiesen Das BfR beteiligte sich mit zwei Projekten an dem Forschungs-verbund Durch das konsequente Zusammenfuumlhren von Ergebnissen der unterschiedlichen Forschungsgebiete in einer gemeinsamen Datenbank konnten Erkenntnisluumlcken geschlossen und Risiken bewertet werden Das Projekt wurde vom Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) gefoumlrdert

29012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Kann es durch die Mischung verschiedener Pestizid-Ruumlckstaumlnde beim taumlglichen Verzehr zu gesundheitsgefaumlhrdenden Belastungen kommen

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

30 BfR 2 GO

Wenn von Paradigmenwechseln die Rede ist findet meist ein grundlegendes Umdenken statt In der Risikobewertung von Chemikalien habe ein Paradigmenwechsel stattge-

funden der die traditionelle Einzelsubstanz-Bewertung hinter sich lasse schrieben BfR-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler vor einiger Zeit Man koumlnnte meinen in der Toxikologie wird der Paracelsus-Satz kuumlnftig umgeschrieben Nicht nur die Dosis son-dern auch die Aufsummierung der Dosierungen in einer Mischung macht das Gift

Gift- oder Todescocktail ndash plakative Medienbegriffe

Denn tatsaumlchlich In den letzten Jahren beschaumlftigen sich weltweit immer mehr Gremien politische Ausschuumlsse und Forschungspro-jekte mit der Frage wie man die Auswirkungen von Mischungen auf Umwelt und Gesundheit kuumlnftig bewerten kann Auch in der Oumlffentlichkeit wird das Thema emotional verhandelt Chemikali-enmix Gift- oder sogar Todescocktail ndash mit plakativen Begriffen umschreiben Medien das Phaumlnomen der Mehrfachruumlckstaumlnde Entsprechend tief sitzt die Angst bei Verbraucherinnen und Ver-brauchern In einer vom BfR in Deutschland durchgefuumlhrten re-praumlsentativen Wahrnehmungsstudie vermuten 80 Prozent der Befragten dass der Einsatz mehrerer unterschiedlicher Pflanzen-schutzmittel zu gesundheitlichen Beeintraumlchtigungen durch Le-bensmittel fuumlhren kann

Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck sein

Zwar zeigen verschiedene aktuelle Monitoring-Projekte dass das gesundheitliche Risiko durch Mehrfachruumlckstaumlnde von Pflanzen-schutzmitteln unwahrscheinlich ist (s Interview) aber das Thema bleibt auch fuumlr die Wissenschaft draumlngend Denn auch wenn Mi-schungen schon seit Jahrzehnten wissenschaftlich analysiert und bewertet werden das Beduumlrfnis nach einer zuverlaumlssigen Bewertung der Risiken fuumlr Mensch und Umwelt steigt Grund dafuumlr ist zum einen die Vielzahl immer neuer Wirkstoffe Zusatzstoffe Chemika-lien Ruumlckstaumlnde und Kontaminanten gegenuumlber denen Menschen exponiert sind verbunden mit immer verfeinerten wissenschaftli-chen Nachweismethoden Zum anderen steigt der Druck aus der Oumlffentlichkeit Um wissenschaftliche Divergenzen zu vermeiden muumlssen transparente und international harmonisierte Verfahren entwickelt werden Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck in der Risikobewertung sein

Alle Gemische im Tierversuch zu testen ist nicht durchfuumlhrbar

Worum geht es im Einzelnen Mischungen liegen immer dann vor wenn ein Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt verschiedene Stoffe gleichzeitig aufnimmt z B Ruumlckstaumlnde Kontaminanten oder Chemikalien die nach der Europaumlischen Chemikalienverordnung REACH registriert sind Das geschieht wenn sogenannte intentional mixtures also beabsichtigte Mischungen wie Pflanzenschutzmittel oder Biozide in den Verkehr gebracht werden Aber auch unintenti-onal mixtures nimmt der Koumlrper auf Sei es dass verschiedene Stoffe in einem Produkt enthalten sind z B mehrere Pflanzenschutzmit-telruumlckstaumlnde in einem Apfel Oder sei es dass Stoffe gleichzeitig uumlber unterschiedliche Produkte aufgenommen werden In all diesen Faumlllen koumlnnen Mischungseffekte auftreten Diese sind je nach Wirk-mechanismus unterschiedlich stark ausgepraumlgt So koumlnnen sich die Wirkungen von Stoffen gegenseitig potenzieren oder auch aufheben Nach derzeitigem Kenntnisstand wird davon ausgegangen dass sich Wirkungen in der Regel addieren wenn die aufgenommenen Stoffe oberhalb der Wirkschwelle liegen den gleichen Wirkmechanismus haben und zu einem relevanten Zeitpunkt vom Organismus aufge-nommen wurden

Hier beginnen die Schwierigkeiten Es gibt zu viele intentional mix-tures die eine nahezu unuumlbersehbar groszlige Anzahl von Kombinati-onen ermoumlglichen Diese Gemische alle im Tierversuch zu testen wie sonst bei Einzelsubstanzen uumlblich waumlre sowohl ethisch nicht zu vertreten als auch praktisch nicht durchfuumlhrbar Daher arbeiten viele Forschungsprojekte u a der EU-Kommission daran tierversuchs-freie Methoden fuumlr die kumulative Bewertung zu entwickeln die die Effekte von Mischungen in vitro oder durch computergestuumltzte Be-rechnungen in silico berechnen (s Interview und Kasten)

Weltweit setzen Laumlnder das Thema auf ihre Agenda

Nicht nur fuumlr die Wissenschaft auch fuumlr den harmonisierten Voll-zug von Gesetzen ergeben sich dadurch neue Herausforderungen So schreibt z B die EU-Verordnung uumlber das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vor Kumulations- und Synergieeffekte zu be-ruumlcksichtigen ndash sofern es von der Behoumlrde anerkannte wissenschaft-liche Methoden zur Messung solcher Effekte gibt Doch die lagen bisher nicht vor Deshalb werden nun auf allen Ebenen technische Leitfaumlden fuumlr die neuen Methoden erstellt um eine harmonisierte

Auf die Mischung kommt es anKumulative Risikobewertung nimmt weltweit eine immer groumlszligere Bedeu-tung in der Toxikologie ein Das BfR arbeitet an einer Vielzahl von Projek-ten wie Mischungen in Zukunft bewertet werden koumlnnen

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

31012017

Vorgehensweise und transparente Nachvollziehbarkeit bei der Zu-lassung von Produkten zu gewaumlhrleisten Unter anderem die EFSA die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmittelsicherheit die Europauml-ische Chemikalienagentur ECHA und das JRC die Gemeinsame Forschungsstelle der Europaumlischen Kommission erarbeiten solche technischen Leitfaumlden

Neben der wissenschaftlichen Komplexitaumlt muumlssen diese techni-schen Leitfaumlden weitere Herausforderungen meistern Sie sollen fuumlr alle Bereiche gelten in denen Mischungen in Verkehr gebracht werden oder entstehen koumlnnen Bisher wurden Mischungen haumlufig nur in einem regulatorischen Bereich untersucht z B als Pflan-zenschutzmittel Biozid oder Arzneimittel Fuumlr andere Stoffe wie Lebensmittelzusatzstoffe oder Kontaminanten war die Bewertung von Mischungen bisher nicht klar gesetzlich reguliert In Zukunft sollen auch diese Stoffe bei einer Bewertung von Mischungen besser beruumlcksichtigt werden Auch soll nicht nur die chemische Zusam-mensetzung eines einzelnen Produktes systematisch bei der Zu-lassung beruumlcksichtigt werden sondern auch Mehrfachruumlckstaumlnde im gesamten Warenkorb den Verbraucherinnen und Verbraucher durchschnittlich zu einer gegebenen Zeit konsumieren Und zu gu-ter Letzt muumlssen die neuen Verfahren weltweit harmonisiert werden um das kumulative Risiko fuumlr Mensch und Umwelt auch angesichts globaler Warenketten gering zu halten Deshalb diskutieren Politik und Wissenschaft zurzeit nicht nur auf europaumlischer Ebene entspre-chende Leitfaumlden auch andere Laumlnder weltweit sowie die Weltge-sundheitsorganisation WHO und die Organisation fuumlr wirtschaftli-che Zusammenarbeit und Entwicklung OECD haben die kumulative Bewertung auf ihre Agenda genommen und stimmen ihre Guidance Documents mit den uumlbrigen Behoumlrden ab

Deutschland wendet die kumulative Bewertung schon an

Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR sind an zahlreichen dieser internationalen Projekte beteiligt sowohl an der wissenschaftlichen Erforschung kumulativer Effekte als auch an der Entwicklung technischer Leitfaumlden Einen wichtigen Schritt bei der kumulativen Bewertung hat Deutschland in der Europaumlischen Uni-

Stufe um Stufe zu einer gesicherten Bewertung

Seit Maumlrz 2017 wird in Deutschland eine Methodik fuumlr die Bewertung von Kumulations- und Synergie-effekten bei der gesundheitlichen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln in den Zulassungsverfahren angewandt Grundlage fuumlr das gestufte kumulative Bewertungsverfahren ist der sogenannte bdquoHazard Quotientldquo (HQ) der fuumlr jeden einzelnen Stoff ermit-telt wird Der HQ errechnet sich aus dem Verhaumlltnis zwischen dem relevanten gesundheitlichen Grenz-wert und der geschaumltzten Exposition

In einer ersten Stufe wird der HQ fuumlr alle Stoffe eines Gemisches einzeln ermittelt Liegt der HQ jedes Stoffes unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko fuumlr die einzelnen Bestandteile der Mischung zu erwarten Liegt dieser bei einzelnen Stoffen uumlber 1 wird gepruumlft ob die Exposition durch geeignete Maszlignahmen weiter vermindert werden kann zum Beispiel durch das Tragen entsprechender Schutz-kleidung

Liegt der HQ fuumlr alle Komponenten unter 1 wird in einer zweiten Stufe der sogenannte bdquoHazard Indexldquo (HI) des Gemisches ermittelt indem alle Gefahren-quotienten der verwendeten Stoffe addiert werden Liegt der ermittelte Wert weiterhin unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko durch das Gemisch zu erwarten

Liegt der HI uumlber 1 geht die Bewertung mit weiter verfeinerten Methoden in die dritte Stufe uumlber In dieser wird gepruumlft ob ein gesundheitliches Risiko vorliegt wenn eine Gruppierung der Einzelstoffe vorgenommen wird Dazu koumlnnen die einzelnen Stoffe in kumulative Bewertungsgruppen (cumula-tive assessment groups CAGs) eingeteilt werden die z B nach Effekten im gleichen Zielorgan oder nach dem gleichen Wirkmechanismus oder nach chemischer Verwandtschaft definiert sein koumlnnen Hintergrund dieser Einteilung ist die Annahme dass sich nach gegenwaumlrtigem Kenntnisstand nur Effek-te addieren die hinsichtlich der Zielorgane oder der Wirkmechanismen (MOA) vergleichbar sind Auch die relative Potenz der einzelnen Stoffe soll bei der verfeinerten Bewertung beruumlcksichtigt werden Liegt der HI innerhalb einer CAG unter 1 ist deshalb kein gesundheitliches Risiko zu erwarten Liegt er oberhalb des Wertes und koumlnnen weder Expositionsschaumltzung noch Gefahrenbewertung weiter verfeinert werden gilt das Gemisch als nicht sicher

Das mehrstufige Verfahren hat den Vorteil dass die ressourcenaufwendigeren Methoden zur verfei-nerten Bewertung z B in vergleichbaren CAGs oder MOAs nur zum Einsatz kommen wenn mit den ersten einfacheren Bewertungsmethoden nicht nachweisbar ist dass kein gesundheitliches Risiko zu erwarten ist

copy T

atom

mis

tock

com

32 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

EuroMix A tiered strategy for risk assessment of mixtures of multiple chemicals

EuroMix ist ein laumlnderuumlbergreifendes Projekt der EU-Kommission das die nie-derlaumlndische Behoumlrde fuumlr Gesundheit und Umweltschutz RIVM koordiniert Es zielt darauf ab eine tierversuchsfreie experi-mentelle Test-Strategie zu entwickeln um die Toxizitaumlt von Gemischen verschiedener toxikologisch relevanter Lebensmittelin-haltsstoffe Lebensmittelkontaminanten und Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde besser zu bestimmen Aus den Forschungsergeb-nissen wird ein Leitfaden fuumlr die kuumlnftige Umsetzung einer experimentellen Test-Stra-tegie entwickelt Das Acht-Millionen-Eu-ro-Projekt laumluft bis Mai 2019

Mehr erfahren wwweuromixprojecteu

Kombinationseffekte Forschungsprojekte des BfR

Am BfR werden in verschiedenen Abteilungen mehrere interne Forschungsprojekte zu Kombinationseffekten durch-gefuumlhrt Dazu gehoumlren u a Forschungsprojekte zu kumulativen Wirkungen in Pflanzenschutzmitteln und Bioziden zu Mehrfachruumlckstaumlnden in Lebensmitteln zur Expositionsschaumltzung sowie zu wirbeltierfreien Alternativmethoden Daruumlber hinaus ist und war das BfR auch an folgenden Drittmittel-Projekten beteiligt die zu Kombinationseffekten forschen

Combiomics Analyse von Kombinationseffekten von Pestiziden in vitro

Combiomics war ein zweieinhalbjaumlhri-ges Projekt des Bundesministeriums fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) das im Fruumlhling 2016 abgeschlossen wurde In dem vom BfR koordinierten Projekt wurden moumlgliche Kombinationswirkungen durch Mehrfachruumlckstaumlnde beispielhaft anhand einer Gruppe von Fungiziden in vitro unter-sucht Dazu wurden die molekularen Effek-te der Triazole mittels multi level omics und praumldiktiver mathematischer Modellierung untersucht Ausgehend von den Ergebnissen wurde ein Praumldiktionsmodell fuumlr Substanz-kombinationen erstellt validiert und auf Pestizide anderer Stoffgruppen bzw weitere Substanzklassen ausgedehnt um Kombi-nationseffekte kuumlnftig weitgehend ohne Tierversuche durchfuumlhrbar zu machen

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschung gt Drittmittelprojekte gt Combiomics

Combiomics 2Auch die zweite Projektphase von Com-biomics wird vom BfR koordiniert Hier sollen erfolgreich getestete Methoden und Zelllinien in Form einer standardisierten In-vitro-Testbatterie validiert und in ein Standardverfahren integriert werden das auch kuumlnftigen regulatorischen Anforde-rungen entspricht Das dreijaumlhrige Projekt wird vom BMBF bis Ende 2019 gefoumlrdert

Mehr erfahren wwwfisaonlinede gt Kombinationseffekte Pestizide

on schon jetzt unternommen Am 1 Maumlrz 2017 erschien im Bundesanzeiger eine Be-kanntmachung dass Kumulations- und Synergieeffekte in der gesundheitlichen Be-wertung von Pflanzenschutzmitteln kuumlnf-tig durch das BfR beruumlcksichtigt werden Damit bezieht Deutschland bei der zonalen Zulassung von Pflanzenschutzmitteln eine systematische kumulative Bewertung ein

Ein Leitfaden zur kumulativen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln wurde am BfR erarbeitet basierend auf den internatio-nalen Diskussionen bei EFSA und ECHA und 2014 veroumlffentlicht Seitdem wird das Verfahren am BfR angewandt uumlberpruumlft und verfeinert Im Kern geht es darum in einem mehrstufigen Verfahren verschie-dene Wirkstoffe in einem Pflanzenschutz-mittel oder in einer beantragten Tankmi-

schung kumulativ zu bewerten (s Kasten) Dazu werden sowohl die Exposition der Anwenderinnen und Anwender als auch die akute Exposition der Verbraucherinnen und Verbraucher betrachtet sodass die am meisten exponierten Gruppen beruumlcksich-tigt sind

Das Ziel Mischungen weltweit harmonisiert zu bewerten

Die Einfuumlhrung der Konzepte zur kumu-lativen Bewertung von Pflanzenschutzmit-teln hat auch in anderen EU-Laumlndern Aus-wirkungen auf die Risikobewertung Wenn Deutschland im zonalen Zulassungsverfah-ren bewertender Mitgliedstaat ist wird das Verfahren grundsaumltzlich angewandt Aber auch in die Bewertungsberichte anderer Laumlnder flieszligt die kumulative Bewertung als

deutscher Kommentar mit ein Durch den fachlichen Austausch zwischen den Mit-gliedstaaten wurde das Konzept in den letz-ten Jahren einem Peer-Review unterzogen Um die Praxis europaweit noch besser zu harmonisieren werden derzeit auszligerdem internationale Workshops organisiert auf denen diskutiert wird wie Mischungen bei der Risikobewertung kuumlnftig beruumlcksichtigt werden sollen Das BfR veranstaltet einen solchen Workshop im November 2017 im Auftrag der Europaumlischen Kommission die Franzoumlsische Behoumlrde fuumlr gesundheitlichen Verbraucher- Umwelt- und Arbeitsschutz (ANSES) einen weiteren im Februar 2018 unter aktiver Beteiligung des BfR

Das Ziel Mischungen weltweit harmoni-siert zu bewerten um Mensch und Umwelt besser zu schuumltzen ruumlckt damit naumlher

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

33012017

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

bdquoZiel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertungldquo Interview mit Herrn Dr Roland Solecki uumlber die Forschungsaktivitaumlten des BfR zu Mehrfachruumlckstaumlnden

Herr Solecki bei Mehrfachruumlckstaumlnden von Pflanzenschutzmitteln sprechen die Medien oft von einem bdquoGiftcocktailldquo Haben Sie Erkenntnisse daruumlber wie groszlig das gesundheitliche Risiko tat-saumlchlich istDas BfR hat dazu gemeinsam mit dem Bun-desministerium fuumlr Ernaumlhrung und Land-wirtschaft und dem Bundesamt fuumlr Ver-braucherschutz und Lebensmittelsicherheit einen Bericht uumlber die kumulativen Wir-kungen von Pflanzenschutzmitteln veroumlf-fentlicht Dieser basiert auf einer Methodik der niederlaumlndischen Behoumlrde fuumlr Gesund-heit und Umweltschutz RIVM Hintergrund ist ein Monitoring das uumlber einen Zeitraum von sechs Jahren in Deutschland durchge-fuumlhrt wurde Darin wurde untersucht wel-che Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde durch-schnittlich uumlber Lebensmittel aufgenommen werden Das Ergebnis war dass auch unter Worst-Case-Annahmen fuumlr die Mischungen von Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnden ein gesundheitliches Risiko unwahrscheinlich ist Die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit EFSA kam in ihrem Monito-ring-Bericht von 2015 fuumlr Gesamteuropa zu einem aumlhnlichen Ergebnis

Sie arbeiten unter anderem bei dem Pro-jekt EuroMix mit Worum geht es dabeiEs handelt sich um ein groszliges Forschungs-projekt der EU-Kommission zur kumulati-ven Bewertung von Mischungen im Rahmen von Horizont 2020 dem Rahmenprogramm der Europaumlischen Union fuumlr Forschung und Innovation Das Projekt hat zum Ziel neue Bewertungsmethoden fuumlr Mischungseffekte zu erarbeiten besonders auch im Hinblick auf Alternativen zu Tierversuchen innovati-ve Wege der Expositionsschaumltzung und Mo-dellierung von kumulativen Risiken Dabei geht es nicht nur um Pflanzenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatzstoffe und andere Chemikalien

Wie ist das BfR da in EuroMix einge-bundenVom BfR arbeiten sowohl die Abteilung Sicherheit von Pestiziden als auch die Ab-teilung fuumlr Lebensmittelsicherheit am Eu-roMix-Projekt mit Waumlhrend die von mir geleitete Abteilung fuumlr die regulative Bewer-tung eingebunden ist werden in der Abtei-lung Lebensmittelsicherheit experimentelle Arbeiten unter anderem zur Lebertoxizitaumlt durchgefuumlhrt in denen auch Kombinatio-nen von Pestiziden mit anderen Lebensmit-telinhaltsstoffen gepruumlft werden

Woran forschen Sie im EuroMix-ProjektWir haben zunaumlchst recherchiert welche gesetzlichen Anforderungen bestehen und wie unterschiedliche Behoumlrden weltweit

Mischungseffekte bewerten Und wir haben Forschungen zu Mischungen durchgefuumlhrt die bestimmte adverse Effekte auf die Leber verursachen Dabei wurden bestimmte Schluumlsselelemente untersucht um daraus ein Konzept fuumlr die Bewertung zu erarbei-ten Jetzt werden die Omics-Untersuchun-gen und andere alternative Pruumlfverfahren noch durch Tierversuche ergaumlnzt sodass wir auch am Gesamtorganismus die Effek-te uumlberpruumlfen koumlnnen Gleichzeitig werden die statistischen Hilfsmittel und die ande-ren elektronisch basierten Tools weiterent-wickelt Auszligerdem folgen noch weitere Stu-dien zur Exposition Die finalen Ergebnisse liegen am Ende des Projekts im Jahr 2019 vor

In welche weiteren europaumlischen Aktivi-taumlten ist das BfR eingebundenDie EFSA hat bereits einige Ansaumltze zur Bewertung der kombinierten Exposition gegenuumlber mehreren Pestiziden und Kon-taminanten bei Menschen sowie mehreren Pestiziden bei Bienen entwickelt Derzeit ist die EFSA damit befasst neue Ansaumltze und Instrumente zur Harmonisierung der Be-wertung von Risiken fuumlr Mensch und Um-welt zu erarbeiten die von der Exposition gegenuumlber mehreren chemischen Stoffen in der Lebensmittelkette ausgehen Ich bin derzeit Mitglied einer Arbeitsgruppe von Sachverstaumlndigen die der Wissenschaftliche Ausschuss der EFSA eingerichtet hat um Leitlinien im Hinblick auf die kombinierte Exposition gegenuumlber mehreren chemi-schen Stoffen zu entwickeln Diese Initiative unter dem Namen bdquoMixToxldquo wird 2018 den Leitfaden in einer oumlffentlichen Konsultation diskutieren

Bei dieser Vielzahl an Aktivitaumlten Wel-ches Ziel haben Sie persoumlnlich vor Au-genDas Ziel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertung von Stoffen in der gesundheitlichen Risikocharakterisie-rung und deren harmonisierte Implemen-tierung in den gesetzlichen Verfahren Dies wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen

bdquoBei den kumulati-ven Risiken geht es nicht nur um Pflan-zenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatz-stoffe und andere Chemikalien

Dr Roland Solecki leitet die Abteilung bdquoSicherheit von Pestizidenldquo am BfR

copy B

fR

34 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

SPEKTRUM

Identifizierung endokriner Disruptoren Vom Grundsatz in die Praxis

Fuumlr Pestizid-Wirkstoffe und andere Chemikalien sind harmonisierte wissenschaftliche Kriterien erforderlich mit denen hormonschaumldigende Substanzen identifiziert werden koumlnnen Das BfR veroumlffentlichte hierzu bereits 2016 ein Konsenspapier als wissenschaftliche Grundlage fuumlr die darauffolgende Arbeit der EU-Behoumlrden Auf legislativer Ebene werden aktuell EU-weit geltende Ver-ordnungen festgelegt um auf wissenschaftlicher Ebene Leitlinien zur regulatorisch harmonisierten Umsetzung dieser Verordnungen zu erarbeiten Mit dieser Aufga-be hat die EU-Kommission die EFSA und die ECHA gemeinsam beauftragt Das BfR unterstuumltzt die Behoumlr-den mit wissenschaftlicher und technischer Expertise indem es die entsprechende Arbeitsgruppe bei der EFSA personell verstaumlrkt sowie Recherchen und Umfragen zur Praktikabilitaumlt von Untersuchungsmethoden durchfuumlhrt Die Publikation der Leitlinien wird fuumlr Fruumlhjahr 2018 erwartet Sie koumlnnen auf Basis der verabschiedeten Ver-ordnungen nach ihrer Implementierung in der Genehmi-gungspraxis angewendet werden

Mehr erfahren Solecki et al 2017 Scientific principles for the identification of endocrine-disrupting chemicals a consensus statement Arch Toxicol 91 1001ndash1006

Insekten-Stopp in Textilien Allergene Wirkung unwahrscheinlich

Das Risiko fuumlr eine Allergie nach dem Kontakt mit Kleidung und Produkten die mit dem Biozid Permethrin behandelt sind ist nach derzeitigem Kenntnisstand unwahrscheinlich Das ist das Ergebnis einer aktuellen Risikobewertung des BfR Gestuumltzt wird das Ergebnis dadurch dass trotz weitverbreiteter Anwendung des Wirkstoffs in Medikamenten und Verbraucherprodukten kein Anstieg der Kontaktallergien gegenuumlber Permethrin zu verzeichnen ist Das Risiko fuumlr kanzero-gene systemische Effekte infolge einer dermalen und oralen Exposition gegenuumlber Permethrin aus Textilien ist nach Ansicht des BfR vernachlaumlssigbar gering Permethrin ist ein biozider Wirkstoff der zum Schutz gegen Insekten in Produkten wie Schlafsaumlcken Picknick- und Yogadecken sowie Teppichen und Kleidung eingesetzt wird Er ist im Chemikalienrecht als sensibilisierend eingestuft ein moumlgliches geringes kanzerogenes Potenzial wird von verschiedenen wissenschaftlichen Gremien diskutiert Der Wirkstoff kann aus Textilien freigesetzt und uumlber die Haut aufgenommen werden Bei kleinen Kindern die viele Produkte in den Mund nehmen kommt eine moumlgliche orale Aufnah-me des Stoffes hinzu

Mehr erfahren Stellungnahme Nr 0062017 des BfR vom 25 April 2017

Wie wirkt Aluminium in Leber und Darm

Aluminium ist in Lebensmitteln Kosmetika und Bedarfsge-genstaumlnden enthalten und kann uumlber die Nahrung aufgenom-men werden Erste Ergebnisse aus dem deutsch-franzoumlsischen Forschungsprojekt bdquoSolNanoToxldquo mit Beteiligung des BfR zeigen dass sich aus der Nahrung aufgenommene Aluminiumverbin- dungen temporaumlr im Darm anreichern Ob und in welchen Men-gen die Partikel weiter in den Koumlrper insbesondere in die Leber gelangen und welche Faktoren ihre Wirkung beeinflussen wird aktuell erforscht Die Forschungsgruppe sieht Anhaltspunkte dafuumlr dass ein Teil der angereicherten Partikel mit dem Stuhl wieder ausgeschieden wird Fuumlr seine Untersuchung simulierte das BfR anhand biologischer Proben die Verdauung verschiede-ner Aluminiumarten vom Mund uumlber den Magen bis zum Darm Mithilfe von Enzymen und Salzen wurden dabei physiologische Parameter wie der pH-Wert gesteuert Waumlhrend des simulierten Verdauungsprozesses veraumlnderten die Aluminiumverbindungen ihre chemische Reaktionsfaumlhigkeit und Loumlslichkeit Die Erkennt-nisse sind ein erster Schritt um den Prozess der Aufnahme Resorption und Verteilung von Aluminium im Koumlrper besser zu verstehen und daraus Daten fuumlr die Risikobewertung abzuleiten Aluminiumverbindungen koumlnnen in zu hohen Dosen toxisch auf das Nervensystem und ungeborenes Leben wirken sowie die Fruchtbarkeit und Knochenentwicklung beeinflussen

copy B

fR

copy c

gsto

cks

hutte

rsto

ckc

om

copy R

osel

ynne

shu

tters

tock

com

35012017

Bei Kleidung ist besonders der Einsatz von Silber-Nanopartikeln weit verbreitet Silber wirkt antibakteriell und soll die Geruchs-bildung durch Schwitzen reduzieren Beim Einsatz von Nanosilber in Kleidungsstuuml-cken ist in erster Linie eine Freisetzung in Schweiszlig und somit ein moumlglicher Hautkon-takt relevant Neben der Frage ob und in welcher Menge Silber prinzipiell aus Texti-lien herausgeloumlst wird beschaumlftigt sich die Forschung mit der Frage welchen Einfluss die Technologie hat mit der Nanosilber auf Textilien aufgetragen bzw eingebracht wird Bisher war zudem unklar inwiefern die Oberflaumlchenbeschichtung der Nano-partikel die Abgabe beeinflusst

Kuumlnstlicher Schweiszlig simuliert Freisetzung

In einem Forschungsprojekt pruumlfte das BfR neun Proben von Textilien die mit Nanosil-ber veredelt waren Als Vergleich diente ein mit konventionellem Silber (hier Silbersalz mit einem Partikeldurchmesser groumlszliger als 100 Nanometer) ausgeruumlstetes Textil Zwei der Textilien waren sogenannte Komposite bei denen Nanosilber in die Faser integriert ist Bei den anderen getesteten Textilien war die Faseroberflaumlche mit Silber-Nano-partikeln bzw in einem Fall mit konventio-nellem Silber beschichtet (Textil-Coating) Um die Abgabe von Silber durch Schwitzen

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

Kleidung wird durch sie wasser- und schmutzabweisend sie blocken UV-Strahlen und mindern Geruumlche Nanoma-terialien haben beliebte funktionelle Eigenschaften Ob sie aufgrund ihrer Winzigkeit gesundheitliche Risiken bergen ist indes noch weitgehend unbekannt In einem Forschungsprojekt uumlber Nanosilber hat das BfR ermittelt ob sich die Kleinstteilchen aus Textilien herausloumlsen und damit zum gesundheitlichen Risiko werden koumlnnen

Nanomaterial

ist ein natuumlrliches bei Prozessen anfallendes oder kuumlnstlich hergestelltes Material das Partikel in ungebundenem Zustand als Aggregat oder als Agglo-merat enthaumllt und bei dem die Mehrheit der Partikel ein oder mehrere Auszligen-maszlige im Bereich unter 100 Nanometer hat In Nanogroumlszlige kann ein Stoff andere Eigenschaften besitzen als wenn er in Form groumlszligerer Partikel vorliegt

copy o

still

shu

tters

tock

com

36 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von Textilfasern Links Nanokomposit bei dem kaum Silberpartikel an der Faseroberflaumlche zu finden sind Mitte und rechts Textilien mit Silbercoating hier befindet sich insgesamt mehr Silber auf der Oberflaumlche

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

zu simulieren wurden die Textilien fuumlr 24 Stunden in einer Schweiszligsimulanz-Louml-sung inkubiert Fuumlr die Auswertung wurde zunaumlchst der gesamte Silbergehalt in den Schweiszligloumlsungen mit massenspektromet-rischen Messmethoden bestimmt In den Proben in denen Silber vorhanden war wurden anschlieszligend mit Zentrifugation und einer speziellen Methode zum Messen von Einzelpartikeln geloumlstes und partikulauml-res Silber unterschieden Im letzten Schritt wurden die Partikelgroumlszligen des vorgefun-denen partikulaumlren Silbers gemessen um nanoskaliges Silber zu identifizieren

Silber aus Kleidung freigesetzt

Die Untersuchung des BfR zeigte dass von jeder Textilprobe Silber in die Schweiszligsi-mulanz-Loumlsung uumlberging je nach geteste-tem Textil zwischen 7 und 75 Prozent des originaumlr in den Textilien enthaltenen Sil-bers Dabei setzten die beschichteten Tex-tilien mehr Silber frei als die Komposite Den houmlchsten abgegebenen Anteil fand das BfR bei dem mit konventionellem Silber beschichteten Textil Die Freisetzung wird demnach staumlrker durch die Technologie der Veredelung bestimmt als durch die im Tex-til enthaltene Menge Auszligerdem scheint die Abgaberate von Silber aus Nanosilber im Vergleich zu konventionellem Silber nicht erhoumlht zu sein

In der Schweiszligloumlsung lag das freigesetzte Silber uumlberwiegend geloumlst vor Partikulaumlres Silber fand sich nur zum geringeren Teil dann jedoch auch im Nanometerbereich Ob es sich dabei um einzelne Nanoparti-kel handelt oder ob das Silber an groumlszligere Partikel gebunden ist muss in weiteren Untersuchungen uumlberpruumlft werden Nach

derzeitigem wissenschaftlichem Kennt-nisstand geht man davon aus dass sich Nanopartikel im Koumlrper anders verhalten als groumlszligere Partikel Uumlberraschenderweise detektierte die Forschungsgruppe auch in den Schweiszligsimulanzien der mit konven-tionellem Silber beschichteten Textilien partikulaumlres Silber in Nanogroumlszlige Das Vor-kommen von Silberpartikeln scheint also nicht davon abhaumlngig zu sein ob das Silber in Nano- oder konventioneller Form auf das Textil aufgebracht wurde

In einer parallelen Untersuchung fanden die Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler heraus dass zudem die Beschaffenheit der Nanopartikel beispielsweise in Form einer speziellen Beschichtung ihre Loumlslichkeit in der Schweiszligloumlsung beeinflusst

Art der Beschichtung relevant

Silber wird demnach aus Textilien freige-setzt in geringen Teilen sogar in partiku- laumlrer Form Die gewaumlhlte Form der Tex-tilfunktionalisierung aber auch die Be-schaffenheit der Nanopartikel stellen dabei wichtige Kriterien fuumlr das Freisetzungsver-halten dar Solche Erkenntnisse sind vor al-lem fuumlr den sicheren Einsatz von Nanoma-terialien in Alltagsprodukten wichtig weil die Exposition des Menschen gegenuumlber derartigen Stoffen moumlglichst klein gehalten werden sollte Auszligerdem geben sie Hin-weise in welcher Anwendungsform Nano-materialien im verbrauchernahen Bereich sicher eingesetzt werden koumlnnen

Mehr erfahren Wagener et al 2016 Textile Functionalization and Its Effects on the Release of Silver Nanoparticles into Artificial Sweat Environ Sci Technol 50 11 5927ndash5934

Per Flugzeitmassenspek-trometer laumlsst sich Silber auf beschichteten Textil-fasern detektieren

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

NANOPARTIKEL

37012017

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

38 BfR 2 GO

Neuer Ansatz fuumlr Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

Spiegelbild gesucht

Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR zeigt einen neuen Ansatz um mithilfe von Genexpressionsdaten das geeignete Tiermodell fuumlr die Grundlagenforschung oder fuumlr spezifische klinische Fra-gestellungen zu identifizieren Damit koumlnnen zukuumlnftig unnoumltige Tierversu-che vermieden werden Hamburger Wissenschaftsbehoumlrden wuumlrdigten die Erkenntnisse mit einem Forschungspreis

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

39012017

Fragestellung

Vergleich

Auswahl

z B bdquoMit welchem Mausmodell koumlnnen die Ursachen von Alzheimer erforscht werdenldquo

Vergleich von vorhandenen Omics-Expressionsdaten von Mensch und Tier

Auswahl des geeigneten Modells

1

2

3

Geeignete Tiermodelle identifizieren

An Tiermodellen werden zahlreiche biologische Prozesse und Krankheiten wie Wund-

heilung Diabetes Tumoren oder entzuumlndliche Erkrankungen erforscht Durch den

Vergleich der Omics-Expressionsdaten von Tiermodell und Mensch koumlnnen geeignete

Modelle fuumlr die jeweilige Fragestellung identifiziert werden

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

40 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Verlaumluft ein entzuumlndlicher Prozess bei Maumlusen aumlhnlich wie beim Menschen Sind Maumluse daher geeignete Ver-

suchstiere fuumlr Tests von antientzuumlndlichen Substanzen Um Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung in den klinischen Alltag zu uumlberfuumlhren ndash Aufgabengebiet der translationalen Forschung ndash werden wissen-schaftliche Fragestellungen oft in Tierversu-chen erprobt Ob und inwieweit die Ergeb-nisse auf den Menschen uumlbertragbar sind ist dabei immer wieder Gegenstand kontrover-ser Diskussionen Geeignete Methoden mit denen die Wissenschaft Tiermodelle mit op-timaler Uumlbertragbarkeit auf den Menschen auswaumlhlen kann wuumlrden dem wissenschaft-lichen Fortschritt helfen und die Zahl der Tierversuche reduzieren Es geht dabei um die Frage welches Tiermodell am besten das menschliche System widerspiegelt

Vergleichbarkeit von Genom- daten fehleranfaumlllig

Als Grundlage fuumlr diese Uumlberlegungen die-nen Daten aus modernen bioanalytischen Hochdurchsatzverfahren Immer haumlufiger setzt die Wissenschaft auf diese sogenannten Omics-Technologien die die Gesamtheit aller Gene und ihrer Produkte analysieren ndash sowohl beim Tier als auch beim Menschen Mit ihnen lassen sich molekulare Prozesse in lebenden Systemen umfassend darstel-len indem sie beispielsweise die Interaktion hunderter bis tausender Genprodukte zei-gen Die Analyse dieser zunehmend kom-plexen Omics-Datensaumltze stellt die Wissen-schaft jedoch vor Probleme da das Vorgehen dazu nicht standardisiert ist Die Interpreta-tion der Ergebnisse ist bisher meist von der Kompetenz der Durchfuumlhrenden und von der angewandten Methode abhaumlngig Im Ergebnis war die Entscheidung zur Frage der Uumlbertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen fehleranfaumlllig und die Suche nach

geeigneten Tiermodellen erschwert Die ge-ringe Standardisierung der Interpretation von Omics-Daten fuumlhrte in Forschungs-kreisen bereits zu widerspruumlchlichen Er-gebnissen so zum Beispiel bei zwei Studien aus den Jahren 2013 und 2015 die sich mit der Vergleichbarkeit von entzuumlndlichen Er-krankungen beim Menschen und gaumlngigen Mausmodellen beschaumlftigten Waumlhrend eine Forschungsgruppe im Jahr 2013 schlussfol-gerte dass entzuumlndliche Prozesse zwischen Mensch und Maus nicht vergleichbar seien kam eine andere Gruppe zwei Jahre spaumlter anhand der gleichen Omics-Daten zum ge-genteiligen Schluss Die Maus reagiere auf der molekularen Ebene sehr aumlhnlich wie der Mensch und sei daher als Tiermodell sehr nuumltzlich fuumlr die Erforschung menschlicher Erkrankungen Zwar ist es nicht ungewoumlhn-lich dass Ergebnisse von Studien unter-schiedlich eingeschaumltzt werden ndash allerdings selten auf Basis der gleichen Daten

Motivation des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR war es diese Widerspruumlche aufzuklaumlren und einen standardisierten und zielgerichteten Analyseansatz zu entwickeln der die Suche nach geeigneten Tiermodellen vereinfacht und somit unnoumltige Tierversuche vermei-den hilft Es gehoumlrt zu den Kernaufgaben des Bf3R bundesweit alle Aktivitaumlten zu koordi-nieren mit den Zielen Tierversuche auf das unerlaumlssliche Maszlig zu beschraumlnken und fuumlr Versuchstiere den bestmoumlglichen Schutz zu gewaumlhrleisten Die Aufgaben des Bf3R wer-den vom BfR wahrgenommen

Genomdaten von Tier und Mensch gezielt vergleichen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler des Bf3R haben die Omics-Daten aus den beiden erwaumlhnten widerspruumlchlichen Studien mithilfe hochperformanter Com-

puter nochmals systematisch ausgewertet Dabei wurden zunaumlchst die zu verglei-chenden Gene gruppenweise biologischen Prozessen zugeordnet die wesentlich fuumlr ein Entzuumlndungsgeschehen sind Diese Gene Set Enrichment Analysis (GSEA) ge-nannte Methode greift auf umfangreiche in oumlffentlichen Datenbanken hinterlegte Genomdaten gaumlngiger Tiermodelle und von Erkrankten zuruumlck Mit ihrer Heran-gehensweise konnten die Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler des BfR an-schlieszligend Veraumlnderungen auf der Ebene pathologischer Signalwege erkennen und Unterschiede zwischen Tiermodell und Mensch identifizieren Da der Groszligteil der untersuchten Genprodukte haumlufig nur geringfuumlgig veraumlndert war konnten bei der Analyse auf Ebene vollstaumlndiger bio-logischer Signalwege alle Gene einbezogen und Aumlnderungen in der Gesamtheit eines biologischen Signalwegs bewertet werden Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu bisherigen Analyseansaumltzen da fuumlr die Klauml-rung translationaler Fragestellungen bisher haumlufig willkuumlrlich und subjektiv Gene von Mensch und Tiermodell fuumlr einen direkten Eins-zu-eins-Vergleich ausgewaumlhlt wurden

Die systematische Auswertung des Bf3R zeigte dass die Ergebnisse beim vorlie-genden Genomdatenvergleich bei einigen Mausmodellen gut mit den beim Menschen ermittelten Daten uumlbereinstimmten Bei an-deren Mausmodellen hingegen war es nicht so So aumlhnelt das Entzuumlndungsgeschehen bei Maumlusen die mit Staphylococcus aureus (Staphylococcus-aureus-Injektionsmodell) infiziert sind oder eine Darmperforation (Cecal-ligation-and-puncture-Modell) erfah-ren den meisten klinischen Proben Hin-gegen verlaufen Erkrankungen die durch Lipopolysaccharide (LPS) und Streptococcus pneumoniae verursacht werden bei Mensch und Maus verschieden

Omics

Der Terminus beschreibt Methoden zur

Analyse komplexer biologischer Proben

auf der Ebene des gesamten Genoms

von Transkripten Proteinen oder Meta-

boliten

41012017

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

Forschungsansatz hilft Tierversuche zu reduzieren

Die Methode der Datenanalyse mittels GSEA-Ansatz erleichtert es Forschungs-gruppen zukuumlnftig zielgerichtet und stan-dardisiert das optimale Tiermodell aus-zuwaumlhlen das am besten die menschliche Situation abbildet Voraussetzung dafuumlr ist die Existenz von Omics-Daten zur klini-schen Fragestellung sowie zu den infrage kommenden Tierversuchen Dies ist bereits fuumlr eine Vielzahl von Tiermodellen sowie von humanen Erkrankungen der Fall neben Entzuumlndungserkrankungen beispielsweise fuumlr Herz-Kreislauf-Erkrankungen Krebser-krankungen Atemwegserkrankungen Stoff-wechselerkrankungen und neurologische Erkrankungen Aufgrund der vermehrten Verwendung von Omics-Methoden kann davon ausgegangen werden dass stetig wei-tere systembiologische Daten ermittelt und veroumlffentlicht werden Die vom Bf3R ange-wandte Methode wird daher weiterhin bei der gezielten Auswahl von Tiermodellen nuumltzlich sein

Das Verfahren kann in der Grundlagen-forschung sowie in der translationalen und angewandten Forschung eingesetzt werden Diese Bereiche machten 2015 nach Anga-ben des Bundesministeriums fuumlr Ernaumlh-rung und Landwirtschaft mit insgesamt 73 Prozent den groumlszligten Teil der Tierversuche aus Ein Groszligteil davon entfaumlllt auf Maumluse Ratten und zunehmend auch auf Fische Grundsaumltzlich kann die neue Methode zur Auswahl des geeigneten Versuchstiermo-dells bzw zum Ausschluss nicht geeigneter Versuchstiermodelle bei jeglichen Tierver-suchen in diesen Bereichen genutzt werden Analog zu den Versuchstierzahlen liegen derzeit die meisten Omics-Daten fuumlr Maus und Ratte vor So sind beispielsweise allein in der oumlffentlichen NCBI GEO-Datenbank (National Center for Biotechnology Informa-tion Gene Expression Omnibus) derzeit Da-ten zu ca 340000 Maus-Proben und 75000 Ratte-Proben gelistet

Methode identifiziert geeignete Zellkulturmodelle

Dabei ist die Methode des Bf3R nicht auf humane und murine Datensaumltze beschraumlnkt sondern kann auf alle weiteren Spezies an-gewandt werden fuumlr die umfangreiche Da-tenbanken zu biologischen Signalwegen oder Gengruppen vorliegen Auch fuumlr die Beurteilung von zellbasierten Alternativ-methoden kann der neue Forschungsansatz

herangezogen werden Durch einen system-biologischen Abgleich der klinischen Daten mit Omics-Daten aus beispielsweise neuar-tigen 3D-Zellkulturen oder organaumlhnlichen Mikrostrukturen wird die Charakterisierung und Verifizierung von zellbasierten Alterna-tivmethoden ermoumlglicht

Praumlmierte Forschungsleistung

Fuumlr ihre Forschung erhielten die Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR 2016 den Hamburger Forschungspreis zur Foumlrderung der Entwicklung von Ersatz- und

Ergaumlnzungsmethoden Die Auszeichnung wurde zum erstem Mal von den Hamburger Behoumlrden fuumlr Gesundheit und Verbraucher-schutz sowie fuumlr Wissenschaft Forschung und Gleichstellung mit einem Foumlrderpreis in Houmlhe von 20000 Euro ausgeschrieben Der Preis wird fuumlr Arbeiten vergeben die einen Beitrag leisten Tierversuche zu ersetzen oder zu minimieren

Mehr erfahrenWeidner et al 2016 Defining the optimal animal model for translational research using gene set enrichment analysis EMBO Molecular Medicine 8 8 831ndash838

Wofuumlr Versuchstiere in Deutschland eingesetzt werden

630255Herstellung und Qualitaumlts-kontrolle medizinischer Produkte toxikologische Sicherheitspruumlfungen

22

59

14 5

1643259Grundlagenforschung

144997sonstige Zweckez B Zucht Aus- und Weiterbildung

381450translationale und angewandte Forschung

Que

lle B

unde

smin

iste

rium

fuumlr E

rnaumlh

rung

und

Lan

dwirt

scha

ft V

ersu

chst

ierz

ahle

n 20

15

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

42 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Alternativen zu Tierversuchen Forschung regional buumlndeln

Eine individualisierte Schmerztherapie fuumlr Versuchsmaumluse und eine Verringerung von Tierexperimenten zum Test der Inhala- tionstoxizitaumlt von Nanomaterialien (siehe rechte Spalte) ndash hierzu sollen die ersten Arbeitsergebnisse des BfR im Berlin-Bran-denburgischen Verbundprojekt BB3R zukuumlnftig beitragen Das Netzwerk aus Universitaumlten und Bundesinstitutionen forscht um Tierversuche zu vermeiden (Replacement) bzw zu verringern (Reduction) sowie das Leiden von Versuchstieren zu vermindern (Refinement) Das BfR ist als einer von sechs Verbundpartnern in den Bereichen der Refinement- und Replacement-Forschung beteiligt Das Bundesforschungsministerium foumlrdert das mit BB3R abgekuumlrzte Projekt fuumlr vier Jahre bis Fruumlhjahr 2018 es ist als Plattform fuumlr den wissenschaftlichen Austausch konzipiert und integriert ein Graduiertenkolleg

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschungwwwbb3rde

Belastung von Laborfischen erkennen

Koumlrperbau

Koumlrpermerkmale

Verhaltenkreisendes Schwimmen

Belastung von Laborfischen erkennen

Ob Laborfische Schmerzen empfinden oder leiden laumlsst sich mithilfe konkreter Kriterien beurteilen Die Vorarbeiten hierzu koordinierte der bdquoNationale Ausschuss zumSchutz von fuumlr wissenschaftliche Zweckeverwendeten Tierenldquo am BfR gemeinsam mit externen Sachverstaumlndigen und Beauf-tragten von Genehmigungsbehoumlrden Die erstmals definierten Kriterien bewerten unter anderem Auffaumllligkeiten im Koumlrper-bau sowie im Verhalten der Tiere Schmer-zen und Leiden koumlnnen so gezielt behandelt und gelindert werden Da die Frage der Belastung der Tiere anhand der Kriterien eindeutig geklaumlrt werden kann dienen sie zudem als Entscheidungshilfe fuumlr Behoumlr-den welche die Zucht belasteter genetisch veraumlnderter Tiere genehmigen muumlssen Fische insbesondere Zebrafische sind nach Maumlusen und Ratten die am dritthaumlufigsten verwendete Versuchstierart Die Zahl der Versuchsfische hat in den letzten Jahren stetig zugenommen

Mehr erfahren Bert et al 2016 Considerations for aEuropean animal welfare standard toevaluate adverse phenotypes in teleost fish EMBO J 35 11 1151ndash1154Empfehlung des Nationalen Ausschusses TierSchG Nr 0012015

Test der Inhalationstoxizitaumlt von Nanomaterialien

Die Einatmung gilt als wichtigster Aufnahmeweg fuumlr Nanomaterialien Im Rahmen der BB3R-Forschung bildet das BfR diese Art der Exposition mit In-vitro- Atemwegsepithelmodellen an ihrer Grenzflaumlche zur Luft ab Dieser Ansatz zum Test der Inhalationstoxi-zitaumlt hilft Anzahl und Umfang von Tierversuchen zu verringern

Versuchsaufbau Drei Roumlhrchen leiten ein Testaerosol mit luftgetragenen Nanomaterialien auf Epithelzellen

SPEKTRUM

copy B

fR

43012017

Jubilaumlumsfeier und internationales Symposium

Am 29 November 2017 feiert das BfR sein 15-jaumlh-riges Bestehen mit einem Festakt Geplant ist eine Feier mit ausgewaumlhlten Gaumlsten in der Akademie der Kuumlnste Anschlieszligend findet vom 30 Novem-ber bis zum 01 Dezember 2017 das gemeinsame internationale Symposium des BfR und seiner Schwesterinstitutionen aus Daumlnemark (DTU Food) und Frankreich (ANSES) sowie der suumldko-reanischen Behoumlrde fuumlr Lebens- und Arzneimittel-sicherheit (NIFDS) statt Unter dem Motto bdquoPast Present and Future Challenges in Risk Assessment ndash Strengthening Consumer Health Protectionldquo werden die letzten anderthalb Jahrzehnte Risikobewer-tung betrachtet Daruumlber hinaus werden aktuelle Aktivitaumlten sowie zukuumlnftige Herausforderungen des Verbraucherschutzes wie mikrobiologische Erreger chemische Substanzen Methoden und Harmonisierung auf nationaler wie internationa-ler Ebene diskutiert

VERANSTALTUNGEN

Nachwuchs foumlrdern

Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu foumlr-dern baut das BfR wissenschaftliche Nachwuchs-gruppen zu bestimmten Schwerpunktthemen auf Die bereits 2015 eingerichtete Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Warenketteldquo wird im Herbst 2017 durch einen weiteren Dokto-randen verstaumlrkt

Verstaumlrkung im Versuchstierschutz

Seit dem 1 April 2017 staumlrkt die Berufung von Herrn Universitaumltsprofessor Dr Lars Lewejo-hann den Kompetenzbereich bdquoVerminderung der Belastung und Verbesserung der Lebenssitua-tionldquo des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) Neben der Leitung der Fachgruppe bdquoTierschutz und Versuchstierkundeldquo im BfR wird Lars Lewejohann sein Wissen und neue Erkenntnisse als Hochschullehrer fuumlr bdquoTier-schutz mit dem Schwerpunkt Refinementldquo an der veterinaumlrmedizinischen Fakultaumlt der Freien Universitaumlt Berlin an Studierende und Doktoran-den weitergeben

PERSONALIEN

Alternativmethode zum Tierversuch bdquoKnochen-auf-dem-Chipldquo

Im Mai 2017 fand bei der Gemeinsamen For-schungsstelle (GFS)Joint Research Centre (JRC) der Generaldirektion (Directorate General) der Europaumlischen Kommission eine Summer School zu alternativen Ansaumltzen zum Tierversuch fuumlr die Risikobewertung in Ispra (Italien) statt Dort wurde Herr Dr Ing Frank Schulze aus der BfR-Fachgruppe bdquoZEBET ndash Alternativmethoden zu Tierversuchenldquo fuumlr seine Praumlsentation und das dazugehoumlrige Poster zum Thema bdquoEin Knochen-auf-dem-Chip fuumlr die Grundlagenwissenschaft und die Identifizierung von knochenschaumldigen-den Substanzenldquo mit einem Posterpreis (1 Platz) ausgezeichnet

copy B

fR

copy p

rivat

INSTITUTSLEBEN

44 BfR 2 GO

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

BfR-Vizepraumlsident Professor Dr Reiner Wittkowski setzt sich dafuumlr ein dass am BfR zu neuartigen Verfah-ren zur Authentifizierung von Lebensmitteln geforscht wird Als junger Lebensmittelchemiker hat er am Vorgaumlngerinstitut des BfR dem Bundesgesundheitsamt bereits fuumlr die Uumlberpruumlfung der Echtheit von Wein Methoden entwickelt etabliert und begonnen eine Fingerabdruck-Datenbank anzulegen

Was traumlgt das BfR zur Uumlberpruumlfung der Echtheit von Lebensmitteln bei Wir beteiligen uns seit Langem an allen maszliggeblichen EU-Forschungsvorhaben zur Authentizitaumltspruumlfung Unser Alleinstel-lungsmerkmal ist dass wir Risikobewertung und Forschung betreiben Das BfR hat an-ders als andere Bewertungsbehoumlrden eigene Laboratorien Wir haben deswegen einen sehr strengen Blick auf Bewertungsmetho-den und fragen wie sicher die Aussagekraft der Daten ist Das Kerngeschaumlft der 17 Re-ferenzlabore des BfR ist Methodenvali-dierungen durchzufuumlhren Auf nationaler Ebene arbeitet das BfR bereits eng mit der amtlichen Lebensmitteluumlberwachung der Bundeslaumlnder zusammen

Welchen konkreten Ansatz nutzt das BfRWir kombinieren Analytik und Daten-modellierung Das Institut hat eine lange Historie hinsichtlich des Nachweises der Echtheit von Lebensmitteln da auch in den Vorgaumlngerinstitutionen dazu geforscht wur-de In den 1990er-Jahren wurde hier eine der ersten Datenbanken zur Uumlberpruumlfung der Authentizitaumlt von Wein aufgebaut und wurden erstmals Kernresonanz-spektrosko-pische Verfahren in der Lebensmittel-Ana-lytik angewandt Die Expertise zum Thema Wein haben wir dann auf andere Lebens-mittel-Matrizes uumlbertragen Neben der Ana-lytik ist die Statistik unser zweiter Impetus Das BfR hat viel Erfahrung im Bereich der Datenanalyse fuumlr die Vor- und Ruumlckverfolg-barkeit von Lieferketten aufgebaut Mit der FoodChainLab-Software die im Rahmen der EHEC-Krise entwickelt wurde sind komplexe Datenmodellierungen moumlglich

Was sind die naumlchsten SchritteWir haben bereits ein nationales Kompe-tenznetzwerk zwischen Bundesbehoumlrden Landesuntersuchungsaumlmtern Universitaumlten und Forschungseinrichtungen etabliert und wir bringen das Thema weltweit voran Das BfR hat im November 2016 ein Symposium organisiert auf dem rund 100 Fachleute aus Deutschland Europa Nordamerika Afrika Asien und Neuseeland uumlber die Herausfor-derungen der Standardisierung diskutierten Aus meiner Sicht sollte unbedingt ein euro-paumlisches Referenzlabor eingerichtet werden ndash die EU-Kommission erwaumlgt dies bereits ndash um in Europa ein harmonisiertes System der angewendeten Methoden und der Datener-fassung fuumlr die Authentizitaumltspruumlfung von Lebensmitteln zu etablieren Nur das ist ziel-fuumlhrend wenn wir Faumllschungen global einen Riegel vorschieben wollen

copy B

fR

13012017

INTERVIEW MIT PROFESSOR DR REINER WITTKOWSKI

Der BfR-Verbrauchermonitor ist ein zentrales Instru-ment des gesundheitlichen Verbraucherschutzes Er zeigt wie die Oumlffentlichkeit Risiken wahrnimmt

Gefuumlhlte Risiken im Visier

copy ig

orst

evan

ovic

Shu

tters

tock

com

RISIKOWAHRNEHMUNG

14 BfR 2 GO

Welche Themen bewegen Verbraucherinnen und Verbrau-cher Was ist ihnen vertraut was beunruhigt sie Ant-worten auf diese Fragen liefert der BfR-Verbrauchermo-

nitor ndash eine seit 2014 regelmaumlszligig durchgefuumlhrte repraumlsentative Bevoumllkerungsbefragung mit der das BfR die generelle Einschaumlt-zung der Oumlffentlichkeit zu Verbraucherschutzthemen ermittelt In Ergaumlnzung dazu fuumlhrt das BfR Repraumlsentativbefragungen zu Ein-zelthemen durch die von besonderem aktuellem Interesse sind wie Antibiotikaresistenzen oder Pflanzenschutzmittel Die Ergeb-nisse dazu erscheinen als bdquoBfR-Verbrauchermonitor Spezialldquo Der Verbrauchermonitor ist ein wesentlicher Indikator um moumlgliche Missverstaumlndnisse oder Fehleinschaumltzungen seitens der Bevoumllke-rung fruumlhzeitig zu erkennen bdquoFuumlr uns ist es sehr wichtig konkret zu wissen was die Bevoumllkerung warum bewegt Daraus folgern wir welche kommunikativen Maszlignahmen zu ergreifen sindldquo sagt PD Dr Gaby-Fleur Boumll Leiterin der Abteilung Risikokommunika-tion am BfR

Methode der Datenerhebung

Fuumlr die repraumlsentative Umfrage des Verbrauchermonitors werden ca 1000 Personen die in Privathaushalten in Deutschland leben und mindestens 14 Jahre alt sind im Auftrag des BfR von Markt- und Meinungsforschungsinstituten telefonisch interviewt Diese Interviews werden computergestuumltzt anhand eines programmier-ten Fragebogens von geschulten Interviewern durchgefuumlhrt ndash kurz CATI-Methode genannt nach der englischen Bezeichnung compu-ter-assisted telephone interviewing Dabei werden die Fragen zum gesundheitlichen Verbraucherschutz und Fragen zu anderen The-menbereichen zu einer sogenannten Omnibus- oder Mehrthemen-befragung zusammengefasst Die Fragen des Verbrauchermonitors koumlnnen einen offenen Charakter haben (ungestuumltzte Fragen) oder geschlossen formuliert sein (gestuumltzte Fragen) Um die Ergebnisse der Verbrauchermonitore im Zeitverlauf miteinander vergleichen zu koumlnnen ist jede Umfrage aumlhnlich aufgebaut Das BfR widmet sich einerseits Themen die in der Oumlffentlichkeit eine groszlige Auf-merksamkeit erhalten Andererseits analysiert es Fragen die bisher weniger im oumlffentlichen Fokus stehen aber ebenfalls relevant sind wie beispielsweise gesundheitsschaumldliche Pflanzeninhaltsstoffe Auch das Ausmaszlig des Vertrauens in die staatlichen Strukturen des gesundheitlichen Verbraucherschutzes wird abgefragt da dies wie-derum die Wahrnehmung von Risiken beeinflussen kann

bdquoFuumlr uns ist es sehr wichtig konkret zu wissen was die Bevoumllkerung warum bewegt

Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher

Kaum veraumlndert hat sich in den letzten Jahren die Ansicht von Ver-braucherinnen und Verbrauchern dass Lebensmittel in Deutsch-land sicher sind Fragt man in der ungestuumltzten Abfrage nach den groumlszligten gesundheitlichen Risiken so sind dies im aktuellen Ver-brauchermonitor (082017) nach wie vor das Rauchen die Klima- bzw Umweltbelastung und ungesunde oder falsche Ernaumlhrung Da-nach werden Alkohol sowie ungesunde oder belastete Lebensmittel genannt Fragt man in der gestuumltzten Abfrage gezielt nach ausge-waumlhlten Themen so fuumlhren Salmonellen gentechnisch veraumlnderte Lebensmittel Antibiotikaresistenzen und Ruumlckstaumlnde von Pflan-zenschutzmitteln die Bekanntheitsskala an Dies sind auch die vier Themen die bei den meisten Befragten fuumlr Beunruhigung sorgen Es zeigt sich immer wieder dass Verbraucherinnen und Verbrau-cher Risiken unterschaumltzen die aus Sicht der Risikobewertung als

ZielsetzungVerbrauchermonitor

gt Erfassung und Analyse von Trends und Themen in der Verbraucherwahrnehmunggt Uumlber- bzw Unterschaumltzung von gesundheitlichen Risiken durch die Bevoumllkerunggt Beobachtung von Veraumlnderungen im Verbraucherverhaltengt Schnelle Erfassung der Verbraucherwahrnehmung in Krisensituationen

BfR-VERBRAUCHERMONITOR

15012017

gesundheitsrelevant eingestuft werden wie z B die Lebensmittelhygiene im eigenen Haushalt Noch weitgehend unbekannt ist der breiten Oumlffentlichkeit eine neue derzeit in der Wissenschaft diskutierte Metho-de zur Genveraumlnderung ndash das sogenannte bdquoGenome Editingldquo

Vertrauen staumlrken

Verschiedene Bevoumllkerungsgruppen neh-men Ereignisse oder Sachverhalte unter-schiedlich wahr Es haumlngt von vielen Fakto-ren ab wie groszlig ihnen ein Risiko erscheint Insbesondere zwischen der Wahrnehmung von Laien und Fachleuten koumlnnen sich Un-terschiede ergeben da die intuitive Risiko-einschaumltzung der Bevoumllkerung haumlufig auf anderen Prinzipien und Kriterien beruht als die wissenschaftliche Risikobewertung Aus der Risikowahrnehmungsforschung ist beispielsweise bekannt dass die Sorge vor

synthetisch hergestellten Stoffen groumlszliger ist als die Sorge vor natuumlrlich vorkommenden Stoffen wie beispielsweise giftigen Pflanze-ninhaltsstoffen

Der BfR-Verbrauchermonitor Spezial zum Thema Pflanzenschutzmittel hat zudem gezeigt dass ein Groszligteil der Bevoumllkerung faumllschlicherweise davon ausgeht dass in Lebensmitteln generell keine Reste von Pflanzenschutzmitteln vorkommen duumlr-fen Tatsaumlchlich sind Ruumlckstaumlnde von zu-gelassenen Pflanzenschutzmitteln bis zum erlaubten Ruumlckstandshoumlchstgehalt zulaumls-sig und als gesundheitlich unbedenklich eingestuft Auf diese Diskrepanz kann die Risikokommunikation gezielt reagieren indem sie die Oumlffentlichkeit mit geeigne-ten Kommunikationsformen umfassend uumlber die rechtlichen und wissenschaftli-chen Grundlagen der Risikobewertung bei Pflanzenschutzmitteln informiert

Die Ergebnisse solcher Bevoumllkerungsum-fragen liefern wichtige Einsichten in die Risikowahrnehmung verschiedener Bevoumll-kerungsgruppen und zeigen Unterschiede hinsichtlich demografischer Faktoren wie Alter Bildungshintergrund Berufsgrup-pe und Geschlecht auf So ist Frauen das Vorkommen von Pyrrolizidinalkaloiden in Kraumlutertee beispielsweise haumlufiger bekannt als Maumlnnern Auch hat sich gezeigt dass Maumlnner Prozesskontaminanten in Grill-fleisch weniger bedenklich einschaumltzen als Frauen

Mit dem Verbrauchermonitor hat das BfR ein Instrument etabliert mit dem noch fruumlher auf Informations- und Kommuni-kationsbeduumlrfnisse eingegangen und damit das Vertrauen der Oumlffentlichkeit in den ge-sundheitlichen Verbraucherschutz weiter gestaumlrkt werden kann

Alle bisher erschienenen BfR-Verbrauchermonitore koumlnnen abgerufen werden unter wwwbfrbundde gt Publikationen gt Broschuumlren gt BfR-Verbrauchermonitor

Welche Themen betrachten Sie persoumlnlich als die groumlszligten gesundheitlichen Risiken fuumlr Verbraucherinnen und Verbraucher

Inwieweit sind Sie persoumlnlich uumlber die folgenden Themen zur Lebensmittel-sicherheit beunruhigt oder nicht beunruhigt

16 BfR 2 GO

RISIKOWAHRNEHMUNG

2016 gab es in Deutschland in der deutsch-sprachigen Bevoumllkerung ab 14 Jahren rund 08 Millionen Personen die sich selbst als Veganer bezeichnen wuumlrden oder als je-mand der weitgehend auf tierische Produk-te verzichtet (2016 Allensbacher Markt- und Werbetraumlger-Analyse IfD Allensbach) Ei-nige Studien zeigen dass eine vegane Ernaumlh-rung positive Einfluumlsse auf die Gesundheit haben kann wie zum Beispiel ein geringeres Risiko fuumlr Typ-2-Diabetes Beschrieben wer-den allerdings auch gesundheitliche Risiken durch Naumlhrstoffmangelzustaumlnde etwa fuumlr Schwangere und Kinder Wer keine tierische Produkte zu sich nimmt riskiert unter an-derem eine Unterversorgung mit Vitamin B12 Eisen Calcium Jod und Zink sowie mit langkettigen Omega-3-Fettsaumluren

Vor diesem Hintergrund entwickelte das BfR geeignete Risikokommunikationsstra-tegien Ein Forschungsprojekt widmete sich den individuellen und sozialen Einflussfak-toren die zur Motivation und Aufrechter-haltung einer veganen Ernaumlhrung fuumlhren Insgesamt wurden 42 Veganerinnen und Veganer zu ihren Werten Einstellungen und Meinungen befragt Aufgrund der zum Teil sehr ausgepraumlgten Abweichun-gen zur Durchschnittsbevoumllkerung lassen sich verallgemeinernde Aussagen treffen Repraumlsentativ sind die Befragungsdaten al-lerdings nicht

Ethische Entscheidung

Fast immer begruumlnden Veganerinnen und Veganer ihre Entscheidung fuumlr eine vega-ne Ernaumlhrung mit ethischen Argumenten Gesundheitliche Motive werden selten ge-nannt Die Befragten sind uumlberwiegend konfessionslos und uumlberdurchschnittlich

gebildet Auszligerdem beguumlnstigt Vegetaris-mus die Entscheidung sich vegan zu ernaumlh-ren Zwei Drittel der Teilnehmenden haben sich bereits vorher vegetarisch ernaumlhrt Er-naumlhren sich bereits Personen aus dem na-hen Umfeld vegan kann dies die Entschei-dung auch vorantreiben

Fuumlr die uumlberwiegende Mehrheit der Be-fragten ist die Ruumlckkehr zur omnivoren Ernaumlhrung die tierische Produkte zulaumlsst nicht vorstellbar Auch eine Schwanger-schaft wird meist nicht als Grund dafuumlr angesehen Oft werden auch Kinder vegan ernaumlhrt Nach Aussagen der Befragten re-agiert das soziale Umfeld haumlufig mit Skepsis und Aversion Um eine soziale Ausgren-

zung der Kinder zu verhindern lassen die Befragten teils Kompromisse zu So koumlnn-ten Kinder zum Beispiel selbst waumlhlen ob sie auswaumlrts Tierprodukte essen

Wissen kommt an

Wer sich vegan ernaumlhrt verfuumlgt in der Re-gel uumlber ein fundiertes Ernaumlhrungswissen 40 der 42 Teilnehmenden der BfR-Studie waren sich zum Beispiel daruumlber im Klaren dass es ohne tierische Produkte zu einer Mangelversorgung mit Vitamin B12 kom-men kann Viele nehmen dieses Vitamin zusaumltzlich ein Bei der Informationssuche rund um vegane Ernaumlhrung ist das Inter-net die wichtigste Informationsquelle (siehe Grafik)

Strategie der Risikokommunikation

Im Rahmen der Befragung stellten sich wichtige Anknuumlpfungspunkte fuumlr die Risi-kokommunikation heraus Unter anderem wurde klar dass ein negativer Ansatz der die vegane Ernaumlhrung als gefaumlhrlich oder abnormal darstellt nur wenig Erfolg haben kann Eine effektive Risikokommunikation sollte an bestehende Uumlberzeugungen der Veganerinnen und Veganer anknuumlpfen Ziel sollte dabei sein konkrete Tipps fuumlr den Alltag zu geben die sich mit einer vega-nen Ernaumlhrung verbinden lassen Informa-tionen wie bei einer veganen Ernaumlhrung eine moumlgliche defizitaumlre Naumlhrstoffversor-gung verhindert werden kann sind grund-saumltzlich erfolgversprechend Insbesondere uumlber Alternativen oder Supplementierung in der Schwangerschaft bei Saumluglingen und Kleinkindern sollte umfassend informiert werden

Vegan und informiert

Welche Informationsquellen nutzen Sie um sich

uumlber vegane Ernaumlhrung zu informieren

Kochbuumlcher mit veganen Rezepten Blogs zum Thema und tierfreie Supermaumlrkte ndash die vegane Ernaumlhrung liegt im Trend Wer ganz auf tierische Produkte verzichtet riskiert jedoch eine Unterversorgung mit bestimmten Naumlhrstoffen Um eine effiziente Risikokommunikation zu gewaumlhrleis-ten hat das BfR Veganerinnen und Veganer zu Wissens-stand und Einstellungen befragt

Foren im Internet

Sonstige Quellen im Internet

Buumlcher

Zeitschriften

Freunde Bekannte

Sonstigen = 42 Mehrfachnennungen moumlglich

74

71

52

36

12

5

copy S

tudi

oPho

toD

Flor

ezs

hutte

rsto

ckc

om

BEFRAGUNG ZU VEGANISMUS

17012017

63

72 Ekel

Fremdheit

Bedenken zu Hygiene und Vertraumlglichkeit

Grillen Mehlwuumlrmer und Wanderheuschrecken ndash in vielen Regionen der Welt werden Insekten von Menschen verspeist Auch in der Schweiz sind Insek-ten seit dem Fruumlhjahr 2017 offiziell als Lebensmittel zugelassen Ihr Verzehr ist in Europa jedoch generell wenig verbreitet und die oumlffentliche Diskussion steckt noch in den Anfaumlngen Wie bekannt ist das Thema in der deutschen Bevoumllkerung Welche Einstellungen bestehen gegenuumlber essbaren Insekten Wie wird das Thema in den Medien dargestellt In zwei Studien hat das BfR Antworten auf diese Fragen gefunden

Die Mehrheit der Deutschen vermutet keine gesundheitlichen Risiken durch den Verzehr von Insekten wuumlrde sieaber dennoch nicht verzehren Hauptgruumlnde gegen den Verzehr

sind Ekel Fremdheit Bedenken zu Hygiene und Vertraumlglichkeit

46 13 15

Insekten als Lebensmittel fuumlr Menschen ndash 72 Prozent der Befragten haben schon davon gehoumlrt Insekten gelten als eiweiszlig- naumlhrstoff- und vitaminreich und als eine wesentliche Nahrungsquelle hinsichtlich des Welternaumlhrungsproblems

Insekten essen Mehr Theorie als Praxis

18 BfR 2 GO

RISIKOWAHRNEHMUNG

2014

27 Artikel

14

Zugrundeliegende Studien telefonische Repraumlsentativbefragung von 1000 Personen (deutschsprachige Bevoumllkerung ab 14 Jahren) Medienanalyse von 17 deutschen Print- und Onlinemedien (uumlberregionale Qualitaumltszei-tungen Hauptstadtpresse und woumlchentliche Zeitungen) im Zeitraum Januar 2014 bis Dezember 2015 zur Art und Haumlufigkeit der Berichterstattung uumlber essbare Insekten

14 Prozent der Befragten haben schon einmal Insekten verzehrt mehrheit-lich im Ausland Uumlberwiegend sind es Maumlnner 18 ndash 29-Jaumlhrige gut Gebildete und Staumldter

Die Medienberichterstattung zu Insekten als Lebens- und Futtermittel verdoppelte sich von 2014 zu 2015 In der Mehrheit ging es um Nutzen- aspekte Insekten wurden medial als bdquozukunftsweisendes sinnvolles Lebensmittel bei dem der Nutzen gegenuumlber moumlglichen Risiken uumlber-wiegtldquo dargestellt

Verbraucherinnen und Verbraucher wuumlnschen sich mehr Informationen zu moumlglichen gesundheitlichen Risiken von Insekten als Lebens- und Fut-termittel zu ihrer Produktion und zum Naumlhrstoffgehalt Dies koumlnnte die oumlffentliche Akzeptanz fuumlr den Verzehr von Insekten erhoumlhen Auch bdquounkenntlich gemachteldquo Insekten in Form verarbeiteter Lebensmittel wuumlrden eher akzeptiert als Insekten im urspruumlnglichen Zustand

WeiterlesenBfR-Symposium bdquoInsekten als Lebens- oder Futtermittel Nah-rung der Zukunftldquo Bericht zum Symposium am 24 Mai 2016 in 2016 Journal fuumlr Verbraucher-schutz und Lebensmittelsicher-heit 11 3 281ndash289

2015

60 Artikel

i

Insekten als Lebensmittel

gt zaumlhlen lebensmittelrechtlich in der EU zu den neuartigen Lebensmitteln und muumlssen zugelassen werden

gt unerforschte Aspekte Toxikologie Gehalt an Kontaminanten und Ruumlckstaumlnden allergenes Potenzial mikrobiologische Risiken

copy a

rka3

8sh

utte

rsto

ckc

om

19012017

INFOGRAFIK ZU INSEKTEN

Unerwuumlnscht inLebensmitteln

Gelangen Pyrrolizidinalkaloide (PA) in die Lebensmittelkette koumlnnen insbesondere 12-ungesaumlttigte PA dem Menschen schaden Seit Jahren

befasst sich das BfR mit der Frage welches gesundheitliche Risiko von 12-ungesaumlttigten PA in Lebensmitteln ausgeht Klar ist die PA-Kontami-

nation in der Lebensmittelkette sollte so gering wie moumlglich sein

LEBENSMITTELSICHERHEIT

20 BfR 2 GO

Unerwuumlnschte Stoffe die in die Lebensmittelkette gelangen koumlnnen fuumlr Verbraucherinnen und Verbraucher ein gesund-heitliches Risiko darstellen Ein Beispiel fuumlr solche Eintraumlge

sind 12-ungesaumlttigte Pyrrolizidinalkaloide (PA) Das sind Stoffe die von einigen Pflanzen als Schutz vor Fraszligfeinden gebildet werden Sie konnten zunaumlchst in Honig und anderen Bienenprodukten spaumlter auch in Tees Kraumlutertees und Gewuumlrzen aber auch in pflanzenba-sierten Nahrungsergaumlnzungsmitteln nachgewiesen werden

Toxische Wirkungen bei Mensch und Tier

Beim Menschen sind vereinzelt Vergiftungsfaumllle nach arzneilicher Einnahme von PA-haltigen Kraumlutertees und -erzeugnissen bekannt Weiterhin gibt es Berichte uumlber epidemische Lebererkrankungen mit Todesfaumlllen in Pakistan Indien Afghanistan Tadschikistan und der ehemaligen UdSSR nach Verzehr von Getreide das mit Samen von Heliotropium- oder Crotalaria-Arten kontaminiert war Aus der Nutztierhaltung ist das gehaumlufte Auftreten von Leberzirrhosen bei Schlachtrindern bekannt die mit Heu und Silage auch Alpenkreuz-kraut aufgenommen hatten Auch bei Pferden wurden mit Leberde-generation einhergehende durch PA im Futter verursachte Erkran-kungen die Seneciosen beobachtet

Die Leber ist das primaumlre Zielorgan von Schaumldigungen durch 12-ungesaumlttigte PA Jedoch koumlnnen auch die Lunge oder andere Organe betroffen sein Insbesondere bei Aufnahme houmlherer Dosen treten akute venookklusive Veraumlnderungen in der Leber (hepatic veno-occlusive disease HVOD) oder der Lunge auf In houmlheren Dosen wurden im Tierversuch mit 12-ungesaumlttigten PA auch ent-wicklungstoxische Effekte beobachtet Nach den vorliegenden tier- experimentellen Daten gilt die kanzerogene Wirkung von 12-un-gesaumlttigten PA als gesichert und ein entsprechendes Risiko fuumlr den Menschen wird in Betracht gezogen Vielfach zeigten Verbindungen die sich im Tierversuch als kanzerogen erwiesen in entsprechenden Mutagenitaumltstests eine genotoxische Wirkung

Wie 12-ungesaumlttigte PA in Lebensmittel gelangen koumlnnen

Nach bisherigem Kenntnisstand koumlnnen 12-ungesaumlttigte PA uumlber mehrere Wege in Lebensmittel gelangen In Deutschland sind Ver-unreinigungen vor allem in den Anbauflaumlchen von Nutzpflanzen mit PA-bildenden Wildkraumlutern wie z B bei Salaten mit Kreuzkraut oder Greiskraut aufgetreten Aus Afghanistan sind erhoumlhte Belastungen in Getreide bekannt Auch die Belastung von Tee und Kraumlutertee-Sor-ten mit PA wird auf eine Kontamination mit bestimmten Wildkraumlu-tern in den Anbauflaumlchen zuruumlckgefuumlhrt Auszligerdem koumlnnen Bienen-produkte wie Honig und Pollen mit PA belastet sein wenn die Tracht von bestimmten Wildpflanzen stammt 12-ungesaumlttigte PA koumlnnen auch uumlber verunreinigte Futtermittel in Milch Eier und Fleisch ge-langen Auch Nahrungsergaumlnzungsmittel koumlnnen auf der Basis von Pflanzen hergestellt sein die selbst 12-ungesaumlttigte PA bilden

Gesundheitliche Risiken durch belastete Lebensmittel

Das BfR hat 2016 eine Bewertung der gesundheitlichen Risiken durch 12-ungesaumlttigte PA erarbeitet Dabei wurde die Belastung aller wichtigen Lebensmittelgruppen beruumlcksichtigt fuumlr die aktuell Daten zum Vorkommen von 12-ungesaumlttigten PA vorliegen Bei der Bewertung wurde die genotoxisch-kanzerogene Wirkung als emp-findlichster Endpunkt zugrunde gelegt

copy F

eyya

z A

laca

ms

hutte

rsto

ckc

om

copy e

mbe

riza

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

21012017

Danach geht bei Kindern im Alter von sechs Monaten bis unter fuumlnf Jahren die Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA im Wesentlichen auf Kraumlutertee einschlieszliglich Rooibostee Schwarztee und Honig zuruumlck Fruumlchtetee Milch Eier und Fleisch tragen nur wenig zur Gesamtaufnahme von 12-un-gesaumlttigten PA bei Sieht man von bestimm-ten Nahrungsergaumlnzungsmitteln ab zeigt sich bei Erwachsenen ein aumlhnliches Bild Bei Erwachsenen ist der Beitrag von Honig zur Gesamtaufnahme an 12-ungesaumlttigten PA geringer und der von Gruumlntee houmlher als bei Kindern Bei hohen Gehalten koumlnnen Nahrungsergaumlnzungsmittel als zusaumltzliche Expositionsquelle zur Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber Lebensmittel beitragen Gewuumlrze und Kraumluter aber auch Mehle stellen moumlglicherweise eine relevante zusaumltzliche Expositionsquelle dar Fuumlr eine abschlieszligende Bewertung fehlen hier jedoch noch Daten

Obwohl in Einzelfaumlllen hohe Gehalte an 12-ungesaumlttigten PA in bestimmten Le-bensmitteln des allgemeinen Verzehrs nachgewiesen wurden haumllt das BfR nach derzeitiger Datenlage auch bei hoher Auf-nahme dieser Lebensmittel eine akute Ge-sundheitsschaumldigung fuumlr unwahrscheinlich Zur Abschaumltzung des potenziellen Risikos von genotoxisch-kanzerogenen Wirkungen legte das BfR wie international uumlblich den MOE-Ansatz (Margin of Exposure) zugrun-de Dabei wird ausgehend von Tierstudien angenommen dass fuumlr genotoxische Kan-zerogene ein MOE-Wert von 10000 oder houmlher aus Sicht der oumlffentlichen Gesundheit als wenig bedenklich und die Prioritaumlt fuumlr Maszlignahmen im Rahmen des Risikomanage-ments als niedrig angesehen werden kann Bei genotoxisch-kanzerogenen Stoffen kann keine Schwellendosis angenommen werden unterhalb derer keine unerwuumlnschten Wir-kungen mehr erwartet werden Daher gilt in der Europaumlischen Union die Empfehlung die Exposition gegenuumlber genotoxisch und kanzerogen wirkenden Substanzen so weit zu minimieren wie dies vernuumlnftig erreich-bar ist ndash das sogenannte ALARA-Prinzip (as low as reasonably achievable) Selbst geringe Aufnahmemengen koumlnnen insbesondere bei regelmaumlszligigem Verzehr mit einer Erhouml-hung gesundheitlicher Risiken verbunden sein

Die Bewertung des genotoxischen und kan-zerogenen Risikos erfolgt als Vergleich der Gesamtaufnahme uumlber verschiedene Tees Milch und Honig bei Kindern und Er-wachsenen auf der Basis verschiedener Ver-zehrszenarien mit dem BMDL10-Wert von

73 Mikrogramm pro Kilogramm Koumlrperge-wicht und Tag unter Berechnung des MOE Der BMDL10-Wert (Benchmark dose lower confidence limit 10) ist ein Schaumltzwert der niedrigsten Dosis die im Tierexperiment mit 95-prozentiger Sicherheit eine Krebsin-zidenz von nicht mehr als 10 Prozent ver-ursacht Alle Berechnungsansaumltze sowohl fuumlr Kinder als auch fuumlr die erwachsene Be-voumllkerung ergaben MOE-Werte deutlich unterhalb von 10000 Da nach Ansicht des Wissenschaftlichen Ausschusses der EFSA ein MOE erst ab einem Wert von mindes-tens 10000 aus Sicht der oumlffentlichen Ge-sundheit als wenig bedenklich anzusehen ist empfiehlt das BfR die Gesamtexposition mit PA aus allen Lebensmitteln so niedrig wie moumlglich zu halten und einen MOE von 10000 bei Beruumlcksichtigung der PA-Zufuhr aus allen Quellen nicht zu unterschreiten Dazu sollten die Bemuumlhungen fortgesetzt werden die PA-Gehalte in Lebensmitteln weiter zu senken

Forschungsansaumltze des BfR

Das BfR befasst sich seit einigen Jahren mit der Problematik der Verunreinigung von Lebensmitteln mit 12-ungesaumlttigten PA und verfolgt hierzu verschiedene Forschungs-ansaumltze Die Analytik der 12-ungesaumlttigten PA stellt aufgrund ihrer groszligen strukturel-len Vielfalt und des Vorkommens in unter-schiedlichen Lebensmitteln eine besondere Herausforderung dar In den letzten Jahren hat das BfR spezifische Nachweismethoden entwickelt und in Ringversuchen validiert Diese Methoden stehen auf der Homepage des BfR zur Verfuumlgung und koumlnnen z B in der Lebensmittel- und Futtermitteluumlberwa-chung eingesetzt werden

Neben der Entwicklung analytischer Me-thoden werden am BfR die molekularen Mechanismen der Toxizitaumlt von 12-unge-saumlttigten PA untersucht Hier stehen vor allem Untersuchungen zur strukturabhaumln-gigen Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber die Darmbarriere im Vordergrund Die Ergebnisse zeigen dass sich das Wirkungs-potenzial der 12-ungesaumlttigten PA aufgrund von Unterschieden im strukturabhaumlngigen Transport uumlber die Darmbarriere unter-scheiden kann Auch zeigten die getesteten Modellsubstanzen in einem Zellkulturmo-dell deutliche strukturspezifische Unter-schiede im Metabolismus Weitere Untersu-

Pflanzen die Pyrrolizidinalkaloi-de bilden finden sich vor allem in den Familien der Korbbluumltler (Asteraceae) der Raublatt- oder Borretschgewaumlchse (Boraginaceae) und der Huumllsenfruumlchtler (Faba-ceae)

22 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

chungen zu der Zerstoumlrung der sinusoidalen Endothelzellen durch 12-ungesaumlttigte PA sollen zum Verstaumlndnis der Mechanismen beitragen die zu den venookklusiven Ver-aumlnderungen in der Leber fuumlhren Auch wer-den Untersuchungen zur Metabolisierung nahrungsrelevanter Pyrrolizidinalkaloide durchgefuumlhrt Die Forschungsprojekte wer-den von der Deutschen Forschungsgemein-schaft (DFG) gefoumlrdert

Empfehlungen zur Reduktion der PA-Gehalte

Das BfR empfiehlt dass sich Management-maszlignahmen an der Vermeidung genoto-xisch-kanzerogener Effekte der 12-ungesaumlt-tigten PA als dem empfindlichsten Endpunkt orientieren Die Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA sollte fuumlr Verbrau-cherinnen und Verbraucher so gering wie moumlglich sein Dazu sollten die PA-Gehalte in Lebensmitteln so weit wie moumlglich sin-ken Dies gilt insbesondere fuumlr Kraumlutertees Rooibostee Schwarzen Tee und Gruumlnen Tee sowie bestimmte Nahrungsergaumlnzungsmit-tel Hier sollten Anbau- Ernte- und Reini-gungsmethoden weiterhin verbessert wer-den Auch die Auswahl der Rohhonige kann zu einer Reduzierung der Gehalte an 12-un-gesaumlttigten PA in verzehrfertigen Honigen beitragen Auszligerdem sind vor der Vermark-tung seitens der Lebensmittelunternehmer weiterhin Kontrollen in allen betroffenen Lebensmittelkategorien notwendig

Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das potenzielle gesundheitliche Risiko durch PA durch eine abwechslungsreiche Ernaumlh-rung verringern und so generell einseitigen Belastungen mit verschiedenen potenziell gesundheitsgefaumlhrdenden Stoffen vorbeu-gen Insbesondere fuumlr Kinder Schwangere und Stillende empfiehlt das BfR den taumlgli-chen Fluumlssigkeitsbedarf nicht ausschlieszliglich mit Kraumlutertee und Tee zu decken

Bei der Zubereitung von Salat Blattgemuumlse und Kraumlutern sollten Verbraucherinnen und Verbraucher Pflanzenteile aussortieren die sie keinen bekannten essbaren Pflanzen zu-ordnen koumlnnen

Wer Nahrungsergaumlnzungsmittel auf Pollen-basis oder auf Basis von Pflanzen einnimmt die 12-ungesaumlttigte PA bilden sollte sich bewusst sein dass diese Produkte 12-un-gesaumlttigte PA in houmlheren Konzentrationen enthalten koumlnnen

Mehr erfahrenStellungnahme Nr 0302016 des BfR vom 28 September 2016

Necinbase

Necinsaumlure

Die Struktur von PA

Chemisch handelt es sich um Ester aus einer Necinbase und aliphatischen Mono- oder Dicarbonsaumluren (Necin-saumluren) Aus toxikologischer Sicht besonders bedeutsam sind Pyrroli-zidinalkaloide mit 12-ungesaumlttigter Necinstruktur (12-ungesaumlttigte PA) Die 12-ungesaumlttigte Necinstruktur als gemeinsames Strukturmerkmal erlaubt grundsaumltzlich die Giftung durch Oxidation zum Dehydropyrrolizidin das durch seine alkylierenden Eigenschaf-ten fuumlr die genotoxische und karzino-gene Wirkung dieser Substanzgruppe verantwortlich ist

copy R

ukiM

edia

shu

tters

tock

com

copy J

iri H

era

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

23012017

Im suumldlichen Afrika spielt die Landwirt-schaft eine Schluumlsselrolle bei der Armuts-bekaumlmpfung Eine wachsende Produktion tierischer Lebensmittel bringt jedoch auch neue Herausforderungen an die Lebensmit-telsicherheit mit sich Das BfR-Forschungs-projekt bdquoSAD-Zambialdquo (bdquoStaphylococcus aureus in der Milchlebensmittelkette in Sambia ndash Bekaumlmpfung lebensmittelbeding-ter Erkrankungen und Antibiotikaresisten-zen beim Menschldquo) befasst sich damit wie die Produktion und der Vertrieb von Milch und Milchprodukten in Sambia sicherer gestaltet werden koumlnnen Ziel ist es zu be-werten in welchem Umfang das Bakterium Staphylococcus (S) aureus uumlber Milch und Milchprodukte auf den Menschen uumlbertra-gen wird In einem ersten Schritt werden Feldstudien in verschiedenen Provinzen des Landes durchgefuumlhrt um das Vorkommen dieses Erregers und moumlgliche Schwachstel-len in der Milchlebensmittelkette in Sambia zu analysieren Hierbei stehen Toxin-bil-dende S aureus-Staumlmme im Fokus Auszliger-dem wird untersucht in welchem Umfang Methicillin-resistente S aureus (MRSA) die gegen eine bestimmte Klasse von Antibio-tika resistent sind in der Milchlebensmit-

telkette vorkommen Die Bewertungsarbeit beinhaltet auch einen Vergleich traditio-neller und moderner Produktionssysteme Am BfR werden anschlieszligend die Analysen zu den Eigenschaften der gewonnenen Bakterienstaumlmme sowie stammvergleichen-de Untersuchungen durchgefuumlhrt In einem weiteren Schritt werden Ansatzpunkte zur Reduzierung der Bakterien sowie Methoden zum Monitoring von zoonotischen und An-tibiotika-resistenten S aureus in der Milch-lebensmittelkette in Sambia entwickelt So soll zum Verstaumlndnis der lebensmittelbe-dingten Risiken entlang der Milchlebens-mittelkette in Sambia beigetragen werden Das Projekt begann am 01072016 und laumluft drei Jahre Es wird vom Bundesminis-terium fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft gefoumlrdert und aus BfR-Mitteln co-finanziert Neben dem BfR beteiligen sich an dem For-schungsprojekt das International Livestock Research Institute die University of Zambia und das Central Veterinary Research Insti-tute als Teil des sambischen Ministeriums fuumlr Nutztiere und Fischerei Durch dieses Forschungsnetzwerk soll eine nachhaltige Partnerschaft aufgebaut werden

Mit dem Forschungsprojekt bdquoSAD-Zambialdquo leistet das BfR einen Beitrag zur Staumlrkung der Lebensmittelsicherheit und damit zur Ernaumlhrungssicherheit im suumldlichen Afrika Koordinatorin des Projekts ist Frau Dr Alexandra Fetsch Der sambische Doktorand Herr Bruno Phiri berichtet von seiner alltaumlglichen Arbeit Beide arbeiten in der Fach-gruppe bdquoMikrobielle Toxineldquo des BfR

POST AUS hellipSAMBIA

raquobdquoDas SAD-Zambia Projekt ist fuumlr mich ein Meilenstein und ich bin dem BfR sehr dankbar dass es mir diese Moumlglichkeit gibt Ich habe schon viel dazugelernt und konnte meine Kompetenzen bezuumlglich der Diagnose von Krankheitserregern verbessern Das Projekt bringt mich aber nicht nur persoumlnlich voran auch mein Land kann davon profitieren Mein Arbeitsalltag beginnt meist mit einem Besuch bei den Milchbauern und ihren Herden Dort schaue ich mir an wie die Kuumlhe gemolken werden und nehme Proben von den Tieren der Milch und der Umge-bung Auch in Milchsammelstellen und auf Maumlrkten nehme ich Proben Diese analysiere ich anschlieszligend im Labor an der Universitaumlt Schon jetzt freue ich mich auf die weiteren Untersuchungen der Bakterienstaumlm-me am BfR Ich war zu Beginn des Projektes dort ndash eine sehr eindrucks-volle Erfahrungldquo

(Bruno Phiri)

copy a

stud

ios

hutte

rsto

ckc

om

copy B

fR

24 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

Algengift in Tropenfischen

Bisher traten Lebensmittelvergiftungen durch Ciguato-xin ndash einem Algentoxin das in tropischen Speisefischen wie Barrakuda Schnapper oder Zackenbarsch enthalten sein kann ndash vorwiegend in den Tropen auf Mit dem zunehmenden Import von Fischen aus Suumldostasien haumlufen sich auch in Europa und seit 2012 in Deutschland Faumllle von Ciguatera Ein Problem dabei Eine Analyse-methode mit der Fisch routinemaumlszligig auf Ciguatoxine untersucht werden kann ist derzeit noch nicht verfuumlgbar Da weltweit nur wenige Labore auf den Nachweis von Ci-guatoxinen in Fischen spezialisiert sind wird im Projekt bdquoEuroCigualdquo der Europaumlischen Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit (EFSA) unter anderem an der Verbesserung entsprechender Analysemethoden und zum Vorkommen ciguatoxischer Fische in Europa geforscht Das BfR liefert fuumlr das Projekt Angaben zu Erkrankungsfaumlllen in Deutschland Die krankmachenden Algentoxine reichern sich uumlber die Nahrungskette in Raubfischen an und sind uumlberaus stabil Durch Erhitzen oder Tiefkuumlhlen lassen sie sich nicht entfernen Beim Menschen kann der Verzehr betroffener Fische dann zu Vergiftungen mit zum Teil schweren oder andauernden Beeintraumlchtigungen des Nervensystems fuumlhren An Ciguatera Erkrankte nehmen normale Kaumlltereize als ungewoumlhnlich schmerzhaft wahr

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt A-Z-Index Ciguatoxin

Alkaloide in Lupinensamen

In verarbeiteten Produkten oder zum Knabbern Lupinensamen sind im Trend Da sie jedoch toxikologisch relevante bittere Chinolizidinalkaloide enthalten koumlnnen bewertet das BfR ihr gesundheitliches Risiko Der Gehalt an Chinolizi-dinalkaloiden in Lupinensamen variiert je nach botanischer und geografischer Abstammung Samen die von bdquoBitterlupinenldquo stammen sind aufgrund ihrer houmlheren Gehalte ohne geeignete Vorbehandlung der bdquoEntbitterungldquo nicht zum Verzehr geeignet Denn Sie koumlnnen beim Menschen Vergiftungssymptome her-vorrufen Lupinenvarietaumlten die Samen mit niedrigen Alkaloidgehalten liefern werden als bdquoSuumlszliglupinenldquo bezeichnet Suumlszliglupinensamen sind auch ohne Entbitte-rung verzehrsfaumlhig In Deutschland kam es mit Bitterlupinensamen vereinzelt zu Vergiftungsfaumlllen Das BfR empfiehlt Herstellern daher nur ganze Lupinensamen in den Verkehr zu bringen die ohne weitere Entbitterungsprozesse verzehrsfaumlhig sind Mehl aus Lupinensamen sollten Hersteller aus alkaloidarmen oder ausrei-chend entbitterten Samen herstellen

Uumlbertragungswege des Hepatitis-E-Virus

Infektionen mit dem Hepatitis-E-Virus (HEV) koumlnnen zu einer akuten Leberentzuumlndung fuumlhren In den letzten Jahren sind die Zahlen gemeldeter Hepatitis-E-Faumllle des Menschen in Deutsch-land stark angestiegen Forschungsergebnisse des BfR in Zusam-menarbeit mit anderen Einrichtungen haben gezeigt dass das Virus in deutschen Haus- und Wildschweinen weit verbreitet ist Vereinzelt wurde HEV auch in Rehen und Rotwild nachgewiesen

Unklar ist derzeit noch auf welchen Wegen sich die Patienten mit dem Virus anstecken Moumlglich sind direkte Virusuumlbertra-gungen zum Beispiel vom Wildtier auf den Jaumlger und indirekte uumlber Lebensmittel die aus infizierten Tieren hergestellt wurden Wie aktuelle Studien des BfR zeigen kann HEV in verschiedenen Wurstwaren aus dem deutschen Einzelhandel nachgewiesen wer-den Fraglich ist ob das Virus in diesen Produkten noch anste-ckend ist oder ob es bei der Herstellung der Lebensmittel zerstoumlrt wird Hierfuumlr noumltige Untersuchungen waren in der Vergangenheit erschwert da sich HEV im Labor nur schlecht kultivieren lieszlig Erste Ergebnisse von Untersuchungen mithilfe eines am BfR ent-wickelten neuartigen Zellkultur-Systems weisen darauf hin dass HEV hitzeempfindlich ist aber bei Kuumlhlung oder Raumtempera-tur mehrere Wochen infektioumls bleiben kann

SPEKTRUM

copy N

eil B

urto

nsh

utte

rsto

ckc

om

copy N

atal

ia M

ylov

ash

utte

rsto

ckc

om

copy iS

tock

com

Mee

Poo

hyap

hoto

25012017

bdquoNur eine gemeinsame Strategie ist effektivldquo

Frau Kaumlsbohrer ein zentrales Thema Ihrer Forschung sind Antibiotikaresis-tenzen In der oumlffentlichen Debatte wird oft ein Zusammenhang hergestellt zwi-schen dem haumlufigen Einsatz von Anti-biotika in der Nutztierhaltung und dem Auftreten resistenter Bakterien in der Humanmedizin Doch werden bei Tieren nicht andere Antibiotika eingesetzt als bei MenschenUm die Unterschiede zu erlaumlutern muss man zwischen Praumlparaten und den antibiotischen Wirkstoffgruppen unterscheiden Beim Tier verwenden Veterinaumlrmediziner ande-re Praumlparate als Aumlrzte beim Menschen Der wirksame Inhaltsstoff das Antibiotikum kann aber dasselbe sein Die Antibiotika lassen sich wiederum in Wirkstoffgruppen einteilen Mit Blick auf die Wirkstoffgrup-pen gilt Die meisten Antibiotika die beim Menschen eingesetzt werden gehoumlren zu Wirkstoffgruppen die wir auch in der Vete-rinaumlrmedizin nutzen Es gibt nur ganz weni-ge Antibiotikagruppen die nur auf der einen oder der anderen Seite verwendet werden Dazu gehoumlren zum Beispiel die Carbapene-me die nicht beim Nutztier eingesetzt wer-den duumlrfen In der Humanmedizin kommen sie insbesondere zum Einsatz wenn andere Antibiotika nicht mehr wirksam sind

bdquoEine Resistenz ge-gen einen bestimm-ten Wirkstoff kann sich auch ausbrei-ten obwohl diese Wirkstoffgruppe nicht eingesetzt wurde

Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer leitet am BfR die Fachgruppe bdquoEpide-miologie Zoonosen und Antibiotika-resistenzldquo die unter anderem auch das Nationale Referenzlabor fuumlr Antibiotika- resistenzen umfasst Seit April 2016 ist sie auszligerdem Professorin an der Vetmeduni Vienna und leitet dort das Institut bdquoOumlffentliches Veterinaumlrwesenldquo

Wenn sie beim Nutztier nicht eingesetzt werden duumlrfen wie kann es dann sein dass Sie am BfR im Rahmen des For-schungsprojekts RESET Carbapene-mase-bildende Bakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden gefunden habenDie Entstehung von Antibiotikaresistenzen ist ein natuumlrlicher Vorgang bei Bakterien Durch den Gebrauch von Antibiotika wird dieser Prozess beschleunigt Eine Resistenz gegen einen bestimmten Wirkstoff kann sich auch ausbreiten obwohl diese Wirk-stoffgruppe nicht eingesetzt wurde Dank der Selektion gilt meist Wenn ich einen Wirkstoff einsetze gebe ich jenen Bakterien einen Vorteil die gegen den Wirkstoff resis-tent sind Aber Carbapenemasen also die Enzyme die von Carbapenem-resistenten Bakterien gebildet werden koumlnnen neben den Carbapenemen auch fast alle anderen

Bakterien die gegen Antibiotika resistent sind stellen ein Risiko fuumlr die oumlffentliche Gesundheit dar Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer widmet sich am BfR dieser Problematik Im Gespraumlch erklaumlrt sie welche Faktoren bei der Ausbreitung von Resistenzen eine Rolle spielen

copy M

icha

el B

ernk

opf

Vetm

edun

i Vie

nna

26 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

β-Laktam-Antibiotika inaktivieren Theo-retisch ist es daher moumlglich dass sich eine Resistenz gegen Carbapeneme ausbreitet obwohl der Tierarzt beim Nutztier eine an-dere Wirkstoffgruppe eingesetzt hat Ist die Resistenz bei Bakterien vorhanden gibt es viele Ausbreitungswege Ein Stall ist kein steriler Ort sondern belebte Umwelt Moumlg-liche Eintragswege fuumlr resistente Bakterien in einen Stall sind z B belebte Vektoren wie neu eingestallte Tiere Maumluse Fliegen oder Voumlgel aber auch unbelebte Vektoren wie Futter Wasser Staub oder Geraumltschaften

Was hat sich seit dem Fund der Carba-penemase-bildenden Enterobakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden fuumlr Ihre Arbeit beim BfR geaumlndert Der Fund hatte vielfaumlltige Konsequenzen Wir haben vor allem die gezielten Untersu-chungsaktivitaumlten verstaumlrkt Bakterien-Iso-late aus Tierbestaumlnden und Lebensmitteln werden seit 2014 im Rahmen des Resistenz-monitorings im BfR routinemaumlszligig auf eine Carbapenem-Resistenz getestet Auszligerdem steht seit 2015 fuumlr den Nachweis von Carba-penemase-bildenden Bakterien ein weiteres gezieltes Nachweisverfahren zur Verfuumlgung Hierzu muumlssen die Labore geschult werden Zusaumltzlich werden im Nationalen Refe-renzlabor fuumlr Antibiotikaresistenz am BfR Carbapenemase-verdaumlchtige Bakterien auf die charakteristischen Resistenzgene hin un-tersucht Am BfR wurden hierfuumlr verschie-dene Methoden fuumlr die Untersuchung von E coli und Salmonella etabliert Bisher wur-den sehr selten solche Resistenzgene nach-gewiesen bei Nutztieren das Gen blaVIM-1 bei einem Wildvogel das Gen blaNDM-1

Oftmals sind die Resistenzgene gegen Carbapeneme zusammen mit anderen Resistenzgenen auf mobilen geneti-schen Elementen lokalisiert Warum ist hier besondere Vorsicht gebotenZunaumlchst ist die Trefferwahrscheinlichkeit fuumlr eine Selektion houmlher wenn mehrere Re-sistenzgene auf einem genetischen Element liegen d h der Einsatz verschiedener Anti-biotika kann zu einem Selektionsvorteil fuumlh-ren Die Lokalisation von Resistenzgenen auf mobilen genetischen Elementen spielt fuumlr die Uumlbertragbarkeit von Resistenzen eine wichtige Rolle Denn Diese Resistenzgene koumlnnen mittels horizontalem Gentransfer auf ganz unterschiedliche Bakteriengruppen uumlbertragen werden Diese Erkenntnis hat eine Art Revolution ausgeloumlst Lange Zeit wurde ein Erreger mit all seinen Eigenschaf-ten als Einheit betrachtet Kann die Resis-tenz aber zwischen Bakteriengruppen hin

und her uumlbertragen werden verfaumllscht das moumlglicherweise den Blick auf eine Gruppe Folglich mussten die Nachweisverfahren umgestellt und die Uumlbertragbarkeit von Re-sistenzen mit analysiert werden Erschwe-rend kommt hinzu dass ein Resistenzgen auf einem grundsaumltzlich ungefaumlhrlichen

Bakterium zum Problem werden kann Manche Bakterien wie beispielsweise E coli gehoumlren zur normalen Darmflora Traumlgt so ein Bakterium eine Resistenzeigenschaft ist das erstmal nicht gefaumlhrlich Aber Es kann diese Eigenschaft moumlglicherweise an einen Infektionserreger weitergeben

Welche konkreten Folgen kann eine solche Weitergabe von Resistenzeigen-schaften habenSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt Schon jetzt weichen Aumlrzte auf Wirk-stoffgruppen aus die in der Humanmedizin lange verpoumlnt waren Dies gilt zum Beispiel fuumlr Colistin Fuumlr den Menschen ist es nicht gut vertraumlglich moumlgliche Nebenwirkun-gen sind beispielsweise die Schaumldigung der Nieren oder des Nervensystems In der Ve-terinaumlrmedizin hat Colistin seit Jahrzehnten eine erhebliche Bedeutung vor allem fuumlr die Behandlung von Infektionen des Ma-gen-Darm-Traktes bei Nutztieren auch um andere Wirkstoffgruppen zu vermeiden

Spielt im Fall von Colistin die Mobilitaumlt des Resistenzgens auch eine besonde-re Rolle Inzwischen ja Bis Ende 2015 waren sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler einig Eine Colistin-Resistenz ist nicht uumlbertragbar Das heiszligt kommt eine solche Resistenz bei einem Infektionserreger beim Nutztier vor ist sie nicht per se auf ein hu-manpathogenes Bakterium uumlbertragbar Doch Ende 2015 wurde in China erstmals das uumlbertragbare Gen mcr-1 beschrieben Untersuchungen in Belgien haben spaumlter zur Beschreibung eines weiteren mobilen Gens fuumlr die Colistin-Resistenz bei Nutztieren

bdquoSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

27012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Ausbreitung von Resistenzen

Haustiere

Krankenhaus

Belastetepflanzliche Lebensmittel

Belastete tierische Lebensmittel

Nutztiere

Futtermittel

Schaumldlinge

Uumlbertragungswege resistenter Bakterien

Menschen

Eine Antibiotikaresistenz entsteht

(z B durch Mutation)

Antibiotikatherapie beguumlnstigt die

Selektion resistenter Bakterien

Nahrung

Duumlnger Abwasser

Abwasser

28 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

gefuumlhrt mcr-2 Das bedeutet eine Uumlbertra-gung der durch diese Gene vermittelten Re-sistenz auf ein humanpathogenes Bakterium ist theoretisch moumlglich Allerdings scheint dies bisher selten der Fall zu sein

Diese Erkenntnisse offenbaren einen groszligen Forschungsbedarf Was tun Sie in der Abteilung bdquoBiologische Sicher-heitldquo um das Risiko zu bewerten Als 2015 klar wurde dass es eine uumlbertrag-bare Colistin-Resistenz gibt haben wir diese neue Erkenntnis in den laufenden Projekten natuumlrlich sofort aufgegriffen Im Rahmen des Forschungsprojekts RE-SET haben wir zum Beispiel vorhandenes Bakterienmaterial und die bei unseren Ko-operationspartnern verfuumlgbaren Gesamt-genominformationen auf das Vorkommen dieses neuen Resistenzgens gepruumlft Schnell war klar Ja dieses Gen finden wir in den Sequenzen Und die Pruumlfung von Colis-tin-resistenten Isolaten aus unserer Stamm-sammlung hat bestaumltigt dass dieses Resis-tenzgen bereits weit verbreitet ist

Muumlssen nun neue Forschungsprojekte zu dem Thema initiiert werdenJa denn viele Fragen bleiben bislang offen Wie haumlufig wird die Resistenz tatsaumlchlich uumlbertragen Was triggert diese Uumlbertra-gung Es gibt auch diagnostische Probleme Das uumlbliche Verfahren in der Humanmedi-zin um Resistenzen zu testen umfasst in der Regel nicht die Resistenz gegen Colistin Es gibt also viel zu tun Neue Diagnose- und Typisierungsverfahren aufbauen unser Re-sistenzmonitoring erweitern und routine-maumlszligig phaumlnotypisch resistente Isolate auf das Gen pruumlfen Die Ergebnisse muumlssen wir dann uumlbergreifend bewerten um Hand-lungsoptionen aufzuzeigen

Welche Uumlbertragungswege spielen bei der Colistin-Resistenz fuumlr den Men-schen eine Rolle Mit Sicherheit koumlnnen wir das derzeit nicht sagen Die chinesische Arbeitsgruppe hat Colistin-Resistenzen sowohl im Schweine-fleisch als auch beim Menschen gefunden Daher liegt die Hypothese nahe dass es eine Uumlbertragung uumlber Lebensmittel gibt Gleichzeitig gibt es generell die Beobachtung von nosokomialen Ausbreitungen resisten-ter Bakterien Das sind Ausbreitungen von Antibiotikaresistenzen im Krankenhaus

Resistenzen breiten sich aus Wunder-waffen verlieren ihre Wirkung selbst im Krankenhaus sind wir nicht sicher Gibt es uumlberhaupt eine effiziente Strategie gegen die Ausbreitung der Antibiotika- resistenzen Und wer ist dabei gefor-dertUm die Ausbreitung von Antibiotika- resistenzen zu verhindern braucht es eine gemeinsame Strategie Schlieszliglich sind hier komplexe Zusammenhaumlnge zwischen Mensch Tier und Umwelt am Werk Am BfR streben wir deswegen eine enge Zu-sammenarbeit mit allen Akteuren im oumlffent-lichen Gesundheits- und Veterinaumlrwesen an Bei diesem bdquoOne Health-Ansatzldquo sind sowohl Veterinaumlr- als auch Humanmedizi-ner gefordert Auch Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

Was sollten Verbraucherinnen und Ver-braucher beachtenHier gelten dieselben Hygieneregeln die auch fuumlr andere vom Tier oder vom Le-bensmittel auf den Menschen uumlbertragba-re Krankheitserreger gelten Zum Beispiel sollten sie sich nach dem Kontakt mit Tie-ren die Haumlnde mit warmem Wasser und Seife waschen Auch nach der Zubereitung von rohem Fleisch sollten die Haumlnde gruumlnd-lich gewaschen werden Fleisch Eier und Rohmilch sollten vor dem Verzehr durcher-hitzt werden Rohkost und Obst sollten vor dem Verzehr gruumlndlich mit Trinkwasser gewaschen oder geschaumllt werden Weiterhin wichtig ist den direkten oder indirekten Kontakt von rohem Fleisch und rohen Ei-ern mit verzehrfertigen Speisen die spaumlter nicht mehr erhitzt werden zu vermeiden Durch die Einhaltung der Hygieneregeln kann man einer Uumlbertragung von resisten-ten und oder pathogenen Bakterien auf an-dere Lebensmittel vorbeugen

Mehr erfahren Irrgang et al 2017 Recurrent detection of VIM-1-producing Escherichia coli clone in German pig production Journal ofAntimicrobial Chemotherapy 72 3 944ndash946

bdquoVerbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

RESET

Der Forschungsverbund RESET ndash Antibiotika-Resistenzen bei Tier und Mensch ndash beschaumlftigte sich von 2010 bis 2017 mit Resistenzen gegen die besonders wichtigen Antibiotika-Klas-sen der β-Laktam-Antibiotika und (Fluor-)Chinolone bei Darmbakterien wie Escherichia (E) coli Sind Bak-terien gegen beide Wirkstoffklassen resistent werden die therapeutischen Moumlglichkeiten drastisch eingeschraumlnkt Bei E coli und Salmonella enterica wurden derartige Resistenzen bereits nachgewiesen Das BfR beteiligte sich mit zwei Projekten an dem Forschungs-verbund Durch das konsequente Zusammenfuumlhren von Ergebnissen der unterschiedlichen Forschungsgebiete in einer gemeinsamen Datenbank konnten Erkenntnisluumlcken geschlossen und Risiken bewertet werden Das Projekt wurde vom Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) gefoumlrdert

29012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Kann es durch die Mischung verschiedener Pestizid-Ruumlckstaumlnde beim taumlglichen Verzehr zu gesundheitsgefaumlhrdenden Belastungen kommen

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

30 BfR 2 GO

Wenn von Paradigmenwechseln die Rede ist findet meist ein grundlegendes Umdenken statt In der Risikobewertung von Chemikalien habe ein Paradigmenwechsel stattge-

funden der die traditionelle Einzelsubstanz-Bewertung hinter sich lasse schrieben BfR-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler vor einiger Zeit Man koumlnnte meinen in der Toxikologie wird der Paracelsus-Satz kuumlnftig umgeschrieben Nicht nur die Dosis son-dern auch die Aufsummierung der Dosierungen in einer Mischung macht das Gift

Gift- oder Todescocktail ndash plakative Medienbegriffe

Denn tatsaumlchlich In den letzten Jahren beschaumlftigen sich weltweit immer mehr Gremien politische Ausschuumlsse und Forschungspro-jekte mit der Frage wie man die Auswirkungen von Mischungen auf Umwelt und Gesundheit kuumlnftig bewerten kann Auch in der Oumlffentlichkeit wird das Thema emotional verhandelt Chemikali-enmix Gift- oder sogar Todescocktail ndash mit plakativen Begriffen umschreiben Medien das Phaumlnomen der Mehrfachruumlckstaumlnde Entsprechend tief sitzt die Angst bei Verbraucherinnen und Ver-brauchern In einer vom BfR in Deutschland durchgefuumlhrten re-praumlsentativen Wahrnehmungsstudie vermuten 80 Prozent der Befragten dass der Einsatz mehrerer unterschiedlicher Pflanzen-schutzmittel zu gesundheitlichen Beeintraumlchtigungen durch Le-bensmittel fuumlhren kann

Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck sein

Zwar zeigen verschiedene aktuelle Monitoring-Projekte dass das gesundheitliche Risiko durch Mehrfachruumlckstaumlnde von Pflanzen-schutzmitteln unwahrscheinlich ist (s Interview) aber das Thema bleibt auch fuumlr die Wissenschaft draumlngend Denn auch wenn Mi-schungen schon seit Jahrzehnten wissenschaftlich analysiert und bewertet werden das Beduumlrfnis nach einer zuverlaumlssigen Bewertung der Risiken fuumlr Mensch und Umwelt steigt Grund dafuumlr ist zum einen die Vielzahl immer neuer Wirkstoffe Zusatzstoffe Chemika-lien Ruumlckstaumlnde und Kontaminanten gegenuumlber denen Menschen exponiert sind verbunden mit immer verfeinerten wissenschaftli-chen Nachweismethoden Zum anderen steigt der Druck aus der Oumlffentlichkeit Um wissenschaftliche Divergenzen zu vermeiden muumlssen transparente und international harmonisierte Verfahren entwickelt werden Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck in der Risikobewertung sein

Alle Gemische im Tierversuch zu testen ist nicht durchfuumlhrbar

Worum geht es im Einzelnen Mischungen liegen immer dann vor wenn ein Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt verschiedene Stoffe gleichzeitig aufnimmt z B Ruumlckstaumlnde Kontaminanten oder Chemikalien die nach der Europaumlischen Chemikalienverordnung REACH registriert sind Das geschieht wenn sogenannte intentional mixtures also beabsichtigte Mischungen wie Pflanzenschutzmittel oder Biozide in den Verkehr gebracht werden Aber auch unintenti-onal mixtures nimmt der Koumlrper auf Sei es dass verschiedene Stoffe in einem Produkt enthalten sind z B mehrere Pflanzenschutzmit-telruumlckstaumlnde in einem Apfel Oder sei es dass Stoffe gleichzeitig uumlber unterschiedliche Produkte aufgenommen werden In all diesen Faumlllen koumlnnen Mischungseffekte auftreten Diese sind je nach Wirk-mechanismus unterschiedlich stark ausgepraumlgt So koumlnnen sich die Wirkungen von Stoffen gegenseitig potenzieren oder auch aufheben Nach derzeitigem Kenntnisstand wird davon ausgegangen dass sich Wirkungen in der Regel addieren wenn die aufgenommenen Stoffe oberhalb der Wirkschwelle liegen den gleichen Wirkmechanismus haben und zu einem relevanten Zeitpunkt vom Organismus aufge-nommen wurden

Hier beginnen die Schwierigkeiten Es gibt zu viele intentional mix-tures die eine nahezu unuumlbersehbar groszlige Anzahl von Kombinati-onen ermoumlglichen Diese Gemische alle im Tierversuch zu testen wie sonst bei Einzelsubstanzen uumlblich waumlre sowohl ethisch nicht zu vertreten als auch praktisch nicht durchfuumlhrbar Daher arbeiten viele Forschungsprojekte u a der EU-Kommission daran tierversuchs-freie Methoden fuumlr die kumulative Bewertung zu entwickeln die die Effekte von Mischungen in vitro oder durch computergestuumltzte Be-rechnungen in silico berechnen (s Interview und Kasten)

Weltweit setzen Laumlnder das Thema auf ihre Agenda

Nicht nur fuumlr die Wissenschaft auch fuumlr den harmonisierten Voll-zug von Gesetzen ergeben sich dadurch neue Herausforderungen So schreibt z B die EU-Verordnung uumlber das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vor Kumulations- und Synergieeffekte zu be-ruumlcksichtigen ndash sofern es von der Behoumlrde anerkannte wissenschaft-liche Methoden zur Messung solcher Effekte gibt Doch die lagen bisher nicht vor Deshalb werden nun auf allen Ebenen technische Leitfaumlden fuumlr die neuen Methoden erstellt um eine harmonisierte

Auf die Mischung kommt es anKumulative Risikobewertung nimmt weltweit eine immer groumlszligere Bedeu-tung in der Toxikologie ein Das BfR arbeitet an einer Vielzahl von Projek-ten wie Mischungen in Zukunft bewertet werden koumlnnen

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

31012017

Vorgehensweise und transparente Nachvollziehbarkeit bei der Zu-lassung von Produkten zu gewaumlhrleisten Unter anderem die EFSA die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmittelsicherheit die Europauml-ische Chemikalienagentur ECHA und das JRC die Gemeinsame Forschungsstelle der Europaumlischen Kommission erarbeiten solche technischen Leitfaumlden

Neben der wissenschaftlichen Komplexitaumlt muumlssen diese techni-schen Leitfaumlden weitere Herausforderungen meistern Sie sollen fuumlr alle Bereiche gelten in denen Mischungen in Verkehr gebracht werden oder entstehen koumlnnen Bisher wurden Mischungen haumlufig nur in einem regulatorischen Bereich untersucht z B als Pflan-zenschutzmittel Biozid oder Arzneimittel Fuumlr andere Stoffe wie Lebensmittelzusatzstoffe oder Kontaminanten war die Bewertung von Mischungen bisher nicht klar gesetzlich reguliert In Zukunft sollen auch diese Stoffe bei einer Bewertung von Mischungen besser beruumlcksichtigt werden Auch soll nicht nur die chemische Zusam-mensetzung eines einzelnen Produktes systematisch bei der Zu-lassung beruumlcksichtigt werden sondern auch Mehrfachruumlckstaumlnde im gesamten Warenkorb den Verbraucherinnen und Verbraucher durchschnittlich zu einer gegebenen Zeit konsumieren Und zu gu-ter Letzt muumlssen die neuen Verfahren weltweit harmonisiert werden um das kumulative Risiko fuumlr Mensch und Umwelt auch angesichts globaler Warenketten gering zu halten Deshalb diskutieren Politik und Wissenschaft zurzeit nicht nur auf europaumlischer Ebene entspre-chende Leitfaumlden auch andere Laumlnder weltweit sowie die Weltge-sundheitsorganisation WHO und die Organisation fuumlr wirtschaftli-che Zusammenarbeit und Entwicklung OECD haben die kumulative Bewertung auf ihre Agenda genommen und stimmen ihre Guidance Documents mit den uumlbrigen Behoumlrden ab

Deutschland wendet die kumulative Bewertung schon an

Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR sind an zahlreichen dieser internationalen Projekte beteiligt sowohl an der wissenschaftlichen Erforschung kumulativer Effekte als auch an der Entwicklung technischer Leitfaumlden Einen wichtigen Schritt bei der kumulativen Bewertung hat Deutschland in der Europaumlischen Uni-

Stufe um Stufe zu einer gesicherten Bewertung

Seit Maumlrz 2017 wird in Deutschland eine Methodik fuumlr die Bewertung von Kumulations- und Synergie-effekten bei der gesundheitlichen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln in den Zulassungsverfahren angewandt Grundlage fuumlr das gestufte kumulative Bewertungsverfahren ist der sogenannte bdquoHazard Quotientldquo (HQ) der fuumlr jeden einzelnen Stoff ermit-telt wird Der HQ errechnet sich aus dem Verhaumlltnis zwischen dem relevanten gesundheitlichen Grenz-wert und der geschaumltzten Exposition

In einer ersten Stufe wird der HQ fuumlr alle Stoffe eines Gemisches einzeln ermittelt Liegt der HQ jedes Stoffes unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko fuumlr die einzelnen Bestandteile der Mischung zu erwarten Liegt dieser bei einzelnen Stoffen uumlber 1 wird gepruumlft ob die Exposition durch geeignete Maszlignahmen weiter vermindert werden kann zum Beispiel durch das Tragen entsprechender Schutz-kleidung

Liegt der HQ fuumlr alle Komponenten unter 1 wird in einer zweiten Stufe der sogenannte bdquoHazard Indexldquo (HI) des Gemisches ermittelt indem alle Gefahren-quotienten der verwendeten Stoffe addiert werden Liegt der ermittelte Wert weiterhin unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko durch das Gemisch zu erwarten

Liegt der HI uumlber 1 geht die Bewertung mit weiter verfeinerten Methoden in die dritte Stufe uumlber In dieser wird gepruumlft ob ein gesundheitliches Risiko vorliegt wenn eine Gruppierung der Einzelstoffe vorgenommen wird Dazu koumlnnen die einzelnen Stoffe in kumulative Bewertungsgruppen (cumula-tive assessment groups CAGs) eingeteilt werden die z B nach Effekten im gleichen Zielorgan oder nach dem gleichen Wirkmechanismus oder nach chemischer Verwandtschaft definiert sein koumlnnen Hintergrund dieser Einteilung ist die Annahme dass sich nach gegenwaumlrtigem Kenntnisstand nur Effek-te addieren die hinsichtlich der Zielorgane oder der Wirkmechanismen (MOA) vergleichbar sind Auch die relative Potenz der einzelnen Stoffe soll bei der verfeinerten Bewertung beruumlcksichtigt werden Liegt der HI innerhalb einer CAG unter 1 ist deshalb kein gesundheitliches Risiko zu erwarten Liegt er oberhalb des Wertes und koumlnnen weder Expositionsschaumltzung noch Gefahrenbewertung weiter verfeinert werden gilt das Gemisch als nicht sicher

Das mehrstufige Verfahren hat den Vorteil dass die ressourcenaufwendigeren Methoden zur verfei-nerten Bewertung z B in vergleichbaren CAGs oder MOAs nur zum Einsatz kommen wenn mit den ersten einfacheren Bewertungsmethoden nicht nachweisbar ist dass kein gesundheitliches Risiko zu erwarten ist

copy T

atom

mis

tock

com

32 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

EuroMix A tiered strategy for risk assessment of mixtures of multiple chemicals

EuroMix ist ein laumlnderuumlbergreifendes Projekt der EU-Kommission das die nie-derlaumlndische Behoumlrde fuumlr Gesundheit und Umweltschutz RIVM koordiniert Es zielt darauf ab eine tierversuchsfreie experi-mentelle Test-Strategie zu entwickeln um die Toxizitaumlt von Gemischen verschiedener toxikologisch relevanter Lebensmittelin-haltsstoffe Lebensmittelkontaminanten und Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde besser zu bestimmen Aus den Forschungsergeb-nissen wird ein Leitfaden fuumlr die kuumlnftige Umsetzung einer experimentellen Test-Stra-tegie entwickelt Das Acht-Millionen-Eu-ro-Projekt laumluft bis Mai 2019

Mehr erfahren wwweuromixprojecteu

Kombinationseffekte Forschungsprojekte des BfR

Am BfR werden in verschiedenen Abteilungen mehrere interne Forschungsprojekte zu Kombinationseffekten durch-gefuumlhrt Dazu gehoumlren u a Forschungsprojekte zu kumulativen Wirkungen in Pflanzenschutzmitteln und Bioziden zu Mehrfachruumlckstaumlnden in Lebensmitteln zur Expositionsschaumltzung sowie zu wirbeltierfreien Alternativmethoden Daruumlber hinaus ist und war das BfR auch an folgenden Drittmittel-Projekten beteiligt die zu Kombinationseffekten forschen

Combiomics Analyse von Kombinationseffekten von Pestiziden in vitro

Combiomics war ein zweieinhalbjaumlhri-ges Projekt des Bundesministeriums fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) das im Fruumlhling 2016 abgeschlossen wurde In dem vom BfR koordinierten Projekt wurden moumlgliche Kombinationswirkungen durch Mehrfachruumlckstaumlnde beispielhaft anhand einer Gruppe von Fungiziden in vitro unter-sucht Dazu wurden die molekularen Effek-te der Triazole mittels multi level omics und praumldiktiver mathematischer Modellierung untersucht Ausgehend von den Ergebnissen wurde ein Praumldiktionsmodell fuumlr Substanz-kombinationen erstellt validiert und auf Pestizide anderer Stoffgruppen bzw weitere Substanzklassen ausgedehnt um Kombi-nationseffekte kuumlnftig weitgehend ohne Tierversuche durchfuumlhrbar zu machen

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschung gt Drittmittelprojekte gt Combiomics

Combiomics 2Auch die zweite Projektphase von Com-biomics wird vom BfR koordiniert Hier sollen erfolgreich getestete Methoden und Zelllinien in Form einer standardisierten In-vitro-Testbatterie validiert und in ein Standardverfahren integriert werden das auch kuumlnftigen regulatorischen Anforde-rungen entspricht Das dreijaumlhrige Projekt wird vom BMBF bis Ende 2019 gefoumlrdert

Mehr erfahren wwwfisaonlinede gt Kombinationseffekte Pestizide

on schon jetzt unternommen Am 1 Maumlrz 2017 erschien im Bundesanzeiger eine Be-kanntmachung dass Kumulations- und Synergieeffekte in der gesundheitlichen Be-wertung von Pflanzenschutzmitteln kuumlnf-tig durch das BfR beruumlcksichtigt werden Damit bezieht Deutschland bei der zonalen Zulassung von Pflanzenschutzmitteln eine systematische kumulative Bewertung ein

Ein Leitfaden zur kumulativen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln wurde am BfR erarbeitet basierend auf den internatio-nalen Diskussionen bei EFSA und ECHA und 2014 veroumlffentlicht Seitdem wird das Verfahren am BfR angewandt uumlberpruumlft und verfeinert Im Kern geht es darum in einem mehrstufigen Verfahren verschie-dene Wirkstoffe in einem Pflanzenschutz-mittel oder in einer beantragten Tankmi-

schung kumulativ zu bewerten (s Kasten) Dazu werden sowohl die Exposition der Anwenderinnen und Anwender als auch die akute Exposition der Verbraucherinnen und Verbraucher betrachtet sodass die am meisten exponierten Gruppen beruumlcksich-tigt sind

Das Ziel Mischungen weltweit harmonisiert zu bewerten

Die Einfuumlhrung der Konzepte zur kumu-lativen Bewertung von Pflanzenschutzmit-teln hat auch in anderen EU-Laumlndern Aus-wirkungen auf die Risikobewertung Wenn Deutschland im zonalen Zulassungsverfah-ren bewertender Mitgliedstaat ist wird das Verfahren grundsaumltzlich angewandt Aber auch in die Bewertungsberichte anderer Laumlnder flieszligt die kumulative Bewertung als

deutscher Kommentar mit ein Durch den fachlichen Austausch zwischen den Mit-gliedstaaten wurde das Konzept in den letz-ten Jahren einem Peer-Review unterzogen Um die Praxis europaweit noch besser zu harmonisieren werden derzeit auszligerdem internationale Workshops organisiert auf denen diskutiert wird wie Mischungen bei der Risikobewertung kuumlnftig beruumlcksichtigt werden sollen Das BfR veranstaltet einen solchen Workshop im November 2017 im Auftrag der Europaumlischen Kommission die Franzoumlsische Behoumlrde fuumlr gesundheitlichen Verbraucher- Umwelt- und Arbeitsschutz (ANSES) einen weiteren im Februar 2018 unter aktiver Beteiligung des BfR

Das Ziel Mischungen weltweit harmoni-siert zu bewerten um Mensch und Umwelt besser zu schuumltzen ruumlckt damit naumlher

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

33012017

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

bdquoZiel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertungldquo Interview mit Herrn Dr Roland Solecki uumlber die Forschungsaktivitaumlten des BfR zu Mehrfachruumlckstaumlnden

Herr Solecki bei Mehrfachruumlckstaumlnden von Pflanzenschutzmitteln sprechen die Medien oft von einem bdquoGiftcocktailldquo Haben Sie Erkenntnisse daruumlber wie groszlig das gesundheitliche Risiko tat-saumlchlich istDas BfR hat dazu gemeinsam mit dem Bun-desministerium fuumlr Ernaumlhrung und Land-wirtschaft und dem Bundesamt fuumlr Ver-braucherschutz und Lebensmittelsicherheit einen Bericht uumlber die kumulativen Wir-kungen von Pflanzenschutzmitteln veroumlf-fentlicht Dieser basiert auf einer Methodik der niederlaumlndischen Behoumlrde fuumlr Gesund-heit und Umweltschutz RIVM Hintergrund ist ein Monitoring das uumlber einen Zeitraum von sechs Jahren in Deutschland durchge-fuumlhrt wurde Darin wurde untersucht wel-che Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde durch-schnittlich uumlber Lebensmittel aufgenommen werden Das Ergebnis war dass auch unter Worst-Case-Annahmen fuumlr die Mischungen von Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnden ein gesundheitliches Risiko unwahrscheinlich ist Die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit EFSA kam in ihrem Monito-ring-Bericht von 2015 fuumlr Gesamteuropa zu einem aumlhnlichen Ergebnis

Sie arbeiten unter anderem bei dem Pro-jekt EuroMix mit Worum geht es dabeiEs handelt sich um ein groszliges Forschungs-projekt der EU-Kommission zur kumulati-ven Bewertung von Mischungen im Rahmen von Horizont 2020 dem Rahmenprogramm der Europaumlischen Union fuumlr Forschung und Innovation Das Projekt hat zum Ziel neue Bewertungsmethoden fuumlr Mischungseffekte zu erarbeiten besonders auch im Hinblick auf Alternativen zu Tierversuchen innovati-ve Wege der Expositionsschaumltzung und Mo-dellierung von kumulativen Risiken Dabei geht es nicht nur um Pflanzenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatzstoffe und andere Chemikalien

Wie ist das BfR da in EuroMix einge-bundenVom BfR arbeiten sowohl die Abteilung Sicherheit von Pestiziden als auch die Ab-teilung fuumlr Lebensmittelsicherheit am Eu-roMix-Projekt mit Waumlhrend die von mir geleitete Abteilung fuumlr die regulative Bewer-tung eingebunden ist werden in der Abtei-lung Lebensmittelsicherheit experimentelle Arbeiten unter anderem zur Lebertoxizitaumlt durchgefuumlhrt in denen auch Kombinatio-nen von Pestiziden mit anderen Lebensmit-telinhaltsstoffen gepruumlft werden

Woran forschen Sie im EuroMix-ProjektWir haben zunaumlchst recherchiert welche gesetzlichen Anforderungen bestehen und wie unterschiedliche Behoumlrden weltweit

Mischungseffekte bewerten Und wir haben Forschungen zu Mischungen durchgefuumlhrt die bestimmte adverse Effekte auf die Leber verursachen Dabei wurden bestimmte Schluumlsselelemente untersucht um daraus ein Konzept fuumlr die Bewertung zu erarbei-ten Jetzt werden die Omics-Untersuchun-gen und andere alternative Pruumlfverfahren noch durch Tierversuche ergaumlnzt sodass wir auch am Gesamtorganismus die Effek-te uumlberpruumlfen koumlnnen Gleichzeitig werden die statistischen Hilfsmittel und die ande-ren elektronisch basierten Tools weiterent-wickelt Auszligerdem folgen noch weitere Stu-dien zur Exposition Die finalen Ergebnisse liegen am Ende des Projekts im Jahr 2019 vor

In welche weiteren europaumlischen Aktivi-taumlten ist das BfR eingebundenDie EFSA hat bereits einige Ansaumltze zur Bewertung der kombinierten Exposition gegenuumlber mehreren Pestiziden und Kon-taminanten bei Menschen sowie mehreren Pestiziden bei Bienen entwickelt Derzeit ist die EFSA damit befasst neue Ansaumltze und Instrumente zur Harmonisierung der Be-wertung von Risiken fuumlr Mensch und Um-welt zu erarbeiten die von der Exposition gegenuumlber mehreren chemischen Stoffen in der Lebensmittelkette ausgehen Ich bin derzeit Mitglied einer Arbeitsgruppe von Sachverstaumlndigen die der Wissenschaftliche Ausschuss der EFSA eingerichtet hat um Leitlinien im Hinblick auf die kombinierte Exposition gegenuumlber mehreren chemi-schen Stoffen zu entwickeln Diese Initiative unter dem Namen bdquoMixToxldquo wird 2018 den Leitfaden in einer oumlffentlichen Konsultation diskutieren

Bei dieser Vielzahl an Aktivitaumlten Wel-ches Ziel haben Sie persoumlnlich vor Au-genDas Ziel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertung von Stoffen in der gesundheitlichen Risikocharakterisie-rung und deren harmonisierte Implemen-tierung in den gesetzlichen Verfahren Dies wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen

bdquoBei den kumulati-ven Risiken geht es nicht nur um Pflan-zenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatz-stoffe und andere Chemikalien

Dr Roland Solecki leitet die Abteilung bdquoSicherheit von Pestizidenldquo am BfR

copy B

fR

34 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

SPEKTRUM

Identifizierung endokriner Disruptoren Vom Grundsatz in die Praxis

Fuumlr Pestizid-Wirkstoffe und andere Chemikalien sind harmonisierte wissenschaftliche Kriterien erforderlich mit denen hormonschaumldigende Substanzen identifiziert werden koumlnnen Das BfR veroumlffentlichte hierzu bereits 2016 ein Konsenspapier als wissenschaftliche Grundlage fuumlr die darauffolgende Arbeit der EU-Behoumlrden Auf legislativer Ebene werden aktuell EU-weit geltende Ver-ordnungen festgelegt um auf wissenschaftlicher Ebene Leitlinien zur regulatorisch harmonisierten Umsetzung dieser Verordnungen zu erarbeiten Mit dieser Aufga-be hat die EU-Kommission die EFSA und die ECHA gemeinsam beauftragt Das BfR unterstuumltzt die Behoumlr-den mit wissenschaftlicher und technischer Expertise indem es die entsprechende Arbeitsgruppe bei der EFSA personell verstaumlrkt sowie Recherchen und Umfragen zur Praktikabilitaumlt von Untersuchungsmethoden durchfuumlhrt Die Publikation der Leitlinien wird fuumlr Fruumlhjahr 2018 erwartet Sie koumlnnen auf Basis der verabschiedeten Ver-ordnungen nach ihrer Implementierung in der Genehmi-gungspraxis angewendet werden

Mehr erfahren Solecki et al 2017 Scientific principles for the identification of endocrine-disrupting chemicals a consensus statement Arch Toxicol 91 1001ndash1006

Insekten-Stopp in Textilien Allergene Wirkung unwahrscheinlich

Das Risiko fuumlr eine Allergie nach dem Kontakt mit Kleidung und Produkten die mit dem Biozid Permethrin behandelt sind ist nach derzeitigem Kenntnisstand unwahrscheinlich Das ist das Ergebnis einer aktuellen Risikobewertung des BfR Gestuumltzt wird das Ergebnis dadurch dass trotz weitverbreiteter Anwendung des Wirkstoffs in Medikamenten und Verbraucherprodukten kein Anstieg der Kontaktallergien gegenuumlber Permethrin zu verzeichnen ist Das Risiko fuumlr kanzero-gene systemische Effekte infolge einer dermalen und oralen Exposition gegenuumlber Permethrin aus Textilien ist nach Ansicht des BfR vernachlaumlssigbar gering Permethrin ist ein biozider Wirkstoff der zum Schutz gegen Insekten in Produkten wie Schlafsaumlcken Picknick- und Yogadecken sowie Teppichen und Kleidung eingesetzt wird Er ist im Chemikalienrecht als sensibilisierend eingestuft ein moumlgliches geringes kanzerogenes Potenzial wird von verschiedenen wissenschaftlichen Gremien diskutiert Der Wirkstoff kann aus Textilien freigesetzt und uumlber die Haut aufgenommen werden Bei kleinen Kindern die viele Produkte in den Mund nehmen kommt eine moumlgliche orale Aufnah-me des Stoffes hinzu

Mehr erfahren Stellungnahme Nr 0062017 des BfR vom 25 April 2017

Wie wirkt Aluminium in Leber und Darm

Aluminium ist in Lebensmitteln Kosmetika und Bedarfsge-genstaumlnden enthalten und kann uumlber die Nahrung aufgenom-men werden Erste Ergebnisse aus dem deutsch-franzoumlsischen Forschungsprojekt bdquoSolNanoToxldquo mit Beteiligung des BfR zeigen dass sich aus der Nahrung aufgenommene Aluminiumverbin- dungen temporaumlr im Darm anreichern Ob und in welchen Men-gen die Partikel weiter in den Koumlrper insbesondere in die Leber gelangen und welche Faktoren ihre Wirkung beeinflussen wird aktuell erforscht Die Forschungsgruppe sieht Anhaltspunkte dafuumlr dass ein Teil der angereicherten Partikel mit dem Stuhl wieder ausgeschieden wird Fuumlr seine Untersuchung simulierte das BfR anhand biologischer Proben die Verdauung verschiede-ner Aluminiumarten vom Mund uumlber den Magen bis zum Darm Mithilfe von Enzymen und Salzen wurden dabei physiologische Parameter wie der pH-Wert gesteuert Waumlhrend des simulierten Verdauungsprozesses veraumlnderten die Aluminiumverbindungen ihre chemische Reaktionsfaumlhigkeit und Loumlslichkeit Die Erkennt-nisse sind ein erster Schritt um den Prozess der Aufnahme Resorption und Verteilung von Aluminium im Koumlrper besser zu verstehen und daraus Daten fuumlr die Risikobewertung abzuleiten Aluminiumverbindungen koumlnnen in zu hohen Dosen toxisch auf das Nervensystem und ungeborenes Leben wirken sowie die Fruchtbarkeit und Knochenentwicklung beeinflussen

copy B

fR

copy c

gsto

cks

hutte

rsto

ckc

om

copy R

osel

ynne

shu

tters

tock

com

35012017

Bei Kleidung ist besonders der Einsatz von Silber-Nanopartikeln weit verbreitet Silber wirkt antibakteriell und soll die Geruchs-bildung durch Schwitzen reduzieren Beim Einsatz von Nanosilber in Kleidungsstuuml-cken ist in erster Linie eine Freisetzung in Schweiszlig und somit ein moumlglicher Hautkon-takt relevant Neben der Frage ob und in welcher Menge Silber prinzipiell aus Texti-lien herausgeloumlst wird beschaumlftigt sich die Forschung mit der Frage welchen Einfluss die Technologie hat mit der Nanosilber auf Textilien aufgetragen bzw eingebracht wird Bisher war zudem unklar inwiefern die Oberflaumlchenbeschichtung der Nano-partikel die Abgabe beeinflusst

Kuumlnstlicher Schweiszlig simuliert Freisetzung

In einem Forschungsprojekt pruumlfte das BfR neun Proben von Textilien die mit Nanosil-ber veredelt waren Als Vergleich diente ein mit konventionellem Silber (hier Silbersalz mit einem Partikeldurchmesser groumlszliger als 100 Nanometer) ausgeruumlstetes Textil Zwei der Textilien waren sogenannte Komposite bei denen Nanosilber in die Faser integriert ist Bei den anderen getesteten Textilien war die Faseroberflaumlche mit Silber-Nano-partikeln bzw in einem Fall mit konventio-nellem Silber beschichtet (Textil-Coating) Um die Abgabe von Silber durch Schwitzen

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

Kleidung wird durch sie wasser- und schmutzabweisend sie blocken UV-Strahlen und mindern Geruumlche Nanoma-terialien haben beliebte funktionelle Eigenschaften Ob sie aufgrund ihrer Winzigkeit gesundheitliche Risiken bergen ist indes noch weitgehend unbekannt In einem Forschungsprojekt uumlber Nanosilber hat das BfR ermittelt ob sich die Kleinstteilchen aus Textilien herausloumlsen und damit zum gesundheitlichen Risiko werden koumlnnen

Nanomaterial

ist ein natuumlrliches bei Prozessen anfallendes oder kuumlnstlich hergestelltes Material das Partikel in ungebundenem Zustand als Aggregat oder als Agglo-merat enthaumllt und bei dem die Mehrheit der Partikel ein oder mehrere Auszligen-maszlige im Bereich unter 100 Nanometer hat In Nanogroumlszlige kann ein Stoff andere Eigenschaften besitzen als wenn er in Form groumlszligerer Partikel vorliegt

copy o

still

shu

tters

tock

com

36 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von Textilfasern Links Nanokomposit bei dem kaum Silberpartikel an der Faseroberflaumlche zu finden sind Mitte und rechts Textilien mit Silbercoating hier befindet sich insgesamt mehr Silber auf der Oberflaumlche

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

zu simulieren wurden die Textilien fuumlr 24 Stunden in einer Schweiszligsimulanz-Louml-sung inkubiert Fuumlr die Auswertung wurde zunaumlchst der gesamte Silbergehalt in den Schweiszligloumlsungen mit massenspektromet-rischen Messmethoden bestimmt In den Proben in denen Silber vorhanden war wurden anschlieszligend mit Zentrifugation und einer speziellen Methode zum Messen von Einzelpartikeln geloumlstes und partikulauml-res Silber unterschieden Im letzten Schritt wurden die Partikelgroumlszligen des vorgefun-denen partikulaumlren Silbers gemessen um nanoskaliges Silber zu identifizieren

Silber aus Kleidung freigesetzt

Die Untersuchung des BfR zeigte dass von jeder Textilprobe Silber in die Schweiszligsi-mulanz-Loumlsung uumlberging je nach geteste-tem Textil zwischen 7 und 75 Prozent des originaumlr in den Textilien enthaltenen Sil-bers Dabei setzten die beschichteten Tex-tilien mehr Silber frei als die Komposite Den houmlchsten abgegebenen Anteil fand das BfR bei dem mit konventionellem Silber beschichteten Textil Die Freisetzung wird demnach staumlrker durch die Technologie der Veredelung bestimmt als durch die im Tex-til enthaltene Menge Auszligerdem scheint die Abgaberate von Silber aus Nanosilber im Vergleich zu konventionellem Silber nicht erhoumlht zu sein

In der Schweiszligloumlsung lag das freigesetzte Silber uumlberwiegend geloumlst vor Partikulaumlres Silber fand sich nur zum geringeren Teil dann jedoch auch im Nanometerbereich Ob es sich dabei um einzelne Nanoparti-kel handelt oder ob das Silber an groumlszligere Partikel gebunden ist muss in weiteren Untersuchungen uumlberpruumlft werden Nach

derzeitigem wissenschaftlichem Kennt-nisstand geht man davon aus dass sich Nanopartikel im Koumlrper anders verhalten als groumlszligere Partikel Uumlberraschenderweise detektierte die Forschungsgruppe auch in den Schweiszligsimulanzien der mit konven-tionellem Silber beschichteten Textilien partikulaumlres Silber in Nanogroumlszlige Das Vor-kommen von Silberpartikeln scheint also nicht davon abhaumlngig zu sein ob das Silber in Nano- oder konventioneller Form auf das Textil aufgebracht wurde

In einer parallelen Untersuchung fanden die Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler heraus dass zudem die Beschaffenheit der Nanopartikel beispielsweise in Form einer speziellen Beschichtung ihre Loumlslichkeit in der Schweiszligloumlsung beeinflusst

Art der Beschichtung relevant

Silber wird demnach aus Textilien freige-setzt in geringen Teilen sogar in partiku- laumlrer Form Die gewaumlhlte Form der Tex-tilfunktionalisierung aber auch die Be-schaffenheit der Nanopartikel stellen dabei wichtige Kriterien fuumlr das Freisetzungsver-halten dar Solche Erkenntnisse sind vor al-lem fuumlr den sicheren Einsatz von Nanoma-terialien in Alltagsprodukten wichtig weil die Exposition des Menschen gegenuumlber derartigen Stoffen moumlglichst klein gehalten werden sollte Auszligerdem geben sie Hin-weise in welcher Anwendungsform Nano-materialien im verbrauchernahen Bereich sicher eingesetzt werden koumlnnen

Mehr erfahren Wagener et al 2016 Textile Functionalization and Its Effects on the Release of Silver Nanoparticles into Artificial Sweat Environ Sci Technol 50 11 5927ndash5934

Per Flugzeitmassenspek-trometer laumlsst sich Silber auf beschichteten Textil-fasern detektieren

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

NANOPARTIKEL

37012017

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

38 BfR 2 GO

Neuer Ansatz fuumlr Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

Spiegelbild gesucht

Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR zeigt einen neuen Ansatz um mithilfe von Genexpressionsdaten das geeignete Tiermodell fuumlr die Grundlagenforschung oder fuumlr spezifische klinische Fra-gestellungen zu identifizieren Damit koumlnnen zukuumlnftig unnoumltige Tierversu-che vermieden werden Hamburger Wissenschaftsbehoumlrden wuumlrdigten die Erkenntnisse mit einem Forschungspreis

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

39012017

Fragestellung

Vergleich

Auswahl

z B bdquoMit welchem Mausmodell koumlnnen die Ursachen von Alzheimer erforscht werdenldquo

Vergleich von vorhandenen Omics-Expressionsdaten von Mensch und Tier

Auswahl des geeigneten Modells

1

2

3

Geeignete Tiermodelle identifizieren

An Tiermodellen werden zahlreiche biologische Prozesse und Krankheiten wie Wund-

heilung Diabetes Tumoren oder entzuumlndliche Erkrankungen erforscht Durch den

Vergleich der Omics-Expressionsdaten von Tiermodell und Mensch koumlnnen geeignete

Modelle fuumlr die jeweilige Fragestellung identifiziert werden

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

40 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Verlaumluft ein entzuumlndlicher Prozess bei Maumlusen aumlhnlich wie beim Menschen Sind Maumluse daher geeignete Ver-

suchstiere fuumlr Tests von antientzuumlndlichen Substanzen Um Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung in den klinischen Alltag zu uumlberfuumlhren ndash Aufgabengebiet der translationalen Forschung ndash werden wissen-schaftliche Fragestellungen oft in Tierversu-chen erprobt Ob und inwieweit die Ergeb-nisse auf den Menschen uumlbertragbar sind ist dabei immer wieder Gegenstand kontrover-ser Diskussionen Geeignete Methoden mit denen die Wissenschaft Tiermodelle mit op-timaler Uumlbertragbarkeit auf den Menschen auswaumlhlen kann wuumlrden dem wissenschaft-lichen Fortschritt helfen und die Zahl der Tierversuche reduzieren Es geht dabei um die Frage welches Tiermodell am besten das menschliche System widerspiegelt

Vergleichbarkeit von Genom- daten fehleranfaumlllig

Als Grundlage fuumlr diese Uumlberlegungen die-nen Daten aus modernen bioanalytischen Hochdurchsatzverfahren Immer haumlufiger setzt die Wissenschaft auf diese sogenannten Omics-Technologien die die Gesamtheit aller Gene und ihrer Produkte analysieren ndash sowohl beim Tier als auch beim Menschen Mit ihnen lassen sich molekulare Prozesse in lebenden Systemen umfassend darstel-len indem sie beispielsweise die Interaktion hunderter bis tausender Genprodukte zei-gen Die Analyse dieser zunehmend kom-plexen Omics-Datensaumltze stellt die Wissen-schaft jedoch vor Probleme da das Vorgehen dazu nicht standardisiert ist Die Interpreta-tion der Ergebnisse ist bisher meist von der Kompetenz der Durchfuumlhrenden und von der angewandten Methode abhaumlngig Im Ergebnis war die Entscheidung zur Frage der Uumlbertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen fehleranfaumlllig und die Suche nach

geeigneten Tiermodellen erschwert Die ge-ringe Standardisierung der Interpretation von Omics-Daten fuumlhrte in Forschungs-kreisen bereits zu widerspruumlchlichen Er-gebnissen so zum Beispiel bei zwei Studien aus den Jahren 2013 und 2015 die sich mit der Vergleichbarkeit von entzuumlndlichen Er-krankungen beim Menschen und gaumlngigen Mausmodellen beschaumlftigten Waumlhrend eine Forschungsgruppe im Jahr 2013 schlussfol-gerte dass entzuumlndliche Prozesse zwischen Mensch und Maus nicht vergleichbar seien kam eine andere Gruppe zwei Jahre spaumlter anhand der gleichen Omics-Daten zum ge-genteiligen Schluss Die Maus reagiere auf der molekularen Ebene sehr aumlhnlich wie der Mensch und sei daher als Tiermodell sehr nuumltzlich fuumlr die Erforschung menschlicher Erkrankungen Zwar ist es nicht ungewoumlhn-lich dass Ergebnisse von Studien unter-schiedlich eingeschaumltzt werden ndash allerdings selten auf Basis der gleichen Daten

Motivation des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR war es diese Widerspruumlche aufzuklaumlren und einen standardisierten und zielgerichteten Analyseansatz zu entwickeln der die Suche nach geeigneten Tiermodellen vereinfacht und somit unnoumltige Tierversuche vermei-den hilft Es gehoumlrt zu den Kernaufgaben des Bf3R bundesweit alle Aktivitaumlten zu koordi-nieren mit den Zielen Tierversuche auf das unerlaumlssliche Maszlig zu beschraumlnken und fuumlr Versuchstiere den bestmoumlglichen Schutz zu gewaumlhrleisten Die Aufgaben des Bf3R wer-den vom BfR wahrgenommen

Genomdaten von Tier und Mensch gezielt vergleichen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler des Bf3R haben die Omics-Daten aus den beiden erwaumlhnten widerspruumlchlichen Studien mithilfe hochperformanter Com-

puter nochmals systematisch ausgewertet Dabei wurden zunaumlchst die zu verglei-chenden Gene gruppenweise biologischen Prozessen zugeordnet die wesentlich fuumlr ein Entzuumlndungsgeschehen sind Diese Gene Set Enrichment Analysis (GSEA) ge-nannte Methode greift auf umfangreiche in oumlffentlichen Datenbanken hinterlegte Genomdaten gaumlngiger Tiermodelle und von Erkrankten zuruumlck Mit ihrer Heran-gehensweise konnten die Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler des BfR an-schlieszligend Veraumlnderungen auf der Ebene pathologischer Signalwege erkennen und Unterschiede zwischen Tiermodell und Mensch identifizieren Da der Groszligteil der untersuchten Genprodukte haumlufig nur geringfuumlgig veraumlndert war konnten bei der Analyse auf Ebene vollstaumlndiger bio-logischer Signalwege alle Gene einbezogen und Aumlnderungen in der Gesamtheit eines biologischen Signalwegs bewertet werden Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu bisherigen Analyseansaumltzen da fuumlr die Klauml-rung translationaler Fragestellungen bisher haumlufig willkuumlrlich und subjektiv Gene von Mensch und Tiermodell fuumlr einen direkten Eins-zu-eins-Vergleich ausgewaumlhlt wurden

Die systematische Auswertung des Bf3R zeigte dass die Ergebnisse beim vorlie-genden Genomdatenvergleich bei einigen Mausmodellen gut mit den beim Menschen ermittelten Daten uumlbereinstimmten Bei an-deren Mausmodellen hingegen war es nicht so So aumlhnelt das Entzuumlndungsgeschehen bei Maumlusen die mit Staphylococcus aureus (Staphylococcus-aureus-Injektionsmodell) infiziert sind oder eine Darmperforation (Cecal-ligation-and-puncture-Modell) erfah-ren den meisten klinischen Proben Hin-gegen verlaufen Erkrankungen die durch Lipopolysaccharide (LPS) und Streptococcus pneumoniae verursacht werden bei Mensch und Maus verschieden

Omics

Der Terminus beschreibt Methoden zur

Analyse komplexer biologischer Proben

auf der Ebene des gesamten Genoms

von Transkripten Proteinen oder Meta-

boliten

41012017

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

Forschungsansatz hilft Tierversuche zu reduzieren

Die Methode der Datenanalyse mittels GSEA-Ansatz erleichtert es Forschungs-gruppen zukuumlnftig zielgerichtet und stan-dardisiert das optimale Tiermodell aus-zuwaumlhlen das am besten die menschliche Situation abbildet Voraussetzung dafuumlr ist die Existenz von Omics-Daten zur klini-schen Fragestellung sowie zu den infrage kommenden Tierversuchen Dies ist bereits fuumlr eine Vielzahl von Tiermodellen sowie von humanen Erkrankungen der Fall neben Entzuumlndungserkrankungen beispielsweise fuumlr Herz-Kreislauf-Erkrankungen Krebser-krankungen Atemwegserkrankungen Stoff-wechselerkrankungen und neurologische Erkrankungen Aufgrund der vermehrten Verwendung von Omics-Methoden kann davon ausgegangen werden dass stetig wei-tere systembiologische Daten ermittelt und veroumlffentlicht werden Die vom Bf3R ange-wandte Methode wird daher weiterhin bei der gezielten Auswahl von Tiermodellen nuumltzlich sein

Das Verfahren kann in der Grundlagen-forschung sowie in der translationalen und angewandten Forschung eingesetzt werden Diese Bereiche machten 2015 nach Anga-ben des Bundesministeriums fuumlr Ernaumlh-rung und Landwirtschaft mit insgesamt 73 Prozent den groumlszligten Teil der Tierversuche aus Ein Groszligteil davon entfaumlllt auf Maumluse Ratten und zunehmend auch auf Fische Grundsaumltzlich kann die neue Methode zur Auswahl des geeigneten Versuchstiermo-dells bzw zum Ausschluss nicht geeigneter Versuchstiermodelle bei jeglichen Tierver-suchen in diesen Bereichen genutzt werden Analog zu den Versuchstierzahlen liegen derzeit die meisten Omics-Daten fuumlr Maus und Ratte vor So sind beispielsweise allein in der oumlffentlichen NCBI GEO-Datenbank (National Center for Biotechnology Informa-tion Gene Expression Omnibus) derzeit Da-ten zu ca 340000 Maus-Proben und 75000 Ratte-Proben gelistet

Methode identifiziert geeignete Zellkulturmodelle

Dabei ist die Methode des Bf3R nicht auf humane und murine Datensaumltze beschraumlnkt sondern kann auf alle weiteren Spezies an-gewandt werden fuumlr die umfangreiche Da-tenbanken zu biologischen Signalwegen oder Gengruppen vorliegen Auch fuumlr die Beurteilung von zellbasierten Alternativ-methoden kann der neue Forschungsansatz

herangezogen werden Durch einen system-biologischen Abgleich der klinischen Daten mit Omics-Daten aus beispielsweise neuar-tigen 3D-Zellkulturen oder organaumlhnlichen Mikrostrukturen wird die Charakterisierung und Verifizierung von zellbasierten Alterna-tivmethoden ermoumlglicht

Praumlmierte Forschungsleistung

Fuumlr ihre Forschung erhielten die Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR 2016 den Hamburger Forschungspreis zur Foumlrderung der Entwicklung von Ersatz- und

Ergaumlnzungsmethoden Die Auszeichnung wurde zum erstem Mal von den Hamburger Behoumlrden fuumlr Gesundheit und Verbraucher-schutz sowie fuumlr Wissenschaft Forschung und Gleichstellung mit einem Foumlrderpreis in Houmlhe von 20000 Euro ausgeschrieben Der Preis wird fuumlr Arbeiten vergeben die einen Beitrag leisten Tierversuche zu ersetzen oder zu minimieren

Mehr erfahrenWeidner et al 2016 Defining the optimal animal model for translational research using gene set enrichment analysis EMBO Molecular Medicine 8 8 831ndash838

Wofuumlr Versuchstiere in Deutschland eingesetzt werden

630255Herstellung und Qualitaumlts-kontrolle medizinischer Produkte toxikologische Sicherheitspruumlfungen

22

59

14 5

1643259Grundlagenforschung

144997sonstige Zweckez B Zucht Aus- und Weiterbildung

381450translationale und angewandte Forschung

Que

lle B

unde

smin

iste

rium

fuumlr E

rnaumlh

rung

und

Lan

dwirt

scha

ft V

ersu

chst

ierz

ahle

n 20

15

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

42 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Alternativen zu Tierversuchen Forschung regional buumlndeln

Eine individualisierte Schmerztherapie fuumlr Versuchsmaumluse und eine Verringerung von Tierexperimenten zum Test der Inhala- tionstoxizitaumlt von Nanomaterialien (siehe rechte Spalte) ndash hierzu sollen die ersten Arbeitsergebnisse des BfR im Berlin-Bran-denburgischen Verbundprojekt BB3R zukuumlnftig beitragen Das Netzwerk aus Universitaumlten und Bundesinstitutionen forscht um Tierversuche zu vermeiden (Replacement) bzw zu verringern (Reduction) sowie das Leiden von Versuchstieren zu vermindern (Refinement) Das BfR ist als einer von sechs Verbundpartnern in den Bereichen der Refinement- und Replacement-Forschung beteiligt Das Bundesforschungsministerium foumlrdert das mit BB3R abgekuumlrzte Projekt fuumlr vier Jahre bis Fruumlhjahr 2018 es ist als Plattform fuumlr den wissenschaftlichen Austausch konzipiert und integriert ein Graduiertenkolleg

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschungwwwbb3rde

Belastung von Laborfischen erkennen

Koumlrperbau

Koumlrpermerkmale

Verhaltenkreisendes Schwimmen

Belastung von Laborfischen erkennen

Ob Laborfische Schmerzen empfinden oder leiden laumlsst sich mithilfe konkreter Kriterien beurteilen Die Vorarbeiten hierzu koordinierte der bdquoNationale Ausschuss zumSchutz von fuumlr wissenschaftliche Zweckeverwendeten Tierenldquo am BfR gemeinsam mit externen Sachverstaumlndigen und Beauf-tragten von Genehmigungsbehoumlrden Die erstmals definierten Kriterien bewerten unter anderem Auffaumllligkeiten im Koumlrper-bau sowie im Verhalten der Tiere Schmer-zen und Leiden koumlnnen so gezielt behandelt und gelindert werden Da die Frage der Belastung der Tiere anhand der Kriterien eindeutig geklaumlrt werden kann dienen sie zudem als Entscheidungshilfe fuumlr Behoumlr-den welche die Zucht belasteter genetisch veraumlnderter Tiere genehmigen muumlssen Fische insbesondere Zebrafische sind nach Maumlusen und Ratten die am dritthaumlufigsten verwendete Versuchstierart Die Zahl der Versuchsfische hat in den letzten Jahren stetig zugenommen

Mehr erfahren Bert et al 2016 Considerations for aEuropean animal welfare standard toevaluate adverse phenotypes in teleost fish EMBO J 35 11 1151ndash1154Empfehlung des Nationalen Ausschusses TierSchG Nr 0012015

Test der Inhalationstoxizitaumlt von Nanomaterialien

Die Einatmung gilt als wichtigster Aufnahmeweg fuumlr Nanomaterialien Im Rahmen der BB3R-Forschung bildet das BfR diese Art der Exposition mit In-vitro- Atemwegsepithelmodellen an ihrer Grenzflaumlche zur Luft ab Dieser Ansatz zum Test der Inhalationstoxi-zitaumlt hilft Anzahl und Umfang von Tierversuchen zu verringern

Versuchsaufbau Drei Roumlhrchen leiten ein Testaerosol mit luftgetragenen Nanomaterialien auf Epithelzellen

SPEKTRUM

copy B

fR

43012017

Jubilaumlumsfeier und internationales Symposium

Am 29 November 2017 feiert das BfR sein 15-jaumlh-riges Bestehen mit einem Festakt Geplant ist eine Feier mit ausgewaumlhlten Gaumlsten in der Akademie der Kuumlnste Anschlieszligend findet vom 30 Novem-ber bis zum 01 Dezember 2017 das gemeinsame internationale Symposium des BfR und seiner Schwesterinstitutionen aus Daumlnemark (DTU Food) und Frankreich (ANSES) sowie der suumldko-reanischen Behoumlrde fuumlr Lebens- und Arzneimittel-sicherheit (NIFDS) statt Unter dem Motto bdquoPast Present and Future Challenges in Risk Assessment ndash Strengthening Consumer Health Protectionldquo werden die letzten anderthalb Jahrzehnte Risikobewer-tung betrachtet Daruumlber hinaus werden aktuelle Aktivitaumlten sowie zukuumlnftige Herausforderungen des Verbraucherschutzes wie mikrobiologische Erreger chemische Substanzen Methoden und Harmonisierung auf nationaler wie internationa-ler Ebene diskutiert

VERANSTALTUNGEN

Nachwuchs foumlrdern

Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu foumlr-dern baut das BfR wissenschaftliche Nachwuchs-gruppen zu bestimmten Schwerpunktthemen auf Die bereits 2015 eingerichtete Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Warenketteldquo wird im Herbst 2017 durch einen weiteren Dokto-randen verstaumlrkt

Verstaumlrkung im Versuchstierschutz

Seit dem 1 April 2017 staumlrkt die Berufung von Herrn Universitaumltsprofessor Dr Lars Lewejo-hann den Kompetenzbereich bdquoVerminderung der Belastung und Verbesserung der Lebenssitua-tionldquo des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) Neben der Leitung der Fachgruppe bdquoTierschutz und Versuchstierkundeldquo im BfR wird Lars Lewejohann sein Wissen und neue Erkenntnisse als Hochschullehrer fuumlr bdquoTier-schutz mit dem Schwerpunkt Refinementldquo an der veterinaumlrmedizinischen Fakultaumlt der Freien Universitaumlt Berlin an Studierende und Doktoran-den weitergeben

PERSONALIEN

Alternativmethode zum Tierversuch bdquoKnochen-auf-dem-Chipldquo

Im Mai 2017 fand bei der Gemeinsamen For-schungsstelle (GFS)Joint Research Centre (JRC) der Generaldirektion (Directorate General) der Europaumlischen Kommission eine Summer School zu alternativen Ansaumltzen zum Tierversuch fuumlr die Risikobewertung in Ispra (Italien) statt Dort wurde Herr Dr Ing Frank Schulze aus der BfR-Fachgruppe bdquoZEBET ndash Alternativmethoden zu Tierversuchenldquo fuumlr seine Praumlsentation und das dazugehoumlrige Poster zum Thema bdquoEin Knochen-auf-dem-Chip fuumlr die Grundlagenwissenschaft und die Identifizierung von knochenschaumldigen-den Substanzenldquo mit einem Posterpreis (1 Platz) ausgezeichnet

copy B

fR

copy p

rivat

INSTITUTSLEBEN

44 BfR 2 GO

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

Der BfR-Verbrauchermonitor ist ein zentrales Instru-ment des gesundheitlichen Verbraucherschutzes Er zeigt wie die Oumlffentlichkeit Risiken wahrnimmt

Gefuumlhlte Risiken im Visier

copy ig

orst

evan

ovic

Shu

tters

tock

com

RISIKOWAHRNEHMUNG

14 BfR 2 GO

Welche Themen bewegen Verbraucherinnen und Verbrau-cher Was ist ihnen vertraut was beunruhigt sie Ant-worten auf diese Fragen liefert der BfR-Verbrauchermo-

nitor ndash eine seit 2014 regelmaumlszligig durchgefuumlhrte repraumlsentative Bevoumllkerungsbefragung mit der das BfR die generelle Einschaumlt-zung der Oumlffentlichkeit zu Verbraucherschutzthemen ermittelt In Ergaumlnzung dazu fuumlhrt das BfR Repraumlsentativbefragungen zu Ein-zelthemen durch die von besonderem aktuellem Interesse sind wie Antibiotikaresistenzen oder Pflanzenschutzmittel Die Ergeb-nisse dazu erscheinen als bdquoBfR-Verbrauchermonitor Spezialldquo Der Verbrauchermonitor ist ein wesentlicher Indikator um moumlgliche Missverstaumlndnisse oder Fehleinschaumltzungen seitens der Bevoumllke-rung fruumlhzeitig zu erkennen bdquoFuumlr uns ist es sehr wichtig konkret zu wissen was die Bevoumllkerung warum bewegt Daraus folgern wir welche kommunikativen Maszlignahmen zu ergreifen sindldquo sagt PD Dr Gaby-Fleur Boumll Leiterin der Abteilung Risikokommunika-tion am BfR

Methode der Datenerhebung

Fuumlr die repraumlsentative Umfrage des Verbrauchermonitors werden ca 1000 Personen die in Privathaushalten in Deutschland leben und mindestens 14 Jahre alt sind im Auftrag des BfR von Markt- und Meinungsforschungsinstituten telefonisch interviewt Diese Interviews werden computergestuumltzt anhand eines programmier-ten Fragebogens von geschulten Interviewern durchgefuumlhrt ndash kurz CATI-Methode genannt nach der englischen Bezeichnung compu-ter-assisted telephone interviewing Dabei werden die Fragen zum gesundheitlichen Verbraucherschutz und Fragen zu anderen The-menbereichen zu einer sogenannten Omnibus- oder Mehrthemen-befragung zusammengefasst Die Fragen des Verbrauchermonitors koumlnnen einen offenen Charakter haben (ungestuumltzte Fragen) oder geschlossen formuliert sein (gestuumltzte Fragen) Um die Ergebnisse der Verbrauchermonitore im Zeitverlauf miteinander vergleichen zu koumlnnen ist jede Umfrage aumlhnlich aufgebaut Das BfR widmet sich einerseits Themen die in der Oumlffentlichkeit eine groszlige Auf-merksamkeit erhalten Andererseits analysiert es Fragen die bisher weniger im oumlffentlichen Fokus stehen aber ebenfalls relevant sind wie beispielsweise gesundheitsschaumldliche Pflanzeninhaltsstoffe Auch das Ausmaszlig des Vertrauens in die staatlichen Strukturen des gesundheitlichen Verbraucherschutzes wird abgefragt da dies wie-derum die Wahrnehmung von Risiken beeinflussen kann

bdquoFuumlr uns ist es sehr wichtig konkret zu wissen was die Bevoumllkerung warum bewegt

Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher

Kaum veraumlndert hat sich in den letzten Jahren die Ansicht von Ver-braucherinnen und Verbrauchern dass Lebensmittel in Deutsch-land sicher sind Fragt man in der ungestuumltzten Abfrage nach den groumlszligten gesundheitlichen Risiken so sind dies im aktuellen Ver-brauchermonitor (082017) nach wie vor das Rauchen die Klima- bzw Umweltbelastung und ungesunde oder falsche Ernaumlhrung Da-nach werden Alkohol sowie ungesunde oder belastete Lebensmittel genannt Fragt man in der gestuumltzten Abfrage gezielt nach ausge-waumlhlten Themen so fuumlhren Salmonellen gentechnisch veraumlnderte Lebensmittel Antibiotikaresistenzen und Ruumlckstaumlnde von Pflan-zenschutzmitteln die Bekanntheitsskala an Dies sind auch die vier Themen die bei den meisten Befragten fuumlr Beunruhigung sorgen Es zeigt sich immer wieder dass Verbraucherinnen und Verbrau-cher Risiken unterschaumltzen die aus Sicht der Risikobewertung als

ZielsetzungVerbrauchermonitor

gt Erfassung und Analyse von Trends und Themen in der Verbraucherwahrnehmunggt Uumlber- bzw Unterschaumltzung von gesundheitlichen Risiken durch die Bevoumllkerunggt Beobachtung von Veraumlnderungen im Verbraucherverhaltengt Schnelle Erfassung der Verbraucherwahrnehmung in Krisensituationen

BfR-VERBRAUCHERMONITOR

15012017

gesundheitsrelevant eingestuft werden wie z B die Lebensmittelhygiene im eigenen Haushalt Noch weitgehend unbekannt ist der breiten Oumlffentlichkeit eine neue derzeit in der Wissenschaft diskutierte Metho-de zur Genveraumlnderung ndash das sogenannte bdquoGenome Editingldquo

Vertrauen staumlrken

Verschiedene Bevoumllkerungsgruppen neh-men Ereignisse oder Sachverhalte unter-schiedlich wahr Es haumlngt von vielen Fakto-ren ab wie groszlig ihnen ein Risiko erscheint Insbesondere zwischen der Wahrnehmung von Laien und Fachleuten koumlnnen sich Un-terschiede ergeben da die intuitive Risiko-einschaumltzung der Bevoumllkerung haumlufig auf anderen Prinzipien und Kriterien beruht als die wissenschaftliche Risikobewertung Aus der Risikowahrnehmungsforschung ist beispielsweise bekannt dass die Sorge vor

synthetisch hergestellten Stoffen groumlszliger ist als die Sorge vor natuumlrlich vorkommenden Stoffen wie beispielsweise giftigen Pflanze-ninhaltsstoffen

Der BfR-Verbrauchermonitor Spezial zum Thema Pflanzenschutzmittel hat zudem gezeigt dass ein Groszligteil der Bevoumllkerung faumllschlicherweise davon ausgeht dass in Lebensmitteln generell keine Reste von Pflanzenschutzmitteln vorkommen duumlr-fen Tatsaumlchlich sind Ruumlckstaumlnde von zu-gelassenen Pflanzenschutzmitteln bis zum erlaubten Ruumlckstandshoumlchstgehalt zulaumls-sig und als gesundheitlich unbedenklich eingestuft Auf diese Diskrepanz kann die Risikokommunikation gezielt reagieren indem sie die Oumlffentlichkeit mit geeigne-ten Kommunikationsformen umfassend uumlber die rechtlichen und wissenschaftli-chen Grundlagen der Risikobewertung bei Pflanzenschutzmitteln informiert

Die Ergebnisse solcher Bevoumllkerungsum-fragen liefern wichtige Einsichten in die Risikowahrnehmung verschiedener Bevoumll-kerungsgruppen und zeigen Unterschiede hinsichtlich demografischer Faktoren wie Alter Bildungshintergrund Berufsgrup-pe und Geschlecht auf So ist Frauen das Vorkommen von Pyrrolizidinalkaloiden in Kraumlutertee beispielsweise haumlufiger bekannt als Maumlnnern Auch hat sich gezeigt dass Maumlnner Prozesskontaminanten in Grill-fleisch weniger bedenklich einschaumltzen als Frauen

Mit dem Verbrauchermonitor hat das BfR ein Instrument etabliert mit dem noch fruumlher auf Informations- und Kommuni-kationsbeduumlrfnisse eingegangen und damit das Vertrauen der Oumlffentlichkeit in den ge-sundheitlichen Verbraucherschutz weiter gestaumlrkt werden kann

Alle bisher erschienenen BfR-Verbrauchermonitore koumlnnen abgerufen werden unter wwwbfrbundde gt Publikationen gt Broschuumlren gt BfR-Verbrauchermonitor

Welche Themen betrachten Sie persoumlnlich als die groumlszligten gesundheitlichen Risiken fuumlr Verbraucherinnen und Verbraucher

Inwieweit sind Sie persoumlnlich uumlber die folgenden Themen zur Lebensmittel-sicherheit beunruhigt oder nicht beunruhigt

16 BfR 2 GO

RISIKOWAHRNEHMUNG

2016 gab es in Deutschland in der deutsch-sprachigen Bevoumllkerung ab 14 Jahren rund 08 Millionen Personen die sich selbst als Veganer bezeichnen wuumlrden oder als je-mand der weitgehend auf tierische Produk-te verzichtet (2016 Allensbacher Markt- und Werbetraumlger-Analyse IfD Allensbach) Ei-nige Studien zeigen dass eine vegane Ernaumlh-rung positive Einfluumlsse auf die Gesundheit haben kann wie zum Beispiel ein geringeres Risiko fuumlr Typ-2-Diabetes Beschrieben wer-den allerdings auch gesundheitliche Risiken durch Naumlhrstoffmangelzustaumlnde etwa fuumlr Schwangere und Kinder Wer keine tierische Produkte zu sich nimmt riskiert unter an-derem eine Unterversorgung mit Vitamin B12 Eisen Calcium Jod und Zink sowie mit langkettigen Omega-3-Fettsaumluren

Vor diesem Hintergrund entwickelte das BfR geeignete Risikokommunikationsstra-tegien Ein Forschungsprojekt widmete sich den individuellen und sozialen Einflussfak-toren die zur Motivation und Aufrechter-haltung einer veganen Ernaumlhrung fuumlhren Insgesamt wurden 42 Veganerinnen und Veganer zu ihren Werten Einstellungen und Meinungen befragt Aufgrund der zum Teil sehr ausgepraumlgten Abweichun-gen zur Durchschnittsbevoumllkerung lassen sich verallgemeinernde Aussagen treffen Repraumlsentativ sind die Befragungsdaten al-lerdings nicht

Ethische Entscheidung

Fast immer begruumlnden Veganerinnen und Veganer ihre Entscheidung fuumlr eine vega-ne Ernaumlhrung mit ethischen Argumenten Gesundheitliche Motive werden selten ge-nannt Die Befragten sind uumlberwiegend konfessionslos und uumlberdurchschnittlich

gebildet Auszligerdem beguumlnstigt Vegetaris-mus die Entscheidung sich vegan zu ernaumlh-ren Zwei Drittel der Teilnehmenden haben sich bereits vorher vegetarisch ernaumlhrt Er-naumlhren sich bereits Personen aus dem na-hen Umfeld vegan kann dies die Entschei-dung auch vorantreiben

Fuumlr die uumlberwiegende Mehrheit der Be-fragten ist die Ruumlckkehr zur omnivoren Ernaumlhrung die tierische Produkte zulaumlsst nicht vorstellbar Auch eine Schwanger-schaft wird meist nicht als Grund dafuumlr angesehen Oft werden auch Kinder vegan ernaumlhrt Nach Aussagen der Befragten re-agiert das soziale Umfeld haumlufig mit Skepsis und Aversion Um eine soziale Ausgren-

zung der Kinder zu verhindern lassen die Befragten teils Kompromisse zu So koumlnn-ten Kinder zum Beispiel selbst waumlhlen ob sie auswaumlrts Tierprodukte essen

Wissen kommt an

Wer sich vegan ernaumlhrt verfuumlgt in der Re-gel uumlber ein fundiertes Ernaumlhrungswissen 40 der 42 Teilnehmenden der BfR-Studie waren sich zum Beispiel daruumlber im Klaren dass es ohne tierische Produkte zu einer Mangelversorgung mit Vitamin B12 kom-men kann Viele nehmen dieses Vitamin zusaumltzlich ein Bei der Informationssuche rund um vegane Ernaumlhrung ist das Inter-net die wichtigste Informationsquelle (siehe Grafik)

Strategie der Risikokommunikation

Im Rahmen der Befragung stellten sich wichtige Anknuumlpfungspunkte fuumlr die Risi-kokommunikation heraus Unter anderem wurde klar dass ein negativer Ansatz der die vegane Ernaumlhrung als gefaumlhrlich oder abnormal darstellt nur wenig Erfolg haben kann Eine effektive Risikokommunikation sollte an bestehende Uumlberzeugungen der Veganerinnen und Veganer anknuumlpfen Ziel sollte dabei sein konkrete Tipps fuumlr den Alltag zu geben die sich mit einer vega-nen Ernaumlhrung verbinden lassen Informa-tionen wie bei einer veganen Ernaumlhrung eine moumlgliche defizitaumlre Naumlhrstoffversor-gung verhindert werden kann sind grund-saumltzlich erfolgversprechend Insbesondere uumlber Alternativen oder Supplementierung in der Schwangerschaft bei Saumluglingen und Kleinkindern sollte umfassend informiert werden

Vegan und informiert

Welche Informationsquellen nutzen Sie um sich

uumlber vegane Ernaumlhrung zu informieren

Kochbuumlcher mit veganen Rezepten Blogs zum Thema und tierfreie Supermaumlrkte ndash die vegane Ernaumlhrung liegt im Trend Wer ganz auf tierische Produkte verzichtet riskiert jedoch eine Unterversorgung mit bestimmten Naumlhrstoffen Um eine effiziente Risikokommunikation zu gewaumlhrleis-ten hat das BfR Veganerinnen und Veganer zu Wissens-stand und Einstellungen befragt

Foren im Internet

Sonstige Quellen im Internet

Buumlcher

Zeitschriften

Freunde Bekannte

Sonstigen = 42 Mehrfachnennungen moumlglich

74

71

52

36

12

5

copy S

tudi

oPho

toD

Flor

ezs

hutte

rsto

ckc

om

BEFRAGUNG ZU VEGANISMUS

17012017

63

72 Ekel

Fremdheit

Bedenken zu Hygiene und Vertraumlglichkeit

Grillen Mehlwuumlrmer und Wanderheuschrecken ndash in vielen Regionen der Welt werden Insekten von Menschen verspeist Auch in der Schweiz sind Insek-ten seit dem Fruumlhjahr 2017 offiziell als Lebensmittel zugelassen Ihr Verzehr ist in Europa jedoch generell wenig verbreitet und die oumlffentliche Diskussion steckt noch in den Anfaumlngen Wie bekannt ist das Thema in der deutschen Bevoumllkerung Welche Einstellungen bestehen gegenuumlber essbaren Insekten Wie wird das Thema in den Medien dargestellt In zwei Studien hat das BfR Antworten auf diese Fragen gefunden

Die Mehrheit der Deutschen vermutet keine gesundheitlichen Risiken durch den Verzehr von Insekten wuumlrde sieaber dennoch nicht verzehren Hauptgruumlnde gegen den Verzehr

sind Ekel Fremdheit Bedenken zu Hygiene und Vertraumlglichkeit

46 13 15

Insekten als Lebensmittel fuumlr Menschen ndash 72 Prozent der Befragten haben schon davon gehoumlrt Insekten gelten als eiweiszlig- naumlhrstoff- und vitaminreich und als eine wesentliche Nahrungsquelle hinsichtlich des Welternaumlhrungsproblems

Insekten essen Mehr Theorie als Praxis

18 BfR 2 GO

RISIKOWAHRNEHMUNG

2014

27 Artikel

14

Zugrundeliegende Studien telefonische Repraumlsentativbefragung von 1000 Personen (deutschsprachige Bevoumllkerung ab 14 Jahren) Medienanalyse von 17 deutschen Print- und Onlinemedien (uumlberregionale Qualitaumltszei-tungen Hauptstadtpresse und woumlchentliche Zeitungen) im Zeitraum Januar 2014 bis Dezember 2015 zur Art und Haumlufigkeit der Berichterstattung uumlber essbare Insekten

14 Prozent der Befragten haben schon einmal Insekten verzehrt mehrheit-lich im Ausland Uumlberwiegend sind es Maumlnner 18 ndash 29-Jaumlhrige gut Gebildete und Staumldter

Die Medienberichterstattung zu Insekten als Lebens- und Futtermittel verdoppelte sich von 2014 zu 2015 In der Mehrheit ging es um Nutzen- aspekte Insekten wurden medial als bdquozukunftsweisendes sinnvolles Lebensmittel bei dem der Nutzen gegenuumlber moumlglichen Risiken uumlber-wiegtldquo dargestellt

Verbraucherinnen und Verbraucher wuumlnschen sich mehr Informationen zu moumlglichen gesundheitlichen Risiken von Insekten als Lebens- und Fut-termittel zu ihrer Produktion und zum Naumlhrstoffgehalt Dies koumlnnte die oumlffentliche Akzeptanz fuumlr den Verzehr von Insekten erhoumlhen Auch bdquounkenntlich gemachteldquo Insekten in Form verarbeiteter Lebensmittel wuumlrden eher akzeptiert als Insekten im urspruumlnglichen Zustand

WeiterlesenBfR-Symposium bdquoInsekten als Lebens- oder Futtermittel Nah-rung der Zukunftldquo Bericht zum Symposium am 24 Mai 2016 in 2016 Journal fuumlr Verbraucher-schutz und Lebensmittelsicher-heit 11 3 281ndash289

2015

60 Artikel

i

Insekten als Lebensmittel

gt zaumlhlen lebensmittelrechtlich in der EU zu den neuartigen Lebensmitteln und muumlssen zugelassen werden

gt unerforschte Aspekte Toxikologie Gehalt an Kontaminanten und Ruumlckstaumlnden allergenes Potenzial mikrobiologische Risiken

copy a

rka3

8sh

utte

rsto

ckc

om

19012017

INFOGRAFIK ZU INSEKTEN

Unerwuumlnscht inLebensmitteln

Gelangen Pyrrolizidinalkaloide (PA) in die Lebensmittelkette koumlnnen insbesondere 12-ungesaumlttigte PA dem Menschen schaden Seit Jahren

befasst sich das BfR mit der Frage welches gesundheitliche Risiko von 12-ungesaumlttigten PA in Lebensmitteln ausgeht Klar ist die PA-Kontami-

nation in der Lebensmittelkette sollte so gering wie moumlglich sein

LEBENSMITTELSICHERHEIT

20 BfR 2 GO

Unerwuumlnschte Stoffe die in die Lebensmittelkette gelangen koumlnnen fuumlr Verbraucherinnen und Verbraucher ein gesund-heitliches Risiko darstellen Ein Beispiel fuumlr solche Eintraumlge

sind 12-ungesaumlttigte Pyrrolizidinalkaloide (PA) Das sind Stoffe die von einigen Pflanzen als Schutz vor Fraszligfeinden gebildet werden Sie konnten zunaumlchst in Honig und anderen Bienenprodukten spaumlter auch in Tees Kraumlutertees und Gewuumlrzen aber auch in pflanzenba-sierten Nahrungsergaumlnzungsmitteln nachgewiesen werden

Toxische Wirkungen bei Mensch und Tier

Beim Menschen sind vereinzelt Vergiftungsfaumllle nach arzneilicher Einnahme von PA-haltigen Kraumlutertees und -erzeugnissen bekannt Weiterhin gibt es Berichte uumlber epidemische Lebererkrankungen mit Todesfaumlllen in Pakistan Indien Afghanistan Tadschikistan und der ehemaligen UdSSR nach Verzehr von Getreide das mit Samen von Heliotropium- oder Crotalaria-Arten kontaminiert war Aus der Nutztierhaltung ist das gehaumlufte Auftreten von Leberzirrhosen bei Schlachtrindern bekannt die mit Heu und Silage auch Alpenkreuz-kraut aufgenommen hatten Auch bei Pferden wurden mit Leberde-generation einhergehende durch PA im Futter verursachte Erkran-kungen die Seneciosen beobachtet

Die Leber ist das primaumlre Zielorgan von Schaumldigungen durch 12-ungesaumlttigte PA Jedoch koumlnnen auch die Lunge oder andere Organe betroffen sein Insbesondere bei Aufnahme houmlherer Dosen treten akute venookklusive Veraumlnderungen in der Leber (hepatic veno-occlusive disease HVOD) oder der Lunge auf In houmlheren Dosen wurden im Tierversuch mit 12-ungesaumlttigten PA auch ent-wicklungstoxische Effekte beobachtet Nach den vorliegenden tier- experimentellen Daten gilt die kanzerogene Wirkung von 12-un-gesaumlttigten PA als gesichert und ein entsprechendes Risiko fuumlr den Menschen wird in Betracht gezogen Vielfach zeigten Verbindungen die sich im Tierversuch als kanzerogen erwiesen in entsprechenden Mutagenitaumltstests eine genotoxische Wirkung

Wie 12-ungesaumlttigte PA in Lebensmittel gelangen koumlnnen

Nach bisherigem Kenntnisstand koumlnnen 12-ungesaumlttigte PA uumlber mehrere Wege in Lebensmittel gelangen In Deutschland sind Ver-unreinigungen vor allem in den Anbauflaumlchen von Nutzpflanzen mit PA-bildenden Wildkraumlutern wie z B bei Salaten mit Kreuzkraut oder Greiskraut aufgetreten Aus Afghanistan sind erhoumlhte Belastungen in Getreide bekannt Auch die Belastung von Tee und Kraumlutertee-Sor-ten mit PA wird auf eine Kontamination mit bestimmten Wildkraumlu-tern in den Anbauflaumlchen zuruumlckgefuumlhrt Auszligerdem koumlnnen Bienen-produkte wie Honig und Pollen mit PA belastet sein wenn die Tracht von bestimmten Wildpflanzen stammt 12-ungesaumlttigte PA koumlnnen auch uumlber verunreinigte Futtermittel in Milch Eier und Fleisch ge-langen Auch Nahrungsergaumlnzungsmittel koumlnnen auf der Basis von Pflanzen hergestellt sein die selbst 12-ungesaumlttigte PA bilden

Gesundheitliche Risiken durch belastete Lebensmittel

Das BfR hat 2016 eine Bewertung der gesundheitlichen Risiken durch 12-ungesaumlttigte PA erarbeitet Dabei wurde die Belastung aller wichtigen Lebensmittelgruppen beruumlcksichtigt fuumlr die aktuell Daten zum Vorkommen von 12-ungesaumlttigten PA vorliegen Bei der Bewertung wurde die genotoxisch-kanzerogene Wirkung als emp-findlichster Endpunkt zugrunde gelegt

copy F

eyya

z A

laca

ms

hutte

rsto

ckc

om

copy e

mbe

riza

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

21012017

Danach geht bei Kindern im Alter von sechs Monaten bis unter fuumlnf Jahren die Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA im Wesentlichen auf Kraumlutertee einschlieszliglich Rooibostee Schwarztee und Honig zuruumlck Fruumlchtetee Milch Eier und Fleisch tragen nur wenig zur Gesamtaufnahme von 12-un-gesaumlttigten PA bei Sieht man von bestimm-ten Nahrungsergaumlnzungsmitteln ab zeigt sich bei Erwachsenen ein aumlhnliches Bild Bei Erwachsenen ist der Beitrag von Honig zur Gesamtaufnahme an 12-ungesaumlttigten PA geringer und der von Gruumlntee houmlher als bei Kindern Bei hohen Gehalten koumlnnen Nahrungsergaumlnzungsmittel als zusaumltzliche Expositionsquelle zur Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber Lebensmittel beitragen Gewuumlrze und Kraumluter aber auch Mehle stellen moumlglicherweise eine relevante zusaumltzliche Expositionsquelle dar Fuumlr eine abschlieszligende Bewertung fehlen hier jedoch noch Daten

Obwohl in Einzelfaumlllen hohe Gehalte an 12-ungesaumlttigten PA in bestimmten Le-bensmitteln des allgemeinen Verzehrs nachgewiesen wurden haumllt das BfR nach derzeitiger Datenlage auch bei hoher Auf-nahme dieser Lebensmittel eine akute Ge-sundheitsschaumldigung fuumlr unwahrscheinlich Zur Abschaumltzung des potenziellen Risikos von genotoxisch-kanzerogenen Wirkungen legte das BfR wie international uumlblich den MOE-Ansatz (Margin of Exposure) zugrun-de Dabei wird ausgehend von Tierstudien angenommen dass fuumlr genotoxische Kan-zerogene ein MOE-Wert von 10000 oder houmlher aus Sicht der oumlffentlichen Gesundheit als wenig bedenklich und die Prioritaumlt fuumlr Maszlignahmen im Rahmen des Risikomanage-ments als niedrig angesehen werden kann Bei genotoxisch-kanzerogenen Stoffen kann keine Schwellendosis angenommen werden unterhalb derer keine unerwuumlnschten Wir-kungen mehr erwartet werden Daher gilt in der Europaumlischen Union die Empfehlung die Exposition gegenuumlber genotoxisch und kanzerogen wirkenden Substanzen so weit zu minimieren wie dies vernuumlnftig erreich-bar ist ndash das sogenannte ALARA-Prinzip (as low as reasonably achievable) Selbst geringe Aufnahmemengen koumlnnen insbesondere bei regelmaumlszligigem Verzehr mit einer Erhouml-hung gesundheitlicher Risiken verbunden sein

Die Bewertung des genotoxischen und kan-zerogenen Risikos erfolgt als Vergleich der Gesamtaufnahme uumlber verschiedene Tees Milch und Honig bei Kindern und Er-wachsenen auf der Basis verschiedener Ver-zehrszenarien mit dem BMDL10-Wert von

73 Mikrogramm pro Kilogramm Koumlrperge-wicht und Tag unter Berechnung des MOE Der BMDL10-Wert (Benchmark dose lower confidence limit 10) ist ein Schaumltzwert der niedrigsten Dosis die im Tierexperiment mit 95-prozentiger Sicherheit eine Krebsin-zidenz von nicht mehr als 10 Prozent ver-ursacht Alle Berechnungsansaumltze sowohl fuumlr Kinder als auch fuumlr die erwachsene Be-voumllkerung ergaben MOE-Werte deutlich unterhalb von 10000 Da nach Ansicht des Wissenschaftlichen Ausschusses der EFSA ein MOE erst ab einem Wert von mindes-tens 10000 aus Sicht der oumlffentlichen Ge-sundheit als wenig bedenklich anzusehen ist empfiehlt das BfR die Gesamtexposition mit PA aus allen Lebensmitteln so niedrig wie moumlglich zu halten und einen MOE von 10000 bei Beruumlcksichtigung der PA-Zufuhr aus allen Quellen nicht zu unterschreiten Dazu sollten die Bemuumlhungen fortgesetzt werden die PA-Gehalte in Lebensmitteln weiter zu senken

Forschungsansaumltze des BfR

Das BfR befasst sich seit einigen Jahren mit der Problematik der Verunreinigung von Lebensmitteln mit 12-ungesaumlttigten PA und verfolgt hierzu verschiedene Forschungs-ansaumltze Die Analytik der 12-ungesaumlttigten PA stellt aufgrund ihrer groszligen strukturel-len Vielfalt und des Vorkommens in unter-schiedlichen Lebensmitteln eine besondere Herausforderung dar In den letzten Jahren hat das BfR spezifische Nachweismethoden entwickelt und in Ringversuchen validiert Diese Methoden stehen auf der Homepage des BfR zur Verfuumlgung und koumlnnen z B in der Lebensmittel- und Futtermitteluumlberwa-chung eingesetzt werden

Neben der Entwicklung analytischer Me-thoden werden am BfR die molekularen Mechanismen der Toxizitaumlt von 12-unge-saumlttigten PA untersucht Hier stehen vor allem Untersuchungen zur strukturabhaumln-gigen Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber die Darmbarriere im Vordergrund Die Ergebnisse zeigen dass sich das Wirkungs-potenzial der 12-ungesaumlttigten PA aufgrund von Unterschieden im strukturabhaumlngigen Transport uumlber die Darmbarriere unter-scheiden kann Auch zeigten die getesteten Modellsubstanzen in einem Zellkulturmo-dell deutliche strukturspezifische Unter-schiede im Metabolismus Weitere Untersu-

Pflanzen die Pyrrolizidinalkaloi-de bilden finden sich vor allem in den Familien der Korbbluumltler (Asteraceae) der Raublatt- oder Borretschgewaumlchse (Boraginaceae) und der Huumllsenfruumlchtler (Faba-ceae)

22 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

chungen zu der Zerstoumlrung der sinusoidalen Endothelzellen durch 12-ungesaumlttigte PA sollen zum Verstaumlndnis der Mechanismen beitragen die zu den venookklusiven Ver-aumlnderungen in der Leber fuumlhren Auch wer-den Untersuchungen zur Metabolisierung nahrungsrelevanter Pyrrolizidinalkaloide durchgefuumlhrt Die Forschungsprojekte wer-den von der Deutschen Forschungsgemein-schaft (DFG) gefoumlrdert

Empfehlungen zur Reduktion der PA-Gehalte

Das BfR empfiehlt dass sich Management-maszlignahmen an der Vermeidung genoto-xisch-kanzerogener Effekte der 12-ungesaumlt-tigten PA als dem empfindlichsten Endpunkt orientieren Die Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA sollte fuumlr Verbrau-cherinnen und Verbraucher so gering wie moumlglich sein Dazu sollten die PA-Gehalte in Lebensmitteln so weit wie moumlglich sin-ken Dies gilt insbesondere fuumlr Kraumlutertees Rooibostee Schwarzen Tee und Gruumlnen Tee sowie bestimmte Nahrungsergaumlnzungsmit-tel Hier sollten Anbau- Ernte- und Reini-gungsmethoden weiterhin verbessert wer-den Auch die Auswahl der Rohhonige kann zu einer Reduzierung der Gehalte an 12-un-gesaumlttigten PA in verzehrfertigen Honigen beitragen Auszligerdem sind vor der Vermark-tung seitens der Lebensmittelunternehmer weiterhin Kontrollen in allen betroffenen Lebensmittelkategorien notwendig

Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das potenzielle gesundheitliche Risiko durch PA durch eine abwechslungsreiche Ernaumlh-rung verringern und so generell einseitigen Belastungen mit verschiedenen potenziell gesundheitsgefaumlhrdenden Stoffen vorbeu-gen Insbesondere fuumlr Kinder Schwangere und Stillende empfiehlt das BfR den taumlgli-chen Fluumlssigkeitsbedarf nicht ausschlieszliglich mit Kraumlutertee und Tee zu decken

Bei der Zubereitung von Salat Blattgemuumlse und Kraumlutern sollten Verbraucherinnen und Verbraucher Pflanzenteile aussortieren die sie keinen bekannten essbaren Pflanzen zu-ordnen koumlnnen

Wer Nahrungsergaumlnzungsmittel auf Pollen-basis oder auf Basis von Pflanzen einnimmt die 12-ungesaumlttigte PA bilden sollte sich bewusst sein dass diese Produkte 12-un-gesaumlttigte PA in houmlheren Konzentrationen enthalten koumlnnen

Mehr erfahrenStellungnahme Nr 0302016 des BfR vom 28 September 2016

Necinbase

Necinsaumlure

Die Struktur von PA

Chemisch handelt es sich um Ester aus einer Necinbase und aliphatischen Mono- oder Dicarbonsaumluren (Necin-saumluren) Aus toxikologischer Sicht besonders bedeutsam sind Pyrroli-zidinalkaloide mit 12-ungesaumlttigter Necinstruktur (12-ungesaumlttigte PA) Die 12-ungesaumlttigte Necinstruktur als gemeinsames Strukturmerkmal erlaubt grundsaumltzlich die Giftung durch Oxidation zum Dehydropyrrolizidin das durch seine alkylierenden Eigenschaf-ten fuumlr die genotoxische und karzino-gene Wirkung dieser Substanzgruppe verantwortlich ist

copy R

ukiM

edia

shu

tters

tock

com

copy J

iri H

era

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

23012017

Im suumldlichen Afrika spielt die Landwirt-schaft eine Schluumlsselrolle bei der Armuts-bekaumlmpfung Eine wachsende Produktion tierischer Lebensmittel bringt jedoch auch neue Herausforderungen an die Lebensmit-telsicherheit mit sich Das BfR-Forschungs-projekt bdquoSAD-Zambialdquo (bdquoStaphylococcus aureus in der Milchlebensmittelkette in Sambia ndash Bekaumlmpfung lebensmittelbeding-ter Erkrankungen und Antibiotikaresisten-zen beim Menschldquo) befasst sich damit wie die Produktion und der Vertrieb von Milch und Milchprodukten in Sambia sicherer gestaltet werden koumlnnen Ziel ist es zu be-werten in welchem Umfang das Bakterium Staphylococcus (S) aureus uumlber Milch und Milchprodukte auf den Menschen uumlbertra-gen wird In einem ersten Schritt werden Feldstudien in verschiedenen Provinzen des Landes durchgefuumlhrt um das Vorkommen dieses Erregers und moumlgliche Schwachstel-len in der Milchlebensmittelkette in Sambia zu analysieren Hierbei stehen Toxin-bil-dende S aureus-Staumlmme im Fokus Auszliger-dem wird untersucht in welchem Umfang Methicillin-resistente S aureus (MRSA) die gegen eine bestimmte Klasse von Antibio-tika resistent sind in der Milchlebensmit-

telkette vorkommen Die Bewertungsarbeit beinhaltet auch einen Vergleich traditio-neller und moderner Produktionssysteme Am BfR werden anschlieszligend die Analysen zu den Eigenschaften der gewonnenen Bakterienstaumlmme sowie stammvergleichen-de Untersuchungen durchgefuumlhrt In einem weiteren Schritt werden Ansatzpunkte zur Reduzierung der Bakterien sowie Methoden zum Monitoring von zoonotischen und An-tibiotika-resistenten S aureus in der Milch-lebensmittelkette in Sambia entwickelt So soll zum Verstaumlndnis der lebensmittelbe-dingten Risiken entlang der Milchlebens-mittelkette in Sambia beigetragen werden Das Projekt begann am 01072016 und laumluft drei Jahre Es wird vom Bundesminis-terium fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft gefoumlrdert und aus BfR-Mitteln co-finanziert Neben dem BfR beteiligen sich an dem For-schungsprojekt das International Livestock Research Institute die University of Zambia und das Central Veterinary Research Insti-tute als Teil des sambischen Ministeriums fuumlr Nutztiere und Fischerei Durch dieses Forschungsnetzwerk soll eine nachhaltige Partnerschaft aufgebaut werden

Mit dem Forschungsprojekt bdquoSAD-Zambialdquo leistet das BfR einen Beitrag zur Staumlrkung der Lebensmittelsicherheit und damit zur Ernaumlhrungssicherheit im suumldlichen Afrika Koordinatorin des Projekts ist Frau Dr Alexandra Fetsch Der sambische Doktorand Herr Bruno Phiri berichtet von seiner alltaumlglichen Arbeit Beide arbeiten in der Fach-gruppe bdquoMikrobielle Toxineldquo des BfR

POST AUS hellipSAMBIA

raquobdquoDas SAD-Zambia Projekt ist fuumlr mich ein Meilenstein und ich bin dem BfR sehr dankbar dass es mir diese Moumlglichkeit gibt Ich habe schon viel dazugelernt und konnte meine Kompetenzen bezuumlglich der Diagnose von Krankheitserregern verbessern Das Projekt bringt mich aber nicht nur persoumlnlich voran auch mein Land kann davon profitieren Mein Arbeitsalltag beginnt meist mit einem Besuch bei den Milchbauern und ihren Herden Dort schaue ich mir an wie die Kuumlhe gemolken werden und nehme Proben von den Tieren der Milch und der Umge-bung Auch in Milchsammelstellen und auf Maumlrkten nehme ich Proben Diese analysiere ich anschlieszligend im Labor an der Universitaumlt Schon jetzt freue ich mich auf die weiteren Untersuchungen der Bakterienstaumlm-me am BfR Ich war zu Beginn des Projektes dort ndash eine sehr eindrucks-volle Erfahrungldquo

(Bruno Phiri)

copy a

stud

ios

hutte

rsto

ckc

om

copy B

fR

24 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

Algengift in Tropenfischen

Bisher traten Lebensmittelvergiftungen durch Ciguato-xin ndash einem Algentoxin das in tropischen Speisefischen wie Barrakuda Schnapper oder Zackenbarsch enthalten sein kann ndash vorwiegend in den Tropen auf Mit dem zunehmenden Import von Fischen aus Suumldostasien haumlufen sich auch in Europa und seit 2012 in Deutschland Faumllle von Ciguatera Ein Problem dabei Eine Analyse-methode mit der Fisch routinemaumlszligig auf Ciguatoxine untersucht werden kann ist derzeit noch nicht verfuumlgbar Da weltweit nur wenige Labore auf den Nachweis von Ci-guatoxinen in Fischen spezialisiert sind wird im Projekt bdquoEuroCigualdquo der Europaumlischen Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit (EFSA) unter anderem an der Verbesserung entsprechender Analysemethoden und zum Vorkommen ciguatoxischer Fische in Europa geforscht Das BfR liefert fuumlr das Projekt Angaben zu Erkrankungsfaumlllen in Deutschland Die krankmachenden Algentoxine reichern sich uumlber die Nahrungskette in Raubfischen an und sind uumlberaus stabil Durch Erhitzen oder Tiefkuumlhlen lassen sie sich nicht entfernen Beim Menschen kann der Verzehr betroffener Fische dann zu Vergiftungen mit zum Teil schweren oder andauernden Beeintraumlchtigungen des Nervensystems fuumlhren An Ciguatera Erkrankte nehmen normale Kaumlltereize als ungewoumlhnlich schmerzhaft wahr

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt A-Z-Index Ciguatoxin

Alkaloide in Lupinensamen

In verarbeiteten Produkten oder zum Knabbern Lupinensamen sind im Trend Da sie jedoch toxikologisch relevante bittere Chinolizidinalkaloide enthalten koumlnnen bewertet das BfR ihr gesundheitliches Risiko Der Gehalt an Chinolizi-dinalkaloiden in Lupinensamen variiert je nach botanischer und geografischer Abstammung Samen die von bdquoBitterlupinenldquo stammen sind aufgrund ihrer houmlheren Gehalte ohne geeignete Vorbehandlung der bdquoEntbitterungldquo nicht zum Verzehr geeignet Denn Sie koumlnnen beim Menschen Vergiftungssymptome her-vorrufen Lupinenvarietaumlten die Samen mit niedrigen Alkaloidgehalten liefern werden als bdquoSuumlszliglupinenldquo bezeichnet Suumlszliglupinensamen sind auch ohne Entbitte-rung verzehrsfaumlhig In Deutschland kam es mit Bitterlupinensamen vereinzelt zu Vergiftungsfaumlllen Das BfR empfiehlt Herstellern daher nur ganze Lupinensamen in den Verkehr zu bringen die ohne weitere Entbitterungsprozesse verzehrsfaumlhig sind Mehl aus Lupinensamen sollten Hersteller aus alkaloidarmen oder ausrei-chend entbitterten Samen herstellen

Uumlbertragungswege des Hepatitis-E-Virus

Infektionen mit dem Hepatitis-E-Virus (HEV) koumlnnen zu einer akuten Leberentzuumlndung fuumlhren In den letzten Jahren sind die Zahlen gemeldeter Hepatitis-E-Faumllle des Menschen in Deutsch-land stark angestiegen Forschungsergebnisse des BfR in Zusam-menarbeit mit anderen Einrichtungen haben gezeigt dass das Virus in deutschen Haus- und Wildschweinen weit verbreitet ist Vereinzelt wurde HEV auch in Rehen und Rotwild nachgewiesen

Unklar ist derzeit noch auf welchen Wegen sich die Patienten mit dem Virus anstecken Moumlglich sind direkte Virusuumlbertra-gungen zum Beispiel vom Wildtier auf den Jaumlger und indirekte uumlber Lebensmittel die aus infizierten Tieren hergestellt wurden Wie aktuelle Studien des BfR zeigen kann HEV in verschiedenen Wurstwaren aus dem deutschen Einzelhandel nachgewiesen wer-den Fraglich ist ob das Virus in diesen Produkten noch anste-ckend ist oder ob es bei der Herstellung der Lebensmittel zerstoumlrt wird Hierfuumlr noumltige Untersuchungen waren in der Vergangenheit erschwert da sich HEV im Labor nur schlecht kultivieren lieszlig Erste Ergebnisse von Untersuchungen mithilfe eines am BfR ent-wickelten neuartigen Zellkultur-Systems weisen darauf hin dass HEV hitzeempfindlich ist aber bei Kuumlhlung oder Raumtempera-tur mehrere Wochen infektioumls bleiben kann

SPEKTRUM

copy N

eil B

urto

nsh

utte

rsto

ckc

om

copy N

atal

ia M

ylov

ash

utte

rsto

ckc

om

copy iS

tock

com

Mee

Poo

hyap

hoto

25012017

bdquoNur eine gemeinsame Strategie ist effektivldquo

Frau Kaumlsbohrer ein zentrales Thema Ihrer Forschung sind Antibiotikaresis-tenzen In der oumlffentlichen Debatte wird oft ein Zusammenhang hergestellt zwi-schen dem haumlufigen Einsatz von Anti-biotika in der Nutztierhaltung und dem Auftreten resistenter Bakterien in der Humanmedizin Doch werden bei Tieren nicht andere Antibiotika eingesetzt als bei MenschenUm die Unterschiede zu erlaumlutern muss man zwischen Praumlparaten und den antibiotischen Wirkstoffgruppen unterscheiden Beim Tier verwenden Veterinaumlrmediziner ande-re Praumlparate als Aumlrzte beim Menschen Der wirksame Inhaltsstoff das Antibiotikum kann aber dasselbe sein Die Antibiotika lassen sich wiederum in Wirkstoffgruppen einteilen Mit Blick auf die Wirkstoffgrup-pen gilt Die meisten Antibiotika die beim Menschen eingesetzt werden gehoumlren zu Wirkstoffgruppen die wir auch in der Vete-rinaumlrmedizin nutzen Es gibt nur ganz weni-ge Antibiotikagruppen die nur auf der einen oder der anderen Seite verwendet werden Dazu gehoumlren zum Beispiel die Carbapene-me die nicht beim Nutztier eingesetzt wer-den duumlrfen In der Humanmedizin kommen sie insbesondere zum Einsatz wenn andere Antibiotika nicht mehr wirksam sind

bdquoEine Resistenz ge-gen einen bestimm-ten Wirkstoff kann sich auch ausbrei-ten obwohl diese Wirkstoffgruppe nicht eingesetzt wurde

Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer leitet am BfR die Fachgruppe bdquoEpide-miologie Zoonosen und Antibiotika-resistenzldquo die unter anderem auch das Nationale Referenzlabor fuumlr Antibiotika- resistenzen umfasst Seit April 2016 ist sie auszligerdem Professorin an der Vetmeduni Vienna und leitet dort das Institut bdquoOumlffentliches Veterinaumlrwesenldquo

Wenn sie beim Nutztier nicht eingesetzt werden duumlrfen wie kann es dann sein dass Sie am BfR im Rahmen des For-schungsprojekts RESET Carbapene-mase-bildende Bakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden gefunden habenDie Entstehung von Antibiotikaresistenzen ist ein natuumlrlicher Vorgang bei Bakterien Durch den Gebrauch von Antibiotika wird dieser Prozess beschleunigt Eine Resistenz gegen einen bestimmten Wirkstoff kann sich auch ausbreiten obwohl diese Wirk-stoffgruppe nicht eingesetzt wurde Dank der Selektion gilt meist Wenn ich einen Wirkstoff einsetze gebe ich jenen Bakterien einen Vorteil die gegen den Wirkstoff resis-tent sind Aber Carbapenemasen also die Enzyme die von Carbapenem-resistenten Bakterien gebildet werden koumlnnen neben den Carbapenemen auch fast alle anderen

Bakterien die gegen Antibiotika resistent sind stellen ein Risiko fuumlr die oumlffentliche Gesundheit dar Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer widmet sich am BfR dieser Problematik Im Gespraumlch erklaumlrt sie welche Faktoren bei der Ausbreitung von Resistenzen eine Rolle spielen

copy M

icha

el B

ernk

opf

Vetm

edun

i Vie

nna

26 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

β-Laktam-Antibiotika inaktivieren Theo-retisch ist es daher moumlglich dass sich eine Resistenz gegen Carbapeneme ausbreitet obwohl der Tierarzt beim Nutztier eine an-dere Wirkstoffgruppe eingesetzt hat Ist die Resistenz bei Bakterien vorhanden gibt es viele Ausbreitungswege Ein Stall ist kein steriler Ort sondern belebte Umwelt Moumlg-liche Eintragswege fuumlr resistente Bakterien in einen Stall sind z B belebte Vektoren wie neu eingestallte Tiere Maumluse Fliegen oder Voumlgel aber auch unbelebte Vektoren wie Futter Wasser Staub oder Geraumltschaften

Was hat sich seit dem Fund der Carba-penemase-bildenden Enterobakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden fuumlr Ihre Arbeit beim BfR geaumlndert Der Fund hatte vielfaumlltige Konsequenzen Wir haben vor allem die gezielten Untersu-chungsaktivitaumlten verstaumlrkt Bakterien-Iso-late aus Tierbestaumlnden und Lebensmitteln werden seit 2014 im Rahmen des Resistenz-monitorings im BfR routinemaumlszligig auf eine Carbapenem-Resistenz getestet Auszligerdem steht seit 2015 fuumlr den Nachweis von Carba-penemase-bildenden Bakterien ein weiteres gezieltes Nachweisverfahren zur Verfuumlgung Hierzu muumlssen die Labore geschult werden Zusaumltzlich werden im Nationalen Refe-renzlabor fuumlr Antibiotikaresistenz am BfR Carbapenemase-verdaumlchtige Bakterien auf die charakteristischen Resistenzgene hin un-tersucht Am BfR wurden hierfuumlr verschie-dene Methoden fuumlr die Untersuchung von E coli und Salmonella etabliert Bisher wur-den sehr selten solche Resistenzgene nach-gewiesen bei Nutztieren das Gen blaVIM-1 bei einem Wildvogel das Gen blaNDM-1

Oftmals sind die Resistenzgene gegen Carbapeneme zusammen mit anderen Resistenzgenen auf mobilen geneti-schen Elementen lokalisiert Warum ist hier besondere Vorsicht gebotenZunaumlchst ist die Trefferwahrscheinlichkeit fuumlr eine Selektion houmlher wenn mehrere Re-sistenzgene auf einem genetischen Element liegen d h der Einsatz verschiedener Anti-biotika kann zu einem Selektionsvorteil fuumlh-ren Die Lokalisation von Resistenzgenen auf mobilen genetischen Elementen spielt fuumlr die Uumlbertragbarkeit von Resistenzen eine wichtige Rolle Denn Diese Resistenzgene koumlnnen mittels horizontalem Gentransfer auf ganz unterschiedliche Bakteriengruppen uumlbertragen werden Diese Erkenntnis hat eine Art Revolution ausgeloumlst Lange Zeit wurde ein Erreger mit all seinen Eigenschaf-ten als Einheit betrachtet Kann die Resis-tenz aber zwischen Bakteriengruppen hin

und her uumlbertragen werden verfaumllscht das moumlglicherweise den Blick auf eine Gruppe Folglich mussten die Nachweisverfahren umgestellt und die Uumlbertragbarkeit von Re-sistenzen mit analysiert werden Erschwe-rend kommt hinzu dass ein Resistenzgen auf einem grundsaumltzlich ungefaumlhrlichen

Bakterium zum Problem werden kann Manche Bakterien wie beispielsweise E coli gehoumlren zur normalen Darmflora Traumlgt so ein Bakterium eine Resistenzeigenschaft ist das erstmal nicht gefaumlhrlich Aber Es kann diese Eigenschaft moumlglicherweise an einen Infektionserreger weitergeben

Welche konkreten Folgen kann eine solche Weitergabe von Resistenzeigen-schaften habenSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt Schon jetzt weichen Aumlrzte auf Wirk-stoffgruppen aus die in der Humanmedizin lange verpoumlnt waren Dies gilt zum Beispiel fuumlr Colistin Fuumlr den Menschen ist es nicht gut vertraumlglich moumlgliche Nebenwirkun-gen sind beispielsweise die Schaumldigung der Nieren oder des Nervensystems In der Ve-terinaumlrmedizin hat Colistin seit Jahrzehnten eine erhebliche Bedeutung vor allem fuumlr die Behandlung von Infektionen des Ma-gen-Darm-Traktes bei Nutztieren auch um andere Wirkstoffgruppen zu vermeiden

Spielt im Fall von Colistin die Mobilitaumlt des Resistenzgens auch eine besonde-re Rolle Inzwischen ja Bis Ende 2015 waren sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler einig Eine Colistin-Resistenz ist nicht uumlbertragbar Das heiszligt kommt eine solche Resistenz bei einem Infektionserreger beim Nutztier vor ist sie nicht per se auf ein hu-manpathogenes Bakterium uumlbertragbar Doch Ende 2015 wurde in China erstmals das uumlbertragbare Gen mcr-1 beschrieben Untersuchungen in Belgien haben spaumlter zur Beschreibung eines weiteren mobilen Gens fuumlr die Colistin-Resistenz bei Nutztieren

bdquoSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

27012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Ausbreitung von Resistenzen

Haustiere

Krankenhaus

Belastetepflanzliche Lebensmittel

Belastete tierische Lebensmittel

Nutztiere

Futtermittel

Schaumldlinge

Uumlbertragungswege resistenter Bakterien

Menschen

Eine Antibiotikaresistenz entsteht

(z B durch Mutation)

Antibiotikatherapie beguumlnstigt die

Selektion resistenter Bakterien

Nahrung

Duumlnger Abwasser

Abwasser

28 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

gefuumlhrt mcr-2 Das bedeutet eine Uumlbertra-gung der durch diese Gene vermittelten Re-sistenz auf ein humanpathogenes Bakterium ist theoretisch moumlglich Allerdings scheint dies bisher selten der Fall zu sein

Diese Erkenntnisse offenbaren einen groszligen Forschungsbedarf Was tun Sie in der Abteilung bdquoBiologische Sicher-heitldquo um das Risiko zu bewerten Als 2015 klar wurde dass es eine uumlbertrag-bare Colistin-Resistenz gibt haben wir diese neue Erkenntnis in den laufenden Projekten natuumlrlich sofort aufgegriffen Im Rahmen des Forschungsprojekts RE-SET haben wir zum Beispiel vorhandenes Bakterienmaterial und die bei unseren Ko-operationspartnern verfuumlgbaren Gesamt-genominformationen auf das Vorkommen dieses neuen Resistenzgens gepruumlft Schnell war klar Ja dieses Gen finden wir in den Sequenzen Und die Pruumlfung von Colis-tin-resistenten Isolaten aus unserer Stamm-sammlung hat bestaumltigt dass dieses Resis-tenzgen bereits weit verbreitet ist

Muumlssen nun neue Forschungsprojekte zu dem Thema initiiert werdenJa denn viele Fragen bleiben bislang offen Wie haumlufig wird die Resistenz tatsaumlchlich uumlbertragen Was triggert diese Uumlbertra-gung Es gibt auch diagnostische Probleme Das uumlbliche Verfahren in der Humanmedi-zin um Resistenzen zu testen umfasst in der Regel nicht die Resistenz gegen Colistin Es gibt also viel zu tun Neue Diagnose- und Typisierungsverfahren aufbauen unser Re-sistenzmonitoring erweitern und routine-maumlszligig phaumlnotypisch resistente Isolate auf das Gen pruumlfen Die Ergebnisse muumlssen wir dann uumlbergreifend bewerten um Hand-lungsoptionen aufzuzeigen

Welche Uumlbertragungswege spielen bei der Colistin-Resistenz fuumlr den Men-schen eine Rolle Mit Sicherheit koumlnnen wir das derzeit nicht sagen Die chinesische Arbeitsgruppe hat Colistin-Resistenzen sowohl im Schweine-fleisch als auch beim Menschen gefunden Daher liegt die Hypothese nahe dass es eine Uumlbertragung uumlber Lebensmittel gibt Gleichzeitig gibt es generell die Beobachtung von nosokomialen Ausbreitungen resisten-ter Bakterien Das sind Ausbreitungen von Antibiotikaresistenzen im Krankenhaus

Resistenzen breiten sich aus Wunder-waffen verlieren ihre Wirkung selbst im Krankenhaus sind wir nicht sicher Gibt es uumlberhaupt eine effiziente Strategie gegen die Ausbreitung der Antibiotika- resistenzen Und wer ist dabei gefor-dertUm die Ausbreitung von Antibiotika- resistenzen zu verhindern braucht es eine gemeinsame Strategie Schlieszliglich sind hier komplexe Zusammenhaumlnge zwischen Mensch Tier und Umwelt am Werk Am BfR streben wir deswegen eine enge Zu-sammenarbeit mit allen Akteuren im oumlffent-lichen Gesundheits- und Veterinaumlrwesen an Bei diesem bdquoOne Health-Ansatzldquo sind sowohl Veterinaumlr- als auch Humanmedizi-ner gefordert Auch Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

Was sollten Verbraucherinnen und Ver-braucher beachtenHier gelten dieselben Hygieneregeln die auch fuumlr andere vom Tier oder vom Le-bensmittel auf den Menschen uumlbertragba-re Krankheitserreger gelten Zum Beispiel sollten sie sich nach dem Kontakt mit Tie-ren die Haumlnde mit warmem Wasser und Seife waschen Auch nach der Zubereitung von rohem Fleisch sollten die Haumlnde gruumlnd-lich gewaschen werden Fleisch Eier und Rohmilch sollten vor dem Verzehr durcher-hitzt werden Rohkost und Obst sollten vor dem Verzehr gruumlndlich mit Trinkwasser gewaschen oder geschaumllt werden Weiterhin wichtig ist den direkten oder indirekten Kontakt von rohem Fleisch und rohen Ei-ern mit verzehrfertigen Speisen die spaumlter nicht mehr erhitzt werden zu vermeiden Durch die Einhaltung der Hygieneregeln kann man einer Uumlbertragung von resisten-ten und oder pathogenen Bakterien auf an-dere Lebensmittel vorbeugen

Mehr erfahren Irrgang et al 2017 Recurrent detection of VIM-1-producing Escherichia coli clone in German pig production Journal ofAntimicrobial Chemotherapy 72 3 944ndash946

bdquoVerbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

RESET

Der Forschungsverbund RESET ndash Antibiotika-Resistenzen bei Tier und Mensch ndash beschaumlftigte sich von 2010 bis 2017 mit Resistenzen gegen die besonders wichtigen Antibiotika-Klas-sen der β-Laktam-Antibiotika und (Fluor-)Chinolone bei Darmbakterien wie Escherichia (E) coli Sind Bak-terien gegen beide Wirkstoffklassen resistent werden die therapeutischen Moumlglichkeiten drastisch eingeschraumlnkt Bei E coli und Salmonella enterica wurden derartige Resistenzen bereits nachgewiesen Das BfR beteiligte sich mit zwei Projekten an dem Forschungs-verbund Durch das konsequente Zusammenfuumlhren von Ergebnissen der unterschiedlichen Forschungsgebiete in einer gemeinsamen Datenbank konnten Erkenntnisluumlcken geschlossen und Risiken bewertet werden Das Projekt wurde vom Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) gefoumlrdert

29012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Kann es durch die Mischung verschiedener Pestizid-Ruumlckstaumlnde beim taumlglichen Verzehr zu gesundheitsgefaumlhrdenden Belastungen kommen

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

30 BfR 2 GO

Wenn von Paradigmenwechseln die Rede ist findet meist ein grundlegendes Umdenken statt In der Risikobewertung von Chemikalien habe ein Paradigmenwechsel stattge-

funden der die traditionelle Einzelsubstanz-Bewertung hinter sich lasse schrieben BfR-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler vor einiger Zeit Man koumlnnte meinen in der Toxikologie wird der Paracelsus-Satz kuumlnftig umgeschrieben Nicht nur die Dosis son-dern auch die Aufsummierung der Dosierungen in einer Mischung macht das Gift

Gift- oder Todescocktail ndash plakative Medienbegriffe

Denn tatsaumlchlich In den letzten Jahren beschaumlftigen sich weltweit immer mehr Gremien politische Ausschuumlsse und Forschungspro-jekte mit der Frage wie man die Auswirkungen von Mischungen auf Umwelt und Gesundheit kuumlnftig bewerten kann Auch in der Oumlffentlichkeit wird das Thema emotional verhandelt Chemikali-enmix Gift- oder sogar Todescocktail ndash mit plakativen Begriffen umschreiben Medien das Phaumlnomen der Mehrfachruumlckstaumlnde Entsprechend tief sitzt die Angst bei Verbraucherinnen und Ver-brauchern In einer vom BfR in Deutschland durchgefuumlhrten re-praumlsentativen Wahrnehmungsstudie vermuten 80 Prozent der Befragten dass der Einsatz mehrerer unterschiedlicher Pflanzen-schutzmittel zu gesundheitlichen Beeintraumlchtigungen durch Le-bensmittel fuumlhren kann

Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck sein

Zwar zeigen verschiedene aktuelle Monitoring-Projekte dass das gesundheitliche Risiko durch Mehrfachruumlckstaumlnde von Pflanzen-schutzmitteln unwahrscheinlich ist (s Interview) aber das Thema bleibt auch fuumlr die Wissenschaft draumlngend Denn auch wenn Mi-schungen schon seit Jahrzehnten wissenschaftlich analysiert und bewertet werden das Beduumlrfnis nach einer zuverlaumlssigen Bewertung der Risiken fuumlr Mensch und Umwelt steigt Grund dafuumlr ist zum einen die Vielzahl immer neuer Wirkstoffe Zusatzstoffe Chemika-lien Ruumlckstaumlnde und Kontaminanten gegenuumlber denen Menschen exponiert sind verbunden mit immer verfeinerten wissenschaftli-chen Nachweismethoden Zum anderen steigt der Druck aus der Oumlffentlichkeit Um wissenschaftliche Divergenzen zu vermeiden muumlssen transparente und international harmonisierte Verfahren entwickelt werden Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck in der Risikobewertung sein

Alle Gemische im Tierversuch zu testen ist nicht durchfuumlhrbar

Worum geht es im Einzelnen Mischungen liegen immer dann vor wenn ein Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt verschiedene Stoffe gleichzeitig aufnimmt z B Ruumlckstaumlnde Kontaminanten oder Chemikalien die nach der Europaumlischen Chemikalienverordnung REACH registriert sind Das geschieht wenn sogenannte intentional mixtures also beabsichtigte Mischungen wie Pflanzenschutzmittel oder Biozide in den Verkehr gebracht werden Aber auch unintenti-onal mixtures nimmt der Koumlrper auf Sei es dass verschiedene Stoffe in einem Produkt enthalten sind z B mehrere Pflanzenschutzmit-telruumlckstaumlnde in einem Apfel Oder sei es dass Stoffe gleichzeitig uumlber unterschiedliche Produkte aufgenommen werden In all diesen Faumlllen koumlnnen Mischungseffekte auftreten Diese sind je nach Wirk-mechanismus unterschiedlich stark ausgepraumlgt So koumlnnen sich die Wirkungen von Stoffen gegenseitig potenzieren oder auch aufheben Nach derzeitigem Kenntnisstand wird davon ausgegangen dass sich Wirkungen in der Regel addieren wenn die aufgenommenen Stoffe oberhalb der Wirkschwelle liegen den gleichen Wirkmechanismus haben und zu einem relevanten Zeitpunkt vom Organismus aufge-nommen wurden

Hier beginnen die Schwierigkeiten Es gibt zu viele intentional mix-tures die eine nahezu unuumlbersehbar groszlige Anzahl von Kombinati-onen ermoumlglichen Diese Gemische alle im Tierversuch zu testen wie sonst bei Einzelsubstanzen uumlblich waumlre sowohl ethisch nicht zu vertreten als auch praktisch nicht durchfuumlhrbar Daher arbeiten viele Forschungsprojekte u a der EU-Kommission daran tierversuchs-freie Methoden fuumlr die kumulative Bewertung zu entwickeln die die Effekte von Mischungen in vitro oder durch computergestuumltzte Be-rechnungen in silico berechnen (s Interview und Kasten)

Weltweit setzen Laumlnder das Thema auf ihre Agenda

Nicht nur fuumlr die Wissenschaft auch fuumlr den harmonisierten Voll-zug von Gesetzen ergeben sich dadurch neue Herausforderungen So schreibt z B die EU-Verordnung uumlber das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vor Kumulations- und Synergieeffekte zu be-ruumlcksichtigen ndash sofern es von der Behoumlrde anerkannte wissenschaft-liche Methoden zur Messung solcher Effekte gibt Doch die lagen bisher nicht vor Deshalb werden nun auf allen Ebenen technische Leitfaumlden fuumlr die neuen Methoden erstellt um eine harmonisierte

Auf die Mischung kommt es anKumulative Risikobewertung nimmt weltweit eine immer groumlszligere Bedeu-tung in der Toxikologie ein Das BfR arbeitet an einer Vielzahl von Projek-ten wie Mischungen in Zukunft bewertet werden koumlnnen

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

31012017

Vorgehensweise und transparente Nachvollziehbarkeit bei der Zu-lassung von Produkten zu gewaumlhrleisten Unter anderem die EFSA die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmittelsicherheit die Europauml-ische Chemikalienagentur ECHA und das JRC die Gemeinsame Forschungsstelle der Europaumlischen Kommission erarbeiten solche technischen Leitfaumlden

Neben der wissenschaftlichen Komplexitaumlt muumlssen diese techni-schen Leitfaumlden weitere Herausforderungen meistern Sie sollen fuumlr alle Bereiche gelten in denen Mischungen in Verkehr gebracht werden oder entstehen koumlnnen Bisher wurden Mischungen haumlufig nur in einem regulatorischen Bereich untersucht z B als Pflan-zenschutzmittel Biozid oder Arzneimittel Fuumlr andere Stoffe wie Lebensmittelzusatzstoffe oder Kontaminanten war die Bewertung von Mischungen bisher nicht klar gesetzlich reguliert In Zukunft sollen auch diese Stoffe bei einer Bewertung von Mischungen besser beruumlcksichtigt werden Auch soll nicht nur die chemische Zusam-mensetzung eines einzelnen Produktes systematisch bei der Zu-lassung beruumlcksichtigt werden sondern auch Mehrfachruumlckstaumlnde im gesamten Warenkorb den Verbraucherinnen und Verbraucher durchschnittlich zu einer gegebenen Zeit konsumieren Und zu gu-ter Letzt muumlssen die neuen Verfahren weltweit harmonisiert werden um das kumulative Risiko fuumlr Mensch und Umwelt auch angesichts globaler Warenketten gering zu halten Deshalb diskutieren Politik und Wissenschaft zurzeit nicht nur auf europaumlischer Ebene entspre-chende Leitfaumlden auch andere Laumlnder weltweit sowie die Weltge-sundheitsorganisation WHO und die Organisation fuumlr wirtschaftli-che Zusammenarbeit und Entwicklung OECD haben die kumulative Bewertung auf ihre Agenda genommen und stimmen ihre Guidance Documents mit den uumlbrigen Behoumlrden ab

Deutschland wendet die kumulative Bewertung schon an

Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR sind an zahlreichen dieser internationalen Projekte beteiligt sowohl an der wissenschaftlichen Erforschung kumulativer Effekte als auch an der Entwicklung technischer Leitfaumlden Einen wichtigen Schritt bei der kumulativen Bewertung hat Deutschland in der Europaumlischen Uni-

Stufe um Stufe zu einer gesicherten Bewertung

Seit Maumlrz 2017 wird in Deutschland eine Methodik fuumlr die Bewertung von Kumulations- und Synergie-effekten bei der gesundheitlichen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln in den Zulassungsverfahren angewandt Grundlage fuumlr das gestufte kumulative Bewertungsverfahren ist der sogenannte bdquoHazard Quotientldquo (HQ) der fuumlr jeden einzelnen Stoff ermit-telt wird Der HQ errechnet sich aus dem Verhaumlltnis zwischen dem relevanten gesundheitlichen Grenz-wert und der geschaumltzten Exposition

In einer ersten Stufe wird der HQ fuumlr alle Stoffe eines Gemisches einzeln ermittelt Liegt der HQ jedes Stoffes unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko fuumlr die einzelnen Bestandteile der Mischung zu erwarten Liegt dieser bei einzelnen Stoffen uumlber 1 wird gepruumlft ob die Exposition durch geeignete Maszlignahmen weiter vermindert werden kann zum Beispiel durch das Tragen entsprechender Schutz-kleidung

Liegt der HQ fuumlr alle Komponenten unter 1 wird in einer zweiten Stufe der sogenannte bdquoHazard Indexldquo (HI) des Gemisches ermittelt indem alle Gefahren-quotienten der verwendeten Stoffe addiert werden Liegt der ermittelte Wert weiterhin unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko durch das Gemisch zu erwarten

Liegt der HI uumlber 1 geht die Bewertung mit weiter verfeinerten Methoden in die dritte Stufe uumlber In dieser wird gepruumlft ob ein gesundheitliches Risiko vorliegt wenn eine Gruppierung der Einzelstoffe vorgenommen wird Dazu koumlnnen die einzelnen Stoffe in kumulative Bewertungsgruppen (cumula-tive assessment groups CAGs) eingeteilt werden die z B nach Effekten im gleichen Zielorgan oder nach dem gleichen Wirkmechanismus oder nach chemischer Verwandtschaft definiert sein koumlnnen Hintergrund dieser Einteilung ist die Annahme dass sich nach gegenwaumlrtigem Kenntnisstand nur Effek-te addieren die hinsichtlich der Zielorgane oder der Wirkmechanismen (MOA) vergleichbar sind Auch die relative Potenz der einzelnen Stoffe soll bei der verfeinerten Bewertung beruumlcksichtigt werden Liegt der HI innerhalb einer CAG unter 1 ist deshalb kein gesundheitliches Risiko zu erwarten Liegt er oberhalb des Wertes und koumlnnen weder Expositionsschaumltzung noch Gefahrenbewertung weiter verfeinert werden gilt das Gemisch als nicht sicher

Das mehrstufige Verfahren hat den Vorteil dass die ressourcenaufwendigeren Methoden zur verfei-nerten Bewertung z B in vergleichbaren CAGs oder MOAs nur zum Einsatz kommen wenn mit den ersten einfacheren Bewertungsmethoden nicht nachweisbar ist dass kein gesundheitliches Risiko zu erwarten ist

copy T

atom

mis

tock

com

32 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

EuroMix A tiered strategy for risk assessment of mixtures of multiple chemicals

EuroMix ist ein laumlnderuumlbergreifendes Projekt der EU-Kommission das die nie-derlaumlndische Behoumlrde fuumlr Gesundheit und Umweltschutz RIVM koordiniert Es zielt darauf ab eine tierversuchsfreie experi-mentelle Test-Strategie zu entwickeln um die Toxizitaumlt von Gemischen verschiedener toxikologisch relevanter Lebensmittelin-haltsstoffe Lebensmittelkontaminanten und Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde besser zu bestimmen Aus den Forschungsergeb-nissen wird ein Leitfaden fuumlr die kuumlnftige Umsetzung einer experimentellen Test-Stra-tegie entwickelt Das Acht-Millionen-Eu-ro-Projekt laumluft bis Mai 2019

Mehr erfahren wwweuromixprojecteu

Kombinationseffekte Forschungsprojekte des BfR

Am BfR werden in verschiedenen Abteilungen mehrere interne Forschungsprojekte zu Kombinationseffekten durch-gefuumlhrt Dazu gehoumlren u a Forschungsprojekte zu kumulativen Wirkungen in Pflanzenschutzmitteln und Bioziden zu Mehrfachruumlckstaumlnden in Lebensmitteln zur Expositionsschaumltzung sowie zu wirbeltierfreien Alternativmethoden Daruumlber hinaus ist und war das BfR auch an folgenden Drittmittel-Projekten beteiligt die zu Kombinationseffekten forschen

Combiomics Analyse von Kombinationseffekten von Pestiziden in vitro

Combiomics war ein zweieinhalbjaumlhri-ges Projekt des Bundesministeriums fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) das im Fruumlhling 2016 abgeschlossen wurde In dem vom BfR koordinierten Projekt wurden moumlgliche Kombinationswirkungen durch Mehrfachruumlckstaumlnde beispielhaft anhand einer Gruppe von Fungiziden in vitro unter-sucht Dazu wurden die molekularen Effek-te der Triazole mittels multi level omics und praumldiktiver mathematischer Modellierung untersucht Ausgehend von den Ergebnissen wurde ein Praumldiktionsmodell fuumlr Substanz-kombinationen erstellt validiert und auf Pestizide anderer Stoffgruppen bzw weitere Substanzklassen ausgedehnt um Kombi-nationseffekte kuumlnftig weitgehend ohne Tierversuche durchfuumlhrbar zu machen

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschung gt Drittmittelprojekte gt Combiomics

Combiomics 2Auch die zweite Projektphase von Com-biomics wird vom BfR koordiniert Hier sollen erfolgreich getestete Methoden und Zelllinien in Form einer standardisierten In-vitro-Testbatterie validiert und in ein Standardverfahren integriert werden das auch kuumlnftigen regulatorischen Anforde-rungen entspricht Das dreijaumlhrige Projekt wird vom BMBF bis Ende 2019 gefoumlrdert

Mehr erfahren wwwfisaonlinede gt Kombinationseffekte Pestizide

on schon jetzt unternommen Am 1 Maumlrz 2017 erschien im Bundesanzeiger eine Be-kanntmachung dass Kumulations- und Synergieeffekte in der gesundheitlichen Be-wertung von Pflanzenschutzmitteln kuumlnf-tig durch das BfR beruumlcksichtigt werden Damit bezieht Deutschland bei der zonalen Zulassung von Pflanzenschutzmitteln eine systematische kumulative Bewertung ein

Ein Leitfaden zur kumulativen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln wurde am BfR erarbeitet basierend auf den internatio-nalen Diskussionen bei EFSA und ECHA und 2014 veroumlffentlicht Seitdem wird das Verfahren am BfR angewandt uumlberpruumlft und verfeinert Im Kern geht es darum in einem mehrstufigen Verfahren verschie-dene Wirkstoffe in einem Pflanzenschutz-mittel oder in einer beantragten Tankmi-

schung kumulativ zu bewerten (s Kasten) Dazu werden sowohl die Exposition der Anwenderinnen und Anwender als auch die akute Exposition der Verbraucherinnen und Verbraucher betrachtet sodass die am meisten exponierten Gruppen beruumlcksich-tigt sind

Das Ziel Mischungen weltweit harmonisiert zu bewerten

Die Einfuumlhrung der Konzepte zur kumu-lativen Bewertung von Pflanzenschutzmit-teln hat auch in anderen EU-Laumlndern Aus-wirkungen auf die Risikobewertung Wenn Deutschland im zonalen Zulassungsverfah-ren bewertender Mitgliedstaat ist wird das Verfahren grundsaumltzlich angewandt Aber auch in die Bewertungsberichte anderer Laumlnder flieszligt die kumulative Bewertung als

deutscher Kommentar mit ein Durch den fachlichen Austausch zwischen den Mit-gliedstaaten wurde das Konzept in den letz-ten Jahren einem Peer-Review unterzogen Um die Praxis europaweit noch besser zu harmonisieren werden derzeit auszligerdem internationale Workshops organisiert auf denen diskutiert wird wie Mischungen bei der Risikobewertung kuumlnftig beruumlcksichtigt werden sollen Das BfR veranstaltet einen solchen Workshop im November 2017 im Auftrag der Europaumlischen Kommission die Franzoumlsische Behoumlrde fuumlr gesundheitlichen Verbraucher- Umwelt- und Arbeitsschutz (ANSES) einen weiteren im Februar 2018 unter aktiver Beteiligung des BfR

Das Ziel Mischungen weltweit harmoni-siert zu bewerten um Mensch und Umwelt besser zu schuumltzen ruumlckt damit naumlher

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

33012017

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

bdquoZiel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertungldquo Interview mit Herrn Dr Roland Solecki uumlber die Forschungsaktivitaumlten des BfR zu Mehrfachruumlckstaumlnden

Herr Solecki bei Mehrfachruumlckstaumlnden von Pflanzenschutzmitteln sprechen die Medien oft von einem bdquoGiftcocktailldquo Haben Sie Erkenntnisse daruumlber wie groszlig das gesundheitliche Risiko tat-saumlchlich istDas BfR hat dazu gemeinsam mit dem Bun-desministerium fuumlr Ernaumlhrung und Land-wirtschaft und dem Bundesamt fuumlr Ver-braucherschutz und Lebensmittelsicherheit einen Bericht uumlber die kumulativen Wir-kungen von Pflanzenschutzmitteln veroumlf-fentlicht Dieser basiert auf einer Methodik der niederlaumlndischen Behoumlrde fuumlr Gesund-heit und Umweltschutz RIVM Hintergrund ist ein Monitoring das uumlber einen Zeitraum von sechs Jahren in Deutschland durchge-fuumlhrt wurde Darin wurde untersucht wel-che Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde durch-schnittlich uumlber Lebensmittel aufgenommen werden Das Ergebnis war dass auch unter Worst-Case-Annahmen fuumlr die Mischungen von Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnden ein gesundheitliches Risiko unwahrscheinlich ist Die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit EFSA kam in ihrem Monito-ring-Bericht von 2015 fuumlr Gesamteuropa zu einem aumlhnlichen Ergebnis

Sie arbeiten unter anderem bei dem Pro-jekt EuroMix mit Worum geht es dabeiEs handelt sich um ein groszliges Forschungs-projekt der EU-Kommission zur kumulati-ven Bewertung von Mischungen im Rahmen von Horizont 2020 dem Rahmenprogramm der Europaumlischen Union fuumlr Forschung und Innovation Das Projekt hat zum Ziel neue Bewertungsmethoden fuumlr Mischungseffekte zu erarbeiten besonders auch im Hinblick auf Alternativen zu Tierversuchen innovati-ve Wege der Expositionsschaumltzung und Mo-dellierung von kumulativen Risiken Dabei geht es nicht nur um Pflanzenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatzstoffe und andere Chemikalien

Wie ist das BfR da in EuroMix einge-bundenVom BfR arbeiten sowohl die Abteilung Sicherheit von Pestiziden als auch die Ab-teilung fuumlr Lebensmittelsicherheit am Eu-roMix-Projekt mit Waumlhrend die von mir geleitete Abteilung fuumlr die regulative Bewer-tung eingebunden ist werden in der Abtei-lung Lebensmittelsicherheit experimentelle Arbeiten unter anderem zur Lebertoxizitaumlt durchgefuumlhrt in denen auch Kombinatio-nen von Pestiziden mit anderen Lebensmit-telinhaltsstoffen gepruumlft werden

Woran forschen Sie im EuroMix-ProjektWir haben zunaumlchst recherchiert welche gesetzlichen Anforderungen bestehen und wie unterschiedliche Behoumlrden weltweit

Mischungseffekte bewerten Und wir haben Forschungen zu Mischungen durchgefuumlhrt die bestimmte adverse Effekte auf die Leber verursachen Dabei wurden bestimmte Schluumlsselelemente untersucht um daraus ein Konzept fuumlr die Bewertung zu erarbei-ten Jetzt werden die Omics-Untersuchun-gen und andere alternative Pruumlfverfahren noch durch Tierversuche ergaumlnzt sodass wir auch am Gesamtorganismus die Effek-te uumlberpruumlfen koumlnnen Gleichzeitig werden die statistischen Hilfsmittel und die ande-ren elektronisch basierten Tools weiterent-wickelt Auszligerdem folgen noch weitere Stu-dien zur Exposition Die finalen Ergebnisse liegen am Ende des Projekts im Jahr 2019 vor

In welche weiteren europaumlischen Aktivi-taumlten ist das BfR eingebundenDie EFSA hat bereits einige Ansaumltze zur Bewertung der kombinierten Exposition gegenuumlber mehreren Pestiziden und Kon-taminanten bei Menschen sowie mehreren Pestiziden bei Bienen entwickelt Derzeit ist die EFSA damit befasst neue Ansaumltze und Instrumente zur Harmonisierung der Be-wertung von Risiken fuumlr Mensch und Um-welt zu erarbeiten die von der Exposition gegenuumlber mehreren chemischen Stoffen in der Lebensmittelkette ausgehen Ich bin derzeit Mitglied einer Arbeitsgruppe von Sachverstaumlndigen die der Wissenschaftliche Ausschuss der EFSA eingerichtet hat um Leitlinien im Hinblick auf die kombinierte Exposition gegenuumlber mehreren chemi-schen Stoffen zu entwickeln Diese Initiative unter dem Namen bdquoMixToxldquo wird 2018 den Leitfaden in einer oumlffentlichen Konsultation diskutieren

Bei dieser Vielzahl an Aktivitaumlten Wel-ches Ziel haben Sie persoumlnlich vor Au-genDas Ziel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertung von Stoffen in der gesundheitlichen Risikocharakterisie-rung und deren harmonisierte Implemen-tierung in den gesetzlichen Verfahren Dies wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen

bdquoBei den kumulati-ven Risiken geht es nicht nur um Pflan-zenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatz-stoffe und andere Chemikalien

Dr Roland Solecki leitet die Abteilung bdquoSicherheit von Pestizidenldquo am BfR

copy B

fR

34 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

SPEKTRUM

Identifizierung endokriner Disruptoren Vom Grundsatz in die Praxis

Fuumlr Pestizid-Wirkstoffe und andere Chemikalien sind harmonisierte wissenschaftliche Kriterien erforderlich mit denen hormonschaumldigende Substanzen identifiziert werden koumlnnen Das BfR veroumlffentlichte hierzu bereits 2016 ein Konsenspapier als wissenschaftliche Grundlage fuumlr die darauffolgende Arbeit der EU-Behoumlrden Auf legislativer Ebene werden aktuell EU-weit geltende Ver-ordnungen festgelegt um auf wissenschaftlicher Ebene Leitlinien zur regulatorisch harmonisierten Umsetzung dieser Verordnungen zu erarbeiten Mit dieser Aufga-be hat die EU-Kommission die EFSA und die ECHA gemeinsam beauftragt Das BfR unterstuumltzt die Behoumlr-den mit wissenschaftlicher und technischer Expertise indem es die entsprechende Arbeitsgruppe bei der EFSA personell verstaumlrkt sowie Recherchen und Umfragen zur Praktikabilitaumlt von Untersuchungsmethoden durchfuumlhrt Die Publikation der Leitlinien wird fuumlr Fruumlhjahr 2018 erwartet Sie koumlnnen auf Basis der verabschiedeten Ver-ordnungen nach ihrer Implementierung in der Genehmi-gungspraxis angewendet werden

Mehr erfahren Solecki et al 2017 Scientific principles for the identification of endocrine-disrupting chemicals a consensus statement Arch Toxicol 91 1001ndash1006

Insekten-Stopp in Textilien Allergene Wirkung unwahrscheinlich

Das Risiko fuumlr eine Allergie nach dem Kontakt mit Kleidung und Produkten die mit dem Biozid Permethrin behandelt sind ist nach derzeitigem Kenntnisstand unwahrscheinlich Das ist das Ergebnis einer aktuellen Risikobewertung des BfR Gestuumltzt wird das Ergebnis dadurch dass trotz weitverbreiteter Anwendung des Wirkstoffs in Medikamenten und Verbraucherprodukten kein Anstieg der Kontaktallergien gegenuumlber Permethrin zu verzeichnen ist Das Risiko fuumlr kanzero-gene systemische Effekte infolge einer dermalen und oralen Exposition gegenuumlber Permethrin aus Textilien ist nach Ansicht des BfR vernachlaumlssigbar gering Permethrin ist ein biozider Wirkstoff der zum Schutz gegen Insekten in Produkten wie Schlafsaumlcken Picknick- und Yogadecken sowie Teppichen und Kleidung eingesetzt wird Er ist im Chemikalienrecht als sensibilisierend eingestuft ein moumlgliches geringes kanzerogenes Potenzial wird von verschiedenen wissenschaftlichen Gremien diskutiert Der Wirkstoff kann aus Textilien freigesetzt und uumlber die Haut aufgenommen werden Bei kleinen Kindern die viele Produkte in den Mund nehmen kommt eine moumlgliche orale Aufnah-me des Stoffes hinzu

Mehr erfahren Stellungnahme Nr 0062017 des BfR vom 25 April 2017

Wie wirkt Aluminium in Leber und Darm

Aluminium ist in Lebensmitteln Kosmetika und Bedarfsge-genstaumlnden enthalten und kann uumlber die Nahrung aufgenom-men werden Erste Ergebnisse aus dem deutsch-franzoumlsischen Forschungsprojekt bdquoSolNanoToxldquo mit Beteiligung des BfR zeigen dass sich aus der Nahrung aufgenommene Aluminiumverbin- dungen temporaumlr im Darm anreichern Ob und in welchen Men-gen die Partikel weiter in den Koumlrper insbesondere in die Leber gelangen und welche Faktoren ihre Wirkung beeinflussen wird aktuell erforscht Die Forschungsgruppe sieht Anhaltspunkte dafuumlr dass ein Teil der angereicherten Partikel mit dem Stuhl wieder ausgeschieden wird Fuumlr seine Untersuchung simulierte das BfR anhand biologischer Proben die Verdauung verschiede-ner Aluminiumarten vom Mund uumlber den Magen bis zum Darm Mithilfe von Enzymen und Salzen wurden dabei physiologische Parameter wie der pH-Wert gesteuert Waumlhrend des simulierten Verdauungsprozesses veraumlnderten die Aluminiumverbindungen ihre chemische Reaktionsfaumlhigkeit und Loumlslichkeit Die Erkennt-nisse sind ein erster Schritt um den Prozess der Aufnahme Resorption und Verteilung von Aluminium im Koumlrper besser zu verstehen und daraus Daten fuumlr die Risikobewertung abzuleiten Aluminiumverbindungen koumlnnen in zu hohen Dosen toxisch auf das Nervensystem und ungeborenes Leben wirken sowie die Fruchtbarkeit und Knochenentwicklung beeinflussen

copy B

fR

copy c

gsto

cks

hutte

rsto

ckc

om

copy R

osel

ynne

shu

tters

tock

com

35012017

Bei Kleidung ist besonders der Einsatz von Silber-Nanopartikeln weit verbreitet Silber wirkt antibakteriell und soll die Geruchs-bildung durch Schwitzen reduzieren Beim Einsatz von Nanosilber in Kleidungsstuuml-cken ist in erster Linie eine Freisetzung in Schweiszlig und somit ein moumlglicher Hautkon-takt relevant Neben der Frage ob und in welcher Menge Silber prinzipiell aus Texti-lien herausgeloumlst wird beschaumlftigt sich die Forschung mit der Frage welchen Einfluss die Technologie hat mit der Nanosilber auf Textilien aufgetragen bzw eingebracht wird Bisher war zudem unklar inwiefern die Oberflaumlchenbeschichtung der Nano-partikel die Abgabe beeinflusst

Kuumlnstlicher Schweiszlig simuliert Freisetzung

In einem Forschungsprojekt pruumlfte das BfR neun Proben von Textilien die mit Nanosil-ber veredelt waren Als Vergleich diente ein mit konventionellem Silber (hier Silbersalz mit einem Partikeldurchmesser groumlszliger als 100 Nanometer) ausgeruumlstetes Textil Zwei der Textilien waren sogenannte Komposite bei denen Nanosilber in die Faser integriert ist Bei den anderen getesteten Textilien war die Faseroberflaumlche mit Silber-Nano-partikeln bzw in einem Fall mit konventio-nellem Silber beschichtet (Textil-Coating) Um die Abgabe von Silber durch Schwitzen

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

Kleidung wird durch sie wasser- und schmutzabweisend sie blocken UV-Strahlen und mindern Geruumlche Nanoma-terialien haben beliebte funktionelle Eigenschaften Ob sie aufgrund ihrer Winzigkeit gesundheitliche Risiken bergen ist indes noch weitgehend unbekannt In einem Forschungsprojekt uumlber Nanosilber hat das BfR ermittelt ob sich die Kleinstteilchen aus Textilien herausloumlsen und damit zum gesundheitlichen Risiko werden koumlnnen

Nanomaterial

ist ein natuumlrliches bei Prozessen anfallendes oder kuumlnstlich hergestelltes Material das Partikel in ungebundenem Zustand als Aggregat oder als Agglo-merat enthaumllt und bei dem die Mehrheit der Partikel ein oder mehrere Auszligen-maszlige im Bereich unter 100 Nanometer hat In Nanogroumlszlige kann ein Stoff andere Eigenschaften besitzen als wenn er in Form groumlszligerer Partikel vorliegt

copy o

still

shu

tters

tock

com

36 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von Textilfasern Links Nanokomposit bei dem kaum Silberpartikel an der Faseroberflaumlche zu finden sind Mitte und rechts Textilien mit Silbercoating hier befindet sich insgesamt mehr Silber auf der Oberflaumlche

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

zu simulieren wurden die Textilien fuumlr 24 Stunden in einer Schweiszligsimulanz-Louml-sung inkubiert Fuumlr die Auswertung wurde zunaumlchst der gesamte Silbergehalt in den Schweiszligloumlsungen mit massenspektromet-rischen Messmethoden bestimmt In den Proben in denen Silber vorhanden war wurden anschlieszligend mit Zentrifugation und einer speziellen Methode zum Messen von Einzelpartikeln geloumlstes und partikulauml-res Silber unterschieden Im letzten Schritt wurden die Partikelgroumlszligen des vorgefun-denen partikulaumlren Silbers gemessen um nanoskaliges Silber zu identifizieren

Silber aus Kleidung freigesetzt

Die Untersuchung des BfR zeigte dass von jeder Textilprobe Silber in die Schweiszligsi-mulanz-Loumlsung uumlberging je nach geteste-tem Textil zwischen 7 und 75 Prozent des originaumlr in den Textilien enthaltenen Sil-bers Dabei setzten die beschichteten Tex-tilien mehr Silber frei als die Komposite Den houmlchsten abgegebenen Anteil fand das BfR bei dem mit konventionellem Silber beschichteten Textil Die Freisetzung wird demnach staumlrker durch die Technologie der Veredelung bestimmt als durch die im Tex-til enthaltene Menge Auszligerdem scheint die Abgaberate von Silber aus Nanosilber im Vergleich zu konventionellem Silber nicht erhoumlht zu sein

In der Schweiszligloumlsung lag das freigesetzte Silber uumlberwiegend geloumlst vor Partikulaumlres Silber fand sich nur zum geringeren Teil dann jedoch auch im Nanometerbereich Ob es sich dabei um einzelne Nanoparti-kel handelt oder ob das Silber an groumlszligere Partikel gebunden ist muss in weiteren Untersuchungen uumlberpruumlft werden Nach

derzeitigem wissenschaftlichem Kennt-nisstand geht man davon aus dass sich Nanopartikel im Koumlrper anders verhalten als groumlszligere Partikel Uumlberraschenderweise detektierte die Forschungsgruppe auch in den Schweiszligsimulanzien der mit konven-tionellem Silber beschichteten Textilien partikulaumlres Silber in Nanogroumlszlige Das Vor-kommen von Silberpartikeln scheint also nicht davon abhaumlngig zu sein ob das Silber in Nano- oder konventioneller Form auf das Textil aufgebracht wurde

In einer parallelen Untersuchung fanden die Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler heraus dass zudem die Beschaffenheit der Nanopartikel beispielsweise in Form einer speziellen Beschichtung ihre Loumlslichkeit in der Schweiszligloumlsung beeinflusst

Art der Beschichtung relevant

Silber wird demnach aus Textilien freige-setzt in geringen Teilen sogar in partiku- laumlrer Form Die gewaumlhlte Form der Tex-tilfunktionalisierung aber auch die Be-schaffenheit der Nanopartikel stellen dabei wichtige Kriterien fuumlr das Freisetzungsver-halten dar Solche Erkenntnisse sind vor al-lem fuumlr den sicheren Einsatz von Nanoma-terialien in Alltagsprodukten wichtig weil die Exposition des Menschen gegenuumlber derartigen Stoffen moumlglichst klein gehalten werden sollte Auszligerdem geben sie Hin-weise in welcher Anwendungsform Nano-materialien im verbrauchernahen Bereich sicher eingesetzt werden koumlnnen

Mehr erfahren Wagener et al 2016 Textile Functionalization and Its Effects on the Release of Silver Nanoparticles into Artificial Sweat Environ Sci Technol 50 11 5927ndash5934

Per Flugzeitmassenspek-trometer laumlsst sich Silber auf beschichteten Textil-fasern detektieren

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

NANOPARTIKEL

37012017

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

38 BfR 2 GO

Neuer Ansatz fuumlr Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

Spiegelbild gesucht

Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR zeigt einen neuen Ansatz um mithilfe von Genexpressionsdaten das geeignete Tiermodell fuumlr die Grundlagenforschung oder fuumlr spezifische klinische Fra-gestellungen zu identifizieren Damit koumlnnen zukuumlnftig unnoumltige Tierversu-che vermieden werden Hamburger Wissenschaftsbehoumlrden wuumlrdigten die Erkenntnisse mit einem Forschungspreis

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

39012017

Fragestellung

Vergleich

Auswahl

z B bdquoMit welchem Mausmodell koumlnnen die Ursachen von Alzheimer erforscht werdenldquo

Vergleich von vorhandenen Omics-Expressionsdaten von Mensch und Tier

Auswahl des geeigneten Modells

1

2

3

Geeignete Tiermodelle identifizieren

An Tiermodellen werden zahlreiche biologische Prozesse und Krankheiten wie Wund-

heilung Diabetes Tumoren oder entzuumlndliche Erkrankungen erforscht Durch den

Vergleich der Omics-Expressionsdaten von Tiermodell und Mensch koumlnnen geeignete

Modelle fuumlr die jeweilige Fragestellung identifiziert werden

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

40 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Verlaumluft ein entzuumlndlicher Prozess bei Maumlusen aumlhnlich wie beim Menschen Sind Maumluse daher geeignete Ver-

suchstiere fuumlr Tests von antientzuumlndlichen Substanzen Um Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung in den klinischen Alltag zu uumlberfuumlhren ndash Aufgabengebiet der translationalen Forschung ndash werden wissen-schaftliche Fragestellungen oft in Tierversu-chen erprobt Ob und inwieweit die Ergeb-nisse auf den Menschen uumlbertragbar sind ist dabei immer wieder Gegenstand kontrover-ser Diskussionen Geeignete Methoden mit denen die Wissenschaft Tiermodelle mit op-timaler Uumlbertragbarkeit auf den Menschen auswaumlhlen kann wuumlrden dem wissenschaft-lichen Fortschritt helfen und die Zahl der Tierversuche reduzieren Es geht dabei um die Frage welches Tiermodell am besten das menschliche System widerspiegelt

Vergleichbarkeit von Genom- daten fehleranfaumlllig

Als Grundlage fuumlr diese Uumlberlegungen die-nen Daten aus modernen bioanalytischen Hochdurchsatzverfahren Immer haumlufiger setzt die Wissenschaft auf diese sogenannten Omics-Technologien die die Gesamtheit aller Gene und ihrer Produkte analysieren ndash sowohl beim Tier als auch beim Menschen Mit ihnen lassen sich molekulare Prozesse in lebenden Systemen umfassend darstel-len indem sie beispielsweise die Interaktion hunderter bis tausender Genprodukte zei-gen Die Analyse dieser zunehmend kom-plexen Omics-Datensaumltze stellt die Wissen-schaft jedoch vor Probleme da das Vorgehen dazu nicht standardisiert ist Die Interpreta-tion der Ergebnisse ist bisher meist von der Kompetenz der Durchfuumlhrenden und von der angewandten Methode abhaumlngig Im Ergebnis war die Entscheidung zur Frage der Uumlbertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen fehleranfaumlllig und die Suche nach

geeigneten Tiermodellen erschwert Die ge-ringe Standardisierung der Interpretation von Omics-Daten fuumlhrte in Forschungs-kreisen bereits zu widerspruumlchlichen Er-gebnissen so zum Beispiel bei zwei Studien aus den Jahren 2013 und 2015 die sich mit der Vergleichbarkeit von entzuumlndlichen Er-krankungen beim Menschen und gaumlngigen Mausmodellen beschaumlftigten Waumlhrend eine Forschungsgruppe im Jahr 2013 schlussfol-gerte dass entzuumlndliche Prozesse zwischen Mensch und Maus nicht vergleichbar seien kam eine andere Gruppe zwei Jahre spaumlter anhand der gleichen Omics-Daten zum ge-genteiligen Schluss Die Maus reagiere auf der molekularen Ebene sehr aumlhnlich wie der Mensch und sei daher als Tiermodell sehr nuumltzlich fuumlr die Erforschung menschlicher Erkrankungen Zwar ist es nicht ungewoumlhn-lich dass Ergebnisse von Studien unter-schiedlich eingeschaumltzt werden ndash allerdings selten auf Basis der gleichen Daten

Motivation des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR war es diese Widerspruumlche aufzuklaumlren und einen standardisierten und zielgerichteten Analyseansatz zu entwickeln der die Suche nach geeigneten Tiermodellen vereinfacht und somit unnoumltige Tierversuche vermei-den hilft Es gehoumlrt zu den Kernaufgaben des Bf3R bundesweit alle Aktivitaumlten zu koordi-nieren mit den Zielen Tierversuche auf das unerlaumlssliche Maszlig zu beschraumlnken und fuumlr Versuchstiere den bestmoumlglichen Schutz zu gewaumlhrleisten Die Aufgaben des Bf3R wer-den vom BfR wahrgenommen

Genomdaten von Tier und Mensch gezielt vergleichen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler des Bf3R haben die Omics-Daten aus den beiden erwaumlhnten widerspruumlchlichen Studien mithilfe hochperformanter Com-

puter nochmals systematisch ausgewertet Dabei wurden zunaumlchst die zu verglei-chenden Gene gruppenweise biologischen Prozessen zugeordnet die wesentlich fuumlr ein Entzuumlndungsgeschehen sind Diese Gene Set Enrichment Analysis (GSEA) ge-nannte Methode greift auf umfangreiche in oumlffentlichen Datenbanken hinterlegte Genomdaten gaumlngiger Tiermodelle und von Erkrankten zuruumlck Mit ihrer Heran-gehensweise konnten die Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler des BfR an-schlieszligend Veraumlnderungen auf der Ebene pathologischer Signalwege erkennen und Unterschiede zwischen Tiermodell und Mensch identifizieren Da der Groszligteil der untersuchten Genprodukte haumlufig nur geringfuumlgig veraumlndert war konnten bei der Analyse auf Ebene vollstaumlndiger bio-logischer Signalwege alle Gene einbezogen und Aumlnderungen in der Gesamtheit eines biologischen Signalwegs bewertet werden Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu bisherigen Analyseansaumltzen da fuumlr die Klauml-rung translationaler Fragestellungen bisher haumlufig willkuumlrlich und subjektiv Gene von Mensch und Tiermodell fuumlr einen direkten Eins-zu-eins-Vergleich ausgewaumlhlt wurden

Die systematische Auswertung des Bf3R zeigte dass die Ergebnisse beim vorlie-genden Genomdatenvergleich bei einigen Mausmodellen gut mit den beim Menschen ermittelten Daten uumlbereinstimmten Bei an-deren Mausmodellen hingegen war es nicht so So aumlhnelt das Entzuumlndungsgeschehen bei Maumlusen die mit Staphylococcus aureus (Staphylococcus-aureus-Injektionsmodell) infiziert sind oder eine Darmperforation (Cecal-ligation-and-puncture-Modell) erfah-ren den meisten klinischen Proben Hin-gegen verlaufen Erkrankungen die durch Lipopolysaccharide (LPS) und Streptococcus pneumoniae verursacht werden bei Mensch und Maus verschieden

Omics

Der Terminus beschreibt Methoden zur

Analyse komplexer biologischer Proben

auf der Ebene des gesamten Genoms

von Transkripten Proteinen oder Meta-

boliten

41012017

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

Forschungsansatz hilft Tierversuche zu reduzieren

Die Methode der Datenanalyse mittels GSEA-Ansatz erleichtert es Forschungs-gruppen zukuumlnftig zielgerichtet und stan-dardisiert das optimale Tiermodell aus-zuwaumlhlen das am besten die menschliche Situation abbildet Voraussetzung dafuumlr ist die Existenz von Omics-Daten zur klini-schen Fragestellung sowie zu den infrage kommenden Tierversuchen Dies ist bereits fuumlr eine Vielzahl von Tiermodellen sowie von humanen Erkrankungen der Fall neben Entzuumlndungserkrankungen beispielsweise fuumlr Herz-Kreislauf-Erkrankungen Krebser-krankungen Atemwegserkrankungen Stoff-wechselerkrankungen und neurologische Erkrankungen Aufgrund der vermehrten Verwendung von Omics-Methoden kann davon ausgegangen werden dass stetig wei-tere systembiologische Daten ermittelt und veroumlffentlicht werden Die vom Bf3R ange-wandte Methode wird daher weiterhin bei der gezielten Auswahl von Tiermodellen nuumltzlich sein

Das Verfahren kann in der Grundlagen-forschung sowie in der translationalen und angewandten Forschung eingesetzt werden Diese Bereiche machten 2015 nach Anga-ben des Bundesministeriums fuumlr Ernaumlh-rung und Landwirtschaft mit insgesamt 73 Prozent den groumlszligten Teil der Tierversuche aus Ein Groszligteil davon entfaumlllt auf Maumluse Ratten und zunehmend auch auf Fische Grundsaumltzlich kann die neue Methode zur Auswahl des geeigneten Versuchstiermo-dells bzw zum Ausschluss nicht geeigneter Versuchstiermodelle bei jeglichen Tierver-suchen in diesen Bereichen genutzt werden Analog zu den Versuchstierzahlen liegen derzeit die meisten Omics-Daten fuumlr Maus und Ratte vor So sind beispielsweise allein in der oumlffentlichen NCBI GEO-Datenbank (National Center for Biotechnology Informa-tion Gene Expression Omnibus) derzeit Da-ten zu ca 340000 Maus-Proben und 75000 Ratte-Proben gelistet

Methode identifiziert geeignete Zellkulturmodelle

Dabei ist die Methode des Bf3R nicht auf humane und murine Datensaumltze beschraumlnkt sondern kann auf alle weiteren Spezies an-gewandt werden fuumlr die umfangreiche Da-tenbanken zu biologischen Signalwegen oder Gengruppen vorliegen Auch fuumlr die Beurteilung von zellbasierten Alternativ-methoden kann der neue Forschungsansatz

herangezogen werden Durch einen system-biologischen Abgleich der klinischen Daten mit Omics-Daten aus beispielsweise neuar-tigen 3D-Zellkulturen oder organaumlhnlichen Mikrostrukturen wird die Charakterisierung und Verifizierung von zellbasierten Alterna-tivmethoden ermoumlglicht

Praumlmierte Forschungsleistung

Fuumlr ihre Forschung erhielten die Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR 2016 den Hamburger Forschungspreis zur Foumlrderung der Entwicklung von Ersatz- und

Ergaumlnzungsmethoden Die Auszeichnung wurde zum erstem Mal von den Hamburger Behoumlrden fuumlr Gesundheit und Verbraucher-schutz sowie fuumlr Wissenschaft Forschung und Gleichstellung mit einem Foumlrderpreis in Houmlhe von 20000 Euro ausgeschrieben Der Preis wird fuumlr Arbeiten vergeben die einen Beitrag leisten Tierversuche zu ersetzen oder zu minimieren

Mehr erfahrenWeidner et al 2016 Defining the optimal animal model for translational research using gene set enrichment analysis EMBO Molecular Medicine 8 8 831ndash838

Wofuumlr Versuchstiere in Deutschland eingesetzt werden

630255Herstellung und Qualitaumlts-kontrolle medizinischer Produkte toxikologische Sicherheitspruumlfungen

22

59

14 5

1643259Grundlagenforschung

144997sonstige Zweckez B Zucht Aus- und Weiterbildung

381450translationale und angewandte Forschung

Que

lle B

unde

smin

iste

rium

fuumlr E

rnaumlh

rung

und

Lan

dwirt

scha

ft V

ersu

chst

ierz

ahle

n 20

15

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

42 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Alternativen zu Tierversuchen Forschung regional buumlndeln

Eine individualisierte Schmerztherapie fuumlr Versuchsmaumluse und eine Verringerung von Tierexperimenten zum Test der Inhala- tionstoxizitaumlt von Nanomaterialien (siehe rechte Spalte) ndash hierzu sollen die ersten Arbeitsergebnisse des BfR im Berlin-Bran-denburgischen Verbundprojekt BB3R zukuumlnftig beitragen Das Netzwerk aus Universitaumlten und Bundesinstitutionen forscht um Tierversuche zu vermeiden (Replacement) bzw zu verringern (Reduction) sowie das Leiden von Versuchstieren zu vermindern (Refinement) Das BfR ist als einer von sechs Verbundpartnern in den Bereichen der Refinement- und Replacement-Forschung beteiligt Das Bundesforschungsministerium foumlrdert das mit BB3R abgekuumlrzte Projekt fuumlr vier Jahre bis Fruumlhjahr 2018 es ist als Plattform fuumlr den wissenschaftlichen Austausch konzipiert und integriert ein Graduiertenkolleg

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschungwwwbb3rde

Belastung von Laborfischen erkennen

Koumlrperbau

Koumlrpermerkmale

Verhaltenkreisendes Schwimmen

Belastung von Laborfischen erkennen

Ob Laborfische Schmerzen empfinden oder leiden laumlsst sich mithilfe konkreter Kriterien beurteilen Die Vorarbeiten hierzu koordinierte der bdquoNationale Ausschuss zumSchutz von fuumlr wissenschaftliche Zweckeverwendeten Tierenldquo am BfR gemeinsam mit externen Sachverstaumlndigen und Beauf-tragten von Genehmigungsbehoumlrden Die erstmals definierten Kriterien bewerten unter anderem Auffaumllligkeiten im Koumlrper-bau sowie im Verhalten der Tiere Schmer-zen und Leiden koumlnnen so gezielt behandelt und gelindert werden Da die Frage der Belastung der Tiere anhand der Kriterien eindeutig geklaumlrt werden kann dienen sie zudem als Entscheidungshilfe fuumlr Behoumlr-den welche die Zucht belasteter genetisch veraumlnderter Tiere genehmigen muumlssen Fische insbesondere Zebrafische sind nach Maumlusen und Ratten die am dritthaumlufigsten verwendete Versuchstierart Die Zahl der Versuchsfische hat in den letzten Jahren stetig zugenommen

Mehr erfahren Bert et al 2016 Considerations for aEuropean animal welfare standard toevaluate adverse phenotypes in teleost fish EMBO J 35 11 1151ndash1154Empfehlung des Nationalen Ausschusses TierSchG Nr 0012015

Test der Inhalationstoxizitaumlt von Nanomaterialien

Die Einatmung gilt als wichtigster Aufnahmeweg fuumlr Nanomaterialien Im Rahmen der BB3R-Forschung bildet das BfR diese Art der Exposition mit In-vitro- Atemwegsepithelmodellen an ihrer Grenzflaumlche zur Luft ab Dieser Ansatz zum Test der Inhalationstoxi-zitaumlt hilft Anzahl und Umfang von Tierversuchen zu verringern

Versuchsaufbau Drei Roumlhrchen leiten ein Testaerosol mit luftgetragenen Nanomaterialien auf Epithelzellen

SPEKTRUM

copy B

fR

43012017

Jubilaumlumsfeier und internationales Symposium

Am 29 November 2017 feiert das BfR sein 15-jaumlh-riges Bestehen mit einem Festakt Geplant ist eine Feier mit ausgewaumlhlten Gaumlsten in der Akademie der Kuumlnste Anschlieszligend findet vom 30 Novem-ber bis zum 01 Dezember 2017 das gemeinsame internationale Symposium des BfR und seiner Schwesterinstitutionen aus Daumlnemark (DTU Food) und Frankreich (ANSES) sowie der suumldko-reanischen Behoumlrde fuumlr Lebens- und Arzneimittel-sicherheit (NIFDS) statt Unter dem Motto bdquoPast Present and Future Challenges in Risk Assessment ndash Strengthening Consumer Health Protectionldquo werden die letzten anderthalb Jahrzehnte Risikobewer-tung betrachtet Daruumlber hinaus werden aktuelle Aktivitaumlten sowie zukuumlnftige Herausforderungen des Verbraucherschutzes wie mikrobiologische Erreger chemische Substanzen Methoden und Harmonisierung auf nationaler wie internationa-ler Ebene diskutiert

VERANSTALTUNGEN

Nachwuchs foumlrdern

Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu foumlr-dern baut das BfR wissenschaftliche Nachwuchs-gruppen zu bestimmten Schwerpunktthemen auf Die bereits 2015 eingerichtete Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Warenketteldquo wird im Herbst 2017 durch einen weiteren Dokto-randen verstaumlrkt

Verstaumlrkung im Versuchstierschutz

Seit dem 1 April 2017 staumlrkt die Berufung von Herrn Universitaumltsprofessor Dr Lars Lewejo-hann den Kompetenzbereich bdquoVerminderung der Belastung und Verbesserung der Lebenssitua-tionldquo des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) Neben der Leitung der Fachgruppe bdquoTierschutz und Versuchstierkundeldquo im BfR wird Lars Lewejohann sein Wissen und neue Erkenntnisse als Hochschullehrer fuumlr bdquoTier-schutz mit dem Schwerpunkt Refinementldquo an der veterinaumlrmedizinischen Fakultaumlt der Freien Universitaumlt Berlin an Studierende und Doktoran-den weitergeben

PERSONALIEN

Alternativmethode zum Tierversuch bdquoKnochen-auf-dem-Chipldquo

Im Mai 2017 fand bei der Gemeinsamen For-schungsstelle (GFS)Joint Research Centre (JRC) der Generaldirektion (Directorate General) der Europaumlischen Kommission eine Summer School zu alternativen Ansaumltzen zum Tierversuch fuumlr die Risikobewertung in Ispra (Italien) statt Dort wurde Herr Dr Ing Frank Schulze aus der BfR-Fachgruppe bdquoZEBET ndash Alternativmethoden zu Tierversuchenldquo fuumlr seine Praumlsentation und das dazugehoumlrige Poster zum Thema bdquoEin Knochen-auf-dem-Chip fuumlr die Grundlagenwissenschaft und die Identifizierung von knochenschaumldigen-den Substanzenldquo mit einem Posterpreis (1 Platz) ausgezeichnet

copy B

fR

copy p

rivat

INSTITUTSLEBEN

44 BfR 2 GO

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

Welche Themen bewegen Verbraucherinnen und Verbrau-cher Was ist ihnen vertraut was beunruhigt sie Ant-worten auf diese Fragen liefert der BfR-Verbrauchermo-

nitor ndash eine seit 2014 regelmaumlszligig durchgefuumlhrte repraumlsentative Bevoumllkerungsbefragung mit der das BfR die generelle Einschaumlt-zung der Oumlffentlichkeit zu Verbraucherschutzthemen ermittelt In Ergaumlnzung dazu fuumlhrt das BfR Repraumlsentativbefragungen zu Ein-zelthemen durch die von besonderem aktuellem Interesse sind wie Antibiotikaresistenzen oder Pflanzenschutzmittel Die Ergeb-nisse dazu erscheinen als bdquoBfR-Verbrauchermonitor Spezialldquo Der Verbrauchermonitor ist ein wesentlicher Indikator um moumlgliche Missverstaumlndnisse oder Fehleinschaumltzungen seitens der Bevoumllke-rung fruumlhzeitig zu erkennen bdquoFuumlr uns ist es sehr wichtig konkret zu wissen was die Bevoumllkerung warum bewegt Daraus folgern wir welche kommunikativen Maszlignahmen zu ergreifen sindldquo sagt PD Dr Gaby-Fleur Boumll Leiterin der Abteilung Risikokommunika-tion am BfR

Methode der Datenerhebung

Fuumlr die repraumlsentative Umfrage des Verbrauchermonitors werden ca 1000 Personen die in Privathaushalten in Deutschland leben und mindestens 14 Jahre alt sind im Auftrag des BfR von Markt- und Meinungsforschungsinstituten telefonisch interviewt Diese Interviews werden computergestuumltzt anhand eines programmier-ten Fragebogens von geschulten Interviewern durchgefuumlhrt ndash kurz CATI-Methode genannt nach der englischen Bezeichnung compu-ter-assisted telephone interviewing Dabei werden die Fragen zum gesundheitlichen Verbraucherschutz und Fragen zu anderen The-menbereichen zu einer sogenannten Omnibus- oder Mehrthemen-befragung zusammengefasst Die Fragen des Verbrauchermonitors koumlnnen einen offenen Charakter haben (ungestuumltzte Fragen) oder geschlossen formuliert sein (gestuumltzte Fragen) Um die Ergebnisse der Verbrauchermonitore im Zeitverlauf miteinander vergleichen zu koumlnnen ist jede Umfrage aumlhnlich aufgebaut Das BfR widmet sich einerseits Themen die in der Oumlffentlichkeit eine groszlige Auf-merksamkeit erhalten Andererseits analysiert es Fragen die bisher weniger im oumlffentlichen Fokus stehen aber ebenfalls relevant sind wie beispielsweise gesundheitsschaumldliche Pflanzeninhaltsstoffe Auch das Ausmaszlig des Vertrauens in die staatlichen Strukturen des gesundheitlichen Verbraucherschutzes wird abgefragt da dies wie-derum die Wahrnehmung von Risiken beeinflussen kann

bdquoFuumlr uns ist es sehr wichtig konkret zu wissen was die Bevoumllkerung warum bewegt

Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher

Kaum veraumlndert hat sich in den letzten Jahren die Ansicht von Ver-braucherinnen und Verbrauchern dass Lebensmittel in Deutsch-land sicher sind Fragt man in der ungestuumltzten Abfrage nach den groumlszligten gesundheitlichen Risiken so sind dies im aktuellen Ver-brauchermonitor (082017) nach wie vor das Rauchen die Klima- bzw Umweltbelastung und ungesunde oder falsche Ernaumlhrung Da-nach werden Alkohol sowie ungesunde oder belastete Lebensmittel genannt Fragt man in der gestuumltzten Abfrage gezielt nach ausge-waumlhlten Themen so fuumlhren Salmonellen gentechnisch veraumlnderte Lebensmittel Antibiotikaresistenzen und Ruumlckstaumlnde von Pflan-zenschutzmitteln die Bekanntheitsskala an Dies sind auch die vier Themen die bei den meisten Befragten fuumlr Beunruhigung sorgen Es zeigt sich immer wieder dass Verbraucherinnen und Verbrau-cher Risiken unterschaumltzen die aus Sicht der Risikobewertung als

ZielsetzungVerbrauchermonitor

gt Erfassung und Analyse von Trends und Themen in der Verbraucherwahrnehmunggt Uumlber- bzw Unterschaumltzung von gesundheitlichen Risiken durch die Bevoumllkerunggt Beobachtung von Veraumlnderungen im Verbraucherverhaltengt Schnelle Erfassung der Verbraucherwahrnehmung in Krisensituationen

BfR-VERBRAUCHERMONITOR

15012017

gesundheitsrelevant eingestuft werden wie z B die Lebensmittelhygiene im eigenen Haushalt Noch weitgehend unbekannt ist der breiten Oumlffentlichkeit eine neue derzeit in der Wissenschaft diskutierte Metho-de zur Genveraumlnderung ndash das sogenannte bdquoGenome Editingldquo

Vertrauen staumlrken

Verschiedene Bevoumllkerungsgruppen neh-men Ereignisse oder Sachverhalte unter-schiedlich wahr Es haumlngt von vielen Fakto-ren ab wie groszlig ihnen ein Risiko erscheint Insbesondere zwischen der Wahrnehmung von Laien und Fachleuten koumlnnen sich Un-terschiede ergeben da die intuitive Risiko-einschaumltzung der Bevoumllkerung haumlufig auf anderen Prinzipien und Kriterien beruht als die wissenschaftliche Risikobewertung Aus der Risikowahrnehmungsforschung ist beispielsweise bekannt dass die Sorge vor

synthetisch hergestellten Stoffen groumlszliger ist als die Sorge vor natuumlrlich vorkommenden Stoffen wie beispielsweise giftigen Pflanze-ninhaltsstoffen

Der BfR-Verbrauchermonitor Spezial zum Thema Pflanzenschutzmittel hat zudem gezeigt dass ein Groszligteil der Bevoumllkerung faumllschlicherweise davon ausgeht dass in Lebensmitteln generell keine Reste von Pflanzenschutzmitteln vorkommen duumlr-fen Tatsaumlchlich sind Ruumlckstaumlnde von zu-gelassenen Pflanzenschutzmitteln bis zum erlaubten Ruumlckstandshoumlchstgehalt zulaumls-sig und als gesundheitlich unbedenklich eingestuft Auf diese Diskrepanz kann die Risikokommunikation gezielt reagieren indem sie die Oumlffentlichkeit mit geeigne-ten Kommunikationsformen umfassend uumlber die rechtlichen und wissenschaftli-chen Grundlagen der Risikobewertung bei Pflanzenschutzmitteln informiert

Die Ergebnisse solcher Bevoumllkerungsum-fragen liefern wichtige Einsichten in die Risikowahrnehmung verschiedener Bevoumll-kerungsgruppen und zeigen Unterschiede hinsichtlich demografischer Faktoren wie Alter Bildungshintergrund Berufsgrup-pe und Geschlecht auf So ist Frauen das Vorkommen von Pyrrolizidinalkaloiden in Kraumlutertee beispielsweise haumlufiger bekannt als Maumlnnern Auch hat sich gezeigt dass Maumlnner Prozesskontaminanten in Grill-fleisch weniger bedenklich einschaumltzen als Frauen

Mit dem Verbrauchermonitor hat das BfR ein Instrument etabliert mit dem noch fruumlher auf Informations- und Kommuni-kationsbeduumlrfnisse eingegangen und damit das Vertrauen der Oumlffentlichkeit in den ge-sundheitlichen Verbraucherschutz weiter gestaumlrkt werden kann

Alle bisher erschienenen BfR-Verbrauchermonitore koumlnnen abgerufen werden unter wwwbfrbundde gt Publikationen gt Broschuumlren gt BfR-Verbrauchermonitor

Welche Themen betrachten Sie persoumlnlich als die groumlszligten gesundheitlichen Risiken fuumlr Verbraucherinnen und Verbraucher

Inwieweit sind Sie persoumlnlich uumlber die folgenden Themen zur Lebensmittel-sicherheit beunruhigt oder nicht beunruhigt

16 BfR 2 GO

RISIKOWAHRNEHMUNG

2016 gab es in Deutschland in der deutsch-sprachigen Bevoumllkerung ab 14 Jahren rund 08 Millionen Personen die sich selbst als Veganer bezeichnen wuumlrden oder als je-mand der weitgehend auf tierische Produk-te verzichtet (2016 Allensbacher Markt- und Werbetraumlger-Analyse IfD Allensbach) Ei-nige Studien zeigen dass eine vegane Ernaumlh-rung positive Einfluumlsse auf die Gesundheit haben kann wie zum Beispiel ein geringeres Risiko fuumlr Typ-2-Diabetes Beschrieben wer-den allerdings auch gesundheitliche Risiken durch Naumlhrstoffmangelzustaumlnde etwa fuumlr Schwangere und Kinder Wer keine tierische Produkte zu sich nimmt riskiert unter an-derem eine Unterversorgung mit Vitamin B12 Eisen Calcium Jod und Zink sowie mit langkettigen Omega-3-Fettsaumluren

Vor diesem Hintergrund entwickelte das BfR geeignete Risikokommunikationsstra-tegien Ein Forschungsprojekt widmete sich den individuellen und sozialen Einflussfak-toren die zur Motivation und Aufrechter-haltung einer veganen Ernaumlhrung fuumlhren Insgesamt wurden 42 Veganerinnen und Veganer zu ihren Werten Einstellungen und Meinungen befragt Aufgrund der zum Teil sehr ausgepraumlgten Abweichun-gen zur Durchschnittsbevoumllkerung lassen sich verallgemeinernde Aussagen treffen Repraumlsentativ sind die Befragungsdaten al-lerdings nicht

Ethische Entscheidung

Fast immer begruumlnden Veganerinnen und Veganer ihre Entscheidung fuumlr eine vega-ne Ernaumlhrung mit ethischen Argumenten Gesundheitliche Motive werden selten ge-nannt Die Befragten sind uumlberwiegend konfessionslos und uumlberdurchschnittlich

gebildet Auszligerdem beguumlnstigt Vegetaris-mus die Entscheidung sich vegan zu ernaumlh-ren Zwei Drittel der Teilnehmenden haben sich bereits vorher vegetarisch ernaumlhrt Er-naumlhren sich bereits Personen aus dem na-hen Umfeld vegan kann dies die Entschei-dung auch vorantreiben

Fuumlr die uumlberwiegende Mehrheit der Be-fragten ist die Ruumlckkehr zur omnivoren Ernaumlhrung die tierische Produkte zulaumlsst nicht vorstellbar Auch eine Schwanger-schaft wird meist nicht als Grund dafuumlr angesehen Oft werden auch Kinder vegan ernaumlhrt Nach Aussagen der Befragten re-agiert das soziale Umfeld haumlufig mit Skepsis und Aversion Um eine soziale Ausgren-

zung der Kinder zu verhindern lassen die Befragten teils Kompromisse zu So koumlnn-ten Kinder zum Beispiel selbst waumlhlen ob sie auswaumlrts Tierprodukte essen

Wissen kommt an

Wer sich vegan ernaumlhrt verfuumlgt in der Re-gel uumlber ein fundiertes Ernaumlhrungswissen 40 der 42 Teilnehmenden der BfR-Studie waren sich zum Beispiel daruumlber im Klaren dass es ohne tierische Produkte zu einer Mangelversorgung mit Vitamin B12 kom-men kann Viele nehmen dieses Vitamin zusaumltzlich ein Bei der Informationssuche rund um vegane Ernaumlhrung ist das Inter-net die wichtigste Informationsquelle (siehe Grafik)

Strategie der Risikokommunikation

Im Rahmen der Befragung stellten sich wichtige Anknuumlpfungspunkte fuumlr die Risi-kokommunikation heraus Unter anderem wurde klar dass ein negativer Ansatz der die vegane Ernaumlhrung als gefaumlhrlich oder abnormal darstellt nur wenig Erfolg haben kann Eine effektive Risikokommunikation sollte an bestehende Uumlberzeugungen der Veganerinnen und Veganer anknuumlpfen Ziel sollte dabei sein konkrete Tipps fuumlr den Alltag zu geben die sich mit einer vega-nen Ernaumlhrung verbinden lassen Informa-tionen wie bei einer veganen Ernaumlhrung eine moumlgliche defizitaumlre Naumlhrstoffversor-gung verhindert werden kann sind grund-saumltzlich erfolgversprechend Insbesondere uumlber Alternativen oder Supplementierung in der Schwangerschaft bei Saumluglingen und Kleinkindern sollte umfassend informiert werden

Vegan und informiert

Welche Informationsquellen nutzen Sie um sich

uumlber vegane Ernaumlhrung zu informieren

Kochbuumlcher mit veganen Rezepten Blogs zum Thema und tierfreie Supermaumlrkte ndash die vegane Ernaumlhrung liegt im Trend Wer ganz auf tierische Produkte verzichtet riskiert jedoch eine Unterversorgung mit bestimmten Naumlhrstoffen Um eine effiziente Risikokommunikation zu gewaumlhrleis-ten hat das BfR Veganerinnen und Veganer zu Wissens-stand und Einstellungen befragt

Foren im Internet

Sonstige Quellen im Internet

Buumlcher

Zeitschriften

Freunde Bekannte

Sonstigen = 42 Mehrfachnennungen moumlglich

74

71

52

36

12

5

copy S

tudi

oPho

toD

Flor

ezs

hutte

rsto

ckc

om

BEFRAGUNG ZU VEGANISMUS

17012017

63

72 Ekel

Fremdheit

Bedenken zu Hygiene und Vertraumlglichkeit

Grillen Mehlwuumlrmer und Wanderheuschrecken ndash in vielen Regionen der Welt werden Insekten von Menschen verspeist Auch in der Schweiz sind Insek-ten seit dem Fruumlhjahr 2017 offiziell als Lebensmittel zugelassen Ihr Verzehr ist in Europa jedoch generell wenig verbreitet und die oumlffentliche Diskussion steckt noch in den Anfaumlngen Wie bekannt ist das Thema in der deutschen Bevoumllkerung Welche Einstellungen bestehen gegenuumlber essbaren Insekten Wie wird das Thema in den Medien dargestellt In zwei Studien hat das BfR Antworten auf diese Fragen gefunden

Die Mehrheit der Deutschen vermutet keine gesundheitlichen Risiken durch den Verzehr von Insekten wuumlrde sieaber dennoch nicht verzehren Hauptgruumlnde gegen den Verzehr

sind Ekel Fremdheit Bedenken zu Hygiene und Vertraumlglichkeit

46 13 15

Insekten als Lebensmittel fuumlr Menschen ndash 72 Prozent der Befragten haben schon davon gehoumlrt Insekten gelten als eiweiszlig- naumlhrstoff- und vitaminreich und als eine wesentliche Nahrungsquelle hinsichtlich des Welternaumlhrungsproblems

Insekten essen Mehr Theorie als Praxis

18 BfR 2 GO

RISIKOWAHRNEHMUNG

2014

27 Artikel

14

Zugrundeliegende Studien telefonische Repraumlsentativbefragung von 1000 Personen (deutschsprachige Bevoumllkerung ab 14 Jahren) Medienanalyse von 17 deutschen Print- und Onlinemedien (uumlberregionale Qualitaumltszei-tungen Hauptstadtpresse und woumlchentliche Zeitungen) im Zeitraum Januar 2014 bis Dezember 2015 zur Art und Haumlufigkeit der Berichterstattung uumlber essbare Insekten

14 Prozent der Befragten haben schon einmal Insekten verzehrt mehrheit-lich im Ausland Uumlberwiegend sind es Maumlnner 18 ndash 29-Jaumlhrige gut Gebildete und Staumldter

Die Medienberichterstattung zu Insekten als Lebens- und Futtermittel verdoppelte sich von 2014 zu 2015 In der Mehrheit ging es um Nutzen- aspekte Insekten wurden medial als bdquozukunftsweisendes sinnvolles Lebensmittel bei dem der Nutzen gegenuumlber moumlglichen Risiken uumlber-wiegtldquo dargestellt

Verbraucherinnen und Verbraucher wuumlnschen sich mehr Informationen zu moumlglichen gesundheitlichen Risiken von Insekten als Lebens- und Fut-termittel zu ihrer Produktion und zum Naumlhrstoffgehalt Dies koumlnnte die oumlffentliche Akzeptanz fuumlr den Verzehr von Insekten erhoumlhen Auch bdquounkenntlich gemachteldquo Insekten in Form verarbeiteter Lebensmittel wuumlrden eher akzeptiert als Insekten im urspruumlnglichen Zustand

WeiterlesenBfR-Symposium bdquoInsekten als Lebens- oder Futtermittel Nah-rung der Zukunftldquo Bericht zum Symposium am 24 Mai 2016 in 2016 Journal fuumlr Verbraucher-schutz und Lebensmittelsicher-heit 11 3 281ndash289

2015

60 Artikel

i

Insekten als Lebensmittel

gt zaumlhlen lebensmittelrechtlich in der EU zu den neuartigen Lebensmitteln und muumlssen zugelassen werden

gt unerforschte Aspekte Toxikologie Gehalt an Kontaminanten und Ruumlckstaumlnden allergenes Potenzial mikrobiologische Risiken

copy a

rka3

8sh

utte

rsto

ckc

om

19012017

INFOGRAFIK ZU INSEKTEN

Unerwuumlnscht inLebensmitteln

Gelangen Pyrrolizidinalkaloide (PA) in die Lebensmittelkette koumlnnen insbesondere 12-ungesaumlttigte PA dem Menschen schaden Seit Jahren

befasst sich das BfR mit der Frage welches gesundheitliche Risiko von 12-ungesaumlttigten PA in Lebensmitteln ausgeht Klar ist die PA-Kontami-

nation in der Lebensmittelkette sollte so gering wie moumlglich sein

LEBENSMITTELSICHERHEIT

20 BfR 2 GO

Unerwuumlnschte Stoffe die in die Lebensmittelkette gelangen koumlnnen fuumlr Verbraucherinnen und Verbraucher ein gesund-heitliches Risiko darstellen Ein Beispiel fuumlr solche Eintraumlge

sind 12-ungesaumlttigte Pyrrolizidinalkaloide (PA) Das sind Stoffe die von einigen Pflanzen als Schutz vor Fraszligfeinden gebildet werden Sie konnten zunaumlchst in Honig und anderen Bienenprodukten spaumlter auch in Tees Kraumlutertees und Gewuumlrzen aber auch in pflanzenba-sierten Nahrungsergaumlnzungsmitteln nachgewiesen werden

Toxische Wirkungen bei Mensch und Tier

Beim Menschen sind vereinzelt Vergiftungsfaumllle nach arzneilicher Einnahme von PA-haltigen Kraumlutertees und -erzeugnissen bekannt Weiterhin gibt es Berichte uumlber epidemische Lebererkrankungen mit Todesfaumlllen in Pakistan Indien Afghanistan Tadschikistan und der ehemaligen UdSSR nach Verzehr von Getreide das mit Samen von Heliotropium- oder Crotalaria-Arten kontaminiert war Aus der Nutztierhaltung ist das gehaumlufte Auftreten von Leberzirrhosen bei Schlachtrindern bekannt die mit Heu und Silage auch Alpenkreuz-kraut aufgenommen hatten Auch bei Pferden wurden mit Leberde-generation einhergehende durch PA im Futter verursachte Erkran-kungen die Seneciosen beobachtet

Die Leber ist das primaumlre Zielorgan von Schaumldigungen durch 12-ungesaumlttigte PA Jedoch koumlnnen auch die Lunge oder andere Organe betroffen sein Insbesondere bei Aufnahme houmlherer Dosen treten akute venookklusive Veraumlnderungen in der Leber (hepatic veno-occlusive disease HVOD) oder der Lunge auf In houmlheren Dosen wurden im Tierversuch mit 12-ungesaumlttigten PA auch ent-wicklungstoxische Effekte beobachtet Nach den vorliegenden tier- experimentellen Daten gilt die kanzerogene Wirkung von 12-un-gesaumlttigten PA als gesichert und ein entsprechendes Risiko fuumlr den Menschen wird in Betracht gezogen Vielfach zeigten Verbindungen die sich im Tierversuch als kanzerogen erwiesen in entsprechenden Mutagenitaumltstests eine genotoxische Wirkung

Wie 12-ungesaumlttigte PA in Lebensmittel gelangen koumlnnen

Nach bisherigem Kenntnisstand koumlnnen 12-ungesaumlttigte PA uumlber mehrere Wege in Lebensmittel gelangen In Deutschland sind Ver-unreinigungen vor allem in den Anbauflaumlchen von Nutzpflanzen mit PA-bildenden Wildkraumlutern wie z B bei Salaten mit Kreuzkraut oder Greiskraut aufgetreten Aus Afghanistan sind erhoumlhte Belastungen in Getreide bekannt Auch die Belastung von Tee und Kraumlutertee-Sor-ten mit PA wird auf eine Kontamination mit bestimmten Wildkraumlu-tern in den Anbauflaumlchen zuruumlckgefuumlhrt Auszligerdem koumlnnen Bienen-produkte wie Honig und Pollen mit PA belastet sein wenn die Tracht von bestimmten Wildpflanzen stammt 12-ungesaumlttigte PA koumlnnen auch uumlber verunreinigte Futtermittel in Milch Eier und Fleisch ge-langen Auch Nahrungsergaumlnzungsmittel koumlnnen auf der Basis von Pflanzen hergestellt sein die selbst 12-ungesaumlttigte PA bilden

Gesundheitliche Risiken durch belastete Lebensmittel

Das BfR hat 2016 eine Bewertung der gesundheitlichen Risiken durch 12-ungesaumlttigte PA erarbeitet Dabei wurde die Belastung aller wichtigen Lebensmittelgruppen beruumlcksichtigt fuumlr die aktuell Daten zum Vorkommen von 12-ungesaumlttigten PA vorliegen Bei der Bewertung wurde die genotoxisch-kanzerogene Wirkung als emp-findlichster Endpunkt zugrunde gelegt

copy F

eyya

z A

laca

ms

hutte

rsto

ckc

om

copy e

mbe

riza

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

21012017

Danach geht bei Kindern im Alter von sechs Monaten bis unter fuumlnf Jahren die Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA im Wesentlichen auf Kraumlutertee einschlieszliglich Rooibostee Schwarztee und Honig zuruumlck Fruumlchtetee Milch Eier und Fleisch tragen nur wenig zur Gesamtaufnahme von 12-un-gesaumlttigten PA bei Sieht man von bestimm-ten Nahrungsergaumlnzungsmitteln ab zeigt sich bei Erwachsenen ein aumlhnliches Bild Bei Erwachsenen ist der Beitrag von Honig zur Gesamtaufnahme an 12-ungesaumlttigten PA geringer und der von Gruumlntee houmlher als bei Kindern Bei hohen Gehalten koumlnnen Nahrungsergaumlnzungsmittel als zusaumltzliche Expositionsquelle zur Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber Lebensmittel beitragen Gewuumlrze und Kraumluter aber auch Mehle stellen moumlglicherweise eine relevante zusaumltzliche Expositionsquelle dar Fuumlr eine abschlieszligende Bewertung fehlen hier jedoch noch Daten

Obwohl in Einzelfaumlllen hohe Gehalte an 12-ungesaumlttigten PA in bestimmten Le-bensmitteln des allgemeinen Verzehrs nachgewiesen wurden haumllt das BfR nach derzeitiger Datenlage auch bei hoher Auf-nahme dieser Lebensmittel eine akute Ge-sundheitsschaumldigung fuumlr unwahrscheinlich Zur Abschaumltzung des potenziellen Risikos von genotoxisch-kanzerogenen Wirkungen legte das BfR wie international uumlblich den MOE-Ansatz (Margin of Exposure) zugrun-de Dabei wird ausgehend von Tierstudien angenommen dass fuumlr genotoxische Kan-zerogene ein MOE-Wert von 10000 oder houmlher aus Sicht der oumlffentlichen Gesundheit als wenig bedenklich und die Prioritaumlt fuumlr Maszlignahmen im Rahmen des Risikomanage-ments als niedrig angesehen werden kann Bei genotoxisch-kanzerogenen Stoffen kann keine Schwellendosis angenommen werden unterhalb derer keine unerwuumlnschten Wir-kungen mehr erwartet werden Daher gilt in der Europaumlischen Union die Empfehlung die Exposition gegenuumlber genotoxisch und kanzerogen wirkenden Substanzen so weit zu minimieren wie dies vernuumlnftig erreich-bar ist ndash das sogenannte ALARA-Prinzip (as low as reasonably achievable) Selbst geringe Aufnahmemengen koumlnnen insbesondere bei regelmaumlszligigem Verzehr mit einer Erhouml-hung gesundheitlicher Risiken verbunden sein

Die Bewertung des genotoxischen und kan-zerogenen Risikos erfolgt als Vergleich der Gesamtaufnahme uumlber verschiedene Tees Milch und Honig bei Kindern und Er-wachsenen auf der Basis verschiedener Ver-zehrszenarien mit dem BMDL10-Wert von

73 Mikrogramm pro Kilogramm Koumlrperge-wicht und Tag unter Berechnung des MOE Der BMDL10-Wert (Benchmark dose lower confidence limit 10) ist ein Schaumltzwert der niedrigsten Dosis die im Tierexperiment mit 95-prozentiger Sicherheit eine Krebsin-zidenz von nicht mehr als 10 Prozent ver-ursacht Alle Berechnungsansaumltze sowohl fuumlr Kinder als auch fuumlr die erwachsene Be-voumllkerung ergaben MOE-Werte deutlich unterhalb von 10000 Da nach Ansicht des Wissenschaftlichen Ausschusses der EFSA ein MOE erst ab einem Wert von mindes-tens 10000 aus Sicht der oumlffentlichen Ge-sundheit als wenig bedenklich anzusehen ist empfiehlt das BfR die Gesamtexposition mit PA aus allen Lebensmitteln so niedrig wie moumlglich zu halten und einen MOE von 10000 bei Beruumlcksichtigung der PA-Zufuhr aus allen Quellen nicht zu unterschreiten Dazu sollten die Bemuumlhungen fortgesetzt werden die PA-Gehalte in Lebensmitteln weiter zu senken

Forschungsansaumltze des BfR

Das BfR befasst sich seit einigen Jahren mit der Problematik der Verunreinigung von Lebensmitteln mit 12-ungesaumlttigten PA und verfolgt hierzu verschiedene Forschungs-ansaumltze Die Analytik der 12-ungesaumlttigten PA stellt aufgrund ihrer groszligen strukturel-len Vielfalt und des Vorkommens in unter-schiedlichen Lebensmitteln eine besondere Herausforderung dar In den letzten Jahren hat das BfR spezifische Nachweismethoden entwickelt und in Ringversuchen validiert Diese Methoden stehen auf der Homepage des BfR zur Verfuumlgung und koumlnnen z B in der Lebensmittel- und Futtermitteluumlberwa-chung eingesetzt werden

Neben der Entwicklung analytischer Me-thoden werden am BfR die molekularen Mechanismen der Toxizitaumlt von 12-unge-saumlttigten PA untersucht Hier stehen vor allem Untersuchungen zur strukturabhaumln-gigen Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber die Darmbarriere im Vordergrund Die Ergebnisse zeigen dass sich das Wirkungs-potenzial der 12-ungesaumlttigten PA aufgrund von Unterschieden im strukturabhaumlngigen Transport uumlber die Darmbarriere unter-scheiden kann Auch zeigten die getesteten Modellsubstanzen in einem Zellkulturmo-dell deutliche strukturspezifische Unter-schiede im Metabolismus Weitere Untersu-

Pflanzen die Pyrrolizidinalkaloi-de bilden finden sich vor allem in den Familien der Korbbluumltler (Asteraceae) der Raublatt- oder Borretschgewaumlchse (Boraginaceae) und der Huumllsenfruumlchtler (Faba-ceae)

22 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

chungen zu der Zerstoumlrung der sinusoidalen Endothelzellen durch 12-ungesaumlttigte PA sollen zum Verstaumlndnis der Mechanismen beitragen die zu den venookklusiven Ver-aumlnderungen in der Leber fuumlhren Auch wer-den Untersuchungen zur Metabolisierung nahrungsrelevanter Pyrrolizidinalkaloide durchgefuumlhrt Die Forschungsprojekte wer-den von der Deutschen Forschungsgemein-schaft (DFG) gefoumlrdert

Empfehlungen zur Reduktion der PA-Gehalte

Das BfR empfiehlt dass sich Management-maszlignahmen an der Vermeidung genoto-xisch-kanzerogener Effekte der 12-ungesaumlt-tigten PA als dem empfindlichsten Endpunkt orientieren Die Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA sollte fuumlr Verbrau-cherinnen und Verbraucher so gering wie moumlglich sein Dazu sollten die PA-Gehalte in Lebensmitteln so weit wie moumlglich sin-ken Dies gilt insbesondere fuumlr Kraumlutertees Rooibostee Schwarzen Tee und Gruumlnen Tee sowie bestimmte Nahrungsergaumlnzungsmit-tel Hier sollten Anbau- Ernte- und Reini-gungsmethoden weiterhin verbessert wer-den Auch die Auswahl der Rohhonige kann zu einer Reduzierung der Gehalte an 12-un-gesaumlttigten PA in verzehrfertigen Honigen beitragen Auszligerdem sind vor der Vermark-tung seitens der Lebensmittelunternehmer weiterhin Kontrollen in allen betroffenen Lebensmittelkategorien notwendig

Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das potenzielle gesundheitliche Risiko durch PA durch eine abwechslungsreiche Ernaumlh-rung verringern und so generell einseitigen Belastungen mit verschiedenen potenziell gesundheitsgefaumlhrdenden Stoffen vorbeu-gen Insbesondere fuumlr Kinder Schwangere und Stillende empfiehlt das BfR den taumlgli-chen Fluumlssigkeitsbedarf nicht ausschlieszliglich mit Kraumlutertee und Tee zu decken

Bei der Zubereitung von Salat Blattgemuumlse und Kraumlutern sollten Verbraucherinnen und Verbraucher Pflanzenteile aussortieren die sie keinen bekannten essbaren Pflanzen zu-ordnen koumlnnen

Wer Nahrungsergaumlnzungsmittel auf Pollen-basis oder auf Basis von Pflanzen einnimmt die 12-ungesaumlttigte PA bilden sollte sich bewusst sein dass diese Produkte 12-un-gesaumlttigte PA in houmlheren Konzentrationen enthalten koumlnnen

Mehr erfahrenStellungnahme Nr 0302016 des BfR vom 28 September 2016

Necinbase

Necinsaumlure

Die Struktur von PA

Chemisch handelt es sich um Ester aus einer Necinbase und aliphatischen Mono- oder Dicarbonsaumluren (Necin-saumluren) Aus toxikologischer Sicht besonders bedeutsam sind Pyrroli-zidinalkaloide mit 12-ungesaumlttigter Necinstruktur (12-ungesaumlttigte PA) Die 12-ungesaumlttigte Necinstruktur als gemeinsames Strukturmerkmal erlaubt grundsaumltzlich die Giftung durch Oxidation zum Dehydropyrrolizidin das durch seine alkylierenden Eigenschaf-ten fuumlr die genotoxische und karzino-gene Wirkung dieser Substanzgruppe verantwortlich ist

copy R

ukiM

edia

shu

tters

tock

com

copy J

iri H

era

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

23012017

Im suumldlichen Afrika spielt die Landwirt-schaft eine Schluumlsselrolle bei der Armuts-bekaumlmpfung Eine wachsende Produktion tierischer Lebensmittel bringt jedoch auch neue Herausforderungen an die Lebensmit-telsicherheit mit sich Das BfR-Forschungs-projekt bdquoSAD-Zambialdquo (bdquoStaphylococcus aureus in der Milchlebensmittelkette in Sambia ndash Bekaumlmpfung lebensmittelbeding-ter Erkrankungen und Antibiotikaresisten-zen beim Menschldquo) befasst sich damit wie die Produktion und der Vertrieb von Milch und Milchprodukten in Sambia sicherer gestaltet werden koumlnnen Ziel ist es zu be-werten in welchem Umfang das Bakterium Staphylococcus (S) aureus uumlber Milch und Milchprodukte auf den Menschen uumlbertra-gen wird In einem ersten Schritt werden Feldstudien in verschiedenen Provinzen des Landes durchgefuumlhrt um das Vorkommen dieses Erregers und moumlgliche Schwachstel-len in der Milchlebensmittelkette in Sambia zu analysieren Hierbei stehen Toxin-bil-dende S aureus-Staumlmme im Fokus Auszliger-dem wird untersucht in welchem Umfang Methicillin-resistente S aureus (MRSA) die gegen eine bestimmte Klasse von Antibio-tika resistent sind in der Milchlebensmit-

telkette vorkommen Die Bewertungsarbeit beinhaltet auch einen Vergleich traditio-neller und moderner Produktionssysteme Am BfR werden anschlieszligend die Analysen zu den Eigenschaften der gewonnenen Bakterienstaumlmme sowie stammvergleichen-de Untersuchungen durchgefuumlhrt In einem weiteren Schritt werden Ansatzpunkte zur Reduzierung der Bakterien sowie Methoden zum Monitoring von zoonotischen und An-tibiotika-resistenten S aureus in der Milch-lebensmittelkette in Sambia entwickelt So soll zum Verstaumlndnis der lebensmittelbe-dingten Risiken entlang der Milchlebens-mittelkette in Sambia beigetragen werden Das Projekt begann am 01072016 und laumluft drei Jahre Es wird vom Bundesminis-terium fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft gefoumlrdert und aus BfR-Mitteln co-finanziert Neben dem BfR beteiligen sich an dem For-schungsprojekt das International Livestock Research Institute die University of Zambia und das Central Veterinary Research Insti-tute als Teil des sambischen Ministeriums fuumlr Nutztiere und Fischerei Durch dieses Forschungsnetzwerk soll eine nachhaltige Partnerschaft aufgebaut werden

Mit dem Forschungsprojekt bdquoSAD-Zambialdquo leistet das BfR einen Beitrag zur Staumlrkung der Lebensmittelsicherheit und damit zur Ernaumlhrungssicherheit im suumldlichen Afrika Koordinatorin des Projekts ist Frau Dr Alexandra Fetsch Der sambische Doktorand Herr Bruno Phiri berichtet von seiner alltaumlglichen Arbeit Beide arbeiten in der Fach-gruppe bdquoMikrobielle Toxineldquo des BfR

POST AUS hellipSAMBIA

raquobdquoDas SAD-Zambia Projekt ist fuumlr mich ein Meilenstein und ich bin dem BfR sehr dankbar dass es mir diese Moumlglichkeit gibt Ich habe schon viel dazugelernt und konnte meine Kompetenzen bezuumlglich der Diagnose von Krankheitserregern verbessern Das Projekt bringt mich aber nicht nur persoumlnlich voran auch mein Land kann davon profitieren Mein Arbeitsalltag beginnt meist mit einem Besuch bei den Milchbauern und ihren Herden Dort schaue ich mir an wie die Kuumlhe gemolken werden und nehme Proben von den Tieren der Milch und der Umge-bung Auch in Milchsammelstellen und auf Maumlrkten nehme ich Proben Diese analysiere ich anschlieszligend im Labor an der Universitaumlt Schon jetzt freue ich mich auf die weiteren Untersuchungen der Bakterienstaumlm-me am BfR Ich war zu Beginn des Projektes dort ndash eine sehr eindrucks-volle Erfahrungldquo

(Bruno Phiri)

copy a

stud

ios

hutte

rsto

ckc

om

copy B

fR

24 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

Algengift in Tropenfischen

Bisher traten Lebensmittelvergiftungen durch Ciguato-xin ndash einem Algentoxin das in tropischen Speisefischen wie Barrakuda Schnapper oder Zackenbarsch enthalten sein kann ndash vorwiegend in den Tropen auf Mit dem zunehmenden Import von Fischen aus Suumldostasien haumlufen sich auch in Europa und seit 2012 in Deutschland Faumllle von Ciguatera Ein Problem dabei Eine Analyse-methode mit der Fisch routinemaumlszligig auf Ciguatoxine untersucht werden kann ist derzeit noch nicht verfuumlgbar Da weltweit nur wenige Labore auf den Nachweis von Ci-guatoxinen in Fischen spezialisiert sind wird im Projekt bdquoEuroCigualdquo der Europaumlischen Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit (EFSA) unter anderem an der Verbesserung entsprechender Analysemethoden und zum Vorkommen ciguatoxischer Fische in Europa geforscht Das BfR liefert fuumlr das Projekt Angaben zu Erkrankungsfaumlllen in Deutschland Die krankmachenden Algentoxine reichern sich uumlber die Nahrungskette in Raubfischen an und sind uumlberaus stabil Durch Erhitzen oder Tiefkuumlhlen lassen sie sich nicht entfernen Beim Menschen kann der Verzehr betroffener Fische dann zu Vergiftungen mit zum Teil schweren oder andauernden Beeintraumlchtigungen des Nervensystems fuumlhren An Ciguatera Erkrankte nehmen normale Kaumlltereize als ungewoumlhnlich schmerzhaft wahr

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt A-Z-Index Ciguatoxin

Alkaloide in Lupinensamen

In verarbeiteten Produkten oder zum Knabbern Lupinensamen sind im Trend Da sie jedoch toxikologisch relevante bittere Chinolizidinalkaloide enthalten koumlnnen bewertet das BfR ihr gesundheitliches Risiko Der Gehalt an Chinolizi-dinalkaloiden in Lupinensamen variiert je nach botanischer und geografischer Abstammung Samen die von bdquoBitterlupinenldquo stammen sind aufgrund ihrer houmlheren Gehalte ohne geeignete Vorbehandlung der bdquoEntbitterungldquo nicht zum Verzehr geeignet Denn Sie koumlnnen beim Menschen Vergiftungssymptome her-vorrufen Lupinenvarietaumlten die Samen mit niedrigen Alkaloidgehalten liefern werden als bdquoSuumlszliglupinenldquo bezeichnet Suumlszliglupinensamen sind auch ohne Entbitte-rung verzehrsfaumlhig In Deutschland kam es mit Bitterlupinensamen vereinzelt zu Vergiftungsfaumlllen Das BfR empfiehlt Herstellern daher nur ganze Lupinensamen in den Verkehr zu bringen die ohne weitere Entbitterungsprozesse verzehrsfaumlhig sind Mehl aus Lupinensamen sollten Hersteller aus alkaloidarmen oder ausrei-chend entbitterten Samen herstellen

Uumlbertragungswege des Hepatitis-E-Virus

Infektionen mit dem Hepatitis-E-Virus (HEV) koumlnnen zu einer akuten Leberentzuumlndung fuumlhren In den letzten Jahren sind die Zahlen gemeldeter Hepatitis-E-Faumllle des Menschen in Deutsch-land stark angestiegen Forschungsergebnisse des BfR in Zusam-menarbeit mit anderen Einrichtungen haben gezeigt dass das Virus in deutschen Haus- und Wildschweinen weit verbreitet ist Vereinzelt wurde HEV auch in Rehen und Rotwild nachgewiesen

Unklar ist derzeit noch auf welchen Wegen sich die Patienten mit dem Virus anstecken Moumlglich sind direkte Virusuumlbertra-gungen zum Beispiel vom Wildtier auf den Jaumlger und indirekte uumlber Lebensmittel die aus infizierten Tieren hergestellt wurden Wie aktuelle Studien des BfR zeigen kann HEV in verschiedenen Wurstwaren aus dem deutschen Einzelhandel nachgewiesen wer-den Fraglich ist ob das Virus in diesen Produkten noch anste-ckend ist oder ob es bei der Herstellung der Lebensmittel zerstoumlrt wird Hierfuumlr noumltige Untersuchungen waren in der Vergangenheit erschwert da sich HEV im Labor nur schlecht kultivieren lieszlig Erste Ergebnisse von Untersuchungen mithilfe eines am BfR ent-wickelten neuartigen Zellkultur-Systems weisen darauf hin dass HEV hitzeempfindlich ist aber bei Kuumlhlung oder Raumtempera-tur mehrere Wochen infektioumls bleiben kann

SPEKTRUM

copy N

eil B

urto

nsh

utte

rsto

ckc

om

copy N

atal

ia M

ylov

ash

utte

rsto

ckc

om

copy iS

tock

com

Mee

Poo

hyap

hoto

25012017

bdquoNur eine gemeinsame Strategie ist effektivldquo

Frau Kaumlsbohrer ein zentrales Thema Ihrer Forschung sind Antibiotikaresis-tenzen In der oumlffentlichen Debatte wird oft ein Zusammenhang hergestellt zwi-schen dem haumlufigen Einsatz von Anti-biotika in der Nutztierhaltung und dem Auftreten resistenter Bakterien in der Humanmedizin Doch werden bei Tieren nicht andere Antibiotika eingesetzt als bei MenschenUm die Unterschiede zu erlaumlutern muss man zwischen Praumlparaten und den antibiotischen Wirkstoffgruppen unterscheiden Beim Tier verwenden Veterinaumlrmediziner ande-re Praumlparate als Aumlrzte beim Menschen Der wirksame Inhaltsstoff das Antibiotikum kann aber dasselbe sein Die Antibiotika lassen sich wiederum in Wirkstoffgruppen einteilen Mit Blick auf die Wirkstoffgrup-pen gilt Die meisten Antibiotika die beim Menschen eingesetzt werden gehoumlren zu Wirkstoffgruppen die wir auch in der Vete-rinaumlrmedizin nutzen Es gibt nur ganz weni-ge Antibiotikagruppen die nur auf der einen oder der anderen Seite verwendet werden Dazu gehoumlren zum Beispiel die Carbapene-me die nicht beim Nutztier eingesetzt wer-den duumlrfen In der Humanmedizin kommen sie insbesondere zum Einsatz wenn andere Antibiotika nicht mehr wirksam sind

bdquoEine Resistenz ge-gen einen bestimm-ten Wirkstoff kann sich auch ausbrei-ten obwohl diese Wirkstoffgruppe nicht eingesetzt wurde

Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer leitet am BfR die Fachgruppe bdquoEpide-miologie Zoonosen und Antibiotika-resistenzldquo die unter anderem auch das Nationale Referenzlabor fuumlr Antibiotika- resistenzen umfasst Seit April 2016 ist sie auszligerdem Professorin an der Vetmeduni Vienna und leitet dort das Institut bdquoOumlffentliches Veterinaumlrwesenldquo

Wenn sie beim Nutztier nicht eingesetzt werden duumlrfen wie kann es dann sein dass Sie am BfR im Rahmen des For-schungsprojekts RESET Carbapene-mase-bildende Bakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden gefunden habenDie Entstehung von Antibiotikaresistenzen ist ein natuumlrlicher Vorgang bei Bakterien Durch den Gebrauch von Antibiotika wird dieser Prozess beschleunigt Eine Resistenz gegen einen bestimmten Wirkstoff kann sich auch ausbreiten obwohl diese Wirk-stoffgruppe nicht eingesetzt wurde Dank der Selektion gilt meist Wenn ich einen Wirkstoff einsetze gebe ich jenen Bakterien einen Vorteil die gegen den Wirkstoff resis-tent sind Aber Carbapenemasen also die Enzyme die von Carbapenem-resistenten Bakterien gebildet werden koumlnnen neben den Carbapenemen auch fast alle anderen

Bakterien die gegen Antibiotika resistent sind stellen ein Risiko fuumlr die oumlffentliche Gesundheit dar Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer widmet sich am BfR dieser Problematik Im Gespraumlch erklaumlrt sie welche Faktoren bei der Ausbreitung von Resistenzen eine Rolle spielen

copy M

icha

el B

ernk

opf

Vetm

edun

i Vie

nna

26 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

β-Laktam-Antibiotika inaktivieren Theo-retisch ist es daher moumlglich dass sich eine Resistenz gegen Carbapeneme ausbreitet obwohl der Tierarzt beim Nutztier eine an-dere Wirkstoffgruppe eingesetzt hat Ist die Resistenz bei Bakterien vorhanden gibt es viele Ausbreitungswege Ein Stall ist kein steriler Ort sondern belebte Umwelt Moumlg-liche Eintragswege fuumlr resistente Bakterien in einen Stall sind z B belebte Vektoren wie neu eingestallte Tiere Maumluse Fliegen oder Voumlgel aber auch unbelebte Vektoren wie Futter Wasser Staub oder Geraumltschaften

Was hat sich seit dem Fund der Carba-penemase-bildenden Enterobakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden fuumlr Ihre Arbeit beim BfR geaumlndert Der Fund hatte vielfaumlltige Konsequenzen Wir haben vor allem die gezielten Untersu-chungsaktivitaumlten verstaumlrkt Bakterien-Iso-late aus Tierbestaumlnden und Lebensmitteln werden seit 2014 im Rahmen des Resistenz-monitorings im BfR routinemaumlszligig auf eine Carbapenem-Resistenz getestet Auszligerdem steht seit 2015 fuumlr den Nachweis von Carba-penemase-bildenden Bakterien ein weiteres gezieltes Nachweisverfahren zur Verfuumlgung Hierzu muumlssen die Labore geschult werden Zusaumltzlich werden im Nationalen Refe-renzlabor fuumlr Antibiotikaresistenz am BfR Carbapenemase-verdaumlchtige Bakterien auf die charakteristischen Resistenzgene hin un-tersucht Am BfR wurden hierfuumlr verschie-dene Methoden fuumlr die Untersuchung von E coli und Salmonella etabliert Bisher wur-den sehr selten solche Resistenzgene nach-gewiesen bei Nutztieren das Gen blaVIM-1 bei einem Wildvogel das Gen blaNDM-1

Oftmals sind die Resistenzgene gegen Carbapeneme zusammen mit anderen Resistenzgenen auf mobilen geneti-schen Elementen lokalisiert Warum ist hier besondere Vorsicht gebotenZunaumlchst ist die Trefferwahrscheinlichkeit fuumlr eine Selektion houmlher wenn mehrere Re-sistenzgene auf einem genetischen Element liegen d h der Einsatz verschiedener Anti-biotika kann zu einem Selektionsvorteil fuumlh-ren Die Lokalisation von Resistenzgenen auf mobilen genetischen Elementen spielt fuumlr die Uumlbertragbarkeit von Resistenzen eine wichtige Rolle Denn Diese Resistenzgene koumlnnen mittels horizontalem Gentransfer auf ganz unterschiedliche Bakteriengruppen uumlbertragen werden Diese Erkenntnis hat eine Art Revolution ausgeloumlst Lange Zeit wurde ein Erreger mit all seinen Eigenschaf-ten als Einheit betrachtet Kann die Resis-tenz aber zwischen Bakteriengruppen hin

und her uumlbertragen werden verfaumllscht das moumlglicherweise den Blick auf eine Gruppe Folglich mussten die Nachweisverfahren umgestellt und die Uumlbertragbarkeit von Re-sistenzen mit analysiert werden Erschwe-rend kommt hinzu dass ein Resistenzgen auf einem grundsaumltzlich ungefaumlhrlichen

Bakterium zum Problem werden kann Manche Bakterien wie beispielsweise E coli gehoumlren zur normalen Darmflora Traumlgt so ein Bakterium eine Resistenzeigenschaft ist das erstmal nicht gefaumlhrlich Aber Es kann diese Eigenschaft moumlglicherweise an einen Infektionserreger weitergeben

Welche konkreten Folgen kann eine solche Weitergabe von Resistenzeigen-schaften habenSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt Schon jetzt weichen Aumlrzte auf Wirk-stoffgruppen aus die in der Humanmedizin lange verpoumlnt waren Dies gilt zum Beispiel fuumlr Colistin Fuumlr den Menschen ist es nicht gut vertraumlglich moumlgliche Nebenwirkun-gen sind beispielsweise die Schaumldigung der Nieren oder des Nervensystems In der Ve-terinaumlrmedizin hat Colistin seit Jahrzehnten eine erhebliche Bedeutung vor allem fuumlr die Behandlung von Infektionen des Ma-gen-Darm-Traktes bei Nutztieren auch um andere Wirkstoffgruppen zu vermeiden

Spielt im Fall von Colistin die Mobilitaumlt des Resistenzgens auch eine besonde-re Rolle Inzwischen ja Bis Ende 2015 waren sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler einig Eine Colistin-Resistenz ist nicht uumlbertragbar Das heiszligt kommt eine solche Resistenz bei einem Infektionserreger beim Nutztier vor ist sie nicht per se auf ein hu-manpathogenes Bakterium uumlbertragbar Doch Ende 2015 wurde in China erstmals das uumlbertragbare Gen mcr-1 beschrieben Untersuchungen in Belgien haben spaumlter zur Beschreibung eines weiteren mobilen Gens fuumlr die Colistin-Resistenz bei Nutztieren

bdquoSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

27012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Ausbreitung von Resistenzen

Haustiere

Krankenhaus

Belastetepflanzliche Lebensmittel

Belastete tierische Lebensmittel

Nutztiere

Futtermittel

Schaumldlinge

Uumlbertragungswege resistenter Bakterien

Menschen

Eine Antibiotikaresistenz entsteht

(z B durch Mutation)

Antibiotikatherapie beguumlnstigt die

Selektion resistenter Bakterien

Nahrung

Duumlnger Abwasser

Abwasser

28 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

gefuumlhrt mcr-2 Das bedeutet eine Uumlbertra-gung der durch diese Gene vermittelten Re-sistenz auf ein humanpathogenes Bakterium ist theoretisch moumlglich Allerdings scheint dies bisher selten der Fall zu sein

Diese Erkenntnisse offenbaren einen groszligen Forschungsbedarf Was tun Sie in der Abteilung bdquoBiologische Sicher-heitldquo um das Risiko zu bewerten Als 2015 klar wurde dass es eine uumlbertrag-bare Colistin-Resistenz gibt haben wir diese neue Erkenntnis in den laufenden Projekten natuumlrlich sofort aufgegriffen Im Rahmen des Forschungsprojekts RE-SET haben wir zum Beispiel vorhandenes Bakterienmaterial und die bei unseren Ko-operationspartnern verfuumlgbaren Gesamt-genominformationen auf das Vorkommen dieses neuen Resistenzgens gepruumlft Schnell war klar Ja dieses Gen finden wir in den Sequenzen Und die Pruumlfung von Colis-tin-resistenten Isolaten aus unserer Stamm-sammlung hat bestaumltigt dass dieses Resis-tenzgen bereits weit verbreitet ist

Muumlssen nun neue Forschungsprojekte zu dem Thema initiiert werdenJa denn viele Fragen bleiben bislang offen Wie haumlufig wird die Resistenz tatsaumlchlich uumlbertragen Was triggert diese Uumlbertra-gung Es gibt auch diagnostische Probleme Das uumlbliche Verfahren in der Humanmedi-zin um Resistenzen zu testen umfasst in der Regel nicht die Resistenz gegen Colistin Es gibt also viel zu tun Neue Diagnose- und Typisierungsverfahren aufbauen unser Re-sistenzmonitoring erweitern und routine-maumlszligig phaumlnotypisch resistente Isolate auf das Gen pruumlfen Die Ergebnisse muumlssen wir dann uumlbergreifend bewerten um Hand-lungsoptionen aufzuzeigen

Welche Uumlbertragungswege spielen bei der Colistin-Resistenz fuumlr den Men-schen eine Rolle Mit Sicherheit koumlnnen wir das derzeit nicht sagen Die chinesische Arbeitsgruppe hat Colistin-Resistenzen sowohl im Schweine-fleisch als auch beim Menschen gefunden Daher liegt die Hypothese nahe dass es eine Uumlbertragung uumlber Lebensmittel gibt Gleichzeitig gibt es generell die Beobachtung von nosokomialen Ausbreitungen resisten-ter Bakterien Das sind Ausbreitungen von Antibiotikaresistenzen im Krankenhaus

Resistenzen breiten sich aus Wunder-waffen verlieren ihre Wirkung selbst im Krankenhaus sind wir nicht sicher Gibt es uumlberhaupt eine effiziente Strategie gegen die Ausbreitung der Antibiotika- resistenzen Und wer ist dabei gefor-dertUm die Ausbreitung von Antibiotika- resistenzen zu verhindern braucht es eine gemeinsame Strategie Schlieszliglich sind hier komplexe Zusammenhaumlnge zwischen Mensch Tier und Umwelt am Werk Am BfR streben wir deswegen eine enge Zu-sammenarbeit mit allen Akteuren im oumlffent-lichen Gesundheits- und Veterinaumlrwesen an Bei diesem bdquoOne Health-Ansatzldquo sind sowohl Veterinaumlr- als auch Humanmedizi-ner gefordert Auch Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

Was sollten Verbraucherinnen und Ver-braucher beachtenHier gelten dieselben Hygieneregeln die auch fuumlr andere vom Tier oder vom Le-bensmittel auf den Menschen uumlbertragba-re Krankheitserreger gelten Zum Beispiel sollten sie sich nach dem Kontakt mit Tie-ren die Haumlnde mit warmem Wasser und Seife waschen Auch nach der Zubereitung von rohem Fleisch sollten die Haumlnde gruumlnd-lich gewaschen werden Fleisch Eier und Rohmilch sollten vor dem Verzehr durcher-hitzt werden Rohkost und Obst sollten vor dem Verzehr gruumlndlich mit Trinkwasser gewaschen oder geschaumllt werden Weiterhin wichtig ist den direkten oder indirekten Kontakt von rohem Fleisch und rohen Ei-ern mit verzehrfertigen Speisen die spaumlter nicht mehr erhitzt werden zu vermeiden Durch die Einhaltung der Hygieneregeln kann man einer Uumlbertragung von resisten-ten und oder pathogenen Bakterien auf an-dere Lebensmittel vorbeugen

Mehr erfahren Irrgang et al 2017 Recurrent detection of VIM-1-producing Escherichia coli clone in German pig production Journal ofAntimicrobial Chemotherapy 72 3 944ndash946

bdquoVerbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

RESET

Der Forschungsverbund RESET ndash Antibiotika-Resistenzen bei Tier und Mensch ndash beschaumlftigte sich von 2010 bis 2017 mit Resistenzen gegen die besonders wichtigen Antibiotika-Klas-sen der β-Laktam-Antibiotika und (Fluor-)Chinolone bei Darmbakterien wie Escherichia (E) coli Sind Bak-terien gegen beide Wirkstoffklassen resistent werden die therapeutischen Moumlglichkeiten drastisch eingeschraumlnkt Bei E coli und Salmonella enterica wurden derartige Resistenzen bereits nachgewiesen Das BfR beteiligte sich mit zwei Projekten an dem Forschungs-verbund Durch das konsequente Zusammenfuumlhren von Ergebnissen der unterschiedlichen Forschungsgebiete in einer gemeinsamen Datenbank konnten Erkenntnisluumlcken geschlossen und Risiken bewertet werden Das Projekt wurde vom Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) gefoumlrdert

29012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Kann es durch die Mischung verschiedener Pestizid-Ruumlckstaumlnde beim taumlglichen Verzehr zu gesundheitsgefaumlhrdenden Belastungen kommen

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

30 BfR 2 GO

Wenn von Paradigmenwechseln die Rede ist findet meist ein grundlegendes Umdenken statt In der Risikobewertung von Chemikalien habe ein Paradigmenwechsel stattge-

funden der die traditionelle Einzelsubstanz-Bewertung hinter sich lasse schrieben BfR-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler vor einiger Zeit Man koumlnnte meinen in der Toxikologie wird der Paracelsus-Satz kuumlnftig umgeschrieben Nicht nur die Dosis son-dern auch die Aufsummierung der Dosierungen in einer Mischung macht das Gift

Gift- oder Todescocktail ndash plakative Medienbegriffe

Denn tatsaumlchlich In den letzten Jahren beschaumlftigen sich weltweit immer mehr Gremien politische Ausschuumlsse und Forschungspro-jekte mit der Frage wie man die Auswirkungen von Mischungen auf Umwelt und Gesundheit kuumlnftig bewerten kann Auch in der Oumlffentlichkeit wird das Thema emotional verhandelt Chemikali-enmix Gift- oder sogar Todescocktail ndash mit plakativen Begriffen umschreiben Medien das Phaumlnomen der Mehrfachruumlckstaumlnde Entsprechend tief sitzt die Angst bei Verbraucherinnen und Ver-brauchern In einer vom BfR in Deutschland durchgefuumlhrten re-praumlsentativen Wahrnehmungsstudie vermuten 80 Prozent der Befragten dass der Einsatz mehrerer unterschiedlicher Pflanzen-schutzmittel zu gesundheitlichen Beeintraumlchtigungen durch Le-bensmittel fuumlhren kann

Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck sein

Zwar zeigen verschiedene aktuelle Monitoring-Projekte dass das gesundheitliche Risiko durch Mehrfachruumlckstaumlnde von Pflanzen-schutzmitteln unwahrscheinlich ist (s Interview) aber das Thema bleibt auch fuumlr die Wissenschaft draumlngend Denn auch wenn Mi-schungen schon seit Jahrzehnten wissenschaftlich analysiert und bewertet werden das Beduumlrfnis nach einer zuverlaumlssigen Bewertung der Risiken fuumlr Mensch und Umwelt steigt Grund dafuumlr ist zum einen die Vielzahl immer neuer Wirkstoffe Zusatzstoffe Chemika-lien Ruumlckstaumlnde und Kontaminanten gegenuumlber denen Menschen exponiert sind verbunden mit immer verfeinerten wissenschaftli-chen Nachweismethoden Zum anderen steigt der Druck aus der Oumlffentlichkeit Um wissenschaftliche Divergenzen zu vermeiden muumlssen transparente und international harmonisierte Verfahren entwickelt werden Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck in der Risikobewertung sein

Alle Gemische im Tierversuch zu testen ist nicht durchfuumlhrbar

Worum geht es im Einzelnen Mischungen liegen immer dann vor wenn ein Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt verschiedene Stoffe gleichzeitig aufnimmt z B Ruumlckstaumlnde Kontaminanten oder Chemikalien die nach der Europaumlischen Chemikalienverordnung REACH registriert sind Das geschieht wenn sogenannte intentional mixtures also beabsichtigte Mischungen wie Pflanzenschutzmittel oder Biozide in den Verkehr gebracht werden Aber auch unintenti-onal mixtures nimmt der Koumlrper auf Sei es dass verschiedene Stoffe in einem Produkt enthalten sind z B mehrere Pflanzenschutzmit-telruumlckstaumlnde in einem Apfel Oder sei es dass Stoffe gleichzeitig uumlber unterschiedliche Produkte aufgenommen werden In all diesen Faumlllen koumlnnen Mischungseffekte auftreten Diese sind je nach Wirk-mechanismus unterschiedlich stark ausgepraumlgt So koumlnnen sich die Wirkungen von Stoffen gegenseitig potenzieren oder auch aufheben Nach derzeitigem Kenntnisstand wird davon ausgegangen dass sich Wirkungen in der Regel addieren wenn die aufgenommenen Stoffe oberhalb der Wirkschwelle liegen den gleichen Wirkmechanismus haben und zu einem relevanten Zeitpunkt vom Organismus aufge-nommen wurden

Hier beginnen die Schwierigkeiten Es gibt zu viele intentional mix-tures die eine nahezu unuumlbersehbar groszlige Anzahl von Kombinati-onen ermoumlglichen Diese Gemische alle im Tierversuch zu testen wie sonst bei Einzelsubstanzen uumlblich waumlre sowohl ethisch nicht zu vertreten als auch praktisch nicht durchfuumlhrbar Daher arbeiten viele Forschungsprojekte u a der EU-Kommission daran tierversuchs-freie Methoden fuumlr die kumulative Bewertung zu entwickeln die die Effekte von Mischungen in vitro oder durch computergestuumltzte Be-rechnungen in silico berechnen (s Interview und Kasten)

Weltweit setzen Laumlnder das Thema auf ihre Agenda

Nicht nur fuumlr die Wissenschaft auch fuumlr den harmonisierten Voll-zug von Gesetzen ergeben sich dadurch neue Herausforderungen So schreibt z B die EU-Verordnung uumlber das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vor Kumulations- und Synergieeffekte zu be-ruumlcksichtigen ndash sofern es von der Behoumlrde anerkannte wissenschaft-liche Methoden zur Messung solcher Effekte gibt Doch die lagen bisher nicht vor Deshalb werden nun auf allen Ebenen technische Leitfaumlden fuumlr die neuen Methoden erstellt um eine harmonisierte

Auf die Mischung kommt es anKumulative Risikobewertung nimmt weltweit eine immer groumlszligere Bedeu-tung in der Toxikologie ein Das BfR arbeitet an einer Vielzahl von Projek-ten wie Mischungen in Zukunft bewertet werden koumlnnen

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

31012017

Vorgehensweise und transparente Nachvollziehbarkeit bei der Zu-lassung von Produkten zu gewaumlhrleisten Unter anderem die EFSA die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmittelsicherheit die Europauml-ische Chemikalienagentur ECHA und das JRC die Gemeinsame Forschungsstelle der Europaumlischen Kommission erarbeiten solche technischen Leitfaumlden

Neben der wissenschaftlichen Komplexitaumlt muumlssen diese techni-schen Leitfaumlden weitere Herausforderungen meistern Sie sollen fuumlr alle Bereiche gelten in denen Mischungen in Verkehr gebracht werden oder entstehen koumlnnen Bisher wurden Mischungen haumlufig nur in einem regulatorischen Bereich untersucht z B als Pflan-zenschutzmittel Biozid oder Arzneimittel Fuumlr andere Stoffe wie Lebensmittelzusatzstoffe oder Kontaminanten war die Bewertung von Mischungen bisher nicht klar gesetzlich reguliert In Zukunft sollen auch diese Stoffe bei einer Bewertung von Mischungen besser beruumlcksichtigt werden Auch soll nicht nur die chemische Zusam-mensetzung eines einzelnen Produktes systematisch bei der Zu-lassung beruumlcksichtigt werden sondern auch Mehrfachruumlckstaumlnde im gesamten Warenkorb den Verbraucherinnen und Verbraucher durchschnittlich zu einer gegebenen Zeit konsumieren Und zu gu-ter Letzt muumlssen die neuen Verfahren weltweit harmonisiert werden um das kumulative Risiko fuumlr Mensch und Umwelt auch angesichts globaler Warenketten gering zu halten Deshalb diskutieren Politik und Wissenschaft zurzeit nicht nur auf europaumlischer Ebene entspre-chende Leitfaumlden auch andere Laumlnder weltweit sowie die Weltge-sundheitsorganisation WHO und die Organisation fuumlr wirtschaftli-che Zusammenarbeit und Entwicklung OECD haben die kumulative Bewertung auf ihre Agenda genommen und stimmen ihre Guidance Documents mit den uumlbrigen Behoumlrden ab

Deutschland wendet die kumulative Bewertung schon an

Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR sind an zahlreichen dieser internationalen Projekte beteiligt sowohl an der wissenschaftlichen Erforschung kumulativer Effekte als auch an der Entwicklung technischer Leitfaumlden Einen wichtigen Schritt bei der kumulativen Bewertung hat Deutschland in der Europaumlischen Uni-

Stufe um Stufe zu einer gesicherten Bewertung

Seit Maumlrz 2017 wird in Deutschland eine Methodik fuumlr die Bewertung von Kumulations- und Synergie-effekten bei der gesundheitlichen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln in den Zulassungsverfahren angewandt Grundlage fuumlr das gestufte kumulative Bewertungsverfahren ist der sogenannte bdquoHazard Quotientldquo (HQ) der fuumlr jeden einzelnen Stoff ermit-telt wird Der HQ errechnet sich aus dem Verhaumlltnis zwischen dem relevanten gesundheitlichen Grenz-wert und der geschaumltzten Exposition

In einer ersten Stufe wird der HQ fuumlr alle Stoffe eines Gemisches einzeln ermittelt Liegt der HQ jedes Stoffes unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko fuumlr die einzelnen Bestandteile der Mischung zu erwarten Liegt dieser bei einzelnen Stoffen uumlber 1 wird gepruumlft ob die Exposition durch geeignete Maszlignahmen weiter vermindert werden kann zum Beispiel durch das Tragen entsprechender Schutz-kleidung

Liegt der HQ fuumlr alle Komponenten unter 1 wird in einer zweiten Stufe der sogenannte bdquoHazard Indexldquo (HI) des Gemisches ermittelt indem alle Gefahren-quotienten der verwendeten Stoffe addiert werden Liegt der ermittelte Wert weiterhin unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko durch das Gemisch zu erwarten

Liegt der HI uumlber 1 geht die Bewertung mit weiter verfeinerten Methoden in die dritte Stufe uumlber In dieser wird gepruumlft ob ein gesundheitliches Risiko vorliegt wenn eine Gruppierung der Einzelstoffe vorgenommen wird Dazu koumlnnen die einzelnen Stoffe in kumulative Bewertungsgruppen (cumula-tive assessment groups CAGs) eingeteilt werden die z B nach Effekten im gleichen Zielorgan oder nach dem gleichen Wirkmechanismus oder nach chemischer Verwandtschaft definiert sein koumlnnen Hintergrund dieser Einteilung ist die Annahme dass sich nach gegenwaumlrtigem Kenntnisstand nur Effek-te addieren die hinsichtlich der Zielorgane oder der Wirkmechanismen (MOA) vergleichbar sind Auch die relative Potenz der einzelnen Stoffe soll bei der verfeinerten Bewertung beruumlcksichtigt werden Liegt der HI innerhalb einer CAG unter 1 ist deshalb kein gesundheitliches Risiko zu erwarten Liegt er oberhalb des Wertes und koumlnnen weder Expositionsschaumltzung noch Gefahrenbewertung weiter verfeinert werden gilt das Gemisch als nicht sicher

Das mehrstufige Verfahren hat den Vorteil dass die ressourcenaufwendigeren Methoden zur verfei-nerten Bewertung z B in vergleichbaren CAGs oder MOAs nur zum Einsatz kommen wenn mit den ersten einfacheren Bewertungsmethoden nicht nachweisbar ist dass kein gesundheitliches Risiko zu erwarten ist

copy T

atom

mis

tock

com

32 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

EuroMix A tiered strategy for risk assessment of mixtures of multiple chemicals

EuroMix ist ein laumlnderuumlbergreifendes Projekt der EU-Kommission das die nie-derlaumlndische Behoumlrde fuumlr Gesundheit und Umweltschutz RIVM koordiniert Es zielt darauf ab eine tierversuchsfreie experi-mentelle Test-Strategie zu entwickeln um die Toxizitaumlt von Gemischen verschiedener toxikologisch relevanter Lebensmittelin-haltsstoffe Lebensmittelkontaminanten und Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde besser zu bestimmen Aus den Forschungsergeb-nissen wird ein Leitfaden fuumlr die kuumlnftige Umsetzung einer experimentellen Test-Stra-tegie entwickelt Das Acht-Millionen-Eu-ro-Projekt laumluft bis Mai 2019

Mehr erfahren wwweuromixprojecteu

Kombinationseffekte Forschungsprojekte des BfR

Am BfR werden in verschiedenen Abteilungen mehrere interne Forschungsprojekte zu Kombinationseffekten durch-gefuumlhrt Dazu gehoumlren u a Forschungsprojekte zu kumulativen Wirkungen in Pflanzenschutzmitteln und Bioziden zu Mehrfachruumlckstaumlnden in Lebensmitteln zur Expositionsschaumltzung sowie zu wirbeltierfreien Alternativmethoden Daruumlber hinaus ist und war das BfR auch an folgenden Drittmittel-Projekten beteiligt die zu Kombinationseffekten forschen

Combiomics Analyse von Kombinationseffekten von Pestiziden in vitro

Combiomics war ein zweieinhalbjaumlhri-ges Projekt des Bundesministeriums fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) das im Fruumlhling 2016 abgeschlossen wurde In dem vom BfR koordinierten Projekt wurden moumlgliche Kombinationswirkungen durch Mehrfachruumlckstaumlnde beispielhaft anhand einer Gruppe von Fungiziden in vitro unter-sucht Dazu wurden die molekularen Effek-te der Triazole mittels multi level omics und praumldiktiver mathematischer Modellierung untersucht Ausgehend von den Ergebnissen wurde ein Praumldiktionsmodell fuumlr Substanz-kombinationen erstellt validiert und auf Pestizide anderer Stoffgruppen bzw weitere Substanzklassen ausgedehnt um Kombi-nationseffekte kuumlnftig weitgehend ohne Tierversuche durchfuumlhrbar zu machen

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschung gt Drittmittelprojekte gt Combiomics

Combiomics 2Auch die zweite Projektphase von Com-biomics wird vom BfR koordiniert Hier sollen erfolgreich getestete Methoden und Zelllinien in Form einer standardisierten In-vitro-Testbatterie validiert und in ein Standardverfahren integriert werden das auch kuumlnftigen regulatorischen Anforde-rungen entspricht Das dreijaumlhrige Projekt wird vom BMBF bis Ende 2019 gefoumlrdert

Mehr erfahren wwwfisaonlinede gt Kombinationseffekte Pestizide

on schon jetzt unternommen Am 1 Maumlrz 2017 erschien im Bundesanzeiger eine Be-kanntmachung dass Kumulations- und Synergieeffekte in der gesundheitlichen Be-wertung von Pflanzenschutzmitteln kuumlnf-tig durch das BfR beruumlcksichtigt werden Damit bezieht Deutschland bei der zonalen Zulassung von Pflanzenschutzmitteln eine systematische kumulative Bewertung ein

Ein Leitfaden zur kumulativen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln wurde am BfR erarbeitet basierend auf den internatio-nalen Diskussionen bei EFSA und ECHA und 2014 veroumlffentlicht Seitdem wird das Verfahren am BfR angewandt uumlberpruumlft und verfeinert Im Kern geht es darum in einem mehrstufigen Verfahren verschie-dene Wirkstoffe in einem Pflanzenschutz-mittel oder in einer beantragten Tankmi-

schung kumulativ zu bewerten (s Kasten) Dazu werden sowohl die Exposition der Anwenderinnen und Anwender als auch die akute Exposition der Verbraucherinnen und Verbraucher betrachtet sodass die am meisten exponierten Gruppen beruumlcksich-tigt sind

Das Ziel Mischungen weltweit harmonisiert zu bewerten

Die Einfuumlhrung der Konzepte zur kumu-lativen Bewertung von Pflanzenschutzmit-teln hat auch in anderen EU-Laumlndern Aus-wirkungen auf die Risikobewertung Wenn Deutschland im zonalen Zulassungsverfah-ren bewertender Mitgliedstaat ist wird das Verfahren grundsaumltzlich angewandt Aber auch in die Bewertungsberichte anderer Laumlnder flieszligt die kumulative Bewertung als

deutscher Kommentar mit ein Durch den fachlichen Austausch zwischen den Mit-gliedstaaten wurde das Konzept in den letz-ten Jahren einem Peer-Review unterzogen Um die Praxis europaweit noch besser zu harmonisieren werden derzeit auszligerdem internationale Workshops organisiert auf denen diskutiert wird wie Mischungen bei der Risikobewertung kuumlnftig beruumlcksichtigt werden sollen Das BfR veranstaltet einen solchen Workshop im November 2017 im Auftrag der Europaumlischen Kommission die Franzoumlsische Behoumlrde fuumlr gesundheitlichen Verbraucher- Umwelt- und Arbeitsschutz (ANSES) einen weiteren im Februar 2018 unter aktiver Beteiligung des BfR

Das Ziel Mischungen weltweit harmoni-siert zu bewerten um Mensch und Umwelt besser zu schuumltzen ruumlckt damit naumlher

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

33012017

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

bdquoZiel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertungldquo Interview mit Herrn Dr Roland Solecki uumlber die Forschungsaktivitaumlten des BfR zu Mehrfachruumlckstaumlnden

Herr Solecki bei Mehrfachruumlckstaumlnden von Pflanzenschutzmitteln sprechen die Medien oft von einem bdquoGiftcocktailldquo Haben Sie Erkenntnisse daruumlber wie groszlig das gesundheitliche Risiko tat-saumlchlich istDas BfR hat dazu gemeinsam mit dem Bun-desministerium fuumlr Ernaumlhrung und Land-wirtschaft und dem Bundesamt fuumlr Ver-braucherschutz und Lebensmittelsicherheit einen Bericht uumlber die kumulativen Wir-kungen von Pflanzenschutzmitteln veroumlf-fentlicht Dieser basiert auf einer Methodik der niederlaumlndischen Behoumlrde fuumlr Gesund-heit und Umweltschutz RIVM Hintergrund ist ein Monitoring das uumlber einen Zeitraum von sechs Jahren in Deutschland durchge-fuumlhrt wurde Darin wurde untersucht wel-che Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde durch-schnittlich uumlber Lebensmittel aufgenommen werden Das Ergebnis war dass auch unter Worst-Case-Annahmen fuumlr die Mischungen von Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnden ein gesundheitliches Risiko unwahrscheinlich ist Die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit EFSA kam in ihrem Monito-ring-Bericht von 2015 fuumlr Gesamteuropa zu einem aumlhnlichen Ergebnis

Sie arbeiten unter anderem bei dem Pro-jekt EuroMix mit Worum geht es dabeiEs handelt sich um ein groszliges Forschungs-projekt der EU-Kommission zur kumulati-ven Bewertung von Mischungen im Rahmen von Horizont 2020 dem Rahmenprogramm der Europaumlischen Union fuumlr Forschung und Innovation Das Projekt hat zum Ziel neue Bewertungsmethoden fuumlr Mischungseffekte zu erarbeiten besonders auch im Hinblick auf Alternativen zu Tierversuchen innovati-ve Wege der Expositionsschaumltzung und Mo-dellierung von kumulativen Risiken Dabei geht es nicht nur um Pflanzenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatzstoffe und andere Chemikalien

Wie ist das BfR da in EuroMix einge-bundenVom BfR arbeiten sowohl die Abteilung Sicherheit von Pestiziden als auch die Ab-teilung fuumlr Lebensmittelsicherheit am Eu-roMix-Projekt mit Waumlhrend die von mir geleitete Abteilung fuumlr die regulative Bewer-tung eingebunden ist werden in der Abtei-lung Lebensmittelsicherheit experimentelle Arbeiten unter anderem zur Lebertoxizitaumlt durchgefuumlhrt in denen auch Kombinatio-nen von Pestiziden mit anderen Lebensmit-telinhaltsstoffen gepruumlft werden

Woran forschen Sie im EuroMix-ProjektWir haben zunaumlchst recherchiert welche gesetzlichen Anforderungen bestehen und wie unterschiedliche Behoumlrden weltweit

Mischungseffekte bewerten Und wir haben Forschungen zu Mischungen durchgefuumlhrt die bestimmte adverse Effekte auf die Leber verursachen Dabei wurden bestimmte Schluumlsselelemente untersucht um daraus ein Konzept fuumlr die Bewertung zu erarbei-ten Jetzt werden die Omics-Untersuchun-gen und andere alternative Pruumlfverfahren noch durch Tierversuche ergaumlnzt sodass wir auch am Gesamtorganismus die Effek-te uumlberpruumlfen koumlnnen Gleichzeitig werden die statistischen Hilfsmittel und die ande-ren elektronisch basierten Tools weiterent-wickelt Auszligerdem folgen noch weitere Stu-dien zur Exposition Die finalen Ergebnisse liegen am Ende des Projekts im Jahr 2019 vor

In welche weiteren europaumlischen Aktivi-taumlten ist das BfR eingebundenDie EFSA hat bereits einige Ansaumltze zur Bewertung der kombinierten Exposition gegenuumlber mehreren Pestiziden und Kon-taminanten bei Menschen sowie mehreren Pestiziden bei Bienen entwickelt Derzeit ist die EFSA damit befasst neue Ansaumltze und Instrumente zur Harmonisierung der Be-wertung von Risiken fuumlr Mensch und Um-welt zu erarbeiten die von der Exposition gegenuumlber mehreren chemischen Stoffen in der Lebensmittelkette ausgehen Ich bin derzeit Mitglied einer Arbeitsgruppe von Sachverstaumlndigen die der Wissenschaftliche Ausschuss der EFSA eingerichtet hat um Leitlinien im Hinblick auf die kombinierte Exposition gegenuumlber mehreren chemi-schen Stoffen zu entwickeln Diese Initiative unter dem Namen bdquoMixToxldquo wird 2018 den Leitfaden in einer oumlffentlichen Konsultation diskutieren

Bei dieser Vielzahl an Aktivitaumlten Wel-ches Ziel haben Sie persoumlnlich vor Au-genDas Ziel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertung von Stoffen in der gesundheitlichen Risikocharakterisie-rung und deren harmonisierte Implemen-tierung in den gesetzlichen Verfahren Dies wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen

bdquoBei den kumulati-ven Risiken geht es nicht nur um Pflan-zenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatz-stoffe und andere Chemikalien

Dr Roland Solecki leitet die Abteilung bdquoSicherheit von Pestizidenldquo am BfR

copy B

fR

34 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

SPEKTRUM

Identifizierung endokriner Disruptoren Vom Grundsatz in die Praxis

Fuumlr Pestizid-Wirkstoffe und andere Chemikalien sind harmonisierte wissenschaftliche Kriterien erforderlich mit denen hormonschaumldigende Substanzen identifiziert werden koumlnnen Das BfR veroumlffentlichte hierzu bereits 2016 ein Konsenspapier als wissenschaftliche Grundlage fuumlr die darauffolgende Arbeit der EU-Behoumlrden Auf legislativer Ebene werden aktuell EU-weit geltende Ver-ordnungen festgelegt um auf wissenschaftlicher Ebene Leitlinien zur regulatorisch harmonisierten Umsetzung dieser Verordnungen zu erarbeiten Mit dieser Aufga-be hat die EU-Kommission die EFSA und die ECHA gemeinsam beauftragt Das BfR unterstuumltzt die Behoumlr-den mit wissenschaftlicher und technischer Expertise indem es die entsprechende Arbeitsgruppe bei der EFSA personell verstaumlrkt sowie Recherchen und Umfragen zur Praktikabilitaumlt von Untersuchungsmethoden durchfuumlhrt Die Publikation der Leitlinien wird fuumlr Fruumlhjahr 2018 erwartet Sie koumlnnen auf Basis der verabschiedeten Ver-ordnungen nach ihrer Implementierung in der Genehmi-gungspraxis angewendet werden

Mehr erfahren Solecki et al 2017 Scientific principles for the identification of endocrine-disrupting chemicals a consensus statement Arch Toxicol 91 1001ndash1006

Insekten-Stopp in Textilien Allergene Wirkung unwahrscheinlich

Das Risiko fuumlr eine Allergie nach dem Kontakt mit Kleidung und Produkten die mit dem Biozid Permethrin behandelt sind ist nach derzeitigem Kenntnisstand unwahrscheinlich Das ist das Ergebnis einer aktuellen Risikobewertung des BfR Gestuumltzt wird das Ergebnis dadurch dass trotz weitverbreiteter Anwendung des Wirkstoffs in Medikamenten und Verbraucherprodukten kein Anstieg der Kontaktallergien gegenuumlber Permethrin zu verzeichnen ist Das Risiko fuumlr kanzero-gene systemische Effekte infolge einer dermalen und oralen Exposition gegenuumlber Permethrin aus Textilien ist nach Ansicht des BfR vernachlaumlssigbar gering Permethrin ist ein biozider Wirkstoff der zum Schutz gegen Insekten in Produkten wie Schlafsaumlcken Picknick- und Yogadecken sowie Teppichen und Kleidung eingesetzt wird Er ist im Chemikalienrecht als sensibilisierend eingestuft ein moumlgliches geringes kanzerogenes Potenzial wird von verschiedenen wissenschaftlichen Gremien diskutiert Der Wirkstoff kann aus Textilien freigesetzt und uumlber die Haut aufgenommen werden Bei kleinen Kindern die viele Produkte in den Mund nehmen kommt eine moumlgliche orale Aufnah-me des Stoffes hinzu

Mehr erfahren Stellungnahme Nr 0062017 des BfR vom 25 April 2017

Wie wirkt Aluminium in Leber und Darm

Aluminium ist in Lebensmitteln Kosmetika und Bedarfsge-genstaumlnden enthalten und kann uumlber die Nahrung aufgenom-men werden Erste Ergebnisse aus dem deutsch-franzoumlsischen Forschungsprojekt bdquoSolNanoToxldquo mit Beteiligung des BfR zeigen dass sich aus der Nahrung aufgenommene Aluminiumverbin- dungen temporaumlr im Darm anreichern Ob und in welchen Men-gen die Partikel weiter in den Koumlrper insbesondere in die Leber gelangen und welche Faktoren ihre Wirkung beeinflussen wird aktuell erforscht Die Forschungsgruppe sieht Anhaltspunkte dafuumlr dass ein Teil der angereicherten Partikel mit dem Stuhl wieder ausgeschieden wird Fuumlr seine Untersuchung simulierte das BfR anhand biologischer Proben die Verdauung verschiede-ner Aluminiumarten vom Mund uumlber den Magen bis zum Darm Mithilfe von Enzymen und Salzen wurden dabei physiologische Parameter wie der pH-Wert gesteuert Waumlhrend des simulierten Verdauungsprozesses veraumlnderten die Aluminiumverbindungen ihre chemische Reaktionsfaumlhigkeit und Loumlslichkeit Die Erkennt-nisse sind ein erster Schritt um den Prozess der Aufnahme Resorption und Verteilung von Aluminium im Koumlrper besser zu verstehen und daraus Daten fuumlr die Risikobewertung abzuleiten Aluminiumverbindungen koumlnnen in zu hohen Dosen toxisch auf das Nervensystem und ungeborenes Leben wirken sowie die Fruchtbarkeit und Knochenentwicklung beeinflussen

copy B

fR

copy c

gsto

cks

hutte

rsto

ckc

om

copy R

osel

ynne

shu

tters

tock

com

35012017

Bei Kleidung ist besonders der Einsatz von Silber-Nanopartikeln weit verbreitet Silber wirkt antibakteriell und soll die Geruchs-bildung durch Schwitzen reduzieren Beim Einsatz von Nanosilber in Kleidungsstuuml-cken ist in erster Linie eine Freisetzung in Schweiszlig und somit ein moumlglicher Hautkon-takt relevant Neben der Frage ob und in welcher Menge Silber prinzipiell aus Texti-lien herausgeloumlst wird beschaumlftigt sich die Forschung mit der Frage welchen Einfluss die Technologie hat mit der Nanosilber auf Textilien aufgetragen bzw eingebracht wird Bisher war zudem unklar inwiefern die Oberflaumlchenbeschichtung der Nano-partikel die Abgabe beeinflusst

Kuumlnstlicher Schweiszlig simuliert Freisetzung

In einem Forschungsprojekt pruumlfte das BfR neun Proben von Textilien die mit Nanosil-ber veredelt waren Als Vergleich diente ein mit konventionellem Silber (hier Silbersalz mit einem Partikeldurchmesser groumlszliger als 100 Nanometer) ausgeruumlstetes Textil Zwei der Textilien waren sogenannte Komposite bei denen Nanosilber in die Faser integriert ist Bei den anderen getesteten Textilien war die Faseroberflaumlche mit Silber-Nano-partikeln bzw in einem Fall mit konventio-nellem Silber beschichtet (Textil-Coating) Um die Abgabe von Silber durch Schwitzen

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

Kleidung wird durch sie wasser- und schmutzabweisend sie blocken UV-Strahlen und mindern Geruumlche Nanoma-terialien haben beliebte funktionelle Eigenschaften Ob sie aufgrund ihrer Winzigkeit gesundheitliche Risiken bergen ist indes noch weitgehend unbekannt In einem Forschungsprojekt uumlber Nanosilber hat das BfR ermittelt ob sich die Kleinstteilchen aus Textilien herausloumlsen und damit zum gesundheitlichen Risiko werden koumlnnen

Nanomaterial

ist ein natuumlrliches bei Prozessen anfallendes oder kuumlnstlich hergestelltes Material das Partikel in ungebundenem Zustand als Aggregat oder als Agglo-merat enthaumllt und bei dem die Mehrheit der Partikel ein oder mehrere Auszligen-maszlige im Bereich unter 100 Nanometer hat In Nanogroumlszlige kann ein Stoff andere Eigenschaften besitzen als wenn er in Form groumlszligerer Partikel vorliegt

copy o

still

shu

tters

tock

com

36 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von Textilfasern Links Nanokomposit bei dem kaum Silberpartikel an der Faseroberflaumlche zu finden sind Mitte und rechts Textilien mit Silbercoating hier befindet sich insgesamt mehr Silber auf der Oberflaumlche

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

zu simulieren wurden die Textilien fuumlr 24 Stunden in einer Schweiszligsimulanz-Louml-sung inkubiert Fuumlr die Auswertung wurde zunaumlchst der gesamte Silbergehalt in den Schweiszligloumlsungen mit massenspektromet-rischen Messmethoden bestimmt In den Proben in denen Silber vorhanden war wurden anschlieszligend mit Zentrifugation und einer speziellen Methode zum Messen von Einzelpartikeln geloumlstes und partikulauml-res Silber unterschieden Im letzten Schritt wurden die Partikelgroumlszligen des vorgefun-denen partikulaumlren Silbers gemessen um nanoskaliges Silber zu identifizieren

Silber aus Kleidung freigesetzt

Die Untersuchung des BfR zeigte dass von jeder Textilprobe Silber in die Schweiszligsi-mulanz-Loumlsung uumlberging je nach geteste-tem Textil zwischen 7 und 75 Prozent des originaumlr in den Textilien enthaltenen Sil-bers Dabei setzten die beschichteten Tex-tilien mehr Silber frei als die Komposite Den houmlchsten abgegebenen Anteil fand das BfR bei dem mit konventionellem Silber beschichteten Textil Die Freisetzung wird demnach staumlrker durch die Technologie der Veredelung bestimmt als durch die im Tex-til enthaltene Menge Auszligerdem scheint die Abgaberate von Silber aus Nanosilber im Vergleich zu konventionellem Silber nicht erhoumlht zu sein

In der Schweiszligloumlsung lag das freigesetzte Silber uumlberwiegend geloumlst vor Partikulaumlres Silber fand sich nur zum geringeren Teil dann jedoch auch im Nanometerbereich Ob es sich dabei um einzelne Nanoparti-kel handelt oder ob das Silber an groumlszligere Partikel gebunden ist muss in weiteren Untersuchungen uumlberpruumlft werden Nach

derzeitigem wissenschaftlichem Kennt-nisstand geht man davon aus dass sich Nanopartikel im Koumlrper anders verhalten als groumlszligere Partikel Uumlberraschenderweise detektierte die Forschungsgruppe auch in den Schweiszligsimulanzien der mit konven-tionellem Silber beschichteten Textilien partikulaumlres Silber in Nanogroumlszlige Das Vor-kommen von Silberpartikeln scheint also nicht davon abhaumlngig zu sein ob das Silber in Nano- oder konventioneller Form auf das Textil aufgebracht wurde

In einer parallelen Untersuchung fanden die Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler heraus dass zudem die Beschaffenheit der Nanopartikel beispielsweise in Form einer speziellen Beschichtung ihre Loumlslichkeit in der Schweiszligloumlsung beeinflusst

Art der Beschichtung relevant

Silber wird demnach aus Textilien freige-setzt in geringen Teilen sogar in partiku- laumlrer Form Die gewaumlhlte Form der Tex-tilfunktionalisierung aber auch die Be-schaffenheit der Nanopartikel stellen dabei wichtige Kriterien fuumlr das Freisetzungsver-halten dar Solche Erkenntnisse sind vor al-lem fuumlr den sicheren Einsatz von Nanoma-terialien in Alltagsprodukten wichtig weil die Exposition des Menschen gegenuumlber derartigen Stoffen moumlglichst klein gehalten werden sollte Auszligerdem geben sie Hin-weise in welcher Anwendungsform Nano-materialien im verbrauchernahen Bereich sicher eingesetzt werden koumlnnen

Mehr erfahren Wagener et al 2016 Textile Functionalization and Its Effects on the Release of Silver Nanoparticles into Artificial Sweat Environ Sci Technol 50 11 5927ndash5934

Per Flugzeitmassenspek-trometer laumlsst sich Silber auf beschichteten Textil-fasern detektieren

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

NANOPARTIKEL

37012017

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

38 BfR 2 GO

Neuer Ansatz fuumlr Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

Spiegelbild gesucht

Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR zeigt einen neuen Ansatz um mithilfe von Genexpressionsdaten das geeignete Tiermodell fuumlr die Grundlagenforschung oder fuumlr spezifische klinische Fra-gestellungen zu identifizieren Damit koumlnnen zukuumlnftig unnoumltige Tierversu-che vermieden werden Hamburger Wissenschaftsbehoumlrden wuumlrdigten die Erkenntnisse mit einem Forschungspreis

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

39012017

Fragestellung

Vergleich

Auswahl

z B bdquoMit welchem Mausmodell koumlnnen die Ursachen von Alzheimer erforscht werdenldquo

Vergleich von vorhandenen Omics-Expressionsdaten von Mensch und Tier

Auswahl des geeigneten Modells

1

2

3

Geeignete Tiermodelle identifizieren

An Tiermodellen werden zahlreiche biologische Prozesse und Krankheiten wie Wund-

heilung Diabetes Tumoren oder entzuumlndliche Erkrankungen erforscht Durch den

Vergleich der Omics-Expressionsdaten von Tiermodell und Mensch koumlnnen geeignete

Modelle fuumlr die jeweilige Fragestellung identifiziert werden

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

40 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Verlaumluft ein entzuumlndlicher Prozess bei Maumlusen aumlhnlich wie beim Menschen Sind Maumluse daher geeignete Ver-

suchstiere fuumlr Tests von antientzuumlndlichen Substanzen Um Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung in den klinischen Alltag zu uumlberfuumlhren ndash Aufgabengebiet der translationalen Forschung ndash werden wissen-schaftliche Fragestellungen oft in Tierversu-chen erprobt Ob und inwieweit die Ergeb-nisse auf den Menschen uumlbertragbar sind ist dabei immer wieder Gegenstand kontrover-ser Diskussionen Geeignete Methoden mit denen die Wissenschaft Tiermodelle mit op-timaler Uumlbertragbarkeit auf den Menschen auswaumlhlen kann wuumlrden dem wissenschaft-lichen Fortschritt helfen und die Zahl der Tierversuche reduzieren Es geht dabei um die Frage welches Tiermodell am besten das menschliche System widerspiegelt

Vergleichbarkeit von Genom- daten fehleranfaumlllig

Als Grundlage fuumlr diese Uumlberlegungen die-nen Daten aus modernen bioanalytischen Hochdurchsatzverfahren Immer haumlufiger setzt die Wissenschaft auf diese sogenannten Omics-Technologien die die Gesamtheit aller Gene und ihrer Produkte analysieren ndash sowohl beim Tier als auch beim Menschen Mit ihnen lassen sich molekulare Prozesse in lebenden Systemen umfassend darstel-len indem sie beispielsweise die Interaktion hunderter bis tausender Genprodukte zei-gen Die Analyse dieser zunehmend kom-plexen Omics-Datensaumltze stellt die Wissen-schaft jedoch vor Probleme da das Vorgehen dazu nicht standardisiert ist Die Interpreta-tion der Ergebnisse ist bisher meist von der Kompetenz der Durchfuumlhrenden und von der angewandten Methode abhaumlngig Im Ergebnis war die Entscheidung zur Frage der Uumlbertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen fehleranfaumlllig und die Suche nach

geeigneten Tiermodellen erschwert Die ge-ringe Standardisierung der Interpretation von Omics-Daten fuumlhrte in Forschungs-kreisen bereits zu widerspruumlchlichen Er-gebnissen so zum Beispiel bei zwei Studien aus den Jahren 2013 und 2015 die sich mit der Vergleichbarkeit von entzuumlndlichen Er-krankungen beim Menschen und gaumlngigen Mausmodellen beschaumlftigten Waumlhrend eine Forschungsgruppe im Jahr 2013 schlussfol-gerte dass entzuumlndliche Prozesse zwischen Mensch und Maus nicht vergleichbar seien kam eine andere Gruppe zwei Jahre spaumlter anhand der gleichen Omics-Daten zum ge-genteiligen Schluss Die Maus reagiere auf der molekularen Ebene sehr aumlhnlich wie der Mensch und sei daher als Tiermodell sehr nuumltzlich fuumlr die Erforschung menschlicher Erkrankungen Zwar ist es nicht ungewoumlhn-lich dass Ergebnisse von Studien unter-schiedlich eingeschaumltzt werden ndash allerdings selten auf Basis der gleichen Daten

Motivation des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR war es diese Widerspruumlche aufzuklaumlren und einen standardisierten und zielgerichteten Analyseansatz zu entwickeln der die Suche nach geeigneten Tiermodellen vereinfacht und somit unnoumltige Tierversuche vermei-den hilft Es gehoumlrt zu den Kernaufgaben des Bf3R bundesweit alle Aktivitaumlten zu koordi-nieren mit den Zielen Tierversuche auf das unerlaumlssliche Maszlig zu beschraumlnken und fuumlr Versuchstiere den bestmoumlglichen Schutz zu gewaumlhrleisten Die Aufgaben des Bf3R wer-den vom BfR wahrgenommen

Genomdaten von Tier und Mensch gezielt vergleichen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler des Bf3R haben die Omics-Daten aus den beiden erwaumlhnten widerspruumlchlichen Studien mithilfe hochperformanter Com-

puter nochmals systematisch ausgewertet Dabei wurden zunaumlchst die zu verglei-chenden Gene gruppenweise biologischen Prozessen zugeordnet die wesentlich fuumlr ein Entzuumlndungsgeschehen sind Diese Gene Set Enrichment Analysis (GSEA) ge-nannte Methode greift auf umfangreiche in oumlffentlichen Datenbanken hinterlegte Genomdaten gaumlngiger Tiermodelle und von Erkrankten zuruumlck Mit ihrer Heran-gehensweise konnten die Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler des BfR an-schlieszligend Veraumlnderungen auf der Ebene pathologischer Signalwege erkennen und Unterschiede zwischen Tiermodell und Mensch identifizieren Da der Groszligteil der untersuchten Genprodukte haumlufig nur geringfuumlgig veraumlndert war konnten bei der Analyse auf Ebene vollstaumlndiger bio-logischer Signalwege alle Gene einbezogen und Aumlnderungen in der Gesamtheit eines biologischen Signalwegs bewertet werden Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu bisherigen Analyseansaumltzen da fuumlr die Klauml-rung translationaler Fragestellungen bisher haumlufig willkuumlrlich und subjektiv Gene von Mensch und Tiermodell fuumlr einen direkten Eins-zu-eins-Vergleich ausgewaumlhlt wurden

Die systematische Auswertung des Bf3R zeigte dass die Ergebnisse beim vorlie-genden Genomdatenvergleich bei einigen Mausmodellen gut mit den beim Menschen ermittelten Daten uumlbereinstimmten Bei an-deren Mausmodellen hingegen war es nicht so So aumlhnelt das Entzuumlndungsgeschehen bei Maumlusen die mit Staphylococcus aureus (Staphylococcus-aureus-Injektionsmodell) infiziert sind oder eine Darmperforation (Cecal-ligation-and-puncture-Modell) erfah-ren den meisten klinischen Proben Hin-gegen verlaufen Erkrankungen die durch Lipopolysaccharide (LPS) und Streptococcus pneumoniae verursacht werden bei Mensch und Maus verschieden

Omics

Der Terminus beschreibt Methoden zur

Analyse komplexer biologischer Proben

auf der Ebene des gesamten Genoms

von Transkripten Proteinen oder Meta-

boliten

41012017

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

Forschungsansatz hilft Tierversuche zu reduzieren

Die Methode der Datenanalyse mittels GSEA-Ansatz erleichtert es Forschungs-gruppen zukuumlnftig zielgerichtet und stan-dardisiert das optimale Tiermodell aus-zuwaumlhlen das am besten die menschliche Situation abbildet Voraussetzung dafuumlr ist die Existenz von Omics-Daten zur klini-schen Fragestellung sowie zu den infrage kommenden Tierversuchen Dies ist bereits fuumlr eine Vielzahl von Tiermodellen sowie von humanen Erkrankungen der Fall neben Entzuumlndungserkrankungen beispielsweise fuumlr Herz-Kreislauf-Erkrankungen Krebser-krankungen Atemwegserkrankungen Stoff-wechselerkrankungen und neurologische Erkrankungen Aufgrund der vermehrten Verwendung von Omics-Methoden kann davon ausgegangen werden dass stetig wei-tere systembiologische Daten ermittelt und veroumlffentlicht werden Die vom Bf3R ange-wandte Methode wird daher weiterhin bei der gezielten Auswahl von Tiermodellen nuumltzlich sein

Das Verfahren kann in der Grundlagen-forschung sowie in der translationalen und angewandten Forschung eingesetzt werden Diese Bereiche machten 2015 nach Anga-ben des Bundesministeriums fuumlr Ernaumlh-rung und Landwirtschaft mit insgesamt 73 Prozent den groumlszligten Teil der Tierversuche aus Ein Groszligteil davon entfaumlllt auf Maumluse Ratten und zunehmend auch auf Fische Grundsaumltzlich kann die neue Methode zur Auswahl des geeigneten Versuchstiermo-dells bzw zum Ausschluss nicht geeigneter Versuchstiermodelle bei jeglichen Tierver-suchen in diesen Bereichen genutzt werden Analog zu den Versuchstierzahlen liegen derzeit die meisten Omics-Daten fuumlr Maus und Ratte vor So sind beispielsweise allein in der oumlffentlichen NCBI GEO-Datenbank (National Center for Biotechnology Informa-tion Gene Expression Omnibus) derzeit Da-ten zu ca 340000 Maus-Proben und 75000 Ratte-Proben gelistet

Methode identifiziert geeignete Zellkulturmodelle

Dabei ist die Methode des Bf3R nicht auf humane und murine Datensaumltze beschraumlnkt sondern kann auf alle weiteren Spezies an-gewandt werden fuumlr die umfangreiche Da-tenbanken zu biologischen Signalwegen oder Gengruppen vorliegen Auch fuumlr die Beurteilung von zellbasierten Alternativ-methoden kann der neue Forschungsansatz

herangezogen werden Durch einen system-biologischen Abgleich der klinischen Daten mit Omics-Daten aus beispielsweise neuar-tigen 3D-Zellkulturen oder organaumlhnlichen Mikrostrukturen wird die Charakterisierung und Verifizierung von zellbasierten Alterna-tivmethoden ermoumlglicht

Praumlmierte Forschungsleistung

Fuumlr ihre Forschung erhielten die Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR 2016 den Hamburger Forschungspreis zur Foumlrderung der Entwicklung von Ersatz- und

Ergaumlnzungsmethoden Die Auszeichnung wurde zum erstem Mal von den Hamburger Behoumlrden fuumlr Gesundheit und Verbraucher-schutz sowie fuumlr Wissenschaft Forschung und Gleichstellung mit einem Foumlrderpreis in Houmlhe von 20000 Euro ausgeschrieben Der Preis wird fuumlr Arbeiten vergeben die einen Beitrag leisten Tierversuche zu ersetzen oder zu minimieren

Mehr erfahrenWeidner et al 2016 Defining the optimal animal model for translational research using gene set enrichment analysis EMBO Molecular Medicine 8 8 831ndash838

Wofuumlr Versuchstiere in Deutschland eingesetzt werden

630255Herstellung und Qualitaumlts-kontrolle medizinischer Produkte toxikologische Sicherheitspruumlfungen

22

59

14 5

1643259Grundlagenforschung

144997sonstige Zweckez B Zucht Aus- und Weiterbildung

381450translationale und angewandte Forschung

Que

lle B

unde

smin

iste

rium

fuumlr E

rnaumlh

rung

und

Lan

dwirt

scha

ft V

ersu

chst

ierz

ahle

n 20

15

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

42 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Alternativen zu Tierversuchen Forschung regional buumlndeln

Eine individualisierte Schmerztherapie fuumlr Versuchsmaumluse und eine Verringerung von Tierexperimenten zum Test der Inhala- tionstoxizitaumlt von Nanomaterialien (siehe rechte Spalte) ndash hierzu sollen die ersten Arbeitsergebnisse des BfR im Berlin-Bran-denburgischen Verbundprojekt BB3R zukuumlnftig beitragen Das Netzwerk aus Universitaumlten und Bundesinstitutionen forscht um Tierversuche zu vermeiden (Replacement) bzw zu verringern (Reduction) sowie das Leiden von Versuchstieren zu vermindern (Refinement) Das BfR ist als einer von sechs Verbundpartnern in den Bereichen der Refinement- und Replacement-Forschung beteiligt Das Bundesforschungsministerium foumlrdert das mit BB3R abgekuumlrzte Projekt fuumlr vier Jahre bis Fruumlhjahr 2018 es ist als Plattform fuumlr den wissenschaftlichen Austausch konzipiert und integriert ein Graduiertenkolleg

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschungwwwbb3rde

Belastung von Laborfischen erkennen

Koumlrperbau

Koumlrpermerkmale

Verhaltenkreisendes Schwimmen

Belastung von Laborfischen erkennen

Ob Laborfische Schmerzen empfinden oder leiden laumlsst sich mithilfe konkreter Kriterien beurteilen Die Vorarbeiten hierzu koordinierte der bdquoNationale Ausschuss zumSchutz von fuumlr wissenschaftliche Zweckeverwendeten Tierenldquo am BfR gemeinsam mit externen Sachverstaumlndigen und Beauf-tragten von Genehmigungsbehoumlrden Die erstmals definierten Kriterien bewerten unter anderem Auffaumllligkeiten im Koumlrper-bau sowie im Verhalten der Tiere Schmer-zen und Leiden koumlnnen so gezielt behandelt und gelindert werden Da die Frage der Belastung der Tiere anhand der Kriterien eindeutig geklaumlrt werden kann dienen sie zudem als Entscheidungshilfe fuumlr Behoumlr-den welche die Zucht belasteter genetisch veraumlnderter Tiere genehmigen muumlssen Fische insbesondere Zebrafische sind nach Maumlusen und Ratten die am dritthaumlufigsten verwendete Versuchstierart Die Zahl der Versuchsfische hat in den letzten Jahren stetig zugenommen

Mehr erfahren Bert et al 2016 Considerations for aEuropean animal welfare standard toevaluate adverse phenotypes in teleost fish EMBO J 35 11 1151ndash1154Empfehlung des Nationalen Ausschusses TierSchG Nr 0012015

Test der Inhalationstoxizitaumlt von Nanomaterialien

Die Einatmung gilt als wichtigster Aufnahmeweg fuumlr Nanomaterialien Im Rahmen der BB3R-Forschung bildet das BfR diese Art der Exposition mit In-vitro- Atemwegsepithelmodellen an ihrer Grenzflaumlche zur Luft ab Dieser Ansatz zum Test der Inhalationstoxi-zitaumlt hilft Anzahl und Umfang von Tierversuchen zu verringern

Versuchsaufbau Drei Roumlhrchen leiten ein Testaerosol mit luftgetragenen Nanomaterialien auf Epithelzellen

SPEKTRUM

copy B

fR

43012017

Jubilaumlumsfeier und internationales Symposium

Am 29 November 2017 feiert das BfR sein 15-jaumlh-riges Bestehen mit einem Festakt Geplant ist eine Feier mit ausgewaumlhlten Gaumlsten in der Akademie der Kuumlnste Anschlieszligend findet vom 30 Novem-ber bis zum 01 Dezember 2017 das gemeinsame internationale Symposium des BfR und seiner Schwesterinstitutionen aus Daumlnemark (DTU Food) und Frankreich (ANSES) sowie der suumldko-reanischen Behoumlrde fuumlr Lebens- und Arzneimittel-sicherheit (NIFDS) statt Unter dem Motto bdquoPast Present and Future Challenges in Risk Assessment ndash Strengthening Consumer Health Protectionldquo werden die letzten anderthalb Jahrzehnte Risikobewer-tung betrachtet Daruumlber hinaus werden aktuelle Aktivitaumlten sowie zukuumlnftige Herausforderungen des Verbraucherschutzes wie mikrobiologische Erreger chemische Substanzen Methoden und Harmonisierung auf nationaler wie internationa-ler Ebene diskutiert

VERANSTALTUNGEN

Nachwuchs foumlrdern

Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu foumlr-dern baut das BfR wissenschaftliche Nachwuchs-gruppen zu bestimmten Schwerpunktthemen auf Die bereits 2015 eingerichtete Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Warenketteldquo wird im Herbst 2017 durch einen weiteren Dokto-randen verstaumlrkt

Verstaumlrkung im Versuchstierschutz

Seit dem 1 April 2017 staumlrkt die Berufung von Herrn Universitaumltsprofessor Dr Lars Lewejo-hann den Kompetenzbereich bdquoVerminderung der Belastung und Verbesserung der Lebenssitua-tionldquo des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) Neben der Leitung der Fachgruppe bdquoTierschutz und Versuchstierkundeldquo im BfR wird Lars Lewejohann sein Wissen und neue Erkenntnisse als Hochschullehrer fuumlr bdquoTier-schutz mit dem Schwerpunkt Refinementldquo an der veterinaumlrmedizinischen Fakultaumlt der Freien Universitaumlt Berlin an Studierende und Doktoran-den weitergeben

PERSONALIEN

Alternativmethode zum Tierversuch bdquoKnochen-auf-dem-Chipldquo

Im Mai 2017 fand bei der Gemeinsamen For-schungsstelle (GFS)Joint Research Centre (JRC) der Generaldirektion (Directorate General) der Europaumlischen Kommission eine Summer School zu alternativen Ansaumltzen zum Tierversuch fuumlr die Risikobewertung in Ispra (Italien) statt Dort wurde Herr Dr Ing Frank Schulze aus der BfR-Fachgruppe bdquoZEBET ndash Alternativmethoden zu Tierversuchenldquo fuumlr seine Praumlsentation und das dazugehoumlrige Poster zum Thema bdquoEin Knochen-auf-dem-Chip fuumlr die Grundlagenwissenschaft und die Identifizierung von knochenschaumldigen-den Substanzenldquo mit einem Posterpreis (1 Platz) ausgezeichnet

copy B

fR

copy p

rivat

INSTITUTSLEBEN

44 BfR 2 GO

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

gesundheitsrelevant eingestuft werden wie z B die Lebensmittelhygiene im eigenen Haushalt Noch weitgehend unbekannt ist der breiten Oumlffentlichkeit eine neue derzeit in der Wissenschaft diskutierte Metho-de zur Genveraumlnderung ndash das sogenannte bdquoGenome Editingldquo

Vertrauen staumlrken

Verschiedene Bevoumllkerungsgruppen neh-men Ereignisse oder Sachverhalte unter-schiedlich wahr Es haumlngt von vielen Fakto-ren ab wie groszlig ihnen ein Risiko erscheint Insbesondere zwischen der Wahrnehmung von Laien und Fachleuten koumlnnen sich Un-terschiede ergeben da die intuitive Risiko-einschaumltzung der Bevoumllkerung haumlufig auf anderen Prinzipien und Kriterien beruht als die wissenschaftliche Risikobewertung Aus der Risikowahrnehmungsforschung ist beispielsweise bekannt dass die Sorge vor

synthetisch hergestellten Stoffen groumlszliger ist als die Sorge vor natuumlrlich vorkommenden Stoffen wie beispielsweise giftigen Pflanze-ninhaltsstoffen

Der BfR-Verbrauchermonitor Spezial zum Thema Pflanzenschutzmittel hat zudem gezeigt dass ein Groszligteil der Bevoumllkerung faumllschlicherweise davon ausgeht dass in Lebensmitteln generell keine Reste von Pflanzenschutzmitteln vorkommen duumlr-fen Tatsaumlchlich sind Ruumlckstaumlnde von zu-gelassenen Pflanzenschutzmitteln bis zum erlaubten Ruumlckstandshoumlchstgehalt zulaumls-sig und als gesundheitlich unbedenklich eingestuft Auf diese Diskrepanz kann die Risikokommunikation gezielt reagieren indem sie die Oumlffentlichkeit mit geeigne-ten Kommunikationsformen umfassend uumlber die rechtlichen und wissenschaftli-chen Grundlagen der Risikobewertung bei Pflanzenschutzmitteln informiert

Die Ergebnisse solcher Bevoumllkerungsum-fragen liefern wichtige Einsichten in die Risikowahrnehmung verschiedener Bevoumll-kerungsgruppen und zeigen Unterschiede hinsichtlich demografischer Faktoren wie Alter Bildungshintergrund Berufsgrup-pe und Geschlecht auf So ist Frauen das Vorkommen von Pyrrolizidinalkaloiden in Kraumlutertee beispielsweise haumlufiger bekannt als Maumlnnern Auch hat sich gezeigt dass Maumlnner Prozesskontaminanten in Grill-fleisch weniger bedenklich einschaumltzen als Frauen

Mit dem Verbrauchermonitor hat das BfR ein Instrument etabliert mit dem noch fruumlher auf Informations- und Kommuni-kationsbeduumlrfnisse eingegangen und damit das Vertrauen der Oumlffentlichkeit in den ge-sundheitlichen Verbraucherschutz weiter gestaumlrkt werden kann

Alle bisher erschienenen BfR-Verbrauchermonitore koumlnnen abgerufen werden unter wwwbfrbundde gt Publikationen gt Broschuumlren gt BfR-Verbrauchermonitor

Welche Themen betrachten Sie persoumlnlich als die groumlszligten gesundheitlichen Risiken fuumlr Verbraucherinnen und Verbraucher

Inwieweit sind Sie persoumlnlich uumlber die folgenden Themen zur Lebensmittel-sicherheit beunruhigt oder nicht beunruhigt

16 BfR 2 GO

RISIKOWAHRNEHMUNG

2016 gab es in Deutschland in der deutsch-sprachigen Bevoumllkerung ab 14 Jahren rund 08 Millionen Personen die sich selbst als Veganer bezeichnen wuumlrden oder als je-mand der weitgehend auf tierische Produk-te verzichtet (2016 Allensbacher Markt- und Werbetraumlger-Analyse IfD Allensbach) Ei-nige Studien zeigen dass eine vegane Ernaumlh-rung positive Einfluumlsse auf die Gesundheit haben kann wie zum Beispiel ein geringeres Risiko fuumlr Typ-2-Diabetes Beschrieben wer-den allerdings auch gesundheitliche Risiken durch Naumlhrstoffmangelzustaumlnde etwa fuumlr Schwangere und Kinder Wer keine tierische Produkte zu sich nimmt riskiert unter an-derem eine Unterversorgung mit Vitamin B12 Eisen Calcium Jod und Zink sowie mit langkettigen Omega-3-Fettsaumluren

Vor diesem Hintergrund entwickelte das BfR geeignete Risikokommunikationsstra-tegien Ein Forschungsprojekt widmete sich den individuellen und sozialen Einflussfak-toren die zur Motivation und Aufrechter-haltung einer veganen Ernaumlhrung fuumlhren Insgesamt wurden 42 Veganerinnen und Veganer zu ihren Werten Einstellungen und Meinungen befragt Aufgrund der zum Teil sehr ausgepraumlgten Abweichun-gen zur Durchschnittsbevoumllkerung lassen sich verallgemeinernde Aussagen treffen Repraumlsentativ sind die Befragungsdaten al-lerdings nicht

Ethische Entscheidung

Fast immer begruumlnden Veganerinnen und Veganer ihre Entscheidung fuumlr eine vega-ne Ernaumlhrung mit ethischen Argumenten Gesundheitliche Motive werden selten ge-nannt Die Befragten sind uumlberwiegend konfessionslos und uumlberdurchschnittlich

gebildet Auszligerdem beguumlnstigt Vegetaris-mus die Entscheidung sich vegan zu ernaumlh-ren Zwei Drittel der Teilnehmenden haben sich bereits vorher vegetarisch ernaumlhrt Er-naumlhren sich bereits Personen aus dem na-hen Umfeld vegan kann dies die Entschei-dung auch vorantreiben

Fuumlr die uumlberwiegende Mehrheit der Be-fragten ist die Ruumlckkehr zur omnivoren Ernaumlhrung die tierische Produkte zulaumlsst nicht vorstellbar Auch eine Schwanger-schaft wird meist nicht als Grund dafuumlr angesehen Oft werden auch Kinder vegan ernaumlhrt Nach Aussagen der Befragten re-agiert das soziale Umfeld haumlufig mit Skepsis und Aversion Um eine soziale Ausgren-

zung der Kinder zu verhindern lassen die Befragten teils Kompromisse zu So koumlnn-ten Kinder zum Beispiel selbst waumlhlen ob sie auswaumlrts Tierprodukte essen

Wissen kommt an

Wer sich vegan ernaumlhrt verfuumlgt in der Re-gel uumlber ein fundiertes Ernaumlhrungswissen 40 der 42 Teilnehmenden der BfR-Studie waren sich zum Beispiel daruumlber im Klaren dass es ohne tierische Produkte zu einer Mangelversorgung mit Vitamin B12 kom-men kann Viele nehmen dieses Vitamin zusaumltzlich ein Bei der Informationssuche rund um vegane Ernaumlhrung ist das Inter-net die wichtigste Informationsquelle (siehe Grafik)

Strategie der Risikokommunikation

Im Rahmen der Befragung stellten sich wichtige Anknuumlpfungspunkte fuumlr die Risi-kokommunikation heraus Unter anderem wurde klar dass ein negativer Ansatz der die vegane Ernaumlhrung als gefaumlhrlich oder abnormal darstellt nur wenig Erfolg haben kann Eine effektive Risikokommunikation sollte an bestehende Uumlberzeugungen der Veganerinnen und Veganer anknuumlpfen Ziel sollte dabei sein konkrete Tipps fuumlr den Alltag zu geben die sich mit einer vega-nen Ernaumlhrung verbinden lassen Informa-tionen wie bei einer veganen Ernaumlhrung eine moumlgliche defizitaumlre Naumlhrstoffversor-gung verhindert werden kann sind grund-saumltzlich erfolgversprechend Insbesondere uumlber Alternativen oder Supplementierung in der Schwangerschaft bei Saumluglingen und Kleinkindern sollte umfassend informiert werden

Vegan und informiert

Welche Informationsquellen nutzen Sie um sich

uumlber vegane Ernaumlhrung zu informieren

Kochbuumlcher mit veganen Rezepten Blogs zum Thema und tierfreie Supermaumlrkte ndash die vegane Ernaumlhrung liegt im Trend Wer ganz auf tierische Produkte verzichtet riskiert jedoch eine Unterversorgung mit bestimmten Naumlhrstoffen Um eine effiziente Risikokommunikation zu gewaumlhrleis-ten hat das BfR Veganerinnen und Veganer zu Wissens-stand und Einstellungen befragt

Foren im Internet

Sonstige Quellen im Internet

Buumlcher

Zeitschriften

Freunde Bekannte

Sonstigen = 42 Mehrfachnennungen moumlglich

74

71

52

36

12

5

copy S

tudi

oPho

toD

Flor

ezs

hutte

rsto

ckc

om

BEFRAGUNG ZU VEGANISMUS

17012017

63

72 Ekel

Fremdheit

Bedenken zu Hygiene und Vertraumlglichkeit

Grillen Mehlwuumlrmer und Wanderheuschrecken ndash in vielen Regionen der Welt werden Insekten von Menschen verspeist Auch in der Schweiz sind Insek-ten seit dem Fruumlhjahr 2017 offiziell als Lebensmittel zugelassen Ihr Verzehr ist in Europa jedoch generell wenig verbreitet und die oumlffentliche Diskussion steckt noch in den Anfaumlngen Wie bekannt ist das Thema in der deutschen Bevoumllkerung Welche Einstellungen bestehen gegenuumlber essbaren Insekten Wie wird das Thema in den Medien dargestellt In zwei Studien hat das BfR Antworten auf diese Fragen gefunden

Die Mehrheit der Deutschen vermutet keine gesundheitlichen Risiken durch den Verzehr von Insekten wuumlrde sieaber dennoch nicht verzehren Hauptgruumlnde gegen den Verzehr

sind Ekel Fremdheit Bedenken zu Hygiene und Vertraumlglichkeit

46 13 15

Insekten als Lebensmittel fuumlr Menschen ndash 72 Prozent der Befragten haben schon davon gehoumlrt Insekten gelten als eiweiszlig- naumlhrstoff- und vitaminreich und als eine wesentliche Nahrungsquelle hinsichtlich des Welternaumlhrungsproblems

Insekten essen Mehr Theorie als Praxis

18 BfR 2 GO

RISIKOWAHRNEHMUNG

2014

27 Artikel

14

Zugrundeliegende Studien telefonische Repraumlsentativbefragung von 1000 Personen (deutschsprachige Bevoumllkerung ab 14 Jahren) Medienanalyse von 17 deutschen Print- und Onlinemedien (uumlberregionale Qualitaumltszei-tungen Hauptstadtpresse und woumlchentliche Zeitungen) im Zeitraum Januar 2014 bis Dezember 2015 zur Art und Haumlufigkeit der Berichterstattung uumlber essbare Insekten

14 Prozent der Befragten haben schon einmal Insekten verzehrt mehrheit-lich im Ausland Uumlberwiegend sind es Maumlnner 18 ndash 29-Jaumlhrige gut Gebildete und Staumldter

Die Medienberichterstattung zu Insekten als Lebens- und Futtermittel verdoppelte sich von 2014 zu 2015 In der Mehrheit ging es um Nutzen- aspekte Insekten wurden medial als bdquozukunftsweisendes sinnvolles Lebensmittel bei dem der Nutzen gegenuumlber moumlglichen Risiken uumlber-wiegtldquo dargestellt

Verbraucherinnen und Verbraucher wuumlnschen sich mehr Informationen zu moumlglichen gesundheitlichen Risiken von Insekten als Lebens- und Fut-termittel zu ihrer Produktion und zum Naumlhrstoffgehalt Dies koumlnnte die oumlffentliche Akzeptanz fuumlr den Verzehr von Insekten erhoumlhen Auch bdquounkenntlich gemachteldquo Insekten in Form verarbeiteter Lebensmittel wuumlrden eher akzeptiert als Insekten im urspruumlnglichen Zustand

WeiterlesenBfR-Symposium bdquoInsekten als Lebens- oder Futtermittel Nah-rung der Zukunftldquo Bericht zum Symposium am 24 Mai 2016 in 2016 Journal fuumlr Verbraucher-schutz und Lebensmittelsicher-heit 11 3 281ndash289

2015

60 Artikel

i

Insekten als Lebensmittel

gt zaumlhlen lebensmittelrechtlich in der EU zu den neuartigen Lebensmitteln und muumlssen zugelassen werden

gt unerforschte Aspekte Toxikologie Gehalt an Kontaminanten und Ruumlckstaumlnden allergenes Potenzial mikrobiologische Risiken

copy a

rka3

8sh

utte

rsto

ckc

om

19012017

INFOGRAFIK ZU INSEKTEN

Unerwuumlnscht inLebensmitteln

Gelangen Pyrrolizidinalkaloide (PA) in die Lebensmittelkette koumlnnen insbesondere 12-ungesaumlttigte PA dem Menschen schaden Seit Jahren

befasst sich das BfR mit der Frage welches gesundheitliche Risiko von 12-ungesaumlttigten PA in Lebensmitteln ausgeht Klar ist die PA-Kontami-

nation in der Lebensmittelkette sollte so gering wie moumlglich sein

LEBENSMITTELSICHERHEIT

20 BfR 2 GO

Unerwuumlnschte Stoffe die in die Lebensmittelkette gelangen koumlnnen fuumlr Verbraucherinnen und Verbraucher ein gesund-heitliches Risiko darstellen Ein Beispiel fuumlr solche Eintraumlge

sind 12-ungesaumlttigte Pyrrolizidinalkaloide (PA) Das sind Stoffe die von einigen Pflanzen als Schutz vor Fraszligfeinden gebildet werden Sie konnten zunaumlchst in Honig und anderen Bienenprodukten spaumlter auch in Tees Kraumlutertees und Gewuumlrzen aber auch in pflanzenba-sierten Nahrungsergaumlnzungsmitteln nachgewiesen werden

Toxische Wirkungen bei Mensch und Tier

Beim Menschen sind vereinzelt Vergiftungsfaumllle nach arzneilicher Einnahme von PA-haltigen Kraumlutertees und -erzeugnissen bekannt Weiterhin gibt es Berichte uumlber epidemische Lebererkrankungen mit Todesfaumlllen in Pakistan Indien Afghanistan Tadschikistan und der ehemaligen UdSSR nach Verzehr von Getreide das mit Samen von Heliotropium- oder Crotalaria-Arten kontaminiert war Aus der Nutztierhaltung ist das gehaumlufte Auftreten von Leberzirrhosen bei Schlachtrindern bekannt die mit Heu und Silage auch Alpenkreuz-kraut aufgenommen hatten Auch bei Pferden wurden mit Leberde-generation einhergehende durch PA im Futter verursachte Erkran-kungen die Seneciosen beobachtet

Die Leber ist das primaumlre Zielorgan von Schaumldigungen durch 12-ungesaumlttigte PA Jedoch koumlnnen auch die Lunge oder andere Organe betroffen sein Insbesondere bei Aufnahme houmlherer Dosen treten akute venookklusive Veraumlnderungen in der Leber (hepatic veno-occlusive disease HVOD) oder der Lunge auf In houmlheren Dosen wurden im Tierversuch mit 12-ungesaumlttigten PA auch ent-wicklungstoxische Effekte beobachtet Nach den vorliegenden tier- experimentellen Daten gilt die kanzerogene Wirkung von 12-un-gesaumlttigten PA als gesichert und ein entsprechendes Risiko fuumlr den Menschen wird in Betracht gezogen Vielfach zeigten Verbindungen die sich im Tierversuch als kanzerogen erwiesen in entsprechenden Mutagenitaumltstests eine genotoxische Wirkung

Wie 12-ungesaumlttigte PA in Lebensmittel gelangen koumlnnen

Nach bisherigem Kenntnisstand koumlnnen 12-ungesaumlttigte PA uumlber mehrere Wege in Lebensmittel gelangen In Deutschland sind Ver-unreinigungen vor allem in den Anbauflaumlchen von Nutzpflanzen mit PA-bildenden Wildkraumlutern wie z B bei Salaten mit Kreuzkraut oder Greiskraut aufgetreten Aus Afghanistan sind erhoumlhte Belastungen in Getreide bekannt Auch die Belastung von Tee und Kraumlutertee-Sor-ten mit PA wird auf eine Kontamination mit bestimmten Wildkraumlu-tern in den Anbauflaumlchen zuruumlckgefuumlhrt Auszligerdem koumlnnen Bienen-produkte wie Honig und Pollen mit PA belastet sein wenn die Tracht von bestimmten Wildpflanzen stammt 12-ungesaumlttigte PA koumlnnen auch uumlber verunreinigte Futtermittel in Milch Eier und Fleisch ge-langen Auch Nahrungsergaumlnzungsmittel koumlnnen auf der Basis von Pflanzen hergestellt sein die selbst 12-ungesaumlttigte PA bilden

Gesundheitliche Risiken durch belastete Lebensmittel

Das BfR hat 2016 eine Bewertung der gesundheitlichen Risiken durch 12-ungesaumlttigte PA erarbeitet Dabei wurde die Belastung aller wichtigen Lebensmittelgruppen beruumlcksichtigt fuumlr die aktuell Daten zum Vorkommen von 12-ungesaumlttigten PA vorliegen Bei der Bewertung wurde die genotoxisch-kanzerogene Wirkung als emp-findlichster Endpunkt zugrunde gelegt

copy F

eyya

z A

laca

ms

hutte

rsto

ckc

om

copy e

mbe

riza

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

21012017

Danach geht bei Kindern im Alter von sechs Monaten bis unter fuumlnf Jahren die Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA im Wesentlichen auf Kraumlutertee einschlieszliglich Rooibostee Schwarztee und Honig zuruumlck Fruumlchtetee Milch Eier und Fleisch tragen nur wenig zur Gesamtaufnahme von 12-un-gesaumlttigten PA bei Sieht man von bestimm-ten Nahrungsergaumlnzungsmitteln ab zeigt sich bei Erwachsenen ein aumlhnliches Bild Bei Erwachsenen ist der Beitrag von Honig zur Gesamtaufnahme an 12-ungesaumlttigten PA geringer und der von Gruumlntee houmlher als bei Kindern Bei hohen Gehalten koumlnnen Nahrungsergaumlnzungsmittel als zusaumltzliche Expositionsquelle zur Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber Lebensmittel beitragen Gewuumlrze und Kraumluter aber auch Mehle stellen moumlglicherweise eine relevante zusaumltzliche Expositionsquelle dar Fuumlr eine abschlieszligende Bewertung fehlen hier jedoch noch Daten

Obwohl in Einzelfaumlllen hohe Gehalte an 12-ungesaumlttigten PA in bestimmten Le-bensmitteln des allgemeinen Verzehrs nachgewiesen wurden haumllt das BfR nach derzeitiger Datenlage auch bei hoher Auf-nahme dieser Lebensmittel eine akute Ge-sundheitsschaumldigung fuumlr unwahrscheinlich Zur Abschaumltzung des potenziellen Risikos von genotoxisch-kanzerogenen Wirkungen legte das BfR wie international uumlblich den MOE-Ansatz (Margin of Exposure) zugrun-de Dabei wird ausgehend von Tierstudien angenommen dass fuumlr genotoxische Kan-zerogene ein MOE-Wert von 10000 oder houmlher aus Sicht der oumlffentlichen Gesundheit als wenig bedenklich und die Prioritaumlt fuumlr Maszlignahmen im Rahmen des Risikomanage-ments als niedrig angesehen werden kann Bei genotoxisch-kanzerogenen Stoffen kann keine Schwellendosis angenommen werden unterhalb derer keine unerwuumlnschten Wir-kungen mehr erwartet werden Daher gilt in der Europaumlischen Union die Empfehlung die Exposition gegenuumlber genotoxisch und kanzerogen wirkenden Substanzen so weit zu minimieren wie dies vernuumlnftig erreich-bar ist ndash das sogenannte ALARA-Prinzip (as low as reasonably achievable) Selbst geringe Aufnahmemengen koumlnnen insbesondere bei regelmaumlszligigem Verzehr mit einer Erhouml-hung gesundheitlicher Risiken verbunden sein

Die Bewertung des genotoxischen und kan-zerogenen Risikos erfolgt als Vergleich der Gesamtaufnahme uumlber verschiedene Tees Milch und Honig bei Kindern und Er-wachsenen auf der Basis verschiedener Ver-zehrszenarien mit dem BMDL10-Wert von

73 Mikrogramm pro Kilogramm Koumlrperge-wicht und Tag unter Berechnung des MOE Der BMDL10-Wert (Benchmark dose lower confidence limit 10) ist ein Schaumltzwert der niedrigsten Dosis die im Tierexperiment mit 95-prozentiger Sicherheit eine Krebsin-zidenz von nicht mehr als 10 Prozent ver-ursacht Alle Berechnungsansaumltze sowohl fuumlr Kinder als auch fuumlr die erwachsene Be-voumllkerung ergaben MOE-Werte deutlich unterhalb von 10000 Da nach Ansicht des Wissenschaftlichen Ausschusses der EFSA ein MOE erst ab einem Wert von mindes-tens 10000 aus Sicht der oumlffentlichen Ge-sundheit als wenig bedenklich anzusehen ist empfiehlt das BfR die Gesamtexposition mit PA aus allen Lebensmitteln so niedrig wie moumlglich zu halten und einen MOE von 10000 bei Beruumlcksichtigung der PA-Zufuhr aus allen Quellen nicht zu unterschreiten Dazu sollten die Bemuumlhungen fortgesetzt werden die PA-Gehalte in Lebensmitteln weiter zu senken

Forschungsansaumltze des BfR

Das BfR befasst sich seit einigen Jahren mit der Problematik der Verunreinigung von Lebensmitteln mit 12-ungesaumlttigten PA und verfolgt hierzu verschiedene Forschungs-ansaumltze Die Analytik der 12-ungesaumlttigten PA stellt aufgrund ihrer groszligen strukturel-len Vielfalt und des Vorkommens in unter-schiedlichen Lebensmitteln eine besondere Herausforderung dar In den letzten Jahren hat das BfR spezifische Nachweismethoden entwickelt und in Ringversuchen validiert Diese Methoden stehen auf der Homepage des BfR zur Verfuumlgung und koumlnnen z B in der Lebensmittel- und Futtermitteluumlberwa-chung eingesetzt werden

Neben der Entwicklung analytischer Me-thoden werden am BfR die molekularen Mechanismen der Toxizitaumlt von 12-unge-saumlttigten PA untersucht Hier stehen vor allem Untersuchungen zur strukturabhaumln-gigen Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber die Darmbarriere im Vordergrund Die Ergebnisse zeigen dass sich das Wirkungs-potenzial der 12-ungesaumlttigten PA aufgrund von Unterschieden im strukturabhaumlngigen Transport uumlber die Darmbarriere unter-scheiden kann Auch zeigten die getesteten Modellsubstanzen in einem Zellkulturmo-dell deutliche strukturspezifische Unter-schiede im Metabolismus Weitere Untersu-

Pflanzen die Pyrrolizidinalkaloi-de bilden finden sich vor allem in den Familien der Korbbluumltler (Asteraceae) der Raublatt- oder Borretschgewaumlchse (Boraginaceae) und der Huumllsenfruumlchtler (Faba-ceae)

22 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

chungen zu der Zerstoumlrung der sinusoidalen Endothelzellen durch 12-ungesaumlttigte PA sollen zum Verstaumlndnis der Mechanismen beitragen die zu den venookklusiven Ver-aumlnderungen in der Leber fuumlhren Auch wer-den Untersuchungen zur Metabolisierung nahrungsrelevanter Pyrrolizidinalkaloide durchgefuumlhrt Die Forschungsprojekte wer-den von der Deutschen Forschungsgemein-schaft (DFG) gefoumlrdert

Empfehlungen zur Reduktion der PA-Gehalte

Das BfR empfiehlt dass sich Management-maszlignahmen an der Vermeidung genoto-xisch-kanzerogener Effekte der 12-ungesaumlt-tigten PA als dem empfindlichsten Endpunkt orientieren Die Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA sollte fuumlr Verbrau-cherinnen und Verbraucher so gering wie moumlglich sein Dazu sollten die PA-Gehalte in Lebensmitteln so weit wie moumlglich sin-ken Dies gilt insbesondere fuumlr Kraumlutertees Rooibostee Schwarzen Tee und Gruumlnen Tee sowie bestimmte Nahrungsergaumlnzungsmit-tel Hier sollten Anbau- Ernte- und Reini-gungsmethoden weiterhin verbessert wer-den Auch die Auswahl der Rohhonige kann zu einer Reduzierung der Gehalte an 12-un-gesaumlttigten PA in verzehrfertigen Honigen beitragen Auszligerdem sind vor der Vermark-tung seitens der Lebensmittelunternehmer weiterhin Kontrollen in allen betroffenen Lebensmittelkategorien notwendig

Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das potenzielle gesundheitliche Risiko durch PA durch eine abwechslungsreiche Ernaumlh-rung verringern und so generell einseitigen Belastungen mit verschiedenen potenziell gesundheitsgefaumlhrdenden Stoffen vorbeu-gen Insbesondere fuumlr Kinder Schwangere und Stillende empfiehlt das BfR den taumlgli-chen Fluumlssigkeitsbedarf nicht ausschlieszliglich mit Kraumlutertee und Tee zu decken

Bei der Zubereitung von Salat Blattgemuumlse und Kraumlutern sollten Verbraucherinnen und Verbraucher Pflanzenteile aussortieren die sie keinen bekannten essbaren Pflanzen zu-ordnen koumlnnen

Wer Nahrungsergaumlnzungsmittel auf Pollen-basis oder auf Basis von Pflanzen einnimmt die 12-ungesaumlttigte PA bilden sollte sich bewusst sein dass diese Produkte 12-un-gesaumlttigte PA in houmlheren Konzentrationen enthalten koumlnnen

Mehr erfahrenStellungnahme Nr 0302016 des BfR vom 28 September 2016

Necinbase

Necinsaumlure

Die Struktur von PA

Chemisch handelt es sich um Ester aus einer Necinbase und aliphatischen Mono- oder Dicarbonsaumluren (Necin-saumluren) Aus toxikologischer Sicht besonders bedeutsam sind Pyrroli-zidinalkaloide mit 12-ungesaumlttigter Necinstruktur (12-ungesaumlttigte PA) Die 12-ungesaumlttigte Necinstruktur als gemeinsames Strukturmerkmal erlaubt grundsaumltzlich die Giftung durch Oxidation zum Dehydropyrrolizidin das durch seine alkylierenden Eigenschaf-ten fuumlr die genotoxische und karzino-gene Wirkung dieser Substanzgruppe verantwortlich ist

copy R

ukiM

edia

shu

tters

tock

com

copy J

iri H

era

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

23012017

Im suumldlichen Afrika spielt die Landwirt-schaft eine Schluumlsselrolle bei der Armuts-bekaumlmpfung Eine wachsende Produktion tierischer Lebensmittel bringt jedoch auch neue Herausforderungen an die Lebensmit-telsicherheit mit sich Das BfR-Forschungs-projekt bdquoSAD-Zambialdquo (bdquoStaphylococcus aureus in der Milchlebensmittelkette in Sambia ndash Bekaumlmpfung lebensmittelbeding-ter Erkrankungen und Antibiotikaresisten-zen beim Menschldquo) befasst sich damit wie die Produktion und der Vertrieb von Milch und Milchprodukten in Sambia sicherer gestaltet werden koumlnnen Ziel ist es zu be-werten in welchem Umfang das Bakterium Staphylococcus (S) aureus uumlber Milch und Milchprodukte auf den Menschen uumlbertra-gen wird In einem ersten Schritt werden Feldstudien in verschiedenen Provinzen des Landes durchgefuumlhrt um das Vorkommen dieses Erregers und moumlgliche Schwachstel-len in der Milchlebensmittelkette in Sambia zu analysieren Hierbei stehen Toxin-bil-dende S aureus-Staumlmme im Fokus Auszliger-dem wird untersucht in welchem Umfang Methicillin-resistente S aureus (MRSA) die gegen eine bestimmte Klasse von Antibio-tika resistent sind in der Milchlebensmit-

telkette vorkommen Die Bewertungsarbeit beinhaltet auch einen Vergleich traditio-neller und moderner Produktionssysteme Am BfR werden anschlieszligend die Analysen zu den Eigenschaften der gewonnenen Bakterienstaumlmme sowie stammvergleichen-de Untersuchungen durchgefuumlhrt In einem weiteren Schritt werden Ansatzpunkte zur Reduzierung der Bakterien sowie Methoden zum Monitoring von zoonotischen und An-tibiotika-resistenten S aureus in der Milch-lebensmittelkette in Sambia entwickelt So soll zum Verstaumlndnis der lebensmittelbe-dingten Risiken entlang der Milchlebens-mittelkette in Sambia beigetragen werden Das Projekt begann am 01072016 und laumluft drei Jahre Es wird vom Bundesminis-terium fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft gefoumlrdert und aus BfR-Mitteln co-finanziert Neben dem BfR beteiligen sich an dem For-schungsprojekt das International Livestock Research Institute die University of Zambia und das Central Veterinary Research Insti-tute als Teil des sambischen Ministeriums fuumlr Nutztiere und Fischerei Durch dieses Forschungsnetzwerk soll eine nachhaltige Partnerschaft aufgebaut werden

Mit dem Forschungsprojekt bdquoSAD-Zambialdquo leistet das BfR einen Beitrag zur Staumlrkung der Lebensmittelsicherheit und damit zur Ernaumlhrungssicherheit im suumldlichen Afrika Koordinatorin des Projekts ist Frau Dr Alexandra Fetsch Der sambische Doktorand Herr Bruno Phiri berichtet von seiner alltaumlglichen Arbeit Beide arbeiten in der Fach-gruppe bdquoMikrobielle Toxineldquo des BfR

POST AUS hellipSAMBIA

raquobdquoDas SAD-Zambia Projekt ist fuumlr mich ein Meilenstein und ich bin dem BfR sehr dankbar dass es mir diese Moumlglichkeit gibt Ich habe schon viel dazugelernt und konnte meine Kompetenzen bezuumlglich der Diagnose von Krankheitserregern verbessern Das Projekt bringt mich aber nicht nur persoumlnlich voran auch mein Land kann davon profitieren Mein Arbeitsalltag beginnt meist mit einem Besuch bei den Milchbauern und ihren Herden Dort schaue ich mir an wie die Kuumlhe gemolken werden und nehme Proben von den Tieren der Milch und der Umge-bung Auch in Milchsammelstellen und auf Maumlrkten nehme ich Proben Diese analysiere ich anschlieszligend im Labor an der Universitaumlt Schon jetzt freue ich mich auf die weiteren Untersuchungen der Bakterienstaumlm-me am BfR Ich war zu Beginn des Projektes dort ndash eine sehr eindrucks-volle Erfahrungldquo

(Bruno Phiri)

copy a

stud

ios

hutte

rsto

ckc

om

copy B

fR

24 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

Algengift in Tropenfischen

Bisher traten Lebensmittelvergiftungen durch Ciguato-xin ndash einem Algentoxin das in tropischen Speisefischen wie Barrakuda Schnapper oder Zackenbarsch enthalten sein kann ndash vorwiegend in den Tropen auf Mit dem zunehmenden Import von Fischen aus Suumldostasien haumlufen sich auch in Europa und seit 2012 in Deutschland Faumllle von Ciguatera Ein Problem dabei Eine Analyse-methode mit der Fisch routinemaumlszligig auf Ciguatoxine untersucht werden kann ist derzeit noch nicht verfuumlgbar Da weltweit nur wenige Labore auf den Nachweis von Ci-guatoxinen in Fischen spezialisiert sind wird im Projekt bdquoEuroCigualdquo der Europaumlischen Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit (EFSA) unter anderem an der Verbesserung entsprechender Analysemethoden und zum Vorkommen ciguatoxischer Fische in Europa geforscht Das BfR liefert fuumlr das Projekt Angaben zu Erkrankungsfaumlllen in Deutschland Die krankmachenden Algentoxine reichern sich uumlber die Nahrungskette in Raubfischen an und sind uumlberaus stabil Durch Erhitzen oder Tiefkuumlhlen lassen sie sich nicht entfernen Beim Menschen kann der Verzehr betroffener Fische dann zu Vergiftungen mit zum Teil schweren oder andauernden Beeintraumlchtigungen des Nervensystems fuumlhren An Ciguatera Erkrankte nehmen normale Kaumlltereize als ungewoumlhnlich schmerzhaft wahr

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt A-Z-Index Ciguatoxin

Alkaloide in Lupinensamen

In verarbeiteten Produkten oder zum Knabbern Lupinensamen sind im Trend Da sie jedoch toxikologisch relevante bittere Chinolizidinalkaloide enthalten koumlnnen bewertet das BfR ihr gesundheitliches Risiko Der Gehalt an Chinolizi-dinalkaloiden in Lupinensamen variiert je nach botanischer und geografischer Abstammung Samen die von bdquoBitterlupinenldquo stammen sind aufgrund ihrer houmlheren Gehalte ohne geeignete Vorbehandlung der bdquoEntbitterungldquo nicht zum Verzehr geeignet Denn Sie koumlnnen beim Menschen Vergiftungssymptome her-vorrufen Lupinenvarietaumlten die Samen mit niedrigen Alkaloidgehalten liefern werden als bdquoSuumlszliglupinenldquo bezeichnet Suumlszliglupinensamen sind auch ohne Entbitte-rung verzehrsfaumlhig In Deutschland kam es mit Bitterlupinensamen vereinzelt zu Vergiftungsfaumlllen Das BfR empfiehlt Herstellern daher nur ganze Lupinensamen in den Verkehr zu bringen die ohne weitere Entbitterungsprozesse verzehrsfaumlhig sind Mehl aus Lupinensamen sollten Hersteller aus alkaloidarmen oder ausrei-chend entbitterten Samen herstellen

Uumlbertragungswege des Hepatitis-E-Virus

Infektionen mit dem Hepatitis-E-Virus (HEV) koumlnnen zu einer akuten Leberentzuumlndung fuumlhren In den letzten Jahren sind die Zahlen gemeldeter Hepatitis-E-Faumllle des Menschen in Deutsch-land stark angestiegen Forschungsergebnisse des BfR in Zusam-menarbeit mit anderen Einrichtungen haben gezeigt dass das Virus in deutschen Haus- und Wildschweinen weit verbreitet ist Vereinzelt wurde HEV auch in Rehen und Rotwild nachgewiesen

Unklar ist derzeit noch auf welchen Wegen sich die Patienten mit dem Virus anstecken Moumlglich sind direkte Virusuumlbertra-gungen zum Beispiel vom Wildtier auf den Jaumlger und indirekte uumlber Lebensmittel die aus infizierten Tieren hergestellt wurden Wie aktuelle Studien des BfR zeigen kann HEV in verschiedenen Wurstwaren aus dem deutschen Einzelhandel nachgewiesen wer-den Fraglich ist ob das Virus in diesen Produkten noch anste-ckend ist oder ob es bei der Herstellung der Lebensmittel zerstoumlrt wird Hierfuumlr noumltige Untersuchungen waren in der Vergangenheit erschwert da sich HEV im Labor nur schlecht kultivieren lieszlig Erste Ergebnisse von Untersuchungen mithilfe eines am BfR ent-wickelten neuartigen Zellkultur-Systems weisen darauf hin dass HEV hitzeempfindlich ist aber bei Kuumlhlung oder Raumtempera-tur mehrere Wochen infektioumls bleiben kann

SPEKTRUM

copy N

eil B

urto

nsh

utte

rsto

ckc

om

copy N

atal

ia M

ylov

ash

utte

rsto

ckc

om

copy iS

tock

com

Mee

Poo

hyap

hoto

25012017

bdquoNur eine gemeinsame Strategie ist effektivldquo

Frau Kaumlsbohrer ein zentrales Thema Ihrer Forschung sind Antibiotikaresis-tenzen In der oumlffentlichen Debatte wird oft ein Zusammenhang hergestellt zwi-schen dem haumlufigen Einsatz von Anti-biotika in der Nutztierhaltung und dem Auftreten resistenter Bakterien in der Humanmedizin Doch werden bei Tieren nicht andere Antibiotika eingesetzt als bei MenschenUm die Unterschiede zu erlaumlutern muss man zwischen Praumlparaten und den antibiotischen Wirkstoffgruppen unterscheiden Beim Tier verwenden Veterinaumlrmediziner ande-re Praumlparate als Aumlrzte beim Menschen Der wirksame Inhaltsstoff das Antibiotikum kann aber dasselbe sein Die Antibiotika lassen sich wiederum in Wirkstoffgruppen einteilen Mit Blick auf die Wirkstoffgrup-pen gilt Die meisten Antibiotika die beim Menschen eingesetzt werden gehoumlren zu Wirkstoffgruppen die wir auch in der Vete-rinaumlrmedizin nutzen Es gibt nur ganz weni-ge Antibiotikagruppen die nur auf der einen oder der anderen Seite verwendet werden Dazu gehoumlren zum Beispiel die Carbapene-me die nicht beim Nutztier eingesetzt wer-den duumlrfen In der Humanmedizin kommen sie insbesondere zum Einsatz wenn andere Antibiotika nicht mehr wirksam sind

bdquoEine Resistenz ge-gen einen bestimm-ten Wirkstoff kann sich auch ausbrei-ten obwohl diese Wirkstoffgruppe nicht eingesetzt wurde

Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer leitet am BfR die Fachgruppe bdquoEpide-miologie Zoonosen und Antibiotika-resistenzldquo die unter anderem auch das Nationale Referenzlabor fuumlr Antibiotika- resistenzen umfasst Seit April 2016 ist sie auszligerdem Professorin an der Vetmeduni Vienna und leitet dort das Institut bdquoOumlffentliches Veterinaumlrwesenldquo

Wenn sie beim Nutztier nicht eingesetzt werden duumlrfen wie kann es dann sein dass Sie am BfR im Rahmen des For-schungsprojekts RESET Carbapene-mase-bildende Bakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden gefunden habenDie Entstehung von Antibiotikaresistenzen ist ein natuumlrlicher Vorgang bei Bakterien Durch den Gebrauch von Antibiotika wird dieser Prozess beschleunigt Eine Resistenz gegen einen bestimmten Wirkstoff kann sich auch ausbreiten obwohl diese Wirk-stoffgruppe nicht eingesetzt wurde Dank der Selektion gilt meist Wenn ich einen Wirkstoff einsetze gebe ich jenen Bakterien einen Vorteil die gegen den Wirkstoff resis-tent sind Aber Carbapenemasen also die Enzyme die von Carbapenem-resistenten Bakterien gebildet werden koumlnnen neben den Carbapenemen auch fast alle anderen

Bakterien die gegen Antibiotika resistent sind stellen ein Risiko fuumlr die oumlffentliche Gesundheit dar Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer widmet sich am BfR dieser Problematik Im Gespraumlch erklaumlrt sie welche Faktoren bei der Ausbreitung von Resistenzen eine Rolle spielen

copy M

icha

el B

ernk

opf

Vetm

edun

i Vie

nna

26 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

β-Laktam-Antibiotika inaktivieren Theo-retisch ist es daher moumlglich dass sich eine Resistenz gegen Carbapeneme ausbreitet obwohl der Tierarzt beim Nutztier eine an-dere Wirkstoffgruppe eingesetzt hat Ist die Resistenz bei Bakterien vorhanden gibt es viele Ausbreitungswege Ein Stall ist kein steriler Ort sondern belebte Umwelt Moumlg-liche Eintragswege fuumlr resistente Bakterien in einen Stall sind z B belebte Vektoren wie neu eingestallte Tiere Maumluse Fliegen oder Voumlgel aber auch unbelebte Vektoren wie Futter Wasser Staub oder Geraumltschaften

Was hat sich seit dem Fund der Carba-penemase-bildenden Enterobakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden fuumlr Ihre Arbeit beim BfR geaumlndert Der Fund hatte vielfaumlltige Konsequenzen Wir haben vor allem die gezielten Untersu-chungsaktivitaumlten verstaumlrkt Bakterien-Iso-late aus Tierbestaumlnden und Lebensmitteln werden seit 2014 im Rahmen des Resistenz-monitorings im BfR routinemaumlszligig auf eine Carbapenem-Resistenz getestet Auszligerdem steht seit 2015 fuumlr den Nachweis von Carba-penemase-bildenden Bakterien ein weiteres gezieltes Nachweisverfahren zur Verfuumlgung Hierzu muumlssen die Labore geschult werden Zusaumltzlich werden im Nationalen Refe-renzlabor fuumlr Antibiotikaresistenz am BfR Carbapenemase-verdaumlchtige Bakterien auf die charakteristischen Resistenzgene hin un-tersucht Am BfR wurden hierfuumlr verschie-dene Methoden fuumlr die Untersuchung von E coli und Salmonella etabliert Bisher wur-den sehr selten solche Resistenzgene nach-gewiesen bei Nutztieren das Gen blaVIM-1 bei einem Wildvogel das Gen blaNDM-1

Oftmals sind die Resistenzgene gegen Carbapeneme zusammen mit anderen Resistenzgenen auf mobilen geneti-schen Elementen lokalisiert Warum ist hier besondere Vorsicht gebotenZunaumlchst ist die Trefferwahrscheinlichkeit fuumlr eine Selektion houmlher wenn mehrere Re-sistenzgene auf einem genetischen Element liegen d h der Einsatz verschiedener Anti-biotika kann zu einem Selektionsvorteil fuumlh-ren Die Lokalisation von Resistenzgenen auf mobilen genetischen Elementen spielt fuumlr die Uumlbertragbarkeit von Resistenzen eine wichtige Rolle Denn Diese Resistenzgene koumlnnen mittels horizontalem Gentransfer auf ganz unterschiedliche Bakteriengruppen uumlbertragen werden Diese Erkenntnis hat eine Art Revolution ausgeloumlst Lange Zeit wurde ein Erreger mit all seinen Eigenschaf-ten als Einheit betrachtet Kann die Resis-tenz aber zwischen Bakteriengruppen hin

und her uumlbertragen werden verfaumllscht das moumlglicherweise den Blick auf eine Gruppe Folglich mussten die Nachweisverfahren umgestellt und die Uumlbertragbarkeit von Re-sistenzen mit analysiert werden Erschwe-rend kommt hinzu dass ein Resistenzgen auf einem grundsaumltzlich ungefaumlhrlichen

Bakterium zum Problem werden kann Manche Bakterien wie beispielsweise E coli gehoumlren zur normalen Darmflora Traumlgt so ein Bakterium eine Resistenzeigenschaft ist das erstmal nicht gefaumlhrlich Aber Es kann diese Eigenschaft moumlglicherweise an einen Infektionserreger weitergeben

Welche konkreten Folgen kann eine solche Weitergabe von Resistenzeigen-schaften habenSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt Schon jetzt weichen Aumlrzte auf Wirk-stoffgruppen aus die in der Humanmedizin lange verpoumlnt waren Dies gilt zum Beispiel fuumlr Colistin Fuumlr den Menschen ist es nicht gut vertraumlglich moumlgliche Nebenwirkun-gen sind beispielsweise die Schaumldigung der Nieren oder des Nervensystems In der Ve-terinaumlrmedizin hat Colistin seit Jahrzehnten eine erhebliche Bedeutung vor allem fuumlr die Behandlung von Infektionen des Ma-gen-Darm-Traktes bei Nutztieren auch um andere Wirkstoffgruppen zu vermeiden

Spielt im Fall von Colistin die Mobilitaumlt des Resistenzgens auch eine besonde-re Rolle Inzwischen ja Bis Ende 2015 waren sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler einig Eine Colistin-Resistenz ist nicht uumlbertragbar Das heiszligt kommt eine solche Resistenz bei einem Infektionserreger beim Nutztier vor ist sie nicht per se auf ein hu-manpathogenes Bakterium uumlbertragbar Doch Ende 2015 wurde in China erstmals das uumlbertragbare Gen mcr-1 beschrieben Untersuchungen in Belgien haben spaumlter zur Beschreibung eines weiteren mobilen Gens fuumlr die Colistin-Resistenz bei Nutztieren

bdquoSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

27012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Ausbreitung von Resistenzen

Haustiere

Krankenhaus

Belastetepflanzliche Lebensmittel

Belastete tierische Lebensmittel

Nutztiere

Futtermittel

Schaumldlinge

Uumlbertragungswege resistenter Bakterien

Menschen

Eine Antibiotikaresistenz entsteht

(z B durch Mutation)

Antibiotikatherapie beguumlnstigt die

Selektion resistenter Bakterien

Nahrung

Duumlnger Abwasser

Abwasser

28 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

gefuumlhrt mcr-2 Das bedeutet eine Uumlbertra-gung der durch diese Gene vermittelten Re-sistenz auf ein humanpathogenes Bakterium ist theoretisch moumlglich Allerdings scheint dies bisher selten der Fall zu sein

Diese Erkenntnisse offenbaren einen groszligen Forschungsbedarf Was tun Sie in der Abteilung bdquoBiologische Sicher-heitldquo um das Risiko zu bewerten Als 2015 klar wurde dass es eine uumlbertrag-bare Colistin-Resistenz gibt haben wir diese neue Erkenntnis in den laufenden Projekten natuumlrlich sofort aufgegriffen Im Rahmen des Forschungsprojekts RE-SET haben wir zum Beispiel vorhandenes Bakterienmaterial und die bei unseren Ko-operationspartnern verfuumlgbaren Gesamt-genominformationen auf das Vorkommen dieses neuen Resistenzgens gepruumlft Schnell war klar Ja dieses Gen finden wir in den Sequenzen Und die Pruumlfung von Colis-tin-resistenten Isolaten aus unserer Stamm-sammlung hat bestaumltigt dass dieses Resis-tenzgen bereits weit verbreitet ist

Muumlssen nun neue Forschungsprojekte zu dem Thema initiiert werdenJa denn viele Fragen bleiben bislang offen Wie haumlufig wird die Resistenz tatsaumlchlich uumlbertragen Was triggert diese Uumlbertra-gung Es gibt auch diagnostische Probleme Das uumlbliche Verfahren in der Humanmedi-zin um Resistenzen zu testen umfasst in der Regel nicht die Resistenz gegen Colistin Es gibt also viel zu tun Neue Diagnose- und Typisierungsverfahren aufbauen unser Re-sistenzmonitoring erweitern und routine-maumlszligig phaumlnotypisch resistente Isolate auf das Gen pruumlfen Die Ergebnisse muumlssen wir dann uumlbergreifend bewerten um Hand-lungsoptionen aufzuzeigen

Welche Uumlbertragungswege spielen bei der Colistin-Resistenz fuumlr den Men-schen eine Rolle Mit Sicherheit koumlnnen wir das derzeit nicht sagen Die chinesische Arbeitsgruppe hat Colistin-Resistenzen sowohl im Schweine-fleisch als auch beim Menschen gefunden Daher liegt die Hypothese nahe dass es eine Uumlbertragung uumlber Lebensmittel gibt Gleichzeitig gibt es generell die Beobachtung von nosokomialen Ausbreitungen resisten-ter Bakterien Das sind Ausbreitungen von Antibiotikaresistenzen im Krankenhaus

Resistenzen breiten sich aus Wunder-waffen verlieren ihre Wirkung selbst im Krankenhaus sind wir nicht sicher Gibt es uumlberhaupt eine effiziente Strategie gegen die Ausbreitung der Antibiotika- resistenzen Und wer ist dabei gefor-dertUm die Ausbreitung von Antibiotika- resistenzen zu verhindern braucht es eine gemeinsame Strategie Schlieszliglich sind hier komplexe Zusammenhaumlnge zwischen Mensch Tier und Umwelt am Werk Am BfR streben wir deswegen eine enge Zu-sammenarbeit mit allen Akteuren im oumlffent-lichen Gesundheits- und Veterinaumlrwesen an Bei diesem bdquoOne Health-Ansatzldquo sind sowohl Veterinaumlr- als auch Humanmedizi-ner gefordert Auch Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

Was sollten Verbraucherinnen und Ver-braucher beachtenHier gelten dieselben Hygieneregeln die auch fuumlr andere vom Tier oder vom Le-bensmittel auf den Menschen uumlbertragba-re Krankheitserreger gelten Zum Beispiel sollten sie sich nach dem Kontakt mit Tie-ren die Haumlnde mit warmem Wasser und Seife waschen Auch nach der Zubereitung von rohem Fleisch sollten die Haumlnde gruumlnd-lich gewaschen werden Fleisch Eier und Rohmilch sollten vor dem Verzehr durcher-hitzt werden Rohkost und Obst sollten vor dem Verzehr gruumlndlich mit Trinkwasser gewaschen oder geschaumllt werden Weiterhin wichtig ist den direkten oder indirekten Kontakt von rohem Fleisch und rohen Ei-ern mit verzehrfertigen Speisen die spaumlter nicht mehr erhitzt werden zu vermeiden Durch die Einhaltung der Hygieneregeln kann man einer Uumlbertragung von resisten-ten und oder pathogenen Bakterien auf an-dere Lebensmittel vorbeugen

Mehr erfahren Irrgang et al 2017 Recurrent detection of VIM-1-producing Escherichia coli clone in German pig production Journal ofAntimicrobial Chemotherapy 72 3 944ndash946

bdquoVerbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

RESET

Der Forschungsverbund RESET ndash Antibiotika-Resistenzen bei Tier und Mensch ndash beschaumlftigte sich von 2010 bis 2017 mit Resistenzen gegen die besonders wichtigen Antibiotika-Klas-sen der β-Laktam-Antibiotika und (Fluor-)Chinolone bei Darmbakterien wie Escherichia (E) coli Sind Bak-terien gegen beide Wirkstoffklassen resistent werden die therapeutischen Moumlglichkeiten drastisch eingeschraumlnkt Bei E coli und Salmonella enterica wurden derartige Resistenzen bereits nachgewiesen Das BfR beteiligte sich mit zwei Projekten an dem Forschungs-verbund Durch das konsequente Zusammenfuumlhren von Ergebnissen der unterschiedlichen Forschungsgebiete in einer gemeinsamen Datenbank konnten Erkenntnisluumlcken geschlossen und Risiken bewertet werden Das Projekt wurde vom Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) gefoumlrdert

29012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Kann es durch die Mischung verschiedener Pestizid-Ruumlckstaumlnde beim taumlglichen Verzehr zu gesundheitsgefaumlhrdenden Belastungen kommen

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

30 BfR 2 GO

Wenn von Paradigmenwechseln die Rede ist findet meist ein grundlegendes Umdenken statt In der Risikobewertung von Chemikalien habe ein Paradigmenwechsel stattge-

funden der die traditionelle Einzelsubstanz-Bewertung hinter sich lasse schrieben BfR-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler vor einiger Zeit Man koumlnnte meinen in der Toxikologie wird der Paracelsus-Satz kuumlnftig umgeschrieben Nicht nur die Dosis son-dern auch die Aufsummierung der Dosierungen in einer Mischung macht das Gift

Gift- oder Todescocktail ndash plakative Medienbegriffe

Denn tatsaumlchlich In den letzten Jahren beschaumlftigen sich weltweit immer mehr Gremien politische Ausschuumlsse und Forschungspro-jekte mit der Frage wie man die Auswirkungen von Mischungen auf Umwelt und Gesundheit kuumlnftig bewerten kann Auch in der Oumlffentlichkeit wird das Thema emotional verhandelt Chemikali-enmix Gift- oder sogar Todescocktail ndash mit plakativen Begriffen umschreiben Medien das Phaumlnomen der Mehrfachruumlckstaumlnde Entsprechend tief sitzt die Angst bei Verbraucherinnen und Ver-brauchern In einer vom BfR in Deutschland durchgefuumlhrten re-praumlsentativen Wahrnehmungsstudie vermuten 80 Prozent der Befragten dass der Einsatz mehrerer unterschiedlicher Pflanzen-schutzmittel zu gesundheitlichen Beeintraumlchtigungen durch Le-bensmittel fuumlhren kann

Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck sein

Zwar zeigen verschiedene aktuelle Monitoring-Projekte dass das gesundheitliche Risiko durch Mehrfachruumlckstaumlnde von Pflanzen-schutzmitteln unwahrscheinlich ist (s Interview) aber das Thema bleibt auch fuumlr die Wissenschaft draumlngend Denn auch wenn Mi-schungen schon seit Jahrzehnten wissenschaftlich analysiert und bewertet werden das Beduumlrfnis nach einer zuverlaumlssigen Bewertung der Risiken fuumlr Mensch und Umwelt steigt Grund dafuumlr ist zum einen die Vielzahl immer neuer Wirkstoffe Zusatzstoffe Chemika-lien Ruumlckstaumlnde und Kontaminanten gegenuumlber denen Menschen exponiert sind verbunden mit immer verfeinerten wissenschaftli-chen Nachweismethoden Zum anderen steigt der Druck aus der Oumlffentlichkeit Um wissenschaftliche Divergenzen zu vermeiden muumlssen transparente und international harmonisierte Verfahren entwickelt werden Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck in der Risikobewertung sein

Alle Gemische im Tierversuch zu testen ist nicht durchfuumlhrbar

Worum geht es im Einzelnen Mischungen liegen immer dann vor wenn ein Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt verschiedene Stoffe gleichzeitig aufnimmt z B Ruumlckstaumlnde Kontaminanten oder Chemikalien die nach der Europaumlischen Chemikalienverordnung REACH registriert sind Das geschieht wenn sogenannte intentional mixtures also beabsichtigte Mischungen wie Pflanzenschutzmittel oder Biozide in den Verkehr gebracht werden Aber auch unintenti-onal mixtures nimmt der Koumlrper auf Sei es dass verschiedene Stoffe in einem Produkt enthalten sind z B mehrere Pflanzenschutzmit-telruumlckstaumlnde in einem Apfel Oder sei es dass Stoffe gleichzeitig uumlber unterschiedliche Produkte aufgenommen werden In all diesen Faumlllen koumlnnen Mischungseffekte auftreten Diese sind je nach Wirk-mechanismus unterschiedlich stark ausgepraumlgt So koumlnnen sich die Wirkungen von Stoffen gegenseitig potenzieren oder auch aufheben Nach derzeitigem Kenntnisstand wird davon ausgegangen dass sich Wirkungen in der Regel addieren wenn die aufgenommenen Stoffe oberhalb der Wirkschwelle liegen den gleichen Wirkmechanismus haben und zu einem relevanten Zeitpunkt vom Organismus aufge-nommen wurden

Hier beginnen die Schwierigkeiten Es gibt zu viele intentional mix-tures die eine nahezu unuumlbersehbar groszlige Anzahl von Kombinati-onen ermoumlglichen Diese Gemische alle im Tierversuch zu testen wie sonst bei Einzelsubstanzen uumlblich waumlre sowohl ethisch nicht zu vertreten als auch praktisch nicht durchfuumlhrbar Daher arbeiten viele Forschungsprojekte u a der EU-Kommission daran tierversuchs-freie Methoden fuumlr die kumulative Bewertung zu entwickeln die die Effekte von Mischungen in vitro oder durch computergestuumltzte Be-rechnungen in silico berechnen (s Interview und Kasten)

Weltweit setzen Laumlnder das Thema auf ihre Agenda

Nicht nur fuumlr die Wissenschaft auch fuumlr den harmonisierten Voll-zug von Gesetzen ergeben sich dadurch neue Herausforderungen So schreibt z B die EU-Verordnung uumlber das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vor Kumulations- und Synergieeffekte zu be-ruumlcksichtigen ndash sofern es von der Behoumlrde anerkannte wissenschaft-liche Methoden zur Messung solcher Effekte gibt Doch die lagen bisher nicht vor Deshalb werden nun auf allen Ebenen technische Leitfaumlden fuumlr die neuen Methoden erstellt um eine harmonisierte

Auf die Mischung kommt es anKumulative Risikobewertung nimmt weltweit eine immer groumlszligere Bedeu-tung in der Toxikologie ein Das BfR arbeitet an einer Vielzahl von Projek-ten wie Mischungen in Zukunft bewertet werden koumlnnen

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

31012017

Vorgehensweise und transparente Nachvollziehbarkeit bei der Zu-lassung von Produkten zu gewaumlhrleisten Unter anderem die EFSA die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmittelsicherheit die Europauml-ische Chemikalienagentur ECHA und das JRC die Gemeinsame Forschungsstelle der Europaumlischen Kommission erarbeiten solche technischen Leitfaumlden

Neben der wissenschaftlichen Komplexitaumlt muumlssen diese techni-schen Leitfaumlden weitere Herausforderungen meistern Sie sollen fuumlr alle Bereiche gelten in denen Mischungen in Verkehr gebracht werden oder entstehen koumlnnen Bisher wurden Mischungen haumlufig nur in einem regulatorischen Bereich untersucht z B als Pflan-zenschutzmittel Biozid oder Arzneimittel Fuumlr andere Stoffe wie Lebensmittelzusatzstoffe oder Kontaminanten war die Bewertung von Mischungen bisher nicht klar gesetzlich reguliert In Zukunft sollen auch diese Stoffe bei einer Bewertung von Mischungen besser beruumlcksichtigt werden Auch soll nicht nur die chemische Zusam-mensetzung eines einzelnen Produktes systematisch bei der Zu-lassung beruumlcksichtigt werden sondern auch Mehrfachruumlckstaumlnde im gesamten Warenkorb den Verbraucherinnen und Verbraucher durchschnittlich zu einer gegebenen Zeit konsumieren Und zu gu-ter Letzt muumlssen die neuen Verfahren weltweit harmonisiert werden um das kumulative Risiko fuumlr Mensch und Umwelt auch angesichts globaler Warenketten gering zu halten Deshalb diskutieren Politik und Wissenschaft zurzeit nicht nur auf europaumlischer Ebene entspre-chende Leitfaumlden auch andere Laumlnder weltweit sowie die Weltge-sundheitsorganisation WHO und die Organisation fuumlr wirtschaftli-che Zusammenarbeit und Entwicklung OECD haben die kumulative Bewertung auf ihre Agenda genommen und stimmen ihre Guidance Documents mit den uumlbrigen Behoumlrden ab

Deutschland wendet die kumulative Bewertung schon an

Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR sind an zahlreichen dieser internationalen Projekte beteiligt sowohl an der wissenschaftlichen Erforschung kumulativer Effekte als auch an der Entwicklung technischer Leitfaumlden Einen wichtigen Schritt bei der kumulativen Bewertung hat Deutschland in der Europaumlischen Uni-

Stufe um Stufe zu einer gesicherten Bewertung

Seit Maumlrz 2017 wird in Deutschland eine Methodik fuumlr die Bewertung von Kumulations- und Synergie-effekten bei der gesundheitlichen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln in den Zulassungsverfahren angewandt Grundlage fuumlr das gestufte kumulative Bewertungsverfahren ist der sogenannte bdquoHazard Quotientldquo (HQ) der fuumlr jeden einzelnen Stoff ermit-telt wird Der HQ errechnet sich aus dem Verhaumlltnis zwischen dem relevanten gesundheitlichen Grenz-wert und der geschaumltzten Exposition

In einer ersten Stufe wird der HQ fuumlr alle Stoffe eines Gemisches einzeln ermittelt Liegt der HQ jedes Stoffes unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko fuumlr die einzelnen Bestandteile der Mischung zu erwarten Liegt dieser bei einzelnen Stoffen uumlber 1 wird gepruumlft ob die Exposition durch geeignete Maszlignahmen weiter vermindert werden kann zum Beispiel durch das Tragen entsprechender Schutz-kleidung

Liegt der HQ fuumlr alle Komponenten unter 1 wird in einer zweiten Stufe der sogenannte bdquoHazard Indexldquo (HI) des Gemisches ermittelt indem alle Gefahren-quotienten der verwendeten Stoffe addiert werden Liegt der ermittelte Wert weiterhin unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko durch das Gemisch zu erwarten

Liegt der HI uumlber 1 geht die Bewertung mit weiter verfeinerten Methoden in die dritte Stufe uumlber In dieser wird gepruumlft ob ein gesundheitliches Risiko vorliegt wenn eine Gruppierung der Einzelstoffe vorgenommen wird Dazu koumlnnen die einzelnen Stoffe in kumulative Bewertungsgruppen (cumula-tive assessment groups CAGs) eingeteilt werden die z B nach Effekten im gleichen Zielorgan oder nach dem gleichen Wirkmechanismus oder nach chemischer Verwandtschaft definiert sein koumlnnen Hintergrund dieser Einteilung ist die Annahme dass sich nach gegenwaumlrtigem Kenntnisstand nur Effek-te addieren die hinsichtlich der Zielorgane oder der Wirkmechanismen (MOA) vergleichbar sind Auch die relative Potenz der einzelnen Stoffe soll bei der verfeinerten Bewertung beruumlcksichtigt werden Liegt der HI innerhalb einer CAG unter 1 ist deshalb kein gesundheitliches Risiko zu erwarten Liegt er oberhalb des Wertes und koumlnnen weder Expositionsschaumltzung noch Gefahrenbewertung weiter verfeinert werden gilt das Gemisch als nicht sicher

Das mehrstufige Verfahren hat den Vorteil dass die ressourcenaufwendigeren Methoden zur verfei-nerten Bewertung z B in vergleichbaren CAGs oder MOAs nur zum Einsatz kommen wenn mit den ersten einfacheren Bewertungsmethoden nicht nachweisbar ist dass kein gesundheitliches Risiko zu erwarten ist

copy T

atom

mis

tock

com

32 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

EuroMix A tiered strategy for risk assessment of mixtures of multiple chemicals

EuroMix ist ein laumlnderuumlbergreifendes Projekt der EU-Kommission das die nie-derlaumlndische Behoumlrde fuumlr Gesundheit und Umweltschutz RIVM koordiniert Es zielt darauf ab eine tierversuchsfreie experi-mentelle Test-Strategie zu entwickeln um die Toxizitaumlt von Gemischen verschiedener toxikologisch relevanter Lebensmittelin-haltsstoffe Lebensmittelkontaminanten und Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde besser zu bestimmen Aus den Forschungsergeb-nissen wird ein Leitfaden fuumlr die kuumlnftige Umsetzung einer experimentellen Test-Stra-tegie entwickelt Das Acht-Millionen-Eu-ro-Projekt laumluft bis Mai 2019

Mehr erfahren wwweuromixprojecteu

Kombinationseffekte Forschungsprojekte des BfR

Am BfR werden in verschiedenen Abteilungen mehrere interne Forschungsprojekte zu Kombinationseffekten durch-gefuumlhrt Dazu gehoumlren u a Forschungsprojekte zu kumulativen Wirkungen in Pflanzenschutzmitteln und Bioziden zu Mehrfachruumlckstaumlnden in Lebensmitteln zur Expositionsschaumltzung sowie zu wirbeltierfreien Alternativmethoden Daruumlber hinaus ist und war das BfR auch an folgenden Drittmittel-Projekten beteiligt die zu Kombinationseffekten forschen

Combiomics Analyse von Kombinationseffekten von Pestiziden in vitro

Combiomics war ein zweieinhalbjaumlhri-ges Projekt des Bundesministeriums fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) das im Fruumlhling 2016 abgeschlossen wurde In dem vom BfR koordinierten Projekt wurden moumlgliche Kombinationswirkungen durch Mehrfachruumlckstaumlnde beispielhaft anhand einer Gruppe von Fungiziden in vitro unter-sucht Dazu wurden die molekularen Effek-te der Triazole mittels multi level omics und praumldiktiver mathematischer Modellierung untersucht Ausgehend von den Ergebnissen wurde ein Praumldiktionsmodell fuumlr Substanz-kombinationen erstellt validiert und auf Pestizide anderer Stoffgruppen bzw weitere Substanzklassen ausgedehnt um Kombi-nationseffekte kuumlnftig weitgehend ohne Tierversuche durchfuumlhrbar zu machen

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschung gt Drittmittelprojekte gt Combiomics

Combiomics 2Auch die zweite Projektphase von Com-biomics wird vom BfR koordiniert Hier sollen erfolgreich getestete Methoden und Zelllinien in Form einer standardisierten In-vitro-Testbatterie validiert und in ein Standardverfahren integriert werden das auch kuumlnftigen regulatorischen Anforde-rungen entspricht Das dreijaumlhrige Projekt wird vom BMBF bis Ende 2019 gefoumlrdert

Mehr erfahren wwwfisaonlinede gt Kombinationseffekte Pestizide

on schon jetzt unternommen Am 1 Maumlrz 2017 erschien im Bundesanzeiger eine Be-kanntmachung dass Kumulations- und Synergieeffekte in der gesundheitlichen Be-wertung von Pflanzenschutzmitteln kuumlnf-tig durch das BfR beruumlcksichtigt werden Damit bezieht Deutschland bei der zonalen Zulassung von Pflanzenschutzmitteln eine systematische kumulative Bewertung ein

Ein Leitfaden zur kumulativen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln wurde am BfR erarbeitet basierend auf den internatio-nalen Diskussionen bei EFSA und ECHA und 2014 veroumlffentlicht Seitdem wird das Verfahren am BfR angewandt uumlberpruumlft und verfeinert Im Kern geht es darum in einem mehrstufigen Verfahren verschie-dene Wirkstoffe in einem Pflanzenschutz-mittel oder in einer beantragten Tankmi-

schung kumulativ zu bewerten (s Kasten) Dazu werden sowohl die Exposition der Anwenderinnen und Anwender als auch die akute Exposition der Verbraucherinnen und Verbraucher betrachtet sodass die am meisten exponierten Gruppen beruumlcksich-tigt sind

Das Ziel Mischungen weltweit harmonisiert zu bewerten

Die Einfuumlhrung der Konzepte zur kumu-lativen Bewertung von Pflanzenschutzmit-teln hat auch in anderen EU-Laumlndern Aus-wirkungen auf die Risikobewertung Wenn Deutschland im zonalen Zulassungsverfah-ren bewertender Mitgliedstaat ist wird das Verfahren grundsaumltzlich angewandt Aber auch in die Bewertungsberichte anderer Laumlnder flieszligt die kumulative Bewertung als

deutscher Kommentar mit ein Durch den fachlichen Austausch zwischen den Mit-gliedstaaten wurde das Konzept in den letz-ten Jahren einem Peer-Review unterzogen Um die Praxis europaweit noch besser zu harmonisieren werden derzeit auszligerdem internationale Workshops organisiert auf denen diskutiert wird wie Mischungen bei der Risikobewertung kuumlnftig beruumlcksichtigt werden sollen Das BfR veranstaltet einen solchen Workshop im November 2017 im Auftrag der Europaumlischen Kommission die Franzoumlsische Behoumlrde fuumlr gesundheitlichen Verbraucher- Umwelt- und Arbeitsschutz (ANSES) einen weiteren im Februar 2018 unter aktiver Beteiligung des BfR

Das Ziel Mischungen weltweit harmoni-siert zu bewerten um Mensch und Umwelt besser zu schuumltzen ruumlckt damit naumlher

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

33012017

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

bdquoZiel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertungldquo Interview mit Herrn Dr Roland Solecki uumlber die Forschungsaktivitaumlten des BfR zu Mehrfachruumlckstaumlnden

Herr Solecki bei Mehrfachruumlckstaumlnden von Pflanzenschutzmitteln sprechen die Medien oft von einem bdquoGiftcocktailldquo Haben Sie Erkenntnisse daruumlber wie groszlig das gesundheitliche Risiko tat-saumlchlich istDas BfR hat dazu gemeinsam mit dem Bun-desministerium fuumlr Ernaumlhrung und Land-wirtschaft und dem Bundesamt fuumlr Ver-braucherschutz und Lebensmittelsicherheit einen Bericht uumlber die kumulativen Wir-kungen von Pflanzenschutzmitteln veroumlf-fentlicht Dieser basiert auf einer Methodik der niederlaumlndischen Behoumlrde fuumlr Gesund-heit und Umweltschutz RIVM Hintergrund ist ein Monitoring das uumlber einen Zeitraum von sechs Jahren in Deutschland durchge-fuumlhrt wurde Darin wurde untersucht wel-che Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde durch-schnittlich uumlber Lebensmittel aufgenommen werden Das Ergebnis war dass auch unter Worst-Case-Annahmen fuumlr die Mischungen von Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnden ein gesundheitliches Risiko unwahrscheinlich ist Die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit EFSA kam in ihrem Monito-ring-Bericht von 2015 fuumlr Gesamteuropa zu einem aumlhnlichen Ergebnis

Sie arbeiten unter anderem bei dem Pro-jekt EuroMix mit Worum geht es dabeiEs handelt sich um ein groszliges Forschungs-projekt der EU-Kommission zur kumulati-ven Bewertung von Mischungen im Rahmen von Horizont 2020 dem Rahmenprogramm der Europaumlischen Union fuumlr Forschung und Innovation Das Projekt hat zum Ziel neue Bewertungsmethoden fuumlr Mischungseffekte zu erarbeiten besonders auch im Hinblick auf Alternativen zu Tierversuchen innovati-ve Wege der Expositionsschaumltzung und Mo-dellierung von kumulativen Risiken Dabei geht es nicht nur um Pflanzenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatzstoffe und andere Chemikalien

Wie ist das BfR da in EuroMix einge-bundenVom BfR arbeiten sowohl die Abteilung Sicherheit von Pestiziden als auch die Ab-teilung fuumlr Lebensmittelsicherheit am Eu-roMix-Projekt mit Waumlhrend die von mir geleitete Abteilung fuumlr die regulative Bewer-tung eingebunden ist werden in der Abtei-lung Lebensmittelsicherheit experimentelle Arbeiten unter anderem zur Lebertoxizitaumlt durchgefuumlhrt in denen auch Kombinatio-nen von Pestiziden mit anderen Lebensmit-telinhaltsstoffen gepruumlft werden

Woran forschen Sie im EuroMix-ProjektWir haben zunaumlchst recherchiert welche gesetzlichen Anforderungen bestehen und wie unterschiedliche Behoumlrden weltweit

Mischungseffekte bewerten Und wir haben Forschungen zu Mischungen durchgefuumlhrt die bestimmte adverse Effekte auf die Leber verursachen Dabei wurden bestimmte Schluumlsselelemente untersucht um daraus ein Konzept fuumlr die Bewertung zu erarbei-ten Jetzt werden die Omics-Untersuchun-gen und andere alternative Pruumlfverfahren noch durch Tierversuche ergaumlnzt sodass wir auch am Gesamtorganismus die Effek-te uumlberpruumlfen koumlnnen Gleichzeitig werden die statistischen Hilfsmittel und die ande-ren elektronisch basierten Tools weiterent-wickelt Auszligerdem folgen noch weitere Stu-dien zur Exposition Die finalen Ergebnisse liegen am Ende des Projekts im Jahr 2019 vor

In welche weiteren europaumlischen Aktivi-taumlten ist das BfR eingebundenDie EFSA hat bereits einige Ansaumltze zur Bewertung der kombinierten Exposition gegenuumlber mehreren Pestiziden und Kon-taminanten bei Menschen sowie mehreren Pestiziden bei Bienen entwickelt Derzeit ist die EFSA damit befasst neue Ansaumltze und Instrumente zur Harmonisierung der Be-wertung von Risiken fuumlr Mensch und Um-welt zu erarbeiten die von der Exposition gegenuumlber mehreren chemischen Stoffen in der Lebensmittelkette ausgehen Ich bin derzeit Mitglied einer Arbeitsgruppe von Sachverstaumlndigen die der Wissenschaftliche Ausschuss der EFSA eingerichtet hat um Leitlinien im Hinblick auf die kombinierte Exposition gegenuumlber mehreren chemi-schen Stoffen zu entwickeln Diese Initiative unter dem Namen bdquoMixToxldquo wird 2018 den Leitfaden in einer oumlffentlichen Konsultation diskutieren

Bei dieser Vielzahl an Aktivitaumlten Wel-ches Ziel haben Sie persoumlnlich vor Au-genDas Ziel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertung von Stoffen in der gesundheitlichen Risikocharakterisie-rung und deren harmonisierte Implemen-tierung in den gesetzlichen Verfahren Dies wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen

bdquoBei den kumulati-ven Risiken geht es nicht nur um Pflan-zenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatz-stoffe und andere Chemikalien

Dr Roland Solecki leitet die Abteilung bdquoSicherheit von Pestizidenldquo am BfR

copy B

fR

34 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

SPEKTRUM

Identifizierung endokriner Disruptoren Vom Grundsatz in die Praxis

Fuumlr Pestizid-Wirkstoffe und andere Chemikalien sind harmonisierte wissenschaftliche Kriterien erforderlich mit denen hormonschaumldigende Substanzen identifiziert werden koumlnnen Das BfR veroumlffentlichte hierzu bereits 2016 ein Konsenspapier als wissenschaftliche Grundlage fuumlr die darauffolgende Arbeit der EU-Behoumlrden Auf legislativer Ebene werden aktuell EU-weit geltende Ver-ordnungen festgelegt um auf wissenschaftlicher Ebene Leitlinien zur regulatorisch harmonisierten Umsetzung dieser Verordnungen zu erarbeiten Mit dieser Aufga-be hat die EU-Kommission die EFSA und die ECHA gemeinsam beauftragt Das BfR unterstuumltzt die Behoumlr-den mit wissenschaftlicher und technischer Expertise indem es die entsprechende Arbeitsgruppe bei der EFSA personell verstaumlrkt sowie Recherchen und Umfragen zur Praktikabilitaumlt von Untersuchungsmethoden durchfuumlhrt Die Publikation der Leitlinien wird fuumlr Fruumlhjahr 2018 erwartet Sie koumlnnen auf Basis der verabschiedeten Ver-ordnungen nach ihrer Implementierung in der Genehmi-gungspraxis angewendet werden

Mehr erfahren Solecki et al 2017 Scientific principles for the identification of endocrine-disrupting chemicals a consensus statement Arch Toxicol 91 1001ndash1006

Insekten-Stopp in Textilien Allergene Wirkung unwahrscheinlich

Das Risiko fuumlr eine Allergie nach dem Kontakt mit Kleidung und Produkten die mit dem Biozid Permethrin behandelt sind ist nach derzeitigem Kenntnisstand unwahrscheinlich Das ist das Ergebnis einer aktuellen Risikobewertung des BfR Gestuumltzt wird das Ergebnis dadurch dass trotz weitverbreiteter Anwendung des Wirkstoffs in Medikamenten und Verbraucherprodukten kein Anstieg der Kontaktallergien gegenuumlber Permethrin zu verzeichnen ist Das Risiko fuumlr kanzero-gene systemische Effekte infolge einer dermalen und oralen Exposition gegenuumlber Permethrin aus Textilien ist nach Ansicht des BfR vernachlaumlssigbar gering Permethrin ist ein biozider Wirkstoff der zum Schutz gegen Insekten in Produkten wie Schlafsaumlcken Picknick- und Yogadecken sowie Teppichen und Kleidung eingesetzt wird Er ist im Chemikalienrecht als sensibilisierend eingestuft ein moumlgliches geringes kanzerogenes Potenzial wird von verschiedenen wissenschaftlichen Gremien diskutiert Der Wirkstoff kann aus Textilien freigesetzt und uumlber die Haut aufgenommen werden Bei kleinen Kindern die viele Produkte in den Mund nehmen kommt eine moumlgliche orale Aufnah-me des Stoffes hinzu

Mehr erfahren Stellungnahme Nr 0062017 des BfR vom 25 April 2017

Wie wirkt Aluminium in Leber und Darm

Aluminium ist in Lebensmitteln Kosmetika und Bedarfsge-genstaumlnden enthalten und kann uumlber die Nahrung aufgenom-men werden Erste Ergebnisse aus dem deutsch-franzoumlsischen Forschungsprojekt bdquoSolNanoToxldquo mit Beteiligung des BfR zeigen dass sich aus der Nahrung aufgenommene Aluminiumverbin- dungen temporaumlr im Darm anreichern Ob und in welchen Men-gen die Partikel weiter in den Koumlrper insbesondere in die Leber gelangen und welche Faktoren ihre Wirkung beeinflussen wird aktuell erforscht Die Forschungsgruppe sieht Anhaltspunkte dafuumlr dass ein Teil der angereicherten Partikel mit dem Stuhl wieder ausgeschieden wird Fuumlr seine Untersuchung simulierte das BfR anhand biologischer Proben die Verdauung verschiede-ner Aluminiumarten vom Mund uumlber den Magen bis zum Darm Mithilfe von Enzymen und Salzen wurden dabei physiologische Parameter wie der pH-Wert gesteuert Waumlhrend des simulierten Verdauungsprozesses veraumlnderten die Aluminiumverbindungen ihre chemische Reaktionsfaumlhigkeit und Loumlslichkeit Die Erkennt-nisse sind ein erster Schritt um den Prozess der Aufnahme Resorption und Verteilung von Aluminium im Koumlrper besser zu verstehen und daraus Daten fuumlr die Risikobewertung abzuleiten Aluminiumverbindungen koumlnnen in zu hohen Dosen toxisch auf das Nervensystem und ungeborenes Leben wirken sowie die Fruchtbarkeit und Knochenentwicklung beeinflussen

copy B

fR

copy c

gsto

cks

hutte

rsto

ckc

om

copy R

osel

ynne

shu

tters

tock

com

35012017

Bei Kleidung ist besonders der Einsatz von Silber-Nanopartikeln weit verbreitet Silber wirkt antibakteriell und soll die Geruchs-bildung durch Schwitzen reduzieren Beim Einsatz von Nanosilber in Kleidungsstuuml-cken ist in erster Linie eine Freisetzung in Schweiszlig und somit ein moumlglicher Hautkon-takt relevant Neben der Frage ob und in welcher Menge Silber prinzipiell aus Texti-lien herausgeloumlst wird beschaumlftigt sich die Forschung mit der Frage welchen Einfluss die Technologie hat mit der Nanosilber auf Textilien aufgetragen bzw eingebracht wird Bisher war zudem unklar inwiefern die Oberflaumlchenbeschichtung der Nano-partikel die Abgabe beeinflusst

Kuumlnstlicher Schweiszlig simuliert Freisetzung

In einem Forschungsprojekt pruumlfte das BfR neun Proben von Textilien die mit Nanosil-ber veredelt waren Als Vergleich diente ein mit konventionellem Silber (hier Silbersalz mit einem Partikeldurchmesser groumlszliger als 100 Nanometer) ausgeruumlstetes Textil Zwei der Textilien waren sogenannte Komposite bei denen Nanosilber in die Faser integriert ist Bei den anderen getesteten Textilien war die Faseroberflaumlche mit Silber-Nano-partikeln bzw in einem Fall mit konventio-nellem Silber beschichtet (Textil-Coating) Um die Abgabe von Silber durch Schwitzen

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

Kleidung wird durch sie wasser- und schmutzabweisend sie blocken UV-Strahlen und mindern Geruumlche Nanoma-terialien haben beliebte funktionelle Eigenschaften Ob sie aufgrund ihrer Winzigkeit gesundheitliche Risiken bergen ist indes noch weitgehend unbekannt In einem Forschungsprojekt uumlber Nanosilber hat das BfR ermittelt ob sich die Kleinstteilchen aus Textilien herausloumlsen und damit zum gesundheitlichen Risiko werden koumlnnen

Nanomaterial

ist ein natuumlrliches bei Prozessen anfallendes oder kuumlnstlich hergestelltes Material das Partikel in ungebundenem Zustand als Aggregat oder als Agglo-merat enthaumllt und bei dem die Mehrheit der Partikel ein oder mehrere Auszligen-maszlige im Bereich unter 100 Nanometer hat In Nanogroumlszlige kann ein Stoff andere Eigenschaften besitzen als wenn er in Form groumlszligerer Partikel vorliegt

copy o

still

shu

tters

tock

com

36 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von Textilfasern Links Nanokomposit bei dem kaum Silberpartikel an der Faseroberflaumlche zu finden sind Mitte und rechts Textilien mit Silbercoating hier befindet sich insgesamt mehr Silber auf der Oberflaumlche

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

zu simulieren wurden die Textilien fuumlr 24 Stunden in einer Schweiszligsimulanz-Louml-sung inkubiert Fuumlr die Auswertung wurde zunaumlchst der gesamte Silbergehalt in den Schweiszligloumlsungen mit massenspektromet-rischen Messmethoden bestimmt In den Proben in denen Silber vorhanden war wurden anschlieszligend mit Zentrifugation und einer speziellen Methode zum Messen von Einzelpartikeln geloumlstes und partikulauml-res Silber unterschieden Im letzten Schritt wurden die Partikelgroumlszligen des vorgefun-denen partikulaumlren Silbers gemessen um nanoskaliges Silber zu identifizieren

Silber aus Kleidung freigesetzt

Die Untersuchung des BfR zeigte dass von jeder Textilprobe Silber in die Schweiszligsi-mulanz-Loumlsung uumlberging je nach geteste-tem Textil zwischen 7 und 75 Prozent des originaumlr in den Textilien enthaltenen Sil-bers Dabei setzten die beschichteten Tex-tilien mehr Silber frei als die Komposite Den houmlchsten abgegebenen Anteil fand das BfR bei dem mit konventionellem Silber beschichteten Textil Die Freisetzung wird demnach staumlrker durch die Technologie der Veredelung bestimmt als durch die im Tex-til enthaltene Menge Auszligerdem scheint die Abgaberate von Silber aus Nanosilber im Vergleich zu konventionellem Silber nicht erhoumlht zu sein

In der Schweiszligloumlsung lag das freigesetzte Silber uumlberwiegend geloumlst vor Partikulaumlres Silber fand sich nur zum geringeren Teil dann jedoch auch im Nanometerbereich Ob es sich dabei um einzelne Nanoparti-kel handelt oder ob das Silber an groumlszligere Partikel gebunden ist muss in weiteren Untersuchungen uumlberpruumlft werden Nach

derzeitigem wissenschaftlichem Kennt-nisstand geht man davon aus dass sich Nanopartikel im Koumlrper anders verhalten als groumlszligere Partikel Uumlberraschenderweise detektierte die Forschungsgruppe auch in den Schweiszligsimulanzien der mit konven-tionellem Silber beschichteten Textilien partikulaumlres Silber in Nanogroumlszlige Das Vor-kommen von Silberpartikeln scheint also nicht davon abhaumlngig zu sein ob das Silber in Nano- oder konventioneller Form auf das Textil aufgebracht wurde

In einer parallelen Untersuchung fanden die Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler heraus dass zudem die Beschaffenheit der Nanopartikel beispielsweise in Form einer speziellen Beschichtung ihre Loumlslichkeit in der Schweiszligloumlsung beeinflusst

Art der Beschichtung relevant

Silber wird demnach aus Textilien freige-setzt in geringen Teilen sogar in partiku- laumlrer Form Die gewaumlhlte Form der Tex-tilfunktionalisierung aber auch die Be-schaffenheit der Nanopartikel stellen dabei wichtige Kriterien fuumlr das Freisetzungsver-halten dar Solche Erkenntnisse sind vor al-lem fuumlr den sicheren Einsatz von Nanoma-terialien in Alltagsprodukten wichtig weil die Exposition des Menschen gegenuumlber derartigen Stoffen moumlglichst klein gehalten werden sollte Auszligerdem geben sie Hin-weise in welcher Anwendungsform Nano-materialien im verbrauchernahen Bereich sicher eingesetzt werden koumlnnen

Mehr erfahren Wagener et al 2016 Textile Functionalization and Its Effects on the Release of Silver Nanoparticles into Artificial Sweat Environ Sci Technol 50 11 5927ndash5934

Per Flugzeitmassenspek-trometer laumlsst sich Silber auf beschichteten Textil-fasern detektieren

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

NANOPARTIKEL

37012017

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

38 BfR 2 GO

Neuer Ansatz fuumlr Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

Spiegelbild gesucht

Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR zeigt einen neuen Ansatz um mithilfe von Genexpressionsdaten das geeignete Tiermodell fuumlr die Grundlagenforschung oder fuumlr spezifische klinische Fra-gestellungen zu identifizieren Damit koumlnnen zukuumlnftig unnoumltige Tierversu-che vermieden werden Hamburger Wissenschaftsbehoumlrden wuumlrdigten die Erkenntnisse mit einem Forschungspreis

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

39012017

Fragestellung

Vergleich

Auswahl

z B bdquoMit welchem Mausmodell koumlnnen die Ursachen von Alzheimer erforscht werdenldquo

Vergleich von vorhandenen Omics-Expressionsdaten von Mensch und Tier

Auswahl des geeigneten Modells

1

2

3

Geeignete Tiermodelle identifizieren

An Tiermodellen werden zahlreiche biologische Prozesse und Krankheiten wie Wund-

heilung Diabetes Tumoren oder entzuumlndliche Erkrankungen erforscht Durch den

Vergleich der Omics-Expressionsdaten von Tiermodell und Mensch koumlnnen geeignete

Modelle fuumlr die jeweilige Fragestellung identifiziert werden

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

40 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Verlaumluft ein entzuumlndlicher Prozess bei Maumlusen aumlhnlich wie beim Menschen Sind Maumluse daher geeignete Ver-

suchstiere fuumlr Tests von antientzuumlndlichen Substanzen Um Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung in den klinischen Alltag zu uumlberfuumlhren ndash Aufgabengebiet der translationalen Forschung ndash werden wissen-schaftliche Fragestellungen oft in Tierversu-chen erprobt Ob und inwieweit die Ergeb-nisse auf den Menschen uumlbertragbar sind ist dabei immer wieder Gegenstand kontrover-ser Diskussionen Geeignete Methoden mit denen die Wissenschaft Tiermodelle mit op-timaler Uumlbertragbarkeit auf den Menschen auswaumlhlen kann wuumlrden dem wissenschaft-lichen Fortschritt helfen und die Zahl der Tierversuche reduzieren Es geht dabei um die Frage welches Tiermodell am besten das menschliche System widerspiegelt

Vergleichbarkeit von Genom- daten fehleranfaumlllig

Als Grundlage fuumlr diese Uumlberlegungen die-nen Daten aus modernen bioanalytischen Hochdurchsatzverfahren Immer haumlufiger setzt die Wissenschaft auf diese sogenannten Omics-Technologien die die Gesamtheit aller Gene und ihrer Produkte analysieren ndash sowohl beim Tier als auch beim Menschen Mit ihnen lassen sich molekulare Prozesse in lebenden Systemen umfassend darstel-len indem sie beispielsweise die Interaktion hunderter bis tausender Genprodukte zei-gen Die Analyse dieser zunehmend kom-plexen Omics-Datensaumltze stellt die Wissen-schaft jedoch vor Probleme da das Vorgehen dazu nicht standardisiert ist Die Interpreta-tion der Ergebnisse ist bisher meist von der Kompetenz der Durchfuumlhrenden und von der angewandten Methode abhaumlngig Im Ergebnis war die Entscheidung zur Frage der Uumlbertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen fehleranfaumlllig und die Suche nach

geeigneten Tiermodellen erschwert Die ge-ringe Standardisierung der Interpretation von Omics-Daten fuumlhrte in Forschungs-kreisen bereits zu widerspruumlchlichen Er-gebnissen so zum Beispiel bei zwei Studien aus den Jahren 2013 und 2015 die sich mit der Vergleichbarkeit von entzuumlndlichen Er-krankungen beim Menschen und gaumlngigen Mausmodellen beschaumlftigten Waumlhrend eine Forschungsgruppe im Jahr 2013 schlussfol-gerte dass entzuumlndliche Prozesse zwischen Mensch und Maus nicht vergleichbar seien kam eine andere Gruppe zwei Jahre spaumlter anhand der gleichen Omics-Daten zum ge-genteiligen Schluss Die Maus reagiere auf der molekularen Ebene sehr aumlhnlich wie der Mensch und sei daher als Tiermodell sehr nuumltzlich fuumlr die Erforschung menschlicher Erkrankungen Zwar ist es nicht ungewoumlhn-lich dass Ergebnisse von Studien unter-schiedlich eingeschaumltzt werden ndash allerdings selten auf Basis der gleichen Daten

Motivation des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR war es diese Widerspruumlche aufzuklaumlren und einen standardisierten und zielgerichteten Analyseansatz zu entwickeln der die Suche nach geeigneten Tiermodellen vereinfacht und somit unnoumltige Tierversuche vermei-den hilft Es gehoumlrt zu den Kernaufgaben des Bf3R bundesweit alle Aktivitaumlten zu koordi-nieren mit den Zielen Tierversuche auf das unerlaumlssliche Maszlig zu beschraumlnken und fuumlr Versuchstiere den bestmoumlglichen Schutz zu gewaumlhrleisten Die Aufgaben des Bf3R wer-den vom BfR wahrgenommen

Genomdaten von Tier und Mensch gezielt vergleichen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler des Bf3R haben die Omics-Daten aus den beiden erwaumlhnten widerspruumlchlichen Studien mithilfe hochperformanter Com-

puter nochmals systematisch ausgewertet Dabei wurden zunaumlchst die zu verglei-chenden Gene gruppenweise biologischen Prozessen zugeordnet die wesentlich fuumlr ein Entzuumlndungsgeschehen sind Diese Gene Set Enrichment Analysis (GSEA) ge-nannte Methode greift auf umfangreiche in oumlffentlichen Datenbanken hinterlegte Genomdaten gaumlngiger Tiermodelle und von Erkrankten zuruumlck Mit ihrer Heran-gehensweise konnten die Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler des BfR an-schlieszligend Veraumlnderungen auf der Ebene pathologischer Signalwege erkennen und Unterschiede zwischen Tiermodell und Mensch identifizieren Da der Groszligteil der untersuchten Genprodukte haumlufig nur geringfuumlgig veraumlndert war konnten bei der Analyse auf Ebene vollstaumlndiger bio-logischer Signalwege alle Gene einbezogen und Aumlnderungen in der Gesamtheit eines biologischen Signalwegs bewertet werden Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu bisherigen Analyseansaumltzen da fuumlr die Klauml-rung translationaler Fragestellungen bisher haumlufig willkuumlrlich und subjektiv Gene von Mensch und Tiermodell fuumlr einen direkten Eins-zu-eins-Vergleich ausgewaumlhlt wurden

Die systematische Auswertung des Bf3R zeigte dass die Ergebnisse beim vorlie-genden Genomdatenvergleich bei einigen Mausmodellen gut mit den beim Menschen ermittelten Daten uumlbereinstimmten Bei an-deren Mausmodellen hingegen war es nicht so So aumlhnelt das Entzuumlndungsgeschehen bei Maumlusen die mit Staphylococcus aureus (Staphylococcus-aureus-Injektionsmodell) infiziert sind oder eine Darmperforation (Cecal-ligation-and-puncture-Modell) erfah-ren den meisten klinischen Proben Hin-gegen verlaufen Erkrankungen die durch Lipopolysaccharide (LPS) und Streptococcus pneumoniae verursacht werden bei Mensch und Maus verschieden

Omics

Der Terminus beschreibt Methoden zur

Analyse komplexer biologischer Proben

auf der Ebene des gesamten Genoms

von Transkripten Proteinen oder Meta-

boliten

41012017

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

Forschungsansatz hilft Tierversuche zu reduzieren

Die Methode der Datenanalyse mittels GSEA-Ansatz erleichtert es Forschungs-gruppen zukuumlnftig zielgerichtet und stan-dardisiert das optimale Tiermodell aus-zuwaumlhlen das am besten die menschliche Situation abbildet Voraussetzung dafuumlr ist die Existenz von Omics-Daten zur klini-schen Fragestellung sowie zu den infrage kommenden Tierversuchen Dies ist bereits fuumlr eine Vielzahl von Tiermodellen sowie von humanen Erkrankungen der Fall neben Entzuumlndungserkrankungen beispielsweise fuumlr Herz-Kreislauf-Erkrankungen Krebser-krankungen Atemwegserkrankungen Stoff-wechselerkrankungen und neurologische Erkrankungen Aufgrund der vermehrten Verwendung von Omics-Methoden kann davon ausgegangen werden dass stetig wei-tere systembiologische Daten ermittelt und veroumlffentlicht werden Die vom Bf3R ange-wandte Methode wird daher weiterhin bei der gezielten Auswahl von Tiermodellen nuumltzlich sein

Das Verfahren kann in der Grundlagen-forschung sowie in der translationalen und angewandten Forschung eingesetzt werden Diese Bereiche machten 2015 nach Anga-ben des Bundesministeriums fuumlr Ernaumlh-rung und Landwirtschaft mit insgesamt 73 Prozent den groumlszligten Teil der Tierversuche aus Ein Groszligteil davon entfaumlllt auf Maumluse Ratten und zunehmend auch auf Fische Grundsaumltzlich kann die neue Methode zur Auswahl des geeigneten Versuchstiermo-dells bzw zum Ausschluss nicht geeigneter Versuchstiermodelle bei jeglichen Tierver-suchen in diesen Bereichen genutzt werden Analog zu den Versuchstierzahlen liegen derzeit die meisten Omics-Daten fuumlr Maus und Ratte vor So sind beispielsweise allein in der oumlffentlichen NCBI GEO-Datenbank (National Center for Biotechnology Informa-tion Gene Expression Omnibus) derzeit Da-ten zu ca 340000 Maus-Proben und 75000 Ratte-Proben gelistet

Methode identifiziert geeignete Zellkulturmodelle

Dabei ist die Methode des Bf3R nicht auf humane und murine Datensaumltze beschraumlnkt sondern kann auf alle weiteren Spezies an-gewandt werden fuumlr die umfangreiche Da-tenbanken zu biologischen Signalwegen oder Gengruppen vorliegen Auch fuumlr die Beurteilung von zellbasierten Alternativ-methoden kann der neue Forschungsansatz

herangezogen werden Durch einen system-biologischen Abgleich der klinischen Daten mit Omics-Daten aus beispielsweise neuar-tigen 3D-Zellkulturen oder organaumlhnlichen Mikrostrukturen wird die Charakterisierung und Verifizierung von zellbasierten Alterna-tivmethoden ermoumlglicht

Praumlmierte Forschungsleistung

Fuumlr ihre Forschung erhielten die Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR 2016 den Hamburger Forschungspreis zur Foumlrderung der Entwicklung von Ersatz- und

Ergaumlnzungsmethoden Die Auszeichnung wurde zum erstem Mal von den Hamburger Behoumlrden fuumlr Gesundheit und Verbraucher-schutz sowie fuumlr Wissenschaft Forschung und Gleichstellung mit einem Foumlrderpreis in Houmlhe von 20000 Euro ausgeschrieben Der Preis wird fuumlr Arbeiten vergeben die einen Beitrag leisten Tierversuche zu ersetzen oder zu minimieren

Mehr erfahrenWeidner et al 2016 Defining the optimal animal model for translational research using gene set enrichment analysis EMBO Molecular Medicine 8 8 831ndash838

Wofuumlr Versuchstiere in Deutschland eingesetzt werden

630255Herstellung und Qualitaumlts-kontrolle medizinischer Produkte toxikologische Sicherheitspruumlfungen

22

59

14 5

1643259Grundlagenforschung

144997sonstige Zweckez B Zucht Aus- und Weiterbildung

381450translationale und angewandte Forschung

Que

lle B

unde

smin

iste

rium

fuumlr E

rnaumlh

rung

und

Lan

dwirt

scha

ft V

ersu

chst

ierz

ahle

n 20

15

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

42 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Alternativen zu Tierversuchen Forschung regional buumlndeln

Eine individualisierte Schmerztherapie fuumlr Versuchsmaumluse und eine Verringerung von Tierexperimenten zum Test der Inhala- tionstoxizitaumlt von Nanomaterialien (siehe rechte Spalte) ndash hierzu sollen die ersten Arbeitsergebnisse des BfR im Berlin-Bran-denburgischen Verbundprojekt BB3R zukuumlnftig beitragen Das Netzwerk aus Universitaumlten und Bundesinstitutionen forscht um Tierversuche zu vermeiden (Replacement) bzw zu verringern (Reduction) sowie das Leiden von Versuchstieren zu vermindern (Refinement) Das BfR ist als einer von sechs Verbundpartnern in den Bereichen der Refinement- und Replacement-Forschung beteiligt Das Bundesforschungsministerium foumlrdert das mit BB3R abgekuumlrzte Projekt fuumlr vier Jahre bis Fruumlhjahr 2018 es ist als Plattform fuumlr den wissenschaftlichen Austausch konzipiert und integriert ein Graduiertenkolleg

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschungwwwbb3rde

Belastung von Laborfischen erkennen

Koumlrperbau

Koumlrpermerkmale

Verhaltenkreisendes Schwimmen

Belastung von Laborfischen erkennen

Ob Laborfische Schmerzen empfinden oder leiden laumlsst sich mithilfe konkreter Kriterien beurteilen Die Vorarbeiten hierzu koordinierte der bdquoNationale Ausschuss zumSchutz von fuumlr wissenschaftliche Zweckeverwendeten Tierenldquo am BfR gemeinsam mit externen Sachverstaumlndigen und Beauf-tragten von Genehmigungsbehoumlrden Die erstmals definierten Kriterien bewerten unter anderem Auffaumllligkeiten im Koumlrper-bau sowie im Verhalten der Tiere Schmer-zen und Leiden koumlnnen so gezielt behandelt und gelindert werden Da die Frage der Belastung der Tiere anhand der Kriterien eindeutig geklaumlrt werden kann dienen sie zudem als Entscheidungshilfe fuumlr Behoumlr-den welche die Zucht belasteter genetisch veraumlnderter Tiere genehmigen muumlssen Fische insbesondere Zebrafische sind nach Maumlusen und Ratten die am dritthaumlufigsten verwendete Versuchstierart Die Zahl der Versuchsfische hat in den letzten Jahren stetig zugenommen

Mehr erfahren Bert et al 2016 Considerations for aEuropean animal welfare standard toevaluate adverse phenotypes in teleost fish EMBO J 35 11 1151ndash1154Empfehlung des Nationalen Ausschusses TierSchG Nr 0012015

Test der Inhalationstoxizitaumlt von Nanomaterialien

Die Einatmung gilt als wichtigster Aufnahmeweg fuumlr Nanomaterialien Im Rahmen der BB3R-Forschung bildet das BfR diese Art der Exposition mit In-vitro- Atemwegsepithelmodellen an ihrer Grenzflaumlche zur Luft ab Dieser Ansatz zum Test der Inhalationstoxi-zitaumlt hilft Anzahl und Umfang von Tierversuchen zu verringern

Versuchsaufbau Drei Roumlhrchen leiten ein Testaerosol mit luftgetragenen Nanomaterialien auf Epithelzellen

SPEKTRUM

copy B

fR

43012017

Jubilaumlumsfeier und internationales Symposium

Am 29 November 2017 feiert das BfR sein 15-jaumlh-riges Bestehen mit einem Festakt Geplant ist eine Feier mit ausgewaumlhlten Gaumlsten in der Akademie der Kuumlnste Anschlieszligend findet vom 30 Novem-ber bis zum 01 Dezember 2017 das gemeinsame internationale Symposium des BfR und seiner Schwesterinstitutionen aus Daumlnemark (DTU Food) und Frankreich (ANSES) sowie der suumldko-reanischen Behoumlrde fuumlr Lebens- und Arzneimittel-sicherheit (NIFDS) statt Unter dem Motto bdquoPast Present and Future Challenges in Risk Assessment ndash Strengthening Consumer Health Protectionldquo werden die letzten anderthalb Jahrzehnte Risikobewer-tung betrachtet Daruumlber hinaus werden aktuelle Aktivitaumlten sowie zukuumlnftige Herausforderungen des Verbraucherschutzes wie mikrobiologische Erreger chemische Substanzen Methoden und Harmonisierung auf nationaler wie internationa-ler Ebene diskutiert

VERANSTALTUNGEN

Nachwuchs foumlrdern

Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu foumlr-dern baut das BfR wissenschaftliche Nachwuchs-gruppen zu bestimmten Schwerpunktthemen auf Die bereits 2015 eingerichtete Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Warenketteldquo wird im Herbst 2017 durch einen weiteren Dokto-randen verstaumlrkt

Verstaumlrkung im Versuchstierschutz

Seit dem 1 April 2017 staumlrkt die Berufung von Herrn Universitaumltsprofessor Dr Lars Lewejo-hann den Kompetenzbereich bdquoVerminderung der Belastung und Verbesserung der Lebenssitua-tionldquo des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) Neben der Leitung der Fachgruppe bdquoTierschutz und Versuchstierkundeldquo im BfR wird Lars Lewejohann sein Wissen und neue Erkenntnisse als Hochschullehrer fuumlr bdquoTier-schutz mit dem Schwerpunkt Refinementldquo an der veterinaumlrmedizinischen Fakultaumlt der Freien Universitaumlt Berlin an Studierende und Doktoran-den weitergeben

PERSONALIEN

Alternativmethode zum Tierversuch bdquoKnochen-auf-dem-Chipldquo

Im Mai 2017 fand bei der Gemeinsamen For-schungsstelle (GFS)Joint Research Centre (JRC) der Generaldirektion (Directorate General) der Europaumlischen Kommission eine Summer School zu alternativen Ansaumltzen zum Tierversuch fuumlr die Risikobewertung in Ispra (Italien) statt Dort wurde Herr Dr Ing Frank Schulze aus der BfR-Fachgruppe bdquoZEBET ndash Alternativmethoden zu Tierversuchenldquo fuumlr seine Praumlsentation und das dazugehoumlrige Poster zum Thema bdquoEin Knochen-auf-dem-Chip fuumlr die Grundlagenwissenschaft und die Identifizierung von knochenschaumldigen-den Substanzenldquo mit einem Posterpreis (1 Platz) ausgezeichnet

copy B

fR

copy p

rivat

INSTITUTSLEBEN

44 BfR 2 GO

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

2016 gab es in Deutschland in der deutsch-sprachigen Bevoumllkerung ab 14 Jahren rund 08 Millionen Personen die sich selbst als Veganer bezeichnen wuumlrden oder als je-mand der weitgehend auf tierische Produk-te verzichtet (2016 Allensbacher Markt- und Werbetraumlger-Analyse IfD Allensbach) Ei-nige Studien zeigen dass eine vegane Ernaumlh-rung positive Einfluumlsse auf die Gesundheit haben kann wie zum Beispiel ein geringeres Risiko fuumlr Typ-2-Diabetes Beschrieben wer-den allerdings auch gesundheitliche Risiken durch Naumlhrstoffmangelzustaumlnde etwa fuumlr Schwangere und Kinder Wer keine tierische Produkte zu sich nimmt riskiert unter an-derem eine Unterversorgung mit Vitamin B12 Eisen Calcium Jod und Zink sowie mit langkettigen Omega-3-Fettsaumluren

Vor diesem Hintergrund entwickelte das BfR geeignete Risikokommunikationsstra-tegien Ein Forschungsprojekt widmete sich den individuellen und sozialen Einflussfak-toren die zur Motivation und Aufrechter-haltung einer veganen Ernaumlhrung fuumlhren Insgesamt wurden 42 Veganerinnen und Veganer zu ihren Werten Einstellungen und Meinungen befragt Aufgrund der zum Teil sehr ausgepraumlgten Abweichun-gen zur Durchschnittsbevoumllkerung lassen sich verallgemeinernde Aussagen treffen Repraumlsentativ sind die Befragungsdaten al-lerdings nicht

Ethische Entscheidung

Fast immer begruumlnden Veganerinnen und Veganer ihre Entscheidung fuumlr eine vega-ne Ernaumlhrung mit ethischen Argumenten Gesundheitliche Motive werden selten ge-nannt Die Befragten sind uumlberwiegend konfessionslos und uumlberdurchschnittlich

gebildet Auszligerdem beguumlnstigt Vegetaris-mus die Entscheidung sich vegan zu ernaumlh-ren Zwei Drittel der Teilnehmenden haben sich bereits vorher vegetarisch ernaumlhrt Er-naumlhren sich bereits Personen aus dem na-hen Umfeld vegan kann dies die Entschei-dung auch vorantreiben

Fuumlr die uumlberwiegende Mehrheit der Be-fragten ist die Ruumlckkehr zur omnivoren Ernaumlhrung die tierische Produkte zulaumlsst nicht vorstellbar Auch eine Schwanger-schaft wird meist nicht als Grund dafuumlr angesehen Oft werden auch Kinder vegan ernaumlhrt Nach Aussagen der Befragten re-agiert das soziale Umfeld haumlufig mit Skepsis und Aversion Um eine soziale Ausgren-

zung der Kinder zu verhindern lassen die Befragten teils Kompromisse zu So koumlnn-ten Kinder zum Beispiel selbst waumlhlen ob sie auswaumlrts Tierprodukte essen

Wissen kommt an

Wer sich vegan ernaumlhrt verfuumlgt in der Re-gel uumlber ein fundiertes Ernaumlhrungswissen 40 der 42 Teilnehmenden der BfR-Studie waren sich zum Beispiel daruumlber im Klaren dass es ohne tierische Produkte zu einer Mangelversorgung mit Vitamin B12 kom-men kann Viele nehmen dieses Vitamin zusaumltzlich ein Bei der Informationssuche rund um vegane Ernaumlhrung ist das Inter-net die wichtigste Informationsquelle (siehe Grafik)

Strategie der Risikokommunikation

Im Rahmen der Befragung stellten sich wichtige Anknuumlpfungspunkte fuumlr die Risi-kokommunikation heraus Unter anderem wurde klar dass ein negativer Ansatz der die vegane Ernaumlhrung als gefaumlhrlich oder abnormal darstellt nur wenig Erfolg haben kann Eine effektive Risikokommunikation sollte an bestehende Uumlberzeugungen der Veganerinnen und Veganer anknuumlpfen Ziel sollte dabei sein konkrete Tipps fuumlr den Alltag zu geben die sich mit einer vega-nen Ernaumlhrung verbinden lassen Informa-tionen wie bei einer veganen Ernaumlhrung eine moumlgliche defizitaumlre Naumlhrstoffversor-gung verhindert werden kann sind grund-saumltzlich erfolgversprechend Insbesondere uumlber Alternativen oder Supplementierung in der Schwangerschaft bei Saumluglingen und Kleinkindern sollte umfassend informiert werden

Vegan und informiert

Welche Informationsquellen nutzen Sie um sich

uumlber vegane Ernaumlhrung zu informieren

Kochbuumlcher mit veganen Rezepten Blogs zum Thema und tierfreie Supermaumlrkte ndash die vegane Ernaumlhrung liegt im Trend Wer ganz auf tierische Produkte verzichtet riskiert jedoch eine Unterversorgung mit bestimmten Naumlhrstoffen Um eine effiziente Risikokommunikation zu gewaumlhrleis-ten hat das BfR Veganerinnen und Veganer zu Wissens-stand und Einstellungen befragt

Foren im Internet

Sonstige Quellen im Internet

Buumlcher

Zeitschriften

Freunde Bekannte

Sonstigen = 42 Mehrfachnennungen moumlglich

74

71

52

36

12

5

copy S

tudi

oPho

toD

Flor

ezs

hutte

rsto

ckc

om

BEFRAGUNG ZU VEGANISMUS

17012017

63

72 Ekel

Fremdheit

Bedenken zu Hygiene und Vertraumlglichkeit

Grillen Mehlwuumlrmer und Wanderheuschrecken ndash in vielen Regionen der Welt werden Insekten von Menschen verspeist Auch in der Schweiz sind Insek-ten seit dem Fruumlhjahr 2017 offiziell als Lebensmittel zugelassen Ihr Verzehr ist in Europa jedoch generell wenig verbreitet und die oumlffentliche Diskussion steckt noch in den Anfaumlngen Wie bekannt ist das Thema in der deutschen Bevoumllkerung Welche Einstellungen bestehen gegenuumlber essbaren Insekten Wie wird das Thema in den Medien dargestellt In zwei Studien hat das BfR Antworten auf diese Fragen gefunden

Die Mehrheit der Deutschen vermutet keine gesundheitlichen Risiken durch den Verzehr von Insekten wuumlrde sieaber dennoch nicht verzehren Hauptgruumlnde gegen den Verzehr

sind Ekel Fremdheit Bedenken zu Hygiene und Vertraumlglichkeit

46 13 15

Insekten als Lebensmittel fuumlr Menschen ndash 72 Prozent der Befragten haben schon davon gehoumlrt Insekten gelten als eiweiszlig- naumlhrstoff- und vitaminreich und als eine wesentliche Nahrungsquelle hinsichtlich des Welternaumlhrungsproblems

Insekten essen Mehr Theorie als Praxis

18 BfR 2 GO

RISIKOWAHRNEHMUNG

2014

27 Artikel

14

Zugrundeliegende Studien telefonische Repraumlsentativbefragung von 1000 Personen (deutschsprachige Bevoumllkerung ab 14 Jahren) Medienanalyse von 17 deutschen Print- und Onlinemedien (uumlberregionale Qualitaumltszei-tungen Hauptstadtpresse und woumlchentliche Zeitungen) im Zeitraum Januar 2014 bis Dezember 2015 zur Art und Haumlufigkeit der Berichterstattung uumlber essbare Insekten

14 Prozent der Befragten haben schon einmal Insekten verzehrt mehrheit-lich im Ausland Uumlberwiegend sind es Maumlnner 18 ndash 29-Jaumlhrige gut Gebildete und Staumldter

Die Medienberichterstattung zu Insekten als Lebens- und Futtermittel verdoppelte sich von 2014 zu 2015 In der Mehrheit ging es um Nutzen- aspekte Insekten wurden medial als bdquozukunftsweisendes sinnvolles Lebensmittel bei dem der Nutzen gegenuumlber moumlglichen Risiken uumlber-wiegtldquo dargestellt

Verbraucherinnen und Verbraucher wuumlnschen sich mehr Informationen zu moumlglichen gesundheitlichen Risiken von Insekten als Lebens- und Fut-termittel zu ihrer Produktion und zum Naumlhrstoffgehalt Dies koumlnnte die oumlffentliche Akzeptanz fuumlr den Verzehr von Insekten erhoumlhen Auch bdquounkenntlich gemachteldquo Insekten in Form verarbeiteter Lebensmittel wuumlrden eher akzeptiert als Insekten im urspruumlnglichen Zustand

WeiterlesenBfR-Symposium bdquoInsekten als Lebens- oder Futtermittel Nah-rung der Zukunftldquo Bericht zum Symposium am 24 Mai 2016 in 2016 Journal fuumlr Verbraucher-schutz und Lebensmittelsicher-heit 11 3 281ndash289

2015

60 Artikel

i

Insekten als Lebensmittel

gt zaumlhlen lebensmittelrechtlich in der EU zu den neuartigen Lebensmitteln und muumlssen zugelassen werden

gt unerforschte Aspekte Toxikologie Gehalt an Kontaminanten und Ruumlckstaumlnden allergenes Potenzial mikrobiologische Risiken

copy a

rka3

8sh

utte

rsto

ckc

om

19012017

INFOGRAFIK ZU INSEKTEN

Unerwuumlnscht inLebensmitteln

Gelangen Pyrrolizidinalkaloide (PA) in die Lebensmittelkette koumlnnen insbesondere 12-ungesaumlttigte PA dem Menschen schaden Seit Jahren

befasst sich das BfR mit der Frage welches gesundheitliche Risiko von 12-ungesaumlttigten PA in Lebensmitteln ausgeht Klar ist die PA-Kontami-

nation in der Lebensmittelkette sollte so gering wie moumlglich sein

LEBENSMITTELSICHERHEIT

20 BfR 2 GO

Unerwuumlnschte Stoffe die in die Lebensmittelkette gelangen koumlnnen fuumlr Verbraucherinnen und Verbraucher ein gesund-heitliches Risiko darstellen Ein Beispiel fuumlr solche Eintraumlge

sind 12-ungesaumlttigte Pyrrolizidinalkaloide (PA) Das sind Stoffe die von einigen Pflanzen als Schutz vor Fraszligfeinden gebildet werden Sie konnten zunaumlchst in Honig und anderen Bienenprodukten spaumlter auch in Tees Kraumlutertees und Gewuumlrzen aber auch in pflanzenba-sierten Nahrungsergaumlnzungsmitteln nachgewiesen werden

Toxische Wirkungen bei Mensch und Tier

Beim Menschen sind vereinzelt Vergiftungsfaumllle nach arzneilicher Einnahme von PA-haltigen Kraumlutertees und -erzeugnissen bekannt Weiterhin gibt es Berichte uumlber epidemische Lebererkrankungen mit Todesfaumlllen in Pakistan Indien Afghanistan Tadschikistan und der ehemaligen UdSSR nach Verzehr von Getreide das mit Samen von Heliotropium- oder Crotalaria-Arten kontaminiert war Aus der Nutztierhaltung ist das gehaumlufte Auftreten von Leberzirrhosen bei Schlachtrindern bekannt die mit Heu und Silage auch Alpenkreuz-kraut aufgenommen hatten Auch bei Pferden wurden mit Leberde-generation einhergehende durch PA im Futter verursachte Erkran-kungen die Seneciosen beobachtet

Die Leber ist das primaumlre Zielorgan von Schaumldigungen durch 12-ungesaumlttigte PA Jedoch koumlnnen auch die Lunge oder andere Organe betroffen sein Insbesondere bei Aufnahme houmlherer Dosen treten akute venookklusive Veraumlnderungen in der Leber (hepatic veno-occlusive disease HVOD) oder der Lunge auf In houmlheren Dosen wurden im Tierversuch mit 12-ungesaumlttigten PA auch ent-wicklungstoxische Effekte beobachtet Nach den vorliegenden tier- experimentellen Daten gilt die kanzerogene Wirkung von 12-un-gesaumlttigten PA als gesichert und ein entsprechendes Risiko fuumlr den Menschen wird in Betracht gezogen Vielfach zeigten Verbindungen die sich im Tierversuch als kanzerogen erwiesen in entsprechenden Mutagenitaumltstests eine genotoxische Wirkung

Wie 12-ungesaumlttigte PA in Lebensmittel gelangen koumlnnen

Nach bisherigem Kenntnisstand koumlnnen 12-ungesaumlttigte PA uumlber mehrere Wege in Lebensmittel gelangen In Deutschland sind Ver-unreinigungen vor allem in den Anbauflaumlchen von Nutzpflanzen mit PA-bildenden Wildkraumlutern wie z B bei Salaten mit Kreuzkraut oder Greiskraut aufgetreten Aus Afghanistan sind erhoumlhte Belastungen in Getreide bekannt Auch die Belastung von Tee und Kraumlutertee-Sor-ten mit PA wird auf eine Kontamination mit bestimmten Wildkraumlu-tern in den Anbauflaumlchen zuruumlckgefuumlhrt Auszligerdem koumlnnen Bienen-produkte wie Honig und Pollen mit PA belastet sein wenn die Tracht von bestimmten Wildpflanzen stammt 12-ungesaumlttigte PA koumlnnen auch uumlber verunreinigte Futtermittel in Milch Eier und Fleisch ge-langen Auch Nahrungsergaumlnzungsmittel koumlnnen auf der Basis von Pflanzen hergestellt sein die selbst 12-ungesaumlttigte PA bilden

Gesundheitliche Risiken durch belastete Lebensmittel

Das BfR hat 2016 eine Bewertung der gesundheitlichen Risiken durch 12-ungesaumlttigte PA erarbeitet Dabei wurde die Belastung aller wichtigen Lebensmittelgruppen beruumlcksichtigt fuumlr die aktuell Daten zum Vorkommen von 12-ungesaumlttigten PA vorliegen Bei der Bewertung wurde die genotoxisch-kanzerogene Wirkung als emp-findlichster Endpunkt zugrunde gelegt

copy F

eyya

z A

laca

ms

hutte

rsto

ckc

om

copy e

mbe

riza

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

21012017

Danach geht bei Kindern im Alter von sechs Monaten bis unter fuumlnf Jahren die Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA im Wesentlichen auf Kraumlutertee einschlieszliglich Rooibostee Schwarztee und Honig zuruumlck Fruumlchtetee Milch Eier und Fleisch tragen nur wenig zur Gesamtaufnahme von 12-un-gesaumlttigten PA bei Sieht man von bestimm-ten Nahrungsergaumlnzungsmitteln ab zeigt sich bei Erwachsenen ein aumlhnliches Bild Bei Erwachsenen ist der Beitrag von Honig zur Gesamtaufnahme an 12-ungesaumlttigten PA geringer und der von Gruumlntee houmlher als bei Kindern Bei hohen Gehalten koumlnnen Nahrungsergaumlnzungsmittel als zusaumltzliche Expositionsquelle zur Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber Lebensmittel beitragen Gewuumlrze und Kraumluter aber auch Mehle stellen moumlglicherweise eine relevante zusaumltzliche Expositionsquelle dar Fuumlr eine abschlieszligende Bewertung fehlen hier jedoch noch Daten

Obwohl in Einzelfaumlllen hohe Gehalte an 12-ungesaumlttigten PA in bestimmten Le-bensmitteln des allgemeinen Verzehrs nachgewiesen wurden haumllt das BfR nach derzeitiger Datenlage auch bei hoher Auf-nahme dieser Lebensmittel eine akute Ge-sundheitsschaumldigung fuumlr unwahrscheinlich Zur Abschaumltzung des potenziellen Risikos von genotoxisch-kanzerogenen Wirkungen legte das BfR wie international uumlblich den MOE-Ansatz (Margin of Exposure) zugrun-de Dabei wird ausgehend von Tierstudien angenommen dass fuumlr genotoxische Kan-zerogene ein MOE-Wert von 10000 oder houmlher aus Sicht der oumlffentlichen Gesundheit als wenig bedenklich und die Prioritaumlt fuumlr Maszlignahmen im Rahmen des Risikomanage-ments als niedrig angesehen werden kann Bei genotoxisch-kanzerogenen Stoffen kann keine Schwellendosis angenommen werden unterhalb derer keine unerwuumlnschten Wir-kungen mehr erwartet werden Daher gilt in der Europaumlischen Union die Empfehlung die Exposition gegenuumlber genotoxisch und kanzerogen wirkenden Substanzen so weit zu minimieren wie dies vernuumlnftig erreich-bar ist ndash das sogenannte ALARA-Prinzip (as low as reasonably achievable) Selbst geringe Aufnahmemengen koumlnnen insbesondere bei regelmaumlszligigem Verzehr mit einer Erhouml-hung gesundheitlicher Risiken verbunden sein

Die Bewertung des genotoxischen und kan-zerogenen Risikos erfolgt als Vergleich der Gesamtaufnahme uumlber verschiedene Tees Milch und Honig bei Kindern und Er-wachsenen auf der Basis verschiedener Ver-zehrszenarien mit dem BMDL10-Wert von

73 Mikrogramm pro Kilogramm Koumlrperge-wicht und Tag unter Berechnung des MOE Der BMDL10-Wert (Benchmark dose lower confidence limit 10) ist ein Schaumltzwert der niedrigsten Dosis die im Tierexperiment mit 95-prozentiger Sicherheit eine Krebsin-zidenz von nicht mehr als 10 Prozent ver-ursacht Alle Berechnungsansaumltze sowohl fuumlr Kinder als auch fuumlr die erwachsene Be-voumllkerung ergaben MOE-Werte deutlich unterhalb von 10000 Da nach Ansicht des Wissenschaftlichen Ausschusses der EFSA ein MOE erst ab einem Wert von mindes-tens 10000 aus Sicht der oumlffentlichen Ge-sundheit als wenig bedenklich anzusehen ist empfiehlt das BfR die Gesamtexposition mit PA aus allen Lebensmitteln so niedrig wie moumlglich zu halten und einen MOE von 10000 bei Beruumlcksichtigung der PA-Zufuhr aus allen Quellen nicht zu unterschreiten Dazu sollten die Bemuumlhungen fortgesetzt werden die PA-Gehalte in Lebensmitteln weiter zu senken

Forschungsansaumltze des BfR

Das BfR befasst sich seit einigen Jahren mit der Problematik der Verunreinigung von Lebensmitteln mit 12-ungesaumlttigten PA und verfolgt hierzu verschiedene Forschungs-ansaumltze Die Analytik der 12-ungesaumlttigten PA stellt aufgrund ihrer groszligen strukturel-len Vielfalt und des Vorkommens in unter-schiedlichen Lebensmitteln eine besondere Herausforderung dar In den letzten Jahren hat das BfR spezifische Nachweismethoden entwickelt und in Ringversuchen validiert Diese Methoden stehen auf der Homepage des BfR zur Verfuumlgung und koumlnnen z B in der Lebensmittel- und Futtermitteluumlberwa-chung eingesetzt werden

Neben der Entwicklung analytischer Me-thoden werden am BfR die molekularen Mechanismen der Toxizitaumlt von 12-unge-saumlttigten PA untersucht Hier stehen vor allem Untersuchungen zur strukturabhaumln-gigen Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber die Darmbarriere im Vordergrund Die Ergebnisse zeigen dass sich das Wirkungs-potenzial der 12-ungesaumlttigten PA aufgrund von Unterschieden im strukturabhaumlngigen Transport uumlber die Darmbarriere unter-scheiden kann Auch zeigten die getesteten Modellsubstanzen in einem Zellkulturmo-dell deutliche strukturspezifische Unter-schiede im Metabolismus Weitere Untersu-

Pflanzen die Pyrrolizidinalkaloi-de bilden finden sich vor allem in den Familien der Korbbluumltler (Asteraceae) der Raublatt- oder Borretschgewaumlchse (Boraginaceae) und der Huumllsenfruumlchtler (Faba-ceae)

22 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

chungen zu der Zerstoumlrung der sinusoidalen Endothelzellen durch 12-ungesaumlttigte PA sollen zum Verstaumlndnis der Mechanismen beitragen die zu den venookklusiven Ver-aumlnderungen in der Leber fuumlhren Auch wer-den Untersuchungen zur Metabolisierung nahrungsrelevanter Pyrrolizidinalkaloide durchgefuumlhrt Die Forschungsprojekte wer-den von der Deutschen Forschungsgemein-schaft (DFG) gefoumlrdert

Empfehlungen zur Reduktion der PA-Gehalte

Das BfR empfiehlt dass sich Management-maszlignahmen an der Vermeidung genoto-xisch-kanzerogener Effekte der 12-ungesaumlt-tigten PA als dem empfindlichsten Endpunkt orientieren Die Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA sollte fuumlr Verbrau-cherinnen und Verbraucher so gering wie moumlglich sein Dazu sollten die PA-Gehalte in Lebensmitteln so weit wie moumlglich sin-ken Dies gilt insbesondere fuumlr Kraumlutertees Rooibostee Schwarzen Tee und Gruumlnen Tee sowie bestimmte Nahrungsergaumlnzungsmit-tel Hier sollten Anbau- Ernte- und Reini-gungsmethoden weiterhin verbessert wer-den Auch die Auswahl der Rohhonige kann zu einer Reduzierung der Gehalte an 12-un-gesaumlttigten PA in verzehrfertigen Honigen beitragen Auszligerdem sind vor der Vermark-tung seitens der Lebensmittelunternehmer weiterhin Kontrollen in allen betroffenen Lebensmittelkategorien notwendig

Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das potenzielle gesundheitliche Risiko durch PA durch eine abwechslungsreiche Ernaumlh-rung verringern und so generell einseitigen Belastungen mit verschiedenen potenziell gesundheitsgefaumlhrdenden Stoffen vorbeu-gen Insbesondere fuumlr Kinder Schwangere und Stillende empfiehlt das BfR den taumlgli-chen Fluumlssigkeitsbedarf nicht ausschlieszliglich mit Kraumlutertee und Tee zu decken

Bei der Zubereitung von Salat Blattgemuumlse und Kraumlutern sollten Verbraucherinnen und Verbraucher Pflanzenteile aussortieren die sie keinen bekannten essbaren Pflanzen zu-ordnen koumlnnen

Wer Nahrungsergaumlnzungsmittel auf Pollen-basis oder auf Basis von Pflanzen einnimmt die 12-ungesaumlttigte PA bilden sollte sich bewusst sein dass diese Produkte 12-un-gesaumlttigte PA in houmlheren Konzentrationen enthalten koumlnnen

Mehr erfahrenStellungnahme Nr 0302016 des BfR vom 28 September 2016

Necinbase

Necinsaumlure

Die Struktur von PA

Chemisch handelt es sich um Ester aus einer Necinbase und aliphatischen Mono- oder Dicarbonsaumluren (Necin-saumluren) Aus toxikologischer Sicht besonders bedeutsam sind Pyrroli-zidinalkaloide mit 12-ungesaumlttigter Necinstruktur (12-ungesaumlttigte PA) Die 12-ungesaumlttigte Necinstruktur als gemeinsames Strukturmerkmal erlaubt grundsaumltzlich die Giftung durch Oxidation zum Dehydropyrrolizidin das durch seine alkylierenden Eigenschaf-ten fuumlr die genotoxische und karzino-gene Wirkung dieser Substanzgruppe verantwortlich ist

copy R

ukiM

edia

shu

tters

tock

com

copy J

iri H

era

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

23012017

Im suumldlichen Afrika spielt die Landwirt-schaft eine Schluumlsselrolle bei der Armuts-bekaumlmpfung Eine wachsende Produktion tierischer Lebensmittel bringt jedoch auch neue Herausforderungen an die Lebensmit-telsicherheit mit sich Das BfR-Forschungs-projekt bdquoSAD-Zambialdquo (bdquoStaphylococcus aureus in der Milchlebensmittelkette in Sambia ndash Bekaumlmpfung lebensmittelbeding-ter Erkrankungen und Antibiotikaresisten-zen beim Menschldquo) befasst sich damit wie die Produktion und der Vertrieb von Milch und Milchprodukten in Sambia sicherer gestaltet werden koumlnnen Ziel ist es zu be-werten in welchem Umfang das Bakterium Staphylococcus (S) aureus uumlber Milch und Milchprodukte auf den Menschen uumlbertra-gen wird In einem ersten Schritt werden Feldstudien in verschiedenen Provinzen des Landes durchgefuumlhrt um das Vorkommen dieses Erregers und moumlgliche Schwachstel-len in der Milchlebensmittelkette in Sambia zu analysieren Hierbei stehen Toxin-bil-dende S aureus-Staumlmme im Fokus Auszliger-dem wird untersucht in welchem Umfang Methicillin-resistente S aureus (MRSA) die gegen eine bestimmte Klasse von Antibio-tika resistent sind in der Milchlebensmit-

telkette vorkommen Die Bewertungsarbeit beinhaltet auch einen Vergleich traditio-neller und moderner Produktionssysteme Am BfR werden anschlieszligend die Analysen zu den Eigenschaften der gewonnenen Bakterienstaumlmme sowie stammvergleichen-de Untersuchungen durchgefuumlhrt In einem weiteren Schritt werden Ansatzpunkte zur Reduzierung der Bakterien sowie Methoden zum Monitoring von zoonotischen und An-tibiotika-resistenten S aureus in der Milch-lebensmittelkette in Sambia entwickelt So soll zum Verstaumlndnis der lebensmittelbe-dingten Risiken entlang der Milchlebens-mittelkette in Sambia beigetragen werden Das Projekt begann am 01072016 und laumluft drei Jahre Es wird vom Bundesminis-terium fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft gefoumlrdert und aus BfR-Mitteln co-finanziert Neben dem BfR beteiligen sich an dem For-schungsprojekt das International Livestock Research Institute die University of Zambia und das Central Veterinary Research Insti-tute als Teil des sambischen Ministeriums fuumlr Nutztiere und Fischerei Durch dieses Forschungsnetzwerk soll eine nachhaltige Partnerschaft aufgebaut werden

Mit dem Forschungsprojekt bdquoSAD-Zambialdquo leistet das BfR einen Beitrag zur Staumlrkung der Lebensmittelsicherheit und damit zur Ernaumlhrungssicherheit im suumldlichen Afrika Koordinatorin des Projekts ist Frau Dr Alexandra Fetsch Der sambische Doktorand Herr Bruno Phiri berichtet von seiner alltaumlglichen Arbeit Beide arbeiten in der Fach-gruppe bdquoMikrobielle Toxineldquo des BfR

POST AUS hellipSAMBIA

raquobdquoDas SAD-Zambia Projekt ist fuumlr mich ein Meilenstein und ich bin dem BfR sehr dankbar dass es mir diese Moumlglichkeit gibt Ich habe schon viel dazugelernt und konnte meine Kompetenzen bezuumlglich der Diagnose von Krankheitserregern verbessern Das Projekt bringt mich aber nicht nur persoumlnlich voran auch mein Land kann davon profitieren Mein Arbeitsalltag beginnt meist mit einem Besuch bei den Milchbauern und ihren Herden Dort schaue ich mir an wie die Kuumlhe gemolken werden und nehme Proben von den Tieren der Milch und der Umge-bung Auch in Milchsammelstellen und auf Maumlrkten nehme ich Proben Diese analysiere ich anschlieszligend im Labor an der Universitaumlt Schon jetzt freue ich mich auf die weiteren Untersuchungen der Bakterienstaumlm-me am BfR Ich war zu Beginn des Projektes dort ndash eine sehr eindrucks-volle Erfahrungldquo

(Bruno Phiri)

copy a

stud

ios

hutte

rsto

ckc

om

copy B

fR

24 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

Algengift in Tropenfischen

Bisher traten Lebensmittelvergiftungen durch Ciguato-xin ndash einem Algentoxin das in tropischen Speisefischen wie Barrakuda Schnapper oder Zackenbarsch enthalten sein kann ndash vorwiegend in den Tropen auf Mit dem zunehmenden Import von Fischen aus Suumldostasien haumlufen sich auch in Europa und seit 2012 in Deutschland Faumllle von Ciguatera Ein Problem dabei Eine Analyse-methode mit der Fisch routinemaumlszligig auf Ciguatoxine untersucht werden kann ist derzeit noch nicht verfuumlgbar Da weltweit nur wenige Labore auf den Nachweis von Ci-guatoxinen in Fischen spezialisiert sind wird im Projekt bdquoEuroCigualdquo der Europaumlischen Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit (EFSA) unter anderem an der Verbesserung entsprechender Analysemethoden und zum Vorkommen ciguatoxischer Fische in Europa geforscht Das BfR liefert fuumlr das Projekt Angaben zu Erkrankungsfaumlllen in Deutschland Die krankmachenden Algentoxine reichern sich uumlber die Nahrungskette in Raubfischen an und sind uumlberaus stabil Durch Erhitzen oder Tiefkuumlhlen lassen sie sich nicht entfernen Beim Menschen kann der Verzehr betroffener Fische dann zu Vergiftungen mit zum Teil schweren oder andauernden Beeintraumlchtigungen des Nervensystems fuumlhren An Ciguatera Erkrankte nehmen normale Kaumlltereize als ungewoumlhnlich schmerzhaft wahr

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt A-Z-Index Ciguatoxin

Alkaloide in Lupinensamen

In verarbeiteten Produkten oder zum Knabbern Lupinensamen sind im Trend Da sie jedoch toxikologisch relevante bittere Chinolizidinalkaloide enthalten koumlnnen bewertet das BfR ihr gesundheitliches Risiko Der Gehalt an Chinolizi-dinalkaloiden in Lupinensamen variiert je nach botanischer und geografischer Abstammung Samen die von bdquoBitterlupinenldquo stammen sind aufgrund ihrer houmlheren Gehalte ohne geeignete Vorbehandlung der bdquoEntbitterungldquo nicht zum Verzehr geeignet Denn Sie koumlnnen beim Menschen Vergiftungssymptome her-vorrufen Lupinenvarietaumlten die Samen mit niedrigen Alkaloidgehalten liefern werden als bdquoSuumlszliglupinenldquo bezeichnet Suumlszliglupinensamen sind auch ohne Entbitte-rung verzehrsfaumlhig In Deutschland kam es mit Bitterlupinensamen vereinzelt zu Vergiftungsfaumlllen Das BfR empfiehlt Herstellern daher nur ganze Lupinensamen in den Verkehr zu bringen die ohne weitere Entbitterungsprozesse verzehrsfaumlhig sind Mehl aus Lupinensamen sollten Hersteller aus alkaloidarmen oder ausrei-chend entbitterten Samen herstellen

Uumlbertragungswege des Hepatitis-E-Virus

Infektionen mit dem Hepatitis-E-Virus (HEV) koumlnnen zu einer akuten Leberentzuumlndung fuumlhren In den letzten Jahren sind die Zahlen gemeldeter Hepatitis-E-Faumllle des Menschen in Deutsch-land stark angestiegen Forschungsergebnisse des BfR in Zusam-menarbeit mit anderen Einrichtungen haben gezeigt dass das Virus in deutschen Haus- und Wildschweinen weit verbreitet ist Vereinzelt wurde HEV auch in Rehen und Rotwild nachgewiesen

Unklar ist derzeit noch auf welchen Wegen sich die Patienten mit dem Virus anstecken Moumlglich sind direkte Virusuumlbertra-gungen zum Beispiel vom Wildtier auf den Jaumlger und indirekte uumlber Lebensmittel die aus infizierten Tieren hergestellt wurden Wie aktuelle Studien des BfR zeigen kann HEV in verschiedenen Wurstwaren aus dem deutschen Einzelhandel nachgewiesen wer-den Fraglich ist ob das Virus in diesen Produkten noch anste-ckend ist oder ob es bei der Herstellung der Lebensmittel zerstoumlrt wird Hierfuumlr noumltige Untersuchungen waren in der Vergangenheit erschwert da sich HEV im Labor nur schlecht kultivieren lieszlig Erste Ergebnisse von Untersuchungen mithilfe eines am BfR ent-wickelten neuartigen Zellkultur-Systems weisen darauf hin dass HEV hitzeempfindlich ist aber bei Kuumlhlung oder Raumtempera-tur mehrere Wochen infektioumls bleiben kann

SPEKTRUM

copy N

eil B

urto

nsh

utte

rsto

ckc

om

copy N

atal

ia M

ylov

ash

utte

rsto

ckc

om

copy iS

tock

com

Mee

Poo

hyap

hoto

25012017

bdquoNur eine gemeinsame Strategie ist effektivldquo

Frau Kaumlsbohrer ein zentrales Thema Ihrer Forschung sind Antibiotikaresis-tenzen In der oumlffentlichen Debatte wird oft ein Zusammenhang hergestellt zwi-schen dem haumlufigen Einsatz von Anti-biotika in der Nutztierhaltung und dem Auftreten resistenter Bakterien in der Humanmedizin Doch werden bei Tieren nicht andere Antibiotika eingesetzt als bei MenschenUm die Unterschiede zu erlaumlutern muss man zwischen Praumlparaten und den antibiotischen Wirkstoffgruppen unterscheiden Beim Tier verwenden Veterinaumlrmediziner ande-re Praumlparate als Aumlrzte beim Menschen Der wirksame Inhaltsstoff das Antibiotikum kann aber dasselbe sein Die Antibiotika lassen sich wiederum in Wirkstoffgruppen einteilen Mit Blick auf die Wirkstoffgrup-pen gilt Die meisten Antibiotika die beim Menschen eingesetzt werden gehoumlren zu Wirkstoffgruppen die wir auch in der Vete-rinaumlrmedizin nutzen Es gibt nur ganz weni-ge Antibiotikagruppen die nur auf der einen oder der anderen Seite verwendet werden Dazu gehoumlren zum Beispiel die Carbapene-me die nicht beim Nutztier eingesetzt wer-den duumlrfen In der Humanmedizin kommen sie insbesondere zum Einsatz wenn andere Antibiotika nicht mehr wirksam sind

bdquoEine Resistenz ge-gen einen bestimm-ten Wirkstoff kann sich auch ausbrei-ten obwohl diese Wirkstoffgruppe nicht eingesetzt wurde

Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer leitet am BfR die Fachgruppe bdquoEpide-miologie Zoonosen und Antibiotika-resistenzldquo die unter anderem auch das Nationale Referenzlabor fuumlr Antibiotika- resistenzen umfasst Seit April 2016 ist sie auszligerdem Professorin an der Vetmeduni Vienna und leitet dort das Institut bdquoOumlffentliches Veterinaumlrwesenldquo

Wenn sie beim Nutztier nicht eingesetzt werden duumlrfen wie kann es dann sein dass Sie am BfR im Rahmen des For-schungsprojekts RESET Carbapene-mase-bildende Bakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden gefunden habenDie Entstehung von Antibiotikaresistenzen ist ein natuumlrlicher Vorgang bei Bakterien Durch den Gebrauch von Antibiotika wird dieser Prozess beschleunigt Eine Resistenz gegen einen bestimmten Wirkstoff kann sich auch ausbreiten obwohl diese Wirk-stoffgruppe nicht eingesetzt wurde Dank der Selektion gilt meist Wenn ich einen Wirkstoff einsetze gebe ich jenen Bakterien einen Vorteil die gegen den Wirkstoff resis-tent sind Aber Carbapenemasen also die Enzyme die von Carbapenem-resistenten Bakterien gebildet werden koumlnnen neben den Carbapenemen auch fast alle anderen

Bakterien die gegen Antibiotika resistent sind stellen ein Risiko fuumlr die oumlffentliche Gesundheit dar Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer widmet sich am BfR dieser Problematik Im Gespraumlch erklaumlrt sie welche Faktoren bei der Ausbreitung von Resistenzen eine Rolle spielen

copy M

icha

el B

ernk

opf

Vetm

edun

i Vie

nna

26 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

β-Laktam-Antibiotika inaktivieren Theo-retisch ist es daher moumlglich dass sich eine Resistenz gegen Carbapeneme ausbreitet obwohl der Tierarzt beim Nutztier eine an-dere Wirkstoffgruppe eingesetzt hat Ist die Resistenz bei Bakterien vorhanden gibt es viele Ausbreitungswege Ein Stall ist kein steriler Ort sondern belebte Umwelt Moumlg-liche Eintragswege fuumlr resistente Bakterien in einen Stall sind z B belebte Vektoren wie neu eingestallte Tiere Maumluse Fliegen oder Voumlgel aber auch unbelebte Vektoren wie Futter Wasser Staub oder Geraumltschaften

Was hat sich seit dem Fund der Carba-penemase-bildenden Enterobakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden fuumlr Ihre Arbeit beim BfR geaumlndert Der Fund hatte vielfaumlltige Konsequenzen Wir haben vor allem die gezielten Untersu-chungsaktivitaumlten verstaumlrkt Bakterien-Iso-late aus Tierbestaumlnden und Lebensmitteln werden seit 2014 im Rahmen des Resistenz-monitorings im BfR routinemaumlszligig auf eine Carbapenem-Resistenz getestet Auszligerdem steht seit 2015 fuumlr den Nachweis von Carba-penemase-bildenden Bakterien ein weiteres gezieltes Nachweisverfahren zur Verfuumlgung Hierzu muumlssen die Labore geschult werden Zusaumltzlich werden im Nationalen Refe-renzlabor fuumlr Antibiotikaresistenz am BfR Carbapenemase-verdaumlchtige Bakterien auf die charakteristischen Resistenzgene hin un-tersucht Am BfR wurden hierfuumlr verschie-dene Methoden fuumlr die Untersuchung von E coli und Salmonella etabliert Bisher wur-den sehr selten solche Resistenzgene nach-gewiesen bei Nutztieren das Gen blaVIM-1 bei einem Wildvogel das Gen blaNDM-1

Oftmals sind die Resistenzgene gegen Carbapeneme zusammen mit anderen Resistenzgenen auf mobilen geneti-schen Elementen lokalisiert Warum ist hier besondere Vorsicht gebotenZunaumlchst ist die Trefferwahrscheinlichkeit fuumlr eine Selektion houmlher wenn mehrere Re-sistenzgene auf einem genetischen Element liegen d h der Einsatz verschiedener Anti-biotika kann zu einem Selektionsvorteil fuumlh-ren Die Lokalisation von Resistenzgenen auf mobilen genetischen Elementen spielt fuumlr die Uumlbertragbarkeit von Resistenzen eine wichtige Rolle Denn Diese Resistenzgene koumlnnen mittels horizontalem Gentransfer auf ganz unterschiedliche Bakteriengruppen uumlbertragen werden Diese Erkenntnis hat eine Art Revolution ausgeloumlst Lange Zeit wurde ein Erreger mit all seinen Eigenschaf-ten als Einheit betrachtet Kann die Resis-tenz aber zwischen Bakteriengruppen hin

und her uumlbertragen werden verfaumllscht das moumlglicherweise den Blick auf eine Gruppe Folglich mussten die Nachweisverfahren umgestellt und die Uumlbertragbarkeit von Re-sistenzen mit analysiert werden Erschwe-rend kommt hinzu dass ein Resistenzgen auf einem grundsaumltzlich ungefaumlhrlichen

Bakterium zum Problem werden kann Manche Bakterien wie beispielsweise E coli gehoumlren zur normalen Darmflora Traumlgt so ein Bakterium eine Resistenzeigenschaft ist das erstmal nicht gefaumlhrlich Aber Es kann diese Eigenschaft moumlglicherweise an einen Infektionserreger weitergeben

Welche konkreten Folgen kann eine solche Weitergabe von Resistenzeigen-schaften habenSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt Schon jetzt weichen Aumlrzte auf Wirk-stoffgruppen aus die in der Humanmedizin lange verpoumlnt waren Dies gilt zum Beispiel fuumlr Colistin Fuumlr den Menschen ist es nicht gut vertraumlglich moumlgliche Nebenwirkun-gen sind beispielsweise die Schaumldigung der Nieren oder des Nervensystems In der Ve-terinaumlrmedizin hat Colistin seit Jahrzehnten eine erhebliche Bedeutung vor allem fuumlr die Behandlung von Infektionen des Ma-gen-Darm-Traktes bei Nutztieren auch um andere Wirkstoffgruppen zu vermeiden

Spielt im Fall von Colistin die Mobilitaumlt des Resistenzgens auch eine besonde-re Rolle Inzwischen ja Bis Ende 2015 waren sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler einig Eine Colistin-Resistenz ist nicht uumlbertragbar Das heiszligt kommt eine solche Resistenz bei einem Infektionserreger beim Nutztier vor ist sie nicht per se auf ein hu-manpathogenes Bakterium uumlbertragbar Doch Ende 2015 wurde in China erstmals das uumlbertragbare Gen mcr-1 beschrieben Untersuchungen in Belgien haben spaumlter zur Beschreibung eines weiteren mobilen Gens fuumlr die Colistin-Resistenz bei Nutztieren

bdquoSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

27012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Ausbreitung von Resistenzen

Haustiere

Krankenhaus

Belastetepflanzliche Lebensmittel

Belastete tierische Lebensmittel

Nutztiere

Futtermittel

Schaumldlinge

Uumlbertragungswege resistenter Bakterien

Menschen

Eine Antibiotikaresistenz entsteht

(z B durch Mutation)

Antibiotikatherapie beguumlnstigt die

Selektion resistenter Bakterien

Nahrung

Duumlnger Abwasser

Abwasser

28 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

gefuumlhrt mcr-2 Das bedeutet eine Uumlbertra-gung der durch diese Gene vermittelten Re-sistenz auf ein humanpathogenes Bakterium ist theoretisch moumlglich Allerdings scheint dies bisher selten der Fall zu sein

Diese Erkenntnisse offenbaren einen groszligen Forschungsbedarf Was tun Sie in der Abteilung bdquoBiologische Sicher-heitldquo um das Risiko zu bewerten Als 2015 klar wurde dass es eine uumlbertrag-bare Colistin-Resistenz gibt haben wir diese neue Erkenntnis in den laufenden Projekten natuumlrlich sofort aufgegriffen Im Rahmen des Forschungsprojekts RE-SET haben wir zum Beispiel vorhandenes Bakterienmaterial und die bei unseren Ko-operationspartnern verfuumlgbaren Gesamt-genominformationen auf das Vorkommen dieses neuen Resistenzgens gepruumlft Schnell war klar Ja dieses Gen finden wir in den Sequenzen Und die Pruumlfung von Colis-tin-resistenten Isolaten aus unserer Stamm-sammlung hat bestaumltigt dass dieses Resis-tenzgen bereits weit verbreitet ist

Muumlssen nun neue Forschungsprojekte zu dem Thema initiiert werdenJa denn viele Fragen bleiben bislang offen Wie haumlufig wird die Resistenz tatsaumlchlich uumlbertragen Was triggert diese Uumlbertra-gung Es gibt auch diagnostische Probleme Das uumlbliche Verfahren in der Humanmedi-zin um Resistenzen zu testen umfasst in der Regel nicht die Resistenz gegen Colistin Es gibt also viel zu tun Neue Diagnose- und Typisierungsverfahren aufbauen unser Re-sistenzmonitoring erweitern und routine-maumlszligig phaumlnotypisch resistente Isolate auf das Gen pruumlfen Die Ergebnisse muumlssen wir dann uumlbergreifend bewerten um Hand-lungsoptionen aufzuzeigen

Welche Uumlbertragungswege spielen bei der Colistin-Resistenz fuumlr den Men-schen eine Rolle Mit Sicherheit koumlnnen wir das derzeit nicht sagen Die chinesische Arbeitsgruppe hat Colistin-Resistenzen sowohl im Schweine-fleisch als auch beim Menschen gefunden Daher liegt die Hypothese nahe dass es eine Uumlbertragung uumlber Lebensmittel gibt Gleichzeitig gibt es generell die Beobachtung von nosokomialen Ausbreitungen resisten-ter Bakterien Das sind Ausbreitungen von Antibiotikaresistenzen im Krankenhaus

Resistenzen breiten sich aus Wunder-waffen verlieren ihre Wirkung selbst im Krankenhaus sind wir nicht sicher Gibt es uumlberhaupt eine effiziente Strategie gegen die Ausbreitung der Antibiotika- resistenzen Und wer ist dabei gefor-dertUm die Ausbreitung von Antibiotika- resistenzen zu verhindern braucht es eine gemeinsame Strategie Schlieszliglich sind hier komplexe Zusammenhaumlnge zwischen Mensch Tier und Umwelt am Werk Am BfR streben wir deswegen eine enge Zu-sammenarbeit mit allen Akteuren im oumlffent-lichen Gesundheits- und Veterinaumlrwesen an Bei diesem bdquoOne Health-Ansatzldquo sind sowohl Veterinaumlr- als auch Humanmedizi-ner gefordert Auch Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

Was sollten Verbraucherinnen und Ver-braucher beachtenHier gelten dieselben Hygieneregeln die auch fuumlr andere vom Tier oder vom Le-bensmittel auf den Menschen uumlbertragba-re Krankheitserreger gelten Zum Beispiel sollten sie sich nach dem Kontakt mit Tie-ren die Haumlnde mit warmem Wasser und Seife waschen Auch nach der Zubereitung von rohem Fleisch sollten die Haumlnde gruumlnd-lich gewaschen werden Fleisch Eier und Rohmilch sollten vor dem Verzehr durcher-hitzt werden Rohkost und Obst sollten vor dem Verzehr gruumlndlich mit Trinkwasser gewaschen oder geschaumllt werden Weiterhin wichtig ist den direkten oder indirekten Kontakt von rohem Fleisch und rohen Ei-ern mit verzehrfertigen Speisen die spaumlter nicht mehr erhitzt werden zu vermeiden Durch die Einhaltung der Hygieneregeln kann man einer Uumlbertragung von resisten-ten und oder pathogenen Bakterien auf an-dere Lebensmittel vorbeugen

Mehr erfahren Irrgang et al 2017 Recurrent detection of VIM-1-producing Escherichia coli clone in German pig production Journal ofAntimicrobial Chemotherapy 72 3 944ndash946

bdquoVerbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

RESET

Der Forschungsverbund RESET ndash Antibiotika-Resistenzen bei Tier und Mensch ndash beschaumlftigte sich von 2010 bis 2017 mit Resistenzen gegen die besonders wichtigen Antibiotika-Klas-sen der β-Laktam-Antibiotika und (Fluor-)Chinolone bei Darmbakterien wie Escherichia (E) coli Sind Bak-terien gegen beide Wirkstoffklassen resistent werden die therapeutischen Moumlglichkeiten drastisch eingeschraumlnkt Bei E coli und Salmonella enterica wurden derartige Resistenzen bereits nachgewiesen Das BfR beteiligte sich mit zwei Projekten an dem Forschungs-verbund Durch das konsequente Zusammenfuumlhren von Ergebnissen der unterschiedlichen Forschungsgebiete in einer gemeinsamen Datenbank konnten Erkenntnisluumlcken geschlossen und Risiken bewertet werden Das Projekt wurde vom Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) gefoumlrdert

29012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Kann es durch die Mischung verschiedener Pestizid-Ruumlckstaumlnde beim taumlglichen Verzehr zu gesundheitsgefaumlhrdenden Belastungen kommen

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

30 BfR 2 GO

Wenn von Paradigmenwechseln die Rede ist findet meist ein grundlegendes Umdenken statt In der Risikobewertung von Chemikalien habe ein Paradigmenwechsel stattge-

funden der die traditionelle Einzelsubstanz-Bewertung hinter sich lasse schrieben BfR-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler vor einiger Zeit Man koumlnnte meinen in der Toxikologie wird der Paracelsus-Satz kuumlnftig umgeschrieben Nicht nur die Dosis son-dern auch die Aufsummierung der Dosierungen in einer Mischung macht das Gift

Gift- oder Todescocktail ndash plakative Medienbegriffe

Denn tatsaumlchlich In den letzten Jahren beschaumlftigen sich weltweit immer mehr Gremien politische Ausschuumlsse und Forschungspro-jekte mit der Frage wie man die Auswirkungen von Mischungen auf Umwelt und Gesundheit kuumlnftig bewerten kann Auch in der Oumlffentlichkeit wird das Thema emotional verhandelt Chemikali-enmix Gift- oder sogar Todescocktail ndash mit plakativen Begriffen umschreiben Medien das Phaumlnomen der Mehrfachruumlckstaumlnde Entsprechend tief sitzt die Angst bei Verbraucherinnen und Ver-brauchern In einer vom BfR in Deutschland durchgefuumlhrten re-praumlsentativen Wahrnehmungsstudie vermuten 80 Prozent der Befragten dass der Einsatz mehrerer unterschiedlicher Pflanzen-schutzmittel zu gesundheitlichen Beeintraumlchtigungen durch Le-bensmittel fuumlhren kann

Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck sein

Zwar zeigen verschiedene aktuelle Monitoring-Projekte dass das gesundheitliche Risiko durch Mehrfachruumlckstaumlnde von Pflanzen-schutzmitteln unwahrscheinlich ist (s Interview) aber das Thema bleibt auch fuumlr die Wissenschaft draumlngend Denn auch wenn Mi-schungen schon seit Jahrzehnten wissenschaftlich analysiert und bewertet werden das Beduumlrfnis nach einer zuverlaumlssigen Bewertung der Risiken fuumlr Mensch und Umwelt steigt Grund dafuumlr ist zum einen die Vielzahl immer neuer Wirkstoffe Zusatzstoffe Chemika-lien Ruumlckstaumlnde und Kontaminanten gegenuumlber denen Menschen exponiert sind verbunden mit immer verfeinerten wissenschaftli-chen Nachweismethoden Zum anderen steigt der Druck aus der Oumlffentlichkeit Um wissenschaftliche Divergenzen zu vermeiden muumlssen transparente und international harmonisierte Verfahren entwickelt werden Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck in der Risikobewertung sein

Alle Gemische im Tierversuch zu testen ist nicht durchfuumlhrbar

Worum geht es im Einzelnen Mischungen liegen immer dann vor wenn ein Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt verschiedene Stoffe gleichzeitig aufnimmt z B Ruumlckstaumlnde Kontaminanten oder Chemikalien die nach der Europaumlischen Chemikalienverordnung REACH registriert sind Das geschieht wenn sogenannte intentional mixtures also beabsichtigte Mischungen wie Pflanzenschutzmittel oder Biozide in den Verkehr gebracht werden Aber auch unintenti-onal mixtures nimmt der Koumlrper auf Sei es dass verschiedene Stoffe in einem Produkt enthalten sind z B mehrere Pflanzenschutzmit-telruumlckstaumlnde in einem Apfel Oder sei es dass Stoffe gleichzeitig uumlber unterschiedliche Produkte aufgenommen werden In all diesen Faumlllen koumlnnen Mischungseffekte auftreten Diese sind je nach Wirk-mechanismus unterschiedlich stark ausgepraumlgt So koumlnnen sich die Wirkungen von Stoffen gegenseitig potenzieren oder auch aufheben Nach derzeitigem Kenntnisstand wird davon ausgegangen dass sich Wirkungen in der Regel addieren wenn die aufgenommenen Stoffe oberhalb der Wirkschwelle liegen den gleichen Wirkmechanismus haben und zu einem relevanten Zeitpunkt vom Organismus aufge-nommen wurden

Hier beginnen die Schwierigkeiten Es gibt zu viele intentional mix-tures die eine nahezu unuumlbersehbar groszlige Anzahl von Kombinati-onen ermoumlglichen Diese Gemische alle im Tierversuch zu testen wie sonst bei Einzelsubstanzen uumlblich waumlre sowohl ethisch nicht zu vertreten als auch praktisch nicht durchfuumlhrbar Daher arbeiten viele Forschungsprojekte u a der EU-Kommission daran tierversuchs-freie Methoden fuumlr die kumulative Bewertung zu entwickeln die die Effekte von Mischungen in vitro oder durch computergestuumltzte Be-rechnungen in silico berechnen (s Interview und Kasten)

Weltweit setzen Laumlnder das Thema auf ihre Agenda

Nicht nur fuumlr die Wissenschaft auch fuumlr den harmonisierten Voll-zug von Gesetzen ergeben sich dadurch neue Herausforderungen So schreibt z B die EU-Verordnung uumlber das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vor Kumulations- und Synergieeffekte zu be-ruumlcksichtigen ndash sofern es von der Behoumlrde anerkannte wissenschaft-liche Methoden zur Messung solcher Effekte gibt Doch die lagen bisher nicht vor Deshalb werden nun auf allen Ebenen technische Leitfaumlden fuumlr die neuen Methoden erstellt um eine harmonisierte

Auf die Mischung kommt es anKumulative Risikobewertung nimmt weltweit eine immer groumlszligere Bedeu-tung in der Toxikologie ein Das BfR arbeitet an einer Vielzahl von Projek-ten wie Mischungen in Zukunft bewertet werden koumlnnen

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

31012017

Vorgehensweise und transparente Nachvollziehbarkeit bei der Zu-lassung von Produkten zu gewaumlhrleisten Unter anderem die EFSA die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmittelsicherheit die Europauml-ische Chemikalienagentur ECHA und das JRC die Gemeinsame Forschungsstelle der Europaumlischen Kommission erarbeiten solche technischen Leitfaumlden

Neben der wissenschaftlichen Komplexitaumlt muumlssen diese techni-schen Leitfaumlden weitere Herausforderungen meistern Sie sollen fuumlr alle Bereiche gelten in denen Mischungen in Verkehr gebracht werden oder entstehen koumlnnen Bisher wurden Mischungen haumlufig nur in einem regulatorischen Bereich untersucht z B als Pflan-zenschutzmittel Biozid oder Arzneimittel Fuumlr andere Stoffe wie Lebensmittelzusatzstoffe oder Kontaminanten war die Bewertung von Mischungen bisher nicht klar gesetzlich reguliert In Zukunft sollen auch diese Stoffe bei einer Bewertung von Mischungen besser beruumlcksichtigt werden Auch soll nicht nur die chemische Zusam-mensetzung eines einzelnen Produktes systematisch bei der Zu-lassung beruumlcksichtigt werden sondern auch Mehrfachruumlckstaumlnde im gesamten Warenkorb den Verbraucherinnen und Verbraucher durchschnittlich zu einer gegebenen Zeit konsumieren Und zu gu-ter Letzt muumlssen die neuen Verfahren weltweit harmonisiert werden um das kumulative Risiko fuumlr Mensch und Umwelt auch angesichts globaler Warenketten gering zu halten Deshalb diskutieren Politik und Wissenschaft zurzeit nicht nur auf europaumlischer Ebene entspre-chende Leitfaumlden auch andere Laumlnder weltweit sowie die Weltge-sundheitsorganisation WHO und die Organisation fuumlr wirtschaftli-che Zusammenarbeit und Entwicklung OECD haben die kumulative Bewertung auf ihre Agenda genommen und stimmen ihre Guidance Documents mit den uumlbrigen Behoumlrden ab

Deutschland wendet die kumulative Bewertung schon an

Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR sind an zahlreichen dieser internationalen Projekte beteiligt sowohl an der wissenschaftlichen Erforschung kumulativer Effekte als auch an der Entwicklung technischer Leitfaumlden Einen wichtigen Schritt bei der kumulativen Bewertung hat Deutschland in der Europaumlischen Uni-

Stufe um Stufe zu einer gesicherten Bewertung

Seit Maumlrz 2017 wird in Deutschland eine Methodik fuumlr die Bewertung von Kumulations- und Synergie-effekten bei der gesundheitlichen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln in den Zulassungsverfahren angewandt Grundlage fuumlr das gestufte kumulative Bewertungsverfahren ist der sogenannte bdquoHazard Quotientldquo (HQ) der fuumlr jeden einzelnen Stoff ermit-telt wird Der HQ errechnet sich aus dem Verhaumlltnis zwischen dem relevanten gesundheitlichen Grenz-wert und der geschaumltzten Exposition

In einer ersten Stufe wird der HQ fuumlr alle Stoffe eines Gemisches einzeln ermittelt Liegt der HQ jedes Stoffes unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko fuumlr die einzelnen Bestandteile der Mischung zu erwarten Liegt dieser bei einzelnen Stoffen uumlber 1 wird gepruumlft ob die Exposition durch geeignete Maszlignahmen weiter vermindert werden kann zum Beispiel durch das Tragen entsprechender Schutz-kleidung

Liegt der HQ fuumlr alle Komponenten unter 1 wird in einer zweiten Stufe der sogenannte bdquoHazard Indexldquo (HI) des Gemisches ermittelt indem alle Gefahren-quotienten der verwendeten Stoffe addiert werden Liegt der ermittelte Wert weiterhin unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko durch das Gemisch zu erwarten

Liegt der HI uumlber 1 geht die Bewertung mit weiter verfeinerten Methoden in die dritte Stufe uumlber In dieser wird gepruumlft ob ein gesundheitliches Risiko vorliegt wenn eine Gruppierung der Einzelstoffe vorgenommen wird Dazu koumlnnen die einzelnen Stoffe in kumulative Bewertungsgruppen (cumula-tive assessment groups CAGs) eingeteilt werden die z B nach Effekten im gleichen Zielorgan oder nach dem gleichen Wirkmechanismus oder nach chemischer Verwandtschaft definiert sein koumlnnen Hintergrund dieser Einteilung ist die Annahme dass sich nach gegenwaumlrtigem Kenntnisstand nur Effek-te addieren die hinsichtlich der Zielorgane oder der Wirkmechanismen (MOA) vergleichbar sind Auch die relative Potenz der einzelnen Stoffe soll bei der verfeinerten Bewertung beruumlcksichtigt werden Liegt der HI innerhalb einer CAG unter 1 ist deshalb kein gesundheitliches Risiko zu erwarten Liegt er oberhalb des Wertes und koumlnnen weder Expositionsschaumltzung noch Gefahrenbewertung weiter verfeinert werden gilt das Gemisch als nicht sicher

Das mehrstufige Verfahren hat den Vorteil dass die ressourcenaufwendigeren Methoden zur verfei-nerten Bewertung z B in vergleichbaren CAGs oder MOAs nur zum Einsatz kommen wenn mit den ersten einfacheren Bewertungsmethoden nicht nachweisbar ist dass kein gesundheitliches Risiko zu erwarten ist

copy T

atom

mis

tock

com

32 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

EuroMix A tiered strategy for risk assessment of mixtures of multiple chemicals

EuroMix ist ein laumlnderuumlbergreifendes Projekt der EU-Kommission das die nie-derlaumlndische Behoumlrde fuumlr Gesundheit und Umweltschutz RIVM koordiniert Es zielt darauf ab eine tierversuchsfreie experi-mentelle Test-Strategie zu entwickeln um die Toxizitaumlt von Gemischen verschiedener toxikologisch relevanter Lebensmittelin-haltsstoffe Lebensmittelkontaminanten und Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde besser zu bestimmen Aus den Forschungsergeb-nissen wird ein Leitfaden fuumlr die kuumlnftige Umsetzung einer experimentellen Test-Stra-tegie entwickelt Das Acht-Millionen-Eu-ro-Projekt laumluft bis Mai 2019

Mehr erfahren wwweuromixprojecteu

Kombinationseffekte Forschungsprojekte des BfR

Am BfR werden in verschiedenen Abteilungen mehrere interne Forschungsprojekte zu Kombinationseffekten durch-gefuumlhrt Dazu gehoumlren u a Forschungsprojekte zu kumulativen Wirkungen in Pflanzenschutzmitteln und Bioziden zu Mehrfachruumlckstaumlnden in Lebensmitteln zur Expositionsschaumltzung sowie zu wirbeltierfreien Alternativmethoden Daruumlber hinaus ist und war das BfR auch an folgenden Drittmittel-Projekten beteiligt die zu Kombinationseffekten forschen

Combiomics Analyse von Kombinationseffekten von Pestiziden in vitro

Combiomics war ein zweieinhalbjaumlhri-ges Projekt des Bundesministeriums fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) das im Fruumlhling 2016 abgeschlossen wurde In dem vom BfR koordinierten Projekt wurden moumlgliche Kombinationswirkungen durch Mehrfachruumlckstaumlnde beispielhaft anhand einer Gruppe von Fungiziden in vitro unter-sucht Dazu wurden die molekularen Effek-te der Triazole mittels multi level omics und praumldiktiver mathematischer Modellierung untersucht Ausgehend von den Ergebnissen wurde ein Praumldiktionsmodell fuumlr Substanz-kombinationen erstellt validiert und auf Pestizide anderer Stoffgruppen bzw weitere Substanzklassen ausgedehnt um Kombi-nationseffekte kuumlnftig weitgehend ohne Tierversuche durchfuumlhrbar zu machen

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschung gt Drittmittelprojekte gt Combiomics

Combiomics 2Auch die zweite Projektphase von Com-biomics wird vom BfR koordiniert Hier sollen erfolgreich getestete Methoden und Zelllinien in Form einer standardisierten In-vitro-Testbatterie validiert und in ein Standardverfahren integriert werden das auch kuumlnftigen regulatorischen Anforde-rungen entspricht Das dreijaumlhrige Projekt wird vom BMBF bis Ende 2019 gefoumlrdert

Mehr erfahren wwwfisaonlinede gt Kombinationseffekte Pestizide

on schon jetzt unternommen Am 1 Maumlrz 2017 erschien im Bundesanzeiger eine Be-kanntmachung dass Kumulations- und Synergieeffekte in der gesundheitlichen Be-wertung von Pflanzenschutzmitteln kuumlnf-tig durch das BfR beruumlcksichtigt werden Damit bezieht Deutschland bei der zonalen Zulassung von Pflanzenschutzmitteln eine systematische kumulative Bewertung ein

Ein Leitfaden zur kumulativen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln wurde am BfR erarbeitet basierend auf den internatio-nalen Diskussionen bei EFSA und ECHA und 2014 veroumlffentlicht Seitdem wird das Verfahren am BfR angewandt uumlberpruumlft und verfeinert Im Kern geht es darum in einem mehrstufigen Verfahren verschie-dene Wirkstoffe in einem Pflanzenschutz-mittel oder in einer beantragten Tankmi-

schung kumulativ zu bewerten (s Kasten) Dazu werden sowohl die Exposition der Anwenderinnen und Anwender als auch die akute Exposition der Verbraucherinnen und Verbraucher betrachtet sodass die am meisten exponierten Gruppen beruumlcksich-tigt sind

Das Ziel Mischungen weltweit harmonisiert zu bewerten

Die Einfuumlhrung der Konzepte zur kumu-lativen Bewertung von Pflanzenschutzmit-teln hat auch in anderen EU-Laumlndern Aus-wirkungen auf die Risikobewertung Wenn Deutschland im zonalen Zulassungsverfah-ren bewertender Mitgliedstaat ist wird das Verfahren grundsaumltzlich angewandt Aber auch in die Bewertungsberichte anderer Laumlnder flieszligt die kumulative Bewertung als

deutscher Kommentar mit ein Durch den fachlichen Austausch zwischen den Mit-gliedstaaten wurde das Konzept in den letz-ten Jahren einem Peer-Review unterzogen Um die Praxis europaweit noch besser zu harmonisieren werden derzeit auszligerdem internationale Workshops organisiert auf denen diskutiert wird wie Mischungen bei der Risikobewertung kuumlnftig beruumlcksichtigt werden sollen Das BfR veranstaltet einen solchen Workshop im November 2017 im Auftrag der Europaumlischen Kommission die Franzoumlsische Behoumlrde fuumlr gesundheitlichen Verbraucher- Umwelt- und Arbeitsschutz (ANSES) einen weiteren im Februar 2018 unter aktiver Beteiligung des BfR

Das Ziel Mischungen weltweit harmoni-siert zu bewerten um Mensch und Umwelt besser zu schuumltzen ruumlckt damit naumlher

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

33012017

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

bdquoZiel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertungldquo Interview mit Herrn Dr Roland Solecki uumlber die Forschungsaktivitaumlten des BfR zu Mehrfachruumlckstaumlnden

Herr Solecki bei Mehrfachruumlckstaumlnden von Pflanzenschutzmitteln sprechen die Medien oft von einem bdquoGiftcocktailldquo Haben Sie Erkenntnisse daruumlber wie groszlig das gesundheitliche Risiko tat-saumlchlich istDas BfR hat dazu gemeinsam mit dem Bun-desministerium fuumlr Ernaumlhrung und Land-wirtschaft und dem Bundesamt fuumlr Ver-braucherschutz und Lebensmittelsicherheit einen Bericht uumlber die kumulativen Wir-kungen von Pflanzenschutzmitteln veroumlf-fentlicht Dieser basiert auf einer Methodik der niederlaumlndischen Behoumlrde fuumlr Gesund-heit und Umweltschutz RIVM Hintergrund ist ein Monitoring das uumlber einen Zeitraum von sechs Jahren in Deutschland durchge-fuumlhrt wurde Darin wurde untersucht wel-che Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde durch-schnittlich uumlber Lebensmittel aufgenommen werden Das Ergebnis war dass auch unter Worst-Case-Annahmen fuumlr die Mischungen von Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnden ein gesundheitliches Risiko unwahrscheinlich ist Die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit EFSA kam in ihrem Monito-ring-Bericht von 2015 fuumlr Gesamteuropa zu einem aumlhnlichen Ergebnis

Sie arbeiten unter anderem bei dem Pro-jekt EuroMix mit Worum geht es dabeiEs handelt sich um ein groszliges Forschungs-projekt der EU-Kommission zur kumulati-ven Bewertung von Mischungen im Rahmen von Horizont 2020 dem Rahmenprogramm der Europaumlischen Union fuumlr Forschung und Innovation Das Projekt hat zum Ziel neue Bewertungsmethoden fuumlr Mischungseffekte zu erarbeiten besonders auch im Hinblick auf Alternativen zu Tierversuchen innovati-ve Wege der Expositionsschaumltzung und Mo-dellierung von kumulativen Risiken Dabei geht es nicht nur um Pflanzenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatzstoffe und andere Chemikalien

Wie ist das BfR da in EuroMix einge-bundenVom BfR arbeiten sowohl die Abteilung Sicherheit von Pestiziden als auch die Ab-teilung fuumlr Lebensmittelsicherheit am Eu-roMix-Projekt mit Waumlhrend die von mir geleitete Abteilung fuumlr die regulative Bewer-tung eingebunden ist werden in der Abtei-lung Lebensmittelsicherheit experimentelle Arbeiten unter anderem zur Lebertoxizitaumlt durchgefuumlhrt in denen auch Kombinatio-nen von Pestiziden mit anderen Lebensmit-telinhaltsstoffen gepruumlft werden

Woran forschen Sie im EuroMix-ProjektWir haben zunaumlchst recherchiert welche gesetzlichen Anforderungen bestehen und wie unterschiedliche Behoumlrden weltweit

Mischungseffekte bewerten Und wir haben Forschungen zu Mischungen durchgefuumlhrt die bestimmte adverse Effekte auf die Leber verursachen Dabei wurden bestimmte Schluumlsselelemente untersucht um daraus ein Konzept fuumlr die Bewertung zu erarbei-ten Jetzt werden die Omics-Untersuchun-gen und andere alternative Pruumlfverfahren noch durch Tierversuche ergaumlnzt sodass wir auch am Gesamtorganismus die Effek-te uumlberpruumlfen koumlnnen Gleichzeitig werden die statistischen Hilfsmittel und die ande-ren elektronisch basierten Tools weiterent-wickelt Auszligerdem folgen noch weitere Stu-dien zur Exposition Die finalen Ergebnisse liegen am Ende des Projekts im Jahr 2019 vor

In welche weiteren europaumlischen Aktivi-taumlten ist das BfR eingebundenDie EFSA hat bereits einige Ansaumltze zur Bewertung der kombinierten Exposition gegenuumlber mehreren Pestiziden und Kon-taminanten bei Menschen sowie mehreren Pestiziden bei Bienen entwickelt Derzeit ist die EFSA damit befasst neue Ansaumltze und Instrumente zur Harmonisierung der Be-wertung von Risiken fuumlr Mensch und Um-welt zu erarbeiten die von der Exposition gegenuumlber mehreren chemischen Stoffen in der Lebensmittelkette ausgehen Ich bin derzeit Mitglied einer Arbeitsgruppe von Sachverstaumlndigen die der Wissenschaftliche Ausschuss der EFSA eingerichtet hat um Leitlinien im Hinblick auf die kombinierte Exposition gegenuumlber mehreren chemi-schen Stoffen zu entwickeln Diese Initiative unter dem Namen bdquoMixToxldquo wird 2018 den Leitfaden in einer oumlffentlichen Konsultation diskutieren

Bei dieser Vielzahl an Aktivitaumlten Wel-ches Ziel haben Sie persoumlnlich vor Au-genDas Ziel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertung von Stoffen in der gesundheitlichen Risikocharakterisie-rung und deren harmonisierte Implemen-tierung in den gesetzlichen Verfahren Dies wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen

bdquoBei den kumulati-ven Risiken geht es nicht nur um Pflan-zenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatz-stoffe und andere Chemikalien

Dr Roland Solecki leitet die Abteilung bdquoSicherheit von Pestizidenldquo am BfR

copy B

fR

34 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

SPEKTRUM

Identifizierung endokriner Disruptoren Vom Grundsatz in die Praxis

Fuumlr Pestizid-Wirkstoffe und andere Chemikalien sind harmonisierte wissenschaftliche Kriterien erforderlich mit denen hormonschaumldigende Substanzen identifiziert werden koumlnnen Das BfR veroumlffentlichte hierzu bereits 2016 ein Konsenspapier als wissenschaftliche Grundlage fuumlr die darauffolgende Arbeit der EU-Behoumlrden Auf legislativer Ebene werden aktuell EU-weit geltende Ver-ordnungen festgelegt um auf wissenschaftlicher Ebene Leitlinien zur regulatorisch harmonisierten Umsetzung dieser Verordnungen zu erarbeiten Mit dieser Aufga-be hat die EU-Kommission die EFSA und die ECHA gemeinsam beauftragt Das BfR unterstuumltzt die Behoumlr-den mit wissenschaftlicher und technischer Expertise indem es die entsprechende Arbeitsgruppe bei der EFSA personell verstaumlrkt sowie Recherchen und Umfragen zur Praktikabilitaumlt von Untersuchungsmethoden durchfuumlhrt Die Publikation der Leitlinien wird fuumlr Fruumlhjahr 2018 erwartet Sie koumlnnen auf Basis der verabschiedeten Ver-ordnungen nach ihrer Implementierung in der Genehmi-gungspraxis angewendet werden

Mehr erfahren Solecki et al 2017 Scientific principles for the identification of endocrine-disrupting chemicals a consensus statement Arch Toxicol 91 1001ndash1006

Insekten-Stopp in Textilien Allergene Wirkung unwahrscheinlich

Das Risiko fuumlr eine Allergie nach dem Kontakt mit Kleidung und Produkten die mit dem Biozid Permethrin behandelt sind ist nach derzeitigem Kenntnisstand unwahrscheinlich Das ist das Ergebnis einer aktuellen Risikobewertung des BfR Gestuumltzt wird das Ergebnis dadurch dass trotz weitverbreiteter Anwendung des Wirkstoffs in Medikamenten und Verbraucherprodukten kein Anstieg der Kontaktallergien gegenuumlber Permethrin zu verzeichnen ist Das Risiko fuumlr kanzero-gene systemische Effekte infolge einer dermalen und oralen Exposition gegenuumlber Permethrin aus Textilien ist nach Ansicht des BfR vernachlaumlssigbar gering Permethrin ist ein biozider Wirkstoff der zum Schutz gegen Insekten in Produkten wie Schlafsaumlcken Picknick- und Yogadecken sowie Teppichen und Kleidung eingesetzt wird Er ist im Chemikalienrecht als sensibilisierend eingestuft ein moumlgliches geringes kanzerogenes Potenzial wird von verschiedenen wissenschaftlichen Gremien diskutiert Der Wirkstoff kann aus Textilien freigesetzt und uumlber die Haut aufgenommen werden Bei kleinen Kindern die viele Produkte in den Mund nehmen kommt eine moumlgliche orale Aufnah-me des Stoffes hinzu

Mehr erfahren Stellungnahme Nr 0062017 des BfR vom 25 April 2017

Wie wirkt Aluminium in Leber und Darm

Aluminium ist in Lebensmitteln Kosmetika und Bedarfsge-genstaumlnden enthalten und kann uumlber die Nahrung aufgenom-men werden Erste Ergebnisse aus dem deutsch-franzoumlsischen Forschungsprojekt bdquoSolNanoToxldquo mit Beteiligung des BfR zeigen dass sich aus der Nahrung aufgenommene Aluminiumverbin- dungen temporaumlr im Darm anreichern Ob und in welchen Men-gen die Partikel weiter in den Koumlrper insbesondere in die Leber gelangen und welche Faktoren ihre Wirkung beeinflussen wird aktuell erforscht Die Forschungsgruppe sieht Anhaltspunkte dafuumlr dass ein Teil der angereicherten Partikel mit dem Stuhl wieder ausgeschieden wird Fuumlr seine Untersuchung simulierte das BfR anhand biologischer Proben die Verdauung verschiede-ner Aluminiumarten vom Mund uumlber den Magen bis zum Darm Mithilfe von Enzymen und Salzen wurden dabei physiologische Parameter wie der pH-Wert gesteuert Waumlhrend des simulierten Verdauungsprozesses veraumlnderten die Aluminiumverbindungen ihre chemische Reaktionsfaumlhigkeit und Loumlslichkeit Die Erkennt-nisse sind ein erster Schritt um den Prozess der Aufnahme Resorption und Verteilung von Aluminium im Koumlrper besser zu verstehen und daraus Daten fuumlr die Risikobewertung abzuleiten Aluminiumverbindungen koumlnnen in zu hohen Dosen toxisch auf das Nervensystem und ungeborenes Leben wirken sowie die Fruchtbarkeit und Knochenentwicklung beeinflussen

copy B

fR

copy c

gsto

cks

hutte

rsto

ckc

om

copy R

osel

ynne

shu

tters

tock

com

35012017

Bei Kleidung ist besonders der Einsatz von Silber-Nanopartikeln weit verbreitet Silber wirkt antibakteriell und soll die Geruchs-bildung durch Schwitzen reduzieren Beim Einsatz von Nanosilber in Kleidungsstuuml-cken ist in erster Linie eine Freisetzung in Schweiszlig und somit ein moumlglicher Hautkon-takt relevant Neben der Frage ob und in welcher Menge Silber prinzipiell aus Texti-lien herausgeloumlst wird beschaumlftigt sich die Forschung mit der Frage welchen Einfluss die Technologie hat mit der Nanosilber auf Textilien aufgetragen bzw eingebracht wird Bisher war zudem unklar inwiefern die Oberflaumlchenbeschichtung der Nano-partikel die Abgabe beeinflusst

Kuumlnstlicher Schweiszlig simuliert Freisetzung

In einem Forschungsprojekt pruumlfte das BfR neun Proben von Textilien die mit Nanosil-ber veredelt waren Als Vergleich diente ein mit konventionellem Silber (hier Silbersalz mit einem Partikeldurchmesser groumlszliger als 100 Nanometer) ausgeruumlstetes Textil Zwei der Textilien waren sogenannte Komposite bei denen Nanosilber in die Faser integriert ist Bei den anderen getesteten Textilien war die Faseroberflaumlche mit Silber-Nano-partikeln bzw in einem Fall mit konventio-nellem Silber beschichtet (Textil-Coating) Um die Abgabe von Silber durch Schwitzen

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

Kleidung wird durch sie wasser- und schmutzabweisend sie blocken UV-Strahlen und mindern Geruumlche Nanoma-terialien haben beliebte funktionelle Eigenschaften Ob sie aufgrund ihrer Winzigkeit gesundheitliche Risiken bergen ist indes noch weitgehend unbekannt In einem Forschungsprojekt uumlber Nanosilber hat das BfR ermittelt ob sich die Kleinstteilchen aus Textilien herausloumlsen und damit zum gesundheitlichen Risiko werden koumlnnen

Nanomaterial

ist ein natuumlrliches bei Prozessen anfallendes oder kuumlnstlich hergestelltes Material das Partikel in ungebundenem Zustand als Aggregat oder als Agglo-merat enthaumllt und bei dem die Mehrheit der Partikel ein oder mehrere Auszligen-maszlige im Bereich unter 100 Nanometer hat In Nanogroumlszlige kann ein Stoff andere Eigenschaften besitzen als wenn er in Form groumlszligerer Partikel vorliegt

copy o

still

shu

tters

tock

com

36 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von Textilfasern Links Nanokomposit bei dem kaum Silberpartikel an der Faseroberflaumlche zu finden sind Mitte und rechts Textilien mit Silbercoating hier befindet sich insgesamt mehr Silber auf der Oberflaumlche

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

zu simulieren wurden die Textilien fuumlr 24 Stunden in einer Schweiszligsimulanz-Louml-sung inkubiert Fuumlr die Auswertung wurde zunaumlchst der gesamte Silbergehalt in den Schweiszligloumlsungen mit massenspektromet-rischen Messmethoden bestimmt In den Proben in denen Silber vorhanden war wurden anschlieszligend mit Zentrifugation und einer speziellen Methode zum Messen von Einzelpartikeln geloumlstes und partikulauml-res Silber unterschieden Im letzten Schritt wurden die Partikelgroumlszligen des vorgefun-denen partikulaumlren Silbers gemessen um nanoskaliges Silber zu identifizieren

Silber aus Kleidung freigesetzt

Die Untersuchung des BfR zeigte dass von jeder Textilprobe Silber in die Schweiszligsi-mulanz-Loumlsung uumlberging je nach geteste-tem Textil zwischen 7 und 75 Prozent des originaumlr in den Textilien enthaltenen Sil-bers Dabei setzten die beschichteten Tex-tilien mehr Silber frei als die Komposite Den houmlchsten abgegebenen Anteil fand das BfR bei dem mit konventionellem Silber beschichteten Textil Die Freisetzung wird demnach staumlrker durch die Technologie der Veredelung bestimmt als durch die im Tex-til enthaltene Menge Auszligerdem scheint die Abgaberate von Silber aus Nanosilber im Vergleich zu konventionellem Silber nicht erhoumlht zu sein

In der Schweiszligloumlsung lag das freigesetzte Silber uumlberwiegend geloumlst vor Partikulaumlres Silber fand sich nur zum geringeren Teil dann jedoch auch im Nanometerbereich Ob es sich dabei um einzelne Nanoparti-kel handelt oder ob das Silber an groumlszligere Partikel gebunden ist muss in weiteren Untersuchungen uumlberpruumlft werden Nach

derzeitigem wissenschaftlichem Kennt-nisstand geht man davon aus dass sich Nanopartikel im Koumlrper anders verhalten als groumlszligere Partikel Uumlberraschenderweise detektierte die Forschungsgruppe auch in den Schweiszligsimulanzien der mit konven-tionellem Silber beschichteten Textilien partikulaumlres Silber in Nanogroumlszlige Das Vor-kommen von Silberpartikeln scheint also nicht davon abhaumlngig zu sein ob das Silber in Nano- oder konventioneller Form auf das Textil aufgebracht wurde

In einer parallelen Untersuchung fanden die Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler heraus dass zudem die Beschaffenheit der Nanopartikel beispielsweise in Form einer speziellen Beschichtung ihre Loumlslichkeit in der Schweiszligloumlsung beeinflusst

Art der Beschichtung relevant

Silber wird demnach aus Textilien freige-setzt in geringen Teilen sogar in partiku- laumlrer Form Die gewaumlhlte Form der Tex-tilfunktionalisierung aber auch die Be-schaffenheit der Nanopartikel stellen dabei wichtige Kriterien fuumlr das Freisetzungsver-halten dar Solche Erkenntnisse sind vor al-lem fuumlr den sicheren Einsatz von Nanoma-terialien in Alltagsprodukten wichtig weil die Exposition des Menschen gegenuumlber derartigen Stoffen moumlglichst klein gehalten werden sollte Auszligerdem geben sie Hin-weise in welcher Anwendungsform Nano-materialien im verbrauchernahen Bereich sicher eingesetzt werden koumlnnen

Mehr erfahren Wagener et al 2016 Textile Functionalization and Its Effects on the Release of Silver Nanoparticles into Artificial Sweat Environ Sci Technol 50 11 5927ndash5934

Per Flugzeitmassenspek-trometer laumlsst sich Silber auf beschichteten Textil-fasern detektieren

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

NANOPARTIKEL

37012017

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

38 BfR 2 GO

Neuer Ansatz fuumlr Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

Spiegelbild gesucht

Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR zeigt einen neuen Ansatz um mithilfe von Genexpressionsdaten das geeignete Tiermodell fuumlr die Grundlagenforschung oder fuumlr spezifische klinische Fra-gestellungen zu identifizieren Damit koumlnnen zukuumlnftig unnoumltige Tierversu-che vermieden werden Hamburger Wissenschaftsbehoumlrden wuumlrdigten die Erkenntnisse mit einem Forschungspreis

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

39012017

Fragestellung

Vergleich

Auswahl

z B bdquoMit welchem Mausmodell koumlnnen die Ursachen von Alzheimer erforscht werdenldquo

Vergleich von vorhandenen Omics-Expressionsdaten von Mensch und Tier

Auswahl des geeigneten Modells

1

2

3

Geeignete Tiermodelle identifizieren

An Tiermodellen werden zahlreiche biologische Prozesse und Krankheiten wie Wund-

heilung Diabetes Tumoren oder entzuumlndliche Erkrankungen erforscht Durch den

Vergleich der Omics-Expressionsdaten von Tiermodell und Mensch koumlnnen geeignete

Modelle fuumlr die jeweilige Fragestellung identifiziert werden

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

40 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Verlaumluft ein entzuumlndlicher Prozess bei Maumlusen aumlhnlich wie beim Menschen Sind Maumluse daher geeignete Ver-

suchstiere fuumlr Tests von antientzuumlndlichen Substanzen Um Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung in den klinischen Alltag zu uumlberfuumlhren ndash Aufgabengebiet der translationalen Forschung ndash werden wissen-schaftliche Fragestellungen oft in Tierversu-chen erprobt Ob und inwieweit die Ergeb-nisse auf den Menschen uumlbertragbar sind ist dabei immer wieder Gegenstand kontrover-ser Diskussionen Geeignete Methoden mit denen die Wissenschaft Tiermodelle mit op-timaler Uumlbertragbarkeit auf den Menschen auswaumlhlen kann wuumlrden dem wissenschaft-lichen Fortschritt helfen und die Zahl der Tierversuche reduzieren Es geht dabei um die Frage welches Tiermodell am besten das menschliche System widerspiegelt

Vergleichbarkeit von Genom- daten fehleranfaumlllig

Als Grundlage fuumlr diese Uumlberlegungen die-nen Daten aus modernen bioanalytischen Hochdurchsatzverfahren Immer haumlufiger setzt die Wissenschaft auf diese sogenannten Omics-Technologien die die Gesamtheit aller Gene und ihrer Produkte analysieren ndash sowohl beim Tier als auch beim Menschen Mit ihnen lassen sich molekulare Prozesse in lebenden Systemen umfassend darstel-len indem sie beispielsweise die Interaktion hunderter bis tausender Genprodukte zei-gen Die Analyse dieser zunehmend kom-plexen Omics-Datensaumltze stellt die Wissen-schaft jedoch vor Probleme da das Vorgehen dazu nicht standardisiert ist Die Interpreta-tion der Ergebnisse ist bisher meist von der Kompetenz der Durchfuumlhrenden und von der angewandten Methode abhaumlngig Im Ergebnis war die Entscheidung zur Frage der Uumlbertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen fehleranfaumlllig und die Suche nach

geeigneten Tiermodellen erschwert Die ge-ringe Standardisierung der Interpretation von Omics-Daten fuumlhrte in Forschungs-kreisen bereits zu widerspruumlchlichen Er-gebnissen so zum Beispiel bei zwei Studien aus den Jahren 2013 und 2015 die sich mit der Vergleichbarkeit von entzuumlndlichen Er-krankungen beim Menschen und gaumlngigen Mausmodellen beschaumlftigten Waumlhrend eine Forschungsgruppe im Jahr 2013 schlussfol-gerte dass entzuumlndliche Prozesse zwischen Mensch und Maus nicht vergleichbar seien kam eine andere Gruppe zwei Jahre spaumlter anhand der gleichen Omics-Daten zum ge-genteiligen Schluss Die Maus reagiere auf der molekularen Ebene sehr aumlhnlich wie der Mensch und sei daher als Tiermodell sehr nuumltzlich fuumlr die Erforschung menschlicher Erkrankungen Zwar ist es nicht ungewoumlhn-lich dass Ergebnisse von Studien unter-schiedlich eingeschaumltzt werden ndash allerdings selten auf Basis der gleichen Daten

Motivation des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR war es diese Widerspruumlche aufzuklaumlren und einen standardisierten und zielgerichteten Analyseansatz zu entwickeln der die Suche nach geeigneten Tiermodellen vereinfacht und somit unnoumltige Tierversuche vermei-den hilft Es gehoumlrt zu den Kernaufgaben des Bf3R bundesweit alle Aktivitaumlten zu koordi-nieren mit den Zielen Tierversuche auf das unerlaumlssliche Maszlig zu beschraumlnken und fuumlr Versuchstiere den bestmoumlglichen Schutz zu gewaumlhrleisten Die Aufgaben des Bf3R wer-den vom BfR wahrgenommen

Genomdaten von Tier und Mensch gezielt vergleichen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler des Bf3R haben die Omics-Daten aus den beiden erwaumlhnten widerspruumlchlichen Studien mithilfe hochperformanter Com-

puter nochmals systematisch ausgewertet Dabei wurden zunaumlchst die zu verglei-chenden Gene gruppenweise biologischen Prozessen zugeordnet die wesentlich fuumlr ein Entzuumlndungsgeschehen sind Diese Gene Set Enrichment Analysis (GSEA) ge-nannte Methode greift auf umfangreiche in oumlffentlichen Datenbanken hinterlegte Genomdaten gaumlngiger Tiermodelle und von Erkrankten zuruumlck Mit ihrer Heran-gehensweise konnten die Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler des BfR an-schlieszligend Veraumlnderungen auf der Ebene pathologischer Signalwege erkennen und Unterschiede zwischen Tiermodell und Mensch identifizieren Da der Groszligteil der untersuchten Genprodukte haumlufig nur geringfuumlgig veraumlndert war konnten bei der Analyse auf Ebene vollstaumlndiger bio-logischer Signalwege alle Gene einbezogen und Aumlnderungen in der Gesamtheit eines biologischen Signalwegs bewertet werden Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu bisherigen Analyseansaumltzen da fuumlr die Klauml-rung translationaler Fragestellungen bisher haumlufig willkuumlrlich und subjektiv Gene von Mensch und Tiermodell fuumlr einen direkten Eins-zu-eins-Vergleich ausgewaumlhlt wurden

Die systematische Auswertung des Bf3R zeigte dass die Ergebnisse beim vorlie-genden Genomdatenvergleich bei einigen Mausmodellen gut mit den beim Menschen ermittelten Daten uumlbereinstimmten Bei an-deren Mausmodellen hingegen war es nicht so So aumlhnelt das Entzuumlndungsgeschehen bei Maumlusen die mit Staphylococcus aureus (Staphylococcus-aureus-Injektionsmodell) infiziert sind oder eine Darmperforation (Cecal-ligation-and-puncture-Modell) erfah-ren den meisten klinischen Proben Hin-gegen verlaufen Erkrankungen die durch Lipopolysaccharide (LPS) und Streptococcus pneumoniae verursacht werden bei Mensch und Maus verschieden

Omics

Der Terminus beschreibt Methoden zur

Analyse komplexer biologischer Proben

auf der Ebene des gesamten Genoms

von Transkripten Proteinen oder Meta-

boliten

41012017

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

Forschungsansatz hilft Tierversuche zu reduzieren

Die Methode der Datenanalyse mittels GSEA-Ansatz erleichtert es Forschungs-gruppen zukuumlnftig zielgerichtet und stan-dardisiert das optimale Tiermodell aus-zuwaumlhlen das am besten die menschliche Situation abbildet Voraussetzung dafuumlr ist die Existenz von Omics-Daten zur klini-schen Fragestellung sowie zu den infrage kommenden Tierversuchen Dies ist bereits fuumlr eine Vielzahl von Tiermodellen sowie von humanen Erkrankungen der Fall neben Entzuumlndungserkrankungen beispielsweise fuumlr Herz-Kreislauf-Erkrankungen Krebser-krankungen Atemwegserkrankungen Stoff-wechselerkrankungen und neurologische Erkrankungen Aufgrund der vermehrten Verwendung von Omics-Methoden kann davon ausgegangen werden dass stetig wei-tere systembiologische Daten ermittelt und veroumlffentlicht werden Die vom Bf3R ange-wandte Methode wird daher weiterhin bei der gezielten Auswahl von Tiermodellen nuumltzlich sein

Das Verfahren kann in der Grundlagen-forschung sowie in der translationalen und angewandten Forschung eingesetzt werden Diese Bereiche machten 2015 nach Anga-ben des Bundesministeriums fuumlr Ernaumlh-rung und Landwirtschaft mit insgesamt 73 Prozent den groumlszligten Teil der Tierversuche aus Ein Groszligteil davon entfaumlllt auf Maumluse Ratten und zunehmend auch auf Fische Grundsaumltzlich kann die neue Methode zur Auswahl des geeigneten Versuchstiermo-dells bzw zum Ausschluss nicht geeigneter Versuchstiermodelle bei jeglichen Tierver-suchen in diesen Bereichen genutzt werden Analog zu den Versuchstierzahlen liegen derzeit die meisten Omics-Daten fuumlr Maus und Ratte vor So sind beispielsweise allein in der oumlffentlichen NCBI GEO-Datenbank (National Center for Biotechnology Informa-tion Gene Expression Omnibus) derzeit Da-ten zu ca 340000 Maus-Proben und 75000 Ratte-Proben gelistet

Methode identifiziert geeignete Zellkulturmodelle

Dabei ist die Methode des Bf3R nicht auf humane und murine Datensaumltze beschraumlnkt sondern kann auf alle weiteren Spezies an-gewandt werden fuumlr die umfangreiche Da-tenbanken zu biologischen Signalwegen oder Gengruppen vorliegen Auch fuumlr die Beurteilung von zellbasierten Alternativ-methoden kann der neue Forschungsansatz

herangezogen werden Durch einen system-biologischen Abgleich der klinischen Daten mit Omics-Daten aus beispielsweise neuar-tigen 3D-Zellkulturen oder organaumlhnlichen Mikrostrukturen wird die Charakterisierung und Verifizierung von zellbasierten Alterna-tivmethoden ermoumlglicht

Praumlmierte Forschungsleistung

Fuumlr ihre Forschung erhielten die Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR 2016 den Hamburger Forschungspreis zur Foumlrderung der Entwicklung von Ersatz- und

Ergaumlnzungsmethoden Die Auszeichnung wurde zum erstem Mal von den Hamburger Behoumlrden fuumlr Gesundheit und Verbraucher-schutz sowie fuumlr Wissenschaft Forschung und Gleichstellung mit einem Foumlrderpreis in Houmlhe von 20000 Euro ausgeschrieben Der Preis wird fuumlr Arbeiten vergeben die einen Beitrag leisten Tierversuche zu ersetzen oder zu minimieren

Mehr erfahrenWeidner et al 2016 Defining the optimal animal model for translational research using gene set enrichment analysis EMBO Molecular Medicine 8 8 831ndash838

Wofuumlr Versuchstiere in Deutschland eingesetzt werden

630255Herstellung und Qualitaumlts-kontrolle medizinischer Produkte toxikologische Sicherheitspruumlfungen

22

59

14 5

1643259Grundlagenforschung

144997sonstige Zweckez B Zucht Aus- und Weiterbildung

381450translationale und angewandte Forschung

Que

lle B

unde

smin

iste

rium

fuumlr E

rnaumlh

rung

und

Lan

dwirt

scha

ft V

ersu

chst

ierz

ahle

n 20

15

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

42 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Alternativen zu Tierversuchen Forschung regional buumlndeln

Eine individualisierte Schmerztherapie fuumlr Versuchsmaumluse und eine Verringerung von Tierexperimenten zum Test der Inhala- tionstoxizitaumlt von Nanomaterialien (siehe rechte Spalte) ndash hierzu sollen die ersten Arbeitsergebnisse des BfR im Berlin-Bran-denburgischen Verbundprojekt BB3R zukuumlnftig beitragen Das Netzwerk aus Universitaumlten und Bundesinstitutionen forscht um Tierversuche zu vermeiden (Replacement) bzw zu verringern (Reduction) sowie das Leiden von Versuchstieren zu vermindern (Refinement) Das BfR ist als einer von sechs Verbundpartnern in den Bereichen der Refinement- und Replacement-Forschung beteiligt Das Bundesforschungsministerium foumlrdert das mit BB3R abgekuumlrzte Projekt fuumlr vier Jahre bis Fruumlhjahr 2018 es ist als Plattform fuumlr den wissenschaftlichen Austausch konzipiert und integriert ein Graduiertenkolleg

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschungwwwbb3rde

Belastung von Laborfischen erkennen

Koumlrperbau

Koumlrpermerkmale

Verhaltenkreisendes Schwimmen

Belastung von Laborfischen erkennen

Ob Laborfische Schmerzen empfinden oder leiden laumlsst sich mithilfe konkreter Kriterien beurteilen Die Vorarbeiten hierzu koordinierte der bdquoNationale Ausschuss zumSchutz von fuumlr wissenschaftliche Zweckeverwendeten Tierenldquo am BfR gemeinsam mit externen Sachverstaumlndigen und Beauf-tragten von Genehmigungsbehoumlrden Die erstmals definierten Kriterien bewerten unter anderem Auffaumllligkeiten im Koumlrper-bau sowie im Verhalten der Tiere Schmer-zen und Leiden koumlnnen so gezielt behandelt und gelindert werden Da die Frage der Belastung der Tiere anhand der Kriterien eindeutig geklaumlrt werden kann dienen sie zudem als Entscheidungshilfe fuumlr Behoumlr-den welche die Zucht belasteter genetisch veraumlnderter Tiere genehmigen muumlssen Fische insbesondere Zebrafische sind nach Maumlusen und Ratten die am dritthaumlufigsten verwendete Versuchstierart Die Zahl der Versuchsfische hat in den letzten Jahren stetig zugenommen

Mehr erfahren Bert et al 2016 Considerations for aEuropean animal welfare standard toevaluate adverse phenotypes in teleost fish EMBO J 35 11 1151ndash1154Empfehlung des Nationalen Ausschusses TierSchG Nr 0012015

Test der Inhalationstoxizitaumlt von Nanomaterialien

Die Einatmung gilt als wichtigster Aufnahmeweg fuumlr Nanomaterialien Im Rahmen der BB3R-Forschung bildet das BfR diese Art der Exposition mit In-vitro- Atemwegsepithelmodellen an ihrer Grenzflaumlche zur Luft ab Dieser Ansatz zum Test der Inhalationstoxi-zitaumlt hilft Anzahl und Umfang von Tierversuchen zu verringern

Versuchsaufbau Drei Roumlhrchen leiten ein Testaerosol mit luftgetragenen Nanomaterialien auf Epithelzellen

SPEKTRUM

copy B

fR

43012017

Jubilaumlumsfeier und internationales Symposium

Am 29 November 2017 feiert das BfR sein 15-jaumlh-riges Bestehen mit einem Festakt Geplant ist eine Feier mit ausgewaumlhlten Gaumlsten in der Akademie der Kuumlnste Anschlieszligend findet vom 30 Novem-ber bis zum 01 Dezember 2017 das gemeinsame internationale Symposium des BfR und seiner Schwesterinstitutionen aus Daumlnemark (DTU Food) und Frankreich (ANSES) sowie der suumldko-reanischen Behoumlrde fuumlr Lebens- und Arzneimittel-sicherheit (NIFDS) statt Unter dem Motto bdquoPast Present and Future Challenges in Risk Assessment ndash Strengthening Consumer Health Protectionldquo werden die letzten anderthalb Jahrzehnte Risikobewer-tung betrachtet Daruumlber hinaus werden aktuelle Aktivitaumlten sowie zukuumlnftige Herausforderungen des Verbraucherschutzes wie mikrobiologische Erreger chemische Substanzen Methoden und Harmonisierung auf nationaler wie internationa-ler Ebene diskutiert

VERANSTALTUNGEN

Nachwuchs foumlrdern

Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu foumlr-dern baut das BfR wissenschaftliche Nachwuchs-gruppen zu bestimmten Schwerpunktthemen auf Die bereits 2015 eingerichtete Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Warenketteldquo wird im Herbst 2017 durch einen weiteren Dokto-randen verstaumlrkt

Verstaumlrkung im Versuchstierschutz

Seit dem 1 April 2017 staumlrkt die Berufung von Herrn Universitaumltsprofessor Dr Lars Lewejo-hann den Kompetenzbereich bdquoVerminderung der Belastung und Verbesserung der Lebenssitua-tionldquo des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) Neben der Leitung der Fachgruppe bdquoTierschutz und Versuchstierkundeldquo im BfR wird Lars Lewejohann sein Wissen und neue Erkenntnisse als Hochschullehrer fuumlr bdquoTier-schutz mit dem Schwerpunkt Refinementldquo an der veterinaumlrmedizinischen Fakultaumlt der Freien Universitaumlt Berlin an Studierende und Doktoran-den weitergeben

PERSONALIEN

Alternativmethode zum Tierversuch bdquoKnochen-auf-dem-Chipldquo

Im Mai 2017 fand bei der Gemeinsamen For-schungsstelle (GFS)Joint Research Centre (JRC) der Generaldirektion (Directorate General) der Europaumlischen Kommission eine Summer School zu alternativen Ansaumltzen zum Tierversuch fuumlr die Risikobewertung in Ispra (Italien) statt Dort wurde Herr Dr Ing Frank Schulze aus der BfR-Fachgruppe bdquoZEBET ndash Alternativmethoden zu Tierversuchenldquo fuumlr seine Praumlsentation und das dazugehoumlrige Poster zum Thema bdquoEin Knochen-auf-dem-Chip fuumlr die Grundlagenwissenschaft und die Identifizierung von knochenschaumldigen-den Substanzenldquo mit einem Posterpreis (1 Platz) ausgezeichnet

copy B

fR

copy p

rivat

INSTITUTSLEBEN

44 BfR 2 GO

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

63

72 Ekel

Fremdheit

Bedenken zu Hygiene und Vertraumlglichkeit

Grillen Mehlwuumlrmer und Wanderheuschrecken ndash in vielen Regionen der Welt werden Insekten von Menschen verspeist Auch in der Schweiz sind Insek-ten seit dem Fruumlhjahr 2017 offiziell als Lebensmittel zugelassen Ihr Verzehr ist in Europa jedoch generell wenig verbreitet und die oumlffentliche Diskussion steckt noch in den Anfaumlngen Wie bekannt ist das Thema in der deutschen Bevoumllkerung Welche Einstellungen bestehen gegenuumlber essbaren Insekten Wie wird das Thema in den Medien dargestellt In zwei Studien hat das BfR Antworten auf diese Fragen gefunden

Die Mehrheit der Deutschen vermutet keine gesundheitlichen Risiken durch den Verzehr von Insekten wuumlrde sieaber dennoch nicht verzehren Hauptgruumlnde gegen den Verzehr

sind Ekel Fremdheit Bedenken zu Hygiene und Vertraumlglichkeit

46 13 15

Insekten als Lebensmittel fuumlr Menschen ndash 72 Prozent der Befragten haben schon davon gehoumlrt Insekten gelten als eiweiszlig- naumlhrstoff- und vitaminreich und als eine wesentliche Nahrungsquelle hinsichtlich des Welternaumlhrungsproblems

Insekten essen Mehr Theorie als Praxis

18 BfR 2 GO

RISIKOWAHRNEHMUNG

2014

27 Artikel

14

Zugrundeliegende Studien telefonische Repraumlsentativbefragung von 1000 Personen (deutschsprachige Bevoumllkerung ab 14 Jahren) Medienanalyse von 17 deutschen Print- und Onlinemedien (uumlberregionale Qualitaumltszei-tungen Hauptstadtpresse und woumlchentliche Zeitungen) im Zeitraum Januar 2014 bis Dezember 2015 zur Art und Haumlufigkeit der Berichterstattung uumlber essbare Insekten

14 Prozent der Befragten haben schon einmal Insekten verzehrt mehrheit-lich im Ausland Uumlberwiegend sind es Maumlnner 18 ndash 29-Jaumlhrige gut Gebildete und Staumldter

Die Medienberichterstattung zu Insekten als Lebens- und Futtermittel verdoppelte sich von 2014 zu 2015 In der Mehrheit ging es um Nutzen- aspekte Insekten wurden medial als bdquozukunftsweisendes sinnvolles Lebensmittel bei dem der Nutzen gegenuumlber moumlglichen Risiken uumlber-wiegtldquo dargestellt

Verbraucherinnen und Verbraucher wuumlnschen sich mehr Informationen zu moumlglichen gesundheitlichen Risiken von Insekten als Lebens- und Fut-termittel zu ihrer Produktion und zum Naumlhrstoffgehalt Dies koumlnnte die oumlffentliche Akzeptanz fuumlr den Verzehr von Insekten erhoumlhen Auch bdquounkenntlich gemachteldquo Insekten in Form verarbeiteter Lebensmittel wuumlrden eher akzeptiert als Insekten im urspruumlnglichen Zustand

WeiterlesenBfR-Symposium bdquoInsekten als Lebens- oder Futtermittel Nah-rung der Zukunftldquo Bericht zum Symposium am 24 Mai 2016 in 2016 Journal fuumlr Verbraucher-schutz und Lebensmittelsicher-heit 11 3 281ndash289

2015

60 Artikel

i

Insekten als Lebensmittel

gt zaumlhlen lebensmittelrechtlich in der EU zu den neuartigen Lebensmitteln und muumlssen zugelassen werden

gt unerforschte Aspekte Toxikologie Gehalt an Kontaminanten und Ruumlckstaumlnden allergenes Potenzial mikrobiologische Risiken

copy a

rka3

8sh

utte

rsto

ckc

om

19012017

INFOGRAFIK ZU INSEKTEN

Unerwuumlnscht inLebensmitteln

Gelangen Pyrrolizidinalkaloide (PA) in die Lebensmittelkette koumlnnen insbesondere 12-ungesaumlttigte PA dem Menschen schaden Seit Jahren

befasst sich das BfR mit der Frage welches gesundheitliche Risiko von 12-ungesaumlttigten PA in Lebensmitteln ausgeht Klar ist die PA-Kontami-

nation in der Lebensmittelkette sollte so gering wie moumlglich sein

LEBENSMITTELSICHERHEIT

20 BfR 2 GO

Unerwuumlnschte Stoffe die in die Lebensmittelkette gelangen koumlnnen fuumlr Verbraucherinnen und Verbraucher ein gesund-heitliches Risiko darstellen Ein Beispiel fuumlr solche Eintraumlge

sind 12-ungesaumlttigte Pyrrolizidinalkaloide (PA) Das sind Stoffe die von einigen Pflanzen als Schutz vor Fraszligfeinden gebildet werden Sie konnten zunaumlchst in Honig und anderen Bienenprodukten spaumlter auch in Tees Kraumlutertees und Gewuumlrzen aber auch in pflanzenba-sierten Nahrungsergaumlnzungsmitteln nachgewiesen werden

Toxische Wirkungen bei Mensch und Tier

Beim Menschen sind vereinzelt Vergiftungsfaumllle nach arzneilicher Einnahme von PA-haltigen Kraumlutertees und -erzeugnissen bekannt Weiterhin gibt es Berichte uumlber epidemische Lebererkrankungen mit Todesfaumlllen in Pakistan Indien Afghanistan Tadschikistan und der ehemaligen UdSSR nach Verzehr von Getreide das mit Samen von Heliotropium- oder Crotalaria-Arten kontaminiert war Aus der Nutztierhaltung ist das gehaumlufte Auftreten von Leberzirrhosen bei Schlachtrindern bekannt die mit Heu und Silage auch Alpenkreuz-kraut aufgenommen hatten Auch bei Pferden wurden mit Leberde-generation einhergehende durch PA im Futter verursachte Erkran-kungen die Seneciosen beobachtet

Die Leber ist das primaumlre Zielorgan von Schaumldigungen durch 12-ungesaumlttigte PA Jedoch koumlnnen auch die Lunge oder andere Organe betroffen sein Insbesondere bei Aufnahme houmlherer Dosen treten akute venookklusive Veraumlnderungen in der Leber (hepatic veno-occlusive disease HVOD) oder der Lunge auf In houmlheren Dosen wurden im Tierversuch mit 12-ungesaumlttigten PA auch ent-wicklungstoxische Effekte beobachtet Nach den vorliegenden tier- experimentellen Daten gilt die kanzerogene Wirkung von 12-un-gesaumlttigten PA als gesichert und ein entsprechendes Risiko fuumlr den Menschen wird in Betracht gezogen Vielfach zeigten Verbindungen die sich im Tierversuch als kanzerogen erwiesen in entsprechenden Mutagenitaumltstests eine genotoxische Wirkung

Wie 12-ungesaumlttigte PA in Lebensmittel gelangen koumlnnen

Nach bisherigem Kenntnisstand koumlnnen 12-ungesaumlttigte PA uumlber mehrere Wege in Lebensmittel gelangen In Deutschland sind Ver-unreinigungen vor allem in den Anbauflaumlchen von Nutzpflanzen mit PA-bildenden Wildkraumlutern wie z B bei Salaten mit Kreuzkraut oder Greiskraut aufgetreten Aus Afghanistan sind erhoumlhte Belastungen in Getreide bekannt Auch die Belastung von Tee und Kraumlutertee-Sor-ten mit PA wird auf eine Kontamination mit bestimmten Wildkraumlu-tern in den Anbauflaumlchen zuruumlckgefuumlhrt Auszligerdem koumlnnen Bienen-produkte wie Honig und Pollen mit PA belastet sein wenn die Tracht von bestimmten Wildpflanzen stammt 12-ungesaumlttigte PA koumlnnen auch uumlber verunreinigte Futtermittel in Milch Eier und Fleisch ge-langen Auch Nahrungsergaumlnzungsmittel koumlnnen auf der Basis von Pflanzen hergestellt sein die selbst 12-ungesaumlttigte PA bilden

Gesundheitliche Risiken durch belastete Lebensmittel

Das BfR hat 2016 eine Bewertung der gesundheitlichen Risiken durch 12-ungesaumlttigte PA erarbeitet Dabei wurde die Belastung aller wichtigen Lebensmittelgruppen beruumlcksichtigt fuumlr die aktuell Daten zum Vorkommen von 12-ungesaumlttigten PA vorliegen Bei der Bewertung wurde die genotoxisch-kanzerogene Wirkung als emp-findlichster Endpunkt zugrunde gelegt

copy F

eyya

z A

laca

ms

hutte

rsto

ckc

om

copy e

mbe

riza

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

21012017

Danach geht bei Kindern im Alter von sechs Monaten bis unter fuumlnf Jahren die Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA im Wesentlichen auf Kraumlutertee einschlieszliglich Rooibostee Schwarztee und Honig zuruumlck Fruumlchtetee Milch Eier und Fleisch tragen nur wenig zur Gesamtaufnahme von 12-un-gesaumlttigten PA bei Sieht man von bestimm-ten Nahrungsergaumlnzungsmitteln ab zeigt sich bei Erwachsenen ein aumlhnliches Bild Bei Erwachsenen ist der Beitrag von Honig zur Gesamtaufnahme an 12-ungesaumlttigten PA geringer und der von Gruumlntee houmlher als bei Kindern Bei hohen Gehalten koumlnnen Nahrungsergaumlnzungsmittel als zusaumltzliche Expositionsquelle zur Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber Lebensmittel beitragen Gewuumlrze und Kraumluter aber auch Mehle stellen moumlglicherweise eine relevante zusaumltzliche Expositionsquelle dar Fuumlr eine abschlieszligende Bewertung fehlen hier jedoch noch Daten

Obwohl in Einzelfaumlllen hohe Gehalte an 12-ungesaumlttigten PA in bestimmten Le-bensmitteln des allgemeinen Verzehrs nachgewiesen wurden haumllt das BfR nach derzeitiger Datenlage auch bei hoher Auf-nahme dieser Lebensmittel eine akute Ge-sundheitsschaumldigung fuumlr unwahrscheinlich Zur Abschaumltzung des potenziellen Risikos von genotoxisch-kanzerogenen Wirkungen legte das BfR wie international uumlblich den MOE-Ansatz (Margin of Exposure) zugrun-de Dabei wird ausgehend von Tierstudien angenommen dass fuumlr genotoxische Kan-zerogene ein MOE-Wert von 10000 oder houmlher aus Sicht der oumlffentlichen Gesundheit als wenig bedenklich und die Prioritaumlt fuumlr Maszlignahmen im Rahmen des Risikomanage-ments als niedrig angesehen werden kann Bei genotoxisch-kanzerogenen Stoffen kann keine Schwellendosis angenommen werden unterhalb derer keine unerwuumlnschten Wir-kungen mehr erwartet werden Daher gilt in der Europaumlischen Union die Empfehlung die Exposition gegenuumlber genotoxisch und kanzerogen wirkenden Substanzen so weit zu minimieren wie dies vernuumlnftig erreich-bar ist ndash das sogenannte ALARA-Prinzip (as low as reasonably achievable) Selbst geringe Aufnahmemengen koumlnnen insbesondere bei regelmaumlszligigem Verzehr mit einer Erhouml-hung gesundheitlicher Risiken verbunden sein

Die Bewertung des genotoxischen und kan-zerogenen Risikos erfolgt als Vergleich der Gesamtaufnahme uumlber verschiedene Tees Milch und Honig bei Kindern und Er-wachsenen auf der Basis verschiedener Ver-zehrszenarien mit dem BMDL10-Wert von

73 Mikrogramm pro Kilogramm Koumlrperge-wicht und Tag unter Berechnung des MOE Der BMDL10-Wert (Benchmark dose lower confidence limit 10) ist ein Schaumltzwert der niedrigsten Dosis die im Tierexperiment mit 95-prozentiger Sicherheit eine Krebsin-zidenz von nicht mehr als 10 Prozent ver-ursacht Alle Berechnungsansaumltze sowohl fuumlr Kinder als auch fuumlr die erwachsene Be-voumllkerung ergaben MOE-Werte deutlich unterhalb von 10000 Da nach Ansicht des Wissenschaftlichen Ausschusses der EFSA ein MOE erst ab einem Wert von mindes-tens 10000 aus Sicht der oumlffentlichen Ge-sundheit als wenig bedenklich anzusehen ist empfiehlt das BfR die Gesamtexposition mit PA aus allen Lebensmitteln so niedrig wie moumlglich zu halten und einen MOE von 10000 bei Beruumlcksichtigung der PA-Zufuhr aus allen Quellen nicht zu unterschreiten Dazu sollten die Bemuumlhungen fortgesetzt werden die PA-Gehalte in Lebensmitteln weiter zu senken

Forschungsansaumltze des BfR

Das BfR befasst sich seit einigen Jahren mit der Problematik der Verunreinigung von Lebensmitteln mit 12-ungesaumlttigten PA und verfolgt hierzu verschiedene Forschungs-ansaumltze Die Analytik der 12-ungesaumlttigten PA stellt aufgrund ihrer groszligen strukturel-len Vielfalt und des Vorkommens in unter-schiedlichen Lebensmitteln eine besondere Herausforderung dar In den letzten Jahren hat das BfR spezifische Nachweismethoden entwickelt und in Ringversuchen validiert Diese Methoden stehen auf der Homepage des BfR zur Verfuumlgung und koumlnnen z B in der Lebensmittel- und Futtermitteluumlberwa-chung eingesetzt werden

Neben der Entwicklung analytischer Me-thoden werden am BfR die molekularen Mechanismen der Toxizitaumlt von 12-unge-saumlttigten PA untersucht Hier stehen vor allem Untersuchungen zur strukturabhaumln-gigen Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber die Darmbarriere im Vordergrund Die Ergebnisse zeigen dass sich das Wirkungs-potenzial der 12-ungesaumlttigten PA aufgrund von Unterschieden im strukturabhaumlngigen Transport uumlber die Darmbarriere unter-scheiden kann Auch zeigten die getesteten Modellsubstanzen in einem Zellkulturmo-dell deutliche strukturspezifische Unter-schiede im Metabolismus Weitere Untersu-

Pflanzen die Pyrrolizidinalkaloi-de bilden finden sich vor allem in den Familien der Korbbluumltler (Asteraceae) der Raublatt- oder Borretschgewaumlchse (Boraginaceae) und der Huumllsenfruumlchtler (Faba-ceae)

22 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

chungen zu der Zerstoumlrung der sinusoidalen Endothelzellen durch 12-ungesaumlttigte PA sollen zum Verstaumlndnis der Mechanismen beitragen die zu den venookklusiven Ver-aumlnderungen in der Leber fuumlhren Auch wer-den Untersuchungen zur Metabolisierung nahrungsrelevanter Pyrrolizidinalkaloide durchgefuumlhrt Die Forschungsprojekte wer-den von der Deutschen Forschungsgemein-schaft (DFG) gefoumlrdert

Empfehlungen zur Reduktion der PA-Gehalte

Das BfR empfiehlt dass sich Management-maszlignahmen an der Vermeidung genoto-xisch-kanzerogener Effekte der 12-ungesaumlt-tigten PA als dem empfindlichsten Endpunkt orientieren Die Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA sollte fuumlr Verbrau-cherinnen und Verbraucher so gering wie moumlglich sein Dazu sollten die PA-Gehalte in Lebensmitteln so weit wie moumlglich sin-ken Dies gilt insbesondere fuumlr Kraumlutertees Rooibostee Schwarzen Tee und Gruumlnen Tee sowie bestimmte Nahrungsergaumlnzungsmit-tel Hier sollten Anbau- Ernte- und Reini-gungsmethoden weiterhin verbessert wer-den Auch die Auswahl der Rohhonige kann zu einer Reduzierung der Gehalte an 12-un-gesaumlttigten PA in verzehrfertigen Honigen beitragen Auszligerdem sind vor der Vermark-tung seitens der Lebensmittelunternehmer weiterhin Kontrollen in allen betroffenen Lebensmittelkategorien notwendig

Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das potenzielle gesundheitliche Risiko durch PA durch eine abwechslungsreiche Ernaumlh-rung verringern und so generell einseitigen Belastungen mit verschiedenen potenziell gesundheitsgefaumlhrdenden Stoffen vorbeu-gen Insbesondere fuumlr Kinder Schwangere und Stillende empfiehlt das BfR den taumlgli-chen Fluumlssigkeitsbedarf nicht ausschlieszliglich mit Kraumlutertee und Tee zu decken

Bei der Zubereitung von Salat Blattgemuumlse und Kraumlutern sollten Verbraucherinnen und Verbraucher Pflanzenteile aussortieren die sie keinen bekannten essbaren Pflanzen zu-ordnen koumlnnen

Wer Nahrungsergaumlnzungsmittel auf Pollen-basis oder auf Basis von Pflanzen einnimmt die 12-ungesaumlttigte PA bilden sollte sich bewusst sein dass diese Produkte 12-un-gesaumlttigte PA in houmlheren Konzentrationen enthalten koumlnnen

Mehr erfahrenStellungnahme Nr 0302016 des BfR vom 28 September 2016

Necinbase

Necinsaumlure

Die Struktur von PA

Chemisch handelt es sich um Ester aus einer Necinbase und aliphatischen Mono- oder Dicarbonsaumluren (Necin-saumluren) Aus toxikologischer Sicht besonders bedeutsam sind Pyrroli-zidinalkaloide mit 12-ungesaumlttigter Necinstruktur (12-ungesaumlttigte PA) Die 12-ungesaumlttigte Necinstruktur als gemeinsames Strukturmerkmal erlaubt grundsaumltzlich die Giftung durch Oxidation zum Dehydropyrrolizidin das durch seine alkylierenden Eigenschaf-ten fuumlr die genotoxische und karzino-gene Wirkung dieser Substanzgruppe verantwortlich ist

copy R

ukiM

edia

shu

tters

tock

com

copy J

iri H

era

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

23012017

Im suumldlichen Afrika spielt die Landwirt-schaft eine Schluumlsselrolle bei der Armuts-bekaumlmpfung Eine wachsende Produktion tierischer Lebensmittel bringt jedoch auch neue Herausforderungen an die Lebensmit-telsicherheit mit sich Das BfR-Forschungs-projekt bdquoSAD-Zambialdquo (bdquoStaphylococcus aureus in der Milchlebensmittelkette in Sambia ndash Bekaumlmpfung lebensmittelbeding-ter Erkrankungen und Antibiotikaresisten-zen beim Menschldquo) befasst sich damit wie die Produktion und der Vertrieb von Milch und Milchprodukten in Sambia sicherer gestaltet werden koumlnnen Ziel ist es zu be-werten in welchem Umfang das Bakterium Staphylococcus (S) aureus uumlber Milch und Milchprodukte auf den Menschen uumlbertra-gen wird In einem ersten Schritt werden Feldstudien in verschiedenen Provinzen des Landes durchgefuumlhrt um das Vorkommen dieses Erregers und moumlgliche Schwachstel-len in der Milchlebensmittelkette in Sambia zu analysieren Hierbei stehen Toxin-bil-dende S aureus-Staumlmme im Fokus Auszliger-dem wird untersucht in welchem Umfang Methicillin-resistente S aureus (MRSA) die gegen eine bestimmte Klasse von Antibio-tika resistent sind in der Milchlebensmit-

telkette vorkommen Die Bewertungsarbeit beinhaltet auch einen Vergleich traditio-neller und moderner Produktionssysteme Am BfR werden anschlieszligend die Analysen zu den Eigenschaften der gewonnenen Bakterienstaumlmme sowie stammvergleichen-de Untersuchungen durchgefuumlhrt In einem weiteren Schritt werden Ansatzpunkte zur Reduzierung der Bakterien sowie Methoden zum Monitoring von zoonotischen und An-tibiotika-resistenten S aureus in der Milch-lebensmittelkette in Sambia entwickelt So soll zum Verstaumlndnis der lebensmittelbe-dingten Risiken entlang der Milchlebens-mittelkette in Sambia beigetragen werden Das Projekt begann am 01072016 und laumluft drei Jahre Es wird vom Bundesminis-terium fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft gefoumlrdert und aus BfR-Mitteln co-finanziert Neben dem BfR beteiligen sich an dem For-schungsprojekt das International Livestock Research Institute die University of Zambia und das Central Veterinary Research Insti-tute als Teil des sambischen Ministeriums fuumlr Nutztiere und Fischerei Durch dieses Forschungsnetzwerk soll eine nachhaltige Partnerschaft aufgebaut werden

Mit dem Forschungsprojekt bdquoSAD-Zambialdquo leistet das BfR einen Beitrag zur Staumlrkung der Lebensmittelsicherheit und damit zur Ernaumlhrungssicherheit im suumldlichen Afrika Koordinatorin des Projekts ist Frau Dr Alexandra Fetsch Der sambische Doktorand Herr Bruno Phiri berichtet von seiner alltaumlglichen Arbeit Beide arbeiten in der Fach-gruppe bdquoMikrobielle Toxineldquo des BfR

POST AUS hellipSAMBIA

raquobdquoDas SAD-Zambia Projekt ist fuumlr mich ein Meilenstein und ich bin dem BfR sehr dankbar dass es mir diese Moumlglichkeit gibt Ich habe schon viel dazugelernt und konnte meine Kompetenzen bezuumlglich der Diagnose von Krankheitserregern verbessern Das Projekt bringt mich aber nicht nur persoumlnlich voran auch mein Land kann davon profitieren Mein Arbeitsalltag beginnt meist mit einem Besuch bei den Milchbauern und ihren Herden Dort schaue ich mir an wie die Kuumlhe gemolken werden und nehme Proben von den Tieren der Milch und der Umge-bung Auch in Milchsammelstellen und auf Maumlrkten nehme ich Proben Diese analysiere ich anschlieszligend im Labor an der Universitaumlt Schon jetzt freue ich mich auf die weiteren Untersuchungen der Bakterienstaumlm-me am BfR Ich war zu Beginn des Projektes dort ndash eine sehr eindrucks-volle Erfahrungldquo

(Bruno Phiri)

copy a

stud

ios

hutte

rsto

ckc

om

copy B

fR

24 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

Algengift in Tropenfischen

Bisher traten Lebensmittelvergiftungen durch Ciguato-xin ndash einem Algentoxin das in tropischen Speisefischen wie Barrakuda Schnapper oder Zackenbarsch enthalten sein kann ndash vorwiegend in den Tropen auf Mit dem zunehmenden Import von Fischen aus Suumldostasien haumlufen sich auch in Europa und seit 2012 in Deutschland Faumllle von Ciguatera Ein Problem dabei Eine Analyse-methode mit der Fisch routinemaumlszligig auf Ciguatoxine untersucht werden kann ist derzeit noch nicht verfuumlgbar Da weltweit nur wenige Labore auf den Nachweis von Ci-guatoxinen in Fischen spezialisiert sind wird im Projekt bdquoEuroCigualdquo der Europaumlischen Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit (EFSA) unter anderem an der Verbesserung entsprechender Analysemethoden und zum Vorkommen ciguatoxischer Fische in Europa geforscht Das BfR liefert fuumlr das Projekt Angaben zu Erkrankungsfaumlllen in Deutschland Die krankmachenden Algentoxine reichern sich uumlber die Nahrungskette in Raubfischen an und sind uumlberaus stabil Durch Erhitzen oder Tiefkuumlhlen lassen sie sich nicht entfernen Beim Menschen kann der Verzehr betroffener Fische dann zu Vergiftungen mit zum Teil schweren oder andauernden Beeintraumlchtigungen des Nervensystems fuumlhren An Ciguatera Erkrankte nehmen normale Kaumlltereize als ungewoumlhnlich schmerzhaft wahr

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt A-Z-Index Ciguatoxin

Alkaloide in Lupinensamen

In verarbeiteten Produkten oder zum Knabbern Lupinensamen sind im Trend Da sie jedoch toxikologisch relevante bittere Chinolizidinalkaloide enthalten koumlnnen bewertet das BfR ihr gesundheitliches Risiko Der Gehalt an Chinolizi-dinalkaloiden in Lupinensamen variiert je nach botanischer und geografischer Abstammung Samen die von bdquoBitterlupinenldquo stammen sind aufgrund ihrer houmlheren Gehalte ohne geeignete Vorbehandlung der bdquoEntbitterungldquo nicht zum Verzehr geeignet Denn Sie koumlnnen beim Menschen Vergiftungssymptome her-vorrufen Lupinenvarietaumlten die Samen mit niedrigen Alkaloidgehalten liefern werden als bdquoSuumlszliglupinenldquo bezeichnet Suumlszliglupinensamen sind auch ohne Entbitte-rung verzehrsfaumlhig In Deutschland kam es mit Bitterlupinensamen vereinzelt zu Vergiftungsfaumlllen Das BfR empfiehlt Herstellern daher nur ganze Lupinensamen in den Verkehr zu bringen die ohne weitere Entbitterungsprozesse verzehrsfaumlhig sind Mehl aus Lupinensamen sollten Hersteller aus alkaloidarmen oder ausrei-chend entbitterten Samen herstellen

Uumlbertragungswege des Hepatitis-E-Virus

Infektionen mit dem Hepatitis-E-Virus (HEV) koumlnnen zu einer akuten Leberentzuumlndung fuumlhren In den letzten Jahren sind die Zahlen gemeldeter Hepatitis-E-Faumllle des Menschen in Deutsch-land stark angestiegen Forschungsergebnisse des BfR in Zusam-menarbeit mit anderen Einrichtungen haben gezeigt dass das Virus in deutschen Haus- und Wildschweinen weit verbreitet ist Vereinzelt wurde HEV auch in Rehen und Rotwild nachgewiesen

Unklar ist derzeit noch auf welchen Wegen sich die Patienten mit dem Virus anstecken Moumlglich sind direkte Virusuumlbertra-gungen zum Beispiel vom Wildtier auf den Jaumlger und indirekte uumlber Lebensmittel die aus infizierten Tieren hergestellt wurden Wie aktuelle Studien des BfR zeigen kann HEV in verschiedenen Wurstwaren aus dem deutschen Einzelhandel nachgewiesen wer-den Fraglich ist ob das Virus in diesen Produkten noch anste-ckend ist oder ob es bei der Herstellung der Lebensmittel zerstoumlrt wird Hierfuumlr noumltige Untersuchungen waren in der Vergangenheit erschwert da sich HEV im Labor nur schlecht kultivieren lieszlig Erste Ergebnisse von Untersuchungen mithilfe eines am BfR ent-wickelten neuartigen Zellkultur-Systems weisen darauf hin dass HEV hitzeempfindlich ist aber bei Kuumlhlung oder Raumtempera-tur mehrere Wochen infektioumls bleiben kann

SPEKTRUM

copy N

eil B

urto

nsh

utte

rsto

ckc

om

copy N

atal

ia M

ylov

ash

utte

rsto

ckc

om

copy iS

tock

com

Mee

Poo

hyap

hoto

25012017

bdquoNur eine gemeinsame Strategie ist effektivldquo

Frau Kaumlsbohrer ein zentrales Thema Ihrer Forschung sind Antibiotikaresis-tenzen In der oumlffentlichen Debatte wird oft ein Zusammenhang hergestellt zwi-schen dem haumlufigen Einsatz von Anti-biotika in der Nutztierhaltung und dem Auftreten resistenter Bakterien in der Humanmedizin Doch werden bei Tieren nicht andere Antibiotika eingesetzt als bei MenschenUm die Unterschiede zu erlaumlutern muss man zwischen Praumlparaten und den antibiotischen Wirkstoffgruppen unterscheiden Beim Tier verwenden Veterinaumlrmediziner ande-re Praumlparate als Aumlrzte beim Menschen Der wirksame Inhaltsstoff das Antibiotikum kann aber dasselbe sein Die Antibiotika lassen sich wiederum in Wirkstoffgruppen einteilen Mit Blick auf die Wirkstoffgrup-pen gilt Die meisten Antibiotika die beim Menschen eingesetzt werden gehoumlren zu Wirkstoffgruppen die wir auch in der Vete-rinaumlrmedizin nutzen Es gibt nur ganz weni-ge Antibiotikagruppen die nur auf der einen oder der anderen Seite verwendet werden Dazu gehoumlren zum Beispiel die Carbapene-me die nicht beim Nutztier eingesetzt wer-den duumlrfen In der Humanmedizin kommen sie insbesondere zum Einsatz wenn andere Antibiotika nicht mehr wirksam sind

bdquoEine Resistenz ge-gen einen bestimm-ten Wirkstoff kann sich auch ausbrei-ten obwohl diese Wirkstoffgruppe nicht eingesetzt wurde

Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer leitet am BfR die Fachgruppe bdquoEpide-miologie Zoonosen und Antibiotika-resistenzldquo die unter anderem auch das Nationale Referenzlabor fuumlr Antibiotika- resistenzen umfasst Seit April 2016 ist sie auszligerdem Professorin an der Vetmeduni Vienna und leitet dort das Institut bdquoOumlffentliches Veterinaumlrwesenldquo

Wenn sie beim Nutztier nicht eingesetzt werden duumlrfen wie kann es dann sein dass Sie am BfR im Rahmen des For-schungsprojekts RESET Carbapene-mase-bildende Bakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden gefunden habenDie Entstehung von Antibiotikaresistenzen ist ein natuumlrlicher Vorgang bei Bakterien Durch den Gebrauch von Antibiotika wird dieser Prozess beschleunigt Eine Resistenz gegen einen bestimmten Wirkstoff kann sich auch ausbreiten obwohl diese Wirk-stoffgruppe nicht eingesetzt wurde Dank der Selektion gilt meist Wenn ich einen Wirkstoff einsetze gebe ich jenen Bakterien einen Vorteil die gegen den Wirkstoff resis-tent sind Aber Carbapenemasen also die Enzyme die von Carbapenem-resistenten Bakterien gebildet werden koumlnnen neben den Carbapenemen auch fast alle anderen

Bakterien die gegen Antibiotika resistent sind stellen ein Risiko fuumlr die oumlffentliche Gesundheit dar Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer widmet sich am BfR dieser Problematik Im Gespraumlch erklaumlrt sie welche Faktoren bei der Ausbreitung von Resistenzen eine Rolle spielen

copy M

icha

el B

ernk

opf

Vetm

edun

i Vie

nna

26 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

β-Laktam-Antibiotika inaktivieren Theo-retisch ist es daher moumlglich dass sich eine Resistenz gegen Carbapeneme ausbreitet obwohl der Tierarzt beim Nutztier eine an-dere Wirkstoffgruppe eingesetzt hat Ist die Resistenz bei Bakterien vorhanden gibt es viele Ausbreitungswege Ein Stall ist kein steriler Ort sondern belebte Umwelt Moumlg-liche Eintragswege fuumlr resistente Bakterien in einen Stall sind z B belebte Vektoren wie neu eingestallte Tiere Maumluse Fliegen oder Voumlgel aber auch unbelebte Vektoren wie Futter Wasser Staub oder Geraumltschaften

Was hat sich seit dem Fund der Carba-penemase-bildenden Enterobakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden fuumlr Ihre Arbeit beim BfR geaumlndert Der Fund hatte vielfaumlltige Konsequenzen Wir haben vor allem die gezielten Untersu-chungsaktivitaumlten verstaumlrkt Bakterien-Iso-late aus Tierbestaumlnden und Lebensmitteln werden seit 2014 im Rahmen des Resistenz-monitorings im BfR routinemaumlszligig auf eine Carbapenem-Resistenz getestet Auszligerdem steht seit 2015 fuumlr den Nachweis von Carba-penemase-bildenden Bakterien ein weiteres gezieltes Nachweisverfahren zur Verfuumlgung Hierzu muumlssen die Labore geschult werden Zusaumltzlich werden im Nationalen Refe-renzlabor fuumlr Antibiotikaresistenz am BfR Carbapenemase-verdaumlchtige Bakterien auf die charakteristischen Resistenzgene hin un-tersucht Am BfR wurden hierfuumlr verschie-dene Methoden fuumlr die Untersuchung von E coli und Salmonella etabliert Bisher wur-den sehr selten solche Resistenzgene nach-gewiesen bei Nutztieren das Gen blaVIM-1 bei einem Wildvogel das Gen blaNDM-1

Oftmals sind die Resistenzgene gegen Carbapeneme zusammen mit anderen Resistenzgenen auf mobilen geneti-schen Elementen lokalisiert Warum ist hier besondere Vorsicht gebotenZunaumlchst ist die Trefferwahrscheinlichkeit fuumlr eine Selektion houmlher wenn mehrere Re-sistenzgene auf einem genetischen Element liegen d h der Einsatz verschiedener Anti-biotika kann zu einem Selektionsvorteil fuumlh-ren Die Lokalisation von Resistenzgenen auf mobilen genetischen Elementen spielt fuumlr die Uumlbertragbarkeit von Resistenzen eine wichtige Rolle Denn Diese Resistenzgene koumlnnen mittels horizontalem Gentransfer auf ganz unterschiedliche Bakteriengruppen uumlbertragen werden Diese Erkenntnis hat eine Art Revolution ausgeloumlst Lange Zeit wurde ein Erreger mit all seinen Eigenschaf-ten als Einheit betrachtet Kann die Resis-tenz aber zwischen Bakteriengruppen hin

und her uumlbertragen werden verfaumllscht das moumlglicherweise den Blick auf eine Gruppe Folglich mussten die Nachweisverfahren umgestellt und die Uumlbertragbarkeit von Re-sistenzen mit analysiert werden Erschwe-rend kommt hinzu dass ein Resistenzgen auf einem grundsaumltzlich ungefaumlhrlichen

Bakterium zum Problem werden kann Manche Bakterien wie beispielsweise E coli gehoumlren zur normalen Darmflora Traumlgt so ein Bakterium eine Resistenzeigenschaft ist das erstmal nicht gefaumlhrlich Aber Es kann diese Eigenschaft moumlglicherweise an einen Infektionserreger weitergeben

Welche konkreten Folgen kann eine solche Weitergabe von Resistenzeigen-schaften habenSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt Schon jetzt weichen Aumlrzte auf Wirk-stoffgruppen aus die in der Humanmedizin lange verpoumlnt waren Dies gilt zum Beispiel fuumlr Colistin Fuumlr den Menschen ist es nicht gut vertraumlglich moumlgliche Nebenwirkun-gen sind beispielsweise die Schaumldigung der Nieren oder des Nervensystems In der Ve-terinaumlrmedizin hat Colistin seit Jahrzehnten eine erhebliche Bedeutung vor allem fuumlr die Behandlung von Infektionen des Ma-gen-Darm-Traktes bei Nutztieren auch um andere Wirkstoffgruppen zu vermeiden

Spielt im Fall von Colistin die Mobilitaumlt des Resistenzgens auch eine besonde-re Rolle Inzwischen ja Bis Ende 2015 waren sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler einig Eine Colistin-Resistenz ist nicht uumlbertragbar Das heiszligt kommt eine solche Resistenz bei einem Infektionserreger beim Nutztier vor ist sie nicht per se auf ein hu-manpathogenes Bakterium uumlbertragbar Doch Ende 2015 wurde in China erstmals das uumlbertragbare Gen mcr-1 beschrieben Untersuchungen in Belgien haben spaumlter zur Beschreibung eines weiteren mobilen Gens fuumlr die Colistin-Resistenz bei Nutztieren

bdquoSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

27012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Ausbreitung von Resistenzen

Haustiere

Krankenhaus

Belastetepflanzliche Lebensmittel

Belastete tierische Lebensmittel

Nutztiere

Futtermittel

Schaumldlinge

Uumlbertragungswege resistenter Bakterien

Menschen

Eine Antibiotikaresistenz entsteht

(z B durch Mutation)

Antibiotikatherapie beguumlnstigt die

Selektion resistenter Bakterien

Nahrung

Duumlnger Abwasser

Abwasser

28 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

gefuumlhrt mcr-2 Das bedeutet eine Uumlbertra-gung der durch diese Gene vermittelten Re-sistenz auf ein humanpathogenes Bakterium ist theoretisch moumlglich Allerdings scheint dies bisher selten der Fall zu sein

Diese Erkenntnisse offenbaren einen groszligen Forschungsbedarf Was tun Sie in der Abteilung bdquoBiologische Sicher-heitldquo um das Risiko zu bewerten Als 2015 klar wurde dass es eine uumlbertrag-bare Colistin-Resistenz gibt haben wir diese neue Erkenntnis in den laufenden Projekten natuumlrlich sofort aufgegriffen Im Rahmen des Forschungsprojekts RE-SET haben wir zum Beispiel vorhandenes Bakterienmaterial und die bei unseren Ko-operationspartnern verfuumlgbaren Gesamt-genominformationen auf das Vorkommen dieses neuen Resistenzgens gepruumlft Schnell war klar Ja dieses Gen finden wir in den Sequenzen Und die Pruumlfung von Colis-tin-resistenten Isolaten aus unserer Stamm-sammlung hat bestaumltigt dass dieses Resis-tenzgen bereits weit verbreitet ist

Muumlssen nun neue Forschungsprojekte zu dem Thema initiiert werdenJa denn viele Fragen bleiben bislang offen Wie haumlufig wird die Resistenz tatsaumlchlich uumlbertragen Was triggert diese Uumlbertra-gung Es gibt auch diagnostische Probleme Das uumlbliche Verfahren in der Humanmedi-zin um Resistenzen zu testen umfasst in der Regel nicht die Resistenz gegen Colistin Es gibt also viel zu tun Neue Diagnose- und Typisierungsverfahren aufbauen unser Re-sistenzmonitoring erweitern und routine-maumlszligig phaumlnotypisch resistente Isolate auf das Gen pruumlfen Die Ergebnisse muumlssen wir dann uumlbergreifend bewerten um Hand-lungsoptionen aufzuzeigen

Welche Uumlbertragungswege spielen bei der Colistin-Resistenz fuumlr den Men-schen eine Rolle Mit Sicherheit koumlnnen wir das derzeit nicht sagen Die chinesische Arbeitsgruppe hat Colistin-Resistenzen sowohl im Schweine-fleisch als auch beim Menschen gefunden Daher liegt die Hypothese nahe dass es eine Uumlbertragung uumlber Lebensmittel gibt Gleichzeitig gibt es generell die Beobachtung von nosokomialen Ausbreitungen resisten-ter Bakterien Das sind Ausbreitungen von Antibiotikaresistenzen im Krankenhaus

Resistenzen breiten sich aus Wunder-waffen verlieren ihre Wirkung selbst im Krankenhaus sind wir nicht sicher Gibt es uumlberhaupt eine effiziente Strategie gegen die Ausbreitung der Antibiotika- resistenzen Und wer ist dabei gefor-dertUm die Ausbreitung von Antibiotika- resistenzen zu verhindern braucht es eine gemeinsame Strategie Schlieszliglich sind hier komplexe Zusammenhaumlnge zwischen Mensch Tier und Umwelt am Werk Am BfR streben wir deswegen eine enge Zu-sammenarbeit mit allen Akteuren im oumlffent-lichen Gesundheits- und Veterinaumlrwesen an Bei diesem bdquoOne Health-Ansatzldquo sind sowohl Veterinaumlr- als auch Humanmedizi-ner gefordert Auch Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

Was sollten Verbraucherinnen und Ver-braucher beachtenHier gelten dieselben Hygieneregeln die auch fuumlr andere vom Tier oder vom Le-bensmittel auf den Menschen uumlbertragba-re Krankheitserreger gelten Zum Beispiel sollten sie sich nach dem Kontakt mit Tie-ren die Haumlnde mit warmem Wasser und Seife waschen Auch nach der Zubereitung von rohem Fleisch sollten die Haumlnde gruumlnd-lich gewaschen werden Fleisch Eier und Rohmilch sollten vor dem Verzehr durcher-hitzt werden Rohkost und Obst sollten vor dem Verzehr gruumlndlich mit Trinkwasser gewaschen oder geschaumllt werden Weiterhin wichtig ist den direkten oder indirekten Kontakt von rohem Fleisch und rohen Ei-ern mit verzehrfertigen Speisen die spaumlter nicht mehr erhitzt werden zu vermeiden Durch die Einhaltung der Hygieneregeln kann man einer Uumlbertragung von resisten-ten und oder pathogenen Bakterien auf an-dere Lebensmittel vorbeugen

Mehr erfahren Irrgang et al 2017 Recurrent detection of VIM-1-producing Escherichia coli clone in German pig production Journal ofAntimicrobial Chemotherapy 72 3 944ndash946

bdquoVerbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

RESET

Der Forschungsverbund RESET ndash Antibiotika-Resistenzen bei Tier und Mensch ndash beschaumlftigte sich von 2010 bis 2017 mit Resistenzen gegen die besonders wichtigen Antibiotika-Klas-sen der β-Laktam-Antibiotika und (Fluor-)Chinolone bei Darmbakterien wie Escherichia (E) coli Sind Bak-terien gegen beide Wirkstoffklassen resistent werden die therapeutischen Moumlglichkeiten drastisch eingeschraumlnkt Bei E coli und Salmonella enterica wurden derartige Resistenzen bereits nachgewiesen Das BfR beteiligte sich mit zwei Projekten an dem Forschungs-verbund Durch das konsequente Zusammenfuumlhren von Ergebnissen der unterschiedlichen Forschungsgebiete in einer gemeinsamen Datenbank konnten Erkenntnisluumlcken geschlossen und Risiken bewertet werden Das Projekt wurde vom Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) gefoumlrdert

29012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Kann es durch die Mischung verschiedener Pestizid-Ruumlckstaumlnde beim taumlglichen Verzehr zu gesundheitsgefaumlhrdenden Belastungen kommen

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

30 BfR 2 GO

Wenn von Paradigmenwechseln die Rede ist findet meist ein grundlegendes Umdenken statt In der Risikobewertung von Chemikalien habe ein Paradigmenwechsel stattge-

funden der die traditionelle Einzelsubstanz-Bewertung hinter sich lasse schrieben BfR-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler vor einiger Zeit Man koumlnnte meinen in der Toxikologie wird der Paracelsus-Satz kuumlnftig umgeschrieben Nicht nur die Dosis son-dern auch die Aufsummierung der Dosierungen in einer Mischung macht das Gift

Gift- oder Todescocktail ndash plakative Medienbegriffe

Denn tatsaumlchlich In den letzten Jahren beschaumlftigen sich weltweit immer mehr Gremien politische Ausschuumlsse und Forschungspro-jekte mit der Frage wie man die Auswirkungen von Mischungen auf Umwelt und Gesundheit kuumlnftig bewerten kann Auch in der Oumlffentlichkeit wird das Thema emotional verhandelt Chemikali-enmix Gift- oder sogar Todescocktail ndash mit plakativen Begriffen umschreiben Medien das Phaumlnomen der Mehrfachruumlckstaumlnde Entsprechend tief sitzt die Angst bei Verbraucherinnen und Ver-brauchern In einer vom BfR in Deutschland durchgefuumlhrten re-praumlsentativen Wahrnehmungsstudie vermuten 80 Prozent der Befragten dass der Einsatz mehrerer unterschiedlicher Pflanzen-schutzmittel zu gesundheitlichen Beeintraumlchtigungen durch Le-bensmittel fuumlhren kann

Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck sein

Zwar zeigen verschiedene aktuelle Monitoring-Projekte dass das gesundheitliche Risiko durch Mehrfachruumlckstaumlnde von Pflanzen-schutzmitteln unwahrscheinlich ist (s Interview) aber das Thema bleibt auch fuumlr die Wissenschaft draumlngend Denn auch wenn Mi-schungen schon seit Jahrzehnten wissenschaftlich analysiert und bewertet werden das Beduumlrfnis nach einer zuverlaumlssigen Bewertung der Risiken fuumlr Mensch und Umwelt steigt Grund dafuumlr ist zum einen die Vielzahl immer neuer Wirkstoffe Zusatzstoffe Chemika-lien Ruumlckstaumlnde und Kontaminanten gegenuumlber denen Menschen exponiert sind verbunden mit immer verfeinerten wissenschaftli-chen Nachweismethoden Zum anderen steigt der Druck aus der Oumlffentlichkeit Um wissenschaftliche Divergenzen zu vermeiden muumlssen transparente und international harmonisierte Verfahren entwickelt werden Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck in der Risikobewertung sein

Alle Gemische im Tierversuch zu testen ist nicht durchfuumlhrbar

Worum geht es im Einzelnen Mischungen liegen immer dann vor wenn ein Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt verschiedene Stoffe gleichzeitig aufnimmt z B Ruumlckstaumlnde Kontaminanten oder Chemikalien die nach der Europaumlischen Chemikalienverordnung REACH registriert sind Das geschieht wenn sogenannte intentional mixtures also beabsichtigte Mischungen wie Pflanzenschutzmittel oder Biozide in den Verkehr gebracht werden Aber auch unintenti-onal mixtures nimmt der Koumlrper auf Sei es dass verschiedene Stoffe in einem Produkt enthalten sind z B mehrere Pflanzenschutzmit-telruumlckstaumlnde in einem Apfel Oder sei es dass Stoffe gleichzeitig uumlber unterschiedliche Produkte aufgenommen werden In all diesen Faumlllen koumlnnen Mischungseffekte auftreten Diese sind je nach Wirk-mechanismus unterschiedlich stark ausgepraumlgt So koumlnnen sich die Wirkungen von Stoffen gegenseitig potenzieren oder auch aufheben Nach derzeitigem Kenntnisstand wird davon ausgegangen dass sich Wirkungen in der Regel addieren wenn die aufgenommenen Stoffe oberhalb der Wirkschwelle liegen den gleichen Wirkmechanismus haben und zu einem relevanten Zeitpunkt vom Organismus aufge-nommen wurden

Hier beginnen die Schwierigkeiten Es gibt zu viele intentional mix-tures die eine nahezu unuumlbersehbar groszlige Anzahl von Kombinati-onen ermoumlglichen Diese Gemische alle im Tierversuch zu testen wie sonst bei Einzelsubstanzen uumlblich waumlre sowohl ethisch nicht zu vertreten als auch praktisch nicht durchfuumlhrbar Daher arbeiten viele Forschungsprojekte u a der EU-Kommission daran tierversuchs-freie Methoden fuumlr die kumulative Bewertung zu entwickeln die die Effekte von Mischungen in vitro oder durch computergestuumltzte Be-rechnungen in silico berechnen (s Interview und Kasten)

Weltweit setzen Laumlnder das Thema auf ihre Agenda

Nicht nur fuumlr die Wissenschaft auch fuumlr den harmonisierten Voll-zug von Gesetzen ergeben sich dadurch neue Herausforderungen So schreibt z B die EU-Verordnung uumlber das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vor Kumulations- und Synergieeffekte zu be-ruumlcksichtigen ndash sofern es von der Behoumlrde anerkannte wissenschaft-liche Methoden zur Messung solcher Effekte gibt Doch die lagen bisher nicht vor Deshalb werden nun auf allen Ebenen technische Leitfaumlden fuumlr die neuen Methoden erstellt um eine harmonisierte

Auf die Mischung kommt es anKumulative Risikobewertung nimmt weltweit eine immer groumlszligere Bedeu-tung in der Toxikologie ein Das BfR arbeitet an einer Vielzahl von Projek-ten wie Mischungen in Zukunft bewertet werden koumlnnen

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

31012017

Vorgehensweise und transparente Nachvollziehbarkeit bei der Zu-lassung von Produkten zu gewaumlhrleisten Unter anderem die EFSA die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmittelsicherheit die Europauml-ische Chemikalienagentur ECHA und das JRC die Gemeinsame Forschungsstelle der Europaumlischen Kommission erarbeiten solche technischen Leitfaumlden

Neben der wissenschaftlichen Komplexitaumlt muumlssen diese techni-schen Leitfaumlden weitere Herausforderungen meistern Sie sollen fuumlr alle Bereiche gelten in denen Mischungen in Verkehr gebracht werden oder entstehen koumlnnen Bisher wurden Mischungen haumlufig nur in einem regulatorischen Bereich untersucht z B als Pflan-zenschutzmittel Biozid oder Arzneimittel Fuumlr andere Stoffe wie Lebensmittelzusatzstoffe oder Kontaminanten war die Bewertung von Mischungen bisher nicht klar gesetzlich reguliert In Zukunft sollen auch diese Stoffe bei einer Bewertung von Mischungen besser beruumlcksichtigt werden Auch soll nicht nur die chemische Zusam-mensetzung eines einzelnen Produktes systematisch bei der Zu-lassung beruumlcksichtigt werden sondern auch Mehrfachruumlckstaumlnde im gesamten Warenkorb den Verbraucherinnen und Verbraucher durchschnittlich zu einer gegebenen Zeit konsumieren Und zu gu-ter Letzt muumlssen die neuen Verfahren weltweit harmonisiert werden um das kumulative Risiko fuumlr Mensch und Umwelt auch angesichts globaler Warenketten gering zu halten Deshalb diskutieren Politik und Wissenschaft zurzeit nicht nur auf europaumlischer Ebene entspre-chende Leitfaumlden auch andere Laumlnder weltweit sowie die Weltge-sundheitsorganisation WHO und die Organisation fuumlr wirtschaftli-che Zusammenarbeit und Entwicklung OECD haben die kumulative Bewertung auf ihre Agenda genommen und stimmen ihre Guidance Documents mit den uumlbrigen Behoumlrden ab

Deutschland wendet die kumulative Bewertung schon an

Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR sind an zahlreichen dieser internationalen Projekte beteiligt sowohl an der wissenschaftlichen Erforschung kumulativer Effekte als auch an der Entwicklung technischer Leitfaumlden Einen wichtigen Schritt bei der kumulativen Bewertung hat Deutschland in der Europaumlischen Uni-

Stufe um Stufe zu einer gesicherten Bewertung

Seit Maumlrz 2017 wird in Deutschland eine Methodik fuumlr die Bewertung von Kumulations- und Synergie-effekten bei der gesundheitlichen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln in den Zulassungsverfahren angewandt Grundlage fuumlr das gestufte kumulative Bewertungsverfahren ist der sogenannte bdquoHazard Quotientldquo (HQ) der fuumlr jeden einzelnen Stoff ermit-telt wird Der HQ errechnet sich aus dem Verhaumlltnis zwischen dem relevanten gesundheitlichen Grenz-wert und der geschaumltzten Exposition

In einer ersten Stufe wird der HQ fuumlr alle Stoffe eines Gemisches einzeln ermittelt Liegt der HQ jedes Stoffes unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko fuumlr die einzelnen Bestandteile der Mischung zu erwarten Liegt dieser bei einzelnen Stoffen uumlber 1 wird gepruumlft ob die Exposition durch geeignete Maszlignahmen weiter vermindert werden kann zum Beispiel durch das Tragen entsprechender Schutz-kleidung

Liegt der HQ fuumlr alle Komponenten unter 1 wird in einer zweiten Stufe der sogenannte bdquoHazard Indexldquo (HI) des Gemisches ermittelt indem alle Gefahren-quotienten der verwendeten Stoffe addiert werden Liegt der ermittelte Wert weiterhin unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko durch das Gemisch zu erwarten

Liegt der HI uumlber 1 geht die Bewertung mit weiter verfeinerten Methoden in die dritte Stufe uumlber In dieser wird gepruumlft ob ein gesundheitliches Risiko vorliegt wenn eine Gruppierung der Einzelstoffe vorgenommen wird Dazu koumlnnen die einzelnen Stoffe in kumulative Bewertungsgruppen (cumula-tive assessment groups CAGs) eingeteilt werden die z B nach Effekten im gleichen Zielorgan oder nach dem gleichen Wirkmechanismus oder nach chemischer Verwandtschaft definiert sein koumlnnen Hintergrund dieser Einteilung ist die Annahme dass sich nach gegenwaumlrtigem Kenntnisstand nur Effek-te addieren die hinsichtlich der Zielorgane oder der Wirkmechanismen (MOA) vergleichbar sind Auch die relative Potenz der einzelnen Stoffe soll bei der verfeinerten Bewertung beruumlcksichtigt werden Liegt der HI innerhalb einer CAG unter 1 ist deshalb kein gesundheitliches Risiko zu erwarten Liegt er oberhalb des Wertes und koumlnnen weder Expositionsschaumltzung noch Gefahrenbewertung weiter verfeinert werden gilt das Gemisch als nicht sicher

Das mehrstufige Verfahren hat den Vorteil dass die ressourcenaufwendigeren Methoden zur verfei-nerten Bewertung z B in vergleichbaren CAGs oder MOAs nur zum Einsatz kommen wenn mit den ersten einfacheren Bewertungsmethoden nicht nachweisbar ist dass kein gesundheitliches Risiko zu erwarten ist

copy T

atom

mis

tock

com

32 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

EuroMix A tiered strategy for risk assessment of mixtures of multiple chemicals

EuroMix ist ein laumlnderuumlbergreifendes Projekt der EU-Kommission das die nie-derlaumlndische Behoumlrde fuumlr Gesundheit und Umweltschutz RIVM koordiniert Es zielt darauf ab eine tierversuchsfreie experi-mentelle Test-Strategie zu entwickeln um die Toxizitaumlt von Gemischen verschiedener toxikologisch relevanter Lebensmittelin-haltsstoffe Lebensmittelkontaminanten und Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde besser zu bestimmen Aus den Forschungsergeb-nissen wird ein Leitfaden fuumlr die kuumlnftige Umsetzung einer experimentellen Test-Stra-tegie entwickelt Das Acht-Millionen-Eu-ro-Projekt laumluft bis Mai 2019

Mehr erfahren wwweuromixprojecteu

Kombinationseffekte Forschungsprojekte des BfR

Am BfR werden in verschiedenen Abteilungen mehrere interne Forschungsprojekte zu Kombinationseffekten durch-gefuumlhrt Dazu gehoumlren u a Forschungsprojekte zu kumulativen Wirkungen in Pflanzenschutzmitteln und Bioziden zu Mehrfachruumlckstaumlnden in Lebensmitteln zur Expositionsschaumltzung sowie zu wirbeltierfreien Alternativmethoden Daruumlber hinaus ist und war das BfR auch an folgenden Drittmittel-Projekten beteiligt die zu Kombinationseffekten forschen

Combiomics Analyse von Kombinationseffekten von Pestiziden in vitro

Combiomics war ein zweieinhalbjaumlhri-ges Projekt des Bundesministeriums fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) das im Fruumlhling 2016 abgeschlossen wurde In dem vom BfR koordinierten Projekt wurden moumlgliche Kombinationswirkungen durch Mehrfachruumlckstaumlnde beispielhaft anhand einer Gruppe von Fungiziden in vitro unter-sucht Dazu wurden die molekularen Effek-te der Triazole mittels multi level omics und praumldiktiver mathematischer Modellierung untersucht Ausgehend von den Ergebnissen wurde ein Praumldiktionsmodell fuumlr Substanz-kombinationen erstellt validiert und auf Pestizide anderer Stoffgruppen bzw weitere Substanzklassen ausgedehnt um Kombi-nationseffekte kuumlnftig weitgehend ohne Tierversuche durchfuumlhrbar zu machen

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschung gt Drittmittelprojekte gt Combiomics

Combiomics 2Auch die zweite Projektphase von Com-biomics wird vom BfR koordiniert Hier sollen erfolgreich getestete Methoden und Zelllinien in Form einer standardisierten In-vitro-Testbatterie validiert und in ein Standardverfahren integriert werden das auch kuumlnftigen regulatorischen Anforde-rungen entspricht Das dreijaumlhrige Projekt wird vom BMBF bis Ende 2019 gefoumlrdert

Mehr erfahren wwwfisaonlinede gt Kombinationseffekte Pestizide

on schon jetzt unternommen Am 1 Maumlrz 2017 erschien im Bundesanzeiger eine Be-kanntmachung dass Kumulations- und Synergieeffekte in der gesundheitlichen Be-wertung von Pflanzenschutzmitteln kuumlnf-tig durch das BfR beruumlcksichtigt werden Damit bezieht Deutschland bei der zonalen Zulassung von Pflanzenschutzmitteln eine systematische kumulative Bewertung ein

Ein Leitfaden zur kumulativen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln wurde am BfR erarbeitet basierend auf den internatio-nalen Diskussionen bei EFSA und ECHA und 2014 veroumlffentlicht Seitdem wird das Verfahren am BfR angewandt uumlberpruumlft und verfeinert Im Kern geht es darum in einem mehrstufigen Verfahren verschie-dene Wirkstoffe in einem Pflanzenschutz-mittel oder in einer beantragten Tankmi-

schung kumulativ zu bewerten (s Kasten) Dazu werden sowohl die Exposition der Anwenderinnen und Anwender als auch die akute Exposition der Verbraucherinnen und Verbraucher betrachtet sodass die am meisten exponierten Gruppen beruumlcksich-tigt sind

Das Ziel Mischungen weltweit harmonisiert zu bewerten

Die Einfuumlhrung der Konzepte zur kumu-lativen Bewertung von Pflanzenschutzmit-teln hat auch in anderen EU-Laumlndern Aus-wirkungen auf die Risikobewertung Wenn Deutschland im zonalen Zulassungsverfah-ren bewertender Mitgliedstaat ist wird das Verfahren grundsaumltzlich angewandt Aber auch in die Bewertungsberichte anderer Laumlnder flieszligt die kumulative Bewertung als

deutscher Kommentar mit ein Durch den fachlichen Austausch zwischen den Mit-gliedstaaten wurde das Konzept in den letz-ten Jahren einem Peer-Review unterzogen Um die Praxis europaweit noch besser zu harmonisieren werden derzeit auszligerdem internationale Workshops organisiert auf denen diskutiert wird wie Mischungen bei der Risikobewertung kuumlnftig beruumlcksichtigt werden sollen Das BfR veranstaltet einen solchen Workshop im November 2017 im Auftrag der Europaumlischen Kommission die Franzoumlsische Behoumlrde fuumlr gesundheitlichen Verbraucher- Umwelt- und Arbeitsschutz (ANSES) einen weiteren im Februar 2018 unter aktiver Beteiligung des BfR

Das Ziel Mischungen weltweit harmoni-siert zu bewerten um Mensch und Umwelt besser zu schuumltzen ruumlckt damit naumlher

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

33012017

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

bdquoZiel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertungldquo Interview mit Herrn Dr Roland Solecki uumlber die Forschungsaktivitaumlten des BfR zu Mehrfachruumlckstaumlnden

Herr Solecki bei Mehrfachruumlckstaumlnden von Pflanzenschutzmitteln sprechen die Medien oft von einem bdquoGiftcocktailldquo Haben Sie Erkenntnisse daruumlber wie groszlig das gesundheitliche Risiko tat-saumlchlich istDas BfR hat dazu gemeinsam mit dem Bun-desministerium fuumlr Ernaumlhrung und Land-wirtschaft und dem Bundesamt fuumlr Ver-braucherschutz und Lebensmittelsicherheit einen Bericht uumlber die kumulativen Wir-kungen von Pflanzenschutzmitteln veroumlf-fentlicht Dieser basiert auf einer Methodik der niederlaumlndischen Behoumlrde fuumlr Gesund-heit und Umweltschutz RIVM Hintergrund ist ein Monitoring das uumlber einen Zeitraum von sechs Jahren in Deutschland durchge-fuumlhrt wurde Darin wurde untersucht wel-che Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde durch-schnittlich uumlber Lebensmittel aufgenommen werden Das Ergebnis war dass auch unter Worst-Case-Annahmen fuumlr die Mischungen von Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnden ein gesundheitliches Risiko unwahrscheinlich ist Die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit EFSA kam in ihrem Monito-ring-Bericht von 2015 fuumlr Gesamteuropa zu einem aumlhnlichen Ergebnis

Sie arbeiten unter anderem bei dem Pro-jekt EuroMix mit Worum geht es dabeiEs handelt sich um ein groszliges Forschungs-projekt der EU-Kommission zur kumulati-ven Bewertung von Mischungen im Rahmen von Horizont 2020 dem Rahmenprogramm der Europaumlischen Union fuumlr Forschung und Innovation Das Projekt hat zum Ziel neue Bewertungsmethoden fuumlr Mischungseffekte zu erarbeiten besonders auch im Hinblick auf Alternativen zu Tierversuchen innovati-ve Wege der Expositionsschaumltzung und Mo-dellierung von kumulativen Risiken Dabei geht es nicht nur um Pflanzenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatzstoffe und andere Chemikalien

Wie ist das BfR da in EuroMix einge-bundenVom BfR arbeiten sowohl die Abteilung Sicherheit von Pestiziden als auch die Ab-teilung fuumlr Lebensmittelsicherheit am Eu-roMix-Projekt mit Waumlhrend die von mir geleitete Abteilung fuumlr die regulative Bewer-tung eingebunden ist werden in der Abtei-lung Lebensmittelsicherheit experimentelle Arbeiten unter anderem zur Lebertoxizitaumlt durchgefuumlhrt in denen auch Kombinatio-nen von Pestiziden mit anderen Lebensmit-telinhaltsstoffen gepruumlft werden

Woran forschen Sie im EuroMix-ProjektWir haben zunaumlchst recherchiert welche gesetzlichen Anforderungen bestehen und wie unterschiedliche Behoumlrden weltweit

Mischungseffekte bewerten Und wir haben Forschungen zu Mischungen durchgefuumlhrt die bestimmte adverse Effekte auf die Leber verursachen Dabei wurden bestimmte Schluumlsselelemente untersucht um daraus ein Konzept fuumlr die Bewertung zu erarbei-ten Jetzt werden die Omics-Untersuchun-gen und andere alternative Pruumlfverfahren noch durch Tierversuche ergaumlnzt sodass wir auch am Gesamtorganismus die Effek-te uumlberpruumlfen koumlnnen Gleichzeitig werden die statistischen Hilfsmittel und die ande-ren elektronisch basierten Tools weiterent-wickelt Auszligerdem folgen noch weitere Stu-dien zur Exposition Die finalen Ergebnisse liegen am Ende des Projekts im Jahr 2019 vor

In welche weiteren europaumlischen Aktivi-taumlten ist das BfR eingebundenDie EFSA hat bereits einige Ansaumltze zur Bewertung der kombinierten Exposition gegenuumlber mehreren Pestiziden und Kon-taminanten bei Menschen sowie mehreren Pestiziden bei Bienen entwickelt Derzeit ist die EFSA damit befasst neue Ansaumltze und Instrumente zur Harmonisierung der Be-wertung von Risiken fuumlr Mensch und Um-welt zu erarbeiten die von der Exposition gegenuumlber mehreren chemischen Stoffen in der Lebensmittelkette ausgehen Ich bin derzeit Mitglied einer Arbeitsgruppe von Sachverstaumlndigen die der Wissenschaftliche Ausschuss der EFSA eingerichtet hat um Leitlinien im Hinblick auf die kombinierte Exposition gegenuumlber mehreren chemi-schen Stoffen zu entwickeln Diese Initiative unter dem Namen bdquoMixToxldquo wird 2018 den Leitfaden in einer oumlffentlichen Konsultation diskutieren

Bei dieser Vielzahl an Aktivitaumlten Wel-ches Ziel haben Sie persoumlnlich vor Au-genDas Ziel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertung von Stoffen in der gesundheitlichen Risikocharakterisie-rung und deren harmonisierte Implemen-tierung in den gesetzlichen Verfahren Dies wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen

bdquoBei den kumulati-ven Risiken geht es nicht nur um Pflan-zenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatz-stoffe und andere Chemikalien

Dr Roland Solecki leitet die Abteilung bdquoSicherheit von Pestizidenldquo am BfR

copy B

fR

34 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

SPEKTRUM

Identifizierung endokriner Disruptoren Vom Grundsatz in die Praxis

Fuumlr Pestizid-Wirkstoffe und andere Chemikalien sind harmonisierte wissenschaftliche Kriterien erforderlich mit denen hormonschaumldigende Substanzen identifiziert werden koumlnnen Das BfR veroumlffentlichte hierzu bereits 2016 ein Konsenspapier als wissenschaftliche Grundlage fuumlr die darauffolgende Arbeit der EU-Behoumlrden Auf legislativer Ebene werden aktuell EU-weit geltende Ver-ordnungen festgelegt um auf wissenschaftlicher Ebene Leitlinien zur regulatorisch harmonisierten Umsetzung dieser Verordnungen zu erarbeiten Mit dieser Aufga-be hat die EU-Kommission die EFSA und die ECHA gemeinsam beauftragt Das BfR unterstuumltzt die Behoumlr-den mit wissenschaftlicher und technischer Expertise indem es die entsprechende Arbeitsgruppe bei der EFSA personell verstaumlrkt sowie Recherchen und Umfragen zur Praktikabilitaumlt von Untersuchungsmethoden durchfuumlhrt Die Publikation der Leitlinien wird fuumlr Fruumlhjahr 2018 erwartet Sie koumlnnen auf Basis der verabschiedeten Ver-ordnungen nach ihrer Implementierung in der Genehmi-gungspraxis angewendet werden

Mehr erfahren Solecki et al 2017 Scientific principles for the identification of endocrine-disrupting chemicals a consensus statement Arch Toxicol 91 1001ndash1006

Insekten-Stopp in Textilien Allergene Wirkung unwahrscheinlich

Das Risiko fuumlr eine Allergie nach dem Kontakt mit Kleidung und Produkten die mit dem Biozid Permethrin behandelt sind ist nach derzeitigem Kenntnisstand unwahrscheinlich Das ist das Ergebnis einer aktuellen Risikobewertung des BfR Gestuumltzt wird das Ergebnis dadurch dass trotz weitverbreiteter Anwendung des Wirkstoffs in Medikamenten und Verbraucherprodukten kein Anstieg der Kontaktallergien gegenuumlber Permethrin zu verzeichnen ist Das Risiko fuumlr kanzero-gene systemische Effekte infolge einer dermalen und oralen Exposition gegenuumlber Permethrin aus Textilien ist nach Ansicht des BfR vernachlaumlssigbar gering Permethrin ist ein biozider Wirkstoff der zum Schutz gegen Insekten in Produkten wie Schlafsaumlcken Picknick- und Yogadecken sowie Teppichen und Kleidung eingesetzt wird Er ist im Chemikalienrecht als sensibilisierend eingestuft ein moumlgliches geringes kanzerogenes Potenzial wird von verschiedenen wissenschaftlichen Gremien diskutiert Der Wirkstoff kann aus Textilien freigesetzt und uumlber die Haut aufgenommen werden Bei kleinen Kindern die viele Produkte in den Mund nehmen kommt eine moumlgliche orale Aufnah-me des Stoffes hinzu

Mehr erfahren Stellungnahme Nr 0062017 des BfR vom 25 April 2017

Wie wirkt Aluminium in Leber und Darm

Aluminium ist in Lebensmitteln Kosmetika und Bedarfsge-genstaumlnden enthalten und kann uumlber die Nahrung aufgenom-men werden Erste Ergebnisse aus dem deutsch-franzoumlsischen Forschungsprojekt bdquoSolNanoToxldquo mit Beteiligung des BfR zeigen dass sich aus der Nahrung aufgenommene Aluminiumverbin- dungen temporaumlr im Darm anreichern Ob und in welchen Men-gen die Partikel weiter in den Koumlrper insbesondere in die Leber gelangen und welche Faktoren ihre Wirkung beeinflussen wird aktuell erforscht Die Forschungsgruppe sieht Anhaltspunkte dafuumlr dass ein Teil der angereicherten Partikel mit dem Stuhl wieder ausgeschieden wird Fuumlr seine Untersuchung simulierte das BfR anhand biologischer Proben die Verdauung verschiede-ner Aluminiumarten vom Mund uumlber den Magen bis zum Darm Mithilfe von Enzymen und Salzen wurden dabei physiologische Parameter wie der pH-Wert gesteuert Waumlhrend des simulierten Verdauungsprozesses veraumlnderten die Aluminiumverbindungen ihre chemische Reaktionsfaumlhigkeit und Loumlslichkeit Die Erkennt-nisse sind ein erster Schritt um den Prozess der Aufnahme Resorption und Verteilung von Aluminium im Koumlrper besser zu verstehen und daraus Daten fuumlr die Risikobewertung abzuleiten Aluminiumverbindungen koumlnnen in zu hohen Dosen toxisch auf das Nervensystem und ungeborenes Leben wirken sowie die Fruchtbarkeit und Knochenentwicklung beeinflussen

copy B

fR

copy c

gsto

cks

hutte

rsto

ckc

om

copy R

osel

ynne

shu

tters

tock

com

35012017

Bei Kleidung ist besonders der Einsatz von Silber-Nanopartikeln weit verbreitet Silber wirkt antibakteriell und soll die Geruchs-bildung durch Schwitzen reduzieren Beim Einsatz von Nanosilber in Kleidungsstuuml-cken ist in erster Linie eine Freisetzung in Schweiszlig und somit ein moumlglicher Hautkon-takt relevant Neben der Frage ob und in welcher Menge Silber prinzipiell aus Texti-lien herausgeloumlst wird beschaumlftigt sich die Forschung mit der Frage welchen Einfluss die Technologie hat mit der Nanosilber auf Textilien aufgetragen bzw eingebracht wird Bisher war zudem unklar inwiefern die Oberflaumlchenbeschichtung der Nano-partikel die Abgabe beeinflusst

Kuumlnstlicher Schweiszlig simuliert Freisetzung

In einem Forschungsprojekt pruumlfte das BfR neun Proben von Textilien die mit Nanosil-ber veredelt waren Als Vergleich diente ein mit konventionellem Silber (hier Silbersalz mit einem Partikeldurchmesser groumlszliger als 100 Nanometer) ausgeruumlstetes Textil Zwei der Textilien waren sogenannte Komposite bei denen Nanosilber in die Faser integriert ist Bei den anderen getesteten Textilien war die Faseroberflaumlche mit Silber-Nano-partikeln bzw in einem Fall mit konventio-nellem Silber beschichtet (Textil-Coating) Um die Abgabe von Silber durch Schwitzen

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

Kleidung wird durch sie wasser- und schmutzabweisend sie blocken UV-Strahlen und mindern Geruumlche Nanoma-terialien haben beliebte funktionelle Eigenschaften Ob sie aufgrund ihrer Winzigkeit gesundheitliche Risiken bergen ist indes noch weitgehend unbekannt In einem Forschungsprojekt uumlber Nanosilber hat das BfR ermittelt ob sich die Kleinstteilchen aus Textilien herausloumlsen und damit zum gesundheitlichen Risiko werden koumlnnen

Nanomaterial

ist ein natuumlrliches bei Prozessen anfallendes oder kuumlnstlich hergestelltes Material das Partikel in ungebundenem Zustand als Aggregat oder als Agglo-merat enthaumllt und bei dem die Mehrheit der Partikel ein oder mehrere Auszligen-maszlige im Bereich unter 100 Nanometer hat In Nanogroumlszlige kann ein Stoff andere Eigenschaften besitzen als wenn er in Form groumlszligerer Partikel vorliegt

copy o

still

shu

tters

tock

com

36 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von Textilfasern Links Nanokomposit bei dem kaum Silberpartikel an der Faseroberflaumlche zu finden sind Mitte und rechts Textilien mit Silbercoating hier befindet sich insgesamt mehr Silber auf der Oberflaumlche

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

zu simulieren wurden die Textilien fuumlr 24 Stunden in einer Schweiszligsimulanz-Louml-sung inkubiert Fuumlr die Auswertung wurde zunaumlchst der gesamte Silbergehalt in den Schweiszligloumlsungen mit massenspektromet-rischen Messmethoden bestimmt In den Proben in denen Silber vorhanden war wurden anschlieszligend mit Zentrifugation und einer speziellen Methode zum Messen von Einzelpartikeln geloumlstes und partikulauml-res Silber unterschieden Im letzten Schritt wurden die Partikelgroumlszligen des vorgefun-denen partikulaumlren Silbers gemessen um nanoskaliges Silber zu identifizieren

Silber aus Kleidung freigesetzt

Die Untersuchung des BfR zeigte dass von jeder Textilprobe Silber in die Schweiszligsi-mulanz-Loumlsung uumlberging je nach geteste-tem Textil zwischen 7 und 75 Prozent des originaumlr in den Textilien enthaltenen Sil-bers Dabei setzten die beschichteten Tex-tilien mehr Silber frei als die Komposite Den houmlchsten abgegebenen Anteil fand das BfR bei dem mit konventionellem Silber beschichteten Textil Die Freisetzung wird demnach staumlrker durch die Technologie der Veredelung bestimmt als durch die im Tex-til enthaltene Menge Auszligerdem scheint die Abgaberate von Silber aus Nanosilber im Vergleich zu konventionellem Silber nicht erhoumlht zu sein

In der Schweiszligloumlsung lag das freigesetzte Silber uumlberwiegend geloumlst vor Partikulaumlres Silber fand sich nur zum geringeren Teil dann jedoch auch im Nanometerbereich Ob es sich dabei um einzelne Nanoparti-kel handelt oder ob das Silber an groumlszligere Partikel gebunden ist muss in weiteren Untersuchungen uumlberpruumlft werden Nach

derzeitigem wissenschaftlichem Kennt-nisstand geht man davon aus dass sich Nanopartikel im Koumlrper anders verhalten als groumlszligere Partikel Uumlberraschenderweise detektierte die Forschungsgruppe auch in den Schweiszligsimulanzien der mit konven-tionellem Silber beschichteten Textilien partikulaumlres Silber in Nanogroumlszlige Das Vor-kommen von Silberpartikeln scheint also nicht davon abhaumlngig zu sein ob das Silber in Nano- oder konventioneller Form auf das Textil aufgebracht wurde

In einer parallelen Untersuchung fanden die Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler heraus dass zudem die Beschaffenheit der Nanopartikel beispielsweise in Form einer speziellen Beschichtung ihre Loumlslichkeit in der Schweiszligloumlsung beeinflusst

Art der Beschichtung relevant

Silber wird demnach aus Textilien freige-setzt in geringen Teilen sogar in partiku- laumlrer Form Die gewaumlhlte Form der Tex-tilfunktionalisierung aber auch die Be-schaffenheit der Nanopartikel stellen dabei wichtige Kriterien fuumlr das Freisetzungsver-halten dar Solche Erkenntnisse sind vor al-lem fuumlr den sicheren Einsatz von Nanoma-terialien in Alltagsprodukten wichtig weil die Exposition des Menschen gegenuumlber derartigen Stoffen moumlglichst klein gehalten werden sollte Auszligerdem geben sie Hin-weise in welcher Anwendungsform Nano-materialien im verbrauchernahen Bereich sicher eingesetzt werden koumlnnen

Mehr erfahren Wagener et al 2016 Textile Functionalization and Its Effects on the Release of Silver Nanoparticles into Artificial Sweat Environ Sci Technol 50 11 5927ndash5934

Per Flugzeitmassenspek-trometer laumlsst sich Silber auf beschichteten Textil-fasern detektieren

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

NANOPARTIKEL

37012017

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

38 BfR 2 GO

Neuer Ansatz fuumlr Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

Spiegelbild gesucht

Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR zeigt einen neuen Ansatz um mithilfe von Genexpressionsdaten das geeignete Tiermodell fuumlr die Grundlagenforschung oder fuumlr spezifische klinische Fra-gestellungen zu identifizieren Damit koumlnnen zukuumlnftig unnoumltige Tierversu-che vermieden werden Hamburger Wissenschaftsbehoumlrden wuumlrdigten die Erkenntnisse mit einem Forschungspreis

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

39012017

Fragestellung

Vergleich

Auswahl

z B bdquoMit welchem Mausmodell koumlnnen die Ursachen von Alzheimer erforscht werdenldquo

Vergleich von vorhandenen Omics-Expressionsdaten von Mensch und Tier

Auswahl des geeigneten Modells

1

2

3

Geeignete Tiermodelle identifizieren

An Tiermodellen werden zahlreiche biologische Prozesse und Krankheiten wie Wund-

heilung Diabetes Tumoren oder entzuumlndliche Erkrankungen erforscht Durch den

Vergleich der Omics-Expressionsdaten von Tiermodell und Mensch koumlnnen geeignete

Modelle fuumlr die jeweilige Fragestellung identifiziert werden

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

40 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Verlaumluft ein entzuumlndlicher Prozess bei Maumlusen aumlhnlich wie beim Menschen Sind Maumluse daher geeignete Ver-

suchstiere fuumlr Tests von antientzuumlndlichen Substanzen Um Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung in den klinischen Alltag zu uumlberfuumlhren ndash Aufgabengebiet der translationalen Forschung ndash werden wissen-schaftliche Fragestellungen oft in Tierversu-chen erprobt Ob und inwieweit die Ergeb-nisse auf den Menschen uumlbertragbar sind ist dabei immer wieder Gegenstand kontrover-ser Diskussionen Geeignete Methoden mit denen die Wissenschaft Tiermodelle mit op-timaler Uumlbertragbarkeit auf den Menschen auswaumlhlen kann wuumlrden dem wissenschaft-lichen Fortschritt helfen und die Zahl der Tierversuche reduzieren Es geht dabei um die Frage welches Tiermodell am besten das menschliche System widerspiegelt

Vergleichbarkeit von Genom- daten fehleranfaumlllig

Als Grundlage fuumlr diese Uumlberlegungen die-nen Daten aus modernen bioanalytischen Hochdurchsatzverfahren Immer haumlufiger setzt die Wissenschaft auf diese sogenannten Omics-Technologien die die Gesamtheit aller Gene und ihrer Produkte analysieren ndash sowohl beim Tier als auch beim Menschen Mit ihnen lassen sich molekulare Prozesse in lebenden Systemen umfassend darstel-len indem sie beispielsweise die Interaktion hunderter bis tausender Genprodukte zei-gen Die Analyse dieser zunehmend kom-plexen Omics-Datensaumltze stellt die Wissen-schaft jedoch vor Probleme da das Vorgehen dazu nicht standardisiert ist Die Interpreta-tion der Ergebnisse ist bisher meist von der Kompetenz der Durchfuumlhrenden und von der angewandten Methode abhaumlngig Im Ergebnis war die Entscheidung zur Frage der Uumlbertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen fehleranfaumlllig und die Suche nach

geeigneten Tiermodellen erschwert Die ge-ringe Standardisierung der Interpretation von Omics-Daten fuumlhrte in Forschungs-kreisen bereits zu widerspruumlchlichen Er-gebnissen so zum Beispiel bei zwei Studien aus den Jahren 2013 und 2015 die sich mit der Vergleichbarkeit von entzuumlndlichen Er-krankungen beim Menschen und gaumlngigen Mausmodellen beschaumlftigten Waumlhrend eine Forschungsgruppe im Jahr 2013 schlussfol-gerte dass entzuumlndliche Prozesse zwischen Mensch und Maus nicht vergleichbar seien kam eine andere Gruppe zwei Jahre spaumlter anhand der gleichen Omics-Daten zum ge-genteiligen Schluss Die Maus reagiere auf der molekularen Ebene sehr aumlhnlich wie der Mensch und sei daher als Tiermodell sehr nuumltzlich fuumlr die Erforschung menschlicher Erkrankungen Zwar ist es nicht ungewoumlhn-lich dass Ergebnisse von Studien unter-schiedlich eingeschaumltzt werden ndash allerdings selten auf Basis der gleichen Daten

Motivation des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR war es diese Widerspruumlche aufzuklaumlren und einen standardisierten und zielgerichteten Analyseansatz zu entwickeln der die Suche nach geeigneten Tiermodellen vereinfacht und somit unnoumltige Tierversuche vermei-den hilft Es gehoumlrt zu den Kernaufgaben des Bf3R bundesweit alle Aktivitaumlten zu koordi-nieren mit den Zielen Tierversuche auf das unerlaumlssliche Maszlig zu beschraumlnken und fuumlr Versuchstiere den bestmoumlglichen Schutz zu gewaumlhrleisten Die Aufgaben des Bf3R wer-den vom BfR wahrgenommen

Genomdaten von Tier und Mensch gezielt vergleichen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler des Bf3R haben die Omics-Daten aus den beiden erwaumlhnten widerspruumlchlichen Studien mithilfe hochperformanter Com-

puter nochmals systematisch ausgewertet Dabei wurden zunaumlchst die zu verglei-chenden Gene gruppenweise biologischen Prozessen zugeordnet die wesentlich fuumlr ein Entzuumlndungsgeschehen sind Diese Gene Set Enrichment Analysis (GSEA) ge-nannte Methode greift auf umfangreiche in oumlffentlichen Datenbanken hinterlegte Genomdaten gaumlngiger Tiermodelle und von Erkrankten zuruumlck Mit ihrer Heran-gehensweise konnten die Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler des BfR an-schlieszligend Veraumlnderungen auf der Ebene pathologischer Signalwege erkennen und Unterschiede zwischen Tiermodell und Mensch identifizieren Da der Groszligteil der untersuchten Genprodukte haumlufig nur geringfuumlgig veraumlndert war konnten bei der Analyse auf Ebene vollstaumlndiger bio-logischer Signalwege alle Gene einbezogen und Aumlnderungen in der Gesamtheit eines biologischen Signalwegs bewertet werden Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu bisherigen Analyseansaumltzen da fuumlr die Klauml-rung translationaler Fragestellungen bisher haumlufig willkuumlrlich und subjektiv Gene von Mensch und Tiermodell fuumlr einen direkten Eins-zu-eins-Vergleich ausgewaumlhlt wurden

Die systematische Auswertung des Bf3R zeigte dass die Ergebnisse beim vorlie-genden Genomdatenvergleich bei einigen Mausmodellen gut mit den beim Menschen ermittelten Daten uumlbereinstimmten Bei an-deren Mausmodellen hingegen war es nicht so So aumlhnelt das Entzuumlndungsgeschehen bei Maumlusen die mit Staphylococcus aureus (Staphylococcus-aureus-Injektionsmodell) infiziert sind oder eine Darmperforation (Cecal-ligation-and-puncture-Modell) erfah-ren den meisten klinischen Proben Hin-gegen verlaufen Erkrankungen die durch Lipopolysaccharide (LPS) und Streptococcus pneumoniae verursacht werden bei Mensch und Maus verschieden

Omics

Der Terminus beschreibt Methoden zur

Analyse komplexer biologischer Proben

auf der Ebene des gesamten Genoms

von Transkripten Proteinen oder Meta-

boliten

41012017

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

Forschungsansatz hilft Tierversuche zu reduzieren

Die Methode der Datenanalyse mittels GSEA-Ansatz erleichtert es Forschungs-gruppen zukuumlnftig zielgerichtet und stan-dardisiert das optimale Tiermodell aus-zuwaumlhlen das am besten die menschliche Situation abbildet Voraussetzung dafuumlr ist die Existenz von Omics-Daten zur klini-schen Fragestellung sowie zu den infrage kommenden Tierversuchen Dies ist bereits fuumlr eine Vielzahl von Tiermodellen sowie von humanen Erkrankungen der Fall neben Entzuumlndungserkrankungen beispielsweise fuumlr Herz-Kreislauf-Erkrankungen Krebser-krankungen Atemwegserkrankungen Stoff-wechselerkrankungen und neurologische Erkrankungen Aufgrund der vermehrten Verwendung von Omics-Methoden kann davon ausgegangen werden dass stetig wei-tere systembiologische Daten ermittelt und veroumlffentlicht werden Die vom Bf3R ange-wandte Methode wird daher weiterhin bei der gezielten Auswahl von Tiermodellen nuumltzlich sein

Das Verfahren kann in der Grundlagen-forschung sowie in der translationalen und angewandten Forschung eingesetzt werden Diese Bereiche machten 2015 nach Anga-ben des Bundesministeriums fuumlr Ernaumlh-rung und Landwirtschaft mit insgesamt 73 Prozent den groumlszligten Teil der Tierversuche aus Ein Groszligteil davon entfaumlllt auf Maumluse Ratten und zunehmend auch auf Fische Grundsaumltzlich kann die neue Methode zur Auswahl des geeigneten Versuchstiermo-dells bzw zum Ausschluss nicht geeigneter Versuchstiermodelle bei jeglichen Tierver-suchen in diesen Bereichen genutzt werden Analog zu den Versuchstierzahlen liegen derzeit die meisten Omics-Daten fuumlr Maus und Ratte vor So sind beispielsweise allein in der oumlffentlichen NCBI GEO-Datenbank (National Center for Biotechnology Informa-tion Gene Expression Omnibus) derzeit Da-ten zu ca 340000 Maus-Proben und 75000 Ratte-Proben gelistet

Methode identifiziert geeignete Zellkulturmodelle

Dabei ist die Methode des Bf3R nicht auf humane und murine Datensaumltze beschraumlnkt sondern kann auf alle weiteren Spezies an-gewandt werden fuumlr die umfangreiche Da-tenbanken zu biologischen Signalwegen oder Gengruppen vorliegen Auch fuumlr die Beurteilung von zellbasierten Alternativ-methoden kann der neue Forschungsansatz

herangezogen werden Durch einen system-biologischen Abgleich der klinischen Daten mit Omics-Daten aus beispielsweise neuar-tigen 3D-Zellkulturen oder organaumlhnlichen Mikrostrukturen wird die Charakterisierung und Verifizierung von zellbasierten Alterna-tivmethoden ermoumlglicht

Praumlmierte Forschungsleistung

Fuumlr ihre Forschung erhielten die Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR 2016 den Hamburger Forschungspreis zur Foumlrderung der Entwicklung von Ersatz- und

Ergaumlnzungsmethoden Die Auszeichnung wurde zum erstem Mal von den Hamburger Behoumlrden fuumlr Gesundheit und Verbraucher-schutz sowie fuumlr Wissenschaft Forschung und Gleichstellung mit einem Foumlrderpreis in Houmlhe von 20000 Euro ausgeschrieben Der Preis wird fuumlr Arbeiten vergeben die einen Beitrag leisten Tierversuche zu ersetzen oder zu minimieren

Mehr erfahrenWeidner et al 2016 Defining the optimal animal model for translational research using gene set enrichment analysis EMBO Molecular Medicine 8 8 831ndash838

Wofuumlr Versuchstiere in Deutschland eingesetzt werden

630255Herstellung und Qualitaumlts-kontrolle medizinischer Produkte toxikologische Sicherheitspruumlfungen

22

59

14 5

1643259Grundlagenforschung

144997sonstige Zweckez B Zucht Aus- und Weiterbildung

381450translationale und angewandte Forschung

Que

lle B

unde

smin

iste

rium

fuumlr E

rnaumlh

rung

und

Lan

dwirt

scha

ft V

ersu

chst

ierz

ahle

n 20

15

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

42 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Alternativen zu Tierversuchen Forschung regional buumlndeln

Eine individualisierte Schmerztherapie fuumlr Versuchsmaumluse und eine Verringerung von Tierexperimenten zum Test der Inhala- tionstoxizitaumlt von Nanomaterialien (siehe rechte Spalte) ndash hierzu sollen die ersten Arbeitsergebnisse des BfR im Berlin-Bran-denburgischen Verbundprojekt BB3R zukuumlnftig beitragen Das Netzwerk aus Universitaumlten und Bundesinstitutionen forscht um Tierversuche zu vermeiden (Replacement) bzw zu verringern (Reduction) sowie das Leiden von Versuchstieren zu vermindern (Refinement) Das BfR ist als einer von sechs Verbundpartnern in den Bereichen der Refinement- und Replacement-Forschung beteiligt Das Bundesforschungsministerium foumlrdert das mit BB3R abgekuumlrzte Projekt fuumlr vier Jahre bis Fruumlhjahr 2018 es ist als Plattform fuumlr den wissenschaftlichen Austausch konzipiert und integriert ein Graduiertenkolleg

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschungwwwbb3rde

Belastung von Laborfischen erkennen

Koumlrperbau

Koumlrpermerkmale

Verhaltenkreisendes Schwimmen

Belastung von Laborfischen erkennen

Ob Laborfische Schmerzen empfinden oder leiden laumlsst sich mithilfe konkreter Kriterien beurteilen Die Vorarbeiten hierzu koordinierte der bdquoNationale Ausschuss zumSchutz von fuumlr wissenschaftliche Zweckeverwendeten Tierenldquo am BfR gemeinsam mit externen Sachverstaumlndigen und Beauf-tragten von Genehmigungsbehoumlrden Die erstmals definierten Kriterien bewerten unter anderem Auffaumllligkeiten im Koumlrper-bau sowie im Verhalten der Tiere Schmer-zen und Leiden koumlnnen so gezielt behandelt und gelindert werden Da die Frage der Belastung der Tiere anhand der Kriterien eindeutig geklaumlrt werden kann dienen sie zudem als Entscheidungshilfe fuumlr Behoumlr-den welche die Zucht belasteter genetisch veraumlnderter Tiere genehmigen muumlssen Fische insbesondere Zebrafische sind nach Maumlusen und Ratten die am dritthaumlufigsten verwendete Versuchstierart Die Zahl der Versuchsfische hat in den letzten Jahren stetig zugenommen

Mehr erfahren Bert et al 2016 Considerations for aEuropean animal welfare standard toevaluate adverse phenotypes in teleost fish EMBO J 35 11 1151ndash1154Empfehlung des Nationalen Ausschusses TierSchG Nr 0012015

Test der Inhalationstoxizitaumlt von Nanomaterialien

Die Einatmung gilt als wichtigster Aufnahmeweg fuumlr Nanomaterialien Im Rahmen der BB3R-Forschung bildet das BfR diese Art der Exposition mit In-vitro- Atemwegsepithelmodellen an ihrer Grenzflaumlche zur Luft ab Dieser Ansatz zum Test der Inhalationstoxi-zitaumlt hilft Anzahl und Umfang von Tierversuchen zu verringern

Versuchsaufbau Drei Roumlhrchen leiten ein Testaerosol mit luftgetragenen Nanomaterialien auf Epithelzellen

SPEKTRUM

copy B

fR

43012017

Jubilaumlumsfeier und internationales Symposium

Am 29 November 2017 feiert das BfR sein 15-jaumlh-riges Bestehen mit einem Festakt Geplant ist eine Feier mit ausgewaumlhlten Gaumlsten in der Akademie der Kuumlnste Anschlieszligend findet vom 30 Novem-ber bis zum 01 Dezember 2017 das gemeinsame internationale Symposium des BfR und seiner Schwesterinstitutionen aus Daumlnemark (DTU Food) und Frankreich (ANSES) sowie der suumldko-reanischen Behoumlrde fuumlr Lebens- und Arzneimittel-sicherheit (NIFDS) statt Unter dem Motto bdquoPast Present and Future Challenges in Risk Assessment ndash Strengthening Consumer Health Protectionldquo werden die letzten anderthalb Jahrzehnte Risikobewer-tung betrachtet Daruumlber hinaus werden aktuelle Aktivitaumlten sowie zukuumlnftige Herausforderungen des Verbraucherschutzes wie mikrobiologische Erreger chemische Substanzen Methoden und Harmonisierung auf nationaler wie internationa-ler Ebene diskutiert

VERANSTALTUNGEN

Nachwuchs foumlrdern

Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu foumlr-dern baut das BfR wissenschaftliche Nachwuchs-gruppen zu bestimmten Schwerpunktthemen auf Die bereits 2015 eingerichtete Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Warenketteldquo wird im Herbst 2017 durch einen weiteren Dokto-randen verstaumlrkt

Verstaumlrkung im Versuchstierschutz

Seit dem 1 April 2017 staumlrkt die Berufung von Herrn Universitaumltsprofessor Dr Lars Lewejo-hann den Kompetenzbereich bdquoVerminderung der Belastung und Verbesserung der Lebenssitua-tionldquo des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) Neben der Leitung der Fachgruppe bdquoTierschutz und Versuchstierkundeldquo im BfR wird Lars Lewejohann sein Wissen und neue Erkenntnisse als Hochschullehrer fuumlr bdquoTier-schutz mit dem Schwerpunkt Refinementldquo an der veterinaumlrmedizinischen Fakultaumlt der Freien Universitaumlt Berlin an Studierende und Doktoran-den weitergeben

PERSONALIEN

Alternativmethode zum Tierversuch bdquoKnochen-auf-dem-Chipldquo

Im Mai 2017 fand bei der Gemeinsamen For-schungsstelle (GFS)Joint Research Centre (JRC) der Generaldirektion (Directorate General) der Europaumlischen Kommission eine Summer School zu alternativen Ansaumltzen zum Tierversuch fuumlr die Risikobewertung in Ispra (Italien) statt Dort wurde Herr Dr Ing Frank Schulze aus der BfR-Fachgruppe bdquoZEBET ndash Alternativmethoden zu Tierversuchenldquo fuumlr seine Praumlsentation und das dazugehoumlrige Poster zum Thema bdquoEin Knochen-auf-dem-Chip fuumlr die Grundlagenwissenschaft und die Identifizierung von knochenschaumldigen-den Substanzenldquo mit einem Posterpreis (1 Platz) ausgezeichnet

copy B

fR

copy p

rivat

INSTITUTSLEBEN

44 BfR 2 GO

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

2014

27 Artikel

14

Zugrundeliegende Studien telefonische Repraumlsentativbefragung von 1000 Personen (deutschsprachige Bevoumllkerung ab 14 Jahren) Medienanalyse von 17 deutschen Print- und Onlinemedien (uumlberregionale Qualitaumltszei-tungen Hauptstadtpresse und woumlchentliche Zeitungen) im Zeitraum Januar 2014 bis Dezember 2015 zur Art und Haumlufigkeit der Berichterstattung uumlber essbare Insekten

14 Prozent der Befragten haben schon einmal Insekten verzehrt mehrheit-lich im Ausland Uumlberwiegend sind es Maumlnner 18 ndash 29-Jaumlhrige gut Gebildete und Staumldter

Die Medienberichterstattung zu Insekten als Lebens- und Futtermittel verdoppelte sich von 2014 zu 2015 In der Mehrheit ging es um Nutzen- aspekte Insekten wurden medial als bdquozukunftsweisendes sinnvolles Lebensmittel bei dem der Nutzen gegenuumlber moumlglichen Risiken uumlber-wiegtldquo dargestellt

Verbraucherinnen und Verbraucher wuumlnschen sich mehr Informationen zu moumlglichen gesundheitlichen Risiken von Insekten als Lebens- und Fut-termittel zu ihrer Produktion und zum Naumlhrstoffgehalt Dies koumlnnte die oumlffentliche Akzeptanz fuumlr den Verzehr von Insekten erhoumlhen Auch bdquounkenntlich gemachteldquo Insekten in Form verarbeiteter Lebensmittel wuumlrden eher akzeptiert als Insekten im urspruumlnglichen Zustand

WeiterlesenBfR-Symposium bdquoInsekten als Lebens- oder Futtermittel Nah-rung der Zukunftldquo Bericht zum Symposium am 24 Mai 2016 in 2016 Journal fuumlr Verbraucher-schutz und Lebensmittelsicher-heit 11 3 281ndash289

2015

60 Artikel

i

Insekten als Lebensmittel

gt zaumlhlen lebensmittelrechtlich in der EU zu den neuartigen Lebensmitteln und muumlssen zugelassen werden

gt unerforschte Aspekte Toxikologie Gehalt an Kontaminanten und Ruumlckstaumlnden allergenes Potenzial mikrobiologische Risiken

copy a

rka3

8sh

utte

rsto

ckc

om

19012017

INFOGRAFIK ZU INSEKTEN

Unerwuumlnscht inLebensmitteln

Gelangen Pyrrolizidinalkaloide (PA) in die Lebensmittelkette koumlnnen insbesondere 12-ungesaumlttigte PA dem Menschen schaden Seit Jahren

befasst sich das BfR mit der Frage welches gesundheitliche Risiko von 12-ungesaumlttigten PA in Lebensmitteln ausgeht Klar ist die PA-Kontami-

nation in der Lebensmittelkette sollte so gering wie moumlglich sein

LEBENSMITTELSICHERHEIT

20 BfR 2 GO

Unerwuumlnschte Stoffe die in die Lebensmittelkette gelangen koumlnnen fuumlr Verbraucherinnen und Verbraucher ein gesund-heitliches Risiko darstellen Ein Beispiel fuumlr solche Eintraumlge

sind 12-ungesaumlttigte Pyrrolizidinalkaloide (PA) Das sind Stoffe die von einigen Pflanzen als Schutz vor Fraszligfeinden gebildet werden Sie konnten zunaumlchst in Honig und anderen Bienenprodukten spaumlter auch in Tees Kraumlutertees und Gewuumlrzen aber auch in pflanzenba-sierten Nahrungsergaumlnzungsmitteln nachgewiesen werden

Toxische Wirkungen bei Mensch und Tier

Beim Menschen sind vereinzelt Vergiftungsfaumllle nach arzneilicher Einnahme von PA-haltigen Kraumlutertees und -erzeugnissen bekannt Weiterhin gibt es Berichte uumlber epidemische Lebererkrankungen mit Todesfaumlllen in Pakistan Indien Afghanistan Tadschikistan und der ehemaligen UdSSR nach Verzehr von Getreide das mit Samen von Heliotropium- oder Crotalaria-Arten kontaminiert war Aus der Nutztierhaltung ist das gehaumlufte Auftreten von Leberzirrhosen bei Schlachtrindern bekannt die mit Heu und Silage auch Alpenkreuz-kraut aufgenommen hatten Auch bei Pferden wurden mit Leberde-generation einhergehende durch PA im Futter verursachte Erkran-kungen die Seneciosen beobachtet

Die Leber ist das primaumlre Zielorgan von Schaumldigungen durch 12-ungesaumlttigte PA Jedoch koumlnnen auch die Lunge oder andere Organe betroffen sein Insbesondere bei Aufnahme houmlherer Dosen treten akute venookklusive Veraumlnderungen in der Leber (hepatic veno-occlusive disease HVOD) oder der Lunge auf In houmlheren Dosen wurden im Tierversuch mit 12-ungesaumlttigten PA auch ent-wicklungstoxische Effekte beobachtet Nach den vorliegenden tier- experimentellen Daten gilt die kanzerogene Wirkung von 12-un-gesaumlttigten PA als gesichert und ein entsprechendes Risiko fuumlr den Menschen wird in Betracht gezogen Vielfach zeigten Verbindungen die sich im Tierversuch als kanzerogen erwiesen in entsprechenden Mutagenitaumltstests eine genotoxische Wirkung

Wie 12-ungesaumlttigte PA in Lebensmittel gelangen koumlnnen

Nach bisherigem Kenntnisstand koumlnnen 12-ungesaumlttigte PA uumlber mehrere Wege in Lebensmittel gelangen In Deutschland sind Ver-unreinigungen vor allem in den Anbauflaumlchen von Nutzpflanzen mit PA-bildenden Wildkraumlutern wie z B bei Salaten mit Kreuzkraut oder Greiskraut aufgetreten Aus Afghanistan sind erhoumlhte Belastungen in Getreide bekannt Auch die Belastung von Tee und Kraumlutertee-Sor-ten mit PA wird auf eine Kontamination mit bestimmten Wildkraumlu-tern in den Anbauflaumlchen zuruumlckgefuumlhrt Auszligerdem koumlnnen Bienen-produkte wie Honig und Pollen mit PA belastet sein wenn die Tracht von bestimmten Wildpflanzen stammt 12-ungesaumlttigte PA koumlnnen auch uumlber verunreinigte Futtermittel in Milch Eier und Fleisch ge-langen Auch Nahrungsergaumlnzungsmittel koumlnnen auf der Basis von Pflanzen hergestellt sein die selbst 12-ungesaumlttigte PA bilden

Gesundheitliche Risiken durch belastete Lebensmittel

Das BfR hat 2016 eine Bewertung der gesundheitlichen Risiken durch 12-ungesaumlttigte PA erarbeitet Dabei wurde die Belastung aller wichtigen Lebensmittelgruppen beruumlcksichtigt fuumlr die aktuell Daten zum Vorkommen von 12-ungesaumlttigten PA vorliegen Bei der Bewertung wurde die genotoxisch-kanzerogene Wirkung als emp-findlichster Endpunkt zugrunde gelegt

copy F

eyya

z A

laca

ms

hutte

rsto

ckc

om

copy e

mbe

riza

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

21012017

Danach geht bei Kindern im Alter von sechs Monaten bis unter fuumlnf Jahren die Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA im Wesentlichen auf Kraumlutertee einschlieszliglich Rooibostee Schwarztee und Honig zuruumlck Fruumlchtetee Milch Eier und Fleisch tragen nur wenig zur Gesamtaufnahme von 12-un-gesaumlttigten PA bei Sieht man von bestimm-ten Nahrungsergaumlnzungsmitteln ab zeigt sich bei Erwachsenen ein aumlhnliches Bild Bei Erwachsenen ist der Beitrag von Honig zur Gesamtaufnahme an 12-ungesaumlttigten PA geringer und der von Gruumlntee houmlher als bei Kindern Bei hohen Gehalten koumlnnen Nahrungsergaumlnzungsmittel als zusaumltzliche Expositionsquelle zur Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber Lebensmittel beitragen Gewuumlrze und Kraumluter aber auch Mehle stellen moumlglicherweise eine relevante zusaumltzliche Expositionsquelle dar Fuumlr eine abschlieszligende Bewertung fehlen hier jedoch noch Daten

Obwohl in Einzelfaumlllen hohe Gehalte an 12-ungesaumlttigten PA in bestimmten Le-bensmitteln des allgemeinen Verzehrs nachgewiesen wurden haumllt das BfR nach derzeitiger Datenlage auch bei hoher Auf-nahme dieser Lebensmittel eine akute Ge-sundheitsschaumldigung fuumlr unwahrscheinlich Zur Abschaumltzung des potenziellen Risikos von genotoxisch-kanzerogenen Wirkungen legte das BfR wie international uumlblich den MOE-Ansatz (Margin of Exposure) zugrun-de Dabei wird ausgehend von Tierstudien angenommen dass fuumlr genotoxische Kan-zerogene ein MOE-Wert von 10000 oder houmlher aus Sicht der oumlffentlichen Gesundheit als wenig bedenklich und die Prioritaumlt fuumlr Maszlignahmen im Rahmen des Risikomanage-ments als niedrig angesehen werden kann Bei genotoxisch-kanzerogenen Stoffen kann keine Schwellendosis angenommen werden unterhalb derer keine unerwuumlnschten Wir-kungen mehr erwartet werden Daher gilt in der Europaumlischen Union die Empfehlung die Exposition gegenuumlber genotoxisch und kanzerogen wirkenden Substanzen so weit zu minimieren wie dies vernuumlnftig erreich-bar ist ndash das sogenannte ALARA-Prinzip (as low as reasonably achievable) Selbst geringe Aufnahmemengen koumlnnen insbesondere bei regelmaumlszligigem Verzehr mit einer Erhouml-hung gesundheitlicher Risiken verbunden sein

Die Bewertung des genotoxischen und kan-zerogenen Risikos erfolgt als Vergleich der Gesamtaufnahme uumlber verschiedene Tees Milch und Honig bei Kindern und Er-wachsenen auf der Basis verschiedener Ver-zehrszenarien mit dem BMDL10-Wert von

73 Mikrogramm pro Kilogramm Koumlrperge-wicht und Tag unter Berechnung des MOE Der BMDL10-Wert (Benchmark dose lower confidence limit 10) ist ein Schaumltzwert der niedrigsten Dosis die im Tierexperiment mit 95-prozentiger Sicherheit eine Krebsin-zidenz von nicht mehr als 10 Prozent ver-ursacht Alle Berechnungsansaumltze sowohl fuumlr Kinder als auch fuumlr die erwachsene Be-voumllkerung ergaben MOE-Werte deutlich unterhalb von 10000 Da nach Ansicht des Wissenschaftlichen Ausschusses der EFSA ein MOE erst ab einem Wert von mindes-tens 10000 aus Sicht der oumlffentlichen Ge-sundheit als wenig bedenklich anzusehen ist empfiehlt das BfR die Gesamtexposition mit PA aus allen Lebensmitteln so niedrig wie moumlglich zu halten und einen MOE von 10000 bei Beruumlcksichtigung der PA-Zufuhr aus allen Quellen nicht zu unterschreiten Dazu sollten die Bemuumlhungen fortgesetzt werden die PA-Gehalte in Lebensmitteln weiter zu senken

Forschungsansaumltze des BfR

Das BfR befasst sich seit einigen Jahren mit der Problematik der Verunreinigung von Lebensmitteln mit 12-ungesaumlttigten PA und verfolgt hierzu verschiedene Forschungs-ansaumltze Die Analytik der 12-ungesaumlttigten PA stellt aufgrund ihrer groszligen strukturel-len Vielfalt und des Vorkommens in unter-schiedlichen Lebensmitteln eine besondere Herausforderung dar In den letzten Jahren hat das BfR spezifische Nachweismethoden entwickelt und in Ringversuchen validiert Diese Methoden stehen auf der Homepage des BfR zur Verfuumlgung und koumlnnen z B in der Lebensmittel- und Futtermitteluumlberwa-chung eingesetzt werden

Neben der Entwicklung analytischer Me-thoden werden am BfR die molekularen Mechanismen der Toxizitaumlt von 12-unge-saumlttigten PA untersucht Hier stehen vor allem Untersuchungen zur strukturabhaumln-gigen Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber die Darmbarriere im Vordergrund Die Ergebnisse zeigen dass sich das Wirkungs-potenzial der 12-ungesaumlttigten PA aufgrund von Unterschieden im strukturabhaumlngigen Transport uumlber die Darmbarriere unter-scheiden kann Auch zeigten die getesteten Modellsubstanzen in einem Zellkulturmo-dell deutliche strukturspezifische Unter-schiede im Metabolismus Weitere Untersu-

Pflanzen die Pyrrolizidinalkaloi-de bilden finden sich vor allem in den Familien der Korbbluumltler (Asteraceae) der Raublatt- oder Borretschgewaumlchse (Boraginaceae) und der Huumllsenfruumlchtler (Faba-ceae)

22 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

chungen zu der Zerstoumlrung der sinusoidalen Endothelzellen durch 12-ungesaumlttigte PA sollen zum Verstaumlndnis der Mechanismen beitragen die zu den venookklusiven Ver-aumlnderungen in der Leber fuumlhren Auch wer-den Untersuchungen zur Metabolisierung nahrungsrelevanter Pyrrolizidinalkaloide durchgefuumlhrt Die Forschungsprojekte wer-den von der Deutschen Forschungsgemein-schaft (DFG) gefoumlrdert

Empfehlungen zur Reduktion der PA-Gehalte

Das BfR empfiehlt dass sich Management-maszlignahmen an der Vermeidung genoto-xisch-kanzerogener Effekte der 12-ungesaumlt-tigten PA als dem empfindlichsten Endpunkt orientieren Die Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA sollte fuumlr Verbrau-cherinnen und Verbraucher so gering wie moumlglich sein Dazu sollten die PA-Gehalte in Lebensmitteln so weit wie moumlglich sin-ken Dies gilt insbesondere fuumlr Kraumlutertees Rooibostee Schwarzen Tee und Gruumlnen Tee sowie bestimmte Nahrungsergaumlnzungsmit-tel Hier sollten Anbau- Ernte- und Reini-gungsmethoden weiterhin verbessert wer-den Auch die Auswahl der Rohhonige kann zu einer Reduzierung der Gehalte an 12-un-gesaumlttigten PA in verzehrfertigen Honigen beitragen Auszligerdem sind vor der Vermark-tung seitens der Lebensmittelunternehmer weiterhin Kontrollen in allen betroffenen Lebensmittelkategorien notwendig

Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das potenzielle gesundheitliche Risiko durch PA durch eine abwechslungsreiche Ernaumlh-rung verringern und so generell einseitigen Belastungen mit verschiedenen potenziell gesundheitsgefaumlhrdenden Stoffen vorbeu-gen Insbesondere fuumlr Kinder Schwangere und Stillende empfiehlt das BfR den taumlgli-chen Fluumlssigkeitsbedarf nicht ausschlieszliglich mit Kraumlutertee und Tee zu decken

Bei der Zubereitung von Salat Blattgemuumlse und Kraumlutern sollten Verbraucherinnen und Verbraucher Pflanzenteile aussortieren die sie keinen bekannten essbaren Pflanzen zu-ordnen koumlnnen

Wer Nahrungsergaumlnzungsmittel auf Pollen-basis oder auf Basis von Pflanzen einnimmt die 12-ungesaumlttigte PA bilden sollte sich bewusst sein dass diese Produkte 12-un-gesaumlttigte PA in houmlheren Konzentrationen enthalten koumlnnen

Mehr erfahrenStellungnahme Nr 0302016 des BfR vom 28 September 2016

Necinbase

Necinsaumlure

Die Struktur von PA

Chemisch handelt es sich um Ester aus einer Necinbase und aliphatischen Mono- oder Dicarbonsaumluren (Necin-saumluren) Aus toxikologischer Sicht besonders bedeutsam sind Pyrroli-zidinalkaloide mit 12-ungesaumlttigter Necinstruktur (12-ungesaumlttigte PA) Die 12-ungesaumlttigte Necinstruktur als gemeinsames Strukturmerkmal erlaubt grundsaumltzlich die Giftung durch Oxidation zum Dehydropyrrolizidin das durch seine alkylierenden Eigenschaf-ten fuumlr die genotoxische und karzino-gene Wirkung dieser Substanzgruppe verantwortlich ist

copy R

ukiM

edia

shu

tters

tock

com

copy J

iri H

era

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

23012017

Im suumldlichen Afrika spielt die Landwirt-schaft eine Schluumlsselrolle bei der Armuts-bekaumlmpfung Eine wachsende Produktion tierischer Lebensmittel bringt jedoch auch neue Herausforderungen an die Lebensmit-telsicherheit mit sich Das BfR-Forschungs-projekt bdquoSAD-Zambialdquo (bdquoStaphylococcus aureus in der Milchlebensmittelkette in Sambia ndash Bekaumlmpfung lebensmittelbeding-ter Erkrankungen und Antibiotikaresisten-zen beim Menschldquo) befasst sich damit wie die Produktion und der Vertrieb von Milch und Milchprodukten in Sambia sicherer gestaltet werden koumlnnen Ziel ist es zu be-werten in welchem Umfang das Bakterium Staphylococcus (S) aureus uumlber Milch und Milchprodukte auf den Menschen uumlbertra-gen wird In einem ersten Schritt werden Feldstudien in verschiedenen Provinzen des Landes durchgefuumlhrt um das Vorkommen dieses Erregers und moumlgliche Schwachstel-len in der Milchlebensmittelkette in Sambia zu analysieren Hierbei stehen Toxin-bil-dende S aureus-Staumlmme im Fokus Auszliger-dem wird untersucht in welchem Umfang Methicillin-resistente S aureus (MRSA) die gegen eine bestimmte Klasse von Antibio-tika resistent sind in der Milchlebensmit-

telkette vorkommen Die Bewertungsarbeit beinhaltet auch einen Vergleich traditio-neller und moderner Produktionssysteme Am BfR werden anschlieszligend die Analysen zu den Eigenschaften der gewonnenen Bakterienstaumlmme sowie stammvergleichen-de Untersuchungen durchgefuumlhrt In einem weiteren Schritt werden Ansatzpunkte zur Reduzierung der Bakterien sowie Methoden zum Monitoring von zoonotischen und An-tibiotika-resistenten S aureus in der Milch-lebensmittelkette in Sambia entwickelt So soll zum Verstaumlndnis der lebensmittelbe-dingten Risiken entlang der Milchlebens-mittelkette in Sambia beigetragen werden Das Projekt begann am 01072016 und laumluft drei Jahre Es wird vom Bundesminis-terium fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft gefoumlrdert und aus BfR-Mitteln co-finanziert Neben dem BfR beteiligen sich an dem For-schungsprojekt das International Livestock Research Institute die University of Zambia und das Central Veterinary Research Insti-tute als Teil des sambischen Ministeriums fuumlr Nutztiere und Fischerei Durch dieses Forschungsnetzwerk soll eine nachhaltige Partnerschaft aufgebaut werden

Mit dem Forschungsprojekt bdquoSAD-Zambialdquo leistet das BfR einen Beitrag zur Staumlrkung der Lebensmittelsicherheit und damit zur Ernaumlhrungssicherheit im suumldlichen Afrika Koordinatorin des Projekts ist Frau Dr Alexandra Fetsch Der sambische Doktorand Herr Bruno Phiri berichtet von seiner alltaumlglichen Arbeit Beide arbeiten in der Fach-gruppe bdquoMikrobielle Toxineldquo des BfR

POST AUS hellipSAMBIA

raquobdquoDas SAD-Zambia Projekt ist fuumlr mich ein Meilenstein und ich bin dem BfR sehr dankbar dass es mir diese Moumlglichkeit gibt Ich habe schon viel dazugelernt und konnte meine Kompetenzen bezuumlglich der Diagnose von Krankheitserregern verbessern Das Projekt bringt mich aber nicht nur persoumlnlich voran auch mein Land kann davon profitieren Mein Arbeitsalltag beginnt meist mit einem Besuch bei den Milchbauern und ihren Herden Dort schaue ich mir an wie die Kuumlhe gemolken werden und nehme Proben von den Tieren der Milch und der Umge-bung Auch in Milchsammelstellen und auf Maumlrkten nehme ich Proben Diese analysiere ich anschlieszligend im Labor an der Universitaumlt Schon jetzt freue ich mich auf die weiteren Untersuchungen der Bakterienstaumlm-me am BfR Ich war zu Beginn des Projektes dort ndash eine sehr eindrucks-volle Erfahrungldquo

(Bruno Phiri)

copy a

stud

ios

hutte

rsto

ckc

om

copy B

fR

24 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

Algengift in Tropenfischen

Bisher traten Lebensmittelvergiftungen durch Ciguato-xin ndash einem Algentoxin das in tropischen Speisefischen wie Barrakuda Schnapper oder Zackenbarsch enthalten sein kann ndash vorwiegend in den Tropen auf Mit dem zunehmenden Import von Fischen aus Suumldostasien haumlufen sich auch in Europa und seit 2012 in Deutschland Faumllle von Ciguatera Ein Problem dabei Eine Analyse-methode mit der Fisch routinemaumlszligig auf Ciguatoxine untersucht werden kann ist derzeit noch nicht verfuumlgbar Da weltweit nur wenige Labore auf den Nachweis von Ci-guatoxinen in Fischen spezialisiert sind wird im Projekt bdquoEuroCigualdquo der Europaumlischen Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit (EFSA) unter anderem an der Verbesserung entsprechender Analysemethoden und zum Vorkommen ciguatoxischer Fische in Europa geforscht Das BfR liefert fuumlr das Projekt Angaben zu Erkrankungsfaumlllen in Deutschland Die krankmachenden Algentoxine reichern sich uumlber die Nahrungskette in Raubfischen an und sind uumlberaus stabil Durch Erhitzen oder Tiefkuumlhlen lassen sie sich nicht entfernen Beim Menschen kann der Verzehr betroffener Fische dann zu Vergiftungen mit zum Teil schweren oder andauernden Beeintraumlchtigungen des Nervensystems fuumlhren An Ciguatera Erkrankte nehmen normale Kaumlltereize als ungewoumlhnlich schmerzhaft wahr

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt A-Z-Index Ciguatoxin

Alkaloide in Lupinensamen

In verarbeiteten Produkten oder zum Knabbern Lupinensamen sind im Trend Da sie jedoch toxikologisch relevante bittere Chinolizidinalkaloide enthalten koumlnnen bewertet das BfR ihr gesundheitliches Risiko Der Gehalt an Chinolizi-dinalkaloiden in Lupinensamen variiert je nach botanischer und geografischer Abstammung Samen die von bdquoBitterlupinenldquo stammen sind aufgrund ihrer houmlheren Gehalte ohne geeignete Vorbehandlung der bdquoEntbitterungldquo nicht zum Verzehr geeignet Denn Sie koumlnnen beim Menschen Vergiftungssymptome her-vorrufen Lupinenvarietaumlten die Samen mit niedrigen Alkaloidgehalten liefern werden als bdquoSuumlszliglupinenldquo bezeichnet Suumlszliglupinensamen sind auch ohne Entbitte-rung verzehrsfaumlhig In Deutschland kam es mit Bitterlupinensamen vereinzelt zu Vergiftungsfaumlllen Das BfR empfiehlt Herstellern daher nur ganze Lupinensamen in den Verkehr zu bringen die ohne weitere Entbitterungsprozesse verzehrsfaumlhig sind Mehl aus Lupinensamen sollten Hersteller aus alkaloidarmen oder ausrei-chend entbitterten Samen herstellen

Uumlbertragungswege des Hepatitis-E-Virus

Infektionen mit dem Hepatitis-E-Virus (HEV) koumlnnen zu einer akuten Leberentzuumlndung fuumlhren In den letzten Jahren sind die Zahlen gemeldeter Hepatitis-E-Faumllle des Menschen in Deutsch-land stark angestiegen Forschungsergebnisse des BfR in Zusam-menarbeit mit anderen Einrichtungen haben gezeigt dass das Virus in deutschen Haus- und Wildschweinen weit verbreitet ist Vereinzelt wurde HEV auch in Rehen und Rotwild nachgewiesen

Unklar ist derzeit noch auf welchen Wegen sich die Patienten mit dem Virus anstecken Moumlglich sind direkte Virusuumlbertra-gungen zum Beispiel vom Wildtier auf den Jaumlger und indirekte uumlber Lebensmittel die aus infizierten Tieren hergestellt wurden Wie aktuelle Studien des BfR zeigen kann HEV in verschiedenen Wurstwaren aus dem deutschen Einzelhandel nachgewiesen wer-den Fraglich ist ob das Virus in diesen Produkten noch anste-ckend ist oder ob es bei der Herstellung der Lebensmittel zerstoumlrt wird Hierfuumlr noumltige Untersuchungen waren in der Vergangenheit erschwert da sich HEV im Labor nur schlecht kultivieren lieszlig Erste Ergebnisse von Untersuchungen mithilfe eines am BfR ent-wickelten neuartigen Zellkultur-Systems weisen darauf hin dass HEV hitzeempfindlich ist aber bei Kuumlhlung oder Raumtempera-tur mehrere Wochen infektioumls bleiben kann

SPEKTRUM

copy N

eil B

urto

nsh

utte

rsto

ckc

om

copy N

atal

ia M

ylov

ash

utte

rsto

ckc

om

copy iS

tock

com

Mee

Poo

hyap

hoto

25012017

bdquoNur eine gemeinsame Strategie ist effektivldquo

Frau Kaumlsbohrer ein zentrales Thema Ihrer Forschung sind Antibiotikaresis-tenzen In der oumlffentlichen Debatte wird oft ein Zusammenhang hergestellt zwi-schen dem haumlufigen Einsatz von Anti-biotika in der Nutztierhaltung und dem Auftreten resistenter Bakterien in der Humanmedizin Doch werden bei Tieren nicht andere Antibiotika eingesetzt als bei MenschenUm die Unterschiede zu erlaumlutern muss man zwischen Praumlparaten und den antibiotischen Wirkstoffgruppen unterscheiden Beim Tier verwenden Veterinaumlrmediziner ande-re Praumlparate als Aumlrzte beim Menschen Der wirksame Inhaltsstoff das Antibiotikum kann aber dasselbe sein Die Antibiotika lassen sich wiederum in Wirkstoffgruppen einteilen Mit Blick auf die Wirkstoffgrup-pen gilt Die meisten Antibiotika die beim Menschen eingesetzt werden gehoumlren zu Wirkstoffgruppen die wir auch in der Vete-rinaumlrmedizin nutzen Es gibt nur ganz weni-ge Antibiotikagruppen die nur auf der einen oder der anderen Seite verwendet werden Dazu gehoumlren zum Beispiel die Carbapene-me die nicht beim Nutztier eingesetzt wer-den duumlrfen In der Humanmedizin kommen sie insbesondere zum Einsatz wenn andere Antibiotika nicht mehr wirksam sind

bdquoEine Resistenz ge-gen einen bestimm-ten Wirkstoff kann sich auch ausbrei-ten obwohl diese Wirkstoffgruppe nicht eingesetzt wurde

Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer leitet am BfR die Fachgruppe bdquoEpide-miologie Zoonosen und Antibiotika-resistenzldquo die unter anderem auch das Nationale Referenzlabor fuumlr Antibiotika- resistenzen umfasst Seit April 2016 ist sie auszligerdem Professorin an der Vetmeduni Vienna und leitet dort das Institut bdquoOumlffentliches Veterinaumlrwesenldquo

Wenn sie beim Nutztier nicht eingesetzt werden duumlrfen wie kann es dann sein dass Sie am BfR im Rahmen des For-schungsprojekts RESET Carbapene-mase-bildende Bakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden gefunden habenDie Entstehung von Antibiotikaresistenzen ist ein natuumlrlicher Vorgang bei Bakterien Durch den Gebrauch von Antibiotika wird dieser Prozess beschleunigt Eine Resistenz gegen einen bestimmten Wirkstoff kann sich auch ausbreiten obwohl diese Wirk-stoffgruppe nicht eingesetzt wurde Dank der Selektion gilt meist Wenn ich einen Wirkstoff einsetze gebe ich jenen Bakterien einen Vorteil die gegen den Wirkstoff resis-tent sind Aber Carbapenemasen also die Enzyme die von Carbapenem-resistenten Bakterien gebildet werden koumlnnen neben den Carbapenemen auch fast alle anderen

Bakterien die gegen Antibiotika resistent sind stellen ein Risiko fuumlr die oumlffentliche Gesundheit dar Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer widmet sich am BfR dieser Problematik Im Gespraumlch erklaumlrt sie welche Faktoren bei der Ausbreitung von Resistenzen eine Rolle spielen

copy M

icha

el B

ernk

opf

Vetm

edun

i Vie

nna

26 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

β-Laktam-Antibiotika inaktivieren Theo-retisch ist es daher moumlglich dass sich eine Resistenz gegen Carbapeneme ausbreitet obwohl der Tierarzt beim Nutztier eine an-dere Wirkstoffgruppe eingesetzt hat Ist die Resistenz bei Bakterien vorhanden gibt es viele Ausbreitungswege Ein Stall ist kein steriler Ort sondern belebte Umwelt Moumlg-liche Eintragswege fuumlr resistente Bakterien in einen Stall sind z B belebte Vektoren wie neu eingestallte Tiere Maumluse Fliegen oder Voumlgel aber auch unbelebte Vektoren wie Futter Wasser Staub oder Geraumltschaften

Was hat sich seit dem Fund der Carba-penemase-bildenden Enterobakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden fuumlr Ihre Arbeit beim BfR geaumlndert Der Fund hatte vielfaumlltige Konsequenzen Wir haben vor allem die gezielten Untersu-chungsaktivitaumlten verstaumlrkt Bakterien-Iso-late aus Tierbestaumlnden und Lebensmitteln werden seit 2014 im Rahmen des Resistenz-monitorings im BfR routinemaumlszligig auf eine Carbapenem-Resistenz getestet Auszligerdem steht seit 2015 fuumlr den Nachweis von Carba-penemase-bildenden Bakterien ein weiteres gezieltes Nachweisverfahren zur Verfuumlgung Hierzu muumlssen die Labore geschult werden Zusaumltzlich werden im Nationalen Refe-renzlabor fuumlr Antibiotikaresistenz am BfR Carbapenemase-verdaumlchtige Bakterien auf die charakteristischen Resistenzgene hin un-tersucht Am BfR wurden hierfuumlr verschie-dene Methoden fuumlr die Untersuchung von E coli und Salmonella etabliert Bisher wur-den sehr selten solche Resistenzgene nach-gewiesen bei Nutztieren das Gen blaVIM-1 bei einem Wildvogel das Gen blaNDM-1

Oftmals sind die Resistenzgene gegen Carbapeneme zusammen mit anderen Resistenzgenen auf mobilen geneti-schen Elementen lokalisiert Warum ist hier besondere Vorsicht gebotenZunaumlchst ist die Trefferwahrscheinlichkeit fuumlr eine Selektion houmlher wenn mehrere Re-sistenzgene auf einem genetischen Element liegen d h der Einsatz verschiedener Anti-biotika kann zu einem Selektionsvorteil fuumlh-ren Die Lokalisation von Resistenzgenen auf mobilen genetischen Elementen spielt fuumlr die Uumlbertragbarkeit von Resistenzen eine wichtige Rolle Denn Diese Resistenzgene koumlnnen mittels horizontalem Gentransfer auf ganz unterschiedliche Bakteriengruppen uumlbertragen werden Diese Erkenntnis hat eine Art Revolution ausgeloumlst Lange Zeit wurde ein Erreger mit all seinen Eigenschaf-ten als Einheit betrachtet Kann die Resis-tenz aber zwischen Bakteriengruppen hin

und her uumlbertragen werden verfaumllscht das moumlglicherweise den Blick auf eine Gruppe Folglich mussten die Nachweisverfahren umgestellt und die Uumlbertragbarkeit von Re-sistenzen mit analysiert werden Erschwe-rend kommt hinzu dass ein Resistenzgen auf einem grundsaumltzlich ungefaumlhrlichen

Bakterium zum Problem werden kann Manche Bakterien wie beispielsweise E coli gehoumlren zur normalen Darmflora Traumlgt so ein Bakterium eine Resistenzeigenschaft ist das erstmal nicht gefaumlhrlich Aber Es kann diese Eigenschaft moumlglicherweise an einen Infektionserreger weitergeben

Welche konkreten Folgen kann eine solche Weitergabe von Resistenzeigen-schaften habenSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt Schon jetzt weichen Aumlrzte auf Wirk-stoffgruppen aus die in der Humanmedizin lange verpoumlnt waren Dies gilt zum Beispiel fuumlr Colistin Fuumlr den Menschen ist es nicht gut vertraumlglich moumlgliche Nebenwirkun-gen sind beispielsweise die Schaumldigung der Nieren oder des Nervensystems In der Ve-terinaumlrmedizin hat Colistin seit Jahrzehnten eine erhebliche Bedeutung vor allem fuumlr die Behandlung von Infektionen des Ma-gen-Darm-Traktes bei Nutztieren auch um andere Wirkstoffgruppen zu vermeiden

Spielt im Fall von Colistin die Mobilitaumlt des Resistenzgens auch eine besonde-re Rolle Inzwischen ja Bis Ende 2015 waren sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler einig Eine Colistin-Resistenz ist nicht uumlbertragbar Das heiszligt kommt eine solche Resistenz bei einem Infektionserreger beim Nutztier vor ist sie nicht per se auf ein hu-manpathogenes Bakterium uumlbertragbar Doch Ende 2015 wurde in China erstmals das uumlbertragbare Gen mcr-1 beschrieben Untersuchungen in Belgien haben spaumlter zur Beschreibung eines weiteren mobilen Gens fuumlr die Colistin-Resistenz bei Nutztieren

bdquoSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

27012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Ausbreitung von Resistenzen

Haustiere

Krankenhaus

Belastetepflanzliche Lebensmittel

Belastete tierische Lebensmittel

Nutztiere

Futtermittel

Schaumldlinge

Uumlbertragungswege resistenter Bakterien

Menschen

Eine Antibiotikaresistenz entsteht

(z B durch Mutation)

Antibiotikatherapie beguumlnstigt die

Selektion resistenter Bakterien

Nahrung

Duumlnger Abwasser

Abwasser

28 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

gefuumlhrt mcr-2 Das bedeutet eine Uumlbertra-gung der durch diese Gene vermittelten Re-sistenz auf ein humanpathogenes Bakterium ist theoretisch moumlglich Allerdings scheint dies bisher selten der Fall zu sein

Diese Erkenntnisse offenbaren einen groszligen Forschungsbedarf Was tun Sie in der Abteilung bdquoBiologische Sicher-heitldquo um das Risiko zu bewerten Als 2015 klar wurde dass es eine uumlbertrag-bare Colistin-Resistenz gibt haben wir diese neue Erkenntnis in den laufenden Projekten natuumlrlich sofort aufgegriffen Im Rahmen des Forschungsprojekts RE-SET haben wir zum Beispiel vorhandenes Bakterienmaterial und die bei unseren Ko-operationspartnern verfuumlgbaren Gesamt-genominformationen auf das Vorkommen dieses neuen Resistenzgens gepruumlft Schnell war klar Ja dieses Gen finden wir in den Sequenzen Und die Pruumlfung von Colis-tin-resistenten Isolaten aus unserer Stamm-sammlung hat bestaumltigt dass dieses Resis-tenzgen bereits weit verbreitet ist

Muumlssen nun neue Forschungsprojekte zu dem Thema initiiert werdenJa denn viele Fragen bleiben bislang offen Wie haumlufig wird die Resistenz tatsaumlchlich uumlbertragen Was triggert diese Uumlbertra-gung Es gibt auch diagnostische Probleme Das uumlbliche Verfahren in der Humanmedi-zin um Resistenzen zu testen umfasst in der Regel nicht die Resistenz gegen Colistin Es gibt also viel zu tun Neue Diagnose- und Typisierungsverfahren aufbauen unser Re-sistenzmonitoring erweitern und routine-maumlszligig phaumlnotypisch resistente Isolate auf das Gen pruumlfen Die Ergebnisse muumlssen wir dann uumlbergreifend bewerten um Hand-lungsoptionen aufzuzeigen

Welche Uumlbertragungswege spielen bei der Colistin-Resistenz fuumlr den Men-schen eine Rolle Mit Sicherheit koumlnnen wir das derzeit nicht sagen Die chinesische Arbeitsgruppe hat Colistin-Resistenzen sowohl im Schweine-fleisch als auch beim Menschen gefunden Daher liegt die Hypothese nahe dass es eine Uumlbertragung uumlber Lebensmittel gibt Gleichzeitig gibt es generell die Beobachtung von nosokomialen Ausbreitungen resisten-ter Bakterien Das sind Ausbreitungen von Antibiotikaresistenzen im Krankenhaus

Resistenzen breiten sich aus Wunder-waffen verlieren ihre Wirkung selbst im Krankenhaus sind wir nicht sicher Gibt es uumlberhaupt eine effiziente Strategie gegen die Ausbreitung der Antibiotika- resistenzen Und wer ist dabei gefor-dertUm die Ausbreitung von Antibiotika- resistenzen zu verhindern braucht es eine gemeinsame Strategie Schlieszliglich sind hier komplexe Zusammenhaumlnge zwischen Mensch Tier und Umwelt am Werk Am BfR streben wir deswegen eine enge Zu-sammenarbeit mit allen Akteuren im oumlffent-lichen Gesundheits- und Veterinaumlrwesen an Bei diesem bdquoOne Health-Ansatzldquo sind sowohl Veterinaumlr- als auch Humanmedizi-ner gefordert Auch Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

Was sollten Verbraucherinnen und Ver-braucher beachtenHier gelten dieselben Hygieneregeln die auch fuumlr andere vom Tier oder vom Le-bensmittel auf den Menschen uumlbertragba-re Krankheitserreger gelten Zum Beispiel sollten sie sich nach dem Kontakt mit Tie-ren die Haumlnde mit warmem Wasser und Seife waschen Auch nach der Zubereitung von rohem Fleisch sollten die Haumlnde gruumlnd-lich gewaschen werden Fleisch Eier und Rohmilch sollten vor dem Verzehr durcher-hitzt werden Rohkost und Obst sollten vor dem Verzehr gruumlndlich mit Trinkwasser gewaschen oder geschaumllt werden Weiterhin wichtig ist den direkten oder indirekten Kontakt von rohem Fleisch und rohen Ei-ern mit verzehrfertigen Speisen die spaumlter nicht mehr erhitzt werden zu vermeiden Durch die Einhaltung der Hygieneregeln kann man einer Uumlbertragung von resisten-ten und oder pathogenen Bakterien auf an-dere Lebensmittel vorbeugen

Mehr erfahren Irrgang et al 2017 Recurrent detection of VIM-1-producing Escherichia coli clone in German pig production Journal ofAntimicrobial Chemotherapy 72 3 944ndash946

bdquoVerbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

RESET

Der Forschungsverbund RESET ndash Antibiotika-Resistenzen bei Tier und Mensch ndash beschaumlftigte sich von 2010 bis 2017 mit Resistenzen gegen die besonders wichtigen Antibiotika-Klas-sen der β-Laktam-Antibiotika und (Fluor-)Chinolone bei Darmbakterien wie Escherichia (E) coli Sind Bak-terien gegen beide Wirkstoffklassen resistent werden die therapeutischen Moumlglichkeiten drastisch eingeschraumlnkt Bei E coli und Salmonella enterica wurden derartige Resistenzen bereits nachgewiesen Das BfR beteiligte sich mit zwei Projekten an dem Forschungs-verbund Durch das konsequente Zusammenfuumlhren von Ergebnissen der unterschiedlichen Forschungsgebiete in einer gemeinsamen Datenbank konnten Erkenntnisluumlcken geschlossen und Risiken bewertet werden Das Projekt wurde vom Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) gefoumlrdert

29012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Kann es durch die Mischung verschiedener Pestizid-Ruumlckstaumlnde beim taumlglichen Verzehr zu gesundheitsgefaumlhrdenden Belastungen kommen

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

30 BfR 2 GO

Wenn von Paradigmenwechseln die Rede ist findet meist ein grundlegendes Umdenken statt In der Risikobewertung von Chemikalien habe ein Paradigmenwechsel stattge-

funden der die traditionelle Einzelsubstanz-Bewertung hinter sich lasse schrieben BfR-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler vor einiger Zeit Man koumlnnte meinen in der Toxikologie wird der Paracelsus-Satz kuumlnftig umgeschrieben Nicht nur die Dosis son-dern auch die Aufsummierung der Dosierungen in einer Mischung macht das Gift

Gift- oder Todescocktail ndash plakative Medienbegriffe

Denn tatsaumlchlich In den letzten Jahren beschaumlftigen sich weltweit immer mehr Gremien politische Ausschuumlsse und Forschungspro-jekte mit der Frage wie man die Auswirkungen von Mischungen auf Umwelt und Gesundheit kuumlnftig bewerten kann Auch in der Oumlffentlichkeit wird das Thema emotional verhandelt Chemikali-enmix Gift- oder sogar Todescocktail ndash mit plakativen Begriffen umschreiben Medien das Phaumlnomen der Mehrfachruumlckstaumlnde Entsprechend tief sitzt die Angst bei Verbraucherinnen und Ver-brauchern In einer vom BfR in Deutschland durchgefuumlhrten re-praumlsentativen Wahrnehmungsstudie vermuten 80 Prozent der Befragten dass der Einsatz mehrerer unterschiedlicher Pflanzen-schutzmittel zu gesundheitlichen Beeintraumlchtigungen durch Le-bensmittel fuumlhren kann

Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck sein

Zwar zeigen verschiedene aktuelle Monitoring-Projekte dass das gesundheitliche Risiko durch Mehrfachruumlckstaumlnde von Pflanzen-schutzmitteln unwahrscheinlich ist (s Interview) aber das Thema bleibt auch fuumlr die Wissenschaft draumlngend Denn auch wenn Mi-schungen schon seit Jahrzehnten wissenschaftlich analysiert und bewertet werden das Beduumlrfnis nach einer zuverlaumlssigen Bewertung der Risiken fuumlr Mensch und Umwelt steigt Grund dafuumlr ist zum einen die Vielzahl immer neuer Wirkstoffe Zusatzstoffe Chemika-lien Ruumlckstaumlnde und Kontaminanten gegenuumlber denen Menschen exponiert sind verbunden mit immer verfeinerten wissenschaftli-chen Nachweismethoden Zum anderen steigt der Druck aus der Oumlffentlichkeit Um wissenschaftliche Divergenzen zu vermeiden muumlssen transparente und international harmonisierte Verfahren entwickelt werden Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck in der Risikobewertung sein

Alle Gemische im Tierversuch zu testen ist nicht durchfuumlhrbar

Worum geht es im Einzelnen Mischungen liegen immer dann vor wenn ein Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt verschiedene Stoffe gleichzeitig aufnimmt z B Ruumlckstaumlnde Kontaminanten oder Chemikalien die nach der Europaumlischen Chemikalienverordnung REACH registriert sind Das geschieht wenn sogenannte intentional mixtures also beabsichtigte Mischungen wie Pflanzenschutzmittel oder Biozide in den Verkehr gebracht werden Aber auch unintenti-onal mixtures nimmt der Koumlrper auf Sei es dass verschiedene Stoffe in einem Produkt enthalten sind z B mehrere Pflanzenschutzmit-telruumlckstaumlnde in einem Apfel Oder sei es dass Stoffe gleichzeitig uumlber unterschiedliche Produkte aufgenommen werden In all diesen Faumlllen koumlnnen Mischungseffekte auftreten Diese sind je nach Wirk-mechanismus unterschiedlich stark ausgepraumlgt So koumlnnen sich die Wirkungen von Stoffen gegenseitig potenzieren oder auch aufheben Nach derzeitigem Kenntnisstand wird davon ausgegangen dass sich Wirkungen in der Regel addieren wenn die aufgenommenen Stoffe oberhalb der Wirkschwelle liegen den gleichen Wirkmechanismus haben und zu einem relevanten Zeitpunkt vom Organismus aufge-nommen wurden

Hier beginnen die Schwierigkeiten Es gibt zu viele intentional mix-tures die eine nahezu unuumlbersehbar groszlige Anzahl von Kombinati-onen ermoumlglichen Diese Gemische alle im Tierversuch zu testen wie sonst bei Einzelsubstanzen uumlblich waumlre sowohl ethisch nicht zu vertreten als auch praktisch nicht durchfuumlhrbar Daher arbeiten viele Forschungsprojekte u a der EU-Kommission daran tierversuchs-freie Methoden fuumlr die kumulative Bewertung zu entwickeln die die Effekte von Mischungen in vitro oder durch computergestuumltzte Be-rechnungen in silico berechnen (s Interview und Kasten)

Weltweit setzen Laumlnder das Thema auf ihre Agenda

Nicht nur fuumlr die Wissenschaft auch fuumlr den harmonisierten Voll-zug von Gesetzen ergeben sich dadurch neue Herausforderungen So schreibt z B die EU-Verordnung uumlber das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vor Kumulations- und Synergieeffekte zu be-ruumlcksichtigen ndash sofern es von der Behoumlrde anerkannte wissenschaft-liche Methoden zur Messung solcher Effekte gibt Doch die lagen bisher nicht vor Deshalb werden nun auf allen Ebenen technische Leitfaumlden fuumlr die neuen Methoden erstellt um eine harmonisierte

Auf die Mischung kommt es anKumulative Risikobewertung nimmt weltweit eine immer groumlszligere Bedeu-tung in der Toxikologie ein Das BfR arbeitet an einer Vielzahl von Projek-ten wie Mischungen in Zukunft bewertet werden koumlnnen

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

31012017

Vorgehensweise und transparente Nachvollziehbarkeit bei der Zu-lassung von Produkten zu gewaumlhrleisten Unter anderem die EFSA die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmittelsicherheit die Europauml-ische Chemikalienagentur ECHA und das JRC die Gemeinsame Forschungsstelle der Europaumlischen Kommission erarbeiten solche technischen Leitfaumlden

Neben der wissenschaftlichen Komplexitaumlt muumlssen diese techni-schen Leitfaumlden weitere Herausforderungen meistern Sie sollen fuumlr alle Bereiche gelten in denen Mischungen in Verkehr gebracht werden oder entstehen koumlnnen Bisher wurden Mischungen haumlufig nur in einem regulatorischen Bereich untersucht z B als Pflan-zenschutzmittel Biozid oder Arzneimittel Fuumlr andere Stoffe wie Lebensmittelzusatzstoffe oder Kontaminanten war die Bewertung von Mischungen bisher nicht klar gesetzlich reguliert In Zukunft sollen auch diese Stoffe bei einer Bewertung von Mischungen besser beruumlcksichtigt werden Auch soll nicht nur die chemische Zusam-mensetzung eines einzelnen Produktes systematisch bei der Zu-lassung beruumlcksichtigt werden sondern auch Mehrfachruumlckstaumlnde im gesamten Warenkorb den Verbraucherinnen und Verbraucher durchschnittlich zu einer gegebenen Zeit konsumieren Und zu gu-ter Letzt muumlssen die neuen Verfahren weltweit harmonisiert werden um das kumulative Risiko fuumlr Mensch und Umwelt auch angesichts globaler Warenketten gering zu halten Deshalb diskutieren Politik und Wissenschaft zurzeit nicht nur auf europaumlischer Ebene entspre-chende Leitfaumlden auch andere Laumlnder weltweit sowie die Weltge-sundheitsorganisation WHO und die Organisation fuumlr wirtschaftli-che Zusammenarbeit und Entwicklung OECD haben die kumulative Bewertung auf ihre Agenda genommen und stimmen ihre Guidance Documents mit den uumlbrigen Behoumlrden ab

Deutschland wendet die kumulative Bewertung schon an

Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR sind an zahlreichen dieser internationalen Projekte beteiligt sowohl an der wissenschaftlichen Erforschung kumulativer Effekte als auch an der Entwicklung technischer Leitfaumlden Einen wichtigen Schritt bei der kumulativen Bewertung hat Deutschland in der Europaumlischen Uni-

Stufe um Stufe zu einer gesicherten Bewertung

Seit Maumlrz 2017 wird in Deutschland eine Methodik fuumlr die Bewertung von Kumulations- und Synergie-effekten bei der gesundheitlichen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln in den Zulassungsverfahren angewandt Grundlage fuumlr das gestufte kumulative Bewertungsverfahren ist der sogenannte bdquoHazard Quotientldquo (HQ) der fuumlr jeden einzelnen Stoff ermit-telt wird Der HQ errechnet sich aus dem Verhaumlltnis zwischen dem relevanten gesundheitlichen Grenz-wert und der geschaumltzten Exposition

In einer ersten Stufe wird der HQ fuumlr alle Stoffe eines Gemisches einzeln ermittelt Liegt der HQ jedes Stoffes unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko fuumlr die einzelnen Bestandteile der Mischung zu erwarten Liegt dieser bei einzelnen Stoffen uumlber 1 wird gepruumlft ob die Exposition durch geeignete Maszlignahmen weiter vermindert werden kann zum Beispiel durch das Tragen entsprechender Schutz-kleidung

Liegt der HQ fuumlr alle Komponenten unter 1 wird in einer zweiten Stufe der sogenannte bdquoHazard Indexldquo (HI) des Gemisches ermittelt indem alle Gefahren-quotienten der verwendeten Stoffe addiert werden Liegt der ermittelte Wert weiterhin unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko durch das Gemisch zu erwarten

Liegt der HI uumlber 1 geht die Bewertung mit weiter verfeinerten Methoden in die dritte Stufe uumlber In dieser wird gepruumlft ob ein gesundheitliches Risiko vorliegt wenn eine Gruppierung der Einzelstoffe vorgenommen wird Dazu koumlnnen die einzelnen Stoffe in kumulative Bewertungsgruppen (cumula-tive assessment groups CAGs) eingeteilt werden die z B nach Effekten im gleichen Zielorgan oder nach dem gleichen Wirkmechanismus oder nach chemischer Verwandtschaft definiert sein koumlnnen Hintergrund dieser Einteilung ist die Annahme dass sich nach gegenwaumlrtigem Kenntnisstand nur Effek-te addieren die hinsichtlich der Zielorgane oder der Wirkmechanismen (MOA) vergleichbar sind Auch die relative Potenz der einzelnen Stoffe soll bei der verfeinerten Bewertung beruumlcksichtigt werden Liegt der HI innerhalb einer CAG unter 1 ist deshalb kein gesundheitliches Risiko zu erwarten Liegt er oberhalb des Wertes und koumlnnen weder Expositionsschaumltzung noch Gefahrenbewertung weiter verfeinert werden gilt das Gemisch als nicht sicher

Das mehrstufige Verfahren hat den Vorteil dass die ressourcenaufwendigeren Methoden zur verfei-nerten Bewertung z B in vergleichbaren CAGs oder MOAs nur zum Einsatz kommen wenn mit den ersten einfacheren Bewertungsmethoden nicht nachweisbar ist dass kein gesundheitliches Risiko zu erwarten ist

copy T

atom

mis

tock

com

32 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

EuroMix A tiered strategy for risk assessment of mixtures of multiple chemicals

EuroMix ist ein laumlnderuumlbergreifendes Projekt der EU-Kommission das die nie-derlaumlndische Behoumlrde fuumlr Gesundheit und Umweltschutz RIVM koordiniert Es zielt darauf ab eine tierversuchsfreie experi-mentelle Test-Strategie zu entwickeln um die Toxizitaumlt von Gemischen verschiedener toxikologisch relevanter Lebensmittelin-haltsstoffe Lebensmittelkontaminanten und Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde besser zu bestimmen Aus den Forschungsergeb-nissen wird ein Leitfaden fuumlr die kuumlnftige Umsetzung einer experimentellen Test-Stra-tegie entwickelt Das Acht-Millionen-Eu-ro-Projekt laumluft bis Mai 2019

Mehr erfahren wwweuromixprojecteu

Kombinationseffekte Forschungsprojekte des BfR

Am BfR werden in verschiedenen Abteilungen mehrere interne Forschungsprojekte zu Kombinationseffekten durch-gefuumlhrt Dazu gehoumlren u a Forschungsprojekte zu kumulativen Wirkungen in Pflanzenschutzmitteln und Bioziden zu Mehrfachruumlckstaumlnden in Lebensmitteln zur Expositionsschaumltzung sowie zu wirbeltierfreien Alternativmethoden Daruumlber hinaus ist und war das BfR auch an folgenden Drittmittel-Projekten beteiligt die zu Kombinationseffekten forschen

Combiomics Analyse von Kombinationseffekten von Pestiziden in vitro

Combiomics war ein zweieinhalbjaumlhri-ges Projekt des Bundesministeriums fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) das im Fruumlhling 2016 abgeschlossen wurde In dem vom BfR koordinierten Projekt wurden moumlgliche Kombinationswirkungen durch Mehrfachruumlckstaumlnde beispielhaft anhand einer Gruppe von Fungiziden in vitro unter-sucht Dazu wurden die molekularen Effek-te der Triazole mittels multi level omics und praumldiktiver mathematischer Modellierung untersucht Ausgehend von den Ergebnissen wurde ein Praumldiktionsmodell fuumlr Substanz-kombinationen erstellt validiert und auf Pestizide anderer Stoffgruppen bzw weitere Substanzklassen ausgedehnt um Kombi-nationseffekte kuumlnftig weitgehend ohne Tierversuche durchfuumlhrbar zu machen

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschung gt Drittmittelprojekte gt Combiomics

Combiomics 2Auch die zweite Projektphase von Com-biomics wird vom BfR koordiniert Hier sollen erfolgreich getestete Methoden und Zelllinien in Form einer standardisierten In-vitro-Testbatterie validiert und in ein Standardverfahren integriert werden das auch kuumlnftigen regulatorischen Anforde-rungen entspricht Das dreijaumlhrige Projekt wird vom BMBF bis Ende 2019 gefoumlrdert

Mehr erfahren wwwfisaonlinede gt Kombinationseffekte Pestizide

on schon jetzt unternommen Am 1 Maumlrz 2017 erschien im Bundesanzeiger eine Be-kanntmachung dass Kumulations- und Synergieeffekte in der gesundheitlichen Be-wertung von Pflanzenschutzmitteln kuumlnf-tig durch das BfR beruumlcksichtigt werden Damit bezieht Deutschland bei der zonalen Zulassung von Pflanzenschutzmitteln eine systematische kumulative Bewertung ein

Ein Leitfaden zur kumulativen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln wurde am BfR erarbeitet basierend auf den internatio-nalen Diskussionen bei EFSA und ECHA und 2014 veroumlffentlicht Seitdem wird das Verfahren am BfR angewandt uumlberpruumlft und verfeinert Im Kern geht es darum in einem mehrstufigen Verfahren verschie-dene Wirkstoffe in einem Pflanzenschutz-mittel oder in einer beantragten Tankmi-

schung kumulativ zu bewerten (s Kasten) Dazu werden sowohl die Exposition der Anwenderinnen und Anwender als auch die akute Exposition der Verbraucherinnen und Verbraucher betrachtet sodass die am meisten exponierten Gruppen beruumlcksich-tigt sind

Das Ziel Mischungen weltweit harmonisiert zu bewerten

Die Einfuumlhrung der Konzepte zur kumu-lativen Bewertung von Pflanzenschutzmit-teln hat auch in anderen EU-Laumlndern Aus-wirkungen auf die Risikobewertung Wenn Deutschland im zonalen Zulassungsverfah-ren bewertender Mitgliedstaat ist wird das Verfahren grundsaumltzlich angewandt Aber auch in die Bewertungsberichte anderer Laumlnder flieszligt die kumulative Bewertung als

deutscher Kommentar mit ein Durch den fachlichen Austausch zwischen den Mit-gliedstaaten wurde das Konzept in den letz-ten Jahren einem Peer-Review unterzogen Um die Praxis europaweit noch besser zu harmonisieren werden derzeit auszligerdem internationale Workshops organisiert auf denen diskutiert wird wie Mischungen bei der Risikobewertung kuumlnftig beruumlcksichtigt werden sollen Das BfR veranstaltet einen solchen Workshop im November 2017 im Auftrag der Europaumlischen Kommission die Franzoumlsische Behoumlrde fuumlr gesundheitlichen Verbraucher- Umwelt- und Arbeitsschutz (ANSES) einen weiteren im Februar 2018 unter aktiver Beteiligung des BfR

Das Ziel Mischungen weltweit harmoni-siert zu bewerten um Mensch und Umwelt besser zu schuumltzen ruumlckt damit naumlher

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

33012017

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

bdquoZiel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertungldquo Interview mit Herrn Dr Roland Solecki uumlber die Forschungsaktivitaumlten des BfR zu Mehrfachruumlckstaumlnden

Herr Solecki bei Mehrfachruumlckstaumlnden von Pflanzenschutzmitteln sprechen die Medien oft von einem bdquoGiftcocktailldquo Haben Sie Erkenntnisse daruumlber wie groszlig das gesundheitliche Risiko tat-saumlchlich istDas BfR hat dazu gemeinsam mit dem Bun-desministerium fuumlr Ernaumlhrung und Land-wirtschaft und dem Bundesamt fuumlr Ver-braucherschutz und Lebensmittelsicherheit einen Bericht uumlber die kumulativen Wir-kungen von Pflanzenschutzmitteln veroumlf-fentlicht Dieser basiert auf einer Methodik der niederlaumlndischen Behoumlrde fuumlr Gesund-heit und Umweltschutz RIVM Hintergrund ist ein Monitoring das uumlber einen Zeitraum von sechs Jahren in Deutschland durchge-fuumlhrt wurde Darin wurde untersucht wel-che Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde durch-schnittlich uumlber Lebensmittel aufgenommen werden Das Ergebnis war dass auch unter Worst-Case-Annahmen fuumlr die Mischungen von Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnden ein gesundheitliches Risiko unwahrscheinlich ist Die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit EFSA kam in ihrem Monito-ring-Bericht von 2015 fuumlr Gesamteuropa zu einem aumlhnlichen Ergebnis

Sie arbeiten unter anderem bei dem Pro-jekt EuroMix mit Worum geht es dabeiEs handelt sich um ein groszliges Forschungs-projekt der EU-Kommission zur kumulati-ven Bewertung von Mischungen im Rahmen von Horizont 2020 dem Rahmenprogramm der Europaumlischen Union fuumlr Forschung und Innovation Das Projekt hat zum Ziel neue Bewertungsmethoden fuumlr Mischungseffekte zu erarbeiten besonders auch im Hinblick auf Alternativen zu Tierversuchen innovati-ve Wege der Expositionsschaumltzung und Mo-dellierung von kumulativen Risiken Dabei geht es nicht nur um Pflanzenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatzstoffe und andere Chemikalien

Wie ist das BfR da in EuroMix einge-bundenVom BfR arbeiten sowohl die Abteilung Sicherheit von Pestiziden als auch die Ab-teilung fuumlr Lebensmittelsicherheit am Eu-roMix-Projekt mit Waumlhrend die von mir geleitete Abteilung fuumlr die regulative Bewer-tung eingebunden ist werden in der Abtei-lung Lebensmittelsicherheit experimentelle Arbeiten unter anderem zur Lebertoxizitaumlt durchgefuumlhrt in denen auch Kombinatio-nen von Pestiziden mit anderen Lebensmit-telinhaltsstoffen gepruumlft werden

Woran forschen Sie im EuroMix-ProjektWir haben zunaumlchst recherchiert welche gesetzlichen Anforderungen bestehen und wie unterschiedliche Behoumlrden weltweit

Mischungseffekte bewerten Und wir haben Forschungen zu Mischungen durchgefuumlhrt die bestimmte adverse Effekte auf die Leber verursachen Dabei wurden bestimmte Schluumlsselelemente untersucht um daraus ein Konzept fuumlr die Bewertung zu erarbei-ten Jetzt werden die Omics-Untersuchun-gen und andere alternative Pruumlfverfahren noch durch Tierversuche ergaumlnzt sodass wir auch am Gesamtorganismus die Effek-te uumlberpruumlfen koumlnnen Gleichzeitig werden die statistischen Hilfsmittel und die ande-ren elektronisch basierten Tools weiterent-wickelt Auszligerdem folgen noch weitere Stu-dien zur Exposition Die finalen Ergebnisse liegen am Ende des Projekts im Jahr 2019 vor

In welche weiteren europaumlischen Aktivi-taumlten ist das BfR eingebundenDie EFSA hat bereits einige Ansaumltze zur Bewertung der kombinierten Exposition gegenuumlber mehreren Pestiziden und Kon-taminanten bei Menschen sowie mehreren Pestiziden bei Bienen entwickelt Derzeit ist die EFSA damit befasst neue Ansaumltze und Instrumente zur Harmonisierung der Be-wertung von Risiken fuumlr Mensch und Um-welt zu erarbeiten die von der Exposition gegenuumlber mehreren chemischen Stoffen in der Lebensmittelkette ausgehen Ich bin derzeit Mitglied einer Arbeitsgruppe von Sachverstaumlndigen die der Wissenschaftliche Ausschuss der EFSA eingerichtet hat um Leitlinien im Hinblick auf die kombinierte Exposition gegenuumlber mehreren chemi-schen Stoffen zu entwickeln Diese Initiative unter dem Namen bdquoMixToxldquo wird 2018 den Leitfaden in einer oumlffentlichen Konsultation diskutieren

Bei dieser Vielzahl an Aktivitaumlten Wel-ches Ziel haben Sie persoumlnlich vor Au-genDas Ziel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertung von Stoffen in der gesundheitlichen Risikocharakterisie-rung und deren harmonisierte Implemen-tierung in den gesetzlichen Verfahren Dies wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen

bdquoBei den kumulati-ven Risiken geht es nicht nur um Pflan-zenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatz-stoffe und andere Chemikalien

Dr Roland Solecki leitet die Abteilung bdquoSicherheit von Pestizidenldquo am BfR

copy B

fR

34 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

SPEKTRUM

Identifizierung endokriner Disruptoren Vom Grundsatz in die Praxis

Fuumlr Pestizid-Wirkstoffe und andere Chemikalien sind harmonisierte wissenschaftliche Kriterien erforderlich mit denen hormonschaumldigende Substanzen identifiziert werden koumlnnen Das BfR veroumlffentlichte hierzu bereits 2016 ein Konsenspapier als wissenschaftliche Grundlage fuumlr die darauffolgende Arbeit der EU-Behoumlrden Auf legislativer Ebene werden aktuell EU-weit geltende Ver-ordnungen festgelegt um auf wissenschaftlicher Ebene Leitlinien zur regulatorisch harmonisierten Umsetzung dieser Verordnungen zu erarbeiten Mit dieser Aufga-be hat die EU-Kommission die EFSA und die ECHA gemeinsam beauftragt Das BfR unterstuumltzt die Behoumlr-den mit wissenschaftlicher und technischer Expertise indem es die entsprechende Arbeitsgruppe bei der EFSA personell verstaumlrkt sowie Recherchen und Umfragen zur Praktikabilitaumlt von Untersuchungsmethoden durchfuumlhrt Die Publikation der Leitlinien wird fuumlr Fruumlhjahr 2018 erwartet Sie koumlnnen auf Basis der verabschiedeten Ver-ordnungen nach ihrer Implementierung in der Genehmi-gungspraxis angewendet werden

Mehr erfahren Solecki et al 2017 Scientific principles for the identification of endocrine-disrupting chemicals a consensus statement Arch Toxicol 91 1001ndash1006

Insekten-Stopp in Textilien Allergene Wirkung unwahrscheinlich

Das Risiko fuumlr eine Allergie nach dem Kontakt mit Kleidung und Produkten die mit dem Biozid Permethrin behandelt sind ist nach derzeitigem Kenntnisstand unwahrscheinlich Das ist das Ergebnis einer aktuellen Risikobewertung des BfR Gestuumltzt wird das Ergebnis dadurch dass trotz weitverbreiteter Anwendung des Wirkstoffs in Medikamenten und Verbraucherprodukten kein Anstieg der Kontaktallergien gegenuumlber Permethrin zu verzeichnen ist Das Risiko fuumlr kanzero-gene systemische Effekte infolge einer dermalen und oralen Exposition gegenuumlber Permethrin aus Textilien ist nach Ansicht des BfR vernachlaumlssigbar gering Permethrin ist ein biozider Wirkstoff der zum Schutz gegen Insekten in Produkten wie Schlafsaumlcken Picknick- und Yogadecken sowie Teppichen und Kleidung eingesetzt wird Er ist im Chemikalienrecht als sensibilisierend eingestuft ein moumlgliches geringes kanzerogenes Potenzial wird von verschiedenen wissenschaftlichen Gremien diskutiert Der Wirkstoff kann aus Textilien freigesetzt und uumlber die Haut aufgenommen werden Bei kleinen Kindern die viele Produkte in den Mund nehmen kommt eine moumlgliche orale Aufnah-me des Stoffes hinzu

Mehr erfahren Stellungnahme Nr 0062017 des BfR vom 25 April 2017

Wie wirkt Aluminium in Leber und Darm

Aluminium ist in Lebensmitteln Kosmetika und Bedarfsge-genstaumlnden enthalten und kann uumlber die Nahrung aufgenom-men werden Erste Ergebnisse aus dem deutsch-franzoumlsischen Forschungsprojekt bdquoSolNanoToxldquo mit Beteiligung des BfR zeigen dass sich aus der Nahrung aufgenommene Aluminiumverbin- dungen temporaumlr im Darm anreichern Ob und in welchen Men-gen die Partikel weiter in den Koumlrper insbesondere in die Leber gelangen und welche Faktoren ihre Wirkung beeinflussen wird aktuell erforscht Die Forschungsgruppe sieht Anhaltspunkte dafuumlr dass ein Teil der angereicherten Partikel mit dem Stuhl wieder ausgeschieden wird Fuumlr seine Untersuchung simulierte das BfR anhand biologischer Proben die Verdauung verschiede-ner Aluminiumarten vom Mund uumlber den Magen bis zum Darm Mithilfe von Enzymen und Salzen wurden dabei physiologische Parameter wie der pH-Wert gesteuert Waumlhrend des simulierten Verdauungsprozesses veraumlnderten die Aluminiumverbindungen ihre chemische Reaktionsfaumlhigkeit und Loumlslichkeit Die Erkennt-nisse sind ein erster Schritt um den Prozess der Aufnahme Resorption und Verteilung von Aluminium im Koumlrper besser zu verstehen und daraus Daten fuumlr die Risikobewertung abzuleiten Aluminiumverbindungen koumlnnen in zu hohen Dosen toxisch auf das Nervensystem und ungeborenes Leben wirken sowie die Fruchtbarkeit und Knochenentwicklung beeinflussen

copy B

fR

copy c

gsto

cks

hutte

rsto

ckc

om

copy R

osel

ynne

shu

tters

tock

com

35012017

Bei Kleidung ist besonders der Einsatz von Silber-Nanopartikeln weit verbreitet Silber wirkt antibakteriell und soll die Geruchs-bildung durch Schwitzen reduzieren Beim Einsatz von Nanosilber in Kleidungsstuuml-cken ist in erster Linie eine Freisetzung in Schweiszlig und somit ein moumlglicher Hautkon-takt relevant Neben der Frage ob und in welcher Menge Silber prinzipiell aus Texti-lien herausgeloumlst wird beschaumlftigt sich die Forschung mit der Frage welchen Einfluss die Technologie hat mit der Nanosilber auf Textilien aufgetragen bzw eingebracht wird Bisher war zudem unklar inwiefern die Oberflaumlchenbeschichtung der Nano-partikel die Abgabe beeinflusst

Kuumlnstlicher Schweiszlig simuliert Freisetzung

In einem Forschungsprojekt pruumlfte das BfR neun Proben von Textilien die mit Nanosil-ber veredelt waren Als Vergleich diente ein mit konventionellem Silber (hier Silbersalz mit einem Partikeldurchmesser groumlszliger als 100 Nanometer) ausgeruumlstetes Textil Zwei der Textilien waren sogenannte Komposite bei denen Nanosilber in die Faser integriert ist Bei den anderen getesteten Textilien war die Faseroberflaumlche mit Silber-Nano-partikeln bzw in einem Fall mit konventio-nellem Silber beschichtet (Textil-Coating) Um die Abgabe von Silber durch Schwitzen

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

Kleidung wird durch sie wasser- und schmutzabweisend sie blocken UV-Strahlen und mindern Geruumlche Nanoma-terialien haben beliebte funktionelle Eigenschaften Ob sie aufgrund ihrer Winzigkeit gesundheitliche Risiken bergen ist indes noch weitgehend unbekannt In einem Forschungsprojekt uumlber Nanosilber hat das BfR ermittelt ob sich die Kleinstteilchen aus Textilien herausloumlsen und damit zum gesundheitlichen Risiko werden koumlnnen

Nanomaterial

ist ein natuumlrliches bei Prozessen anfallendes oder kuumlnstlich hergestelltes Material das Partikel in ungebundenem Zustand als Aggregat oder als Agglo-merat enthaumllt und bei dem die Mehrheit der Partikel ein oder mehrere Auszligen-maszlige im Bereich unter 100 Nanometer hat In Nanogroumlszlige kann ein Stoff andere Eigenschaften besitzen als wenn er in Form groumlszligerer Partikel vorliegt

copy o

still

shu

tters

tock

com

36 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von Textilfasern Links Nanokomposit bei dem kaum Silberpartikel an der Faseroberflaumlche zu finden sind Mitte und rechts Textilien mit Silbercoating hier befindet sich insgesamt mehr Silber auf der Oberflaumlche

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

zu simulieren wurden die Textilien fuumlr 24 Stunden in einer Schweiszligsimulanz-Louml-sung inkubiert Fuumlr die Auswertung wurde zunaumlchst der gesamte Silbergehalt in den Schweiszligloumlsungen mit massenspektromet-rischen Messmethoden bestimmt In den Proben in denen Silber vorhanden war wurden anschlieszligend mit Zentrifugation und einer speziellen Methode zum Messen von Einzelpartikeln geloumlstes und partikulauml-res Silber unterschieden Im letzten Schritt wurden die Partikelgroumlszligen des vorgefun-denen partikulaumlren Silbers gemessen um nanoskaliges Silber zu identifizieren

Silber aus Kleidung freigesetzt

Die Untersuchung des BfR zeigte dass von jeder Textilprobe Silber in die Schweiszligsi-mulanz-Loumlsung uumlberging je nach geteste-tem Textil zwischen 7 und 75 Prozent des originaumlr in den Textilien enthaltenen Sil-bers Dabei setzten die beschichteten Tex-tilien mehr Silber frei als die Komposite Den houmlchsten abgegebenen Anteil fand das BfR bei dem mit konventionellem Silber beschichteten Textil Die Freisetzung wird demnach staumlrker durch die Technologie der Veredelung bestimmt als durch die im Tex-til enthaltene Menge Auszligerdem scheint die Abgaberate von Silber aus Nanosilber im Vergleich zu konventionellem Silber nicht erhoumlht zu sein

In der Schweiszligloumlsung lag das freigesetzte Silber uumlberwiegend geloumlst vor Partikulaumlres Silber fand sich nur zum geringeren Teil dann jedoch auch im Nanometerbereich Ob es sich dabei um einzelne Nanoparti-kel handelt oder ob das Silber an groumlszligere Partikel gebunden ist muss in weiteren Untersuchungen uumlberpruumlft werden Nach

derzeitigem wissenschaftlichem Kennt-nisstand geht man davon aus dass sich Nanopartikel im Koumlrper anders verhalten als groumlszligere Partikel Uumlberraschenderweise detektierte die Forschungsgruppe auch in den Schweiszligsimulanzien der mit konven-tionellem Silber beschichteten Textilien partikulaumlres Silber in Nanogroumlszlige Das Vor-kommen von Silberpartikeln scheint also nicht davon abhaumlngig zu sein ob das Silber in Nano- oder konventioneller Form auf das Textil aufgebracht wurde

In einer parallelen Untersuchung fanden die Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler heraus dass zudem die Beschaffenheit der Nanopartikel beispielsweise in Form einer speziellen Beschichtung ihre Loumlslichkeit in der Schweiszligloumlsung beeinflusst

Art der Beschichtung relevant

Silber wird demnach aus Textilien freige-setzt in geringen Teilen sogar in partiku- laumlrer Form Die gewaumlhlte Form der Tex-tilfunktionalisierung aber auch die Be-schaffenheit der Nanopartikel stellen dabei wichtige Kriterien fuumlr das Freisetzungsver-halten dar Solche Erkenntnisse sind vor al-lem fuumlr den sicheren Einsatz von Nanoma-terialien in Alltagsprodukten wichtig weil die Exposition des Menschen gegenuumlber derartigen Stoffen moumlglichst klein gehalten werden sollte Auszligerdem geben sie Hin-weise in welcher Anwendungsform Nano-materialien im verbrauchernahen Bereich sicher eingesetzt werden koumlnnen

Mehr erfahren Wagener et al 2016 Textile Functionalization and Its Effects on the Release of Silver Nanoparticles into Artificial Sweat Environ Sci Technol 50 11 5927ndash5934

Per Flugzeitmassenspek-trometer laumlsst sich Silber auf beschichteten Textil-fasern detektieren

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

NANOPARTIKEL

37012017

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

38 BfR 2 GO

Neuer Ansatz fuumlr Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

Spiegelbild gesucht

Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR zeigt einen neuen Ansatz um mithilfe von Genexpressionsdaten das geeignete Tiermodell fuumlr die Grundlagenforschung oder fuumlr spezifische klinische Fra-gestellungen zu identifizieren Damit koumlnnen zukuumlnftig unnoumltige Tierversu-che vermieden werden Hamburger Wissenschaftsbehoumlrden wuumlrdigten die Erkenntnisse mit einem Forschungspreis

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

39012017

Fragestellung

Vergleich

Auswahl

z B bdquoMit welchem Mausmodell koumlnnen die Ursachen von Alzheimer erforscht werdenldquo

Vergleich von vorhandenen Omics-Expressionsdaten von Mensch und Tier

Auswahl des geeigneten Modells

1

2

3

Geeignete Tiermodelle identifizieren

An Tiermodellen werden zahlreiche biologische Prozesse und Krankheiten wie Wund-

heilung Diabetes Tumoren oder entzuumlndliche Erkrankungen erforscht Durch den

Vergleich der Omics-Expressionsdaten von Tiermodell und Mensch koumlnnen geeignete

Modelle fuumlr die jeweilige Fragestellung identifiziert werden

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

40 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Verlaumluft ein entzuumlndlicher Prozess bei Maumlusen aumlhnlich wie beim Menschen Sind Maumluse daher geeignete Ver-

suchstiere fuumlr Tests von antientzuumlndlichen Substanzen Um Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung in den klinischen Alltag zu uumlberfuumlhren ndash Aufgabengebiet der translationalen Forschung ndash werden wissen-schaftliche Fragestellungen oft in Tierversu-chen erprobt Ob und inwieweit die Ergeb-nisse auf den Menschen uumlbertragbar sind ist dabei immer wieder Gegenstand kontrover-ser Diskussionen Geeignete Methoden mit denen die Wissenschaft Tiermodelle mit op-timaler Uumlbertragbarkeit auf den Menschen auswaumlhlen kann wuumlrden dem wissenschaft-lichen Fortschritt helfen und die Zahl der Tierversuche reduzieren Es geht dabei um die Frage welches Tiermodell am besten das menschliche System widerspiegelt

Vergleichbarkeit von Genom- daten fehleranfaumlllig

Als Grundlage fuumlr diese Uumlberlegungen die-nen Daten aus modernen bioanalytischen Hochdurchsatzverfahren Immer haumlufiger setzt die Wissenschaft auf diese sogenannten Omics-Technologien die die Gesamtheit aller Gene und ihrer Produkte analysieren ndash sowohl beim Tier als auch beim Menschen Mit ihnen lassen sich molekulare Prozesse in lebenden Systemen umfassend darstel-len indem sie beispielsweise die Interaktion hunderter bis tausender Genprodukte zei-gen Die Analyse dieser zunehmend kom-plexen Omics-Datensaumltze stellt die Wissen-schaft jedoch vor Probleme da das Vorgehen dazu nicht standardisiert ist Die Interpreta-tion der Ergebnisse ist bisher meist von der Kompetenz der Durchfuumlhrenden und von der angewandten Methode abhaumlngig Im Ergebnis war die Entscheidung zur Frage der Uumlbertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen fehleranfaumlllig und die Suche nach

geeigneten Tiermodellen erschwert Die ge-ringe Standardisierung der Interpretation von Omics-Daten fuumlhrte in Forschungs-kreisen bereits zu widerspruumlchlichen Er-gebnissen so zum Beispiel bei zwei Studien aus den Jahren 2013 und 2015 die sich mit der Vergleichbarkeit von entzuumlndlichen Er-krankungen beim Menschen und gaumlngigen Mausmodellen beschaumlftigten Waumlhrend eine Forschungsgruppe im Jahr 2013 schlussfol-gerte dass entzuumlndliche Prozesse zwischen Mensch und Maus nicht vergleichbar seien kam eine andere Gruppe zwei Jahre spaumlter anhand der gleichen Omics-Daten zum ge-genteiligen Schluss Die Maus reagiere auf der molekularen Ebene sehr aumlhnlich wie der Mensch und sei daher als Tiermodell sehr nuumltzlich fuumlr die Erforschung menschlicher Erkrankungen Zwar ist es nicht ungewoumlhn-lich dass Ergebnisse von Studien unter-schiedlich eingeschaumltzt werden ndash allerdings selten auf Basis der gleichen Daten

Motivation des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR war es diese Widerspruumlche aufzuklaumlren und einen standardisierten und zielgerichteten Analyseansatz zu entwickeln der die Suche nach geeigneten Tiermodellen vereinfacht und somit unnoumltige Tierversuche vermei-den hilft Es gehoumlrt zu den Kernaufgaben des Bf3R bundesweit alle Aktivitaumlten zu koordi-nieren mit den Zielen Tierversuche auf das unerlaumlssliche Maszlig zu beschraumlnken und fuumlr Versuchstiere den bestmoumlglichen Schutz zu gewaumlhrleisten Die Aufgaben des Bf3R wer-den vom BfR wahrgenommen

Genomdaten von Tier und Mensch gezielt vergleichen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler des Bf3R haben die Omics-Daten aus den beiden erwaumlhnten widerspruumlchlichen Studien mithilfe hochperformanter Com-

puter nochmals systematisch ausgewertet Dabei wurden zunaumlchst die zu verglei-chenden Gene gruppenweise biologischen Prozessen zugeordnet die wesentlich fuumlr ein Entzuumlndungsgeschehen sind Diese Gene Set Enrichment Analysis (GSEA) ge-nannte Methode greift auf umfangreiche in oumlffentlichen Datenbanken hinterlegte Genomdaten gaumlngiger Tiermodelle und von Erkrankten zuruumlck Mit ihrer Heran-gehensweise konnten die Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler des BfR an-schlieszligend Veraumlnderungen auf der Ebene pathologischer Signalwege erkennen und Unterschiede zwischen Tiermodell und Mensch identifizieren Da der Groszligteil der untersuchten Genprodukte haumlufig nur geringfuumlgig veraumlndert war konnten bei der Analyse auf Ebene vollstaumlndiger bio-logischer Signalwege alle Gene einbezogen und Aumlnderungen in der Gesamtheit eines biologischen Signalwegs bewertet werden Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu bisherigen Analyseansaumltzen da fuumlr die Klauml-rung translationaler Fragestellungen bisher haumlufig willkuumlrlich und subjektiv Gene von Mensch und Tiermodell fuumlr einen direkten Eins-zu-eins-Vergleich ausgewaumlhlt wurden

Die systematische Auswertung des Bf3R zeigte dass die Ergebnisse beim vorlie-genden Genomdatenvergleich bei einigen Mausmodellen gut mit den beim Menschen ermittelten Daten uumlbereinstimmten Bei an-deren Mausmodellen hingegen war es nicht so So aumlhnelt das Entzuumlndungsgeschehen bei Maumlusen die mit Staphylococcus aureus (Staphylococcus-aureus-Injektionsmodell) infiziert sind oder eine Darmperforation (Cecal-ligation-and-puncture-Modell) erfah-ren den meisten klinischen Proben Hin-gegen verlaufen Erkrankungen die durch Lipopolysaccharide (LPS) und Streptococcus pneumoniae verursacht werden bei Mensch und Maus verschieden

Omics

Der Terminus beschreibt Methoden zur

Analyse komplexer biologischer Proben

auf der Ebene des gesamten Genoms

von Transkripten Proteinen oder Meta-

boliten

41012017

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

Forschungsansatz hilft Tierversuche zu reduzieren

Die Methode der Datenanalyse mittels GSEA-Ansatz erleichtert es Forschungs-gruppen zukuumlnftig zielgerichtet und stan-dardisiert das optimale Tiermodell aus-zuwaumlhlen das am besten die menschliche Situation abbildet Voraussetzung dafuumlr ist die Existenz von Omics-Daten zur klini-schen Fragestellung sowie zu den infrage kommenden Tierversuchen Dies ist bereits fuumlr eine Vielzahl von Tiermodellen sowie von humanen Erkrankungen der Fall neben Entzuumlndungserkrankungen beispielsweise fuumlr Herz-Kreislauf-Erkrankungen Krebser-krankungen Atemwegserkrankungen Stoff-wechselerkrankungen und neurologische Erkrankungen Aufgrund der vermehrten Verwendung von Omics-Methoden kann davon ausgegangen werden dass stetig wei-tere systembiologische Daten ermittelt und veroumlffentlicht werden Die vom Bf3R ange-wandte Methode wird daher weiterhin bei der gezielten Auswahl von Tiermodellen nuumltzlich sein

Das Verfahren kann in der Grundlagen-forschung sowie in der translationalen und angewandten Forschung eingesetzt werden Diese Bereiche machten 2015 nach Anga-ben des Bundesministeriums fuumlr Ernaumlh-rung und Landwirtschaft mit insgesamt 73 Prozent den groumlszligten Teil der Tierversuche aus Ein Groszligteil davon entfaumlllt auf Maumluse Ratten und zunehmend auch auf Fische Grundsaumltzlich kann die neue Methode zur Auswahl des geeigneten Versuchstiermo-dells bzw zum Ausschluss nicht geeigneter Versuchstiermodelle bei jeglichen Tierver-suchen in diesen Bereichen genutzt werden Analog zu den Versuchstierzahlen liegen derzeit die meisten Omics-Daten fuumlr Maus und Ratte vor So sind beispielsweise allein in der oumlffentlichen NCBI GEO-Datenbank (National Center for Biotechnology Informa-tion Gene Expression Omnibus) derzeit Da-ten zu ca 340000 Maus-Proben und 75000 Ratte-Proben gelistet

Methode identifiziert geeignete Zellkulturmodelle

Dabei ist die Methode des Bf3R nicht auf humane und murine Datensaumltze beschraumlnkt sondern kann auf alle weiteren Spezies an-gewandt werden fuumlr die umfangreiche Da-tenbanken zu biologischen Signalwegen oder Gengruppen vorliegen Auch fuumlr die Beurteilung von zellbasierten Alternativ-methoden kann der neue Forschungsansatz

herangezogen werden Durch einen system-biologischen Abgleich der klinischen Daten mit Omics-Daten aus beispielsweise neuar-tigen 3D-Zellkulturen oder organaumlhnlichen Mikrostrukturen wird die Charakterisierung und Verifizierung von zellbasierten Alterna-tivmethoden ermoumlglicht

Praumlmierte Forschungsleistung

Fuumlr ihre Forschung erhielten die Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR 2016 den Hamburger Forschungspreis zur Foumlrderung der Entwicklung von Ersatz- und

Ergaumlnzungsmethoden Die Auszeichnung wurde zum erstem Mal von den Hamburger Behoumlrden fuumlr Gesundheit und Verbraucher-schutz sowie fuumlr Wissenschaft Forschung und Gleichstellung mit einem Foumlrderpreis in Houmlhe von 20000 Euro ausgeschrieben Der Preis wird fuumlr Arbeiten vergeben die einen Beitrag leisten Tierversuche zu ersetzen oder zu minimieren

Mehr erfahrenWeidner et al 2016 Defining the optimal animal model for translational research using gene set enrichment analysis EMBO Molecular Medicine 8 8 831ndash838

Wofuumlr Versuchstiere in Deutschland eingesetzt werden

630255Herstellung und Qualitaumlts-kontrolle medizinischer Produkte toxikologische Sicherheitspruumlfungen

22

59

14 5

1643259Grundlagenforschung

144997sonstige Zweckez B Zucht Aus- und Weiterbildung

381450translationale und angewandte Forschung

Que

lle B

unde

smin

iste

rium

fuumlr E

rnaumlh

rung

und

Lan

dwirt

scha

ft V

ersu

chst

ierz

ahle

n 20

15

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

42 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Alternativen zu Tierversuchen Forschung regional buumlndeln

Eine individualisierte Schmerztherapie fuumlr Versuchsmaumluse und eine Verringerung von Tierexperimenten zum Test der Inhala- tionstoxizitaumlt von Nanomaterialien (siehe rechte Spalte) ndash hierzu sollen die ersten Arbeitsergebnisse des BfR im Berlin-Bran-denburgischen Verbundprojekt BB3R zukuumlnftig beitragen Das Netzwerk aus Universitaumlten und Bundesinstitutionen forscht um Tierversuche zu vermeiden (Replacement) bzw zu verringern (Reduction) sowie das Leiden von Versuchstieren zu vermindern (Refinement) Das BfR ist als einer von sechs Verbundpartnern in den Bereichen der Refinement- und Replacement-Forschung beteiligt Das Bundesforschungsministerium foumlrdert das mit BB3R abgekuumlrzte Projekt fuumlr vier Jahre bis Fruumlhjahr 2018 es ist als Plattform fuumlr den wissenschaftlichen Austausch konzipiert und integriert ein Graduiertenkolleg

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschungwwwbb3rde

Belastung von Laborfischen erkennen

Koumlrperbau

Koumlrpermerkmale

Verhaltenkreisendes Schwimmen

Belastung von Laborfischen erkennen

Ob Laborfische Schmerzen empfinden oder leiden laumlsst sich mithilfe konkreter Kriterien beurteilen Die Vorarbeiten hierzu koordinierte der bdquoNationale Ausschuss zumSchutz von fuumlr wissenschaftliche Zweckeverwendeten Tierenldquo am BfR gemeinsam mit externen Sachverstaumlndigen und Beauf-tragten von Genehmigungsbehoumlrden Die erstmals definierten Kriterien bewerten unter anderem Auffaumllligkeiten im Koumlrper-bau sowie im Verhalten der Tiere Schmer-zen und Leiden koumlnnen so gezielt behandelt und gelindert werden Da die Frage der Belastung der Tiere anhand der Kriterien eindeutig geklaumlrt werden kann dienen sie zudem als Entscheidungshilfe fuumlr Behoumlr-den welche die Zucht belasteter genetisch veraumlnderter Tiere genehmigen muumlssen Fische insbesondere Zebrafische sind nach Maumlusen und Ratten die am dritthaumlufigsten verwendete Versuchstierart Die Zahl der Versuchsfische hat in den letzten Jahren stetig zugenommen

Mehr erfahren Bert et al 2016 Considerations for aEuropean animal welfare standard toevaluate adverse phenotypes in teleost fish EMBO J 35 11 1151ndash1154Empfehlung des Nationalen Ausschusses TierSchG Nr 0012015

Test der Inhalationstoxizitaumlt von Nanomaterialien

Die Einatmung gilt als wichtigster Aufnahmeweg fuumlr Nanomaterialien Im Rahmen der BB3R-Forschung bildet das BfR diese Art der Exposition mit In-vitro- Atemwegsepithelmodellen an ihrer Grenzflaumlche zur Luft ab Dieser Ansatz zum Test der Inhalationstoxi-zitaumlt hilft Anzahl und Umfang von Tierversuchen zu verringern

Versuchsaufbau Drei Roumlhrchen leiten ein Testaerosol mit luftgetragenen Nanomaterialien auf Epithelzellen

SPEKTRUM

copy B

fR

43012017

Jubilaumlumsfeier und internationales Symposium

Am 29 November 2017 feiert das BfR sein 15-jaumlh-riges Bestehen mit einem Festakt Geplant ist eine Feier mit ausgewaumlhlten Gaumlsten in der Akademie der Kuumlnste Anschlieszligend findet vom 30 Novem-ber bis zum 01 Dezember 2017 das gemeinsame internationale Symposium des BfR und seiner Schwesterinstitutionen aus Daumlnemark (DTU Food) und Frankreich (ANSES) sowie der suumldko-reanischen Behoumlrde fuumlr Lebens- und Arzneimittel-sicherheit (NIFDS) statt Unter dem Motto bdquoPast Present and Future Challenges in Risk Assessment ndash Strengthening Consumer Health Protectionldquo werden die letzten anderthalb Jahrzehnte Risikobewer-tung betrachtet Daruumlber hinaus werden aktuelle Aktivitaumlten sowie zukuumlnftige Herausforderungen des Verbraucherschutzes wie mikrobiologische Erreger chemische Substanzen Methoden und Harmonisierung auf nationaler wie internationa-ler Ebene diskutiert

VERANSTALTUNGEN

Nachwuchs foumlrdern

Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu foumlr-dern baut das BfR wissenschaftliche Nachwuchs-gruppen zu bestimmten Schwerpunktthemen auf Die bereits 2015 eingerichtete Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Warenketteldquo wird im Herbst 2017 durch einen weiteren Dokto-randen verstaumlrkt

Verstaumlrkung im Versuchstierschutz

Seit dem 1 April 2017 staumlrkt die Berufung von Herrn Universitaumltsprofessor Dr Lars Lewejo-hann den Kompetenzbereich bdquoVerminderung der Belastung und Verbesserung der Lebenssitua-tionldquo des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) Neben der Leitung der Fachgruppe bdquoTierschutz und Versuchstierkundeldquo im BfR wird Lars Lewejohann sein Wissen und neue Erkenntnisse als Hochschullehrer fuumlr bdquoTier-schutz mit dem Schwerpunkt Refinementldquo an der veterinaumlrmedizinischen Fakultaumlt der Freien Universitaumlt Berlin an Studierende und Doktoran-den weitergeben

PERSONALIEN

Alternativmethode zum Tierversuch bdquoKnochen-auf-dem-Chipldquo

Im Mai 2017 fand bei der Gemeinsamen For-schungsstelle (GFS)Joint Research Centre (JRC) der Generaldirektion (Directorate General) der Europaumlischen Kommission eine Summer School zu alternativen Ansaumltzen zum Tierversuch fuumlr die Risikobewertung in Ispra (Italien) statt Dort wurde Herr Dr Ing Frank Schulze aus der BfR-Fachgruppe bdquoZEBET ndash Alternativmethoden zu Tierversuchenldquo fuumlr seine Praumlsentation und das dazugehoumlrige Poster zum Thema bdquoEin Knochen-auf-dem-Chip fuumlr die Grundlagenwissenschaft und die Identifizierung von knochenschaumldigen-den Substanzenldquo mit einem Posterpreis (1 Platz) ausgezeichnet

copy B

fR

copy p

rivat

INSTITUTSLEBEN

44 BfR 2 GO

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

Unerwuumlnscht inLebensmitteln

Gelangen Pyrrolizidinalkaloide (PA) in die Lebensmittelkette koumlnnen insbesondere 12-ungesaumlttigte PA dem Menschen schaden Seit Jahren

befasst sich das BfR mit der Frage welches gesundheitliche Risiko von 12-ungesaumlttigten PA in Lebensmitteln ausgeht Klar ist die PA-Kontami-

nation in der Lebensmittelkette sollte so gering wie moumlglich sein

LEBENSMITTELSICHERHEIT

20 BfR 2 GO

Unerwuumlnschte Stoffe die in die Lebensmittelkette gelangen koumlnnen fuumlr Verbraucherinnen und Verbraucher ein gesund-heitliches Risiko darstellen Ein Beispiel fuumlr solche Eintraumlge

sind 12-ungesaumlttigte Pyrrolizidinalkaloide (PA) Das sind Stoffe die von einigen Pflanzen als Schutz vor Fraszligfeinden gebildet werden Sie konnten zunaumlchst in Honig und anderen Bienenprodukten spaumlter auch in Tees Kraumlutertees und Gewuumlrzen aber auch in pflanzenba-sierten Nahrungsergaumlnzungsmitteln nachgewiesen werden

Toxische Wirkungen bei Mensch und Tier

Beim Menschen sind vereinzelt Vergiftungsfaumllle nach arzneilicher Einnahme von PA-haltigen Kraumlutertees und -erzeugnissen bekannt Weiterhin gibt es Berichte uumlber epidemische Lebererkrankungen mit Todesfaumlllen in Pakistan Indien Afghanistan Tadschikistan und der ehemaligen UdSSR nach Verzehr von Getreide das mit Samen von Heliotropium- oder Crotalaria-Arten kontaminiert war Aus der Nutztierhaltung ist das gehaumlufte Auftreten von Leberzirrhosen bei Schlachtrindern bekannt die mit Heu und Silage auch Alpenkreuz-kraut aufgenommen hatten Auch bei Pferden wurden mit Leberde-generation einhergehende durch PA im Futter verursachte Erkran-kungen die Seneciosen beobachtet

Die Leber ist das primaumlre Zielorgan von Schaumldigungen durch 12-ungesaumlttigte PA Jedoch koumlnnen auch die Lunge oder andere Organe betroffen sein Insbesondere bei Aufnahme houmlherer Dosen treten akute venookklusive Veraumlnderungen in der Leber (hepatic veno-occlusive disease HVOD) oder der Lunge auf In houmlheren Dosen wurden im Tierversuch mit 12-ungesaumlttigten PA auch ent-wicklungstoxische Effekte beobachtet Nach den vorliegenden tier- experimentellen Daten gilt die kanzerogene Wirkung von 12-un-gesaumlttigten PA als gesichert und ein entsprechendes Risiko fuumlr den Menschen wird in Betracht gezogen Vielfach zeigten Verbindungen die sich im Tierversuch als kanzerogen erwiesen in entsprechenden Mutagenitaumltstests eine genotoxische Wirkung

Wie 12-ungesaumlttigte PA in Lebensmittel gelangen koumlnnen

Nach bisherigem Kenntnisstand koumlnnen 12-ungesaumlttigte PA uumlber mehrere Wege in Lebensmittel gelangen In Deutschland sind Ver-unreinigungen vor allem in den Anbauflaumlchen von Nutzpflanzen mit PA-bildenden Wildkraumlutern wie z B bei Salaten mit Kreuzkraut oder Greiskraut aufgetreten Aus Afghanistan sind erhoumlhte Belastungen in Getreide bekannt Auch die Belastung von Tee und Kraumlutertee-Sor-ten mit PA wird auf eine Kontamination mit bestimmten Wildkraumlu-tern in den Anbauflaumlchen zuruumlckgefuumlhrt Auszligerdem koumlnnen Bienen-produkte wie Honig und Pollen mit PA belastet sein wenn die Tracht von bestimmten Wildpflanzen stammt 12-ungesaumlttigte PA koumlnnen auch uumlber verunreinigte Futtermittel in Milch Eier und Fleisch ge-langen Auch Nahrungsergaumlnzungsmittel koumlnnen auf der Basis von Pflanzen hergestellt sein die selbst 12-ungesaumlttigte PA bilden

Gesundheitliche Risiken durch belastete Lebensmittel

Das BfR hat 2016 eine Bewertung der gesundheitlichen Risiken durch 12-ungesaumlttigte PA erarbeitet Dabei wurde die Belastung aller wichtigen Lebensmittelgruppen beruumlcksichtigt fuumlr die aktuell Daten zum Vorkommen von 12-ungesaumlttigten PA vorliegen Bei der Bewertung wurde die genotoxisch-kanzerogene Wirkung als emp-findlichster Endpunkt zugrunde gelegt

copy F

eyya

z A

laca

ms

hutte

rsto

ckc

om

copy e

mbe

riza

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

21012017

Danach geht bei Kindern im Alter von sechs Monaten bis unter fuumlnf Jahren die Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA im Wesentlichen auf Kraumlutertee einschlieszliglich Rooibostee Schwarztee und Honig zuruumlck Fruumlchtetee Milch Eier und Fleisch tragen nur wenig zur Gesamtaufnahme von 12-un-gesaumlttigten PA bei Sieht man von bestimm-ten Nahrungsergaumlnzungsmitteln ab zeigt sich bei Erwachsenen ein aumlhnliches Bild Bei Erwachsenen ist der Beitrag von Honig zur Gesamtaufnahme an 12-ungesaumlttigten PA geringer und der von Gruumlntee houmlher als bei Kindern Bei hohen Gehalten koumlnnen Nahrungsergaumlnzungsmittel als zusaumltzliche Expositionsquelle zur Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber Lebensmittel beitragen Gewuumlrze und Kraumluter aber auch Mehle stellen moumlglicherweise eine relevante zusaumltzliche Expositionsquelle dar Fuumlr eine abschlieszligende Bewertung fehlen hier jedoch noch Daten

Obwohl in Einzelfaumlllen hohe Gehalte an 12-ungesaumlttigten PA in bestimmten Le-bensmitteln des allgemeinen Verzehrs nachgewiesen wurden haumllt das BfR nach derzeitiger Datenlage auch bei hoher Auf-nahme dieser Lebensmittel eine akute Ge-sundheitsschaumldigung fuumlr unwahrscheinlich Zur Abschaumltzung des potenziellen Risikos von genotoxisch-kanzerogenen Wirkungen legte das BfR wie international uumlblich den MOE-Ansatz (Margin of Exposure) zugrun-de Dabei wird ausgehend von Tierstudien angenommen dass fuumlr genotoxische Kan-zerogene ein MOE-Wert von 10000 oder houmlher aus Sicht der oumlffentlichen Gesundheit als wenig bedenklich und die Prioritaumlt fuumlr Maszlignahmen im Rahmen des Risikomanage-ments als niedrig angesehen werden kann Bei genotoxisch-kanzerogenen Stoffen kann keine Schwellendosis angenommen werden unterhalb derer keine unerwuumlnschten Wir-kungen mehr erwartet werden Daher gilt in der Europaumlischen Union die Empfehlung die Exposition gegenuumlber genotoxisch und kanzerogen wirkenden Substanzen so weit zu minimieren wie dies vernuumlnftig erreich-bar ist ndash das sogenannte ALARA-Prinzip (as low as reasonably achievable) Selbst geringe Aufnahmemengen koumlnnen insbesondere bei regelmaumlszligigem Verzehr mit einer Erhouml-hung gesundheitlicher Risiken verbunden sein

Die Bewertung des genotoxischen und kan-zerogenen Risikos erfolgt als Vergleich der Gesamtaufnahme uumlber verschiedene Tees Milch und Honig bei Kindern und Er-wachsenen auf der Basis verschiedener Ver-zehrszenarien mit dem BMDL10-Wert von

73 Mikrogramm pro Kilogramm Koumlrperge-wicht und Tag unter Berechnung des MOE Der BMDL10-Wert (Benchmark dose lower confidence limit 10) ist ein Schaumltzwert der niedrigsten Dosis die im Tierexperiment mit 95-prozentiger Sicherheit eine Krebsin-zidenz von nicht mehr als 10 Prozent ver-ursacht Alle Berechnungsansaumltze sowohl fuumlr Kinder als auch fuumlr die erwachsene Be-voumllkerung ergaben MOE-Werte deutlich unterhalb von 10000 Da nach Ansicht des Wissenschaftlichen Ausschusses der EFSA ein MOE erst ab einem Wert von mindes-tens 10000 aus Sicht der oumlffentlichen Ge-sundheit als wenig bedenklich anzusehen ist empfiehlt das BfR die Gesamtexposition mit PA aus allen Lebensmitteln so niedrig wie moumlglich zu halten und einen MOE von 10000 bei Beruumlcksichtigung der PA-Zufuhr aus allen Quellen nicht zu unterschreiten Dazu sollten die Bemuumlhungen fortgesetzt werden die PA-Gehalte in Lebensmitteln weiter zu senken

Forschungsansaumltze des BfR

Das BfR befasst sich seit einigen Jahren mit der Problematik der Verunreinigung von Lebensmitteln mit 12-ungesaumlttigten PA und verfolgt hierzu verschiedene Forschungs-ansaumltze Die Analytik der 12-ungesaumlttigten PA stellt aufgrund ihrer groszligen strukturel-len Vielfalt und des Vorkommens in unter-schiedlichen Lebensmitteln eine besondere Herausforderung dar In den letzten Jahren hat das BfR spezifische Nachweismethoden entwickelt und in Ringversuchen validiert Diese Methoden stehen auf der Homepage des BfR zur Verfuumlgung und koumlnnen z B in der Lebensmittel- und Futtermitteluumlberwa-chung eingesetzt werden

Neben der Entwicklung analytischer Me-thoden werden am BfR die molekularen Mechanismen der Toxizitaumlt von 12-unge-saumlttigten PA untersucht Hier stehen vor allem Untersuchungen zur strukturabhaumln-gigen Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber die Darmbarriere im Vordergrund Die Ergebnisse zeigen dass sich das Wirkungs-potenzial der 12-ungesaumlttigten PA aufgrund von Unterschieden im strukturabhaumlngigen Transport uumlber die Darmbarriere unter-scheiden kann Auch zeigten die getesteten Modellsubstanzen in einem Zellkulturmo-dell deutliche strukturspezifische Unter-schiede im Metabolismus Weitere Untersu-

Pflanzen die Pyrrolizidinalkaloi-de bilden finden sich vor allem in den Familien der Korbbluumltler (Asteraceae) der Raublatt- oder Borretschgewaumlchse (Boraginaceae) und der Huumllsenfruumlchtler (Faba-ceae)

22 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

chungen zu der Zerstoumlrung der sinusoidalen Endothelzellen durch 12-ungesaumlttigte PA sollen zum Verstaumlndnis der Mechanismen beitragen die zu den venookklusiven Ver-aumlnderungen in der Leber fuumlhren Auch wer-den Untersuchungen zur Metabolisierung nahrungsrelevanter Pyrrolizidinalkaloide durchgefuumlhrt Die Forschungsprojekte wer-den von der Deutschen Forschungsgemein-schaft (DFG) gefoumlrdert

Empfehlungen zur Reduktion der PA-Gehalte

Das BfR empfiehlt dass sich Management-maszlignahmen an der Vermeidung genoto-xisch-kanzerogener Effekte der 12-ungesaumlt-tigten PA als dem empfindlichsten Endpunkt orientieren Die Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA sollte fuumlr Verbrau-cherinnen und Verbraucher so gering wie moumlglich sein Dazu sollten die PA-Gehalte in Lebensmitteln so weit wie moumlglich sin-ken Dies gilt insbesondere fuumlr Kraumlutertees Rooibostee Schwarzen Tee und Gruumlnen Tee sowie bestimmte Nahrungsergaumlnzungsmit-tel Hier sollten Anbau- Ernte- und Reini-gungsmethoden weiterhin verbessert wer-den Auch die Auswahl der Rohhonige kann zu einer Reduzierung der Gehalte an 12-un-gesaumlttigten PA in verzehrfertigen Honigen beitragen Auszligerdem sind vor der Vermark-tung seitens der Lebensmittelunternehmer weiterhin Kontrollen in allen betroffenen Lebensmittelkategorien notwendig

Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das potenzielle gesundheitliche Risiko durch PA durch eine abwechslungsreiche Ernaumlh-rung verringern und so generell einseitigen Belastungen mit verschiedenen potenziell gesundheitsgefaumlhrdenden Stoffen vorbeu-gen Insbesondere fuumlr Kinder Schwangere und Stillende empfiehlt das BfR den taumlgli-chen Fluumlssigkeitsbedarf nicht ausschlieszliglich mit Kraumlutertee und Tee zu decken

Bei der Zubereitung von Salat Blattgemuumlse und Kraumlutern sollten Verbraucherinnen und Verbraucher Pflanzenteile aussortieren die sie keinen bekannten essbaren Pflanzen zu-ordnen koumlnnen

Wer Nahrungsergaumlnzungsmittel auf Pollen-basis oder auf Basis von Pflanzen einnimmt die 12-ungesaumlttigte PA bilden sollte sich bewusst sein dass diese Produkte 12-un-gesaumlttigte PA in houmlheren Konzentrationen enthalten koumlnnen

Mehr erfahrenStellungnahme Nr 0302016 des BfR vom 28 September 2016

Necinbase

Necinsaumlure

Die Struktur von PA

Chemisch handelt es sich um Ester aus einer Necinbase und aliphatischen Mono- oder Dicarbonsaumluren (Necin-saumluren) Aus toxikologischer Sicht besonders bedeutsam sind Pyrroli-zidinalkaloide mit 12-ungesaumlttigter Necinstruktur (12-ungesaumlttigte PA) Die 12-ungesaumlttigte Necinstruktur als gemeinsames Strukturmerkmal erlaubt grundsaumltzlich die Giftung durch Oxidation zum Dehydropyrrolizidin das durch seine alkylierenden Eigenschaf-ten fuumlr die genotoxische und karzino-gene Wirkung dieser Substanzgruppe verantwortlich ist

copy R

ukiM

edia

shu

tters

tock

com

copy J

iri H

era

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

23012017

Im suumldlichen Afrika spielt die Landwirt-schaft eine Schluumlsselrolle bei der Armuts-bekaumlmpfung Eine wachsende Produktion tierischer Lebensmittel bringt jedoch auch neue Herausforderungen an die Lebensmit-telsicherheit mit sich Das BfR-Forschungs-projekt bdquoSAD-Zambialdquo (bdquoStaphylococcus aureus in der Milchlebensmittelkette in Sambia ndash Bekaumlmpfung lebensmittelbeding-ter Erkrankungen und Antibiotikaresisten-zen beim Menschldquo) befasst sich damit wie die Produktion und der Vertrieb von Milch und Milchprodukten in Sambia sicherer gestaltet werden koumlnnen Ziel ist es zu be-werten in welchem Umfang das Bakterium Staphylococcus (S) aureus uumlber Milch und Milchprodukte auf den Menschen uumlbertra-gen wird In einem ersten Schritt werden Feldstudien in verschiedenen Provinzen des Landes durchgefuumlhrt um das Vorkommen dieses Erregers und moumlgliche Schwachstel-len in der Milchlebensmittelkette in Sambia zu analysieren Hierbei stehen Toxin-bil-dende S aureus-Staumlmme im Fokus Auszliger-dem wird untersucht in welchem Umfang Methicillin-resistente S aureus (MRSA) die gegen eine bestimmte Klasse von Antibio-tika resistent sind in der Milchlebensmit-

telkette vorkommen Die Bewertungsarbeit beinhaltet auch einen Vergleich traditio-neller und moderner Produktionssysteme Am BfR werden anschlieszligend die Analysen zu den Eigenschaften der gewonnenen Bakterienstaumlmme sowie stammvergleichen-de Untersuchungen durchgefuumlhrt In einem weiteren Schritt werden Ansatzpunkte zur Reduzierung der Bakterien sowie Methoden zum Monitoring von zoonotischen und An-tibiotika-resistenten S aureus in der Milch-lebensmittelkette in Sambia entwickelt So soll zum Verstaumlndnis der lebensmittelbe-dingten Risiken entlang der Milchlebens-mittelkette in Sambia beigetragen werden Das Projekt begann am 01072016 und laumluft drei Jahre Es wird vom Bundesminis-terium fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft gefoumlrdert und aus BfR-Mitteln co-finanziert Neben dem BfR beteiligen sich an dem For-schungsprojekt das International Livestock Research Institute die University of Zambia und das Central Veterinary Research Insti-tute als Teil des sambischen Ministeriums fuumlr Nutztiere und Fischerei Durch dieses Forschungsnetzwerk soll eine nachhaltige Partnerschaft aufgebaut werden

Mit dem Forschungsprojekt bdquoSAD-Zambialdquo leistet das BfR einen Beitrag zur Staumlrkung der Lebensmittelsicherheit und damit zur Ernaumlhrungssicherheit im suumldlichen Afrika Koordinatorin des Projekts ist Frau Dr Alexandra Fetsch Der sambische Doktorand Herr Bruno Phiri berichtet von seiner alltaumlglichen Arbeit Beide arbeiten in der Fach-gruppe bdquoMikrobielle Toxineldquo des BfR

POST AUS hellipSAMBIA

raquobdquoDas SAD-Zambia Projekt ist fuumlr mich ein Meilenstein und ich bin dem BfR sehr dankbar dass es mir diese Moumlglichkeit gibt Ich habe schon viel dazugelernt und konnte meine Kompetenzen bezuumlglich der Diagnose von Krankheitserregern verbessern Das Projekt bringt mich aber nicht nur persoumlnlich voran auch mein Land kann davon profitieren Mein Arbeitsalltag beginnt meist mit einem Besuch bei den Milchbauern und ihren Herden Dort schaue ich mir an wie die Kuumlhe gemolken werden und nehme Proben von den Tieren der Milch und der Umge-bung Auch in Milchsammelstellen und auf Maumlrkten nehme ich Proben Diese analysiere ich anschlieszligend im Labor an der Universitaumlt Schon jetzt freue ich mich auf die weiteren Untersuchungen der Bakterienstaumlm-me am BfR Ich war zu Beginn des Projektes dort ndash eine sehr eindrucks-volle Erfahrungldquo

(Bruno Phiri)

copy a

stud

ios

hutte

rsto

ckc

om

copy B

fR

24 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

Algengift in Tropenfischen

Bisher traten Lebensmittelvergiftungen durch Ciguato-xin ndash einem Algentoxin das in tropischen Speisefischen wie Barrakuda Schnapper oder Zackenbarsch enthalten sein kann ndash vorwiegend in den Tropen auf Mit dem zunehmenden Import von Fischen aus Suumldostasien haumlufen sich auch in Europa und seit 2012 in Deutschland Faumllle von Ciguatera Ein Problem dabei Eine Analyse-methode mit der Fisch routinemaumlszligig auf Ciguatoxine untersucht werden kann ist derzeit noch nicht verfuumlgbar Da weltweit nur wenige Labore auf den Nachweis von Ci-guatoxinen in Fischen spezialisiert sind wird im Projekt bdquoEuroCigualdquo der Europaumlischen Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit (EFSA) unter anderem an der Verbesserung entsprechender Analysemethoden und zum Vorkommen ciguatoxischer Fische in Europa geforscht Das BfR liefert fuumlr das Projekt Angaben zu Erkrankungsfaumlllen in Deutschland Die krankmachenden Algentoxine reichern sich uumlber die Nahrungskette in Raubfischen an und sind uumlberaus stabil Durch Erhitzen oder Tiefkuumlhlen lassen sie sich nicht entfernen Beim Menschen kann der Verzehr betroffener Fische dann zu Vergiftungen mit zum Teil schweren oder andauernden Beeintraumlchtigungen des Nervensystems fuumlhren An Ciguatera Erkrankte nehmen normale Kaumlltereize als ungewoumlhnlich schmerzhaft wahr

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt A-Z-Index Ciguatoxin

Alkaloide in Lupinensamen

In verarbeiteten Produkten oder zum Knabbern Lupinensamen sind im Trend Da sie jedoch toxikologisch relevante bittere Chinolizidinalkaloide enthalten koumlnnen bewertet das BfR ihr gesundheitliches Risiko Der Gehalt an Chinolizi-dinalkaloiden in Lupinensamen variiert je nach botanischer und geografischer Abstammung Samen die von bdquoBitterlupinenldquo stammen sind aufgrund ihrer houmlheren Gehalte ohne geeignete Vorbehandlung der bdquoEntbitterungldquo nicht zum Verzehr geeignet Denn Sie koumlnnen beim Menschen Vergiftungssymptome her-vorrufen Lupinenvarietaumlten die Samen mit niedrigen Alkaloidgehalten liefern werden als bdquoSuumlszliglupinenldquo bezeichnet Suumlszliglupinensamen sind auch ohne Entbitte-rung verzehrsfaumlhig In Deutschland kam es mit Bitterlupinensamen vereinzelt zu Vergiftungsfaumlllen Das BfR empfiehlt Herstellern daher nur ganze Lupinensamen in den Verkehr zu bringen die ohne weitere Entbitterungsprozesse verzehrsfaumlhig sind Mehl aus Lupinensamen sollten Hersteller aus alkaloidarmen oder ausrei-chend entbitterten Samen herstellen

Uumlbertragungswege des Hepatitis-E-Virus

Infektionen mit dem Hepatitis-E-Virus (HEV) koumlnnen zu einer akuten Leberentzuumlndung fuumlhren In den letzten Jahren sind die Zahlen gemeldeter Hepatitis-E-Faumllle des Menschen in Deutsch-land stark angestiegen Forschungsergebnisse des BfR in Zusam-menarbeit mit anderen Einrichtungen haben gezeigt dass das Virus in deutschen Haus- und Wildschweinen weit verbreitet ist Vereinzelt wurde HEV auch in Rehen und Rotwild nachgewiesen

Unklar ist derzeit noch auf welchen Wegen sich die Patienten mit dem Virus anstecken Moumlglich sind direkte Virusuumlbertra-gungen zum Beispiel vom Wildtier auf den Jaumlger und indirekte uumlber Lebensmittel die aus infizierten Tieren hergestellt wurden Wie aktuelle Studien des BfR zeigen kann HEV in verschiedenen Wurstwaren aus dem deutschen Einzelhandel nachgewiesen wer-den Fraglich ist ob das Virus in diesen Produkten noch anste-ckend ist oder ob es bei der Herstellung der Lebensmittel zerstoumlrt wird Hierfuumlr noumltige Untersuchungen waren in der Vergangenheit erschwert da sich HEV im Labor nur schlecht kultivieren lieszlig Erste Ergebnisse von Untersuchungen mithilfe eines am BfR ent-wickelten neuartigen Zellkultur-Systems weisen darauf hin dass HEV hitzeempfindlich ist aber bei Kuumlhlung oder Raumtempera-tur mehrere Wochen infektioumls bleiben kann

SPEKTRUM

copy N

eil B

urto

nsh

utte

rsto

ckc

om

copy N

atal

ia M

ylov

ash

utte

rsto

ckc

om

copy iS

tock

com

Mee

Poo

hyap

hoto

25012017

bdquoNur eine gemeinsame Strategie ist effektivldquo

Frau Kaumlsbohrer ein zentrales Thema Ihrer Forschung sind Antibiotikaresis-tenzen In der oumlffentlichen Debatte wird oft ein Zusammenhang hergestellt zwi-schen dem haumlufigen Einsatz von Anti-biotika in der Nutztierhaltung und dem Auftreten resistenter Bakterien in der Humanmedizin Doch werden bei Tieren nicht andere Antibiotika eingesetzt als bei MenschenUm die Unterschiede zu erlaumlutern muss man zwischen Praumlparaten und den antibiotischen Wirkstoffgruppen unterscheiden Beim Tier verwenden Veterinaumlrmediziner ande-re Praumlparate als Aumlrzte beim Menschen Der wirksame Inhaltsstoff das Antibiotikum kann aber dasselbe sein Die Antibiotika lassen sich wiederum in Wirkstoffgruppen einteilen Mit Blick auf die Wirkstoffgrup-pen gilt Die meisten Antibiotika die beim Menschen eingesetzt werden gehoumlren zu Wirkstoffgruppen die wir auch in der Vete-rinaumlrmedizin nutzen Es gibt nur ganz weni-ge Antibiotikagruppen die nur auf der einen oder der anderen Seite verwendet werden Dazu gehoumlren zum Beispiel die Carbapene-me die nicht beim Nutztier eingesetzt wer-den duumlrfen In der Humanmedizin kommen sie insbesondere zum Einsatz wenn andere Antibiotika nicht mehr wirksam sind

bdquoEine Resistenz ge-gen einen bestimm-ten Wirkstoff kann sich auch ausbrei-ten obwohl diese Wirkstoffgruppe nicht eingesetzt wurde

Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer leitet am BfR die Fachgruppe bdquoEpide-miologie Zoonosen und Antibiotika-resistenzldquo die unter anderem auch das Nationale Referenzlabor fuumlr Antibiotika- resistenzen umfasst Seit April 2016 ist sie auszligerdem Professorin an der Vetmeduni Vienna und leitet dort das Institut bdquoOumlffentliches Veterinaumlrwesenldquo

Wenn sie beim Nutztier nicht eingesetzt werden duumlrfen wie kann es dann sein dass Sie am BfR im Rahmen des For-schungsprojekts RESET Carbapene-mase-bildende Bakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden gefunden habenDie Entstehung von Antibiotikaresistenzen ist ein natuumlrlicher Vorgang bei Bakterien Durch den Gebrauch von Antibiotika wird dieser Prozess beschleunigt Eine Resistenz gegen einen bestimmten Wirkstoff kann sich auch ausbreiten obwohl diese Wirk-stoffgruppe nicht eingesetzt wurde Dank der Selektion gilt meist Wenn ich einen Wirkstoff einsetze gebe ich jenen Bakterien einen Vorteil die gegen den Wirkstoff resis-tent sind Aber Carbapenemasen also die Enzyme die von Carbapenem-resistenten Bakterien gebildet werden koumlnnen neben den Carbapenemen auch fast alle anderen

Bakterien die gegen Antibiotika resistent sind stellen ein Risiko fuumlr die oumlffentliche Gesundheit dar Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer widmet sich am BfR dieser Problematik Im Gespraumlch erklaumlrt sie welche Faktoren bei der Ausbreitung von Resistenzen eine Rolle spielen

copy M

icha

el B

ernk

opf

Vetm

edun

i Vie

nna

26 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

β-Laktam-Antibiotika inaktivieren Theo-retisch ist es daher moumlglich dass sich eine Resistenz gegen Carbapeneme ausbreitet obwohl der Tierarzt beim Nutztier eine an-dere Wirkstoffgruppe eingesetzt hat Ist die Resistenz bei Bakterien vorhanden gibt es viele Ausbreitungswege Ein Stall ist kein steriler Ort sondern belebte Umwelt Moumlg-liche Eintragswege fuumlr resistente Bakterien in einen Stall sind z B belebte Vektoren wie neu eingestallte Tiere Maumluse Fliegen oder Voumlgel aber auch unbelebte Vektoren wie Futter Wasser Staub oder Geraumltschaften

Was hat sich seit dem Fund der Carba-penemase-bildenden Enterobakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden fuumlr Ihre Arbeit beim BfR geaumlndert Der Fund hatte vielfaumlltige Konsequenzen Wir haben vor allem die gezielten Untersu-chungsaktivitaumlten verstaumlrkt Bakterien-Iso-late aus Tierbestaumlnden und Lebensmitteln werden seit 2014 im Rahmen des Resistenz-monitorings im BfR routinemaumlszligig auf eine Carbapenem-Resistenz getestet Auszligerdem steht seit 2015 fuumlr den Nachweis von Carba-penemase-bildenden Bakterien ein weiteres gezieltes Nachweisverfahren zur Verfuumlgung Hierzu muumlssen die Labore geschult werden Zusaumltzlich werden im Nationalen Refe-renzlabor fuumlr Antibiotikaresistenz am BfR Carbapenemase-verdaumlchtige Bakterien auf die charakteristischen Resistenzgene hin un-tersucht Am BfR wurden hierfuumlr verschie-dene Methoden fuumlr die Untersuchung von E coli und Salmonella etabliert Bisher wur-den sehr selten solche Resistenzgene nach-gewiesen bei Nutztieren das Gen blaVIM-1 bei einem Wildvogel das Gen blaNDM-1

Oftmals sind die Resistenzgene gegen Carbapeneme zusammen mit anderen Resistenzgenen auf mobilen geneti-schen Elementen lokalisiert Warum ist hier besondere Vorsicht gebotenZunaumlchst ist die Trefferwahrscheinlichkeit fuumlr eine Selektion houmlher wenn mehrere Re-sistenzgene auf einem genetischen Element liegen d h der Einsatz verschiedener Anti-biotika kann zu einem Selektionsvorteil fuumlh-ren Die Lokalisation von Resistenzgenen auf mobilen genetischen Elementen spielt fuumlr die Uumlbertragbarkeit von Resistenzen eine wichtige Rolle Denn Diese Resistenzgene koumlnnen mittels horizontalem Gentransfer auf ganz unterschiedliche Bakteriengruppen uumlbertragen werden Diese Erkenntnis hat eine Art Revolution ausgeloumlst Lange Zeit wurde ein Erreger mit all seinen Eigenschaf-ten als Einheit betrachtet Kann die Resis-tenz aber zwischen Bakteriengruppen hin

und her uumlbertragen werden verfaumllscht das moumlglicherweise den Blick auf eine Gruppe Folglich mussten die Nachweisverfahren umgestellt und die Uumlbertragbarkeit von Re-sistenzen mit analysiert werden Erschwe-rend kommt hinzu dass ein Resistenzgen auf einem grundsaumltzlich ungefaumlhrlichen

Bakterium zum Problem werden kann Manche Bakterien wie beispielsweise E coli gehoumlren zur normalen Darmflora Traumlgt so ein Bakterium eine Resistenzeigenschaft ist das erstmal nicht gefaumlhrlich Aber Es kann diese Eigenschaft moumlglicherweise an einen Infektionserreger weitergeben

Welche konkreten Folgen kann eine solche Weitergabe von Resistenzeigen-schaften habenSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt Schon jetzt weichen Aumlrzte auf Wirk-stoffgruppen aus die in der Humanmedizin lange verpoumlnt waren Dies gilt zum Beispiel fuumlr Colistin Fuumlr den Menschen ist es nicht gut vertraumlglich moumlgliche Nebenwirkun-gen sind beispielsweise die Schaumldigung der Nieren oder des Nervensystems In der Ve-terinaumlrmedizin hat Colistin seit Jahrzehnten eine erhebliche Bedeutung vor allem fuumlr die Behandlung von Infektionen des Ma-gen-Darm-Traktes bei Nutztieren auch um andere Wirkstoffgruppen zu vermeiden

Spielt im Fall von Colistin die Mobilitaumlt des Resistenzgens auch eine besonde-re Rolle Inzwischen ja Bis Ende 2015 waren sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler einig Eine Colistin-Resistenz ist nicht uumlbertragbar Das heiszligt kommt eine solche Resistenz bei einem Infektionserreger beim Nutztier vor ist sie nicht per se auf ein hu-manpathogenes Bakterium uumlbertragbar Doch Ende 2015 wurde in China erstmals das uumlbertragbare Gen mcr-1 beschrieben Untersuchungen in Belgien haben spaumlter zur Beschreibung eines weiteren mobilen Gens fuumlr die Colistin-Resistenz bei Nutztieren

bdquoSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

27012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Ausbreitung von Resistenzen

Haustiere

Krankenhaus

Belastetepflanzliche Lebensmittel

Belastete tierische Lebensmittel

Nutztiere

Futtermittel

Schaumldlinge

Uumlbertragungswege resistenter Bakterien

Menschen

Eine Antibiotikaresistenz entsteht

(z B durch Mutation)

Antibiotikatherapie beguumlnstigt die

Selektion resistenter Bakterien

Nahrung

Duumlnger Abwasser

Abwasser

28 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

gefuumlhrt mcr-2 Das bedeutet eine Uumlbertra-gung der durch diese Gene vermittelten Re-sistenz auf ein humanpathogenes Bakterium ist theoretisch moumlglich Allerdings scheint dies bisher selten der Fall zu sein

Diese Erkenntnisse offenbaren einen groszligen Forschungsbedarf Was tun Sie in der Abteilung bdquoBiologische Sicher-heitldquo um das Risiko zu bewerten Als 2015 klar wurde dass es eine uumlbertrag-bare Colistin-Resistenz gibt haben wir diese neue Erkenntnis in den laufenden Projekten natuumlrlich sofort aufgegriffen Im Rahmen des Forschungsprojekts RE-SET haben wir zum Beispiel vorhandenes Bakterienmaterial und die bei unseren Ko-operationspartnern verfuumlgbaren Gesamt-genominformationen auf das Vorkommen dieses neuen Resistenzgens gepruumlft Schnell war klar Ja dieses Gen finden wir in den Sequenzen Und die Pruumlfung von Colis-tin-resistenten Isolaten aus unserer Stamm-sammlung hat bestaumltigt dass dieses Resis-tenzgen bereits weit verbreitet ist

Muumlssen nun neue Forschungsprojekte zu dem Thema initiiert werdenJa denn viele Fragen bleiben bislang offen Wie haumlufig wird die Resistenz tatsaumlchlich uumlbertragen Was triggert diese Uumlbertra-gung Es gibt auch diagnostische Probleme Das uumlbliche Verfahren in der Humanmedi-zin um Resistenzen zu testen umfasst in der Regel nicht die Resistenz gegen Colistin Es gibt also viel zu tun Neue Diagnose- und Typisierungsverfahren aufbauen unser Re-sistenzmonitoring erweitern und routine-maumlszligig phaumlnotypisch resistente Isolate auf das Gen pruumlfen Die Ergebnisse muumlssen wir dann uumlbergreifend bewerten um Hand-lungsoptionen aufzuzeigen

Welche Uumlbertragungswege spielen bei der Colistin-Resistenz fuumlr den Men-schen eine Rolle Mit Sicherheit koumlnnen wir das derzeit nicht sagen Die chinesische Arbeitsgruppe hat Colistin-Resistenzen sowohl im Schweine-fleisch als auch beim Menschen gefunden Daher liegt die Hypothese nahe dass es eine Uumlbertragung uumlber Lebensmittel gibt Gleichzeitig gibt es generell die Beobachtung von nosokomialen Ausbreitungen resisten-ter Bakterien Das sind Ausbreitungen von Antibiotikaresistenzen im Krankenhaus

Resistenzen breiten sich aus Wunder-waffen verlieren ihre Wirkung selbst im Krankenhaus sind wir nicht sicher Gibt es uumlberhaupt eine effiziente Strategie gegen die Ausbreitung der Antibiotika- resistenzen Und wer ist dabei gefor-dertUm die Ausbreitung von Antibiotika- resistenzen zu verhindern braucht es eine gemeinsame Strategie Schlieszliglich sind hier komplexe Zusammenhaumlnge zwischen Mensch Tier und Umwelt am Werk Am BfR streben wir deswegen eine enge Zu-sammenarbeit mit allen Akteuren im oumlffent-lichen Gesundheits- und Veterinaumlrwesen an Bei diesem bdquoOne Health-Ansatzldquo sind sowohl Veterinaumlr- als auch Humanmedizi-ner gefordert Auch Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

Was sollten Verbraucherinnen und Ver-braucher beachtenHier gelten dieselben Hygieneregeln die auch fuumlr andere vom Tier oder vom Le-bensmittel auf den Menschen uumlbertragba-re Krankheitserreger gelten Zum Beispiel sollten sie sich nach dem Kontakt mit Tie-ren die Haumlnde mit warmem Wasser und Seife waschen Auch nach der Zubereitung von rohem Fleisch sollten die Haumlnde gruumlnd-lich gewaschen werden Fleisch Eier und Rohmilch sollten vor dem Verzehr durcher-hitzt werden Rohkost und Obst sollten vor dem Verzehr gruumlndlich mit Trinkwasser gewaschen oder geschaumllt werden Weiterhin wichtig ist den direkten oder indirekten Kontakt von rohem Fleisch und rohen Ei-ern mit verzehrfertigen Speisen die spaumlter nicht mehr erhitzt werden zu vermeiden Durch die Einhaltung der Hygieneregeln kann man einer Uumlbertragung von resisten-ten und oder pathogenen Bakterien auf an-dere Lebensmittel vorbeugen

Mehr erfahren Irrgang et al 2017 Recurrent detection of VIM-1-producing Escherichia coli clone in German pig production Journal ofAntimicrobial Chemotherapy 72 3 944ndash946

bdquoVerbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

RESET

Der Forschungsverbund RESET ndash Antibiotika-Resistenzen bei Tier und Mensch ndash beschaumlftigte sich von 2010 bis 2017 mit Resistenzen gegen die besonders wichtigen Antibiotika-Klas-sen der β-Laktam-Antibiotika und (Fluor-)Chinolone bei Darmbakterien wie Escherichia (E) coli Sind Bak-terien gegen beide Wirkstoffklassen resistent werden die therapeutischen Moumlglichkeiten drastisch eingeschraumlnkt Bei E coli und Salmonella enterica wurden derartige Resistenzen bereits nachgewiesen Das BfR beteiligte sich mit zwei Projekten an dem Forschungs-verbund Durch das konsequente Zusammenfuumlhren von Ergebnissen der unterschiedlichen Forschungsgebiete in einer gemeinsamen Datenbank konnten Erkenntnisluumlcken geschlossen und Risiken bewertet werden Das Projekt wurde vom Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) gefoumlrdert

29012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Kann es durch die Mischung verschiedener Pestizid-Ruumlckstaumlnde beim taumlglichen Verzehr zu gesundheitsgefaumlhrdenden Belastungen kommen

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

30 BfR 2 GO

Wenn von Paradigmenwechseln die Rede ist findet meist ein grundlegendes Umdenken statt In der Risikobewertung von Chemikalien habe ein Paradigmenwechsel stattge-

funden der die traditionelle Einzelsubstanz-Bewertung hinter sich lasse schrieben BfR-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler vor einiger Zeit Man koumlnnte meinen in der Toxikologie wird der Paracelsus-Satz kuumlnftig umgeschrieben Nicht nur die Dosis son-dern auch die Aufsummierung der Dosierungen in einer Mischung macht das Gift

Gift- oder Todescocktail ndash plakative Medienbegriffe

Denn tatsaumlchlich In den letzten Jahren beschaumlftigen sich weltweit immer mehr Gremien politische Ausschuumlsse und Forschungspro-jekte mit der Frage wie man die Auswirkungen von Mischungen auf Umwelt und Gesundheit kuumlnftig bewerten kann Auch in der Oumlffentlichkeit wird das Thema emotional verhandelt Chemikali-enmix Gift- oder sogar Todescocktail ndash mit plakativen Begriffen umschreiben Medien das Phaumlnomen der Mehrfachruumlckstaumlnde Entsprechend tief sitzt die Angst bei Verbraucherinnen und Ver-brauchern In einer vom BfR in Deutschland durchgefuumlhrten re-praumlsentativen Wahrnehmungsstudie vermuten 80 Prozent der Befragten dass der Einsatz mehrerer unterschiedlicher Pflanzen-schutzmittel zu gesundheitlichen Beeintraumlchtigungen durch Le-bensmittel fuumlhren kann

Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck sein

Zwar zeigen verschiedene aktuelle Monitoring-Projekte dass das gesundheitliche Risiko durch Mehrfachruumlckstaumlnde von Pflanzen-schutzmitteln unwahrscheinlich ist (s Interview) aber das Thema bleibt auch fuumlr die Wissenschaft draumlngend Denn auch wenn Mi-schungen schon seit Jahrzehnten wissenschaftlich analysiert und bewertet werden das Beduumlrfnis nach einer zuverlaumlssigen Bewertung der Risiken fuumlr Mensch und Umwelt steigt Grund dafuumlr ist zum einen die Vielzahl immer neuer Wirkstoffe Zusatzstoffe Chemika-lien Ruumlckstaumlnde und Kontaminanten gegenuumlber denen Menschen exponiert sind verbunden mit immer verfeinerten wissenschaftli-chen Nachweismethoden Zum anderen steigt der Druck aus der Oumlffentlichkeit Um wissenschaftliche Divergenzen zu vermeiden muumlssen transparente und international harmonisierte Verfahren entwickelt werden Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck in der Risikobewertung sein

Alle Gemische im Tierversuch zu testen ist nicht durchfuumlhrbar

Worum geht es im Einzelnen Mischungen liegen immer dann vor wenn ein Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt verschiedene Stoffe gleichzeitig aufnimmt z B Ruumlckstaumlnde Kontaminanten oder Chemikalien die nach der Europaumlischen Chemikalienverordnung REACH registriert sind Das geschieht wenn sogenannte intentional mixtures also beabsichtigte Mischungen wie Pflanzenschutzmittel oder Biozide in den Verkehr gebracht werden Aber auch unintenti-onal mixtures nimmt der Koumlrper auf Sei es dass verschiedene Stoffe in einem Produkt enthalten sind z B mehrere Pflanzenschutzmit-telruumlckstaumlnde in einem Apfel Oder sei es dass Stoffe gleichzeitig uumlber unterschiedliche Produkte aufgenommen werden In all diesen Faumlllen koumlnnen Mischungseffekte auftreten Diese sind je nach Wirk-mechanismus unterschiedlich stark ausgepraumlgt So koumlnnen sich die Wirkungen von Stoffen gegenseitig potenzieren oder auch aufheben Nach derzeitigem Kenntnisstand wird davon ausgegangen dass sich Wirkungen in der Regel addieren wenn die aufgenommenen Stoffe oberhalb der Wirkschwelle liegen den gleichen Wirkmechanismus haben und zu einem relevanten Zeitpunkt vom Organismus aufge-nommen wurden

Hier beginnen die Schwierigkeiten Es gibt zu viele intentional mix-tures die eine nahezu unuumlbersehbar groszlige Anzahl von Kombinati-onen ermoumlglichen Diese Gemische alle im Tierversuch zu testen wie sonst bei Einzelsubstanzen uumlblich waumlre sowohl ethisch nicht zu vertreten als auch praktisch nicht durchfuumlhrbar Daher arbeiten viele Forschungsprojekte u a der EU-Kommission daran tierversuchs-freie Methoden fuumlr die kumulative Bewertung zu entwickeln die die Effekte von Mischungen in vitro oder durch computergestuumltzte Be-rechnungen in silico berechnen (s Interview und Kasten)

Weltweit setzen Laumlnder das Thema auf ihre Agenda

Nicht nur fuumlr die Wissenschaft auch fuumlr den harmonisierten Voll-zug von Gesetzen ergeben sich dadurch neue Herausforderungen So schreibt z B die EU-Verordnung uumlber das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vor Kumulations- und Synergieeffekte zu be-ruumlcksichtigen ndash sofern es von der Behoumlrde anerkannte wissenschaft-liche Methoden zur Messung solcher Effekte gibt Doch die lagen bisher nicht vor Deshalb werden nun auf allen Ebenen technische Leitfaumlden fuumlr die neuen Methoden erstellt um eine harmonisierte

Auf die Mischung kommt es anKumulative Risikobewertung nimmt weltweit eine immer groumlszligere Bedeu-tung in der Toxikologie ein Das BfR arbeitet an einer Vielzahl von Projek-ten wie Mischungen in Zukunft bewertet werden koumlnnen

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

31012017

Vorgehensweise und transparente Nachvollziehbarkeit bei der Zu-lassung von Produkten zu gewaumlhrleisten Unter anderem die EFSA die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmittelsicherheit die Europauml-ische Chemikalienagentur ECHA und das JRC die Gemeinsame Forschungsstelle der Europaumlischen Kommission erarbeiten solche technischen Leitfaumlden

Neben der wissenschaftlichen Komplexitaumlt muumlssen diese techni-schen Leitfaumlden weitere Herausforderungen meistern Sie sollen fuumlr alle Bereiche gelten in denen Mischungen in Verkehr gebracht werden oder entstehen koumlnnen Bisher wurden Mischungen haumlufig nur in einem regulatorischen Bereich untersucht z B als Pflan-zenschutzmittel Biozid oder Arzneimittel Fuumlr andere Stoffe wie Lebensmittelzusatzstoffe oder Kontaminanten war die Bewertung von Mischungen bisher nicht klar gesetzlich reguliert In Zukunft sollen auch diese Stoffe bei einer Bewertung von Mischungen besser beruumlcksichtigt werden Auch soll nicht nur die chemische Zusam-mensetzung eines einzelnen Produktes systematisch bei der Zu-lassung beruumlcksichtigt werden sondern auch Mehrfachruumlckstaumlnde im gesamten Warenkorb den Verbraucherinnen und Verbraucher durchschnittlich zu einer gegebenen Zeit konsumieren Und zu gu-ter Letzt muumlssen die neuen Verfahren weltweit harmonisiert werden um das kumulative Risiko fuumlr Mensch und Umwelt auch angesichts globaler Warenketten gering zu halten Deshalb diskutieren Politik und Wissenschaft zurzeit nicht nur auf europaumlischer Ebene entspre-chende Leitfaumlden auch andere Laumlnder weltweit sowie die Weltge-sundheitsorganisation WHO und die Organisation fuumlr wirtschaftli-che Zusammenarbeit und Entwicklung OECD haben die kumulative Bewertung auf ihre Agenda genommen und stimmen ihre Guidance Documents mit den uumlbrigen Behoumlrden ab

Deutschland wendet die kumulative Bewertung schon an

Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR sind an zahlreichen dieser internationalen Projekte beteiligt sowohl an der wissenschaftlichen Erforschung kumulativer Effekte als auch an der Entwicklung technischer Leitfaumlden Einen wichtigen Schritt bei der kumulativen Bewertung hat Deutschland in der Europaumlischen Uni-

Stufe um Stufe zu einer gesicherten Bewertung

Seit Maumlrz 2017 wird in Deutschland eine Methodik fuumlr die Bewertung von Kumulations- und Synergie-effekten bei der gesundheitlichen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln in den Zulassungsverfahren angewandt Grundlage fuumlr das gestufte kumulative Bewertungsverfahren ist der sogenannte bdquoHazard Quotientldquo (HQ) der fuumlr jeden einzelnen Stoff ermit-telt wird Der HQ errechnet sich aus dem Verhaumlltnis zwischen dem relevanten gesundheitlichen Grenz-wert und der geschaumltzten Exposition

In einer ersten Stufe wird der HQ fuumlr alle Stoffe eines Gemisches einzeln ermittelt Liegt der HQ jedes Stoffes unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko fuumlr die einzelnen Bestandteile der Mischung zu erwarten Liegt dieser bei einzelnen Stoffen uumlber 1 wird gepruumlft ob die Exposition durch geeignete Maszlignahmen weiter vermindert werden kann zum Beispiel durch das Tragen entsprechender Schutz-kleidung

Liegt der HQ fuumlr alle Komponenten unter 1 wird in einer zweiten Stufe der sogenannte bdquoHazard Indexldquo (HI) des Gemisches ermittelt indem alle Gefahren-quotienten der verwendeten Stoffe addiert werden Liegt der ermittelte Wert weiterhin unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko durch das Gemisch zu erwarten

Liegt der HI uumlber 1 geht die Bewertung mit weiter verfeinerten Methoden in die dritte Stufe uumlber In dieser wird gepruumlft ob ein gesundheitliches Risiko vorliegt wenn eine Gruppierung der Einzelstoffe vorgenommen wird Dazu koumlnnen die einzelnen Stoffe in kumulative Bewertungsgruppen (cumula-tive assessment groups CAGs) eingeteilt werden die z B nach Effekten im gleichen Zielorgan oder nach dem gleichen Wirkmechanismus oder nach chemischer Verwandtschaft definiert sein koumlnnen Hintergrund dieser Einteilung ist die Annahme dass sich nach gegenwaumlrtigem Kenntnisstand nur Effek-te addieren die hinsichtlich der Zielorgane oder der Wirkmechanismen (MOA) vergleichbar sind Auch die relative Potenz der einzelnen Stoffe soll bei der verfeinerten Bewertung beruumlcksichtigt werden Liegt der HI innerhalb einer CAG unter 1 ist deshalb kein gesundheitliches Risiko zu erwarten Liegt er oberhalb des Wertes und koumlnnen weder Expositionsschaumltzung noch Gefahrenbewertung weiter verfeinert werden gilt das Gemisch als nicht sicher

Das mehrstufige Verfahren hat den Vorteil dass die ressourcenaufwendigeren Methoden zur verfei-nerten Bewertung z B in vergleichbaren CAGs oder MOAs nur zum Einsatz kommen wenn mit den ersten einfacheren Bewertungsmethoden nicht nachweisbar ist dass kein gesundheitliches Risiko zu erwarten ist

copy T

atom

mis

tock

com

32 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

EuroMix A tiered strategy for risk assessment of mixtures of multiple chemicals

EuroMix ist ein laumlnderuumlbergreifendes Projekt der EU-Kommission das die nie-derlaumlndische Behoumlrde fuumlr Gesundheit und Umweltschutz RIVM koordiniert Es zielt darauf ab eine tierversuchsfreie experi-mentelle Test-Strategie zu entwickeln um die Toxizitaumlt von Gemischen verschiedener toxikologisch relevanter Lebensmittelin-haltsstoffe Lebensmittelkontaminanten und Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde besser zu bestimmen Aus den Forschungsergeb-nissen wird ein Leitfaden fuumlr die kuumlnftige Umsetzung einer experimentellen Test-Stra-tegie entwickelt Das Acht-Millionen-Eu-ro-Projekt laumluft bis Mai 2019

Mehr erfahren wwweuromixprojecteu

Kombinationseffekte Forschungsprojekte des BfR

Am BfR werden in verschiedenen Abteilungen mehrere interne Forschungsprojekte zu Kombinationseffekten durch-gefuumlhrt Dazu gehoumlren u a Forschungsprojekte zu kumulativen Wirkungen in Pflanzenschutzmitteln und Bioziden zu Mehrfachruumlckstaumlnden in Lebensmitteln zur Expositionsschaumltzung sowie zu wirbeltierfreien Alternativmethoden Daruumlber hinaus ist und war das BfR auch an folgenden Drittmittel-Projekten beteiligt die zu Kombinationseffekten forschen

Combiomics Analyse von Kombinationseffekten von Pestiziden in vitro

Combiomics war ein zweieinhalbjaumlhri-ges Projekt des Bundesministeriums fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) das im Fruumlhling 2016 abgeschlossen wurde In dem vom BfR koordinierten Projekt wurden moumlgliche Kombinationswirkungen durch Mehrfachruumlckstaumlnde beispielhaft anhand einer Gruppe von Fungiziden in vitro unter-sucht Dazu wurden die molekularen Effek-te der Triazole mittels multi level omics und praumldiktiver mathematischer Modellierung untersucht Ausgehend von den Ergebnissen wurde ein Praumldiktionsmodell fuumlr Substanz-kombinationen erstellt validiert und auf Pestizide anderer Stoffgruppen bzw weitere Substanzklassen ausgedehnt um Kombi-nationseffekte kuumlnftig weitgehend ohne Tierversuche durchfuumlhrbar zu machen

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschung gt Drittmittelprojekte gt Combiomics

Combiomics 2Auch die zweite Projektphase von Com-biomics wird vom BfR koordiniert Hier sollen erfolgreich getestete Methoden und Zelllinien in Form einer standardisierten In-vitro-Testbatterie validiert und in ein Standardverfahren integriert werden das auch kuumlnftigen regulatorischen Anforde-rungen entspricht Das dreijaumlhrige Projekt wird vom BMBF bis Ende 2019 gefoumlrdert

Mehr erfahren wwwfisaonlinede gt Kombinationseffekte Pestizide

on schon jetzt unternommen Am 1 Maumlrz 2017 erschien im Bundesanzeiger eine Be-kanntmachung dass Kumulations- und Synergieeffekte in der gesundheitlichen Be-wertung von Pflanzenschutzmitteln kuumlnf-tig durch das BfR beruumlcksichtigt werden Damit bezieht Deutschland bei der zonalen Zulassung von Pflanzenschutzmitteln eine systematische kumulative Bewertung ein

Ein Leitfaden zur kumulativen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln wurde am BfR erarbeitet basierend auf den internatio-nalen Diskussionen bei EFSA und ECHA und 2014 veroumlffentlicht Seitdem wird das Verfahren am BfR angewandt uumlberpruumlft und verfeinert Im Kern geht es darum in einem mehrstufigen Verfahren verschie-dene Wirkstoffe in einem Pflanzenschutz-mittel oder in einer beantragten Tankmi-

schung kumulativ zu bewerten (s Kasten) Dazu werden sowohl die Exposition der Anwenderinnen und Anwender als auch die akute Exposition der Verbraucherinnen und Verbraucher betrachtet sodass die am meisten exponierten Gruppen beruumlcksich-tigt sind

Das Ziel Mischungen weltweit harmonisiert zu bewerten

Die Einfuumlhrung der Konzepte zur kumu-lativen Bewertung von Pflanzenschutzmit-teln hat auch in anderen EU-Laumlndern Aus-wirkungen auf die Risikobewertung Wenn Deutschland im zonalen Zulassungsverfah-ren bewertender Mitgliedstaat ist wird das Verfahren grundsaumltzlich angewandt Aber auch in die Bewertungsberichte anderer Laumlnder flieszligt die kumulative Bewertung als

deutscher Kommentar mit ein Durch den fachlichen Austausch zwischen den Mit-gliedstaaten wurde das Konzept in den letz-ten Jahren einem Peer-Review unterzogen Um die Praxis europaweit noch besser zu harmonisieren werden derzeit auszligerdem internationale Workshops organisiert auf denen diskutiert wird wie Mischungen bei der Risikobewertung kuumlnftig beruumlcksichtigt werden sollen Das BfR veranstaltet einen solchen Workshop im November 2017 im Auftrag der Europaumlischen Kommission die Franzoumlsische Behoumlrde fuumlr gesundheitlichen Verbraucher- Umwelt- und Arbeitsschutz (ANSES) einen weiteren im Februar 2018 unter aktiver Beteiligung des BfR

Das Ziel Mischungen weltweit harmoni-siert zu bewerten um Mensch und Umwelt besser zu schuumltzen ruumlckt damit naumlher

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

33012017

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

bdquoZiel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertungldquo Interview mit Herrn Dr Roland Solecki uumlber die Forschungsaktivitaumlten des BfR zu Mehrfachruumlckstaumlnden

Herr Solecki bei Mehrfachruumlckstaumlnden von Pflanzenschutzmitteln sprechen die Medien oft von einem bdquoGiftcocktailldquo Haben Sie Erkenntnisse daruumlber wie groszlig das gesundheitliche Risiko tat-saumlchlich istDas BfR hat dazu gemeinsam mit dem Bun-desministerium fuumlr Ernaumlhrung und Land-wirtschaft und dem Bundesamt fuumlr Ver-braucherschutz und Lebensmittelsicherheit einen Bericht uumlber die kumulativen Wir-kungen von Pflanzenschutzmitteln veroumlf-fentlicht Dieser basiert auf einer Methodik der niederlaumlndischen Behoumlrde fuumlr Gesund-heit und Umweltschutz RIVM Hintergrund ist ein Monitoring das uumlber einen Zeitraum von sechs Jahren in Deutschland durchge-fuumlhrt wurde Darin wurde untersucht wel-che Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde durch-schnittlich uumlber Lebensmittel aufgenommen werden Das Ergebnis war dass auch unter Worst-Case-Annahmen fuumlr die Mischungen von Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnden ein gesundheitliches Risiko unwahrscheinlich ist Die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit EFSA kam in ihrem Monito-ring-Bericht von 2015 fuumlr Gesamteuropa zu einem aumlhnlichen Ergebnis

Sie arbeiten unter anderem bei dem Pro-jekt EuroMix mit Worum geht es dabeiEs handelt sich um ein groszliges Forschungs-projekt der EU-Kommission zur kumulati-ven Bewertung von Mischungen im Rahmen von Horizont 2020 dem Rahmenprogramm der Europaumlischen Union fuumlr Forschung und Innovation Das Projekt hat zum Ziel neue Bewertungsmethoden fuumlr Mischungseffekte zu erarbeiten besonders auch im Hinblick auf Alternativen zu Tierversuchen innovati-ve Wege der Expositionsschaumltzung und Mo-dellierung von kumulativen Risiken Dabei geht es nicht nur um Pflanzenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatzstoffe und andere Chemikalien

Wie ist das BfR da in EuroMix einge-bundenVom BfR arbeiten sowohl die Abteilung Sicherheit von Pestiziden als auch die Ab-teilung fuumlr Lebensmittelsicherheit am Eu-roMix-Projekt mit Waumlhrend die von mir geleitete Abteilung fuumlr die regulative Bewer-tung eingebunden ist werden in der Abtei-lung Lebensmittelsicherheit experimentelle Arbeiten unter anderem zur Lebertoxizitaumlt durchgefuumlhrt in denen auch Kombinatio-nen von Pestiziden mit anderen Lebensmit-telinhaltsstoffen gepruumlft werden

Woran forschen Sie im EuroMix-ProjektWir haben zunaumlchst recherchiert welche gesetzlichen Anforderungen bestehen und wie unterschiedliche Behoumlrden weltweit

Mischungseffekte bewerten Und wir haben Forschungen zu Mischungen durchgefuumlhrt die bestimmte adverse Effekte auf die Leber verursachen Dabei wurden bestimmte Schluumlsselelemente untersucht um daraus ein Konzept fuumlr die Bewertung zu erarbei-ten Jetzt werden die Omics-Untersuchun-gen und andere alternative Pruumlfverfahren noch durch Tierversuche ergaumlnzt sodass wir auch am Gesamtorganismus die Effek-te uumlberpruumlfen koumlnnen Gleichzeitig werden die statistischen Hilfsmittel und die ande-ren elektronisch basierten Tools weiterent-wickelt Auszligerdem folgen noch weitere Stu-dien zur Exposition Die finalen Ergebnisse liegen am Ende des Projekts im Jahr 2019 vor

In welche weiteren europaumlischen Aktivi-taumlten ist das BfR eingebundenDie EFSA hat bereits einige Ansaumltze zur Bewertung der kombinierten Exposition gegenuumlber mehreren Pestiziden und Kon-taminanten bei Menschen sowie mehreren Pestiziden bei Bienen entwickelt Derzeit ist die EFSA damit befasst neue Ansaumltze und Instrumente zur Harmonisierung der Be-wertung von Risiken fuumlr Mensch und Um-welt zu erarbeiten die von der Exposition gegenuumlber mehreren chemischen Stoffen in der Lebensmittelkette ausgehen Ich bin derzeit Mitglied einer Arbeitsgruppe von Sachverstaumlndigen die der Wissenschaftliche Ausschuss der EFSA eingerichtet hat um Leitlinien im Hinblick auf die kombinierte Exposition gegenuumlber mehreren chemi-schen Stoffen zu entwickeln Diese Initiative unter dem Namen bdquoMixToxldquo wird 2018 den Leitfaden in einer oumlffentlichen Konsultation diskutieren

Bei dieser Vielzahl an Aktivitaumlten Wel-ches Ziel haben Sie persoumlnlich vor Au-genDas Ziel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertung von Stoffen in der gesundheitlichen Risikocharakterisie-rung und deren harmonisierte Implemen-tierung in den gesetzlichen Verfahren Dies wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen

bdquoBei den kumulati-ven Risiken geht es nicht nur um Pflan-zenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatz-stoffe und andere Chemikalien

Dr Roland Solecki leitet die Abteilung bdquoSicherheit von Pestizidenldquo am BfR

copy B

fR

34 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

SPEKTRUM

Identifizierung endokriner Disruptoren Vom Grundsatz in die Praxis

Fuumlr Pestizid-Wirkstoffe und andere Chemikalien sind harmonisierte wissenschaftliche Kriterien erforderlich mit denen hormonschaumldigende Substanzen identifiziert werden koumlnnen Das BfR veroumlffentlichte hierzu bereits 2016 ein Konsenspapier als wissenschaftliche Grundlage fuumlr die darauffolgende Arbeit der EU-Behoumlrden Auf legislativer Ebene werden aktuell EU-weit geltende Ver-ordnungen festgelegt um auf wissenschaftlicher Ebene Leitlinien zur regulatorisch harmonisierten Umsetzung dieser Verordnungen zu erarbeiten Mit dieser Aufga-be hat die EU-Kommission die EFSA und die ECHA gemeinsam beauftragt Das BfR unterstuumltzt die Behoumlr-den mit wissenschaftlicher und technischer Expertise indem es die entsprechende Arbeitsgruppe bei der EFSA personell verstaumlrkt sowie Recherchen und Umfragen zur Praktikabilitaumlt von Untersuchungsmethoden durchfuumlhrt Die Publikation der Leitlinien wird fuumlr Fruumlhjahr 2018 erwartet Sie koumlnnen auf Basis der verabschiedeten Ver-ordnungen nach ihrer Implementierung in der Genehmi-gungspraxis angewendet werden

Mehr erfahren Solecki et al 2017 Scientific principles for the identification of endocrine-disrupting chemicals a consensus statement Arch Toxicol 91 1001ndash1006

Insekten-Stopp in Textilien Allergene Wirkung unwahrscheinlich

Das Risiko fuumlr eine Allergie nach dem Kontakt mit Kleidung und Produkten die mit dem Biozid Permethrin behandelt sind ist nach derzeitigem Kenntnisstand unwahrscheinlich Das ist das Ergebnis einer aktuellen Risikobewertung des BfR Gestuumltzt wird das Ergebnis dadurch dass trotz weitverbreiteter Anwendung des Wirkstoffs in Medikamenten und Verbraucherprodukten kein Anstieg der Kontaktallergien gegenuumlber Permethrin zu verzeichnen ist Das Risiko fuumlr kanzero-gene systemische Effekte infolge einer dermalen und oralen Exposition gegenuumlber Permethrin aus Textilien ist nach Ansicht des BfR vernachlaumlssigbar gering Permethrin ist ein biozider Wirkstoff der zum Schutz gegen Insekten in Produkten wie Schlafsaumlcken Picknick- und Yogadecken sowie Teppichen und Kleidung eingesetzt wird Er ist im Chemikalienrecht als sensibilisierend eingestuft ein moumlgliches geringes kanzerogenes Potenzial wird von verschiedenen wissenschaftlichen Gremien diskutiert Der Wirkstoff kann aus Textilien freigesetzt und uumlber die Haut aufgenommen werden Bei kleinen Kindern die viele Produkte in den Mund nehmen kommt eine moumlgliche orale Aufnah-me des Stoffes hinzu

Mehr erfahren Stellungnahme Nr 0062017 des BfR vom 25 April 2017

Wie wirkt Aluminium in Leber und Darm

Aluminium ist in Lebensmitteln Kosmetika und Bedarfsge-genstaumlnden enthalten und kann uumlber die Nahrung aufgenom-men werden Erste Ergebnisse aus dem deutsch-franzoumlsischen Forschungsprojekt bdquoSolNanoToxldquo mit Beteiligung des BfR zeigen dass sich aus der Nahrung aufgenommene Aluminiumverbin- dungen temporaumlr im Darm anreichern Ob und in welchen Men-gen die Partikel weiter in den Koumlrper insbesondere in die Leber gelangen und welche Faktoren ihre Wirkung beeinflussen wird aktuell erforscht Die Forschungsgruppe sieht Anhaltspunkte dafuumlr dass ein Teil der angereicherten Partikel mit dem Stuhl wieder ausgeschieden wird Fuumlr seine Untersuchung simulierte das BfR anhand biologischer Proben die Verdauung verschiede-ner Aluminiumarten vom Mund uumlber den Magen bis zum Darm Mithilfe von Enzymen und Salzen wurden dabei physiologische Parameter wie der pH-Wert gesteuert Waumlhrend des simulierten Verdauungsprozesses veraumlnderten die Aluminiumverbindungen ihre chemische Reaktionsfaumlhigkeit und Loumlslichkeit Die Erkennt-nisse sind ein erster Schritt um den Prozess der Aufnahme Resorption und Verteilung von Aluminium im Koumlrper besser zu verstehen und daraus Daten fuumlr die Risikobewertung abzuleiten Aluminiumverbindungen koumlnnen in zu hohen Dosen toxisch auf das Nervensystem und ungeborenes Leben wirken sowie die Fruchtbarkeit und Knochenentwicklung beeinflussen

copy B

fR

copy c

gsto

cks

hutte

rsto

ckc

om

copy R

osel

ynne

shu

tters

tock

com

35012017

Bei Kleidung ist besonders der Einsatz von Silber-Nanopartikeln weit verbreitet Silber wirkt antibakteriell und soll die Geruchs-bildung durch Schwitzen reduzieren Beim Einsatz von Nanosilber in Kleidungsstuuml-cken ist in erster Linie eine Freisetzung in Schweiszlig und somit ein moumlglicher Hautkon-takt relevant Neben der Frage ob und in welcher Menge Silber prinzipiell aus Texti-lien herausgeloumlst wird beschaumlftigt sich die Forschung mit der Frage welchen Einfluss die Technologie hat mit der Nanosilber auf Textilien aufgetragen bzw eingebracht wird Bisher war zudem unklar inwiefern die Oberflaumlchenbeschichtung der Nano-partikel die Abgabe beeinflusst

Kuumlnstlicher Schweiszlig simuliert Freisetzung

In einem Forschungsprojekt pruumlfte das BfR neun Proben von Textilien die mit Nanosil-ber veredelt waren Als Vergleich diente ein mit konventionellem Silber (hier Silbersalz mit einem Partikeldurchmesser groumlszliger als 100 Nanometer) ausgeruumlstetes Textil Zwei der Textilien waren sogenannte Komposite bei denen Nanosilber in die Faser integriert ist Bei den anderen getesteten Textilien war die Faseroberflaumlche mit Silber-Nano-partikeln bzw in einem Fall mit konventio-nellem Silber beschichtet (Textil-Coating) Um die Abgabe von Silber durch Schwitzen

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

Kleidung wird durch sie wasser- und schmutzabweisend sie blocken UV-Strahlen und mindern Geruumlche Nanoma-terialien haben beliebte funktionelle Eigenschaften Ob sie aufgrund ihrer Winzigkeit gesundheitliche Risiken bergen ist indes noch weitgehend unbekannt In einem Forschungsprojekt uumlber Nanosilber hat das BfR ermittelt ob sich die Kleinstteilchen aus Textilien herausloumlsen und damit zum gesundheitlichen Risiko werden koumlnnen

Nanomaterial

ist ein natuumlrliches bei Prozessen anfallendes oder kuumlnstlich hergestelltes Material das Partikel in ungebundenem Zustand als Aggregat oder als Agglo-merat enthaumllt und bei dem die Mehrheit der Partikel ein oder mehrere Auszligen-maszlige im Bereich unter 100 Nanometer hat In Nanogroumlszlige kann ein Stoff andere Eigenschaften besitzen als wenn er in Form groumlszligerer Partikel vorliegt

copy o

still

shu

tters

tock

com

36 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von Textilfasern Links Nanokomposit bei dem kaum Silberpartikel an der Faseroberflaumlche zu finden sind Mitte und rechts Textilien mit Silbercoating hier befindet sich insgesamt mehr Silber auf der Oberflaumlche

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

zu simulieren wurden die Textilien fuumlr 24 Stunden in einer Schweiszligsimulanz-Louml-sung inkubiert Fuumlr die Auswertung wurde zunaumlchst der gesamte Silbergehalt in den Schweiszligloumlsungen mit massenspektromet-rischen Messmethoden bestimmt In den Proben in denen Silber vorhanden war wurden anschlieszligend mit Zentrifugation und einer speziellen Methode zum Messen von Einzelpartikeln geloumlstes und partikulauml-res Silber unterschieden Im letzten Schritt wurden die Partikelgroumlszligen des vorgefun-denen partikulaumlren Silbers gemessen um nanoskaliges Silber zu identifizieren

Silber aus Kleidung freigesetzt

Die Untersuchung des BfR zeigte dass von jeder Textilprobe Silber in die Schweiszligsi-mulanz-Loumlsung uumlberging je nach geteste-tem Textil zwischen 7 und 75 Prozent des originaumlr in den Textilien enthaltenen Sil-bers Dabei setzten die beschichteten Tex-tilien mehr Silber frei als die Komposite Den houmlchsten abgegebenen Anteil fand das BfR bei dem mit konventionellem Silber beschichteten Textil Die Freisetzung wird demnach staumlrker durch die Technologie der Veredelung bestimmt als durch die im Tex-til enthaltene Menge Auszligerdem scheint die Abgaberate von Silber aus Nanosilber im Vergleich zu konventionellem Silber nicht erhoumlht zu sein

In der Schweiszligloumlsung lag das freigesetzte Silber uumlberwiegend geloumlst vor Partikulaumlres Silber fand sich nur zum geringeren Teil dann jedoch auch im Nanometerbereich Ob es sich dabei um einzelne Nanoparti-kel handelt oder ob das Silber an groumlszligere Partikel gebunden ist muss in weiteren Untersuchungen uumlberpruumlft werden Nach

derzeitigem wissenschaftlichem Kennt-nisstand geht man davon aus dass sich Nanopartikel im Koumlrper anders verhalten als groumlszligere Partikel Uumlberraschenderweise detektierte die Forschungsgruppe auch in den Schweiszligsimulanzien der mit konven-tionellem Silber beschichteten Textilien partikulaumlres Silber in Nanogroumlszlige Das Vor-kommen von Silberpartikeln scheint also nicht davon abhaumlngig zu sein ob das Silber in Nano- oder konventioneller Form auf das Textil aufgebracht wurde

In einer parallelen Untersuchung fanden die Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler heraus dass zudem die Beschaffenheit der Nanopartikel beispielsweise in Form einer speziellen Beschichtung ihre Loumlslichkeit in der Schweiszligloumlsung beeinflusst

Art der Beschichtung relevant

Silber wird demnach aus Textilien freige-setzt in geringen Teilen sogar in partiku- laumlrer Form Die gewaumlhlte Form der Tex-tilfunktionalisierung aber auch die Be-schaffenheit der Nanopartikel stellen dabei wichtige Kriterien fuumlr das Freisetzungsver-halten dar Solche Erkenntnisse sind vor al-lem fuumlr den sicheren Einsatz von Nanoma-terialien in Alltagsprodukten wichtig weil die Exposition des Menschen gegenuumlber derartigen Stoffen moumlglichst klein gehalten werden sollte Auszligerdem geben sie Hin-weise in welcher Anwendungsform Nano-materialien im verbrauchernahen Bereich sicher eingesetzt werden koumlnnen

Mehr erfahren Wagener et al 2016 Textile Functionalization and Its Effects on the Release of Silver Nanoparticles into Artificial Sweat Environ Sci Technol 50 11 5927ndash5934

Per Flugzeitmassenspek-trometer laumlsst sich Silber auf beschichteten Textil-fasern detektieren

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

NANOPARTIKEL

37012017

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

38 BfR 2 GO

Neuer Ansatz fuumlr Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

Spiegelbild gesucht

Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR zeigt einen neuen Ansatz um mithilfe von Genexpressionsdaten das geeignete Tiermodell fuumlr die Grundlagenforschung oder fuumlr spezifische klinische Fra-gestellungen zu identifizieren Damit koumlnnen zukuumlnftig unnoumltige Tierversu-che vermieden werden Hamburger Wissenschaftsbehoumlrden wuumlrdigten die Erkenntnisse mit einem Forschungspreis

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

39012017

Fragestellung

Vergleich

Auswahl

z B bdquoMit welchem Mausmodell koumlnnen die Ursachen von Alzheimer erforscht werdenldquo

Vergleich von vorhandenen Omics-Expressionsdaten von Mensch und Tier

Auswahl des geeigneten Modells

1

2

3

Geeignete Tiermodelle identifizieren

An Tiermodellen werden zahlreiche biologische Prozesse und Krankheiten wie Wund-

heilung Diabetes Tumoren oder entzuumlndliche Erkrankungen erforscht Durch den

Vergleich der Omics-Expressionsdaten von Tiermodell und Mensch koumlnnen geeignete

Modelle fuumlr die jeweilige Fragestellung identifiziert werden

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

40 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Verlaumluft ein entzuumlndlicher Prozess bei Maumlusen aumlhnlich wie beim Menschen Sind Maumluse daher geeignete Ver-

suchstiere fuumlr Tests von antientzuumlndlichen Substanzen Um Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung in den klinischen Alltag zu uumlberfuumlhren ndash Aufgabengebiet der translationalen Forschung ndash werden wissen-schaftliche Fragestellungen oft in Tierversu-chen erprobt Ob und inwieweit die Ergeb-nisse auf den Menschen uumlbertragbar sind ist dabei immer wieder Gegenstand kontrover-ser Diskussionen Geeignete Methoden mit denen die Wissenschaft Tiermodelle mit op-timaler Uumlbertragbarkeit auf den Menschen auswaumlhlen kann wuumlrden dem wissenschaft-lichen Fortschritt helfen und die Zahl der Tierversuche reduzieren Es geht dabei um die Frage welches Tiermodell am besten das menschliche System widerspiegelt

Vergleichbarkeit von Genom- daten fehleranfaumlllig

Als Grundlage fuumlr diese Uumlberlegungen die-nen Daten aus modernen bioanalytischen Hochdurchsatzverfahren Immer haumlufiger setzt die Wissenschaft auf diese sogenannten Omics-Technologien die die Gesamtheit aller Gene und ihrer Produkte analysieren ndash sowohl beim Tier als auch beim Menschen Mit ihnen lassen sich molekulare Prozesse in lebenden Systemen umfassend darstel-len indem sie beispielsweise die Interaktion hunderter bis tausender Genprodukte zei-gen Die Analyse dieser zunehmend kom-plexen Omics-Datensaumltze stellt die Wissen-schaft jedoch vor Probleme da das Vorgehen dazu nicht standardisiert ist Die Interpreta-tion der Ergebnisse ist bisher meist von der Kompetenz der Durchfuumlhrenden und von der angewandten Methode abhaumlngig Im Ergebnis war die Entscheidung zur Frage der Uumlbertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen fehleranfaumlllig und die Suche nach

geeigneten Tiermodellen erschwert Die ge-ringe Standardisierung der Interpretation von Omics-Daten fuumlhrte in Forschungs-kreisen bereits zu widerspruumlchlichen Er-gebnissen so zum Beispiel bei zwei Studien aus den Jahren 2013 und 2015 die sich mit der Vergleichbarkeit von entzuumlndlichen Er-krankungen beim Menschen und gaumlngigen Mausmodellen beschaumlftigten Waumlhrend eine Forschungsgruppe im Jahr 2013 schlussfol-gerte dass entzuumlndliche Prozesse zwischen Mensch und Maus nicht vergleichbar seien kam eine andere Gruppe zwei Jahre spaumlter anhand der gleichen Omics-Daten zum ge-genteiligen Schluss Die Maus reagiere auf der molekularen Ebene sehr aumlhnlich wie der Mensch und sei daher als Tiermodell sehr nuumltzlich fuumlr die Erforschung menschlicher Erkrankungen Zwar ist es nicht ungewoumlhn-lich dass Ergebnisse von Studien unter-schiedlich eingeschaumltzt werden ndash allerdings selten auf Basis der gleichen Daten

Motivation des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR war es diese Widerspruumlche aufzuklaumlren und einen standardisierten und zielgerichteten Analyseansatz zu entwickeln der die Suche nach geeigneten Tiermodellen vereinfacht und somit unnoumltige Tierversuche vermei-den hilft Es gehoumlrt zu den Kernaufgaben des Bf3R bundesweit alle Aktivitaumlten zu koordi-nieren mit den Zielen Tierversuche auf das unerlaumlssliche Maszlig zu beschraumlnken und fuumlr Versuchstiere den bestmoumlglichen Schutz zu gewaumlhrleisten Die Aufgaben des Bf3R wer-den vom BfR wahrgenommen

Genomdaten von Tier und Mensch gezielt vergleichen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler des Bf3R haben die Omics-Daten aus den beiden erwaumlhnten widerspruumlchlichen Studien mithilfe hochperformanter Com-

puter nochmals systematisch ausgewertet Dabei wurden zunaumlchst die zu verglei-chenden Gene gruppenweise biologischen Prozessen zugeordnet die wesentlich fuumlr ein Entzuumlndungsgeschehen sind Diese Gene Set Enrichment Analysis (GSEA) ge-nannte Methode greift auf umfangreiche in oumlffentlichen Datenbanken hinterlegte Genomdaten gaumlngiger Tiermodelle und von Erkrankten zuruumlck Mit ihrer Heran-gehensweise konnten die Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler des BfR an-schlieszligend Veraumlnderungen auf der Ebene pathologischer Signalwege erkennen und Unterschiede zwischen Tiermodell und Mensch identifizieren Da der Groszligteil der untersuchten Genprodukte haumlufig nur geringfuumlgig veraumlndert war konnten bei der Analyse auf Ebene vollstaumlndiger bio-logischer Signalwege alle Gene einbezogen und Aumlnderungen in der Gesamtheit eines biologischen Signalwegs bewertet werden Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu bisherigen Analyseansaumltzen da fuumlr die Klauml-rung translationaler Fragestellungen bisher haumlufig willkuumlrlich und subjektiv Gene von Mensch und Tiermodell fuumlr einen direkten Eins-zu-eins-Vergleich ausgewaumlhlt wurden

Die systematische Auswertung des Bf3R zeigte dass die Ergebnisse beim vorlie-genden Genomdatenvergleich bei einigen Mausmodellen gut mit den beim Menschen ermittelten Daten uumlbereinstimmten Bei an-deren Mausmodellen hingegen war es nicht so So aumlhnelt das Entzuumlndungsgeschehen bei Maumlusen die mit Staphylococcus aureus (Staphylococcus-aureus-Injektionsmodell) infiziert sind oder eine Darmperforation (Cecal-ligation-and-puncture-Modell) erfah-ren den meisten klinischen Proben Hin-gegen verlaufen Erkrankungen die durch Lipopolysaccharide (LPS) und Streptococcus pneumoniae verursacht werden bei Mensch und Maus verschieden

Omics

Der Terminus beschreibt Methoden zur

Analyse komplexer biologischer Proben

auf der Ebene des gesamten Genoms

von Transkripten Proteinen oder Meta-

boliten

41012017

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

Forschungsansatz hilft Tierversuche zu reduzieren

Die Methode der Datenanalyse mittels GSEA-Ansatz erleichtert es Forschungs-gruppen zukuumlnftig zielgerichtet und stan-dardisiert das optimale Tiermodell aus-zuwaumlhlen das am besten die menschliche Situation abbildet Voraussetzung dafuumlr ist die Existenz von Omics-Daten zur klini-schen Fragestellung sowie zu den infrage kommenden Tierversuchen Dies ist bereits fuumlr eine Vielzahl von Tiermodellen sowie von humanen Erkrankungen der Fall neben Entzuumlndungserkrankungen beispielsweise fuumlr Herz-Kreislauf-Erkrankungen Krebser-krankungen Atemwegserkrankungen Stoff-wechselerkrankungen und neurologische Erkrankungen Aufgrund der vermehrten Verwendung von Omics-Methoden kann davon ausgegangen werden dass stetig wei-tere systembiologische Daten ermittelt und veroumlffentlicht werden Die vom Bf3R ange-wandte Methode wird daher weiterhin bei der gezielten Auswahl von Tiermodellen nuumltzlich sein

Das Verfahren kann in der Grundlagen-forschung sowie in der translationalen und angewandten Forschung eingesetzt werden Diese Bereiche machten 2015 nach Anga-ben des Bundesministeriums fuumlr Ernaumlh-rung und Landwirtschaft mit insgesamt 73 Prozent den groumlszligten Teil der Tierversuche aus Ein Groszligteil davon entfaumlllt auf Maumluse Ratten und zunehmend auch auf Fische Grundsaumltzlich kann die neue Methode zur Auswahl des geeigneten Versuchstiermo-dells bzw zum Ausschluss nicht geeigneter Versuchstiermodelle bei jeglichen Tierver-suchen in diesen Bereichen genutzt werden Analog zu den Versuchstierzahlen liegen derzeit die meisten Omics-Daten fuumlr Maus und Ratte vor So sind beispielsweise allein in der oumlffentlichen NCBI GEO-Datenbank (National Center for Biotechnology Informa-tion Gene Expression Omnibus) derzeit Da-ten zu ca 340000 Maus-Proben und 75000 Ratte-Proben gelistet

Methode identifiziert geeignete Zellkulturmodelle

Dabei ist die Methode des Bf3R nicht auf humane und murine Datensaumltze beschraumlnkt sondern kann auf alle weiteren Spezies an-gewandt werden fuumlr die umfangreiche Da-tenbanken zu biologischen Signalwegen oder Gengruppen vorliegen Auch fuumlr die Beurteilung von zellbasierten Alternativ-methoden kann der neue Forschungsansatz

herangezogen werden Durch einen system-biologischen Abgleich der klinischen Daten mit Omics-Daten aus beispielsweise neuar-tigen 3D-Zellkulturen oder organaumlhnlichen Mikrostrukturen wird die Charakterisierung und Verifizierung von zellbasierten Alterna-tivmethoden ermoumlglicht

Praumlmierte Forschungsleistung

Fuumlr ihre Forschung erhielten die Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR 2016 den Hamburger Forschungspreis zur Foumlrderung der Entwicklung von Ersatz- und

Ergaumlnzungsmethoden Die Auszeichnung wurde zum erstem Mal von den Hamburger Behoumlrden fuumlr Gesundheit und Verbraucher-schutz sowie fuumlr Wissenschaft Forschung und Gleichstellung mit einem Foumlrderpreis in Houmlhe von 20000 Euro ausgeschrieben Der Preis wird fuumlr Arbeiten vergeben die einen Beitrag leisten Tierversuche zu ersetzen oder zu minimieren

Mehr erfahrenWeidner et al 2016 Defining the optimal animal model for translational research using gene set enrichment analysis EMBO Molecular Medicine 8 8 831ndash838

Wofuumlr Versuchstiere in Deutschland eingesetzt werden

630255Herstellung und Qualitaumlts-kontrolle medizinischer Produkte toxikologische Sicherheitspruumlfungen

22

59

14 5

1643259Grundlagenforschung

144997sonstige Zweckez B Zucht Aus- und Weiterbildung

381450translationale und angewandte Forschung

Que

lle B

unde

smin

iste

rium

fuumlr E

rnaumlh

rung

und

Lan

dwirt

scha

ft V

ersu

chst

ierz

ahle

n 20

15

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

42 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Alternativen zu Tierversuchen Forschung regional buumlndeln

Eine individualisierte Schmerztherapie fuumlr Versuchsmaumluse und eine Verringerung von Tierexperimenten zum Test der Inhala- tionstoxizitaumlt von Nanomaterialien (siehe rechte Spalte) ndash hierzu sollen die ersten Arbeitsergebnisse des BfR im Berlin-Bran-denburgischen Verbundprojekt BB3R zukuumlnftig beitragen Das Netzwerk aus Universitaumlten und Bundesinstitutionen forscht um Tierversuche zu vermeiden (Replacement) bzw zu verringern (Reduction) sowie das Leiden von Versuchstieren zu vermindern (Refinement) Das BfR ist als einer von sechs Verbundpartnern in den Bereichen der Refinement- und Replacement-Forschung beteiligt Das Bundesforschungsministerium foumlrdert das mit BB3R abgekuumlrzte Projekt fuumlr vier Jahre bis Fruumlhjahr 2018 es ist als Plattform fuumlr den wissenschaftlichen Austausch konzipiert und integriert ein Graduiertenkolleg

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschungwwwbb3rde

Belastung von Laborfischen erkennen

Koumlrperbau

Koumlrpermerkmale

Verhaltenkreisendes Schwimmen

Belastung von Laborfischen erkennen

Ob Laborfische Schmerzen empfinden oder leiden laumlsst sich mithilfe konkreter Kriterien beurteilen Die Vorarbeiten hierzu koordinierte der bdquoNationale Ausschuss zumSchutz von fuumlr wissenschaftliche Zweckeverwendeten Tierenldquo am BfR gemeinsam mit externen Sachverstaumlndigen und Beauf-tragten von Genehmigungsbehoumlrden Die erstmals definierten Kriterien bewerten unter anderem Auffaumllligkeiten im Koumlrper-bau sowie im Verhalten der Tiere Schmer-zen und Leiden koumlnnen so gezielt behandelt und gelindert werden Da die Frage der Belastung der Tiere anhand der Kriterien eindeutig geklaumlrt werden kann dienen sie zudem als Entscheidungshilfe fuumlr Behoumlr-den welche die Zucht belasteter genetisch veraumlnderter Tiere genehmigen muumlssen Fische insbesondere Zebrafische sind nach Maumlusen und Ratten die am dritthaumlufigsten verwendete Versuchstierart Die Zahl der Versuchsfische hat in den letzten Jahren stetig zugenommen

Mehr erfahren Bert et al 2016 Considerations for aEuropean animal welfare standard toevaluate adverse phenotypes in teleost fish EMBO J 35 11 1151ndash1154Empfehlung des Nationalen Ausschusses TierSchG Nr 0012015

Test der Inhalationstoxizitaumlt von Nanomaterialien

Die Einatmung gilt als wichtigster Aufnahmeweg fuumlr Nanomaterialien Im Rahmen der BB3R-Forschung bildet das BfR diese Art der Exposition mit In-vitro- Atemwegsepithelmodellen an ihrer Grenzflaumlche zur Luft ab Dieser Ansatz zum Test der Inhalationstoxi-zitaumlt hilft Anzahl und Umfang von Tierversuchen zu verringern

Versuchsaufbau Drei Roumlhrchen leiten ein Testaerosol mit luftgetragenen Nanomaterialien auf Epithelzellen

SPEKTRUM

copy B

fR

43012017

Jubilaumlumsfeier und internationales Symposium

Am 29 November 2017 feiert das BfR sein 15-jaumlh-riges Bestehen mit einem Festakt Geplant ist eine Feier mit ausgewaumlhlten Gaumlsten in der Akademie der Kuumlnste Anschlieszligend findet vom 30 Novem-ber bis zum 01 Dezember 2017 das gemeinsame internationale Symposium des BfR und seiner Schwesterinstitutionen aus Daumlnemark (DTU Food) und Frankreich (ANSES) sowie der suumldko-reanischen Behoumlrde fuumlr Lebens- und Arzneimittel-sicherheit (NIFDS) statt Unter dem Motto bdquoPast Present and Future Challenges in Risk Assessment ndash Strengthening Consumer Health Protectionldquo werden die letzten anderthalb Jahrzehnte Risikobewer-tung betrachtet Daruumlber hinaus werden aktuelle Aktivitaumlten sowie zukuumlnftige Herausforderungen des Verbraucherschutzes wie mikrobiologische Erreger chemische Substanzen Methoden und Harmonisierung auf nationaler wie internationa-ler Ebene diskutiert

VERANSTALTUNGEN

Nachwuchs foumlrdern

Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu foumlr-dern baut das BfR wissenschaftliche Nachwuchs-gruppen zu bestimmten Schwerpunktthemen auf Die bereits 2015 eingerichtete Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Warenketteldquo wird im Herbst 2017 durch einen weiteren Dokto-randen verstaumlrkt

Verstaumlrkung im Versuchstierschutz

Seit dem 1 April 2017 staumlrkt die Berufung von Herrn Universitaumltsprofessor Dr Lars Lewejo-hann den Kompetenzbereich bdquoVerminderung der Belastung und Verbesserung der Lebenssitua-tionldquo des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) Neben der Leitung der Fachgruppe bdquoTierschutz und Versuchstierkundeldquo im BfR wird Lars Lewejohann sein Wissen und neue Erkenntnisse als Hochschullehrer fuumlr bdquoTier-schutz mit dem Schwerpunkt Refinementldquo an der veterinaumlrmedizinischen Fakultaumlt der Freien Universitaumlt Berlin an Studierende und Doktoran-den weitergeben

PERSONALIEN

Alternativmethode zum Tierversuch bdquoKnochen-auf-dem-Chipldquo

Im Mai 2017 fand bei der Gemeinsamen For-schungsstelle (GFS)Joint Research Centre (JRC) der Generaldirektion (Directorate General) der Europaumlischen Kommission eine Summer School zu alternativen Ansaumltzen zum Tierversuch fuumlr die Risikobewertung in Ispra (Italien) statt Dort wurde Herr Dr Ing Frank Schulze aus der BfR-Fachgruppe bdquoZEBET ndash Alternativmethoden zu Tierversuchenldquo fuumlr seine Praumlsentation und das dazugehoumlrige Poster zum Thema bdquoEin Knochen-auf-dem-Chip fuumlr die Grundlagenwissenschaft und die Identifizierung von knochenschaumldigen-den Substanzenldquo mit einem Posterpreis (1 Platz) ausgezeichnet

copy B

fR

copy p

rivat

INSTITUTSLEBEN

44 BfR 2 GO

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

Unerwuumlnschte Stoffe die in die Lebensmittelkette gelangen koumlnnen fuumlr Verbraucherinnen und Verbraucher ein gesund-heitliches Risiko darstellen Ein Beispiel fuumlr solche Eintraumlge

sind 12-ungesaumlttigte Pyrrolizidinalkaloide (PA) Das sind Stoffe die von einigen Pflanzen als Schutz vor Fraszligfeinden gebildet werden Sie konnten zunaumlchst in Honig und anderen Bienenprodukten spaumlter auch in Tees Kraumlutertees und Gewuumlrzen aber auch in pflanzenba-sierten Nahrungsergaumlnzungsmitteln nachgewiesen werden

Toxische Wirkungen bei Mensch und Tier

Beim Menschen sind vereinzelt Vergiftungsfaumllle nach arzneilicher Einnahme von PA-haltigen Kraumlutertees und -erzeugnissen bekannt Weiterhin gibt es Berichte uumlber epidemische Lebererkrankungen mit Todesfaumlllen in Pakistan Indien Afghanistan Tadschikistan und der ehemaligen UdSSR nach Verzehr von Getreide das mit Samen von Heliotropium- oder Crotalaria-Arten kontaminiert war Aus der Nutztierhaltung ist das gehaumlufte Auftreten von Leberzirrhosen bei Schlachtrindern bekannt die mit Heu und Silage auch Alpenkreuz-kraut aufgenommen hatten Auch bei Pferden wurden mit Leberde-generation einhergehende durch PA im Futter verursachte Erkran-kungen die Seneciosen beobachtet

Die Leber ist das primaumlre Zielorgan von Schaumldigungen durch 12-ungesaumlttigte PA Jedoch koumlnnen auch die Lunge oder andere Organe betroffen sein Insbesondere bei Aufnahme houmlherer Dosen treten akute venookklusive Veraumlnderungen in der Leber (hepatic veno-occlusive disease HVOD) oder der Lunge auf In houmlheren Dosen wurden im Tierversuch mit 12-ungesaumlttigten PA auch ent-wicklungstoxische Effekte beobachtet Nach den vorliegenden tier- experimentellen Daten gilt die kanzerogene Wirkung von 12-un-gesaumlttigten PA als gesichert und ein entsprechendes Risiko fuumlr den Menschen wird in Betracht gezogen Vielfach zeigten Verbindungen die sich im Tierversuch als kanzerogen erwiesen in entsprechenden Mutagenitaumltstests eine genotoxische Wirkung

Wie 12-ungesaumlttigte PA in Lebensmittel gelangen koumlnnen

Nach bisherigem Kenntnisstand koumlnnen 12-ungesaumlttigte PA uumlber mehrere Wege in Lebensmittel gelangen In Deutschland sind Ver-unreinigungen vor allem in den Anbauflaumlchen von Nutzpflanzen mit PA-bildenden Wildkraumlutern wie z B bei Salaten mit Kreuzkraut oder Greiskraut aufgetreten Aus Afghanistan sind erhoumlhte Belastungen in Getreide bekannt Auch die Belastung von Tee und Kraumlutertee-Sor-ten mit PA wird auf eine Kontamination mit bestimmten Wildkraumlu-tern in den Anbauflaumlchen zuruumlckgefuumlhrt Auszligerdem koumlnnen Bienen-produkte wie Honig und Pollen mit PA belastet sein wenn die Tracht von bestimmten Wildpflanzen stammt 12-ungesaumlttigte PA koumlnnen auch uumlber verunreinigte Futtermittel in Milch Eier und Fleisch ge-langen Auch Nahrungsergaumlnzungsmittel koumlnnen auf der Basis von Pflanzen hergestellt sein die selbst 12-ungesaumlttigte PA bilden

Gesundheitliche Risiken durch belastete Lebensmittel

Das BfR hat 2016 eine Bewertung der gesundheitlichen Risiken durch 12-ungesaumlttigte PA erarbeitet Dabei wurde die Belastung aller wichtigen Lebensmittelgruppen beruumlcksichtigt fuumlr die aktuell Daten zum Vorkommen von 12-ungesaumlttigten PA vorliegen Bei der Bewertung wurde die genotoxisch-kanzerogene Wirkung als emp-findlichster Endpunkt zugrunde gelegt

copy F

eyya

z A

laca

ms

hutte

rsto

ckc

om

copy e

mbe

riza

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

21012017

Danach geht bei Kindern im Alter von sechs Monaten bis unter fuumlnf Jahren die Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA im Wesentlichen auf Kraumlutertee einschlieszliglich Rooibostee Schwarztee und Honig zuruumlck Fruumlchtetee Milch Eier und Fleisch tragen nur wenig zur Gesamtaufnahme von 12-un-gesaumlttigten PA bei Sieht man von bestimm-ten Nahrungsergaumlnzungsmitteln ab zeigt sich bei Erwachsenen ein aumlhnliches Bild Bei Erwachsenen ist der Beitrag von Honig zur Gesamtaufnahme an 12-ungesaumlttigten PA geringer und der von Gruumlntee houmlher als bei Kindern Bei hohen Gehalten koumlnnen Nahrungsergaumlnzungsmittel als zusaumltzliche Expositionsquelle zur Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber Lebensmittel beitragen Gewuumlrze und Kraumluter aber auch Mehle stellen moumlglicherweise eine relevante zusaumltzliche Expositionsquelle dar Fuumlr eine abschlieszligende Bewertung fehlen hier jedoch noch Daten

Obwohl in Einzelfaumlllen hohe Gehalte an 12-ungesaumlttigten PA in bestimmten Le-bensmitteln des allgemeinen Verzehrs nachgewiesen wurden haumllt das BfR nach derzeitiger Datenlage auch bei hoher Auf-nahme dieser Lebensmittel eine akute Ge-sundheitsschaumldigung fuumlr unwahrscheinlich Zur Abschaumltzung des potenziellen Risikos von genotoxisch-kanzerogenen Wirkungen legte das BfR wie international uumlblich den MOE-Ansatz (Margin of Exposure) zugrun-de Dabei wird ausgehend von Tierstudien angenommen dass fuumlr genotoxische Kan-zerogene ein MOE-Wert von 10000 oder houmlher aus Sicht der oumlffentlichen Gesundheit als wenig bedenklich und die Prioritaumlt fuumlr Maszlignahmen im Rahmen des Risikomanage-ments als niedrig angesehen werden kann Bei genotoxisch-kanzerogenen Stoffen kann keine Schwellendosis angenommen werden unterhalb derer keine unerwuumlnschten Wir-kungen mehr erwartet werden Daher gilt in der Europaumlischen Union die Empfehlung die Exposition gegenuumlber genotoxisch und kanzerogen wirkenden Substanzen so weit zu minimieren wie dies vernuumlnftig erreich-bar ist ndash das sogenannte ALARA-Prinzip (as low as reasonably achievable) Selbst geringe Aufnahmemengen koumlnnen insbesondere bei regelmaumlszligigem Verzehr mit einer Erhouml-hung gesundheitlicher Risiken verbunden sein

Die Bewertung des genotoxischen und kan-zerogenen Risikos erfolgt als Vergleich der Gesamtaufnahme uumlber verschiedene Tees Milch und Honig bei Kindern und Er-wachsenen auf der Basis verschiedener Ver-zehrszenarien mit dem BMDL10-Wert von

73 Mikrogramm pro Kilogramm Koumlrperge-wicht und Tag unter Berechnung des MOE Der BMDL10-Wert (Benchmark dose lower confidence limit 10) ist ein Schaumltzwert der niedrigsten Dosis die im Tierexperiment mit 95-prozentiger Sicherheit eine Krebsin-zidenz von nicht mehr als 10 Prozent ver-ursacht Alle Berechnungsansaumltze sowohl fuumlr Kinder als auch fuumlr die erwachsene Be-voumllkerung ergaben MOE-Werte deutlich unterhalb von 10000 Da nach Ansicht des Wissenschaftlichen Ausschusses der EFSA ein MOE erst ab einem Wert von mindes-tens 10000 aus Sicht der oumlffentlichen Ge-sundheit als wenig bedenklich anzusehen ist empfiehlt das BfR die Gesamtexposition mit PA aus allen Lebensmitteln so niedrig wie moumlglich zu halten und einen MOE von 10000 bei Beruumlcksichtigung der PA-Zufuhr aus allen Quellen nicht zu unterschreiten Dazu sollten die Bemuumlhungen fortgesetzt werden die PA-Gehalte in Lebensmitteln weiter zu senken

Forschungsansaumltze des BfR

Das BfR befasst sich seit einigen Jahren mit der Problematik der Verunreinigung von Lebensmitteln mit 12-ungesaumlttigten PA und verfolgt hierzu verschiedene Forschungs-ansaumltze Die Analytik der 12-ungesaumlttigten PA stellt aufgrund ihrer groszligen strukturel-len Vielfalt und des Vorkommens in unter-schiedlichen Lebensmitteln eine besondere Herausforderung dar In den letzten Jahren hat das BfR spezifische Nachweismethoden entwickelt und in Ringversuchen validiert Diese Methoden stehen auf der Homepage des BfR zur Verfuumlgung und koumlnnen z B in der Lebensmittel- und Futtermitteluumlberwa-chung eingesetzt werden

Neben der Entwicklung analytischer Me-thoden werden am BfR die molekularen Mechanismen der Toxizitaumlt von 12-unge-saumlttigten PA untersucht Hier stehen vor allem Untersuchungen zur strukturabhaumln-gigen Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber die Darmbarriere im Vordergrund Die Ergebnisse zeigen dass sich das Wirkungs-potenzial der 12-ungesaumlttigten PA aufgrund von Unterschieden im strukturabhaumlngigen Transport uumlber die Darmbarriere unter-scheiden kann Auch zeigten die getesteten Modellsubstanzen in einem Zellkulturmo-dell deutliche strukturspezifische Unter-schiede im Metabolismus Weitere Untersu-

Pflanzen die Pyrrolizidinalkaloi-de bilden finden sich vor allem in den Familien der Korbbluumltler (Asteraceae) der Raublatt- oder Borretschgewaumlchse (Boraginaceae) und der Huumllsenfruumlchtler (Faba-ceae)

22 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

chungen zu der Zerstoumlrung der sinusoidalen Endothelzellen durch 12-ungesaumlttigte PA sollen zum Verstaumlndnis der Mechanismen beitragen die zu den venookklusiven Ver-aumlnderungen in der Leber fuumlhren Auch wer-den Untersuchungen zur Metabolisierung nahrungsrelevanter Pyrrolizidinalkaloide durchgefuumlhrt Die Forschungsprojekte wer-den von der Deutschen Forschungsgemein-schaft (DFG) gefoumlrdert

Empfehlungen zur Reduktion der PA-Gehalte

Das BfR empfiehlt dass sich Management-maszlignahmen an der Vermeidung genoto-xisch-kanzerogener Effekte der 12-ungesaumlt-tigten PA als dem empfindlichsten Endpunkt orientieren Die Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA sollte fuumlr Verbrau-cherinnen und Verbraucher so gering wie moumlglich sein Dazu sollten die PA-Gehalte in Lebensmitteln so weit wie moumlglich sin-ken Dies gilt insbesondere fuumlr Kraumlutertees Rooibostee Schwarzen Tee und Gruumlnen Tee sowie bestimmte Nahrungsergaumlnzungsmit-tel Hier sollten Anbau- Ernte- und Reini-gungsmethoden weiterhin verbessert wer-den Auch die Auswahl der Rohhonige kann zu einer Reduzierung der Gehalte an 12-un-gesaumlttigten PA in verzehrfertigen Honigen beitragen Auszligerdem sind vor der Vermark-tung seitens der Lebensmittelunternehmer weiterhin Kontrollen in allen betroffenen Lebensmittelkategorien notwendig

Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das potenzielle gesundheitliche Risiko durch PA durch eine abwechslungsreiche Ernaumlh-rung verringern und so generell einseitigen Belastungen mit verschiedenen potenziell gesundheitsgefaumlhrdenden Stoffen vorbeu-gen Insbesondere fuumlr Kinder Schwangere und Stillende empfiehlt das BfR den taumlgli-chen Fluumlssigkeitsbedarf nicht ausschlieszliglich mit Kraumlutertee und Tee zu decken

Bei der Zubereitung von Salat Blattgemuumlse und Kraumlutern sollten Verbraucherinnen und Verbraucher Pflanzenteile aussortieren die sie keinen bekannten essbaren Pflanzen zu-ordnen koumlnnen

Wer Nahrungsergaumlnzungsmittel auf Pollen-basis oder auf Basis von Pflanzen einnimmt die 12-ungesaumlttigte PA bilden sollte sich bewusst sein dass diese Produkte 12-un-gesaumlttigte PA in houmlheren Konzentrationen enthalten koumlnnen

Mehr erfahrenStellungnahme Nr 0302016 des BfR vom 28 September 2016

Necinbase

Necinsaumlure

Die Struktur von PA

Chemisch handelt es sich um Ester aus einer Necinbase und aliphatischen Mono- oder Dicarbonsaumluren (Necin-saumluren) Aus toxikologischer Sicht besonders bedeutsam sind Pyrroli-zidinalkaloide mit 12-ungesaumlttigter Necinstruktur (12-ungesaumlttigte PA) Die 12-ungesaumlttigte Necinstruktur als gemeinsames Strukturmerkmal erlaubt grundsaumltzlich die Giftung durch Oxidation zum Dehydropyrrolizidin das durch seine alkylierenden Eigenschaf-ten fuumlr die genotoxische und karzino-gene Wirkung dieser Substanzgruppe verantwortlich ist

copy R

ukiM

edia

shu

tters

tock

com

copy J

iri H

era

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

23012017

Im suumldlichen Afrika spielt die Landwirt-schaft eine Schluumlsselrolle bei der Armuts-bekaumlmpfung Eine wachsende Produktion tierischer Lebensmittel bringt jedoch auch neue Herausforderungen an die Lebensmit-telsicherheit mit sich Das BfR-Forschungs-projekt bdquoSAD-Zambialdquo (bdquoStaphylococcus aureus in der Milchlebensmittelkette in Sambia ndash Bekaumlmpfung lebensmittelbeding-ter Erkrankungen und Antibiotikaresisten-zen beim Menschldquo) befasst sich damit wie die Produktion und der Vertrieb von Milch und Milchprodukten in Sambia sicherer gestaltet werden koumlnnen Ziel ist es zu be-werten in welchem Umfang das Bakterium Staphylococcus (S) aureus uumlber Milch und Milchprodukte auf den Menschen uumlbertra-gen wird In einem ersten Schritt werden Feldstudien in verschiedenen Provinzen des Landes durchgefuumlhrt um das Vorkommen dieses Erregers und moumlgliche Schwachstel-len in der Milchlebensmittelkette in Sambia zu analysieren Hierbei stehen Toxin-bil-dende S aureus-Staumlmme im Fokus Auszliger-dem wird untersucht in welchem Umfang Methicillin-resistente S aureus (MRSA) die gegen eine bestimmte Klasse von Antibio-tika resistent sind in der Milchlebensmit-

telkette vorkommen Die Bewertungsarbeit beinhaltet auch einen Vergleich traditio-neller und moderner Produktionssysteme Am BfR werden anschlieszligend die Analysen zu den Eigenschaften der gewonnenen Bakterienstaumlmme sowie stammvergleichen-de Untersuchungen durchgefuumlhrt In einem weiteren Schritt werden Ansatzpunkte zur Reduzierung der Bakterien sowie Methoden zum Monitoring von zoonotischen und An-tibiotika-resistenten S aureus in der Milch-lebensmittelkette in Sambia entwickelt So soll zum Verstaumlndnis der lebensmittelbe-dingten Risiken entlang der Milchlebens-mittelkette in Sambia beigetragen werden Das Projekt begann am 01072016 und laumluft drei Jahre Es wird vom Bundesminis-terium fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft gefoumlrdert und aus BfR-Mitteln co-finanziert Neben dem BfR beteiligen sich an dem For-schungsprojekt das International Livestock Research Institute die University of Zambia und das Central Veterinary Research Insti-tute als Teil des sambischen Ministeriums fuumlr Nutztiere und Fischerei Durch dieses Forschungsnetzwerk soll eine nachhaltige Partnerschaft aufgebaut werden

Mit dem Forschungsprojekt bdquoSAD-Zambialdquo leistet das BfR einen Beitrag zur Staumlrkung der Lebensmittelsicherheit und damit zur Ernaumlhrungssicherheit im suumldlichen Afrika Koordinatorin des Projekts ist Frau Dr Alexandra Fetsch Der sambische Doktorand Herr Bruno Phiri berichtet von seiner alltaumlglichen Arbeit Beide arbeiten in der Fach-gruppe bdquoMikrobielle Toxineldquo des BfR

POST AUS hellipSAMBIA

raquobdquoDas SAD-Zambia Projekt ist fuumlr mich ein Meilenstein und ich bin dem BfR sehr dankbar dass es mir diese Moumlglichkeit gibt Ich habe schon viel dazugelernt und konnte meine Kompetenzen bezuumlglich der Diagnose von Krankheitserregern verbessern Das Projekt bringt mich aber nicht nur persoumlnlich voran auch mein Land kann davon profitieren Mein Arbeitsalltag beginnt meist mit einem Besuch bei den Milchbauern und ihren Herden Dort schaue ich mir an wie die Kuumlhe gemolken werden und nehme Proben von den Tieren der Milch und der Umge-bung Auch in Milchsammelstellen und auf Maumlrkten nehme ich Proben Diese analysiere ich anschlieszligend im Labor an der Universitaumlt Schon jetzt freue ich mich auf die weiteren Untersuchungen der Bakterienstaumlm-me am BfR Ich war zu Beginn des Projektes dort ndash eine sehr eindrucks-volle Erfahrungldquo

(Bruno Phiri)

copy a

stud

ios

hutte

rsto

ckc

om

copy B

fR

24 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

Algengift in Tropenfischen

Bisher traten Lebensmittelvergiftungen durch Ciguato-xin ndash einem Algentoxin das in tropischen Speisefischen wie Barrakuda Schnapper oder Zackenbarsch enthalten sein kann ndash vorwiegend in den Tropen auf Mit dem zunehmenden Import von Fischen aus Suumldostasien haumlufen sich auch in Europa und seit 2012 in Deutschland Faumllle von Ciguatera Ein Problem dabei Eine Analyse-methode mit der Fisch routinemaumlszligig auf Ciguatoxine untersucht werden kann ist derzeit noch nicht verfuumlgbar Da weltweit nur wenige Labore auf den Nachweis von Ci-guatoxinen in Fischen spezialisiert sind wird im Projekt bdquoEuroCigualdquo der Europaumlischen Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit (EFSA) unter anderem an der Verbesserung entsprechender Analysemethoden und zum Vorkommen ciguatoxischer Fische in Europa geforscht Das BfR liefert fuumlr das Projekt Angaben zu Erkrankungsfaumlllen in Deutschland Die krankmachenden Algentoxine reichern sich uumlber die Nahrungskette in Raubfischen an und sind uumlberaus stabil Durch Erhitzen oder Tiefkuumlhlen lassen sie sich nicht entfernen Beim Menschen kann der Verzehr betroffener Fische dann zu Vergiftungen mit zum Teil schweren oder andauernden Beeintraumlchtigungen des Nervensystems fuumlhren An Ciguatera Erkrankte nehmen normale Kaumlltereize als ungewoumlhnlich schmerzhaft wahr

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt A-Z-Index Ciguatoxin

Alkaloide in Lupinensamen

In verarbeiteten Produkten oder zum Knabbern Lupinensamen sind im Trend Da sie jedoch toxikologisch relevante bittere Chinolizidinalkaloide enthalten koumlnnen bewertet das BfR ihr gesundheitliches Risiko Der Gehalt an Chinolizi-dinalkaloiden in Lupinensamen variiert je nach botanischer und geografischer Abstammung Samen die von bdquoBitterlupinenldquo stammen sind aufgrund ihrer houmlheren Gehalte ohne geeignete Vorbehandlung der bdquoEntbitterungldquo nicht zum Verzehr geeignet Denn Sie koumlnnen beim Menschen Vergiftungssymptome her-vorrufen Lupinenvarietaumlten die Samen mit niedrigen Alkaloidgehalten liefern werden als bdquoSuumlszliglupinenldquo bezeichnet Suumlszliglupinensamen sind auch ohne Entbitte-rung verzehrsfaumlhig In Deutschland kam es mit Bitterlupinensamen vereinzelt zu Vergiftungsfaumlllen Das BfR empfiehlt Herstellern daher nur ganze Lupinensamen in den Verkehr zu bringen die ohne weitere Entbitterungsprozesse verzehrsfaumlhig sind Mehl aus Lupinensamen sollten Hersteller aus alkaloidarmen oder ausrei-chend entbitterten Samen herstellen

Uumlbertragungswege des Hepatitis-E-Virus

Infektionen mit dem Hepatitis-E-Virus (HEV) koumlnnen zu einer akuten Leberentzuumlndung fuumlhren In den letzten Jahren sind die Zahlen gemeldeter Hepatitis-E-Faumllle des Menschen in Deutsch-land stark angestiegen Forschungsergebnisse des BfR in Zusam-menarbeit mit anderen Einrichtungen haben gezeigt dass das Virus in deutschen Haus- und Wildschweinen weit verbreitet ist Vereinzelt wurde HEV auch in Rehen und Rotwild nachgewiesen

Unklar ist derzeit noch auf welchen Wegen sich die Patienten mit dem Virus anstecken Moumlglich sind direkte Virusuumlbertra-gungen zum Beispiel vom Wildtier auf den Jaumlger und indirekte uumlber Lebensmittel die aus infizierten Tieren hergestellt wurden Wie aktuelle Studien des BfR zeigen kann HEV in verschiedenen Wurstwaren aus dem deutschen Einzelhandel nachgewiesen wer-den Fraglich ist ob das Virus in diesen Produkten noch anste-ckend ist oder ob es bei der Herstellung der Lebensmittel zerstoumlrt wird Hierfuumlr noumltige Untersuchungen waren in der Vergangenheit erschwert da sich HEV im Labor nur schlecht kultivieren lieszlig Erste Ergebnisse von Untersuchungen mithilfe eines am BfR ent-wickelten neuartigen Zellkultur-Systems weisen darauf hin dass HEV hitzeempfindlich ist aber bei Kuumlhlung oder Raumtempera-tur mehrere Wochen infektioumls bleiben kann

SPEKTRUM

copy N

eil B

urto

nsh

utte

rsto

ckc

om

copy N

atal

ia M

ylov

ash

utte

rsto

ckc

om

copy iS

tock

com

Mee

Poo

hyap

hoto

25012017

bdquoNur eine gemeinsame Strategie ist effektivldquo

Frau Kaumlsbohrer ein zentrales Thema Ihrer Forschung sind Antibiotikaresis-tenzen In der oumlffentlichen Debatte wird oft ein Zusammenhang hergestellt zwi-schen dem haumlufigen Einsatz von Anti-biotika in der Nutztierhaltung und dem Auftreten resistenter Bakterien in der Humanmedizin Doch werden bei Tieren nicht andere Antibiotika eingesetzt als bei MenschenUm die Unterschiede zu erlaumlutern muss man zwischen Praumlparaten und den antibiotischen Wirkstoffgruppen unterscheiden Beim Tier verwenden Veterinaumlrmediziner ande-re Praumlparate als Aumlrzte beim Menschen Der wirksame Inhaltsstoff das Antibiotikum kann aber dasselbe sein Die Antibiotika lassen sich wiederum in Wirkstoffgruppen einteilen Mit Blick auf die Wirkstoffgrup-pen gilt Die meisten Antibiotika die beim Menschen eingesetzt werden gehoumlren zu Wirkstoffgruppen die wir auch in der Vete-rinaumlrmedizin nutzen Es gibt nur ganz weni-ge Antibiotikagruppen die nur auf der einen oder der anderen Seite verwendet werden Dazu gehoumlren zum Beispiel die Carbapene-me die nicht beim Nutztier eingesetzt wer-den duumlrfen In der Humanmedizin kommen sie insbesondere zum Einsatz wenn andere Antibiotika nicht mehr wirksam sind

bdquoEine Resistenz ge-gen einen bestimm-ten Wirkstoff kann sich auch ausbrei-ten obwohl diese Wirkstoffgruppe nicht eingesetzt wurde

Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer leitet am BfR die Fachgruppe bdquoEpide-miologie Zoonosen und Antibiotika-resistenzldquo die unter anderem auch das Nationale Referenzlabor fuumlr Antibiotika- resistenzen umfasst Seit April 2016 ist sie auszligerdem Professorin an der Vetmeduni Vienna und leitet dort das Institut bdquoOumlffentliches Veterinaumlrwesenldquo

Wenn sie beim Nutztier nicht eingesetzt werden duumlrfen wie kann es dann sein dass Sie am BfR im Rahmen des For-schungsprojekts RESET Carbapene-mase-bildende Bakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden gefunden habenDie Entstehung von Antibiotikaresistenzen ist ein natuumlrlicher Vorgang bei Bakterien Durch den Gebrauch von Antibiotika wird dieser Prozess beschleunigt Eine Resistenz gegen einen bestimmten Wirkstoff kann sich auch ausbreiten obwohl diese Wirk-stoffgruppe nicht eingesetzt wurde Dank der Selektion gilt meist Wenn ich einen Wirkstoff einsetze gebe ich jenen Bakterien einen Vorteil die gegen den Wirkstoff resis-tent sind Aber Carbapenemasen also die Enzyme die von Carbapenem-resistenten Bakterien gebildet werden koumlnnen neben den Carbapenemen auch fast alle anderen

Bakterien die gegen Antibiotika resistent sind stellen ein Risiko fuumlr die oumlffentliche Gesundheit dar Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer widmet sich am BfR dieser Problematik Im Gespraumlch erklaumlrt sie welche Faktoren bei der Ausbreitung von Resistenzen eine Rolle spielen

copy M

icha

el B

ernk

opf

Vetm

edun

i Vie

nna

26 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

β-Laktam-Antibiotika inaktivieren Theo-retisch ist es daher moumlglich dass sich eine Resistenz gegen Carbapeneme ausbreitet obwohl der Tierarzt beim Nutztier eine an-dere Wirkstoffgruppe eingesetzt hat Ist die Resistenz bei Bakterien vorhanden gibt es viele Ausbreitungswege Ein Stall ist kein steriler Ort sondern belebte Umwelt Moumlg-liche Eintragswege fuumlr resistente Bakterien in einen Stall sind z B belebte Vektoren wie neu eingestallte Tiere Maumluse Fliegen oder Voumlgel aber auch unbelebte Vektoren wie Futter Wasser Staub oder Geraumltschaften

Was hat sich seit dem Fund der Carba-penemase-bildenden Enterobakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden fuumlr Ihre Arbeit beim BfR geaumlndert Der Fund hatte vielfaumlltige Konsequenzen Wir haben vor allem die gezielten Untersu-chungsaktivitaumlten verstaumlrkt Bakterien-Iso-late aus Tierbestaumlnden und Lebensmitteln werden seit 2014 im Rahmen des Resistenz-monitorings im BfR routinemaumlszligig auf eine Carbapenem-Resistenz getestet Auszligerdem steht seit 2015 fuumlr den Nachweis von Carba-penemase-bildenden Bakterien ein weiteres gezieltes Nachweisverfahren zur Verfuumlgung Hierzu muumlssen die Labore geschult werden Zusaumltzlich werden im Nationalen Refe-renzlabor fuumlr Antibiotikaresistenz am BfR Carbapenemase-verdaumlchtige Bakterien auf die charakteristischen Resistenzgene hin un-tersucht Am BfR wurden hierfuumlr verschie-dene Methoden fuumlr die Untersuchung von E coli und Salmonella etabliert Bisher wur-den sehr selten solche Resistenzgene nach-gewiesen bei Nutztieren das Gen blaVIM-1 bei einem Wildvogel das Gen blaNDM-1

Oftmals sind die Resistenzgene gegen Carbapeneme zusammen mit anderen Resistenzgenen auf mobilen geneti-schen Elementen lokalisiert Warum ist hier besondere Vorsicht gebotenZunaumlchst ist die Trefferwahrscheinlichkeit fuumlr eine Selektion houmlher wenn mehrere Re-sistenzgene auf einem genetischen Element liegen d h der Einsatz verschiedener Anti-biotika kann zu einem Selektionsvorteil fuumlh-ren Die Lokalisation von Resistenzgenen auf mobilen genetischen Elementen spielt fuumlr die Uumlbertragbarkeit von Resistenzen eine wichtige Rolle Denn Diese Resistenzgene koumlnnen mittels horizontalem Gentransfer auf ganz unterschiedliche Bakteriengruppen uumlbertragen werden Diese Erkenntnis hat eine Art Revolution ausgeloumlst Lange Zeit wurde ein Erreger mit all seinen Eigenschaf-ten als Einheit betrachtet Kann die Resis-tenz aber zwischen Bakteriengruppen hin

und her uumlbertragen werden verfaumllscht das moumlglicherweise den Blick auf eine Gruppe Folglich mussten die Nachweisverfahren umgestellt und die Uumlbertragbarkeit von Re-sistenzen mit analysiert werden Erschwe-rend kommt hinzu dass ein Resistenzgen auf einem grundsaumltzlich ungefaumlhrlichen

Bakterium zum Problem werden kann Manche Bakterien wie beispielsweise E coli gehoumlren zur normalen Darmflora Traumlgt so ein Bakterium eine Resistenzeigenschaft ist das erstmal nicht gefaumlhrlich Aber Es kann diese Eigenschaft moumlglicherweise an einen Infektionserreger weitergeben

Welche konkreten Folgen kann eine solche Weitergabe von Resistenzeigen-schaften habenSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt Schon jetzt weichen Aumlrzte auf Wirk-stoffgruppen aus die in der Humanmedizin lange verpoumlnt waren Dies gilt zum Beispiel fuumlr Colistin Fuumlr den Menschen ist es nicht gut vertraumlglich moumlgliche Nebenwirkun-gen sind beispielsweise die Schaumldigung der Nieren oder des Nervensystems In der Ve-terinaumlrmedizin hat Colistin seit Jahrzehnten eine erhebliche Bedeutung vor allem fuumlr die Behandlung von Infektionen des Ma-gen-Darm-Traktes bei Nutztieren auch um andere Wirkstoffgruppen zu vermeiden

Spielt im Fall von Colistin die Mobilitaumlt des Resistenzgens auch eine besonde-re Rolle Inzwischen ja Bis Ende 2015 waren sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler einig Eine Colistin-Resistenz ist nicht uumlbertragbar Das heiszligt kommt eine solche Resistenz bei einem Infektionserreger beim Nutztier vor ist sie nicht per se auf ein hu-manpathogenes Bakterium uumlbertragbar Doch Ende 2015 wurde in China erstmals das uumlbertragbare Gen mcr-1 beschrieben Untersuchungen in Belgien haben spaumlter zur Beschreibung eines weiteren mobilen Gens fuumlr die Colistin-Resistenz bei Nutztieren

bdquoSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

27012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Ausbreitung von Resistenzen

Haustiere

Krankenhaus

Belastetepflanzliche Lebensmittel

Belastete tierische Lebensmittel

Nutztiere

Futtermittel

Schaumldlinge

Uumlbertragungswege resistenter Bakterien

Menschen

Eine Antibiotikaresistenz entsteht

(z B durch Mutation)

Antibiotikatherapie beguumlnstigt die

Selektion resistenter Bakterien

Nahrung

Duumlnger Abwasser

Abwasser

28 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

gefuumlhrt mcr-2 Das bedeutet eine Uumlbertra-gung der durch diese Gene vermittelten Re-sistenz auf ein humanpathogenes Bakterium ist theoretisch moumlglich Allerdings scheint dies bisher selten der Fall zu sein

Diese Erkenntnisse offenbaren einen groszligen Forschungsbedarf Was tun Sie in der Abteilung bdquoBiologische Sicher-heitldquo um das Risiko zu bewerten Als 2015 klar wurde dass es eine uumlbertrag-bare Colistin-Resistenz gibt haben wir diese neue Erkenntnis in den laufenden Projekten natuumlrlich sofort aufgegriffen Im Rahmen des Forschungsprojekts RE-SET haben wir zum Beispiel vorhandenes Bakterienmaterial und die bei unseren Ko-operationspartnern verfuumlgbaren Gesamt-genominformationen auf das Vorkommen dieses neuen Resistenzgens gepruumlft Schnell war klar Ja dieses Gen finden wir in den Sequenzen Und die Pruumlfung von Colis-tin-resistenten Isolaten aus unserer Stamm-sammlung hat bestaumltigt dass dieses Resis-tenzgen bereits weit verbreitet ist

Muumlssen nun neue Forschungsprojekte zu dem Thema initiiert werdenJa denn viele Fragen bleiben bislang offen Wie haumlufig wird die Resistenz tatsaumlchlich uumlbertragen Was triggert diese Uumlbertra-gung Es gibt auch diagnostische Probleme Das uumlbliche Verfahren in der Humanmedi-zin um Resistenzen zu testen umfasst in der Regel nicht die Resistenz gegen Colistin Es gibt also viel zu tun Neue Diagnose- und Typisierungsverfahren aufbauen unser Re-sistenzmonitoring erweitern und routine-maumlszligig phaumlnotypisch resistente Isolate auf das Gen pruumlfen Die Ergebnisse muumlssen wir dann uumlbergreifend bewerten um Hand-lungsoptionen aufzuzeigen

Welche Uumlbertragungswege spielen bei der Colistin-Resistenz fuumlr den Men-schen eine Rolle Mit Sicherheit koumlnnen wir das derzeit nicht sagen Die chinesische Arbeitsgruppe hat Colistin-Resistenzen sowohl im Schweine-fleisch als auch beim Menschen gefunden Daher liegt die Hypothese nahe dass es eine Uumlbertragung uumlber Lebensmittel gibt Gleichzeitig gibt es generell die Beobachtung von nosokomialen Ausbreitungen resisten-ter Bakterien Das sind Ausbreitungen von Antibiotikaresistenzen im Krankenhaus

Resistenzen breiten sich aus Wunder-waffen verlieren ihre Wirkung selbst im Krankenhaus sind wir nicht sicher Gibt es uumlberhaupt eine effiziente Strategie gegen die Ausbreitung der Antibiotika- resistenzen Und wer ist dabei gefor-dertUm die Ausbreitung von Antibiotika- resistenzen zu verhindern braucht es eine gemeinsame Strategie Schlieszliglich sind hier komplexe Zusammenhaumlnge zwischen Mensch Tier und Umwelt am Werk Am BfR streben wir deswegen eine enge Zu-sammenarbeit mit allen Akteuren im oumlffent-lichen Gesundheits- und Veterinaumlrwesen an Bei diesem bdquoOne Health-Ansatzldquo sind sowohl Veterinaumlr- als auch Humanmedizi-ner gefordert Auch Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

Was sollten Verbraucherinnen und Ver-braucher beachtenHier gelten dieselben Hygieneregeln die auch fuumlr andere vom Tier oder vom Le-bensmittel auf den Menschen uumlbertragba-re Krankheitserreger gelten Zum Beispiel sollten sie sich nach dem Kontakt mit Tie-ren die Haumlnde mit warmem Wasser und Seife waschen Auch nach der Zubereitung von rohem Fleisch sollten die Haumlnde gruumlnd-lich gewaschen werden Fleisch Eier und Rohmilch sollten vor dem Verzehr durcher-hitzt werden Rohkost und Obst sollten vor dem Verzehr gruumlndlich mit Trinkwasser gewaschen oder geschaumllt werden Weiterhin wichtig ist den direkten oder indirekten Kontakt von rohem Fleisch und rohen Ei-ern mit verzehrfertigen Speisen die spaumlter nicht mehr erhitzt werden zu vermeiden Durch die Einhaltung der Hygieneregeln kann man einer Uumlbertragung von resisten-ten und oder pathogenen Bakterien auf an-dere Lebensmittel vorbeugen

Mehr erfahren Irrgang et al 2017 Recurrent detection of VIM-1-producing Escherichia coli clone in German pig production Journal ofAntimicrobial Chemotherapy 72 3 944ndash946

bdquoVerbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

RESET

Der Forschungsverbund RESET ndash Antibiotika-Resistenzen bei Tier und Mensch ndash beschaumlftigte sich von 2010 bis 2017 mit Resistenzen gegen die besonders wichtigen Antibiotika-Klas-sen der β-Laktam-Antibiotika und (Fluor-)Chinolone bei Darmbakterien wie Escherichia (E) coli Sind Bak-terien gegen beide Wirkstoffklassen resistent werden die therapeutischen Moumlglichkeiten drastisch eingeschraumlnkt Bei E coli und Salmonella enterica wurden derartige Resistenzen bereits nachgewiesen Das BfR beteiligte sich mit zwei Projekten an dem Forschungs-verbund Durch das konsequente Zusammenfuumlhren von Ergebnissen der unterschiedlichen Forschungsgebiete in einer gemeinsamen Datenbank konnten Erkenntnisluumlcken geschlossen und Risiken bewertet werden Das Projekt wurde vom Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) gefoumlrdert

29012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Kann es durch die Mischung verschiedener Pestizid-Ruumlckstaumlnde beim taumlglichen Verzehr zu gesundheitsgefaumlhrdenden Belastungen kommen

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

30 BfR 2 GO

Wenn von Paradigmenwechseln die Rede ist findet meist ein grundlegendes Umdenken statt In der Risikobewertung von Chemikalien habe ein Paradigmenwechsel stattge-

funden der die traditionelle Einzelsubstanz-Bewertung hinter sich lasse schrieben BfR-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler vor einiger Zeit Man koumlnnte meinen in der Toxikologie wird der Paracelsus-Satz kuumlnftig umgeschrieben Nicht nur die Dosis son-dern auch die Aufsummierung der Dosierungen in einer Mischung macht das Gift

Gift- oder Todescocktail ndash plakative Medienbegriffe

Denn tatsaumlchlich In den letzten Jahren beschaumlftigen sich weltweit immer mehr Gremien politische Ausschuumlsse und Forschungspro-jekte mit der Frage wie man die Auswirkungen von Mischungen auf Umwelt und Gesundheit kuumlnftig bewerten kann Auch in der Oumlffentlichkeit wird das Thema emotional verhandelt Chemikali-enmix Gift- oder sogar Todescocktail ndash mit plakativen Begriffen umschreiben Medien das Phaumlnomen der Mehrfachruumlckstaumlnde Entsprechend tief sitzt die Angst bei Verbraucherinnen und Ver-brauchern In einer vom BfR in Deutschland durchgefuumlhrten re-praumlsentativen Wahrnehmungsstudie vermuten 80 Prozent der Befragten dass der Einsatz mehrerer unterschiedlicher Pflanzen-schutzmittel zu gesundheitlichen Beeintraumlchtigungen durch Le-bensmittel fuumlhren kann

Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck sein

Zwar zeigen verschiedene aktuelle Monitoring-Projekte dass das gesundheitliche Risiko durch Mehrfachruumlckstaumlnde von Pflanzen-schutzmitteln unwahrscheinlich ist (s Interview) aber das Thema bleibt auch fuumlr die Wissenschaft draumlngend Denn auch wenn Mi-schungen schon seit Jahrzehnten wissenschaftlich analysiert und bewertet werden das Beduumlrfnis nach einer zuverlaumlssigen Bewertung der Risiken fuumlr Mensch und Umwelt steigt Grund dafuumlr ist zum einen die Vielzahl immer neuer Wirkstoffe Zusatzstoffe Chemika-lien Ruumlckstaumlnde und Kontaminanten gegenuumlber denen Menschen exponiert sind verbunden mit immer verfeinerten wissenschaftli-chen Nachweismethoden Zum anderen steigt der Druck aus der Oumlffentlichkeit Um wissenschaftliche Divergenzen zu vermeiden muumlssen transparente und international harmonisierte Verfahren entwickelt werden Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck in der Risikobewertung sein

Alle Gemische im Tierversuch zu testen ist nicht durchfuumlhrbar

Worum geht es im Einzelnen Mischungen liegen immer dann vor wenn ein Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt verschiedene Stoffe gleichzeitig aufnimmt z B Ruumlckstaumlnde Kontaminanten oder Chemikalien die nach der Europaumlischen Chemikalienverordnung REACH registriert sind Das geschieht wenn sogenannte intentional mixtures also beabsichtigte Mischungen wie Pflanzenschutzmittel oder Biozide in den Verkehr gebracht werden Aber auch unintenti-onal mixtures nimmt der Koumlrper auf Sei es dass verschiedene Stoffe in einem Produkt enthalten sind z B mehrere Pflanzenschutzmit-telruumlckstaumlnde in einem Apfel Oder sei es dass Stoffe gleichzeitig uumlber unterschiedliche Produkte aufgenommen werden In all diesen Faumlllen koumlnnen Mischungseffekte auftreten Diese sind je nach Wirk-mechanismus unterschiedlich stark ausgepraumlgt So koumlnnen sich die Wirkungen von Stoffen gegenseitig potenzieren oder auch aufheben Nach derzeitigem Kenntnisstand wird davon ausgegangen dass sich Wirkungen in der Regel addieren wenn die aufgenommenen Stoffe oberhalb der Wirkschwelle liegen den gleichen Wirkmechanismus haben und zu einem relevanten Zeitpunkt vom Organismus aufge-nommen wurden

Hier beginnen die Schwierigkeiten Es gibt zu viele intentional mix-tures die eine nahezu unuumlbersehbar groszlige Anzahl von Kombinati-onen ermoumlglichen Diese Gemische alle im Tierversuch zu testen wie sonst bei Einzelsubstanzen uumlblich waumlre sowohl ethisch nicht zu vertreten als auch praktisch nicht durchfuumlhrbar Daher arbeiten viele Forschungsprojekte u a der EU-Kommission daran tierversuchs-freie Methoden fuumlr die kumulative Bewertung zu entwickeln die die Effekte von Mischungen in vitro oder durch computergestuumltzte Be-rechnungen in silico berechnen (s Interview und Kasten)

Weltweit setzen Laumlnder das Thema auf ihre Agenda

Nicht nur fuumlr die Wissenschaft auch fuumlr den harmonisierten Voll-zug von Gesetzen ergeben sich dadurch neue Herausforderungen So schreibt z B die EU-Verordnung uumlber das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vor Kumulations- und Synergieeffekte zu be-ruumlcksichtigen ndash sofern es von der Behoumlrde anerkannte wissenschaft-liche Methoden zur Messung solcher Effekte gibt Doch die lagen bisher nicht vor Deshalb werden nun auf allen Ebenen technische Leitfaumlden fuumlr die neuen Methoden erstellt um eine harmonisierte

Auf die Mischung kommt es anKumulative Risikobewertung nimmt weltweit eine immer groumlszligere Bedeu-tung in der Toxikologie ein Das BfR arbeitet an einer Vielzahl von Projek-ten wie Mischungen in Zukunft bewertet werden koumlnnen

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

31012017

Vorgehensweise und transparente Nachvollziehbarkeit bei der Zu-lassung von Produkten zu gewaumlhrleisten Unter anderem die EFSA die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmittelsicherheit die Europauml-ische Chemikalienagentur ECHA und das JRC die Gemeinsame Forschungsstelle der Europaumlischen Kommission erarbeiten solche technischen Leitfaumlden

Neben der wissenschaftlichen Komplexitaumlt muumlssen diese techni-schen Leitfaumlden weitere Herausforderungen meistern Sie sollen fuumlr alle Bereiche gelten in denen Mischungen in Verkehr gebracht werden oder entstehen koumlnnen Bisher wurden Mischungen haumlufig nur in einem regulatorischen Bereich untersucht z B als Pflan-zenschutzmittel Biozid oder Arzneimittel Fuumlr andere Stoffe wie Lebensmittelzusatzstoffe oder Kontaminanten war die Bewertung von Mischungen bisher nicht klar gesetzlich reguliert In Zukunft sollen auch diese Stoffe bei einer Bewertung von Mischungen besser beruumlcksichtigt werden Auch soll nicht nur die chemische Zusam-mensetzung eines einzelnen Produktes systematisch bei der Zu-lassung beruumlcksichtigt werden sondern auch Mehrfachruumlckstaumlnde im gesamten Warenkorb den Verbraucherinnen und Verbraucher durchschnittlich zu einer gegebenen Zeit konsumieren Und zu gu-ter Letzt muumlssen die neuen Verfahren weltweit harmonisiert werden um das kumulative Risiko fuumlr Mensch und Umwelt auch angesichts globaler Warenketten gering zu halten Deshalb diskutieren Politik und Wissenschaft zurzeit nicht nur auf europaumlischer Ebene entspre-chende Leitfaumlden auch andere Laumlnder weltweit sowie die Weltge-sundheitsorganisation WHO und die Organisation fuumlr wirtschaftli-che Zusammenarbeit und Entwicklung OECD haben die kumulative Bewertung auf ihre Agenda genommen und stimmen ihre Guidance Documents mit den uumlbrigen Behoumlrden ab

Deutschland wendet die kumulative Bewertung schon an

Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR sind an zahlreichen dieser internationalen Projekte beteiligt sowohl an der wissenschaftlichen Erforschung kumulativer Effekte als auch an der Entwicklung technischer Leitfaumlden Einen wichtigen Schritt bei der kumulativen Bewertung hat Deutschland in der Europaumlischen Uni-

Stufe um Stufe zu einer gesicherten Bewertung

Seit Maumlrz 2017 wird in Deutschland eine Methodik fuumlr die Bewertung von Kumulations- und Synergie-effekten bei der gesundheitlichen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln in den Zulassungsverfahren angewandt Grundlage fuumlr das gestufte kumulative Bewertungsverfahren ist der sogenannte bdquoHazard Quotientldquo (HQ) der fuumlr jeden einzelnen Stoff ermit-telt wird Der HQ errechnet sich aus dem Verhaumlltnis zwischen dem relevanten gesundheitlichen Grenz-wert und der geschaumltzten Exposition

In einer ersten Stufe wird der HQ fuumlr alle Stoffe eines Gemisches einzeln ermittelt Liegt der HQ jedes Stoffes unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko fuumlr die einzelnen Bestandteile der Mischung zu erwarten Liegt dieser bei einzelnen Stoffen uumlber 1 wird gepruumlft ob die Exposition durch geeignete Maszlignahmen weiter vermindert werden kann zum Beispiel durch das Tragen entsprechender Schutz-kleidung

Liegt der HQ fuumlr alle Komponenten unter 1 wird in einer zweiten Stufe der sogenannte bdquoHazard Indexldquo (HI) des Gemisches ermittelt indem alle Gefahren-quotienten der verwendeten Stoffe addiert werden Liegt der ermittelte Wert weiterhin unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko durch das Gemisch zu erwarten

Liegt der HI uumlber 1 geht die Bewertung mit weiter verfeinerten Methoden in die dritte Stufe uumlber In dieser wird gepruumlft ob ein gesundheitliches Risiko vorliegt wenn eine Gruppierung der Einzelstoffe vorgenommen wird Dazu koumlnnen die einzelnen Stoffe in kumulative Bewertungsgruppen (cumula-tive assessment groups CAGs) eingeteilt werden die z B nach Effekten im gleichen Zielorgan oder nach dem gleichen Wirkmechanismus oder nach chemischer Verwandtschaft definiert sein koumlnnen Hintergrund dieser Einteilung ist die Annahme dass sich nach gegenwaumlrtigem Kenntnisstand nur Effek-te addieren die hinsichtlich der Zielorgane oder der Wirkmechanismen (MOA) vergleichbar sind Auch die relative Potenz der einzelnen Stoffe soll bei der verfeinerten Bewertung beruumlcksichtigt werden Liegt der HI innerhalb einer CAG unter 1 ist deshalb kein gesundheitliches Risiko zu erwarten Liegt er oberhalb des Wertes und koumlnnen weder Expositionsschaumltzung noch Gefahrenbewertung weiter verfeinert werden gilt das Gemisch als nicht sicher

Das mehrstufige Verfahren hat den Vorteil dass die ressourcenaufwendigeren Methoden zur verfei-nerten Bewertung z B in vergleichbaren CAGs oder MOAs nur zum Einsatz kommen wenn mit den ersten einfacheren Bewertungsmethoden nicht nachweisbar ist dass kein gesundheitliches Risiko zu erwarten ist

copy T

atom

mis

tock

com

32 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

EuroMix A tiered strategy for risk assessment of mixtures of multiple chemicals

EuroMix ist ein laumlnderuumlbergreifendes Projekt der EU-Kommission das die nie-derlaumlndische Behoumlrde fuumlr Gesundheit und Umweltschutz RIVM koordiniert Es zielt darauf ab eine tierversuchsfreie experi-mentelle Test-Strategie zu entwickeln um die Toxizitaumlt von Gemischen verschiedener toxikologisch relevanter Lebensmittelin-haltsstoffe Lebensmittelkontaminanten und Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde besser zu bestimmen Aus den Forschungsergeb-nissen wird ein Leitfaden fuumlr die kuumlnftige Umsetzung einer experimentellen Test-Stra-tegie entwickelt Das Acht-Millionen-Eu-ro-Projekt laumluft bis Mai 2019

Mehr erfahren wwweuromixprojecteu

Kombinationseffekte Forschungsprojekte des BfR

Am BfR werden in verschiedenen Abteilungen mehrere interne Forschungsprojekte zu Kombinationseffekten durch-gefuumlhrt Dazu gehoumlren u a Forschungsprojekte zu kumulativen Wirkungen in Pflanzenschutzmitteln und Bioziden zu Mehrfachruumlckstaumlnden in Lebensmitteln zur Expositionsschaumltzung sowie zu wirbeltierfreien Alternativmethoden Daruumlber hinaus ist und war das BfR auch an folgenden Drittmittel-Projekten beteiligt die zu Kombinationseffekten forschen

Combiomics Analyse von Kombinationseffekten von Pestiziden in vitro

Combiomics war ein zweieinhalbjaumlhri-ges Projekt des Bundesministeriums fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) das im Fruumlhling 2016 abgeschlossen wurde In dem vom BfR koordinierten Projekt wurden moumlgliche Kombinationswirkungen durch Mehrfachruumlckstaumlnde beispielhaft anhand einer Gruppe von Fungiziden in vitro unter-sucht Dazu wurden die molekularen Effek-te der Triazole mittels multi level omics und praumldiktiver mathematischer Modellierung untersucht Ausgehend von den Ergebnissen wurde ein Praumldiktionsmodell fuumlr Substanz-kombinationen erstellt validiert und auf Pestizide anderer Stoffgruppen bzw weitere Substanzklassen ausgedehnt um Kombi-nationseffekte kuumlnftig weitgehend ohne Tierversuche durchfuumlhrbar zu machen

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschung gt Drittmittelprojekte gt Combiomics

Combiomics 2Auch die zweite Projektphase von Com-biomics wird vom BfR koordiniert Hier sollen erfolgreich getestete Methoden und Zelllinien in Form einer standardisierten In-vitro-Testbatterie validiert und in ein Standardverfahren integriert werden das auch kuumlnftigen regulatorischen Anforde-rungen entspricht Das dreijaumlhrige Projekt wird vom BMBF bis Ende 2019 gefoumlrdert

Mehr erfahren wwwfisaonlinede gt Kombinationseffekte Pestizide

on schon jetzt unternommen Am 1 Maumlrz 2017 erschien im Bundesanzeiger eine Be-kanntmachung dass Kumulations- und Synergieeffekte in der gesundheitlichen Be-wertung von Pflanzenschutzmitteln kuumlnf-tig durch das BfR beruumlcksichtigt werden Damit bezieht Deutschland bei der zonalen Zulassung von Pflanzenschutzmitteln eine systematische kumulative Bewertung ein

Ein Leitfaden zur kumulativen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln wurde am BfR erarbeitet basierend auf den internatio-nalen Diskussionen bei EFSA und ECHA und 2014 veroumlffentlicht Seitdem wird das Verfahren am BfR angewandt uumlberpruumlft und verfeinert Im Kern geht es darum in einem mehrstufigen Verfahren verschie-dene Wirkstoffe in einem Pflanzenschutz-mittel oder in einer beantragten Tankmi-

schung kumulativ zu bewerten (s Kasten) Dazu werden sowohl die Exposition der Anwenderinnen und Anwender als auch die akute Exposition der Verbraucherinnen und Verbraucher betrachtet sodass die am meisten exponierten Gruppen beruumlcksich-tigt sind

Das Ziel Mischungen weltweit harmonisiert zu bewerten

Die Einfuumlhrung der Konzepte zur kumu-lativen Bewertung von Pflanzenschutzmit-teln hat auch in anderen EU-Laumlndern Aus-wirkungen auf die Risikobewertung Wenn Deutschland im zonalen Zulassungsverfah-ren bewertender Mitgliedstaat ist wird das Verfahren grundsaumltzlich angewandt Aber auch in die Bewertungsberichte anderer Laumlnder flieszligt die kumulative Bewertung als

deutscher Kommentar mit ein Durch den fachlichen Austausch zwischen den Mit-gliedstaaten wurde das Konzept in den letz-ten Jahren einem Peer-Review unterzogen Um die Praxis europaweit noch besser zu harmonisieren werden derzeit auszligerdem internationale Workshops organisiert auf denen diskutiert wird wie Mischungen bei der Risikobewertung kuumlnftig beruumlcksichtigt werden sollen Das BfR veranstaltet einen solchen Workshop im November 2017 im Auftrag der Europaumlischen Kommission die Franzoumlsische Behoumlrde fuumlr gesundheitlichen Verbraucher- Umwelt- und Arbeitsschutz (ANSES) einen weiteren im Februar 2018 unter aktiver Beteiligung des BfR

Das Ziel Mischungen weltweit harmoni-siert zu bewerten um Mensch und Umwelt besser zu schuumltzen ruumlckt damit naumlher

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

33012017

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

bdquoZiel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertungldquo Interview mit Herrn Dr Roland Solecki uumlber die Forschungsaktivitaumlten des BfR zu Mehrfachruumlckstaumlnden

Herr Solecki bei Mehrfachruumlckstaumlnden von Pflanzenschutzmitteln sprechen die Medien oft von einem bdquoGiftcocktailldquo Haben Sie Erkenntnisse daruumlber wie groszlig das gesundheitliche Risiko tat-saumlchlich istDas BfR hat dazu gemeinsam mit dem Bun-desministerium fuumlr Ernaumlhrung und Land-wirtschaft und dem Bundesamt fuumlr Ver-braucherschutz und Lebensmittelsicherheit einen Bericht uumlber die kumulativen Wir-kungen von Pflanzenschutzmitteln veroumlf-fentlicht Dieser basiert auf einer Methodik der niederlaumlndischen Behoumlrde fuumlr Gesund-heit und Umweltschutz RIVM Hintergrund ist ein Monitoring das uumlber einen Zeitraum von sechs Jahren in Deutschland durchge-fuumlhrt wurde Darin wurde untersucht wel-che Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde durch-schnittlich uumlber Lebensmittel aufgenommen werden Das Ergebnis war dass auch unter Worst-Case-Annahmen fuumlr die Mischungen von Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnden ein gesundheitliches Risiko unwahrscheinlich ist Die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit EFSA kam in ihrem Monito-ring-Bericht von 2015 fuumlr Gesamteuropa zu einem aumlhnlichen Ergebnis

Sie arbeiten unter anderem bei dem Pro-jekt EuroMix mit Worum geht es dabeiEs handelt sich um ein groszliges Forschungs-projekt der EU-Kommission zur kumulati-ven Bewertung von Mischungen im Rahmen von Horizont 2020 dem Rahmenprogramm der Europaumlischen Union fuumlr Forschung und Innovation Das Projekt hat zum Ziel neue Bewertungsmethoden fuumlr Mischungseffekte zu erarbeiten besonders auch im Hinblick auf Alternativen zu Tierversuchen innovati-ve Wege der Expositionsschaumltzung und Mo-dellierung von kumulativen Risiken Dabei geht es nicht nur um Pflanzenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatzstoffe und andere Chemikalien

Wie ist das BfR da in EuroMix einge-bundenVom BfR arbeiten sowohl die Abteilung Sicherheit von Pestiziden als auch die Ab-teilung fuumlr Lebensmittelsicherheit am Eu-roMix-Projekt mit Waumlhrend die von mir geleitete Abteilung fuumlr die regulative Bewer-tung eingebunden ist werden in der Abtei-lung Lebensmittelsicherheit experimentelle Arbeiten unter anderem zur Lebertoxizitaumlt durchgefuumlhrt in denen auch Kombinatio-nen von Pestiziden mit anderen Lebensmit-telinhaltsstoffen gepruumlft werden

Woran forschen Sie im EuroMix-ProjektWir haben zunaumlchst recherchiert welche gesetzlichen Anforderungen bestehen und wie unterschiedliche Behoumlrden weltweit

Mischungseffekte bewerten Und wir haben Forschungen zu Mischungen durchgefuumlhrt die bestimmte adverse Effekte auf die Leber verursachen Dabei wurden bestimmte Schluumlsselelemente untersucht um daraus ein Konzept fuumlr die Bewertung zu erarbei-ten Jetzt werden die Omics-Untersuchun-gen und andere alternative Pruumlfverfahren noch durch Tierversuche ergaumlnzt sodass wir auch am Gesamtorganismus die Effek-te uumlberpruumlfen koumlnnen Gleichzeitig werden die statistischen Hilfsmittel und die ande-ren elektronisch basierten Tools weiterent-wickelt Auszligerdem folgen noch weitere Stu-dien zur Exposition Die finalen Ergebnisse liegen am Ende des Projekts im Jahr 2019 vor

In welche weiteren europaumlischen Aktivi-taumlten ist das BfR eingebundenDie EFSA hat bereits einige Ansaumltze zur Bewertung der kombinierten Exposition gegenuumlber mehreren Pestiziden und Kon-taminanten bei Menschen sowie mehreren Pestiziden bei Bienen entwickelt Derzeit ist die EFSA damit befasst neue Ansaumltze und Instrumente zur Harmonisierung der Be-wertung von Risiken fuumlr Mensch und Um-welt zu erarbeiten die von der Exposition gegenuumlber mehreren chemischen Stoffen in der Lebensmittelkette ausgehen Ich bin derzeit Mitglied einer Arbeitsgruppe von Sachverstaumlndigen die der Wissenschaftliche Ausschuss der EFSA eingerichtet hat um Leitlinien im Hinblick auf die kombinierte Exposition gegenuumlber mehreren chemi-schen Stoffen zu entwickeln Diese Initiative unter dem Namen bdquoMixToxldquo wird 2018 den Leitfaden in einer oumlffentlichen Konsultation diskutieren

Bei dieser Vielzahl an Aktivitaumlten Wel-ches Ziel haben Sie persoumlnlich vor Au-genDas Ziel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertung von Stoffen in der gesundheitlichen Risikocharakterisie-rung und deren harmonisierte Implemen-tierung in den gesetzlichen Verfahren Dies wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen

bdquoBei den kumulati-ven Risiken geht es nicht nur um Pflan-zenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatz-stoffe und andere Chemikalien

Dr Roland Solecki leitet die Abteilung bdquoSicherheit von Pestizidenldquo am BfR

copy B

fR

34 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

SPEKTRUM

Identifizierung endokriner Disruptoren Vom Grundsatz in die Praxis

Fuumlr Pestizid-Wirkstoffe und andere Chemikalien sind harmonisierte wissenschaftliche Kriterien erforderlich mit denen hormonschaumldigende Substanzen identifiziert werden koumlnnen Das BfR veroumlffentlichte hierzu bereits 2016 ein Konsenspapier als wissenschaftliche Grundlage fuumlr die darauffolgende Arbeit der EU-Behoumlrden Auf legislativer Ebene werden aktuell EU-weit geltende Ver-ordnungen festgelegt um auf wissenschaftlicher Ebene Leitlinien zur regulatorisch harmonisierten Umsetzung dieser Verordnungen zu erarbeiten Mit dieser Aufga-be hat die EU-Kommission die EFSA und die ECHA gemeinsam beauftragt Das BfR unterstuumltzt die Behoumlr-den mit wissenschaftlicher und technischer Expertise indem es die entsprechende Arbeitsgruppe bei der EFSA personell verstaumlrkt sowie Recherchen und Umfragen zur Praktikabilitaumlt von Untersuchungsmethoden durchfuumlhrt Die Publikation der Leitlinien wird fuumlr Fruumlhjahr 2018 erwartet Sie koumlnnen auf Basis der verabschiedeten Ver-ordnungen nach ihrer Implementierung in der Genehmi-gungspraxis angewendet werden

Mehr erfahren Solecki et al 2017 Scientific principles for the identification of endocrine-disrupting chemicals a consensus statement Arch Toxicol 91 1001ndash1006

Insekten-Stopp in Textilien Allergene Wirkung unwahrscheinlich

Das Risiko fuumlr eine Allergie nach dem Kontakt mit Kleidung und Produkten die mit dem Biozid Permethrin behandelt sind ist nach derzeitigem Kenntnisstand unwahrscheinlich Das ist das Ergebnis einer aktuellen Risikobewertung des BfR Gestuumltzt wird das Ergebnis dadurch dass trotz weitverbreiteter Anwendung des Wirkstoffs in Medikamenten und Verbraucherprodukten kein Anstieg der Kontaktallergien gegenuumlber Permethrin zu verzeichnen ist Das Risiko fuumlr kanzero-gene systemische Effekte infolge einer dermalen und oralen Exposition gegenuumlber Permethrin aus Textilien ist nach Ansicht des BfR vernachlaumlssigbar gering Permethrin ist ein biozider Wirkstoff der zum Schutz gegen Insekten in Produkten wie Schlafsaumlcken Picknick- und Yogadecken sowie Teppichen und Kleidung eingesetzt wird Er ist im Chemikalienrecht als sensibilisierend eingestuft ein moumlgliches geringes kanzerogenes Potenzial wird von verschiedenen wissenschaftlichen Gremien diskutiert Der Wirkstoff kann aus Textilien freigesetzt und uumlber die Haut aufgenommen werden Bei kleinen Kindern die viele Produkte in den Mund nehmen kommt eine moumlgliche orale Aufnah-me des Stoffes hinzu

Mehr erfahren Stellungnahme Nr 0062017 des BfR vom 25 April 2017

Wie wirkt Aluminium in Leber und Darm

Aluminium ist in Lebensmitteln Kosmetika und Bedarfsge-genstaumlnden enthalten und kann uumlber die Nahrung aufgenom-men werden Erste Ergebnisse aus dem deutsch-franzoumlsischen Forschungsprojekt bdquoSolNanoToxldquo mit Beteiligung des BfR zeigen dass sich aus der Nahrung aufgenommene Aluminiumverbin- dungen temporaumlr im Darm anreichern Ob und in welchen Men-gen die Partikel weiter in den Koumlrper insbesondere in die Leber gelangen und welche Faktoren ihre Wirkung beeinflussen wird aktuell erforscht Die Forschungsgruppe sieht Anhaltspunkte dafuumlr dass ein Teil der angereicherten Partikel mit dem Stuhl wieder ausgeschieden wird Fuumlr seine Untersuchung simulierte das BfR anhand biologischer Proben die Verdauung verschiede-ner Aluminiumarten vom Mund uumlber den Magen bis zum Darm Mithilfe von Enzymen und Salzen wurden dabei physiologische Parameter wie der pH-Wert gesteuert Waumlhrend des simulierten Verdauungsprozesses veraumlnderten die Aluminiumverbindungen ihre chemische Reaktionsfaumlhigkeit und Loumlslichkeit Die Erkennt-nisse sind ein erster Schritt um den Prozess der Aufnahme Resorption und Verteilung von Aluminium im Koumlrper besser zu verstehen und daraus Daten fuumlr die Risikobewertung abzuleiten Aluminiumverbindungen koumlnnen in zu hohen Dosen toxisch auf das Nervensystem und ungeborenes Leben wirken sowie die Fruchtbarkeit und Knochenentwicklung beeinflussen

copy B

fR

copy c

gsto

cks

hutte

rsto

ckc

om

copy R

osel

ynne

shu

tters

tock

com

35012017

Bei Kleidung ist besonders der Einsatz von Silber-Nanopartikeln weit verbreitet Silber wirkt antibakteriell und soll die Geruchs-bildung durch Schwitzen reduzieren Beim Einsatz von Nanosilber in Kleidungsstuuml-cken ist in erster Linie eine Freisetzung in Schweiszlig und somit ein moumlglicher Hautkon-takt relevant Neben der Frage ob und in welcher Menge Silber prinzipiell aus Texti-lien herausgeloumlst wird beschaumlftigt sich die Forschung mit der Frage welchen Einfluss die Technologie hat mit der Nanosilber auf Textilien aufgetragen bzw eingebracht wird Bisher war zudem unklar inwiefern die Oberflaumlchenbeschichtung der Nano-partikel die Abgabe beeinflusst

Kuumlnstlicher Schweiszlig simuliert Freisetzung

In einem Forschungsprojekt pruumlfte das BfR neun Proben von Textilien die mit Nanosil-ber veredelt waren Als Vergleich diente ein mit konventionellem Silber (hier Silbersalz mit einem Partikeldurchmesser groumlszliger als 100 Nanometer) ausgeruumlstetes Textil Zwei der Textilien waren sogenannte Komposite bei denen Nanosilber in die Faser integriert ist Bei den anderen getesteten Textilien war die Faseroberflaumlche mit Silber-Nano-partikeln bzw in einem Fall mit konventio-nellem Silber beschichtet (Textil-Coating) Um die Abgabe von Silber durch Schwitzen

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

Kleidung wird durch sie wasser- und schmutzabweisend sie blocken UV-Strahlen und mindern Geruumlche Nanoma-terialien haben beliebte funktionelle Eigenschaften Ob sie aufgrund ihrer Winzigkeit gesundheitliche Risiken bergen ist indes noch weitgehend unbekannt In einem Forschungsprojekt uumlber Nanosilber hat das BfR ermittelt ob sich die Kleinstteilchen aus Textilien herausloumlsen und damit zum gesundheitlichen Risiko werden koumlnnen

Nanomaterial

ist ein natuumlrliches bei Prozessen anfallendes oder kuumlnstlich hergestelltes Material das Partikel in ungebundenem Zustand als Aggregat oder als Agglo-merat enthaumllt und bei dem die Mehrheit der Partikel ein oder mehrere Auszligen-maszlige im Bereich unter 100 Nanometer hat In Nanogroumlszlige kann ein Stoff andere Eigenschaften besitzen als wenn er in Form groumlszligerer Partikel vorliegt

copy o

still

shu

tters

tock

com

36 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von Textilfasern Links Nanokomposit bei dem kaum Silberpartikel an der Faseroberflaumlche zu finden sind Mitte und rechts Textilien mit Silbercoating hier befindet sich insgesamt mehr Silber auf der Oberflaumlche

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

zu simulieren wurden die Textilien fuumlr 24 Stunden in einer Schweiszligsimulanz-Louml-sung inkubiert Fuumlr die Auswertung wurde zunaumlchst der gesamte Silbergehalt in den Schweiszligloumlsungen mit massenspektromet-rischen Messmethoden bestimmt In den Proben in denen Silber vorhanden war wurden anschlieszligend mit Zentrifugation und einer speziellen Methode zum Messen von Einzelpartikeln geloumlstes und partikulauml-res Silber unterschieden Im letzten Schritt wurden die Partikelgroumlszligen des vorgefun-denen partikulaumlren Silbers gemessen um nanoskaliges Silber zu identifizieren

Silber aus Kleidung freigesetzt

Die Untersuchung des BfR zeigte dass von jeder Textilprobe Silber in die Schweiszligsi-mulanz-Loumlsung uumlberging je nach geteste-tem Textil zwischen 7 und 75 Prozent des originaumlr in den Textilien enthaltenen Sil-bers Dabei setzten die beschichteten Tex-tilien mehr Silber frei als die Komposite Den houmlchsten abgegebenen Anteil fand das BfR bei dem mit konventionellem Silber beschichteten Textil Die Freisetzung wird demnach staumlrker durch die Technologie der Veredelung bestimmt als durch die im Tex-til enthaltene Menge Auszligerdem scheint die Abgaberate von Silber aus Nanosilber im Vergleich zu konventionellem Silber nicht erhoumlht zu sein

In der Schweiszligloumlsung lag das freigesetzte Silber uumlberwiegend geloumlst vor Partikulaumlres Silber fand sich nur zum geringeren Teil dann jedoch auch im Nanometerbereich Ob es sich dabei um einzelne Nanoparti-kel handelt oder ob das Silber an groumlszligere Partikel gebunden ist muss in weiteren Untersuchungen uumlberpruumlft werden Nach

derzeitigem wissenschaftlichem Kennt-nisstand geht man davon aus dass sich Nanopartikel im Koumlrper anders verhalten als groumlszligere Partikel Uumlberraschenderweise detektierte die Forschungsgruppe auch in den Schweiszligsimulanzien der mit konven-tionellem Silber beschichteten Textilien partikulaumlres Silber in Nanogroumlszlige Das Vor-kommen von Silberpartikeln scheint also nicht davon abhaumlngig zu sein ob das Silber in Nano- oder konventioneller Form auf das Textil aufgebracht wurde

In einer parallelen Untersuchung fanden die Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler heraus dass zudem die Beschaffenheit der Nanopartikel beispielsweise in Form einer speziellen Beschichtung ihre Loumlslichkeit in der Schweiszligloumlsung beeinflusst

Art der Beschichtung relevant

Silber wird demnach aus Textilien freige-setzt in geringen Teilen sogar in partiku- laumlrer Form Die gewaumlhlte Form der Tex-tilfunktionalisierung aber auch die Be-schaffenheit der Nanopartikel stellen dabei wichtige Kriterien fuumlr das Freisetzungsver-halten dar Solche Erkenntnisse sind vor al-lem fuumlr den sicheren Einsatz von Nanoma-terialien in Alltagsprodukten wichtig weil die Exposition des Menschen gegenuumlber derartigen Stoffen moumlglichst klein gehalten werden sollte Auszligerdem geben sie Hin-weise in welcher Anwendungsform Nano-materialien im verbrauchernahen Bereich sicher eingesetzt werden koumlnnen

Mehr erfahren Wagener et al 2016 Textile Functionalization and Its Effects on the Release of Silver Nanoparticles into Artificial Sweat Environ Sci Technol 50 11 5927ndash5934

Per Flugzeitmassenspek-trometer laumlsst sich Silber auf beschichteten Textil-fasern detektieren

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

NANOPARTIKEL

37012017

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

38 BfR 2 GO

Neuer Ansatz fuumlr Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

Spiegelbild gesucht

Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR zeigt einen neuen Ansatz um mithilfe von Genexpressionsdaten das geeignete Tiermodell fuumlr die Grundlagenforschung oder fuumlr spezifische klinische Fra-gestellungen zu identifizieren Damit koumlnnen zukuumlnftig unnoumltige Tierversu-che vermieden werden Hamburger Wissenschaftsbehoumlrden wuumlrdigten die Erkenntnisse mit einem Forschungspreis

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

39012017

Fragestellung

Vergleich

Auswahl

z B bdquoMit welchem Mausmodell koumlnnen die Ursachen von Alzheimer erforscht werdenldquo

Vergleich von vorhandenen Omics-Expressionsdaten von Mensch und Tier

Auswahl des geeigneten Modells

1

2

3

Geeignete Tiermodelle identifizieren

An Tiermodellen werden zahlreiche biologische Prozesse und Krankheiten wie Wund-

heilung Diabetes Tumoren oder entzuumlndliche Erkrankungen erforscht Durch den

Vergleich der Omics-Expressionsdaten von Tiermodell und Mensch koumlnnen geeignete

Modelle fuumlr die jeweilige Fragestellung identifiziert werden

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

40 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Verlaumluft ein entzuumlndlicher Prozess bei Maumlusen aumlhnlich wie beim Menschen Sind Maumluse daher geeignete Ver-

suchstiere fuumlr Tests von antientzuumlndlichen Substanzen Um Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung in den klinischen Alltag zu uumlberfuumlhren ndash Aufgabengebiet der translationalen Forschung ndash werden wissen-schaftliche Fragestellungen oft in Tierversu-chen erprobt Ob und inwieweit die Ergeb-nisse auf den Menschen uumlbertragbar sind ist dabei immer wieder Gegenstand kontrover-ser Diskussionen Geeignete Methoden mit denen die Wissenschaft Tiermodelle mit op-timaler Uumlbertragbarkeit auf den Menschen auswaumlhlen kann wuumlrden dem wissenschaft-lichen Fortschritt helfen und die Zahl der Tierversuche reduzieren Es geht dabei um die Frage welches Tiermodell am besten das menschliche System widerspiegelt

Vergleichbarkeit von Genom- daten fehleranfaumlllig

Als Grundlage fuumlr diese Uumlberlegungen die-nen Daten aus modernen bioanalytischen Hochdurchsatzverfahren Immer haumlufiger setzt die Wissenschaft auf diese sogenannten Omics-Technologien die die Gesamtheit aller Gene und ihrer Produkte analysieren ndash sowohl beim Tier als auch beim Menschen Mit ihnen lassen sich molekulare Prozesse in lebenden Systemen umfassend darstel-len indem sie beispielsweise die Interaktion hunderter bis tausender Genprodukte zei-gen Die Analyse dieser zunehmend kom-plexen Omics-Datensaumltze stellt die Wissen-schaft jedoch vor Probleme da das Vorgehen dazu nicht standardisiert ist Die Interpreta-tion der Ergebnisse ist bisher meist von der Kompetenz der Durchfuumlhrenden und von der angewandten Methode abhaumlngig Im Ergebnis war die Entscheidung zur Frage der Uumlbertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen fehleranfaumlllig und die Suche nach

geeigneten Tiermodellen erschwert Die ge-ringe Standardisierung der Interpretation von Omics-Daten fuumlhrte in Forschungs-kreisen bereits zu widerspruumlchlichen Er-gebnissen so zum Beispiel bei zwei Studien aus den Jahren 2013 und 2015 die sich mit der Vergleichbarkeit von entzuumlndlichen Er-krankungen beim Menschen und gaumlngigen Mausmodellen beschaumlftigten Waumlhrend eine Forschungsgruppe im Jahr 2013 schlussfol-gerte dass entzuumlndliche Prozesse zwischen Mensch und Maus nicht vergleichbar seien kam eine andere Gruppe zwei Jahre spaumlter anhand der gleichen Omics-Daten zum ge-genteiligen Schluss Die Maus reagiere auf der molekularen Ebene sehr aumlhnlich wie der Mensch und sei daher als Tiermodell sehr nuumltzlich fuumlr die Erforschung menschlicher Erkrankungen Zwar ist es nicht ungewoumlhn-lich dass Ergebnisse von Studien unter-schiedlich eingeschaumltzt werden ndash allerdings selten auf Basis der gleichen Daten

Motivation des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR war es diese Widerspruumlche aufzuklaumlren und einen standardisierten und zielgerichteten Analyseansatz zu entwickeln der die Suche nach geeigneten Tiermodellen vereinfacht und somit unnoumltige Tierversuche vermei-den hilft Es gehoumlrt zu den Kernaufgaben des Bf3R bundesweit alle Aktivitaumlten zu koordi-nieren mit den Zielen Tierversuche auf das unerlaumlssliche Maszlig zu beschraumlnken und fuumlr Versuchstiere den bestmoumlglichen Schutz zu gewaumlhrleisten Die Aufgaben des Bf3R wer-den vom BfR wahrgenommen

Genomdaten von Tier und Mensch gezielt vergleichen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler des Bf3R haben die Omics-Daten aus den beiden erwaumlhnten widerspruumlchlichen Studien mithilfe hochperformanter Com-

puter nochmals systematisch ausgewertet Dabei wurden zunaumlchst die zu verglei-chenden Gene gruppenweise biologischen Prozessen zugeordnet die wesentlich fuumlr ein Entzuumlndungsgeschehen sind Diese Gene Set Enrichment Analysis (GSEA) ge-nannte Methode greift auf umfangreiche in oumlffentlichen Datenbanken hinterlegte Genomdaten gaumlngiger Tiermodelle und von Erkrankten zuruumlck Mit ihrer Heran-gehensweise konnten die Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler des BfR an-schlieszligend Veraumlnderungen auf der Ebene pathologischer Signalwege erkennen und Unterschiede zwischen Tiermodell und Mensch identifizieren Da der Groszligteil der untersuchten Genprodukte haumlufig nur geringfuumlgig veraumlndert war konnten bei der Analyse auf Ebene vollstaumlndiger bio-logischer Signalwege alle Gene einbezogen und Aumlnderungen in der Gesamtheit eines biologischen Signalwegs bewertet werden Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu bisherigen Analyseansaumltzen da fuumlr die Klauml-rung translationaler Fragestellungen bisher haumlufig willkuumlrlich und subjektiv Gene von Mensch und Tiermodell fuumlr einen direkten Eins-zu-eins-Vergleich ausgewaumlhlt wurden

Die systematische Auswertung des Bf3R zeigte dass die Ergebnisse beim vorlie-genden Genomdatenvergleich bei einigen Mausmodellen gut mit den beim Menschen ermittelten Daten uumlbereinstimmten Bei an-deren Mausmodellen hingegen war es nicht so So aumlhnelt das Entzuumlndungsgeschehen bei Maumlusen die mit Staphylococcus aureus (Staphylococcus-aureus-Injektionsmodell) infiziert sind oder eine Darmperforation (Cecal-ligation-and-puncture-Modell) erfah-ren den meisten klinischen Proben Hin-gegen verlaufen Erkrankungen die durch Lipopolysaccharide (LPS) und Streptococcus pneumoniae verursacht werden bei Mensch und Maus verschieden

Omics

Der Terminus beschreibt Methoden zur

Analyse komplexer biologischer Proben

auf der Ebene des gesamten Genoms

von Transkripten Proteinen oder Meta-

boliten

41012017

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

Forschungsansatz hilft Tierversuche zu reduzieren

Die Methode der Datenanalyse mittels GSEA-Ansatz erleichtert es Forschungs-gruppen zukuumlnftig zielgerichtet und stan-dardisiert das optimale Tiermodell aus-zuwaumlhlen das am besten die menschliche Situation abbildet Voraussetzung dafuumlr ist die Existenz von Omics-Daten zur klini-schen Fragestellung sowie zu den infrage kommenden Tierversuchen Dies ist bereits fuumlr eine Vielzahl von Tiermodellen sowie von humanen Erkrankungen der Fall neben Entzuumlndungserkrankungen beispielsweise fuumlr Herz-Kreislauf-Erkrankungen Krebser-krankungen Atemwegserkrankungen Stoff-wechselerkrankungen und neurologische Erkrankungen Aufgrund der vermehrten Verwendung von Omics-Methoden kann davon ausgegangen werden dass stetig wei-tere systembiologische Daten ermittelt und veroumlffentlicht werden Die vom Bf3R ange-wandte Methode wird daher weiterhin bei der gezielten Auswahl von Tiermodellen nuumltzlich sein

Das Verfahren kann in der Grundlagen-forschung sowie in der translationalen und angewandten Forschung eingesetzt werden Diese Bereiche machten 2015 nach Anga-ben des Bundesministeriums fuumlr Ernaumlh-rung und Landwirtschaft mit insgesamt 73 Prozent den groumlszligten Teil der Tierversuche aus Ein Groszligteil davon entfaumlllt auf Maumluse Ratten und zunehmend auch auf Fische Grundsaumltzlich kann die neue Methode zur Auswahl des geeigneten Versuchstiermo-dells bzw zum Ausschluss nicht geeigneter Versuchstiermodelle bei jeglichen Tierver-suchen in diesen Bereichen genutzt werden Analog zu den Versuchstierzahlen liegen derzeit die meisten Omics-Daten fuumlr Maus und Ratte vor So sind beispielsweise allein in der oumlffentlichen NCBI GEO-Datenbank (National Center for Biotechnology Informa-tion Gene Expression Omnibus) derzeit Da-ten zu ca 340000 Maus-Proben und 75000 Ratte-Proben gelistet

Methode identifiziert geeignete Zellkulturmodelle

Dabei ist die Methode des Bf3R nicht auf humane und murine Datensaumltze beschraumlnkt sondern kann auf alle weiteren Spezies an-gewandt werden fuumlr die umfangreiche Da-tenbanken zu biologischen Signalwegen oder Gengruppen vorliegen Auch fuumlr die Beurteilung von zellbasierten Alternativ-methoden kann der neue Forschungsansatz

herangezogen werden Durch einen system-biologischen Abgleich der klinischen Daten mit Omics-Daten aus beispielsweise neuar-tigen 3D-Zellkulturen oder organaumlhnlichen Mikrostrukturen wird die Charakterisierung und Verifizierung von zellbasierten Alterna-tivmethoden ermoumlglicht

Praumlmierte Forschungsleistung

Fuumlr ihre Forschung erhielten die Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR 2016 den Hamburger Forschungspreis zur Foumlrderung der Entwicklung von Ersatz- und

Ergaumlnzungsmethoden Die Auszeichnung wurde zum erstem Mal von den Hamburger Behoumlrden fuumlr Gesundheit und Verbraucher-schutz sowie fuumlr Wissenschaft Forschung und Gleichstellung mit einem Foumlrderpreis in Houmlhe von 20000 Euro ausgeschrieben Der Preis wird fuumlr Arbeiten vergeben die einen Beitrag leisten Tierversuche zu ersetzen oder zu minimieren

Mehr erfahrenWeidner et al 2016 Defining the optimal animal model for translational research using gene set enrichment analysis EMBO Molecular Medicine 8 8 831ndash838

Wofuumlr Versuchstiere in Deutschland eingesetzt werden

630255Herstellung und Qualitaumlts-kontrolle medizinischer Produkte toxikologische Sicherheitspruumlfungen

22

59

14 5

1643259Grundlagenforschung

144997sonstige Zweckez B Zucht Aus- und Weiterbildung

381450translationale und angewandte Forschung

Que

lle B

unde

smin

iste

rium

fuumlr E

rnaumlh

rung

und

Lan

dwirt

scha

ft V

ersu

chst

ierz

ahle

n 20

15

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

42 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Alternativen zu Tierversuchen Forschung regional buumlndeln

Eine individualisierte Schmerztherapie fuumlr Versuchsmaumluse und eine Verringerung von Tierexperimenten zum Test der Inhala- tionstoxizitaumlt von Nanomaterialien (siehe rechte Spalte) ndash hierzu sollen die ersten Arbeitsergebnisse des BfR im Berlin-Bran-denburgischen Verbundprojekt BB3R zukuumlnftig beitragen Das Netzwerk aus Universitaumlten und Bundesinstitutionen forscht um Tierversuche zu vermeiden (Replacement) bzw zu verringern (Reduction) sowie das Leiden von Versuchstieren zu vermindern (Refinement) Das BfR ist als einer von sechs Verbundpartnern in den Bereichen der Refinement- und Replacement-Forschung beteiligt Das Bundesforschungsministerium foumlrdert das mit BB3R abgekuumlrzte Projekt fuumlr vier Jahre bis Fruumlhjahr 2018 es ist als Plattform fuumlr den wissenschaftlichen Austausch konzipiert und integriert ein Graduiertenkolleg

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschungwwwbb3rde

Belastung von Laborfischen erkennen

Koumlrperbau

Koumlrpermerkmale

Verhaltenkreisendes Schwimmen

Belastung von Laborfischen erkennen

Ob Laborfische Schmerzen empfinden oder leiden laumlsst sich mithilfe konkreter Kriterien beurteilen Die Vorarbeiten hierzu koordinierte der bdquoNationale Ausschuss zumSchutz von fuumlr wissenschaftliche Zweckeverwendeten Tierenldquo am BfR gemeinsam mit externen Sachverstaumlndigen und Beauf-tragten von Genehmigungsbehoumlrden Die erstmals definierten Kriterien bewerten unter anderem Auffaumllligkeiten im Koumlrper-bau sowie im Verhalten der Tiere Schmer-zen und Leiden koumlnnen so gezielt behandelt und gelindert werden Da die Frage der Belastung der Tiere anhand der Kriterien eindeutig geklaumlrt werden kann dienen sie zudem als Entscheidungshilfe fuumlr Behoumlr-den welche die Zucht belasteter genetisch veraumlnderter Tiere genehmigen muumlssen Fische insbesondere Zebrafische sind nach Maumlusen und Ratten die am dritthaumlufigsten verwendete Versuchstierart Die Zahl der Versuchsfische hat in den letzten Jahren stetig zugenommen

Mehr erfahren Bert et al 2016 Considerations for aEuropean animal welfare standard toevaluate adverse phenotypes in teleost fish EMBO J 35 11 1151ndash1154Empfehlung des Nationalen Ausschusses TierSchG Nr 0012015

Test der Inhalationstoxizitaumlt von Nanomaterialien

Die Einatmung gilt als wichtigster Aufnahmeweg fuumlr Nanomaterialien Im Rahmen der BB3R-Forschung bildet das BfR diese Art der Exposition mit In-vitro- Atemwegsepithelmodellen an ihrer Grenzflaumlche zur Luft ab Dieser Ansatz zum Test der Inhalationstoxi-zitaumlt hilft Anzahl und Umfang von Tierversuchen zu verringern

Versuchsaufbau Drei Roumlhrchen leiten ein Testaerosol mit luftgetragenen Nanomaterialien auf Epithelzellen

SPEKTRUM

copy B

fR

43012017

Jubilaumlumsfeier und internationales Symposium

Am 29 November 2017 feiert das BfR sein 15-jaumlh-riges Bestehen mit einem Festakt Geplant ist eine Feier mit ausgewaumlhlten Gaumlsten in der Akademie der Kuumlnste Anschlieszligend findet vom 30 Novem-ber bis zum 01 Dezember 2017 das gemeinsame internationale Symposium des BfR und seiner Schwesterinstitutionen aus Daumlnemark (DTU Food) und Frankreich (ANSES) sowie der suumldko-reanischen Behoumlrde fuumlr Lebens- und Arzneimittel-sicherheit (NIFDS) statt Unter dem Motto bdquoPast Present and Future Challenges in Risk Assessment ndash Strengthening Consumer Health Protectionldquo werden die letzten anderthalb Jahrzehnte Risikobewer-tung betrachtet Daruumlber hinaus werden aktuelle Aktivitaumlten sowie zukuumlnftige Herausforderungen des Verbraucherschutzes wie mikrobiologische Erreger chemische Substanzen Methoden und Harmonisierung auf nationaler wie internationa-ler Ebene diskutiert

VERANSTALTUNGEN

Nachwuchs foumlrdern

Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu foumlr-dern baut das BfR wissenschaftliche Nachwuchs-gruppen zu bestimmten Schwerpunktthemen auf Die bereits 2015 eingerichtete Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Warenketteldquo wird im Herbst 2017 durch einen weiteren Dokto-randen verstaumlrkt

Verstaumlrkung im Versuchstierschutz

Seit dem 1 April 2017 staumlrkt die Berufung von Herrn Universitaumltsprofessor Dr Lars Lewejo-hann den Kompetenzbereich bdquoVerminderung der Belastung und Verbesserung der Lebenssitua-tionldquo des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) Neben der Leitung der Fachgruppe bdquoTierschutz und Versuchstierkundeldquo im BfR wird Lars Lewejohann sein Wissen und neue Erkenntnisse als Hochschullehrer fuumlr bdquoTier-schutz mit dem Schwerpunkt Refinementldquo an der veterinaumlrmedizinischen Fakultaumlt der Freien Universitaumlt Berlin an Studierende und Doktoran-den weitergeben

PERSONALIEN

Alternativmethode zum Tierversuch bdquoKnochen-auf-dem-Chipldquo

Im Mai 2017 fand bei der Gemeinsamen For-schungsstelle (GFS)Joint Research Centre (JRC) der Generaldirektion (Directorate General) der Europaumlischen Kommission eine Summer School zu alternativen Ansaumltzen zum Tierversuch fuumlr die Risikobewertung in Ispra (Italien) statt Dort wurde Herr Dr Ing Frank Schulze aus der BfR-Fachgruppe bdquoZEBET ndash Alternativmethoden zu Tierversuchenldquo fuumlr seine Praumlsentation und das dazugehoumlrige Poster zum Thema bdquoEin Knochen-auf-dem-Chip fuumlr die Grundlagenwissenschaft und die Identifizierung von knochenschaumldigen-den Substanzenldquo mit einem Posterpreis (1 Platz) ausgezeichnet

copy B

fR

copy p

rivat

INSTITUTSLEBEN

44 BfR 2 GO

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

Danach geht bei Kindern im Alter von sechs Monaten bis unter fuumlnf Jahren die Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA im Wesentlichen auf Kraumlutertee einschlieszliglich Rooibostee Schwarztee und Honig zuruumlck Fruumlchtetee Milch Eier und Fleisch tragen nur wenig zur Gesamtaufnahme von 12-un-gesaumlttigten PA bei Sieht man von bestimm-ten Nahrungsergaumlnzungsmitteln ab zeigt sich bei Erwachsenen ein aumlhnliches Bild Bei Erwachsenen ist der Beitrag von Honig zur Gesamtaufnahme an 12-ungesaumlttigten PA geringer und der von Gruumlntee houmlher als bei Kindern Bei hohen Gehalten koumlnnen Nahrungsergaumlnzungsmittel als zusaumltzliche Expositionsquelle zur Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber Lebensmittel beitragen Gewuumlrze und Kraumluter aber auch Mehle stellen moumlglicherweise eine relevante zusaumltzliche Expositionsquelle dar Fuumlr eine abschlieszligende Bewertung fehlen hier jedoch noch Daten

Obwohl in Einzelfaumlllen hohe Gehalte an 12-ungesaumlttigten PA in bestimmten Le-bensmitteln des allgemeinen Verzehrs nachgewiesen wurden haumllt das BfR nach derzeitiger Datenlage auch bei hoher Auf-nahme dieser Lebensmittel eine akute Ge-sundheitsschaumldigung fuumlr unwahrscheinlich Zur Abschaumltzung des potenziellen Risikos von genotoxisch-kanzerogenen Wirkungen legte das BfR wie international uumlblich den MOE-Ansatz (Margin of Exposure) zugrun-de Dabei wird ausgehend von Tierstudien angenommen dass fuumlr genotoxische Kan-zerogene ein MOE-Wert von 10000 oder houmlher aus Sicht der oumlffentlichen Gesundheit als wenig bedenklich und die Prioritaumlt fuumlr Maszlignahmen im Rahmen des Risikomanage-ments als niedrig angesehen werden kann Bei genotoxisch-kanzerogenen Stoffen kann keine Schwellendosis angenommen werden unterhalb derer keine unerwuumlnschten Wir-kungen mehr erwartet werden Daher gilt in der Europaumlischen Union die Empfehlung die Exposition gegenuumlber genotoxisch und kanzerogen wirkenden Substanzen so weit zu minimieren wie dies vernuumlnftig erreich-bar ist ndash das sogenannte ALARA-Prinzip (as low as reasonably achievable) Selbst geringe Aufnahmemengen koumlnnen insbesondere bei regelmaumlszligigem Verzehr mit einer Erhouml-hung gesundheitlicher Risiken verbunden sein

Die Bewertung des genotoxischen und kan-zerogenen Risikos erfolgt als Vergleich der Gesamtaufnahme uumlber verschiedene Tees Milch und Honig bei Kindern und Er-wachsenen auf der Basis verschiedener Ver-zehrszenarien mit dem BMDL10-Wert von

73 Mikrogramm pro Kilogramm Koumlrperge-wicht und Tag unter Berechnung des MOE Der BMDL10-Wert (Benchmark dose lower confidence limit 10) ist ein Schaumltzwert der niedrigsten Dosis die im Tierexperiment mit 95-prozentiger Sicherheit eine Krebsin-zidenz von nicht mehr als 10 Prozent ver-ursacht Alle Berechnungsansaumltze sowohl fuumlr Kinder als auch fuumlr die erwachsene Be-voumllkerung ergaben MOE-Werte deutlich unterhalb von 10000 Da nach Ansicht des Wissenschaftlichen Ausschusses der EFSA ein MOE erst ab einem Wert von mindes-tens 10000 aus Sicht der oumlffentlichen Ge-sundheit als wenig bedenklich anzusehen ist empfiehlt das BfR die Gesamtexposition mit PA aus allen Lebensmitteln so niedrig wie moumlglich zu halten und einen MOE von 10000 bei Beruumlcksichtigung der PA-Zufuhr aus allen Quellen nicht zu unterschreiten Dazu sollten die Bemuumlhungen fortgesetzt werden die PA-Gehalte in Lebensmitteln weiter zu senken

Forschungsansaumltze des BfR

Das BfR befasst sich seit einigen Jahren mit der Problematik der Verunreinigung von Lebensmitteln mit 12-ungesaumlttigten PA und verfolgt hierzu verschiedene Forschungs-ansaumltze Die Analytik der 12-ungesaumlttigten PA stellt aufgrund ihrer groszligen strukturel-len Vielfalt und des Vorkommens in unter-schiedlichen Lebensmitteln eine besondere Herausforderung dar In den letzten Jahren hat das BfR spezifische Nachweismethoden entwickelt und in Ringversuchen validiert Diese Methoden stehen auf der Homepage des BfR zur Verfuumlgung und koumlnnen z B in der Lebensmittel- und Futtermitteluumlberwa-chung eingesetzt werden

Neben der Entwicklung analytischer Me-thoden werden am BfR die molekularen Mechanismen der Toxizitaumlt von 12-unge-saumlttigten PA untersucht Hier stehen vor allem Untersuchungen zur strukturabhaumln-gigen Aufnahme von 12-ungesaumlttigten PA uumlber die Darmbarriere im Vordergrund Die Ergebnisse zeigen dass sich das Wirkungs-potenzial der 12-ungesaumlttigten PA aufgrund von Unterschieden im strukturabhaumlngigen Transport uumlber die Darmbarriere unter-scheiden kann Auch zeigten die getesteten Modellsubstanzen in einem Zellkulturmo-dell deutliche strukturspezifische Unter-schiede im Metabolismus Weitere Untersu-

Pflanzen die Pyrrolizidinalkaloi-de bilden finden sich vor allem in den Familien der Korbbluumltler (Asteraceae) der Raublatt- oder Borretschgewaumlchse (Boraginaceae) und der Huumllsenfruumlchtler (Faba-ceae)

22 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

chungen zu der Zerstoumlrung der sinusoidalen Endothelzellen durch 12-ungesaumlttigte PA sollen zum Verstaumlndnis der Mechanismen beitragen die zu den venookklusiven Ver-aumlnderungen in der Leber fuumlhren Auch wer-den Untersuchungen zur Metabolisierung nahrungsrelevanter Pyrrolizidinalkaloide durchgefuumlhrt Die Forschungsprojekte wer-den von der Deutschen Forschungsgemein-schaft (DFG) gefoumlrdert

Empfehlungen zur Reduktion der PA-Gehalte

Das BfR empfiehlt dass sich Management-maszlignahmen an der Vermeidung genoto-xisch-kanzerogener Effekte der 12-ungesaumlt-tigten PA als dem empfindlichsten Endpunkt orientieren Die Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA sollte fuumlr Verbrau-cherinnen und Verbraucher so gering wie moumlglich sein Dazu sollten die PA-Gehalte in Lebensmitteln so weit wie moumlglich sin-ken Dies gilt insbesondere fuumlr Kraumlutertees Rooibostee Schwarzen Tee und Gruumlnen Tee sowie bestimmte Nahrungsergaumlnzungsmit-tel Hier sollten Anbau- Ernte- und Reini-gungsmethoden weiterhin verbessert wer-den Auch die Auswahl der Rohhonige kann zu einer Reduzierung der Gehalte an 12-un-gesaumlttigten PA in verzehrfertigen Honigen beitragen Auszligerdem sind vor der Vermark-tung seitens der Lebensmittelunternehmer weiterhin Kontrollen in allen betroffenen Lebensmittelkategorien notwendig

Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das potenzielle gesundheitliche Risiko durch PA durch eine abwechslungsreiche Ernaumlh-rung verringern und so generell einseitigen Belastungen mit verschiedenen potenziell gesundheitsgefaumlhrdenden Stoffen vorbeu-gen Insbesondere fuumlr Kinder Schwangere und Stillende empfiehlt das BfR den taumlgli-chen Fluumlssigkeitsbedarf nicht ausschlieszliglich mit Kraumlutertee und Tee zu decken

Bei der Zubereitung von Salat Blattgemuumlse und Kraumlutern sollten Verbraucherinnen und Verbraucher Pflanzenteile aussortieren die sie keinen bekannten essbaren Pflanzen zu-ordnen koumlnnen

Wer Nahrungsergaumlnzungsmittel auf Pollen-basis oder auf Basis von Pflanzen einnimmt die 12-ungesaumlttigte PA bilden sollte sich bewusst sein dass diese Produkte 12-un-gesaumlttigte PA in houmlheren Konzentrationen enthalten koumlnnen

Mehr erfahrenStellungnahme Nr 0302016 des BfR vom 28 September 2016

Necinbase

Necinsaumlure

Die Struktur von PA

Chemisch handelt es sich um Ester aus einer Necinbase und aliphatischen Mono- oder Dicarbonsaumluren (Necin-saumluren) Aus toxikologischer Sicht besonders bedeutsam sind Pyrroli-zidinalkaloide mit 12-ungesaumlttigter Necinstruktur (12-ungesaumlttigte PA) Die 12-ungesaumlttigte Necinstruktur als gemeinsames Strukturmerkmal erlaubt grundsaumltzlich die Giftung durch Oxidation zum Dehydropyrrolizidin das durch seine alkylierenden Eigenschaf-ten fuumlr die genotoxische und karzino-gene Wirkung dieser Substanzgruppe verantwortlich ist

copy R

ukiM

edia

shu

tters

tock

com

copy J

iri H

era

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

23012017

Im suumldlichen Afrika spielt die Landwirt-schaft eine Schluumlsselrolle bei der Armuts-bekaumlmpfung Eine wachsende Produktion tierischer Lebensmittel bringt jedoch auch neue Herausforderungen an die Lebensmit-telsicherheit mit sich Das BfR-Forschungs-projekt bdquoSAD-Zambialdquo (bdquoStaphylococcus aureus in der Milchlebensmittelkette in Sambia ndash Bekaumlmpfung lebensmittelbeding-ter Erkrankungen und Antibiotikaresisten-zen beim Menschldquo) befasst sich damit wie die Produktion und der Vertrieb von Milch und Milchprodukten in Sambia sicherer gestaltet werden koumlnnen Ziel ist es zu be-werten in welchem Umfang das Bakterium Staphylococcus (S) aureus uumlber Milch und Milchprodukte auf den Menschen uumlbertra-gen wird In einem ersten Schritt werden Feldstudien in verschiedenen Provinzen des Landes durchgefuumlhrt um das Vorkommen dieses Erregers und moumlgliche Schwachstel-len in der Milchlebensmittelkette in Sambia zu analysieren Hierbei stehen Toxin-bil-dende S aureus-Staumlmme im Fokus Auszliger-dem wird untersucht in welchem Umfang Methicillin-resistente S aureus (MRSA) die gegen eine bestimmte Klasse von Antibio-tika resistent sind in der Milchlebensmit-

telkette vorkommen Die Bewertungsarbeit beinhaltet auch einen Vergleich traditio-neller und moderner Produktionssysteme Am BfR werden anschlieszligend die Analysen zu den Eigenschaften der gewonnenen Bakterienstaumlmme sowie stammvergleichen-de Untersuchungen durchgefuumlhrt In einem weiteren Schritt werden Ansatzpunkte zur Reduzierung der Bakterien sowie Methoden zum Monitoring von zoonotischen und An-tibiotika-resistenten S aureus in der Milch-lebensmittelkette in Sambia entwickelt So soll zum Verstaumlndnis der lebensmittelbe-dingten Risiken entlang der Milchlebens-mittelkette in Sambia beigetragen werden Das Projekt begann am 01072016 und laumluft drei Jahre Es wird vom Bundesminis-terium fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft gefoumlrdert und aus BfR-Mitteln co-finanziert Neben dem BfR beteiligen sich an dem For-schungsprojekt das International Livestock Research Institute die University of Zambia und das Central Veterinary Research Insti-tute als Teil des sambischen Ministeriums fuumlr Nutztiere und Fischerei Durch dieses Forschungsnetzwerk soll eine nachhaltige Partnerschaft aufgebaut werden

Mit dem Forschungsprojekt bdquoSAD-Zambialdquo leistet das BfR einen Beitrag zur Staumlrkung der Lebensmittelsicherheit und damit zur Ernaumlhrungssicherheit im suumldlichen Afrika Koordinatorin des Projekts ist Frau Dr Alexandra Fetsch Der sambische Doktorand Herr Bruno Phiri berichtet von seiner alltaumlglichen Arbeit Beide arbeiten in der Fach-gruppe bdquoMikrobielle Toxineldquo des BfR

POST AUS hellipSAMBIA

raquobdquoDas SAD-Zambia Projekt ist fuumlr mich ein Meilenstein und ich bin dem BfR sehr dankbar dass es mir diese Moumlglichkeit gibt Ich habe schon viel dazugelernt und konnte meine Kompetenzen bezuumlglich der Diagnose von Krankheitserregern verbessern Das Projekt bringt mich aber nicht nur persoumlnlich voran auch mein Land kann davon profitieren Mein Arbeitsalltag beginnt meist mit einem Besuch bei den Milchbauern und ihren Herden Dort schaue ich mir an wie die Kuumlhe gemolken werden und nehme Proben von den Tieren der Milch und der Umge-bung Auch in Milchsammelstellen und auf Maumlrkten nehme ich Proben Diese analysiere ich anschlieszligend im Labor an der Universitaumlt Schon jetzt freue ich mich auf die weiteren Untersuchungen der Bakterienstaumlm-me am BfR Ich war zu Beginn des Projektes dort ndash eine sehr eindrucks-volle Erfahrungldquo

(Bruno Phiri)

copy a

stud

ios

hutte

rsto

ckc

om

copy B

fR

24 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

Algengift in Tropenfischen

Bisher traten Lebensmittelvergiftungen durch Ciguato-xin ndash einem Algentoxin das in tropischen Speisefischen wie Barrakuda Schnapper oder Zackenbarsch enthalten sein kann ndash vorwiegend in den Tropen auf Mit dem zunehmenden Import von Fischen aus Suumldostasien haumlufen sich auch in Europa und seit 2012 in Deutschland Faumllle von Ciguatera Ein Problem dabei Eine Analyse-methode mit der Fisch routinemaumlszligig auf Ciguatoxine untersucht werden kann ist derzeit noch nicht verfuumlgbar Da weltweit nur wenige Labore auf den Nachweis von Ci-guatoxinen in Fischen spezialisiert sind wird im Projekt bdquoEuroCigualdquo der Europaumlischen Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit (EFSA) unter anderem an der Verbesserung entsprechender Analysemethoden und zum Vorkommen ciguatoxischer Fische in Europa geforscht Das BfR liefert fuumlr das Projekt Angaben zu Erkrankungsfaumlllen in Deutschland Die krankmachenden Algentoxine reichern sich uumlber die Nahrungskette in Raubfischen an und sind uumlberaus stabil Durch Erhitzen oder Tiefkuumlhlen lassen sie sich nicht entfernen Beim Menschen kann der Verzehr betroffener Fische dann zu Vergiftungen mit zum Teil schweren oder andauernden Beeintraumlchtigungen des Nervensystems fuumlhren An Ciguatera Erkrankte nehmen normale Kaumlltereize als ungewoumlhnlich schmerzhaft wahr

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt A-Z-Index Ciguatoxin

Alkaloide in Lupinensamen

In verarbeiteten Produkten oder zum Knabbern Lupinensamen sind im Trend Da sie jedoch toxikologisch relevante bittere Chinolizidinalkaloide enthalten koumlnnen bewertet das BfR ihr gesundheitliches Risiko Der Gehalt an Chinolizi-dinalkaloiden in Lupinensamen variiert je nach botanischer und geografischer Abstammung Samen die von bdquoBitterlupinenldquo stammen sind aufgrund ihrer houmlheren Gehalte ohne geeignete Vorbehandlung der bdquoEntbitterungldquo nicht zum Verzehr geeignet Denn Sie koumlnnen beim Menschen Vergiftungssymptome her-vorrufen Lupinenvarietaumlten die Samen mit niedrigen Alkaloidgehalten liefern werden als bdquoSuumlszliglupinenldquo bezeichnet Suumlszliglupinensamen sind auch ohne Entbitte-rung verzehrsfaumlhig In Deutschland kam es mit Bitterlupinensamen vereinzelt zu Vergiftungsfaumlllen Das BfR empfiehlt Herstellern daher nur ganze Lupinensamen in den Verkehr zu bringen die ohne weitere Entbitterungsprozesse verzehrsfaumlhig sind Mehl aus Lupinensamen sollten Hersteller aus alkaloidarmen oder ausrei-chend entbitterten Samen herstellen

Uumlbertragungswege des Hepatitis-E-Virus

Infektionen mit dem Hepatitis-E-Virus (HEV) koumlnnen zu einer akuten Leberentzuumlndung fuumlhren In den letzten Jahren sind die Zahlen gemeldeter Hepatitis-E-Faumllle des Menschen in Deutsch-land stark angestiegen Forschungsergebnisse des BfR in Zusam-menarbeit mit anderen Einrichtungen haben gezeigt dass das Virus in deutschen Haus- und Wildschweinen weit verbreitet ist Vereinzelt wurde HEV auch in Rehen und Rotwild nachgewiesen

Unklar ist derzeit noch auf welchen Wegen sich die Patienten mit dem Virus anstecken Moumlglich sind direkte Virusuumlbertra-gungen zum Beispiel vom Wildtier auf den Jaumlger und indirekte uumlber Lebensmittel die aus infizierten Tieren hergestellt wurden Wie aktuelle Studien des BfR zeigen kann HEV in verschiedenen Wurstwaren aus dem deutschen Einzelhandel nachgewiesen wer-den Fraglich ist ob das Virus in diesen Produkten noch anste-ckend ist oder ob es bei der Herstellung der Lebensmittel zerstoumlrt wird Hierfuumlr noumltige Untersuchungen waren in der Vergangenheit erschwert da sich HEV im Labor nur schlecht kultivieren lieszlig Erste Ergebnisse von Untersuchungen mithilfe eines am BfR ent-wickelten neuartigen Zellkultur-Systems weisen darauf hin dass HEV hitzeempfindlich ist aber bei Kuumlhlung oder Raumtempera-tur mehrere Wochen infektioumls bleiben kann

SPEKTRUM

copy N

eil B

urto

nsh

utte

rsto

ckc

om

copy N

atal

ia M

ylov

ash

utte

rsto

ckc

om

copy iS

tock

com

Mee

Poo

hyap

hoto

25012017

bdquoNur eine gemeinsame Strategie ist effektivldquo

Frau Kaumlsbohrer ein zentrales Thema Ihrer Forschung sind Antibiotikaresis-tenzen In der oumlffentlichen Debatte wird oft ein Zusammenhang hergestellt zwi-schen dem haumlufigen Einsatz von Anti-biotika in der Nutztierhaltung und dem Auftreten resistenter Bakterien in der Humanmedizin Doch werden bei Tieren nicht andere Antibiotika eingesetzt als bei MenschenUm die Unterschiede zu erlaumlutern muss man zwischen Praumlparaten und den antibiotischen Wirkstoffgruppen unterscheiden Beim Tier verwenden Veterinaumlrmediziner ande-re Praumlparate als Aumlrzte beim Menschen Der wirksame Inhaltsstoff das Antibiotikum kann aber dasselbe sein Die Antibiotika lassen sich wiederum in Wirkstoffgruppen einteilen Mit Blick auf die Wirkstoffgrup-pen gilt Die meisten Antibiotika die beim Menschen eingesetzt werden gehoumlren zu Wirkstoffgruppen die wir auch in der Vete-rinaumlrmedizin nutzen Es gibt nur ganz weni-ge Antibiotikagruppen die nur auf der einen oder der anderen Seite verwendet werden Dazu gehoumlren zum Beispiel die Carbapene-me die nicht beim Nutztier eingesetzt wer-den duumlrfen In der Humanmedizin kommen sie insbesondere zum Einsatz wenn andere Antibiotika nicht mehr wirksam sind

bdquoEine Resistenz ge-gen einen bestimm-ten Wirkstoff kann sich auch ausbrei-ten obwohl diese Wirkstoffgruppe nicht eingesetzt wurde

Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer leitet am BfR die Fachgruppe bdquoEpide-miologie Zoonosen und Antibiotika-resistenzldquo die unter anderem auch das Nationale Referenzlabor fuumlr Antibiotika- resistenzen umfasst Seit April 2016 ist sie auszligerdem Professorin an der Vetmeduni Vienna und leitet dort das Institut bdquoOumlffentliches Veterinaumlrwesenldquo

Wenn sie beim Nutztier nicht eingesetzt werden duumlrfen wie kann es dann sein dass Sie am BfR im Rahmen des For-schungsprojekts RESET Carbapene-mase-bildende Bakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden gefunden habenDie Entstehung von Antibiotikaresistenzen ist ein natuumlrlicher Vorgang bei Bakterien Durch den Gebrauch von Antibiotika wird dieser Prozess beschleunigt Eine Resistenz gegen einen bestimmten Wirkstoff kann sich auch ausbreiten obwohl diese Wirk-stoffgruppe nicht eingesetzt wurde Dank der Selektion gilt meist Wenn ich einen Wirkstoff einsetze gebe ich jenen Bakterien einen Vorteil die gegen den Wirkstoff resis-tent sind Aber Carbapenemasen also die Enzyme die von Carbapenem-resistenten Bakterien gebildet werden koumlnnen neben den Carbapenemen auch fast alle anderen

Bakterien die gegen Antibiotika resistent sind stellen ein Risiko fuumlr die oumlffentliche Gesundheit dar Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer widmet sich am BfR dieser Problematik Im Gespraumlch erklaumlrt sie welche Faktoren bei der Ausbreitung von Resistenzen eine Rolle spielen

copy M

icha

el B

ernk

opf

Vetm

edun

i Vie

nna

26 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

β-Laktam-Antibiotika inaktivieren Theo-retisch ist es daher moumlglich dass sich eine Resistenz gegen Carbapeneme ausbreitet obwohl der Tierarzt beim Nutztier eine an-dere Wirkstoffgruppe eingesetzt hat Ist die Resistenz bei Bakterien vorhanden gibt es viele Ausbreitungswege Ein Stall ist kein steriler Ort sondern belebte Umwelt Moumlg-liche Eintragswege fuumlr resistente Bakterien in einen Stall sind z B belebte Vektoren wie neu eingestallte Tiere Maumluse Fliegen oder Voumlgel aber auch unbelebte Vektoren wie Futter Wasser Staub oder Geraumltschaften

Was hat sich seit dem Fund der Carba-penemase-bildenden Enterobakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden fuumlr Ihre Arbeit beim BfR geaumlndert Der Fund hatte vielfaumlltige Konsequenzen Wir haben vor allem die gezielten Untersu-chungsaktivitaumlten verstaumlrkt Bakterien-Iso-late aus Tierbestaumlnden und Lebensmitteln werden seit 2014 im Rahmen des Resistenz-monitorings im BfR routinemaumlszligig auf eine Carbapenem-Resistenz getestet Auszligerdem steht seit 2015 fuumlr den Nachweis von Carba-penemase-bildenden Bakterien ein weiteres gezieltes Nachweisverfahren zur Verfuumlgung Hierzu muumlssen die Labore geschult werden Zusaumltzlich werden im Nationalen Refe-renzlabor fuumlr Antibiotikaresistenz am BfR Carbapenemase-verdaumlchtige Bakterien auf die charakteristischen Resistenzgene hin un-tersucht Am BfR wurden hierfuumlr verschie-dene Methoden fuumlr die Untersuchung von E coli und Salmonella etabliert Bisher wur-den sehr selten solche Resistenzgene nach-gewiesen bei Nutztieren das Gen blaVIM-1 bei einem Wildvogel das Gen blaNDM-1

Oftmals sind die Resistenzgene gegen Carbapeneme zusammen mit anderen Resistenzgenen auf mobilen geneti-schen Elementen lokalisiert Warum ist hier besondere Vorsicht gebotenZunaumlchst ist die Trefferwahrscheinlichkeit fuumlr eine Selektion houmlher wenn mehrere Re-sistenzgene auf einem genetischen Element liegen d h der Einsatz verschiedener Anti-biotika kann zu einem Selektionsvorteil fuumlh-ren Die Lokalisation von Resistenzgenen auf mobilen genetischen Elementen spielt fuumlr die Uumlbertragbarkeit von Resistenzen eine wichtige Rolle Denn Diese Resistenzgene koumlnnen mittels horizontalem Gentransfer auf ganz unterschiedliche Bakteriengruppen uumlbertragen werden Diese Erkenntnis hat eine Art Revolution ausgeloumlst Lange Zeit wurde ein Erreger mit all seinen Eigenschaf-ten als Einheit betrachtet Kann die Resis-tenz aber zwischen Bakteriengruppen hin

und her uumlbertragen werden verfaumllscht das moumlglicherweise den Blick auf eine Gruppe Folglich mussten die Nachweisverfahren umgestellt und die Uumlbertragbarkeit von Re-sistenzen mit analysiert werden Erschwe-rend kommt hinzu dass ein Resistenzgen auf einem grundsaumltzlich ungefaumlhrlichen

Bakterium zum Problem werden kann Manche Bakterien wie beispielsweise E coli gehoumlren zur normalen Darmflora Traumlgt so ein Bakterium eine Resistenzeigenschaft ist das erstmal nicht gefaumlhrlich Aber Es kann diese Eigenschaft moumlglicherweise an einen Infektionserreger weitergeben

Welche konkreten Folgen kann eine solche Weitergabe von Resistenzeigen-schaften habenSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt Schon jetzt weichen Aumlrzte auf Wirk-stoffgruppen aus die in der Humanmedizin lange verpoumlnt waren Dies gilt zum Beispiel fuumlr Colistin Fuumlr den Menschen ist es nicht gut vertraumlglich moumlgliche Nebenwirkun-gen sind beispielsweise die Schaumldigung der Nieren oder des Nervensystems In der Ve-terinaumlrmedizin hat Colistin seit Jahrzehnten eine erhebliche Bedeutung vor allem fuumlr die Behandlung von Infektionen des Ma-gen-Darm-Traktes bei Nutztieren auch um andere Wirkstoffgruppen zu vermeiden

Spielt im Fall von Colistin die Mobilitaumlt des Resistenzgens auch eine besonde-re Rolle Inzwischen ja Bis Ende 2015 waren sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler einig Eine Colistin-Resistenz ist nicht uumlbertragbar Das heiszligt kommt eine solche Resistenz bei einem Infektionserreger beim Nutztier vor ist sie nicht per se auf ein hu-manpathogenes Bakterium uumlbertragbar Doch Ende 2015 wurde in China erstmals das uumlbertragbare Gen mcr-1 beschrieben Untersuchungen in Belgien haben spaumlter zur Beschreibung eines weiteren mobilen Gens fuumlr die Colistin-Resistenz bei Nutztieren

bdquoSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

27012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Ausbreitung von Resistenzen

Haustiere

Krankenhaus

Belastetepflanzliche Lebensmittel

Belastete tierische Lebensmittel

Nutztiere

Futtermittel

Schaumldlinge

Uumlbertragungswege resistenter Bakterien

Menschen

Eine Antibiotikaresistenz entsteht

(z B durch Mutation)

Antibiotikatherapie beguumlnstigt die

Selektion resistenter Bakterien

Nahrung

Duumlnger Abwasser

Abwasser

28 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

gefuumlhrt mcr-2 Das bedeutet eine Uumlbertra-gung der durch diese Gene vermittelten Re-sistenz auf ein humanpathogenes Bakterium ist theoretisch moumlglich Allerdings scheint dies bisher selten der Fall zu sein

Diese Erkenntnisse offenbaren einen groszligen Forschungsbedarf Was tun Sie in der Abteilung bdquoBiologische Sicher-heitldquo um das Risiko zu bewerten Als 2015 klar wurde dass es eine uumlbertrag-bare Colistin-Resistenz gibt haben wir diese neue Erkenntnis in den laufenden Projekten natuumlrlich sofort aufgegriffen Im Rahmen des Forschungsprojekts RE-SET haben wir zum Beispiel vorhandenes Bakterienmaterial und die bei unseren Ko-operationspartnern verfuumlgbaren Gesamt-genominformationen auf das Vorkommen dieses neuen Resistenzgens gepruumlft Schnell war klar Ja dieses Gen finden wir in den Sequenzen Und die Pruumlfung von Colis-tin-resistenten Isolaten aus unserer Stamm-sammlung hat bestaumltigt dass dieses Resis-tenzgen bereits weit verbreitet ist

Muumlssen nun neue Forschungsprojekte zu dem Thema initiiert werdenJa denn viele Fragen bleiben bislang offen Wie haumlufig wird die Resistenz tatsaumlchlich uumlbertragen Was triggert diese Uumlbertra-gung Es gibt auch diagnostische Probleme Das uumlbliche Verfahren in der Humanmedi-zin um Resistenzen zu testen umfasst in der Regel nicht die Resistenz gegen Colistin Es gibt also viel zu tun Neue Diagnose- und Typisierungsverfahren aufbauen unser Re-sistenzmonitoring erweitern und routine-maumlszligig phaumlnotypisch resistente Isolate auf das Gen pruumlfen Die Ergebnisse muumlssen wir dann uumlbergreifend bewerten um Hand-lungsoptionen aufzuzeigen

Welche Uumlbertragungswege spielen bei der Colistin-Resistenz fuumlr den Men-schen eine Rolle Mit Sicherheit koumlnnen wir das derzeit nicht sagen Die chinesische Arbeitsgruppe hat Colistin-Resistenzen sowohl im Schweine-fleisch als auch beim Menschen gefunden Daher liegt die Hypothese nahe dass es eine Uumlbertragung uumlber Lebensmittel gibt Gleichzeitig gibt es generell die Beobachtung von nosokomialen Ausbreitungen resisten-ter Bakterien Das sind Ausbreitungen von Antibiotikaresistenzen im Krankenhaus

Resistenzen breiten sich aus Wunder-waffen verlieren ihre Wirkung selbst im Krankenhaus sind wir nicht sicher Gibt es uumlberhaupt eine effiziente Strategie gegen die Ausbreitung der Antibiotika- resistenzen Und wer ist dabei gefor-dertUm die Ausbreitung von Antibiotika- resistenzen zu verhindern braucht es eine gemeinsame Strategie Schlieszliglich sind hier komplexe Zusammenhaumlnge zwischen Mensch Tier und Umwelt am Werk Am BfR streben wir deswegen eine enge Zu-sammenarbeit mit allen Akteuren im oumlffent-lichen Gesundheits- und Veterinaumlrwesen an Bei diesem bdquoOne Health-Ansatzldquo sind sowohl Veterinaumlr- als auch Humanmedizi-ner gefordert Auch Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

Was sollten Verbraucherinnen und Ver-braucher beachtenHier gelten dieselben Hygieneregeln die auch fuumlr andere vom Tier oder vom Le-bensmittel auf den Menschen uumlbertragba-re Krankheitserreger gelten Zum Beispiel sollten sie sich nach dem Kontakt mit Tie-ren die Haumlnde mit warmem Wasser und Seife waschen Auch nach der Zubereitung von rohem Fleisch sollten die Haumlnde gruumlnd-lich gewaschen werden Fleisch Eier und Rohmilch sollten vor dem Verzehr durcher-hitzt werden Rohkost und Obst sollten vor dem Verzehr gruumlndlich mit Trinkwasser gewaschen oder geschaumllt werden Weiterhin wichtig ist den direkten oder indirekten Kontakt von rohem Fleisch und rohen Ei-ern mit verzehrfertigen Speisen die spaumlter nicht mehr erhitzt werden zu vermeiden Durch die Einhaltung der Hygieneregeln kann man einer Uumlbertragung von resisten-ten und oder pathogenen Bakterien auf an-dere Lebensmittel vorbeugen

Mehr erfahren Irrgang et al 2017 Recurrent detection of VIM-1-producing Escherichia coli clone in German pig production Journal ofAntimicrobial Chemotherapy 72 3 944ndash946

bdquoVerbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

RESET

Der Forschungsverbund RESET ndash Antibiotika-Resistenzen bei Tier und Mensch ndash beschaumlftigte sich von 2010 bis 2017 mit Resistenzen gegen die besonders wichtigen Antibiotika-Klas-sen der β-Laktam-Antibiotika und (Fluor-)Chinolone bei Darmbakterien wie Escherichia (E) coli Sind Bak-terien gegen beide Wirkstoffklassen resistent werden die therapeutischen Moumlglichkeiten drastisch eingeschraumlnkt Bei E coli und Salmonella enterica wurden derartige Resistenzen bereits nachgewiesen Das BfR beteiligte sich mit zwei Projekten an dem Forschungs-verbund Durch das konsequente Zusammenfuumlhren von Ergebnissen der unterschiedlichen Forschungsgebiete in einer gemeinsamen Datenbank konnten Erkenntnisluumlcken geschlossen und Risiken bewertet werden Das Projekt wurde vom Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) gefoumlrdert

29012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Kann es durch die Mischung verschiedener Pestizid-Ruumlckstaumlnde beim taumlglichen Verzehr zu gesundheitsgefaumlhrdenden Belastungen kommen

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

30 BfR 2 GO

Wenn von Paradigmenwechseln die Rede ist findet meist ein grundlegendes Umdenken statt In der Risikobewertung von Chemikalien habe ein Paradigmenwechsel stattge-

funden der die traditionelle Einzelsubstanz-Bewertung hinter sich lasse schrieben BfR-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler vor einiger Zeit Man koumlnnte meinen in der Toxikologie wird der Paracelsus-Satz kuumlnftig umgeschrieben Nicht nur die Dosis son-dern auch die Aufsummierung der Dosierungen in einer Mischung macht das Gift

Gift- oder Todescocktail ndash plakative Medienbegriffe

Denn tatsaumlchlich In den letzten Jahren beschaumlftigen sich weltweit immer mehr Gremien politische Ausschuumlsse und Forschungspro-jekte mit der Frage wie man die Auswirkungen von Mischungen auf Umwelt und Gesundheit kuumlnftig bewerten kann Auch in der Oumlffentlichkeit wird das Thema emotional verhandelt Chemikali-enmix Gift- oder sogar Todescocktail ndash mit plakativen Begriffen umschreiben Medien das Phaumlnomen der Mehrfachruumlckstaumlnde Entsprechend tief sitzt die Angst bei Verbraucherinnen und Ver-brauchern In einer vom BfR in Deutschland durchgefuumlhrten re-praumlsentativen Wahrnehmungsstudie vermuten 80 Prozent der Befragten dass der Einsatz mehrerer unterschiedlicher Pflanzen-schutzmittel zu gesundheitlichen Beeintraumlchtigungen durch Le-bensmittel fuumlhren kann

Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck sein

Zwar zeigen verschiedene aktuelle Monitoring-Projekte dass das gesundheitliche Risiko durch Mehrfachruumlckstaumlnde von Pflanzen-schutzmitteln unwahrscheinlich ist (s Interview) aber das Thema bleibt auch fuumlr die Wissenschaft draumlngend Denn auch wenn Mi-schungen schon seit Jahrzehnten wissenschaftlich analysiert und bewertet werden das Beduumlrfnis nach einer zuverlaumlssigen Bewertung der Risiken fuumlr Mensch und Umwelt steigt Grund dafuumlr ist zum einen die Vielzahl immer neuer Wirkstoffe Zusatzstoffe Chemika-lien Ruumlckstaumlnde und Kontaminanten gegenuumlber denen Menschen exponiert sind verbunden mit immer verfeinerten wissenschaftli-chen Nachweismethoden Zum anderen steigt der Druck aus der Oumlffentlichkeit Um wissenschaftliche Divergenzen zu vermeiden muumlssen transparente und international harmonisierte Verfahren entwickelt werden Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck in der Risikobewertung sein

Alle Gemische im Tierversuch zu testen ist nicht durchfuumlhrbar

Worum geht es im Einzelnen Mischungen liegen immer dann vor wenn ein Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt verschiedene Stoffe gleichzeitig aufnimmt z B Ruumlckstaumlnde Kontaminanten oder Chemikalien die nach der Europaumlischen Chemikalienverordnung REACH registriert sind Das geschieht wenn sogenannte intentional mixtures also beabsichtigte Mischungen wie Pflanzenschutzmittel oder Biozide in den Verkehr gebracht werden Aber auch unintenti-onal mixtures nimmt der Koumlrper auf Sei es dass verschiedene Stoffe in einem Produkt enthalten sind z B mehrere Pflanzenschutzmit-telruumlckstaumlnde in einem Apfel Oder sei es dass Stoffe gleichzeitig uumlber unterschiedliche Produkte aufgenommen werden In all diesen Faumlllen koumlnnen Mischungseffekte auftreten Diese sind je nach Wirk-mechanismus unterschiedlich stark ausgepraumlgt So koumlnnen sich die Wirkungen von Stoffen gegenseitig potenzieren oder auch aufheben Nach derzeitigem Kenntnisstand wird davon ausgegangen dass sich Wirkungen in der Regel addieren wenn die aufgenommenen Stoffe oberhalb der Wirkschwelle liegen den gleichen Wirkmechanismus haben und zu einem relevanten Zeitpunkt vom Organismus aufge-nommen wurden

Hier beginnen die Schwierigkeiten Es gibt zu viele intentional mix-tures die eine nahezu unuumlbersehbar groszlige Anzahl von Kombinati-onen ermoumlglichen Diese Gemische alle im Tierversuch zu testen wie sonst bei Einzelsubstanzen uumlblich waumlre sowohl ethisch nicht zu vertreten als auch praktisch nicht durchfuumlhrbar Daher arbeiten viele Forschungsprojekte u a der EU-Kommission daran tierversuchs-freie Methoden fuumlr die kumulative Bewertung zu entwickeln die die Effekte von Mischungen in vitro oder durch computergestuumltzte Be-rechnungen in silico berechnen (s Interview und Kasten)

Weltweit setzen Laumlnder das Thema auf ihre Agenda

Nicht nur fuumlr die Wissenschaft auch fuumlr den harmonisierten Voll-zug von Gesetzen ergeben sich dadurch neue Herausforderungen So schreibt z B die EU-Verordnung uumlber das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vor Kumulations- und Synergieeffekte zu be-ruumlcksichtigen ndash sofern es von der Behoumlrde anerkannte wissenschaft-liche Methoden zur Messung solcher Effekte gibt Doch die lagen bisher nicht vor Deshalb werden nun auf allen Ebenen technische Leitfaumlden fuumlr die neuen Methoden erstellt um eine harmonisierte

Auf die Mischung kommt es anKumulative Risikobewertung nimmt weltweit eine immer groumlszligere Bedeu-tung in der Toxikologie ein Das BfR arbeitet an einer Vielzahl von Projek-ten wie Mischungen in Zukunft bewertet werden koumlnnen

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

31012017

Vorgehensweise und transparente Nachvollziehbarkeit bei der Zu-lassung von Produkten zu gewaumlhrleisten Unter anderem die EFSA die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmittelsicherheit die Europauml-ische Chemikalienagentur ECHA und das JRC die Gemeinsame Forschungsstelle der Europaumlischen Kommission erarbeiten solche technischen Leitfaumlden

Neben der wissenschaftlichen Komplexitaumlt muumlssen diese techni-schen Leitfaumlden weitere Herausforderungen meistern Sie sollen fuumlr alle Bereiche gelten in denen Mischungen in Verkehr gebracht werden oder entstehen koumlnnen Bisher wurden Mischungen haumlufig nur in einem regulatorischen Bereich untersucht z B als Pflan-zenschutzmittel Biozid oder Arzneimittel Fuumlr andere Stoffe wie Lebensmittelzusatzstoffe oder Kontaminanten war die Bewertung von Mischungen bisher nicht klar gesetzlich reguliert In Zukunft sollen auch diese Stoffe bei einer Bewertung von Mischungen besser beruumlcksichtigt werden Auch soll nicht nur die chemische Zusam-mensetzung eines einzelnen Produktes systematisch bei der Zu-lassung beruumlcksichtigt werden sondern auch Mehrfachruumlckstaumlnde im gesamten Warenkorb den Verbraucherinnen und Verbraucher durchschnittlich zu einer gegebenen Zeit konsumieren Und zu gu-ter Letzt muumlssen die neuen Verfahren weltweit harmonisiert werden um das kumulative Risiko fuumlr Mensch und Umwelt auch angesichts globaler Warenketten gering zu halten Deshalb diskutieren Politik und Wissenschaft zurzeit nicht nur auf europaumlischer Ebene entspre-chende Leitfaumlden auch andere Laumlnder weltweit sowie die Weltge-sundheitsorganisation WHO und die Organisation fuumlr wirtschaftli-che Zusammenarbeit und Entwicklung OECD haben die kumulative Bewertung auf ihre Agenda genommen und stimmen ihre Guidance Documents mit den uumlbrigen Behoumlrden ab

Deutschland wendet die kumulative Bewertung schon an

Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR sind an zahlreichen dieser internationalen Projekte beteiligt sowohl an der wissenschaftlichen Erforschung kumulativer Effekte als auch an der Entwicklung technischer Leitfaumlden Einen wichtigen Schritt bei der kumulativen Bewertung hat Deutschland in der Europaumlischen Uni-

Stufe um Stufe zu einer gesicherten Bewertung

Seit Maumlrz 2017 wird in Deutschland eine Methodik fuumlr die Bewertung von Kumulations- und Synergie-effekten bei der gesundheitlichen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln in den Zulassungsverfahren angewandt Grundlage fuumlr das gestufte kumulative Bewertungsverfahren ist der sogenannte bdquoHazard Quotientldquo (HQ) der fuumlr jeden einzelnen Stoff ermit-telt wird Der HQ errechnet sich aus dem Verhaumlltnis zwischen dem relevanten gesundheitlichen Grenz-wert und der geschaumltzten Exposition

In einer ersten Stufe wird der HQ fuumlr alle Stoffe eines Gemisches einzeln ermittelt Liegt der HQ jedes Stoffes unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko fuumlr die einzelnen Bestandteile der Mischung zu erwarten Liegt dieser bei einzelnen Stoffen uumlber 1 wird gepruumlft ob die Exposition durch geeignete Maszlignahmen weiter vermindert werden kann zum Beispiel durch das Tragen entsprechender Schutz-kleidung

Liegt der HQ fuumlr alle Komponenten unter 1 wird in einer zweiten Stufe der sogenannte bdquoHazard Indexldquo (HI) des Gemisches ermittelt indem alle Gefahren-quotienten der verwendeten Stoffe addiert werden Liegt der ermittelte Wert weiterhin unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko durch das Gemisch zu erwarten

Liegt der HI uumlber 1 geht die Bewertung mit weiter verfeinerten Methoden in die dritte Stufe uumlber In dieser wird gepruumlft ob ein gesundheitliches Risiko vorliegt wenn eine Gruppierung der Einzelstoffe vorgenommen wird Dazu koumlnnen die einzelnen Stoffe in kumulative Bewertungsgruppen (cumula-tive assessment groups CAGs) eingeteilt werden die z B nach Effekten im gleichen Zielorgan oder nach dem gleichen Wirkmechanismus oder nach chemischer Verwandtschaft definiert sein koumlnnen Hintergrund dieser Einteilung ist die Annahme dass sich nach gegenwaumlrtigem Kenntnisstand nur Effek-te addieren die hinsichtlich der Zielorgane oder der Wirkmechanismen (MOA) vergleichbar sind Auch die relative Potenz der einzelnen Stoffe soll bei der verfeinerten Bewertung beruumlcksichtigt werden Liegt der HI innerhalb einer CAG unter 1 ist deshalb kein gesundheitliches Risiko zu erwarten Liegt er oberhalb des Wertes und koumlnnen weder Expositionsschaumltzung noch Gefahrenbewertung weiter verfeinert werden gilt das Gemisch als nicht sicher

Das mehrstufige Verfahren hat den Vorteil dass die ressourcenaufwendigeren Methoden zur verfei-nerten Bewertung z B in vergleichbaren CAGs oder MOAs nur zum Einsatz kommen wenn mit den ersten einfacheren Bewertungsmethoden nicht nachweisbar ist dass kein gesundheitliches Risiko zu erwarten ist

copy T

atom

mis

tock

com

32 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

EuroMix A tiered strategy for risk assessment of mixtures of multiple chemicals

EuroMix ist ein laumlnderuumlbergreifendes Projekt der EU-Kommission das die nie-derlaumlndische Behoumlrde fuumlr Gesundheit und Umweltschutz RIVM koordiniert Es zielt darauf ab eine tierversuchsfreie experi-mentelle Test-Strategie zu entwickeln um die Toxizitaumlt von Gemischen verschiedener toxikologisch relevanter Lebensmittelin-haltsstoffe Lebensmittelkontaminanten und Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde besser zu bestimmen Aus den Forschungsergeb-nissen wird ein Leitfaden fuumlr die kuumlnftige Umsetzung einer experimentellen Test-Stra-tegie entwickelt Das Acht-Millionen-Eu-ro-Projekt laumluft bis Mai 2019

Mehr erfahren wwweuromixprojecteu

Kombinationseffekte Forschungsprojekte des BfR

Am BfR werden in verschiedenen Abteilungen mehrere interne Forschungsprojekte zu Kombinationseffekten durch-gefuumlhrt Dazu gehoumlren u a Forschungsprojekte zu kumulativen Wirkungen in Pflanzenschutzmitteln und Bioziden zu Mehrfachruumlckstaumlnden in Lebensmitteln zur Expositionsschaumltzung sowie zu wirbeltierfreien Alternativmethoden Daruumlber hinaus ist und war das BfR auch an folgenden Drittmittel-Projekten beteiligt die zu Kombinationseffekten forschen

Combiomics Analyse von Kombinationseffekten von Pestiziden in vitro

Combiomics war ein zweieinhalbjaumlhri-ges Projekt des Bundesministeriums fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) das im Fruumlhling 2016 abgeschlossen wurde In dem vom BfR koordinierten Projekt wurden moumlgliche Kombinationswirkungen durch Mehrfachruumlckstaumlnde beispielhaft anhand einer Gruppe von Fungiziden in vitro unter-sucht Dazu wurden die molekularen Effek-te der Triazole mittels multi level omics und praumldiktiver mathematischer Modellierung untersucht Ausgehend von den Ergebnissen wurde ein Praumldiktionsmodell fuumlr Substanz-kombinationen erstellt validiert und auf Pestizide anderer Stoffgruppen bzw weitere Substanzklassen ausgedehnt um Kombi-nationseffekte kuumlnftig weitgehend ohne Tierversuche durchfuumlhrbar zu machen

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschung gt Drittmittelprojekte gt Combiomics

Combiomics 2Auch die zweite Projektphase von Com-biomics wird vom BfR koordiniert Hier sollen erfolgreich getestete Methoden und Zelllinien in Form einer standardisierten In-vitro-Testbatterie validiert und in ein Standardverfahren integriert werden das auch kuumlnftigen regulatorischen Anforde-rungen entspricht Das dreijaumlhrige Projekt wird vom BMBF bis Ende 2019 gefoumlrdert

Mehr erfahren wwwfisaonlinede gt Kombinationseffekte Pestizide

on schon jetzt unternommen Am 1 Maumlrz 2017 erschien im Bundesanzeiger eine Be-kanntmachung dass Kumulations- und Synergieeffekte in der gesundheitlichen Be-wertung von Pflanzenschutzmitteln kuumlnf-tig durch das BfR beruumlcksichtigt werden Damit bezieht Deutschland bei der zonalen Zulassung von Pflanzenschutzmitteln eine systematische kumulative Bewertung ein

Ein Leitfaden zur kumulativen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln wurde am BfR erarbeitet basierend auf den internatio-nalen Diskussionen bei EFSA und ECHA und 2014 veroumlffentlicht Seitdem wird das Verfahren am BfR angewandt uumlberpruumlft und verfeinert Im Kern geht es darum in einem mehrstufigen Verfahren verschie-dene Wirkstoffe in einem Pflanzenschutz-mittel oder in einer beantragten Tankmi-

schung kumulativ zu bewerten (s Kasten) Dazu werden sowohl die Exposition der Anwenderinnen und Anwender als auch die akute Exposition der Verbraucherinnen und Verbraucher betrachtet sodass die am meisten exponierten Gruppen beruumlcksich-tigt sind

Das Ziel Mischungen weltweit harmonisiert zu bewerten

Die Einfuumlhrung der Konzepte zur kumu-lativen Bewertung von Pflanzenschutzmit-teln hat auch in anderen EU-Laumlndern Aus-wirkungen auf die Risikobewertung Wenn Deutschland im zonalen Zulassungsverfah-ren bewertender Mitgliedstaat ist wird das Verfahren grundsaumltzlich angewandt Aber auch in die Bewertungsberichte anderer Laumlnder flieszligt die kumulative Bewertung als

deutscher Kommentar mit ein Durch den fachlichen Austausch zwischen den Mit-gliedstaaten wurde das Konzept in den letz-ten Jahren einem Peer-Review unterzogen Um die Praxis europaweit noch besser zu harmonisieren werden derzeit auszligerdem internationale Workshops organisiert auf denen diskutiert wird wie Mischungen bei der Risikobewertung kuumlnftig beruumlcksichtigt werden sollen Das BfR veranstaltet einen solchen Workshop im November 2017 im Auftrag der Europaumlischen Kommission die Franzoumlsische Behoumlrde fuumlr gesundheitlichen Verbraucher- Umwelt- und Arbeitsschutz (ANSES) einen weiteren im Februar 2018 unter aktiver Beteiligung des BfR

Das Ziel Mischungen weltweit harmoni-siert zu bewerten um Mensch und Umwelt besser zu schuumltzen ruumlckt damit naumlher

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

33012017

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

bdquoZiel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertungldquo Interview mit Herrn Dr Roland Solecki uumlber die Forschungsaktivitaumlten des BfR zu Mehrfachruumlckstaumlnden

Herr Solecki bei Mehrfachruumlckstaumlnden von Pflanzenschutzmitteln sprechen die Medien oft von einem bdquoGiftcocktailldquo Haben Sie Erkenntnisse daruumlber wie groszlig das gesundheitliche Risiko tat-saumlchlich istDas BfR hat dazu gemeinsam mit dem Bun-desministerium fuumlr Ernaumlhrung und Land-wirtschaft und dem Bundesamt fuumlr Ver-braucherschutz und Lebensmittelsicherheit einen Bericht uumlber die kumulativen Wir-kungen von Pflanzenschutzmitteln veroumlf-fentlicht Dieser basiert auf einer Methodik der niederlaumlndischen Behoumlrde fuumlr Gesund-heit und Umweltschutz RIVM Hintergrund ist ein Monitoring das uumlber einen Zeitraum von sechs Jahren in Deutschland durchge-fuumlhrt wurde Darin wurde untersucht wel-che Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde durch-schnittlich uumlber Lebensmittel aufgenommen werden Das Ergebnis war dass auch unter Worst-Case-Annahmen fuumlr die Mischungen von Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnden ein gesundheitliches Risiko unwahrscheinlich ist Die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit EFSA kam in ihrem Monito-ring-Bericht von 2015 fuumlr Gesamteuropa zu einem aumlhnlichen Ergebnis

Sie arbeiten unter anderem bei dem Pro-jekt EuroMix mit Worum geht es dabeiEs handelt sich um ein groszliges Forschungs-projekt der EU-Kommission zur kumulati-ven Bewertung von Mischungen im Rahmen von Horizont 2020 dem Rahmenprogramm der Europaumlischen Union fuumlr Forschung und Innovation Das Projekt hat zum Ziel neue Bewertungsmethoden fuumlr Mischungseffekte zu erarbeiten besonders auch im Hinblick auf Alternativen zu Tierversuchen innovati-ve Wege der Expositionsschaumltzung und Mo-dellierung von kumulativen Risiken Dabei geht es nicht nur um Pflanzenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatzstoffe und andere Chemikalien

Wie ist das BfR da in EuroMix einge-bundenVom BfR arbeiten sowohl die Abteilung Sicherheit von Pestiziden als auch die Ab-teilung fuumlr Lebensmittelsicherheit am Eu-roMix-Projekt mit Waumlhrend die von mir geleitete Abteilung fuumlr die regulative Bewer-tung eingebunden ist werden in der Abtei-lung Lebensmittelsicherheit experimentelle Arbeiten unter anderem zur Lebertoxizitaumlt durchgefuumlhrt in denen auch Kombinatio-nen von Pestiziden mit anderen Lebensmit-telinhaltsstoffen gepruumlft werden

Woran forschen Sie im EuroMix-ProjektWir haben zunaumlchst recherchiert welche gesetzlichen Anforderungen bestehen und wie unterschiedliche Behoumlrden weltweit

Mischungseffekte bewerten Und wir haben Forschungen zu Mischungen durchgefuumlhrt die bestimmte adverse Effekte auf die Leber verursachen Dabei wurden bestimmte Schluumlsselelemente untersucht um daraus ein Konzept fuumlr die Bewertung zu erarbei-ten Jetzt werden die Omics-Untersuchun-gen und andere alternative Pruumlfverfahren noch durch Tierversuche ergaumlnzt sodass wir auch am Gesamtorganismus die Effek-te uumlberpruumlfen koumlnnen Gleichzeitig werden die statistischen Hilfsmittel und die ande-ren elektronisch basierten Tools weiterent-wickelt Auszligerdem folgen noch weitere Stu-dien zur Exposition Die finalen Ergebnisse liegen am Ende des Projekts im Jahr 2019 vor

In welche weiteren europaumlischen Aktivi-taumlten ist das BfR eingebundenDie EFSA hat bereits einige Ansaumltze zur Bewertung der kombinierten Exposition gegenuumlber mehreren Pestiziden und Kon-taminanten bei Menschen sowie mehreren Pestiziden bei Bienen entwickelt Derzeit ist die EFSA damit befasst neue Ansaumltze und Instrumente zur Harmonisierung der Be-wertung von Risiken fuumlr Mensch und Um-welt zu erarbeiten die von der Exposition gegenuumlber mehreren chemischen Stoffen in der Lebensmittelkette ausgehen Ich bin derzeit Mitglied einer Arbeitsgruppe von Sachverstaumlndigen die der Wissenschaftliche Ausschuss der EFSA eingerichtet hat um Leitlinien im Hinblick auf die kombinierte Exposition gegenuumlber mehreren chemi-schen Stoffen zu entwickeln Diese Initiative unter dem Namen bdquoMixToxldquo wird 2018 den Leitfaden in einer oumlffentlichen Konsultation diskutieren

Bei dieser Vielzahl an Aktivitaumlten Wel-ches Ziel haben Sie persoumlnlich vor Au-genDas Ziel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertung von Stoffen in der gesundheitlichen Risikocharakterisie-rung und deren harmonisierte Implemen-tierung in den gesetzlichen Verfahren Dies wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen

bdquoBei den kumulati-ven Risiken geht es nicht nur um Pflan-zenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatz-stoffe und andere Chemikalien

Dr Roland Solecki leitet die Abteilung bdquoSicherheit von Pestizidenldquo am BfR

copy B

fR

34 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

SPEKTRUM

Identifizierung endokriner Disruptoren Vom Grundsatz in die Praxis

Fuumlr Pestizid-Wirkstoffe und andere Chemikalien sind harmonisierte wissenschaftliche Kriterien erforderlich mit denen hormonschaumldigende Substanzen identifiziert werden koumlnnen Das BfR veroumlffentlichte hierzu bereits 2016 ein Konsenspapier als wissenschaftliche Grundlage fuumlr die darauffolgende Arbeit der EU-Behoumlrden Auf legislativer Ebene werden aktuell EU-weit geltende Ver-ordnungen festgelegt um auf wissenschaftlicher Ebene Leitlinien zur regulatorisch harmonisierten Umsetzung dieser Verordnungen zu erarbeiten Mit dieser Aufga-be hat die EU-Kommission die EFSA und die ECHA gemeinsam beauftragt Das BfR unterstuumltzt die Behoumlr-den mit wissenschaftlicher und technischer Expertise indem es die entsprechende Arbeitsgruppe bei der EFSA personell verstaumlrkt sowie Recherchen und Umfragen zur Praktikabilitaumlt von Untersuchungsmethoden durchfuumlhrt Die Publikation der Leitlinien wird fuumlr Fruumlhjahr 2018 erwartet Sie koumlnnen auf Basis der verabschiedeten Ver-ordnungen nach ihrer Implementierung in der Genehmi-gungspraxis angewendet werden

Mehr erfahren Solecki et al 2017 Scientific principles for the identification of endocrine-disrupting chemicals a consensus statement Arch Toxicol 91 1001ndash1006

Insekten-Stopp in Textilien Allergene Wirkung unwahrscheinlich

Das Risiko fuumlr eine Allergie nach dem Kontakt mit Kleidung und Produkten die mit dem Biozid Permethrin behandelt sind ist nach derzeitigem Kenntnisstand unwahrscheinlich Das ist das Ergebnis einer aktuellen Risikobewertung des BfR Gestuumltzt wird das Ergebnis dadurch dass trotz weitverbreiteter Anwendung des Wirkstoffs in Medikamenten und Verbraucherprodukten kein Anstieg der Kontaktallergien gegenuumlber Permethrin zu verzeichnen ist Das Risiko fuumlr kanzero-gene systemische Effekte infolge einer dermalen und oralen Exposition gegenuumlber Permethrin aus Textilien ist nach Ansicht des BfR vernachlaumlssigbar gering Permethrin ist ein biozider Wirkstoff der zum Schutz gegen Insekten in Produkten wie Schlafsaumlcken Picknick- und Yogadecken sowie Teppichen und Kleidung eingesetzt wird Er ist im Chemikalienrecht als sensibilisierend eingestuft ein moumlgliches geringes kanzerogenes Potenzial wird von verschiedenen wissenschaftlichen Gremien diskutiert Der Wirkstoff kann aus Textilien freigesetzt und uumlber die Haut aufgenommen werden Bei kleinen Kindern die viele Produkte in den Mund nehmen kommt eine moumlgliche orale Aufnah-me des Stoffes hinzu

Mehr erfahren Stellungnahme Nr 0062017 des BfR vom 25 April 2017

Wie wirkt Aluminium in Leber und Darm

Aluminium ist in Lebensmitteln Kosmetika und Bedarfsge-genstaumlnden enthalten und kann uumlber die Nahrung aufgenom-men werden Erste Ergebnisse aus dem deutsch-franzoumlsischen Forschungsprojekt bdquoSolNanoToxldquo mit Beteiligung des BfR zeigen dass sich aus der Nahrung aufgenommene Aluminiumverbin- dungen temporaumlr im Darm anreichern Ob und in welchen Men-gen die Partikel weiter in den Koumlrper insbesondere in die Leber gelangen und welche Faktoren ihre Wirkung beeinflussen wird aktuell erforscht Die Forschungsgruppe sieht Anhaltspunkte dafuumlr dass ein Teil der angereicherten Partikel mit dem Stuhl wieder ausgeschieden wird Fuumlr seine Untersuchung simulierte das BfR anhand biologischer Proben die Verdauung verschiede-ner Aluminiumarten vom Mund uumlber den Magen bis zum Darm Mithilfe von Enzymen und Salzen wurden dabei physiologische Parameter wie der pH-Wert gesteuert Waumlhrend des simulierten Verdauungsprozesses veraumlnderten die Aluminiumverbindungen ihre chemische Reaktionsfaumlhigkeit und Loumlslichkeit Die Erkennt-nisse sind ein erster Schritt um den Prozess der Aufnahme Resorption und Verteilung von Aluminium im Koumlrper besser zu verstehen und daraus Daten fuumlr die Risikobewertung abzuleiten Aluminiumverbindungen koumlnnen in zu hohen Dosen toxisch auf das Nervensystem und ungeborenes Leben wirken sowie die Fruchtbarkeit und Knochenentwicklung beeinflussen

copy B

fR

copy c

gsto

cks

hutte

rsto

ckc

om

copy R

osel

ynne

shu

tters

tock

com

35012017

Bei Kleidung ist besonders der Einsatz von Silber-Nanopartikeln weit verbreitet Silber wirkt antibakteriell und soll die Geruchs-bildung durch Schwitzen reduzieren Beim Einsatz von Nanosilber in Kleidungsstuuml-cken ist in erster Linie eine Freisetzung in Schweiszlig und somit ein moumlglicher Hautkon-takt relevant Neben der Frage ob und in welcher Menge Silber prinzipiell aus Texti-lien herausgeloumlst wird beschaumlftigt sich die Forschung mit der Frage welchen Einfluss die Technologie hat mit der Nanosilber auf Textilien aufgetragen bzw eingebracht wird Bisher war zudem unklar inwiefern die Oberflaumlchenbeschichtung der Nano-partikel die Abgabe beeinflusst

Kuumlnstlicher Schweiszlig simuliert Freisetzung

In einem Forschungsprojekt pruumlfte das BfR neun Proben von Textilien die mit Nanosil-ber veredelt waren Als Vergleich diente ein mit konventionellem Silber (hier Silbersalz mit einem Partikeldurchmesser groumlszliger als 100 Nanometer) ausgeruumlstetes Textil Zwei der Textilien waren sogenannte Komposite bei denen Nanosilber in die Faser integriert ist Bei den anderen getesteten Textilien war die Faseroberflaumlche mit Silber-Nano-partikeln bzw in einem Fall mit konventio-nellem Silber beschichtet (Textil-Coating) Um die Abgabe von Silber durch Schwitzen

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

Kleidung wird durch sie wasser- und schmutzabweisend sie blocken UV-Strahlen und mindern Geruumlche Nanoma-terialien haben beliebte funktionelle Eigenschaften Ob sie aufgrund ihrer Winzigkeit gesundheitliche Risiken bergen ist indes noch weitgehend unbekannt In einem Forschungsprojekt uumlber Nanosilber hat das BfR ermittelt ob sich die Kleinstteilchen aus Textilien herausloumlsen und damit zum gesundheitlichen Risiko werden koumlnnen

Nanomaterial

ist ein natuumlrliches bei Prozessen anfallendes oder kuumlnstlich hergestelltes Material das Partikel in ungebundenem Zustand als Aggregat oder als Agglo-merat enthaumllt und bei dem die Mehrheit der Partikel ein oder mehrere Auszligen-maszlige im Bereich unter 100 Nanometer hat In Nanogroumlszlige kann ein Stoff andere Eigenschaften besitzen als wenn er in Form groumlszligerer Partikel vorliegt

copy o

still

shu

tters

tock

com

36 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von Textilfasern Links Nanokomposit bei dem kaum Silberpartikel an der Faseroberflaumlche zu finden sind Mitte und rechts Textilien mit Silbercoating hier befindet sich insgesamt mehr Silber auf der Oberflaumlche

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

zu simulieren wurden die Textilien fuumlr 24 Stunden in einer Schweiszligsimulanz-Louml-sung inkubiert Fuumlr die Auswertung wurde zunaumlchst der gesamte Silbergehalt in den Schweiszligloumlsungen mit massenspektromet-rischen Messmethoden bestimmt In den Proben in denen Silber vorhanden war wurden anschlieszligend mit Zentrifugation und einer speziellen Methode zum Messen von Einzelpartikeln geloumlstes und partikulauml-res Silber unterschieden Im letzten Schritt wurden die Partikelgroumlszligen des vorgefun-denen partikulaumlren Silbers gemessen um nanoskaliges Silber zu identifizieren

Silber aus Kleidung freigesetzt

Die Untersuchung des BfR zeigte dass von jeder Textilprobe Silber in die Schweiszligsi-mulanz-Loumlsung uumlberging je nach geteste-tem Textil zwischen 7 und 75 Prozent des originaumlr in den Textilien enthaltenen Sil-bers Dabei setzten die beschichteten Tex-tilien mehr Silber frei als die Komposite Den houmlchsten abgegebenen Anteil fand das BfR bei dem mit konventionellem Silber beschichteten Textil Die Freisetzung wird demnach staumlrker durch die Technologie der Veredelung bestimmt als durch die im Tex-til enthaltene Menge Auszligerdem scheint die Abgaberate von Silber aus Nanosilber im Vergleich zu konventionellem Silber nicht erhoumlht zu sein

In der Schweiszligloumlsung lag das freigesetzte Silber uumlberwiegend geloumlst vor Partikulaumlres Silber fand sich nur zum geringeren Teil dann jedoch auch im Nanometerbereich Ob es sich dabei um einzelne Nanoparti-kel handelt oder ob das Silber an groumlszligere Partikel gebunden ist muss in weiteren Untersuchungen uumlberpruumlft werden Nach

derzeitigem wissenschaftlichem Kennt-nisstand geht man davon aus dass sich Nanopartikel im Koumlrper anders verhalten als groumlszligere Partikel Uumlberraschenderweise detektierte die Forschungsgruppe auch in den Schweiszligsimulanzien der mit konven-tionellem Silber beschichteten Textilien partikulaumlres Silber in Nanogroumlszlige Das Vor-kommen von Silberpartikeln scheint also nicht davon abhaumlngig zu sein ob das Silber in Nano- oder konventioneller Form auf das Textil aufgebracht wurde

In einer parallelen Untersuchung fanden die Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler heraus dass zudem die Beschaffenheit der Nanopartikel beispielsweise in Form einer speziellen Beschichtung ihre Loumlslichkeit in der Schweiszligloumlsung beeinflusst

Art der Beschichtung relevant

Silber wird demnach aus Textilien freige-setzt in geringen Teilen sogar in partiku- laumlrer Form Die gewaumlhlte Form der Tex-tilfunktionalisierung aber auch die Be-schaffenheit der Nanopartikel stellen dabei wichtige Kriterien fuumlr das Freisetzungsver-halten dar Solche Erkenntnisse sind vor al-lem fuumlr den sicheren Einsatz von Nanoma-terialien in Alltagsprodukten wichtig weil die Exposition des Menschen gegenuumlber derartigen Stoffen moumlglichst klein gehalten werden sollte Auszligerdem geben sie Hin-weise in welcher Anwendungsform Nano-materialien im verbrauchernahen Bereich sicher eingesetzt werden koumlnnen

Mehr erfahren Wagener et al 2016 Textile Functionalization and Its Effects on the Release of Silver Nanoparticles into Artificial Sweat Environ Sci Technol 50 11 5927ndash5934

Per Flugzeitmassenspek-trometer laumlsst sich Silber auf beschichteten Textil-fasern detektieren

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

NANOPARTIKEL

37012017

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

38 BfR 2 GO

Neuer Ansatz fuumlr Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

Spiegelbild gesucht

Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR zeigt einen neuen Ansatz um mithilfe von Genexpressionsdaten das geeignete Tiermodell fuumlr die Grundlagenforschung oder fuumlr spezifische klinische Fra-gestellungen zu identifizieren Damit koumlnnen zukuumlnftig unnoumltige Tierversu-che vermieden werden Hamburger Wissenschaftsbehoumlrden wuumlrdigten die Erkenntnisse mit einem Forschungspreis

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

39012017

Fragestellung

Vergleich

Auswahl

z B bdquoMit welchem Mausmodell koumlnnen die Ursachen von Alzheimer erforscht werdenldquo

Vergleich von vorhandenen Omics-Expressionsdaten von Mensch und Tier

Auswahl des geeigneten Modells

1

2

3

Geeignete Tiermodelle identifizieren

An Tiermodellen werden zahlreiche biologische Prozesse und Krankheiten wie Wund-

heilung Diabetes Tumoren oder entzuumlndliche Erkrankungen erforscht Durch den

Vergleich der Omics-Expressionsdaten von Tiermodell und Mensch koumlnnen geeignete

Modelle fuumlr die jeweilige Fragestellung identifiziert werden

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

40 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Verlaumluft ein entzuumlndlicher Prozess bei Maumlusen aumlhnlich wie beim Menschen Sind Maumluse daher geeignete Ver-

suchstiere fuumlr Tests von antientzuumlndlichen Substanzen Um Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung in den klinischen Alltag zu uumlberfuumlhren ndash Aufgabengebiet der translationalen Forschung ndash werden wissen-schaftliche Fragestellungen oft in Tierversu-chen erprobt Ob und inwieweit die Ergeb-nisse auf den Menschen uumlbertragbar sind ist dabei immer wieder Gegenstand kontrover-ser Diskussionen Geeignete Methoden mit denen die Wissenschaft Tiermodelle mit op-timaler Uumlbertragbarkeit auf den Menschen auswaumlhlen kann wuumlrden dem wissenschaft-lichen Fortschritt helfen und die Zahl der Tierversuche reduzieren Es geht dabei um die Frage welches Tiermodell am besten das menschliche System widerspiegelt

Vergleichbarkeit von Genom- daten fehleranfaumlllig

Als Grundlage fuumlr diese Uumlberlegungen die-nen Daten aus modernen bioanalytischen Hochdurchsatzverfahren Immer haumlufiger setzt die Wissenschaft auf diese sogenannten Omics-Technologien die die Gesamtheit aller Gene und ihrer Produkte analysieren ndash sowohl beim Tier als auch beim Menschen Mit ihnen lassen sich molekulare Prozesse in lebenden Systemen umfassend darstel-len indem sie beispielsweise die Interaktion hunderter bis tausender Genprodukte zei-gen Die Analyse dieser zunehmend kom-plexen Omics-Datensaumltze stellt die Wissen-schaft jedoch vor Probleme da das Vorgehen dazu nicht standardisiert ist Die Interpreta-tion der Ergebnisse ist bisher meist von der Kompetenz der Durchfuumlhrenden und von der angewandten Methode abhaumlngig Im Ergebnis war die Entscheidung zur Frage der Uumlbertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen fehleranfaumlllig und die Suche nach

geeigneten Tiermodellen erschwert Die ge-ringe Standardisierung der Interpretation von Omics-Daten fuumlhrte in Forschungs-kreisen bereits zu widerspruumlchlichen Er-gebnissen so zum Beispiel bei zwei Studien aus den Jahren 2013 und 2015 die sich mit der Vergleichbarkeit von entzuumlndlichen Er-krankungen beim Menschen und gaumlngigen Mausmodellen beschaumlftigten Waumlhrend eine Forschungsgruppe im Jahr 2013 schlussfol-gerte dass entzuumlndliche Prozesse zwischen Mensch und Maus nicht vergleichbar seien kam eine andere Gruppe zwei Jahre spaumlter anhand der gleichen Omics-Daten zum ge-genteiligen Schluss Die Maus reagiere auf der molekularen Ebene sehr aumlhnlich wie der Mensch und sei daher als Tiermodell sehr nuumltzlich fuumlr die Erforschung menschlicher Erkrankungen Zwar ist es nicht ungewoumlhn-lich dass Ergebnisse von Studien unter-schiedlich eingeschaumltzt werden ndash allerdings selten auf Basis der gleichen Daten

Motivation des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR war es diese Widerspruumlche aufzuklaumlren und einen standardisierten und zielgerichteten Analyseansatz zu entwickeln der die Suche nach geeigneten Tiermodellen vereinfacht und somit unnoumltige Tierversuche vermei-den hilft Es gehoumlrt zu den Kernaufgaben des Bf3R bundesweit alle Aktivitaumlten zu koordi-nieren mit den Zielen Tierversuche auf das unerlaumlssliche Maszlig zu beschraumlnken und fuumlr Versuchstiere den bestmoumlglichen Schutz zu gewaumlhrleisten Die Aufgaben des Bf3R wer-den vom BfR wahrgenommen

Genomdaten von Tier und Mensch gezielt vergleichen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler des Bf3R haben die Omics-Daten aus den beiden erwaumlhnten widerspruumlchlichen Studien mithilfe hochperformanter Com-

puter nochmals systematisch ausgewertet Dabei wurden zunaumlchst die zu verglei-chenden Gene gruppenweise biologischen Prozessen zugeordnet die wesentlich fuumlr ein Entzuumlndungsgeschehen sind Diese Gene Set Enrichment Analysis (GSEA) ge-nannte Methode greift auf umfangreiche in oumlffentlichen Datenbanken hinterlegte Genomdaten gaumlngiger Tiermodelle und von Erkrankten zuruumlck Mit ihrer Heran-gehensweise konnten die Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler des BfR an-schlieszligend Veraumlnderungen auf der Ebene pathologischer Signalwege erkennen und Unterschiede zwischen Tiermodell und Mensch identifizieren Da der Groszligteil der untersuchten Genprodukte haumlufig nur geringfuumlgig veraumlndert war konnten bei der Analyse auf Ebene vollstaumlndiger bio-logischer Signalwege alle Gene einbezogen und Aumlnderungen in der Gesamtheit eines biologischen Signalwegs bewertet werden Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu bisherigen Analyseansaumltzen da fuumlr die Klauml-rung translationaler Fragestellungen bisher haumlufig willkuumlrlich und subjektiv Gene von Mensch und Tiermodell fuumlr einen direkten Eins-zu-eins-Vergleich ausgewaumlhlt wurden

Die systematische Auswertung des Bf3R zeigte dass die Ergebnisse beim vorlie-genden Genomdatenvergleich bei einigen Mausmodellen gut mit den beim Menschen ermittelten Daten uumlbereinstimmten Bei an-deren Mausmodellen hingegen war es nicht so So aumlhnelt das Entzuumlndungsgeschehen bei Maumlusen die mit Staphylococcus aureus (Staphylococcus-aureus-Injektionsmodell) infiziert sind oder eine Darmperforation (Cecal-ligation-and-puncture-Modell) erfah-ren den meisten klinischen Proben Hin-gegen verlaufen Erkrankungen die durch Lipopolysaccharide (LPS) und Streptococcus pneumoniae verursacht werden bei Mensch und Maus verschieden

Omics

Der Terminus beschreibt Methoden zur

Analyse komplexer biologischer Proben

auf der Ebene des gesamten Genoms

von Transkripten Proteinen oder Meta-

boliten

41012017

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

Forschungsansatz hilft Tierversuche zu reduzieren

Die Methode der Datenanalyse mittels GSEA-Ansatz erleichtert es Forschungs-gruppen zukuumlnftig zielgerichtet und stan-dardisiert das optimale Tiermodell aus-zuwaumlhlen das am besten die menschliche Situation abbildet Voraussetzung dafuumlr ist die Existenz von Omics-Daten zur klini-schen Fragestellung sowie zu den infrage kommenden Tierversuchen Dies ist bereits fuumlr eine Vielzahl von Tiermodellen sowie von humanen Erkrankungen der Fall neben Entzuumlndungserkrankungen beispielsweise fuumlr Herz-Kreislauf-Erkrankungen Krebser-krankungen Atemwegserkrankungen Stoff-wechselerkrankungen und neurologische Erkrankungen Aufgrund der vermehrten Verwendung von Omics-Methoden kann davon ausgegangen werden dass stetig wei-tere systembiologische Daten ermittelt und veroumlffentlicht werden Die vom Bf3R ange-wandte Methode wird daher weiterhin bei der gezielten Auswahl von Tiermodellen nuumltzlich sein

Das Verfahren kann in der Grundlagen-forschung sowie in der translationalen und angewandten Forschung eingesetzt werden Diese Bereiche machten 2015 nach Anga-ben des Bundesministeriums fuumlr Ernaumlh-rung und Landwirtschaft mit insgesamt 73 Prozent den groumlszligten Teil der Tierversuche aus Ein Groszligteil davon entfaumlllt auf Maumluse Ratten und zunehmend auch auf Fische Grundsaumltzlich kann die neue Methode zur Auswahl des geeigneten Versuchstiermo-dells bzw zum Ausschluss nicht geeigneter Versuchstiermodelle bei jeglichen Tierver-suchen in diesen Bereichen genutzt werden Analog zu den Versuchstierzahlen liegen derzeit die meisten Omics-Daten fuumlr Maus und Ratte vor So sind beispielsweise allein in der oumlffentlichen NCBI GEO-Datenbank (National Center for Biotechnology Informa-tion Gene Expression Omnibus) derzeit Da-ten zu ca 340000 Maus-Proben und 75000 Ratte-Proben gelistet

Methode identifiziert geeignete Zellkulturmodelle

Dabei ist die Methode des Bf3R nicht auf humane und murine Datensaumltze beschraumlnkt sondern kann auf alle weiteren Spezies an-gewandt werden fuumlr die umfangreiche Da-tenbanken zu biologischen Signalwegen oder Gengruppen vorliegen Auch fuumlr die Beurteilung von zellbasierten Alternativ-methoden kann der neue Forschungsansatz

herangezogen werden Durch einen system-biologischen Abgleich der klinischen Daten mit Omics-Daten aus beispielsweise neuar-tigen 3D-Zellkulturen oder organaumlhnlichen Mikrostrukturen wird die Charakterisierung und Verifizierung von zellbasierten Alterna-tivmethoden ermoumlglicht

Praumlmierte Forschungsleistung

Fuumlr ihre Forschung erhielten die Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR 2016 den Hamburger Forschungspreis zur Foumlrderung der Entwicklung von Ersatz- und

Ergaumlnzungsmethoden Die Auszeichnung wurde zum erstem Mal von den Hamburger Behoumlrden fuumlr Gesundheit und Verbraucher-schutz sowie fuumlr Wissenschaft Forschung und Gleichstellung mit einem Foumlrderpreis in Houmlhe von 20000 Euro ausgeschrieben Der Preis wird fuumlr Arbeiten vergeben die einen Beitrag leisten Tierversuche zu ersetzen oder zu minimieren

Mehr erfahrenWeidner et al 2016 Defining the optimal animal model for translational research using gene set enrichment analysis EMBO Molecular Medicine 8 8 831ndash838

Wofuumlr Versuchstiere in Deutschland eingesetzt werden

630255Herstellung und Qualitaumlts-kontrolle medizinischer Produkte toxikologische Sicherheitspruumlfungen

22

59

14 5

1643259Grundlagenforschung

144997sonstige Zweckez B Zucht Aus- und Weiterbildung

381450translationale und angewandte Forschung

Que

lle B

unde

smin

iste

rium

fuumlr E

rnaumlh

rung

und

Lan

dwirt

scha

ft V

ersu

chst

ierz

ahle

n 20

15

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

42 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Alternativen zu Tierversuchen Forschung regional buumlndeln

Eine individualisierte Schmerztherapie fuumlr Versuchsmaumluse und eine Verringerung von Tierexperimenten zum Test der Inhala- tionstoxizitaumlt von Nanomaterialien (siehe rechte Spalte) ndash hierzu sollen die ersten Arbeitsergebnisse des BfR im Berlin-Bran-denburgischen Verbundprojekt BB3R zukuumlnftig beitragen Das Netzwerk aus Universitaumlten und Bundesinstitutionen forscht um Tierversuche zu vermeiden (Replacement) bzw zu verringern (Reduction) sowie das Leiden von Versuchstieren zu vermindern (Refinement) Das BfR ist als einer von sechs Verbundpartnern in den Bereichen der Refinement- und Replacement-Forschung beteiligt Das Bundesforschungsministerium foumlrdert das mit BB3R abgekuumlrzte Projekt fuumlr vier Jahre bis Fruumlhjahr 2018 es ist als Plattform fuumlr den wissenschaftlichen Austausch konzipiert und integriert ein Graduiertenkolleg

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschungwwwbb3rde

Belastung von Laborfischen erkennen

Koumlrperbau

Koumlrpermerkmale

Verhaltenkreisendes Schwimmen

Belastung von Laborfischen erkennen

Ob Laborfische Schmerzen empfinden oder leiden laumlsst sich mithilfe konkreter Kriterien beurteilen Die Vorarbeiten hierzu koordinierte der bdquoNationale Ausschuss zumSchutz von fuumlr wissenschaftliche Zweckeverwendeten Tierenldquo am BfR gemeinsam mit externen Sachverstaumlndigen und Beauf-tragten von Genehmigungsbehoumlrden Die erstmals definierten Kriterien bewerten unter anderem Auffaumllligkeiten im Koumlrper-bau sowie im Verhalten der Tiere Schmer-zen und Leiden koumlnnen so gezielt behandelt und gelindert werden Da die Frage der Belastung der Tiere anhand der Kriterien eindeutig geklaumlrt werden kann dienen sie zudem als Entscheidungshilfe fuumlr Behoumlr-den welche die Zucht belasteter genetisch veraumlnderter Tiere genehmigen muumlssen Fische insbesondere Zebrafische sind nach Maumlusen und Ratten die am dritthaumlufigsten verwendete Versuchstierart Die Zahl der Versuchsfische hat in den letzten Jahren stetig zugenommen

Mehr erfahren Bert et al 2016 Considerations for aEuropean animal welfare standard toevaluate adverse phenotypes in teleost fish EMBO J 35 11 1151ndash1154Empfehlung des Nationalen Ausschusses TierSchG Nr 0012015

Test der Inhalationstoxizitaumlt von Nanomaterialien

Die Einatmung gilt als wichtigster Aufnahmeweg fuumlr Nanomaterialien Im Rahmen der BB3R-Forschung bildet das BfR diese Art der Exposition mit In-vitro- Atemwegsepithelmodellen an ihrer Grenzflaumlche zur Luft ab Dieser Ansatz zum Test der Inhalationstoxi-zitaumlt hilft Anzahl und Umfang von Tierversuchen zu verringern

Versuchsaufbau Drei Roumlhrchen leiten ein Testaerosol mit luftgetragenen Nanomaterialien auf Epithelzellen

SPEKTRUM

copy B

fR

43012017

Jubilaumlumsfeier und internationales Symposium

Am 29 November 2017 feiert das BfR sein 15-jaumlh-riges Bestehen mit einem Festakt Geplant ist eine Feier mit ausgewaumlhlten Gaumlsten in der Akademie der Kuumlnste Anschlieszligend findet vom 30 Novem-ber bis zum 01 Dezember 2017 das gemeinsame internationale Symposium des BfR und seiner Schwesterinstitutionen aus Daumlnemark (DTU Food) und Frankreich (ANSES) sowie der suumldko-reanischen Behoumlrde fuumlr Lebens- und Arzneimittel-sicherheit (NIFDS) statt Unter dem Motto bdquoPast Present and Future Challenges in Risk Assessment ndash Strengthening Consumer Health Protectionldquo werden die letzten anderthalb Jahrzehnte Risikobewer-tung betrachtet Daruumlber hinaus werden aktuelle Aktivitaumlten sowie zukuumlnftige Herausforderungen des Verbraucherschutzes wie mikrobiologische Erreger chemische Substanzen Methoden und Harmonisierung auf nationaler wie internationa-ler Ebene diskutiert

VERANSTALTUNGEN

Nachwuchs foumlrdern

Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu foumlr-dern baut das BfR wissenschaftliche Nachwuchs-gruppen zu bestimmten Schwerpunktthemen auf Die bereits 2015 eingerichtete Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Warenketteldquo wird im Herbst 2017 durch einen weiteren Dokto-randen verstaumlrkt

Verstaumlrkung im Versuchstierschutz

Seit dem 1 April 2017 staumlrkt die Berufung von Herrn Universitaumltsprofessor Dr Lars Lewejo-hann den Kompetenzbereich bdquoVerminderung der Belastung und Verbesserung der Lebenssitua-tionldquo des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) Neben der Leitung der Fachgruppe bdquoTierschutz und Versuchstierkundeldquo im BfR wird Lars Lewejohann sein Wissen und neue Erkenntnisse als Hochschullehrer fuumlr bdquoTier-schutz mit dem Schwerpunkt Refinementldquo an der veterinaumlrmedizinischen Fakultaumlt der Freien Universitaumlt Berlin an Studierende und Doktoran-den weitergeben

PERSONALIEN

Alternativmethode zum Tierversuch bdquoKnochen-auf-dem-Chipldquo

Im Mai 2017 fand bei der Gemeinsamen For-schungsstelle (GFS)Joint Research Centre (JRC) der Generaldirektion (Directorate General) der Europaumlischen Kommission eine Summer School zu alternativen Ansaumltzen zum Tierversuch fuumlr die Risikobewertung in Ispra (Italien) statt Dort wurde Herr Dr Ing Frank Schulze aus der BfR-Fachgruppe bdquoZEBET ndash Alternativmethoden zu Tierversuchenldquo fuumlr seine Praumlsentation und das dazugehoumlrige Poster zum Thema bdquoEin Knochen-auf-dem-Chip fuumlr die Grundlagenwissenschaft und die Identifizierung von knochenschaumldigen-den Substanzenldquo mit einem Posterpreis (1 Platz) ausgezeichnet

copy B

fR

copy p

rivat

INSTITUTSLEBEN

44 BfR 2 GO

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

chungen zu der Zerstoumlrung der sinusoidalen Endothelzellen durch 12-ungesaumlttigte PA sollen zum Verstaumlndnis der Mechanismen beitragen die zu den venookklusiven Ver-aumlnderungen in der Leber fuumlhren Auch wer-den Untersuchungen zur Metabolisierung nahrungsrelevanter Pyrrolizidinalkaloide durchgefuumlhrt Die Forschungsprojekte wer-den von der Deutschen Forschungsgemein-schaft (DFG) gefoumlrdert

Empfehlungen zur Reduktion der PA-Gehalte

Das BfR empfiehlt dass sich Management-maszlignahmen an der Vermeidung genoto-xisch-kanzerogener Effekte der 12-ungesaumlt-tigten PA als dem empfindlichsten Endpunkt orientieren Die Gesamtaufnahme von 12-ungesaumlttigten PA sollte fuumlr Verbrau-cherinnen und Verbraucher so gering wie moumlglich sein Dazu sollten die PA-Gehalte in Lebensmitteln so weit wie moumlglich sin-ken Dies gilt insbesondere fuumlr Kraumlutertees Rooibostee Schwarzen Tee und Gruumlnen Tee sowie bestimmte Nahrungsergaumlnzungsmit-tel Hier sollten Anbau- Ernte- und Reini-gungsmethoden weiterhin verbessert wer-den Auch die Auswahl der Rohhonige kann zu einer Reduzierung der Gehalte an 12-un-gesaumlttigten PA in verzehrfertigen Honigen beitragen Auszligerdem sind vor der Vermark-tung seitens der Lebensmittelunternehmer weiterhin Kontrollen in allen betroffenen Lebensmittelkategorien notwendig

Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das potenzielle gesundheitliche Risiko durch PA durch eine abwechslungsreiche Ernaumlh-rung verringern und so generell einseitigen Belastungen mit verschiedenen potenziell gesundheitsgefaumlhrdenden Stoffen vorbeu-gen Insbesondere fuumlr Kinder Schwangere und Stillende empfiehlt das BfR den taumlgli-chen Fluumlssigkeitsbedarf nicht ausschlieszliglich mit Kraumlutertee und Tee zu decken

Bei der Zubereitung von Salat Blattgemuumlse und Kraumlutern sollten Verbraucherinnen und Verbraucher Pflanzenteile aussortieren die sie keinen bekannten essbaren Pflanzen zu-ordnen koumlnnen

Wer Nahrungsergaumlnzungsmittel auf Pollen-basis oder auf Basis von Pflanzen einnimmt die 12-ungesaumlttigte PA bilden sollte sich bewusst sein dass diese Produkte 12-un-gesaumlttigte PA in houmlheren Konzentrationen enthalten koumlnnen

Mehr erfahrenStellungnahme Nr 0302016 des BfR vom 28 September 2016

Necinbase

Necinsaumlure

Die Struktur von PA

Chemisch handelt es sich um Ester aus einer Necinbase und aliphatischen Mono- oder Dicarbonsaumluren (Necin-saumluren) Aus toxikologischer Sicht besonders bedeutsam sind Pyrroli-zidinalkaloide mit 12-ungesaumlttigter Necinstruktur (12-ungesaumlttigte PA) Die 12-ungesaumlttigte Necinstruktur als gemeinsames Strukturmerkmal erlaubt grundsaumltzlich die Giftung durch Oxidation zum Dehydropyrrolizidin das durch seine alkylierenden Eigenschaf-ten fuumlr die genotoxische und karzino-gene Wirkung dieser Substanzgruppe verantwortlich ist

copy R

ukiM

edia

shu

tters

tock

com

copy J

iri H

era

shut

ters

tock

com

PYRROLIZIDINALKALOIDE

23012017

Im suumldlichen Afrika spielt die Landwirt-schaft eine Schluumlsselrolle bei der Armuts-bekaumlmpfung Eine wachsende Produktion tierischer Lebensmittel bringt jedoch auch neue Herausforderungen an die Lebensmit-telsicherheit mit sich Das BfR-Forschungs-projekt bdquoSAD-Zambialdquo (bdquoStaphylococcus aureus in der Milchlebensmittelkette in Sambia ndash Bekaumlmpfung lebensmittelbeding-ter Erkrankungen und Antibiotikaresisten-zen beim Menschldquo) befasst sich damit wie die Produktion und der Vertrieb von Milch und Milchprodukten in Sambia sicherer gestaltet werden koumlnnen Ziel ist es zu be-werten in welchem Umfang das Bakterium Staphylococcus (S) aureus uumlber Milch und Milchprodukte auf den Menschen uumlbertra-gen wird In einem ersten Schritt werden Feldstudien in verschiedenen Provinzen des Landes durchgefuumlhrt um das Vorkommen dieses Erregers und moumlgliche Schwachstel-len in der Milchlebensmittelkette in Sambia zu analysieren Hierbei stehen Toxin-bil-dende S aureus-Staumlmme im Fokus Auszliger-dem wird untersucht in welchem Umfang Methicillin-resistente S aureus (MRSA) die gegen eine bestimmte Klasse von Antibio-tika resistent sind in der Milchlebensmit-

telkette vorkommen Die Bewertungsarbeit beinhaltet auch einen Vergleich traditio-neller und moderner Produktionssysteme Am BfR werden anschlieszligend die Analysen zu den Eigenschaften der gewonnenen Bakterienstaumlmme sowie stammvergleichen-de Untersuchungen durchgefuumlhrt In einem weiteren Schritt werden Ansatzpunkte zur Reduzierung der Bakterien sowie Methoden zum Monitoring von zoonotischen und An-tibiotika-resistenten S aureus in der Milch-lebensmittelkette in Sambia entwickelt So soll zum Verstaumlndnis der lebensmittelbe-dingten Risiken entlang der Milchlebens-mittelkette in Sambia beigetragen werden Das Projekt begann am 01072016 und laumluft drei Jahre Es wird vom Bundesminis-terium fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft gefoumlrdert und aus BfR-Mitteln co-finanziert Neben dem BfR beteiligen sich an dem For-schungsprojekt das International Livestock Research Institute die University of Zambia und das Central Veterinary Research Insti-tute als Teil des sambischen Ministeriums fuumlr Nutztiere und Fischerei Durch dieses Forschungsnetzwerk soll eine nachhaltige Partnerschaft aufgebaut werden

Mit dem Forschungsprojekt bdquoSAD-Zambialdquo leistet das BfR einen Beitrag zur Staumlrkung der Lebensmittelsicherheit und damit zur Ernaumlhrungssicherheit im suumldlichen Afrika Koordinatorin des Projekts ist Frau Dr Alexandra Fetsch Der sambische Doktorand Herr Bruno Phiri berichtet von seiner alltaumlglichen Arbeit Beide arbeiten in der Fach-gruppe bdquoMikrobielle Toxineldquo des BfR

POST AUS hellipSAMBIA

raquobdquoDas SAD-Zambia Projekt ist fuumlr mich ein Meilenstein und ich bin dem BfR sehr dankbar dass es mir diese Moumlglichkeit gibt Ich habe schon viel dazugelernt und konnte meine Kompetenzen bezuumlglich der Diagnose von Krankheitserregern verbessern Das Projekt bringt mich aber nicht nur persoumlnlich voran auch mein Land kann davon profitieren Mein Arbeitsalltag beginnt meist mit einem Besuch bei den Milchbauern und ihren Herden Dort schaue ich mir an wie die Kuumlhe gemolken werden und nehme Proben von den Tieren der Milch und der Umge-bung Auch in Milchsammelstellen und auf Maumlrkten nehme ich Proben Diese analysiere ich anschlieszligend im Labor an der Universitaumlt Schon jetzt freue ich mich auf die weiteren Untersuchungen der Bakterienstaumlm-me am BfR Ich war zu Beginn des Projektes dort ndash eine sehr eindrucks-volle Erfahrungldquo

(Bruno Phiri)

copy a

stud

ios

hutte

rsto

ckc

om

copy B

fR

24 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

Algengift in Tropenfischen

Bisher traten Lebensmittelvergiftungen durch Ciguato-xin ndash einem Algentoxin das in tropischen Speisefischen wie Barrakuda Schnapper oder Zackenbarsch enthalten sein kann ndash vorwiegend in den Tropen auf Mit dem zunehmenden Import von Fischen aus Suumldostasien haumlufen sich auch in Europa und seit 2012 in Deutschland Faumllle von Ciguatera Ein Problem dabei Eine Analyse-methode mit der Fisch routinemaumlszligig auf Ciguatoxine untersucht werden kann ist derzeit noch nicht verfuumlgbar Da weltweit nur wenige Labore auf den Nachweis von Ci-guatoxinen in Fischen spezialisiert sind wird im Projekt bdquoEuroCigualdquo der Europaumlischen Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit (EFSA) unter anderem an der Verbesserung entsprechender Analysemethoden und zum Vorkommen ciguatoxischer Fische in Europa geforscht Das BfR liefert fuumlr das Projekt Angaben zu Erkrankungsfaumlllen in Deutschland Die krankmachenden Algentoxine reichern sich uumlber die Nahrungskette in Raubfischen an und sind uumlberaus stabil Durch Erhitzen oder Tiefkuumlhlen lassen sie sich nicht entfernen Beim Menschen kann der Verzehr betroffener Fische dann zu Vergiftungen mit zum Teil schweren oder andauernden Beeintraumlchtigungen des Nervensystems fuumlhren An Ciguatera Erkrankte nehmen normale Kaumlltereize als ungewoumlhnlich schmerzhaft wahr

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt A-Z-Index Ciguatoxin

Alkaloide in Lupinensamen

In verarbeiteten Produkten oder zum Knabbern Lupinensamen sind im Trend Da sie jedoch toxikologisch relevante bittere Chinolizidinalkaloide enthalten koumlnnen bewertet das BfR ihr gesundheitliches Risiko Der Gehalt an Chinolizi-dinalkaloiden in Lupinensamen variiert je nach botanischer und geografischer Abstammung Samen die von bdquoBitterlupinenldquo stammen sind aufgrund ihrer houmlheren Gehalte ohne geeignete Vorbehandlung der bdquoEntbitterungldquo nicht zum Verzehr geeignet Denn Sie koumlnnen beim Menschen Vergiftungssymptome her-vorrufen Lupinenvarietaumlten die Samen mit niedrigen Alkaloidgehalten liefern werden als bdquoSuumlszliglupinenldquo bezeichnet Suumlszliglupinensamen sind auch ohne Entbitte-rung verzehrsfaumlhig In Deutschland kam es mit Bitterlupinensamen vereinzelt zu Vergiftungsfaumlllen Das BfR empfiehlt Herstellern daher nur ganze Lupinensamen in den Verkehr zu bringen die ohne weitere Entbitterungsprozesse verzehrsfaumlhig sind Mehl aus Lupinensamen sollten Hersteller aus alkaloidarmen oder ausrei-chend entbitterten Samen herstellen

Uumlbertragungswege des Hepatitis-E-Virus

Infektionen mit dem Hepatitis-E-Virus (HEV) koumlnnen zu einer akuten Leberentzuumlndung fuumlhren In den letzten Jahren sind die Zahlen gemeldeter Hepatitis-E-Faumllle des Menschen in Deutsch-land stark angestiegen Forschungsergebnisse des BfR in Zusam-menarbeit mit anderen Einrichtungen haben gezeigt dass das Virus in deutschen Haus- und Wildschweinen weit verbreitet ist Vereinzelt wurde HEV auch in Rehen und Rotwild nachgewiesen

Unklar ist derzeit noch auf welchen Wegen sich die Patienten mit dem Virus anstecken Moumlglich sind direkte Virusuumlbertra-gungen zum Beispiel vom Wildtier auf den Jaumlger und indirekte uumlber Lebensmittel die aus infizierten Tieren hergestellt wurden Wie aktuelle Studien des BfR zeigen kann HEV in verschiedenen Wurstwaren aus dem deutschen Einzelhandel nachgewiesen wer-den Fraglich ist ob das Virus in diesen Produkten noch anste-ckend ist oder ob es bei der Herstellung der Lebensmittel zerstoumlrt wird Hierfuumlr noumltige Untersuchungen waren in der Vergangenheit erschwert da sich HEV im Labor nur schlecht kultivieren lieszlig Erste Ergebnisse von Untersuchungen mithilfe eines am BfR ent-wickelten neuartigen Zellkultur-Systems weisen darauf hin dass HEV hitzeempfindlich ist aber bei Kuumlhlung oder Raumtempera-tur mehrere Wochen infektioumls bleiben kann

SPEKTRUM

copy N

eil B

urto

nsh

utte

rsto

ckc

om

copy N

atal

ia M

ylov

ash

utte

rsto

ckc

om

copy iS

tock

com

Mee

Poo

hyap

hoto

25012017

bdquoNur eine gemeinsame Strategie ist effektivldquo

Frau Kaumlsbohrer ein zentrales Thema Ihrer Forschung sind Antibiotikaresis-tenzen In der oumlffentlichen Debatte wird oft ein Zusammenhang hergestellt zwi-schen dem haumlufigen Einsatz von Anti-biotika in der Nutztierhaltung und dem Auftreten resistenter Bakterien in der Humanmedizin Doch werden bei Tieren nicht andere Antibiotika eingesetzt als bei MenschenUm die Unterschiede zu erlaumlutern muss man zwischen Praumlparaten und den antibiotischen Wirkstoffgruppen unterscheiden Beim Tier verwenden Veterinaumlrmediziner ande-re Praumlparate als Aumlrzte beim Menschen Der wirksame Inhaltsstoff das Antibiotikum kann aber dasselbe sein Die Antibiotika lassen sich wiederum in Wirkstoffgruppen einteilen Mit Blick auf die Wirkstoffgrup-pen gilt Die meisten Antibiotika die beim Menschen eingesetzt werden gehoumlren zu Wirkstoffgruppen die wir auch in der Vete-rinaumlrmedizin nutzen Es gibt nur ganz weni-ge Antibiotikagruppen die nur auf der einen oder der anderen Seite verwendet werden Dazu gehoumlren zum Beispiel die Carbapene-me die nicht beim Nutztier eingesetzt wer-den duumlrfen In der Humanmedizin kommen sie insbesondere zum Einsatz wenn andere Antibiotika nicht mehr wirksam sind

bdquoEine Resistenz ge-gen einen bestimm-ten Wirkstoff kann sich auch ausbrei-ten obwohl diese Wirkstoffgruppe nicht eingesetzt wurde

Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer leitet am BfR die Fachgruppe bdquoEpide-miologie Zoonosen und Antibiotika-resistenzldquo die unter anderem auch das Nationale Referenzlabor fuumlr Antibiotika- resistenzen umfasst Seit April 2016 ist sie auszligerdem Professorin an der Vetmeduni Vienna und leitet dort das Institut bdquoOumlffentliches Veterinaumlrwesenldquo

Wenn sie beim Nutztier nicht eingesetzt werden duumlrfen wie kann es dann sein dass Sie am BfR im Rahmen des For-schungsprojekts RESET Carbapene-mase-bildende Bakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden gefunden habenDie Entstehung von Antibiotikaresistenzen ist ein natuumlrlicher Vorgang bei Bakterien Durch den Gebrauch von Antibiotika wird dieser Prozess beschleunigt Eine Resistenz gegen einen bestimmten Wirkstoff kann sich auch ausbreiten obwohl diese Wirk-stoffgruppe nicht eingesetzt wurde Dank der Selektion gilt meist Wenn ich einen Wirkstoff einsetze gebe ich jenen Bakterien einen Vorteil die gegen den Wirkstoff resis-tent sind Aber Carbapenemasen also die Enzyme die von Carbapenem-resistenten Bakterien gebildet werden koumlnnen neben den Carbapenemen auch fast alle anderen

Bakterien die gegen Antibiotika resistent sind stellen ein Risiko fuumlr die oumlffentliche Gesundheit dar Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer widmet sich am BfR dieser Problematik Im Gespraumlch erklaumlrt sie welche Faktoren bei der Ausbreitung von Resistenzen eine Rolle spielen

copy M

icha

el B

ernk

opf

Vetm

edun

i Vie

nna

26 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

β-Laktam-Antibiotika inaktivieren Theo-retisch ist es daher moumlglich dass sich eine Resistenz gegen Carbapeneme ausbreitet obwohl der Tierarzt beim Nutztier eine an-dere Wirkstoffgruppe eingesetzt hat Ist die Resistenz bei Bakterien vorhanden gibt es viele Ausbreitungswege Ein Stall ist kein steriler Ort sondern belebte Umwelt Moumlg-liche Eintragswege fuumlr resistente Bakterien in einen Stall sind z B belebte Vektoren wie neu eingestallte Tiere Maumluse Fliegen oder Voumlgel aber auch unbelebte Vektoren wie Futter Wasser Staub oder Geraumltschaften

Was hat sich seit dem Fund der Carba-penemase-bildenden Enterobakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden fuumlr Ihre Arbeit beim BfR geaumlndert Der Fund hatte vielfaumlltige Konsequenzen Wir haben vor allem die gezielten Untersu-chungsaktivitaumlten verstaumlrkt Bakterien-Iso-late aus Tierbestaumlnden und Lebensmitteln werden seit 2014 im Rahmen des Resistenz-monitorings im BfR routinemaumlszligig auf eine Carbapenem-Resistenz getestet Auszligerdem steht seit 2015 fuumlr den Nachweis von Carba-penemase-bildenden Bakterien ein weiteres gezieltes Nachweisverfahren zur Verfuumlgung Hierzu muumlssen die Labore geschult werden Zusaumltzlich werden im Nationalen Refe-renzlabor fuumlr Antibiotikaresistenz am BfR Carbapenemase-verdaumlchtige Bakterien auf die charakteristischen Resistenzgene hin un-tersucht Am BfR wurden hierfuumlr verschie-dene Methoden fuumlr die Untersuchung von E coli und Salmonella etabliert Bisher wur-den sehr selten solche Resistenzgene nach-gewiesen bei Nutztieren das Gen blaVIM-1 bei einem Wildvogel das Gen blaNDM-1

Oftmals sind die Resistenzgene gegen Carbapeneme zusammen mit anderen Resistenzgenen auf mobilen geneti-schen Elementen lokalisiert Warum ist hier besondere Vorsicht gebotenZunaumlchst ist die Trefferwahrscheinlichkeit fuumlr eine Selektion houmlher wenn mehrere Re-sistenzgene auf einem genetischen Element liegen d h der Einsatz verschiedener Anti-biotika kann zu einem Selektionsvorteil fuumlh-ren Die Lokalisation von Resistenzgenen auf mobilen genetischen Elementen spielt fuumlr die Uumlbertragbarkeit von Resistenzen eine wichtige Rolle Denn Diese Resistenzgene koumlnnen mittels horizontalem Gentransfer auf ganz unterschiedliche Bakteriengruppen uumlbertragen werden Diese Erkenntnis hat eine Art Revolution ausgeloumlst Lange Zeit wurde ein Erreger mit all seinen Eigenschaf-ten als Einheit betrachtet Kann die Resis-tenz aber zwischen Bakteriengruppen hin

und her uumlbertragen werden verfaumllscht das moumlglicherweise den Blick auf eine Gruppe Folglich mussten die Nachweisverfahren umgestellt und die Uumlbertragbarkeit von Re-sistenzen mit analysiert werden Erschwe-rend kommt hinzu dass ein Resistenzgen auf einem grundsaumltzlich ungefaumlhrlichen

Bakterium zum Problem werden kann Manche Bakterien wie beispielsweise E coli gehoumlren zur normalen Darmflora Traumlgt so ein Bakterium eine Resistenzeigenschaft ist das erstmal nicht gefaumlhrlich Aber Es kann diese Eigenschaft moumlglicherweise an einen Infektionserreger weitergeben

Welche konkreten Folgen kann eine solche Weitergabe von Resistenzeigen-schaften habenSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt Schon jetzt weichen Aumlrzte auf Wirk-stoffgruppen aus die in der Humanmedizin lange verpoumlnt waren Dies gilt zum Beispiel fuumlr Colistin Fuumlr den Menschen ist es nicht gut vertraumlglich moumlgliche Nebenwirkun-gen sind beispielsweise die Schaumldigung der Nieren oder des Nervensystems In der Ve-terinaumlrmedizin hat Colistin seit Jahrzehnten eine erhebliche Bedeutung vor allem fuumlr die Behandlung von Infektionen des Ma-gen-Darm-Traktes bei Nutztieren auch um andere Wirkstoffgruppen zu vermeiden

Spielt im Fall von Colistin die Mobilitaumlt des Resistenzgens auch eine besonde-re Rolle Inzwischen ja Bis Ende 2015 waren sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler einig Eine Colistin-Resistenz ist nicht uumlbertragbar Das heiszligt kommt eine solche Resistenz bei einem Infektionserreger beim Nutztier vor ist sie nicht per se auf ein hu-manpathogenes Bakterium uumlbertragbar Doch Ende 2015 wurde in China erstmals das uumlbertragbare Gen mcr-1 beschrieben Untersuchungen in Belgien haben spaumlter zur Beschreibung eines weiteren mobilen Gens fuumlr die Colistin-Resistenz bei Nutztieren

bdquoSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

27012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Ausbreitung von Resistenzen

Haustiere

Krankenhaus

Belastetepflanzliche Lebensmittel

Belastete tierische Lebensmittel

Nutztiere

Futtermittel

Schaumldlinge

Uumlbertragungswege resistenter Bakterien

Menschen

Eine Antibiotikaresistenz entsteht

(z B durch Mutation)

Antibiotikatherapie beguumlnstigt die

Selektion resistenter Bakterien

Nahrung

Duumlnger Abwasser

Abwasser

28 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

gefuumlhrt mcr-2 Das bedeutet eine Uumlbertra-gung der durch diese Gene vermittelten Re-sistenz auf ein humanpathogenes Bakterium ist theoretisch moumlglich Allerdings scheint dies bisher selten der Fall zu sein

Diese Erkenntnisse offenbaren einen groszligen Forschungsbedarf Was tun Sie in der Abteilung bdquoBiologische Sicher-heitldquo um das Risiko zu bewerten Als 2015 klar wurde dass es eine uumlbertrag-bare Colistin-Resistenz gibt haben wir diese neue Erkenntnis in den laufenden Projekten natuumlrlich sofort aufgegriffen Im Rahmen des Forschungsprojekts RE-SET haben wir zum Beispiel vorhandenes Bakterienmaterial und die bei unseren Ko-operationspartnern verfuumlgbaren Gesamt-genominformationen auf das Vorkommen dieses neuen Resistenzgens gepruumlft Schnell war klar Ja dieses Gen finden wir in den Sequenzen Und die Pruumlfung von Colis-tin-resistenten Isolaten aus unserer Stamm-sammlung hat bestaumltigt dass dieses Resis-tenzgen bereits weit verbreitet ist

Muumlssen nun neue Forschungsprojekte zu dem Thema initiiert werdenJa denn viele Fragen bleiben bislang offen Wie haumlufig wird die Resistenz tatsaumlchlich uumlbertragen Was triggert diese Uumlbertra-gung Es gibt auch diagnostische Probleme Das uumlbliche Verfahren in der Humanmedi-zin um Resistenzen zu testen umfasst in der Regel nicht die Resistenz gegen Colistin Es gibt also viel zu tun Neue Diagnose- und Typisierungsverfahren aufbauen unser Re-sistenzmonitoring erweitern und routine-maumlszligig phaumlnotypisch resistente Isolate auf das Gen pruumlfen Die Ergebnisse muumlssen wir dann uumlbergreifend bewerten um Hand-lungsoptionen aufzuzeigen

Welche Uumlbertragungswege spielen bei der Colistin-Resistenz fuumlr den Men-schen eine Rolle Mit Sicherheit koumlnnen wir das derzeit nicht sagen Die chinesische Arbeitsgruppe hat Colistin-Resistenzen sowohl im Schweine-fleisch als auch beim Menschen gefunden Daher liegt die Hypothese nahe dass es eine Uumlbertragung uumlber Lebensmittel gibt Gleichzeitig gibt es generell die Beobachtung von nosokomialen Ausbreitungen resisten-ter Bakterien Das sind Ausbreitungen von Antibiotikaresistenzen im Krankenhaus

Resistenzen breiten sich aus Wunder-waffen verlieren ihre Wirkung selbst im Krankenhaus sind wir nicht sicher Gibt es uumlberhaupt eine effiziente Strategie gegen die Ausbreitung der Antibiotika- resistenzen Und wer ist dabei gefor-dertUm die Ausbreitung von Antibiotika- resistenzen zu verhindern braucht es eine gemeinsame Strategie Schlieszliglich sind hier komplexe Zusammenhaumlnge zwischen Mensch Tier und Umwelt am Werk Am BfR streben wir deswegen eine enge Zu-sammenarbeit mit allen Akteuren im oumlffent-lichen Gesundheits- und Veterinaumlrwesen an Bei diesem bdquoOne Health-Ansatzldquo sind sowohl Veterinaumlr- als auch Humanmedizi-ner gefordert Auch Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

Was sollten Verbraucherinnen und Ver-braucher beachtenHier gelten dieselben Hygieneregeln die auch fuumlr andere vom Tier oder vom Le-bensmittel auf den Menschen uumlbertragba-re Krankheitserreger gelten Zum Beispiel sollten sie sich nach dem Kontakt mit Tie-ren die Haumlnde mit warmem Wasser und Seife waschen Auch nach der Zubereitung von rohem Fleisch sollten die Haumlnde gruumlnd-lich gewaschen werden Fleisch Eier und Rohmilch sollten vor dem Verzehr durcher-hitzt werden Rohkost und Obst sollten vor dem Verzehr gruumlndlich mit Trinkwasser gewaschen oder geschaumllt werden Weiterhin wichtig ist den direkten oder indirekten Kontakt von rohem Fleisch und rohen Ei-ern mit verzehrfertigen Speisen die spaumlter nicht mehr erhitzt werden zu vermeiden Durch die Einhaltung der Hygieneregeln kann man einer Uumlbertragung von resisten-ten und oder pathogenen Bakterien auf an-dere Lebensmittel vorbeugen

Mehr erfahren Irrgang et al 2017 Recurrent detection of VIM-1-producing Escherichia coli clone in German pig production Journal ofAntimicrobial Chemotherapy 72 3 944ndash946

bdquoVerbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

RESET

Der Forschungsverbund RESET ndash Antibiotika-Resistenzen bei Tier und Mensch ndash beschaumlftigte sich von 2010 bis 2017 mit Resistenzen gegen die besonders wichtigen Antibiotika-Klas-sen der β-Laktam-Antibiotika und (Fluor-)Chinolone bei Darmbakterien wie Escherichia (E) coli Sind Bak-terien gegen beide Wirkstoffklassen resistent werden die therapeutischen Moumlglichkeiten drastisch eingeschraumlnkt Bei E coli und Salmonella enterica wurden derartige Resistenzen bereits nachgewiesen Das BfR beteiligte sich mit zwei Projekten an dem Forschungs-verbund Durch das konsequente Zusammenfuumlhren von Ergebnissen der unterschiedlichen Forschungsgebiete in einer gemeinsamen Datenbank konnten Erkenntnisluumlcken geschlossen und Risiken bewertet werden Das Projekt wurde vom Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) gefoumlrdert

29012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Kann es durch die Mischung verschiedener Pestizid-Ruumlckstaumlnde beim taumlglichen Verzehr zu gesundheitsgefaumlhrdenden Belastungen kommen

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

30 BfR 2 GO

Wenn von Paradigmenwechseln die Rede ist findet meist ein grundlegendes Umdenken statt In der Risikobewertung von Chemikalien habe ein Paradigmenwechsel stattge-

funden der die traditionelle Einzelsubstanz-Bewertung hinter sich lasse schrieben BfR-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler vor einiger Zeit Man koumlnnte meinen in der Toxikologie wird der Paracelsus-Satz kuumlnftig umgeschrieben Nicht nur die Dosis son-dern auch die Aufsummierung der Dosierungen in einer Mischung macht das Gift

Gift- oder Todescocktail ndash plakative Medienbegriffe

Denn tatsaumlchlich In den letzten Jahren beschaumlftigen sich weltweit immer mehr Gremien politische Ausschuumlsse und Forschungspro-jekte mit der Frage wie man die Auswirkungen von Mischungen auf Umwelt und Gesundheit kuumlnftig bewerten kann Auch in der Oumlffentlichkeit wird das Thema emotional verhandelt Chemikali-enmix Gift- oder sogar Todescocktail ndash mit plakativen Begriffen umschreiben Medien das Phaumlnomen der Mehrfachruumlckstaumlnde Entsprechend tief sitzt die Angst bei Verbraucherinnen und Ver-brauchern In einer vom BfR in Deutschland durchgefuumlhrten re-praumlsentativen Wahrnehmungsstudie vermuten 80 Prozent der Befragten dass der Einsatz mehrerer unterschiedlicher Pflanzen-schutzmittel zu gesundheitlichen Beeintraumlchtigungen durch Le-bensmittel fuumlhren kann

Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck sein

Zwar zeigen verschiedene aktuelle Monitoring-Projekte dass das gesundheitliche Risiko durch Mehrfachruumlckstaumlnde von Pflanzen-schutzmitteln unwahrscheinlich ist (s Interview) aber das Thema bleibt auch fuumlr die Wissenschaft draumlngend Denn auch wenn Mi-schungen schon seit Jahrzehnten wissenschaftlich analysiert und bewertet werden das Beduumlrfnis nach einer zuverlaumlssigen Bewertung der Risiken fuumlr Mensch und Umwelt steigt Grund dafuumlr ist zum einen die Vielzahl immer neuer Wirkstoffe Zusatzstoffe Chemika-lien Ruumlckstaumlnde und Kontaminanten gegenuumlber denen Menschen exponiert sind verbunden mit immer verfeinerten wissenschaftli-chen Nachweismethoden Zum anderen steigt der Druck aus der Oumlffentlichkeit Um wissenschaftliche Divergenzen zu vermeiden muumlssen transparente und international harmonisierte Verfahren entwickelt werden Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck in der Risikobewertung sein

Alle Gemische im Tierversuch zu testen ist nicht durchfuumlhrbar

Worum geht es im Einzelnen Mischungen liegen immer dann vor wenn ein Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt verschiedene Stoffe gleichzeitig aufnimmt z B Ruumlckstaumlnde Kontaminanten oder Chemikalien die nach der Europaumlischen Chemikalienverordnung REACH registriert sind Das geschieht wenn sogenannte intentional mixtures also beabsichtigte Mischungen wie Pflanzenschutzmittel oder Biozide in den Verkehr gebracht werden Aber auch unintenti-onal mixtures nimmt der Koumlrper auf Sei es dass verschiedene Stoffe in einem Produkt enthalten sind z B mehrere Pflanzenschutzmit-telruumlckstaumlnde in einem Apfel Oder sei es dass Stoffe gleichzeitig uumlber unterschiedliche Produkte aufgenommen werden In all diesen Faumlllen koumlnnen Mischungseffekte auftreten Diese sind je nach Wirk-mechanismus unterschiedlich stark ausgepraumlgt So koumlnnen sich die Wirkungen von Stoffen gegenseitig potenzieren oder auch aufheben Nach derzeitigem Kenntnisstand wird davon ausgegangen dass sich Wirkungen in der Regel addieren wenn die aufgenommenen Stoffe oberhalb der Wirkschwelle liegen den gleichen Wirkmechanismus haben und zu einem relevanten Zeitpunkt vom Organismus aufge-nommen wurden

Hier beginnen die Schwierigkeiten Es gibt zu viele intentional mix-tures die eine nahezu unuumlbersehbar groszlige Anzahl von Kombinati-onen ermoumlglichen Diese Gemische alle im Tierversuch zu testen wie sonst bei Einzelsubstanzen uumlblich waumlre sowohl ethisch nicht zu vertreten als auch praktisch nicht durchfuumlhrbar Daher arbeiten viele Forschungsprojekte u a der EU-Kommission daran tierversuchs-freie Methoden fuumlr die kumulative Bewertung zu entwickeln die die Effekte von Mischungen in vitro oder durch computergestuumltzte Be-rechnungen in silico berechnen (s Interview und Kasten)

Weltweit setzen Laumlnder das Thema auf ihre Agenda

Nicht nur fuumlr die Wissenschaft auch fuumlr den harmonisierten Voll-zug von Gesetzen ergeben sich dadurch neue Herausforderungen So schreibt z B die EU-Verordnung uumlber das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vor Kumulations- und Synergieeffekte zu be-ruumlcksichtigen ndash sofern es von der Behoumlrde anerkannte wissenschaft-liche Methoden zur Messung solcher Effekte gibt Doch die lagen bisher nicht vor Deshalb werden nun auf allen Ebenen technische Leitfaumlden fuumlr die neuen Methoden erstellt um eine harmonisierte

Auf die Mischung kommt es anKumulative Risikobewertung nimmt weltweit eine immer groumlszligere Bedeu-tung in der Toxikologie ein Das BfR arbeitet an einer Vielzahl von Projek-ten wie Mischungen in Zukunft bewertet werden koumlnnen

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

31012017

Vorgehensweise und transparente Nachvollziehbarkeit bei der Zu-lassung von Produkten zu gewaumlhrleisten Unter anderem die EFSA die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmittelsicherheit die Europauml-ische Chemikalienagentur ECHA und das JRC die Gemeinsame Forschungsstelle der Europaumlischen Kommission erarbeiten solche technischen Leitfaumlden

Neben der wissenschaftlichen Komplexitaumlt muumlssen diese techni-schen Leitfaumlden weitere Herausforderungen meistern Sie sollen fuumlr alle Bereiche gelten in denen Mischungen in Verkehr gebracht werden oder entstehen koumlnnen Bisher wurden Mischungen haumlufig nur in einem regulatorischen Bereich untersucht z B als Pflan-zenschutzmittel Biozid oder Arzneimittel Fuumlr andere Stoffe wie Lebensmittelzusatzstoffe oder Kontaminanten war die Bewertung von Mischungen bisher nicht klar gesetzlich reguliert In Zukunft sollen auch diese Stoffe bei einer Bewertung von Mischungen besser beruumlcksichtigt werden Auch soll nicht nur die chemische Zusam-mensetzung eines einzelnen Produktes systematisch bei der Zu-lassung beruumlcksichtigt werden sondern auch Mehrfachruumlckstaumlnde im gesamten Warenkorb den Verbraucherinnen und Verbraucher durchschnittlich zu einer gegebenen Zeit konsumieren Und zu gu-ter Letzt muumlssen die neuen Verfahren weltweit harmonisiert werden um das kumulative Risiko fuumlr Mensch und Umwelt auch angesichts globaler Warenketten gering zu halten Deshalb diskutieren Politik und Wissenschaft zurzeit nicht nur auf europaumlischer Ebene entspre-chende Leitfaumlden auch andere Laumlnder weltweit sowie die Weltge-sundheitsorganisation WHO und die Organisation fuumlr wirtschaftli-che Zusammenarbeit und Entwicklung OECD haben die kumulative Bewertung auf ihre Agenda genommen und stimmen ihre Guidance Documents mit den uumlbrigen Behoumlrden ab

Deutschland wendet die kumulative Bewertung schon an

Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR sind an zahlreichen dieser internationalen Projekte beteiligt sowohl an der wissenschaftlichen Erforschung kumulativer Effekte als auch an der Entwicklung technischer Leitfaumlden Einen wichtigen Schritt bei der kumulativen Bewertung hat Deutschland in der Europaumlischen Uni-

Stufe um Stufe zu einer gesicherten Bewertung

Seit Maumlrz 2017 wird in Deutschland eine Methodik fuumlr die Bewertung von Kumulations- und Synergie-effekten bei der gesundheitlichen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln in den Zulassungsverfahren angewandt Grundlage fuumlr das gestufte kumulative Bewertungsverfahren ist der sogenannte bdquoHazard Quotientldquo (HQ) der fuumlr jeden einzelnen Stoff ermit-telt wird Der HQ errechnet sich aus dem Verhaumlltnis zwischen dem relevanten gesundheitlichen Grenz-wert und der geschaumltzten Exposition

In einer ersten Stufe wird der HQ fuumlr alle Stoffe eines Gemisches einzeln ermittelt Liegt der HQ jedes Stoffes unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko fuumlr die einzelnen Bestandteile der Mischung zu erwarten Liegt dieser bei einzelnen Stoffen uumlber 1 wird gepruumlft ob die Exposition durch geeignete Maszlignahmen weiter vermindert werden kann zum Beispiel durch das Tragen entsprechender Schutz-kleidung

Liegt der HQ fuumlr alle Komponenten unter 1 wird in einer zweiten Stufe der sogenannte bdquoHazard Indexldquo (HI) des Gemisches ermittelt indem alle Gefahren-quotienten der verwendeten Stoffe addiert werden Liegt der ermittelte Wert weiterhin unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko durch das Gemisch zu erwarten

Liegt der HI uumlber 1 geht die Bewertung mit weiter verfeinerten Methoden in die dritte Stufe uumlber In dieser wird gepruumlft ob ein gesundheitliches Risiko vorliegt wenn eine Gruppierung der Einzelstoffe vorgenommen wird Dazu koumlnnen die einzelnen Stoffe in kumulative Bewertungsgruppen (cumula-tive assessment groups CAGs) eingeteilt werden die z B nach Effekten im gleichen Zielorgan oder nach dem gleichen Wirkmechanismus oder nach chemischer Verwandtschaft definiert sein koumlnnen Hintergrund dieser Einteilung ist die Annahme dass sich nach gegenwaumlrtigem Kenntnisstand nur Effek-te addieren die hinsichtlich der Zielorgane oder der Wirkmechanismen (MOA) vergleichbar sind Auch die relative Potenz der einzelnen Stoffe soll bei der verfeinerten Bewertung beruumlcksichtigt werden Liegt der HI innerhalb einer CAG unter 1 ist deshalb kein gesundheitliches Risiko zu erwarten Liegt er oberhalb des Wertes und koumlnnen weder Expositionsschaumltzung noch Gefahrenbewertung weiter verfeinert werden gilt das Gemisch als nicht sicher

Das mehrstufige Verfahren hat den Vorteil dass die ressourcenaufwendigeren Methoden zur verfei-nerten Bewertung z B in vergleichbaren CAGs oder MOAs nur zum Einsatz kommen wenn mit den ersten einfacheren Bewertungsmethoden nicht nachweisbar ist dass kein gesundheitliches Risiko zu erwarten ist

copy T

atom

mis

tock

com

32 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

EuroMix A tiered strategy for risk assessment of mixtures of multiple chemicals

EuroMix ist ein laumlnderuumlbergreifendes Projekt der EU-Kommission das die nie-derlaumlndische Behoumlrde fuumlr Gesundheit und Umweltschutz RIVM koordiniert Es zielt darauf ab eine tierversuchsfreie experi-mentelle Test-Strategie zu entwickeln um die Toxizitaumlt von Gemischen verschiedener toxikologisch relevanter Lebensmittelin-haltsstoffe Lebensmittelkontaminanten und Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde besser zu bestimmen Aus den Forschungsergeb-nissen wird ein Leitfaden fuumlr die kuumlnftige Umsetzung einer experimentellen Test-Stra-tegie entwickelt Das Acht-Millionen-Eu-ro-Projekt laumluft bis Mai 2019

Mehr erfahren wwweuromixprojecteu

Kombinationseffekte Forschungsprojekte des BfR

Am BfR werden in verschiedenen Abteilungen mehrere interne Forschungsprojekte zu Kombinationseffekten durch-gefuumlhrt Dazu gehoumlren u a Forschungsprojekte zu kumulativen Wirkungen in Pflanzenschutzmitteln und Bioziden zu Mehrfachruumlckstaumlnden in Lebensmitteln zur Expositionsschaumltzung sowie zu wirbeltierfreien Alternativmethoden Daruumlber hinaus ist und war das BfR auch an folgenden Drittmittel-Projekten beteiligt die zu Kombinationseffekten forschen

Combiomics Analyse von Kombinationseffekten von Pestiziden in vitro

Combiomics war ein zweieinhalbjaumlhri-ges Projekt des Bundesministeriums fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) das im Fruumlhling 2016 abgeschlossen wurde In dem vom BfR koordinierten Projekt wurden moumlgliche Kombinationswirkungen durch Mehrfachruumlckstaumlnde beispielhaft anhand einer Gruppe von Fungiziden in vitro unter-sucht Dazu wurden die molekularen Effek-te der Triazole mittels multi level omics und praumldiktiver mathematischer Modellierung untersucht Ausgehend von den Ergebnissen wurde ein Praumldiktionsmodell fuumlr Substanz-kombinationen erstellt validiert und auf Pestizide anderer Stoffgruppen bzw weitere Substanzklassen ausgedehnt um Kombi-nationseffekte kuumlnftig weitgehend ohne Tierversuche durchfuumlhrbar zu machen

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschung gt Drittmittelprojekte gt Combiomics

Combiomics 2Auch die zweite Projektphase von Com-biomics wird vom BfR koordiniert Hier sollen erfolgreich getestete Methoden und Zelllinien in Form einer standardisierten In-vitro-Testbatterie validiert und in ein Standardverfahren integriert werden das auch kuumlnftigen regulatorischen Anforde-rungen entspricht Das dreijaumlhrige Projekt wird vom BMBF bis Ende 2019 gefoumlrdert

Mehr erfahren wwwfisaonlinede gt Kombinationseffekte Pestizide

on schon jetzt unternommen Am 1 Maumlrz 2017 erschien im Bundesanzeiger eine Be-kanntmachung dass Kumulations- und Synergieeffekte in der gesundheitlichen Be-wertung von Pflanzenschutzmitteln kuumlnf-tig durch das BfR beruumlcksichtigt werden Damit bezieht Deutschland bei der zonalen Zulassung von Pflanzenschutzmitteln eine systematische kumulative Bewertung ein

Ein Leitfaden zur kumulativen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln wurde am BfR erarbeitet basierend auf den internatio-nalen Diskussionen bei EFSA und ECHA und 2014 veroumlffentlicht Seitdem wird das Verfahren am BfR angewandt uumlberpruumlft und verfeinert Im Kern geht es darum in einem mehrstufigen Verfahren verschie-dene Wirkstoffe in einem Pflanzenschutz-mittel oder in einer beantragten Tankmi-

schung kumulativ zu bewerten (s Kasten) Dazu werden sowohl die Exposition der Anwenderinnen und Anwender als auch die akute Exposition der Verbraucherinnen und Verbraucher betrachtet sodass die am meisten exponierten Gruppen beruumlcksich-tigt sind

Das Ziel Mischungen weltweit harmonisiert zu bewerten

Die Einfuumlhrung der Konzepte zur kumu-lativen Bewertung von Pflanzenschutzmit-teln hat auch in anderen EU-Laumlndern Aus-wirkungen auf die Risikobewertung Wenn Deutschland im zonalen Zulassungsverfah-ren bewertender Mitgliedstaat ist wird das Verfahren grundsaumltzlich angewandt Aber auch in die Bewertungsberichte anderer Laumlnder flieszligt die kumulative Bewertung als

deutscher Kommentar mit ein Durch den fachlichen Austausch zwischen den Mit-gliedstaaten wurde das Konzept in den letz-ten Jahren einem Peer-Review unterzogen Um die Praxis europaweit noch besser zu harmonisieren werden derzeit auszligerdem internationale Workshops organisiert auf denen diskutiert wird wie Mischungen bei der Risikobewertung kuumlnftig beruumlcksichtigt werden sollen Das BfR veranstaltet einen solchen Workshop im November 2017 im Auftrag der Europaumlischen Kommission die Franzoumlsische Behoumlrde fuumlr gesundheitlichen Verbraucher- Umwelt- und Arbeitsschutz (ANSES) einen weiteren im Februar 2018 unter aktiver Beteiligung des BfR

Das Ziel Mischungen weltweit harmoni-siert zu bewerten um Mensch und Umwelt besser zu schuumltzen ruumlckt damit naumlher

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

33012017

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

bdquoZiel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertungldquo Interview mit Herrn Dr Roland Solecki uumlber die Forschungsaktivitaumlten des BfR zu Mehrfachruumlckstaumlnden

Herr Solecki bei Mehrfachruumlckstaumlnden von Pflanzenschutzmitteln sprechen die Medien oft von einem bdquoGiftcocktailldquo Haben Sie Erkenntnisse daruumlber wie groszlig das gesundheitliche Risiko tat-saumlchlich istDas BfR hat dazu gemeinsam mit dem Bun-desministerium fuumlr Ernaumlhrung und Land-wirtschaft und dem Bundesamt fuumlr Ver-braucherschutz und Lebensmittelsicherheit einen Bericht uumlber die kumulativen Wir-kungen von Pflanzenschutzmitteln veroumlf-fentlicht Dieser basiert auf einer Methodik der niederlaumlndischen Behoumlrde fuumlr Gesund-heit und Umweltschutz RIVM Hintergrund ist ein Monitoring das uumlber einen Zeitraum von sechs Jahren in Deutschland durchge-fuumlhrt wurde Darin wurde untersucht wel-che Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde durch-schnittlich uumlber Lebensmittel aufgenommen werden Das Ergebnis war dass auch unter Worst-Case-Annahmen fuumlr die Mischungen von Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnden ein gesundheitliches Risiko unwahrscheinlich ist Die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit EFSA kam in ihrem Monito-ring-Bericht von 2015 fuumlr Gesamteuropa zu einem aumlhnlichen Ergebnis

Sie arbeiten unter anderem bei dem Pro-jekt EuroMix mit Worum geht es dabeiEs handelt sich um ein groszliges Forschungs-projekt der EU-Kommission zur kumulati-ven Bewertung von Mischungen im Rahmen von Horizont 2020 dem Rahmenprogramm der Europaumlischen Union fuumlr Forschung und Innovation Das Projekt hat zum Ziel neue Bewertungsmethoden fuumlr Mischungseffekte zu erarbeiten besonders auch im Hinblick auf Alternativen zu Tierversuchen innovati-ve Wege der Expositionsschaumltzung und Mo-dellierung von kumulativen Risiken Dabei geht es nicht nur um Pflanzenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatzstoffe und andere Chemikalien

Wie ist das BfR da in EuroMix einge-bundenVom BfR arbeiten sowohl die Abteilung Sicherheit von Pestiziden als auch die Ab-teilung fuumlr Lebensmittelsicherheit am Eu-roMix-Projekt mit Waumlhrend die von mir geleitete Abteilung fuumlr die regulative Bewer-tung eingebunden ist werden in der Abtei-lung Lebensmittelsicherheit experimentelle Arbeiten unter anderem zur Lebertoxizitaumlt durchgefuumlhrt in denen auch Kombinatio-nen von Pestiziden mit anderen Lebensmit-telinhaltsstoffen gepruumlft werden

Woran forschen Sie im EuroMix-ProjektWir haben zunaumlchst recherchiert welche gesetzlichen Anforderungen bestehen und wie unterschiedliche Behoumlrden weltweit

Mischungseffekte bewerten Und wir haben Forschungen zu Mischungen durchgefuumlhrt die bestimmte adverse Effekte auf die Leber verursachen Dabei wurden bestimmte Schluumlsselelemente untersucht um daraus ein Konzept fuumlr die Bewertung zu erarbei-ten Jetzt werden die Omics-Untersuchun-gen und andere alternative Pruumlfverfahren noch durch Tierversuche ergaumlnzt sodass wir auch am Gesamtorganismus die Effek-te uumlberpruumlfen koumlnnen Gleichzeitig werden die statistischen Hilfsmittel und die ande-ren elektronisch basierten Tools weiterent-wickelt Auszligerdem folgen noch weitere Stu-dien zur Exposition Die finalen Ergebnisse liegen am Ende des Projekts im Jahr 2019 vor

In welche weiteren europaumlischen Aktivi-taumlten ist das BfR eingebundenDie EFSA hat bereits einige Ansaumltze zur Bewertung der kombinierten Exposition gegenuumlber mehreren Pestiziden und Kon-taminanten bei Menschen sowie mehreren Pestiziden bei Bienen entwickelt Derzeit ist die EFSA damit befasst neue Ansaumltze und Instrumente zur Harmonisierung der Be-wertung von Risiken fuumlr Mensch und Um-welt zu erarbeiten die von der Exposition gegenuumlber mehreren chemischen Stoffen in der Lebensmittelkette ausgehen Ich bin derzeit Mitglied einer Arbeitsgruppe von Sachverstaumlndigen die der Wissenschaftliche Ausschuss der EFSA eingerichtet hat um Leitlinien im Hinblick auf die kombinierte Exposition gegenuumlber mehreren chemi-schen Stoffen zu entwickeln Diese Initiative unter dem Namen bdquoMixToxldquo wird 2018 den Leitfaden in einer oumlffentlichen Konsultation diskutieren

Bei dieser Vielzahl an Aktivitaumlten Wel-ches Ziel haben Sie persoumlnlich vor Au-genDas Ziel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertung von Stoffen in der gesundheitlichen Risikocharakterisie-rung und deren harmonisierte Implemen-tierung in den gesetzlichen Verfahren Dies wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen

bdquoBei den kumulati-ven Risiken geht es nicht nur um Pflan-zenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatz-stoffe und andere Chemikalien

Dr Roland Solecki leitet die Abteilung bdquoSicherheit von Pestizidenldquo am BfR

copy B

fR

34 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

SPEKTRUM

Identifizierung endokriner Disruptoren Vom Grundsatz in die Praxis

Fuumlr Pestizid-Wirkstoffe und andere Chemikalien sind harmonisierte wissenschaftliche Kriterien erforderlich mit denen hormonschaumldigende Substanzen identifiziert werden koumlnnen Das BfR veroumlffentlichte hierzu bereits 2016 ein Konsenspapier als wissenschaftliche Grundlage fuumlr die darauffolgende Arbeit der EU-Behoumlrden Auf legislativer Ebene werden aktuell EU-weit geltende Ver-ordnungen festgelegt um auf wissenschaftlicher Ebene Leitlinien zur regulatorisch harmonisierten Umsetzung dieser Verordnungen zu erarbeiten Mit dieser Aufga-be hat die EU-Kommission die EFSA und die ECHA gemeinsam beauftragt Das BfR unterstuumltzt die Behoumlr-den mit wissenschaftlicher und technischer Expertise indem es die entsprechende Arbeitsgruppe bei der EFSA personell verstaumlrkt sowie Recherchen und Umfragen zur Praktikabilitaumlt von Untersuchungsmethoden durchfuumlhrt Die Publikation der Leitlinien wird fuumlr Fruumlhjahr 2018 erwartet Sie koumlnnen auf Basis der verabschiedeten Ver-ordnungen nach ihrer Implementierung in der Genehmi-gungspraxis angewendet werden

Mehr erfahren Solecki et al 2017 Scientific principles for the identification of endocrine-disrupting chemicals a consensus statement Arch Toxicol 91 1001ndash1006

Insekten-Stopp in Textilien Allergene Wirkung unwahrscheinlich

Das Risiko fuumlr eine Allergie nach dem Kontakt mit Kleidung und Produkten die mit dem Biozid Permethrin behandelt sind ist nach derzeitigem Kenntnisstand unwahrscheinlich Das ist das Ergebnis einer aktuellen Risikobewertung des BfR Gestuumltzt wird das Ergebnis dadurch dass trotz weitverbreiteter Anwendung des Wirkstoffs in Medikamenten und Verbraucherprodukten kein Anstieg der Kontaktallergien gegenuumlber Permethrin zu verzeichnen ist Das Risiko fuumlr kanzero-gene systemische Effekte infolge einer dermalen und oralen Exposition gegenuumlber Permethrin aus Textilien ist nach Ansicht des BfR vernachlaumlssigbar gering Permethrin ist ein biozider Wirkstoff der zum Schutz gegen Insekten in Produkten wie Schlafsaumlcken Picknick- und Yogadecken sowie Teppichen und Kleidung eingesetzt wird Er ist im Chemikalienrecht als sensibilisierend eingestuft ein moumlgliches geringes kanzerogenes Potenzial wird von verschiedenen wissenschaftlichen Gremien diskutiert Der Wirkstoff kann aus Textilien freigesetzt und uumlber die Haut aufgenommen werden Bei kleinen Kindern die viele Produkte in den Mund nehmen kommt eine moumlgliche orale Aufnah-me des Stoffes hinzu

Mehr erfahren Stellungnahme Nr 0062017 des BfR vom 25 April 2017

Wie wirkt Aluminium in Leber und Darm

Aluminium ist in Lebensmitteln Kosmetika und Bedarfsge-genstaumlnden enthalten und kann uumlber die Nahrung aufgenom-men werden Erste Ergebnisse aus dem deutsch-franzoumlsischen Forschungsprojekt bdquoSolNanoToxldquo mit Beteiligung des BfR zeigen dass sich aus der Nahrung aufgenommene Aluminiumverbin- dungen temporaumlr im Darm anreichern Ob und in welchen Men-gen die Partikel weiter in den Koumlrper insbesondere in die Leber gelangen und welche Faktoren ihre Wirkung beeinflussen wird aktuell erforscht Die Forschungsgruppe sieht Anhaltspunkte dafuumlr dass ein Teil der angereicherten Partikel mit dem Stuhl wieder ausgeschieden wird Fuumlr seine Untersuchung simulierte das BfR anhand biologischer Proben die Verdauung verschiede-ner Aluminiumarten vom Mund uumlber den Magen bis zum Darm Mithilfe von Enzymen und Salzen wurden dabei physiologische Parameter wie der pH-Wert gesteuert Waumlhrend des simulierten Verdauungsprozesses veraumlnderten die Aluminiumverbindungen ihre chemische Reaktionsfaumlhigkeit und Loumlslichkeit Die Erkennt-nisse sind ein erster Schritt um den Prozess der Aufnahme Resorption und Verteilung von Aluminium im Koumlrper besser zu verstehen und daraus Daten fuumlr die Risikobewertung abzuleiten Aluminiumverbindungen koumlnnen in zu hohen Dosen toxisch auf das Nervensystem und ungeborenes Leben wirken sowie die Fruchtbarkeit und Knochenentwicklung beeinflussen

copy B

fR

copy c

gsto

cks

hutte

rsto

ckc

om

copy R

osel

ynne

shu

tters

tock

com

35012017

Bei Kleidung ist besonders der Einsatz von Silber-Nanopartikeln weit verbreitet Silber wirkt antibakteriell und soll die Geruchs-bildung durch Schwitzen reduzieren Beim Einsatz von Nanosilber in Kleidungsstuuml-cken ist in erster Linie eine Freisetzung in Schweiszlig und somit ein moumlglicher Hautkon-takt relevant Neben der Frage ob und in welcher Menge Silber prinzipiell aus Texti-lien herausgeloumlst wird beschaumlftigt sich die Forschung mit der Frage welchen Einfluss die Technologie hat mit der Nanosilber auf Textilien aufgetragen bzw eingebracht wird Bisher war zudem unklar inwiefern die Oberflaumlchenbeschichtung der Nano-partikel die Abgabe beeinflusst

Kuumlnstlicher Schweiszlig simuliert Freisetzung

In einem Forschungsprojekt pruumlfte das BfR neun Proben von Textilien die mit Nanosil-ber veredelt waren Als Vergleich diente ein mit konventionellem Silber (hier Silbersalz mit einem Partikeldurchmesser groumlszliger als 100 Nanometer) ausgeruumlstetes Textil Zwei der Textilien waren sogenannte Komposite bei denen Nanosilber in die Faser integriert ist Bei den anderen getesteten Textilien war die Faseroberflaumlche mit Silber-Nano-partikeln bzw in einem Fall mit konventio-nellem Silber beschichtet (Textil-Coating) Um die Abgabe von Silber durch Schwitzen

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

Kleidung wird durch sie wasser- und schmutzabweisend sie blocken UV-Strahlen und mindern Geruumlche Nanoma-terialien haben beliebte funktionelle Eigenschaften Ob sie aufgrund ihrer Winzigkeit gesundheitliche Risiken bergen ist indes noch weitgehend unbekannt In einem Forschungsprojekt uumlber Nanosilber hat das BfR ermittelt ob sich die Kleinstteilchen aus Textilien herausloumlsen und damit zum gesundheitlichen Risiko werden koumlnnen

Nanomaterial

ist ein natuumlrliches bei Prozessen anfallendes oder kuumlnstlich hergestelltes Material das Partikel in ungebundenem Zustand als Aggregat oder als Agglo-merat enthaumllt und bei dem die Mehrheit der Partikel ein oder mehrere Auszligen-maszlige im Bereich unter 100 Nanometer hat In Nanogroumlszlige kann ein Stoff andere Eigenschaften besitzen als wenn er in Form groumlszligerer Partikel vorliegt

copy o

still

shu

tters

tock

com

36 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von Textilfasern Links Nanokomposit bei dem kaum Silberpartikel an der Faseroberflaumlche zu finden sind Mitte und rechts Textilien mit Silbercoating hier befindet sich insgesamt mehr Silber auf der Oberflaumlche

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

zu simulieren wurden die Textilien fuumlr 24 Stunden in einer Schweiszligsimulanz-Louml-sung inkubiert Fuumlr die Auswertung wurde zunaumlchst der gesamte Silbergehalt in den Schweiszligloumlsungen mit massenspektromet-rischen Messmethoden bestimmt In den Proben in denen Silber vorhanden war wurden anschlieszligend mit Zentrifugation und einer speziellen Methode zum Messen von Einzelpartikeln geloumlstes und partikulauml-res Silber unterschieden Im letzten Schritt wurden die Partikelgroumlszligen des vorgefun-denen partikulaumlren Silbers gemessen um nanoskaliges Silber zu identifizieren

Silber aus Kleidung freigesetzt

Die Untersuchung des BfR zeigte dass von jeder Textilprobe Silber in die Schweiszligsi-mulanz-Loumlsung uumlberging je nach geteste-tem Textil zwischen 7 und 75 Prozent des originaumlr in den Textilien enthaltenen Sil-bers Dabei setzten die beschichteten Tex-tilien mehr Silber frei als die Komposite Den houmlchsten abgegebenen Anteil fand das BfR bei dem mit konventionellem Silber beschichteten Textil Die Freisetzung wird demnach staumlrker durch die Technologie der Veredelung bestimmt als durch die im Tex-til enthaltene Menge Auszligerdem scheint die Abgaberate von Silber aus Nanosilber im Vergleich zu konventionellem Silber nicht erhoumlht zu sein

In der Schweiszligloumlsung lag das freigesetzte Silber uumlberwiegend geloumlst vor Partikulaumlres Silber fand sich nur zum geringeren Teil dann jedoch auch im Nanometerbereich Ob es sich dabei um einzelne Nanoparti-kel handelt oder ob das Silber an groumlszligere Partikel gebunden ist muss in weiteren Untersuchungen uumlberpruumlft werden Nach

derzeitigem wissenschaftlichem Kennt-nisstand geht man davon aus dass sich Nanopartikel im Koumlrper anders verhalten als groumlszligere Partikel Uumlberraschenderweise detektierte die Forschungsgruppe auch in den Schweiszligsimulanzien der mit konven-tionellem Silber beschichteten Textilien partikulaumlres Silber in Nanogroumlszlige Das Vor-kommen von Silberpartikeln scheint also nicht davon abhaumlngig zu sein ob das Silber in Nano- oder konventioneller Form auf das Textil aufgebracht wurde

In einer parallelen Untersuchung fanden die Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler heraus dass zudem die Beschaffenheit der Nanopartikel beispielsweise in Form einer speziellen Beschichtung ihre Loumlslichkeit in der Schweiszligloumlsung beeinflusst

Art der Beschichtung relevant

Silber wird demnach aus Textilien freige-setzt in geringen Teilen sogar in partiku- laumlrer Form Die gewaumlhlte Form der Tex-tilfunktionalisierung aber auch die Be-schaffenheit der Nanopartikel stellen dabei wichtige Kriterien fuumlr das Freisetzungsver-halten dar Solche Erkenntnisse sind vor al-lem fuumlr den sicheren Einsatz von Nanoma-terialien in Alltagsprodukten wichtig weil die Exposition des Menschen gegenuumlber derartigen Stoffen moumlglichst klein gehalten werden sollte Auszligerdem geben sie Hin-weise in welcher Anwendungsform Nano-materialien im verbrauchernahen Bereich sicher eingesetzt werden koumlnnen

Mehr erfahren Wagener et al 2016 Textile Functionalization and Its Effects on the Release of Silver Nanoparticles into Artificial Sweat Environ Sci Technol 50 11 5927ndash5934

Per Flugzeitmassenspek-trometer laumlsst sich Silber auf beschichteten Textil-fasern detektieren

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

NANOPARTIKEL

37012017

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

38 BfR 2 GO

Neuer Ansatz fuumlr Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

Spiegelbild gesucht

Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR zeigt einen neuen Ansatz um mithilfe von Genexpressionsdaten das geeignete Tiermodell fuumlr die Grundlagenforschung oder fuumlr spezifische klinische Fra-gestellungen zu identifizieren Damit koumlnnen zukuumlnftig unnoumltige Tierversu-che vermieden werden Hamburger Wissenschaftsbehoumlrden wuumlrdigten die Erkenntnisse mit einem Forschungspreis

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

39012017

Fragestellung

Vergleich

Auswahl

z B bdquoMit welchem Mausmodell koumlnnen die Ursachen von Alzheimer erforscht werdenldquo

Vergleich von vorhandenen Omics-Expressionsdaten von Mensch und Tier

Auswahl des geeigneten Modells

1

2

3

Geeignete Tiermodelle identifizieren

An Tiermodellen werden zahlreiche biologische Prozesse und Krankheiten wie Wund-

heilung Diabetes Tumoren oder entzuumlndliche Erkrankungen erforscht Durch den

Vergleich der Omics-Expressionsdaten von Tiermodell und Mensch koumlnnen geeignete

Modelle fuumlr die jeweilige Fragestellung identifiziert werden

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

40 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Verlaumluft ein entzuumlndlicher Prozess bei Maumlusen aumlhnlich wie beim Menschen Sind Maumluse daher geeignete Ver-

suchstiere fuumlr Tests von antientzuumlndlichen Substanzen Um Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung in den klinischen Alltag zu uumlberfuumlhren ndash Aufgabengebiet der translationalen Forschung ndash werden wissen-schaftliche Fragestellungen oft in Tierversu-chen erprobt Ob und inwieweit die Ergeb-nisse auf den Menschen uumlbertragbar sind ist dabei immer wieder Gegenstand kontrover-ser Diskussionen Geeignete Methoden mit denen die Wissenschaft Tiermodelle mit op-timaler Uumlbertragbarkeit auf den Menschen auswaumlhlen kann wuumlrden dem wissenschaft-lichen Fortschritt helfen und die Zahl der Tierversuche reduzieren Es geht dabei um die Frage welches Tiermodell am besten das menschliche System widerspiegelt

Vergleichbarkeit von Genom- daten fehleranfaumlllig

Als Grundlage fuumlr diese Uumlberlegungen die-nen Daten aus modernen bioanalytischen Hochdurchsatzverfahren Immer haumlufiger setzt die Wissenschaft auf diese sogenannten Omics-Technologien die die Gesamtheit aller Gene und ihrer Produkte analysieren ndash sowohl beim Tier als auch beim Menschen Mit ihnen lassen sich molekulare Prozesse in lebenden Systemen umfassend darstel-len indem sie beispielsweise die Interaktion hunderter bis tausender Genprodukte zei-gen Die Analyse dieser zunehmend kom-plexen Omics-Datensaumltze stellt die Wissen-schaft jedoch vor Probleme da das Vorgehen dazu nicht standardisiert ist Die Interpreta-tion der Ergebnisse ist bisher meist von der Kompetenz der Durchfuumlhrenden und von der angewandten Methode abhaumlngig Im Ergebnis war die Entscheidung zur Frage der Uumlbertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen fehleranfaumlllig und die Suche nach

geeigneten Tiermodellen erschwert Die ge-ringe Standardisierung der Interpretation von Omics-Daten fuumlhrte in Forschungs-kreisen bereits zu widerspruumlchlichen Er-gebnissen so zum Beispiel bei zwei Studien aus den Jahren 2013 und 2015 die sich mit der Vergleichbarkeit von entzuumlndlichen Er-krankungen beim Menschen und gaumlngigen Mausmodellen beschaumlftigten Waumlhrend eine Forschungsgruppe im Jahr 2013 schlussfol-gerte dass entzuumlndliche Prozesse zwischen Mensch und Maus nicht vergleichbar seien kam eine andere Gruppe zwei Jahre spaumlter anhand der gleichen Omics-Daten zum ge-genteiligen Schluss Die Maus reagiere auf der molekularen Ebene sehr aumlhnlich wie der Mensch und sei daher als Tiermodell sehr nuumltzlich fuumlr die Erforschung menschlicher Erkrankungen Zwar ist es nicht ungewoumlhn-lich dass Ergebnisse von Studien unter-schiedlich eingeschaumltzt werden ndash allerdings selten auf Basis der gleichen Daten

Motivation des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR war es diese Widerspruumlche aufzuklaumlren und einen standardisierten und zielgerichteten Analyseansatz zu entwickeln der die Suche nach geeigneten Tiermodellen vereinfacht und somit unnoumltige Tierversuche vermei-den hilft Es gehoumlrt zu den Kernaufgaben des Bf3R bundesweit alle Aktivitaumlten zu koordi-nieren mit den Zielen Tierversuche auf das unerlaumlssliche Maszlig zu beschraumlnken und fuumlr Versuchstiere den bestmoumlglichen Schutz zu gewaumlhrleisten Die Aufgaben des Bf3R wer-den vom BfR wahrgenommen

Genomdaten von Tier und Mensch gezielt vergleichen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler des Bf3R haben die Omics-Daten aus den beiden erwaumlhnten widerspruumlchlichen Studien mithilfe hochperformanter Com-

puter nochmals systematisch ausgewertet Dabei wurden zunaumlchst die zu verglei-chenden Gene gruppenweise biologischen Prozessen zugeordnet die wesentlich fuumlr ein Entzuumlndungsgeschehen sind Diese Gene Set Enrichment Analysis (GSEA) ge-nannte Methode greift auf umfangreiche in oumlffentlichen Datenbanken hinterlegte Genomdaten gaumlngiger Tiermodelle und von Erkrankten zuruumlck Mit ihrer Heran-gehensweise konnten die Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler des BfR an-schlieszligend Veraumlnderungen auf der Ebene pathologischer Signalwege erkennen und Unterschiede zwischen Tiermodell und Mensch identifizieren Da der Groszligteil der untersuchten Genprodukte haumlufig nur geringfuumlgig veraumlndert war konnten bei der Analyse auf Ebene vollstaumlndiger bio-logischer Signalwege alle Gene einbezogen und Aumlnderungen in der Gesamtheit eines biologischen Signalwegs bewertet werden Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu bisherigen Analyseansaumltzen da fuumlr die Klauml-rung translationaler Fragestellungen bisher haumlufig willkuumlrlich und subjektiv Gene von Mensch und Tiermodell fuumlr einen direkten Eins-zu-eins-Vergleich ausgewaumlhlt wurden

Die systematische Auswertung des Bf3R zeigte dass die Ergebnisse beim vorlie-genden Genomdatenvergleich bei einigen Mausmodellen gut mit den beim Menschen ermittelten Daten uumlbereinstimmten Bei an-deren Mausmodellen hingegen war es nicht so So aumlhnelt das Entzuumlndungsgeschehen bei Maumlusen die mit Staphylococcus aureus (Staphylococcus-aureus-Injektionsmodell) infiziert sind oder eine Darmperforation (Cecal-ligation-and-puncture-Modell) erfah-ren den meisten klinischen Proben Hin-gegen verlaufen Erkrankungen die durch Lipopolysaccharide (LPS) und Streptococcus pneumoniae verursacht werden bei Mensch und Maus verschieden

Omics

Der Terminus beschreibt Methoden zur

Analyse komplexer biologischer Proben

auf der Ebene des gesamten Genoms

von Transkripten Proteinen oder Meta-

boliten

41012017

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

Forschungsansatz hilft Tierversuche zu reduzieren

Die Methode der Datenanalyse mittels GSEA-Ansatz erleichtert es Forschungs-gruppen zukuumlnftig zielgerichtet und stan-dardisiert das optimale Tiermodell aus-zuwaumlhlen das am besten die menschliche Situation abbildet Voraussetzung dafuumlr ist die Existenz von Omics-Daten zur klini-schen Fragestellung sowie zu den infrage kommenden Tierversuchen Dies ist bereits fuumlr eine Vielzahl von Tiermodellen sowie von humanen Erkrankungen der Fall neben Entzuumlndungserkrankungen beispielsweise fuumlr Herz-Kreislauf-Erkrankungen Krebser-krankungen Atemwegserkrankungen Stoff-wechselerkrankungen und neurologische Erkrankungen Aufgrund der vermehrten Verwendung von Omics-Methoden kann davon ausgegangen werden dass stetig wei-tere systembiologische Daten ermittelt und veroumlffentlicht werden Die vom Bf3R ange-wandte Methode wird daher weiterhin bei der gezielten Auswahl von Tiermodellen nuumltzlich sein

Das Verfahren kann in der Grundlagen-forschung sowie in der translationalen und angewandten Forschung eingesetzt werden Diese Bereiche machten 2015 nach Anga-ben des Bundesministeriums fuumlr Ernaumlh-rung und Landwirtschaft mit insgesamt 73 Prozent den groumlszligten Teil der Tierversuche aus Ein Groszligteil davon entfaumlllt auf Maumluse Ratten und zunehmend auch auf Fische Grundsaumltzlich kann die neue Methode zur Auswahl des geeigneten Versuchstiermo-dells bzw zum Ausschluss nicht geeigneter Versuchstiermodelle bei jeglichen Tierver-suchen in diesen Bereichen genutzt werden Analog zu den Versuchstierzahlen liegen derzeit die meisten Omics-Daten fuumlr Maus und Ratte vor So sind beispielsweise allein in der oumlffentlichen NCBI GEO-Datenbank (National Center for Biotechnology Informa-tion Gene Expression Omnibus) derzeit Da-ten zu ca 340000 Maus-Proben und 75000 Ratte-Proben gelistet

Methode identifiziert geeignete Zellkulturmodelle

Dabei ist die Methode des Bf3R nicht auf humane und murine Datensaumltze beschraumlnkt sondern kann auf alle weiteren Spezies an-gewandt werden fuumlr die umfangreiche Da-tenbanken zu biologischen Signalwegen oder Gengruppen vorliegen Auch fuumlr die Beurteilung von zellbasierten Alternativ-methoden kann der neue Forschungsansatz

herangezogen werden Durch einen system-biologischen Abgleich der klinischen Daten mit Omics-Daten aus beispielsweise neuar-tigen 3D-Zellkulturen oder organaumlhnlichen Mikrostrukturen wird die Charakterisierung und Verifizierung von zellbasierten Alterna-tivmethoden ermoumlglicht

Praumlmierte Forschungsleistung

Fuumlr ihre Forschung erhielten die Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR 2016 den Hamburger Forschungspreis zur Foumlrderung der Entwicklung von Ersatz- und

Ergaumlnzungsmethoden Die Auszeichnung wurde zum erstem Mal von den Hamburger Behoumlrden fuumlr Gesundheit und Verbraucher-schutz sowie fuumlr Wissenschaft Forschung und Gleichstellung mit einem Foumlrderpreis in Houmlhe von 20000 Euro ausgeschrieben Der Preis wird fuumlr Arbeiten vergeben die einen Beitrag leisten Tierversuche zu ersetzen oder zu minimieren

Mehr erfahrenWeidner et al 2016 Defining the optimal animal model for translational research using gene set enrichment analysis EMBO Molecular Medicine 8 8 831ndash838

Wofuumlr Versuchstiere in Deutschland eingesetzt werden

630255Herstellung und Qualitaumlts-kontrolle medizinischer Produkte toxikologische Sicherheitspruumlfungen

22

59

14 5

1643259Grundlagenforschung

144997sonstige Zweckez B Zucht Aus- und Weiterbildung

381450translationale und angewandte Forschung

Que

lle B

unde

smin

iste

rium

fuumlr E

rnaumlh

rung

und

Lan

dwirt

scha

ft V

ersu

chst

ierz

ahle

n 20

15

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

42 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Alternativen zu Tierversuchen Forschung regional buumlndeln

Eine individualisierte Schmerztherapie fuumlr Versuchsmaumluse und eine Verringerung von Tierexperimenten zum Test der Inhala- tionstoxizitaumlt von Nanomaterialien (siehe rechte Spalte) ndash hierzu sollen die ersten Arbeitsergebnisse des BfR im Berlin-Bran-denburgischen Verbundprojekt BB3R zukuumlnftig beitragen Das Netzwerk aus Universitaumlten und Bundesinstitutionen forscht um Tierversuche zu vermeiden (Replacement) bzw zu verringern (Reduction) sowie das Leiden von Versuchstieren zu vermindern (Refinement) Das BfR ist als einer von sechs Verbundpartnern in den Bereichen der Refinement- und Replacement-Forschung beteiligt Das Bundesforschungsministerium foumlrdert das mit BB3R abgekuumlrzte Projekt fuumlr vier Jahre bis Fruumlhjahr 2018 es ist als Plattform fuumlr den wissenschaftlichen Austausch konzipiert und integriert ein Graduiertenkolleg

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschungwwwbb3rde

Belastung von Laborfischen erkennen

Koumlrperbau

Koumlrpermerkmale

Verhaltenkreisendes Schwimmen

Belastung von Laborfischen erkennen

Ob Laborfische Schmerzen empfinden oder leiden laumlsst sich mithilfe konkreter Kriterien beurteilen Die Vorarbeiten hierzu koordinierte der bdquoNationale Ausschuss zumSchutz von fuumlr wissenschaftliche Zweckeverwendeten Tierenldquo am BfR gemeinsam mit externen Sachverstaumlndigen und Beauf-tragten von Genehmigungsbehoumlrden Die erstmals definierten Kriterien bewerten unter anderem Auffaumllligkeiten im Koumlrper-bau sowie im Verhalten der Tiere Schmer-zen und Leiden koumlnnen so gezielt behandelt und gelindert werden Da die Frage der Belastung der Tiere anhand der Kriterien eindeutig geklaumlrt werden kann dienen sie zudem als Entscheidungshilfe fuumlr Behoumlr-den welche die Zucht belasteter genetisch veraumlnderter Tiere genehmigen muumlssen Fische insbesondere Zebrafische sind nach Maumlusen und Ratten die am dritthaumlufigsten verwendete Versuchstierart Die Zahl der Versuchsfische hat in den letzten Jahren stetig zugenommen

Mehr erfahren Bert et al 2016 Considerations for aEuropean animal welfare standard toevaluate adverse phenotypes in teleost fish EMBO J 35 11 1151ndash1154Empfehlung des Nationalen Ausschusses TierSchG Nr 0012015

Test der Inhalationstoxizitaumlt von Nanomaterialien

Die Einatmung gilt als wichtigster Aufnahmeweg fuumlr Nanomaterialien Im Rahmen der BB3R-Forschung bildet das BfR diese Art der Exposition mit In-vitro- Atemwegsepithelmodellen an ihrer Grenzflaumlche zur Luft ab Dieser Ansatz zum Test der Inhalationstoxi-zitaumlt hilft Anzahl und Umfang von Tierversuchen zu verringern

Versuchsaufbau Drei Roumlhrchen leiten ein Testaerosol mit luftgetragenen Nanomaterialien auf Epithelzellen

SPEKTRUM

copy B

fR

43012017

Jubilaumlumsfeier und internationales Symposium

Am 29 November 2017 feiert das BfR sein 15-jaumlh-riges Bestehen mit einem Festakt Geplant ist eine Feier mit ausgewaumlhlten Gaumlsten in der Akademie der Kuumlnste Anschlieszligend findet vom 30 Novem-ber bis zum 01 Dezember 2017 das gemeinsame internationale Symposium des BfR und seiner Schwesterinstitutionen aus Daumlnemark (DTU Food) und Frankreich (ANSES) sowie der suumldko-reanischen Behoumlrde fuumlr Lebens- und Arzneimittel-sicherheit (NIFDS) statt Unter dem Motto bdquoPast Present and Future Challenges in Risk Assessment ndash Strengthening Consumer Health Protectionldquo werden die letzten anderthalb Jahrzehnte Risikobewer-tung betrachtet Daruumlber hinaus werden aktuelle Aktivitaumlten sowie zukuumlnftige Herausforderungen des Verbraucherschutzes wie mikrobiologische Erreger chemische Substanzen Methoden und Harmonisierung auf nationaler wie internationa-ler Ebene diskutiert

VERANSTALTUNGEN

Nachwuchs foumlrdern

Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu foumlr-dern baut das BfR wissenschaftliche Nachwuchs-gruppen zu bestimmten Schwerpunktthemen auf Die bereits 2015 eingerichtete Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Warenketteldquo wird im Herbst 2017 durch einen weiteren Dokto-randen verstaumlrkt

Verstaumlrkung im Versuchstierschutz

Seit dem 1 April 2017 staumlrkt die Berufung von Herrn Universitaumltsprofessor Dr Lars Lewejo-hann den Kompetenzbereich bdquoVerminderung der Belastung und Verbesserung der Lebenssitua-tionldquo des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) Neben der Leitung der Fachgruppe bdquoTierschutz und Versuchstierkundeldquo im BfR wird Lars Lewejohann sein Wissen und neue Erkenntnisse als Hochschullehrer fuumlr bdquoTier-schutz mit dem Schwerpunkt Refinementldquo an der veterinaumlrmedizinischen Fakultaumlt der Freien Universitaumlt Berlin an Studierende und Doktoran-den weitergeben

PERSONALIEN

Alternativmethode zum Tierversuch bdquoKnochen-auf-dem-Chipldquo

Im Mai 2017 fand bei der Gemeinsamen For-schungsstelle (GFS)Joint Research Centre (JRC) der Generaldirektion (Directorate General) der Europaumlischen Kommission eine Summer School zu alternativen Ansaumltzen zum Tierversuch fuumlr die Risikobewertung in Ispra (Italien) statt Dort wurde Herr Dr Ing Frank Schulze aus der BfR-Fachgruppe bdquoZEBET ndash Alternativmethoden zu Tierversuchenldquo fuumlr seine Praumlsentation und das dazugehoumlrige Poster zum Thema bdquoEin Knochen-auf-dem-Chip fuumlr die Grundlagenwissenschaft und die Identifizierung von knochenschaumldigen-den Substanzenldquo mit einem Posterpreis (1 Platz) ausgezeichnet

copy B

fR

copy p

rivat

INSTITUTSLEBEN

44 BfR 2 GO

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

Im suumldlichen Afrika spielt die Landwirt-schaft eine Schluumlsselrolle bei der Armuts-bekaumlmpfung Eine wachsende Produktion tierischer Lebensmittel bringt jedoch auch neue Herausforderungen an die Lebensmit-telsicherheit mit sich Das BfR-Forschungs-projekt bdquoSAD-Zambialdquo (bdquoStaphylococcus aureus in der Milchlebensmittelkette in Sambia ndash Bekaumlmpfung lebensmittelbeding-ter Erkrankungen und Antibiotikaresisten-zen beim Menschldquo) befasst sich damit wie die Produktion und der Vertrieb von Milch und Milchprodukten in Sambia sicherer gestaltet werden koumlnnen Ziel ist es zu be-werten in welchem Umfang das Bakterium Staphylococcus (S) aureus uumlber Milch und Milchprodukte auf den Menschen uumlbertra-gen wird In einem ersten Schritt werden Feldstudien in verschiedenen Provinzen des Landes durchgefuumlhrt um das Vorkommen dieses Erregers und moumlgliche Schwachstel-len in der Milchlebensmittelkette in Sambia zu analysieren Hierbei stehen Toxin-bil-dende S aureus-Staumlmme im Fokus Auszliger-dem wird untersucht in welchem Umfang Methicillin-resistente S aureus (MRSA) die gegen eine bestimmte Klasse von Antibio-tika resistent sind in der Milchlebensmit-

telkette vorkommen Die Bewertungsarbeit beinhaltet auch einen Vergleich traditio-neller und moderner Produktionssysteme Am BfR werden anschlieszligend die Analysen zu den Eigenschaften der gewonnenen Bakterienstaumlmme sowie stammvergleichen-de Untersuchungen durchgefuumlhrt In einem weiteren Schritt werden Ansatzpunkte zur Reduzierung der Bakterien sowie Methoden zum Monitoring von zoonotischen und An-tibiotika-resistenten S aureus in der Milch-lebensmittelkette in Sambia entwickelt So soll zum Verstaumlndnis der lebensmittelbe-dingten Risiken entlang der Milchlebens-mittelkette in Sambia beigetragen werden Das Projekt begann am 01072016 und laumluft drei Jahre Es wird vom Bundesminis-terium fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft gefoumlrdert und aus BfR-Mitteln co-finanziert Neben dem BfR beteiligen sich an dem For-schungsprojekt das International Livestock Research Institute die University of Zambia und das Central Veterinary Research Insti-tute als Teil des sambischen Ministeriums fuumlr Nutztiere und Fischerei Durch dieses Forschungsnetzwerk soll eine nachhaltige Partnerschaft aufgebaut werden

Mit dem Forschungsprojekt bdquoSAD-Zambialdquo leistet das BfR einen Beitrag zur Staumlrkung der Lebensmittelsicherheit und damit zur Ernaumlhrungssicherheit im suumldlichen Afrika Koordinatorin des Projekts ist Frau Dr Alexandra Fetsch Der sambische Doktorand Herr Bruno Phiri berichtet von seiner alltaumlglichen Arbeit Beide arbeiten in der Fach-gruppe bdquoMikrobielle Toxineldquo des BfR

POST AUS hellipSAMBIA

raquobdquoDas SAD-Zambia Projekt ist fuumlr mich ein Meilenstein und ich bin dem BfR sehr dankbar dass es mir diese Moumlglichkeit gibt Ich habe schon viel dazugelernt und konnte meine Kompetenzen bezuumlglich der Diagnose von Krankheitserregern verbessern Das Projekt bringt mich aber nicht nur persoumlnlich voran auch mein Land kann davon profitieren Mein Arbeitsalltag beginnt meist mit einem Besuch bei den Milchbauern und ihren Herden Dort schaue ich mir an wie die Kuumlhe gemolken werden und nehme Proben von den Tieren der Milch und der Umge-bung Auch in Milchsammelstellen und auf Maumlrkten nehme ich Proben Diese analysiere ich anschlieszligend im Labor an der Universitaumlt Schon jetzt freue ich mich auf die weiteren Untersuchungen der Bakterienstaumlm-me am BfR Ich war zu Beginn des Projektes dort ndash eine sehr eindrucks-volle Erfahrungldquo

(Bruno Phiri)

copy a

stud

ios

hutte

rsto

ckc

om

copy B

fR

24 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

Algengift in Tropenfischen

Bisher traten Lebensmittelvergiftungen durch Ciguato-xin ndash einem Algentoxin das in tropischen Speisefischen wie Barrakuda Schnapper oder Zackenbarsch enthalten sein kann ndash vorwiegend in den Tropen auf Mit dem zunehmenden Import von Fischen aus Suumldostasien haumlufen sich auch in Europa und seit 2012 in Deutschland Faumllle von Ciguatera Ein Problem dabei Eine Analyse-methode mit der Fisch routinemaumlszligig auf Ciguatoxine untersucht werden kann ist derzeit noch nicht verfuumlgbar Da weltweit nur wenige Labore auf den Nachweis von Ci-guatoxinen in Fischen spezialisiert sind wird im Projekt bdquoEuroCigualdquo der Europaumlischen Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit (EFSA) unter anderem an der Verbesserung entsprechender Analysemethoden und zum Vorkommen ciguatoxischer Fische in Europa geforscht Das BfR liefert fuumlr das Projekt Angaben zu Erkrankungsfaumlllen in Deutschland Die krankmachenden Algentoxine reichern sich uumlber die Nahrungskette in Raubfischen an und sind uumlberaus stabil Durch Erhitzen oder Tiefkuumlhlen lassen sie sich nicht entfernen Beim Menschen kann der Verzehr betroffener Fische dann zu Vergiftungen mit zum Teil schweren oder andauernden Beeintraumlchtigungen des Nervensystems fuumlhren An Ciguatera Erkrankte nehmen normale Kaumlltereize als ungewoumlhnlich schmerzhaft wahr

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt A-Z-Index Ciguatoxin

Alkaloide in Lupinensamen

In verarbeiteten Produkten oder zum Knabbern Lupinensamen sind im Trend Da sie jedoch toxikologisch relevante bittere Chinolizidinalkaloide enthalten koumlnnen bewertet das BfR ihr gesundheitliches Risiko Der Gehalt an Chinolizi-dinalkaloiden in Lupinensamen variiert je nach botanischer und geografischer Abstammung Samen die von bdquoBitterlupinenldquo stammen sind aufgrund ihrer houmlheren Gehalte ohne geeignete Vorbehandlung der bdquoEntbitterungldquo nicht zum Verzehr geeignet Denn Sie koumlnnen beim Menschen Vergiftungssymptome her-vorrufen Lupinenvarietaumlten die Samen mit niedrigen Alkaloidgehalten liefern werden als bdquoSuumlszliglupinenldquo bezeichnet Suumlszliglupinensamen sind auch ohne Entbitte-rung verzehrsfaumlhig In Deutschland kam es mit Bitterlupinensamen vereinzelt zu Vergiftungsfaumlllen Das BfR empfiehlt Herstellern daher nur ganze Lupinensamen in den Verkehr zu bringen die ohne weitere Entbitterungsprozesse verzehrsfaumlhig sind Mehl aus Lupinensamen sollten Hersteller aus alkaloidarmen oder ausrei-chend entbitterten Samen herstellen

Uumlbertragungswege des Hepatitis-E-Virus

Infektionen mit dem Hepatitis-E-Virus (HEV) koumlnnen zu einer akuten Leberentzuumlndung fuumlhren In den letzten Jahren sind die Zahlen gemeldeter Hepatitis-E-Faumllle des Menschen in Deutsch-land stark angestiegen Forschungsergebnisse des BfR in Zusam-menarbeit mit anderen Einrichtungen haben gezeigt dass das Virus in deutschen Haus- und Wildschweinen weit verbreitet ist Vereinzelt wurde HEV auch in Rehen und Rotwild nachgewiesen

Unklar ist derzeit noch auf welchen Wegen sich die Patienten mit dem Virus anstecken Moumlglich sind direkte Virusuumlbertra-gungen zum Beispiel vom Wildtier auf den Jaumlger und indirekte uumlber Lebensmittel die aus infizierten Tieren hergestellt wurden Wie aktuelle Studien des BfR zeigen kann HEV in verschiedenen Wurstwaren aus dem deutschen Einzelhandel nachgewiesen wer-den Fraglich ist ob das Virus in diesen Produkten noch anste-ckend ist oder ob es bei der Herstellung der Lebensmittel zerstoumlrt wird Hierfuumlr noumltige Untersuchungen waren in der Vergangenheit erschwert da sich HEV im Labor nur schlecht kultivieren lieszlig Erste Ergebnisse von Untersuchungen mithilfe eines am BfR ent-wickelten neuartigen Zellkultur-Systems weisen darauf hin dass HEV hitzeempfindlich ist aber bei Kuumlhlung oder Raumtempera-tur mehrere Wochen infektioumls bleiben kann

SPEKTRUM

copy N

eil B

urto

nsh

utte

rsto

ckc

om

copy N

atal

ia M

ylov

ash

utte

rsto

ckc

om

copy iS

tock

com

Mee

Poo

hyap

hoto

25012017

bdquoNur eine gemeinsame Strategie ist effektivldquo

Frau Kaumlsbohrer ein zentrales Thema Ihrer Forschung sind Antibiotikaresis-tenzen In der oumlffentlichen Debatte wird oft ein Zusammenhang hergestellt zwi-schen dem haumlufigen Einsatz von Anti-biotika in der Nutztierhaltung und dem Auftreten resistenter Bakterien in der Humanmedizin Doch werden bei Tieren nicht andere Antibiotika eingesetzt als bei MenschenUm die Unterschiede zu erlaumlutern muss man zwischen Praumlparaten und den antibiotischen Wirkstoffgruppen unterscheiden Beim Tier verwenden Veterinaumlrmediziner ande-re Praumlparate als Aumlrzte beim Menschen Der wirksame Inhaltsstoff das Antibiotikum kann aber dasselbe sein Die Antibiotika lassen sich wiederum in Wirkstoffgruppen einteilen Mit Blick auf die Wirkstoffgrup-pen gilt Die meisten Antibiotika die beim Menschen eingesetzt werden gehoumlren zu Wirkstoffgruppen die wir auch in der Vete-rinaumlrmedizin nutzen Es gibt nur ganz weni-ge Antibiotikagruppen die nur auf der einen oder der anderen Seite verwendet werden Dazu gehoumlren zum Beispiel die Carbapene-me die nicht beim Nutztier eingesetzt wer-den duumlrfen In der Humanmedizin kommen sie insbesondere zum Einsatz wenn andere Antibiotika nicht mehr wirksam sind

bdquoEine Resistenz ge-gen einen bestimm-ten Wirkstoff kann sich auch ausbrei-ten obwohl diese Wirkstoffgruppe nicht eingesetzt wurde

Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer leitet am BfR die Fachgruppe bdquoEpide-miologie Zoonosen und Antibiotika-resistenzldquo die unter anderem auch das Nationale Referenzlabor fuumlr Antibiotika- resistenzen umfasst Seit April 2016 ist sie auszligerdem Professorin an der Vetmeduni Vienna und leitet dort das Institut bdquoOumlffentliches Veterinaumlrwesenldquo

Wenn sie beim Nutztier nicht eingesetzt werden duumlrfen wie kann es dann sein dass Sie am BfR im Rahmen des For-schungsprojekts RESET Carbapene-mase-bildende Bakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden gefunden habenDie Entstehung von Antibiotikaresistenzen ist ein natuumlrlicher Vorgang bei Bakterien Durch den Gebrauch von Antibiotika wird dieser Prozess beschleunigt Eine Resistenz gegen einen bestimmten Wirkstoff kann sich auch ausbreiten obwohl diese Wirk-stoffgruppe nicht eingesetzt wurde Dank der Selektion gilt meist Wenn ich einen Wirkstoff einsetze gebe ich jenen Bakterien einen Vorteil die gegen den Wirkstoff resis-tent sind Aber Carbapenemasen also die Enzyme die von Carbapenem-resistenten Bakterien gebildet werden koumlnnen neben den Carbapenemen auch fast alle anderen

Bakterien die gegen Antibiotika resistent sind stellen ein Risiko fuumlr die oumlffentliche Gesundheit dar Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer widmet sich am BfR dieser Problematik Im Gespraumlch erklaumlrt sie welche Faktoren bei der Ausbreitung von Resistenzen eine Rolle spielen

copy M

icha

el B

ernk

opf

Vetm

edun

i Vie

nna

26 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

β-Laktam-Antibiotika inaktivieren Theo-retisch ist es daher moumlglich dass sich eine Resistenz gegen Carbapeneme ausbreitet obwohl der Tierarzt beim Nutztier eine an-dere Wirkstoffgruppe eingesetzt hat Ist die Resistenz bei Bakterien vorhanden gibt es viele Ausbreitungswege Ein Stall ist kein steriler Ort sondern belebte Umwelt Moumlg-liche Eintragswege fuumlr resistente Bakterien in einen Stall sind z B belebte Vektoren wie neu eingestallte Tiere Maumluse Fliegen oder Voumlgel aber auch unbelebte Vektoren wie Futter Wasser Staub oder Geraumltschaften

Was hat sich seit dem Fund der Carba-penemase-bildenden Enterobakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden fuumlr Ihre Arbeit beim BfR geaumlndert Der Fund hatte vielfaumlltige Konsequenzen Wir haben vor allem die gezielten Untersu-chungsaktivitaumlten verstaumlrkt Bakterien-Iso-late aus Tierbestaumlnden und Lebensmitteln werden seit 2014 im Rahmen des Resistenz-monitorings im BfR routinemaumlszligig auf eine Carbapenem-Resistenz getestet Auszligerdem steht seit 2015 fuumlr den Nachweis von Carba-penemase-bildenden Bakterien ein weiteres gezieltes Nachweisverfahren zur Verfuumlgung Hierzu muumlssen die Labore geschult werden Zusaumltzlich werden im Nationalen Refe-renzlabor fuumlr Antibiotikaresistenz am BfR Carbapenemase-verdaumlchtige Bakterien auf die charakteristischen Resistenzgene hin un-tersucht Am BfR wurden hierfuumlr verschie-dene Methoden fuumlr die Untersuchung von E coli und Salmonella etabliert Bisher wur-den sehr selten solche Resistenzgene nach-gewiesen bei Nutztieren das Gen blaVIM-1 bei einem Wildvogel das Gen blaNDM-1

Oftmals sind die Resistenzgene gegen Carbapeneme zusammen mit anderen Resistenzgenen auf mobilen geneti-schen Elementen lokalisiert Warum ist hier besondere Vorsicht gebotenZunaumlchst ist die Trefferwahrscheinlichkeit fuumlr eine Selektion houmlher wenn mehrere Re-sistenzgene auf einem genetischen Element liegen d h der Einsatz verschiedener Anti-biotika kann zu einem Selektionsvorteil fuumlh-ren Die Lokalisation von Resistenzgenen auf mobilen genetischen Elementen spielt fuumlr die Uumlbertragbarkeit von Resistenzen eine wichtige Rolle Denn Diese Resistenzgene koumlnnen mittels horizontalem Gentransfer auf ganz unterschiedliche Bakteriengruppen uumlbertragen werden Diese Erkenntnis hat eine Art Revolution ausgeloumlst Lange Zeit wurde ein Erreger mit all seinen Eigenschaf-ten als Einheit betrachtet Kann die Resis-tenz aber zwischen Bakteriengruppen hin

und her uumlbertragen werden verfaumllscht das moumlglicherweise den Blick auf eine Gruppe Folglich mussten die Nachweisverfahren umgestellt und die Uumlbertragbarkeit von Re-sistenzen mit analysiert werden Erschwe-rend kommt hinzu dass ein Resistenzgen auf einem grundsaumltzlich ungefaumlhrlichen

Bakterium zum Problem werden kann Manche Bakterien wie beispielsweise E coli gehoumlren zur normalen Darmflora Traumlgt so ein Bakterium eine Resistenzeigenschaft ist das erstmal nicht gefaumlhrlich Aber Es kann diese Eigenschaft moumlglicherweise an einen Infektionserreger weitergeben

Welche konkreten Folgen kann eine solche Weitergabe von Resistenzeigen-schaften habenSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt Schon jetzt weichen Aumlrzte auf Wirk-stoffgruppen aus die in der Humanmedizin lange verpoumlnt waren Dies gilt zum Beispiel fuumlr Colistin Fuumlr den Menschen ist es nicht gut vertraumlglich moumlgliche Nebenwirkun-gen sind beispielsweise die Schaumldigung der Nieren oder des Nervensystems In der Ve-terinaumlrmedizin hat Colistin seit Jahrzehnten eine erhebliche Bedeutung vor allem fuumlr die Behandlung von Infektionen des Ma-gen-Darm-Traktes bei Nutztieren auch um andere Wirkstoffgruppen zu vermeiden

Spielt im Fall von Colistin die Mobilitaumlt des Resistenzgens auch eine besonde-re Rolle Inzwischen ja Bis Ende 2015 waren sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler einig Eine Colistin-Resistenz ist nicht uumlbertragbar Das heiszligt kommt eine solche Resistenz bei einem Infektionserreger beim Nutztier vor ist sie nicht per se auf ein hu-manpathogenes Bakterium uumlbertragbar Doch Ende 2015 wurde in China erstmals das uumlbertragbare Gen mcr-1 beschrieben Untersuchungen in Belgien haben spaumlter zur Beschreibung eines weiteren mobilen Gens fuumlr die Colistin-Resistenz bei Nutztieren

bdquoSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

27012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Ausbreitung von Resistenzen

Haustiere

Krankenhaus

Belastetepflanzliche Lebensmittel

Belastete tierische Lebensmittel

Nutztiere

Futtermittel

Schaumldlinge

Uumlbertragungswege resistenter Bakterien

Menschen

Eine Antibiotikaresistenz entsteht

(z B durch Mutation)

Antibiotikatherapie beguumlnstigt die

Selektion resistenter Bakterien

Nahrung

Duumlnger Abwasser

Abwasser

28 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

gefuumlhrt mcr-2 Das bedeutet eine Uumlbertra-gung der durch diese Gene vermittelten Re-sistenz auf ein humanpathogenes Bakterium ist theoretisch moumlglich Allerdings scheint dies bisher selten der Fall zu sein

Diese Erkenntnisse offenbaren einen groszligen Forschungsbedarf Was tun Sie in der Abteilung bdquoBiologische Sicher-heitldquo um das Risiko zu bewerten Als 2015 klar wurde dass es eine uumlbertrag-bare Colistin-Resistenz gibt haben wir diese neue Erkenntnis in den laufenden Projekten natuumlrlich sofort aufgegriffen Im Rahmen des Forschungsprojekts RE-SET haben wir zum Beispiel vorhandenes Bakterienmaterial und die bei unseren Ko-operationspartnern verfuumlgbaren Gesamt-genominformationen auf das Vorkommen dieses neuen Resistenzgens gepruumlft Schnell war klar Ja dieses Gen finden wir in den Sequenzen Und die Pruumlfung von Colis-tin-resistenten Isolaten aus unserer Stamm-sammlung hat bestaumltigt dass dieses Resis-tenzgen bereits weit verbreitet ist

Muumlssen nun neue Forschungsprojekte zu dem Thema initiiert werdenJa denn viele Fragen bleiben bislang offen Wie haumlufig wird die Resistenz tatsaumlchlich uumlbertragen Was triggert diese Uumlbertra-gung Es gibt auch diagnostische Probleme Das uumlbliche Verfahren in der Humanmedi-zin um Resistenzen zu testen umfasst in der Regel nicht die Resistenz gegen Colistin Es gibt also viel zu tun Neue Diagnose- und Typisierungsverfahren aufbauen unser Re-sistenzmonitoring erweitern und routine-maumlszligig phaumlnotypisch resistente Isolate auf das Gen pruumlfen Die Ergebnisse muumlssen wir dann uumlbergreifend bewerten um Hand-lungsoptionen aufzuzeigen

Welche Uumlbertragungswege spielen bei der Colistin-Resistenz fuumlr den Men-schen eine Rolle Mit Sicherheit koumlnnen wir das derzeit nicht sagen Die chinesische Arbeitsgruppe hat Colistin-Resistenzen sowohl im Schweine-fleisch als auch beim Menschen gefunden Daher liegt die Hypothese nahe dass es eine Uumlbertragung uumlber Lebensmittel gibt Gleichzeitig gibt es generell die Beobachtung von nosokomialen Ausbreitungen resisten-ter Bakterien Das sind Ausbreitungen von Antibiotikaresistenzen im Krankenhaus

Resistenzen breiten sich aus Wunder-waffen verlieren ihre Wirkung selbst im Krankenhaus sind wir nicht sicher Gibt es uumlberhaupt eine effiziente Strategie gegen die Ausbreitung der Antibiotika- resistenzen Und wer ist dabei gefor-dertUm die Ausbreitung von Antibiotika- resistenzen zu verhindern braucht es eine gemeinsame Strategie Schlieszliglich sind hier komplexe Zusammenhaumlnge zwischen Mensch Tier und Umwelt am Werk Am BfR streben wir deswegen eine enge Zu-sammenarbeit mit allen Akteuren im oumlffent-lichen Gesundheits- und Veterinaumlrwesen an Bei diesem bdquoOne Health-Ansatzldquo sind sowohl Veterinaumlr- als auch Humanmedizi-ner gefordert Auch Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

Was sollten Verbraucherinnen und Ver-braucher beachtenHier gelten dieselben Hygieneregeln die auch fuumlr andere vom Tier oder vom Le-bensmittel auf den Menschen uumlbertragba-re Krankheitserreger gelten Zum Beispiel sollten sie sich nach dem Kontakt mit Tie-ren die Haumlnde mit warmem Wasser und Seife waschen Auch nach der Zubereitung von rohem Fleisch sollten die Haumlnde gruumlnd-lich gewaschen werden Fleisch Eier und Rohmilch sollten vor dem Verzehr durcher-hitzt werden Rohkost und Obst sollten vor dem Verzehr gruumlndlich mit Trinkwasser gewaschen oder geschaumllt werden Weiterhin wichtig ist den direkten oder indirekten Kontakt von rohem Fleisch und rohen Ei-ern mit verzehrfertigen Speisen die spaumlter nicht mehr erhitzt werden zu vermeiden Durch die Einhaltung der Hygieneregeln kann man einer Uumlbertragung von resisten-ten und oder pathogenen Bakterien auf an-dere Lebensmittel vorbeugen

Mehr erfahren Irrgang et al 2017 Recurrent detection of VIM-1-producing Escherichia coli clone in German pig production Journal ofAntimicrobial Chemotherapy 72 3 944ndash946

bdquoVerbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

RESET

Der Forschungsverbund RESET ndash Antibiotika-Resistenzen bei Tier und Mensch ndash beschaumlftigte sich von 2010 bis 2017 mit Resistenzen gegen die besonders wichtigen Antibiotika-Klas-sen der β-Laktam-Antibiotika und (Fluor-)Chinolone bei Darmbakterien wie Escherichia (E) coli Sind Bak-terien gegen beide Wirkstoffklassen resistent werden die therapeutischen Moumlglichkeiten drastisch eingeschraumlnkt Bei E coli und Salmonella enterica wurden derartige Resistenzen bereits nachgewiesen Das BfR beteiligte sich mit zwei Projekten an dem Forschungs-verbund Durch das konsequente Zusammenfuumlhren von Ergebnissen der unterschiedlichen Forschungsgebiete in einer gemeinsamen Datenbank konnten Erkenntnisluumlcken geschlossen und Risiken bewertet werden Das Projekt wurde vom Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) gefoumlrdert

29012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Kann es durch die Mischung verschiedener Pestizid-Ruumlckstaumlnde beim taumlglichen Verzehr zu gesundheitsgefaumlhrdenden Belastungen kommen

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

30 BfR 2 GO

Wenn von Paradigmenwechseln die Rede ist findet meist ein grundlegendes Umdenken statt In der Risikobewertung von Chemikalien habe ein Paradigmenwechsel stattge-

funden der die traditionelle Einzelsubstanz-Bewertung hinter sich lasse schrieben BfR-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler vor einiger Zeit Man koumlnnte meinen in der Toxikologie wird der Paracelsus-Satz kuumlnftig umgeschrieben Nicht nur die Dosis son-dern auch die Aufsummierung der Dosierungen in einer Mischung macht das Gift

Gift- oder Todescocktail ndash plakative Medienbegriffe

Denn tatsaumlchlich In den letzten Jahren beschaumlftigen sich weltweit immer mehr Gremien politische Ausschuumlsse und Forschungspro-jekte mit der Frage wie man die Auswirkungen von Mischungen auf Umwelt und Gesundheit kuumlnftig bewerten kann Auch in der Oumlffentlichkeit wird das Thema emotional verhandelt Chemikali-enmix Gift- oder sogar Todescocktail ndash mit plakativen Begriffen umschreiben Medien das Phaumlnomen der Mehrfachruumlckstaumlnde Entsprechend tief sitzt die Angst bei Verbraucherinnen und Ver-brauchern In einer vom BfR in Deutschland durchgefuumlhrten re-praumlsentativen Wahrnehmungsstudie vermuten 80 Prozent der Befragten dass der Einsatz mehrerer unterschiedlicher Pflanzen-schutzmittel zu gesundheitlichen Beeintraumlchtigungen durch Le-bensmittel fuumlhren kann

Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck sein

Zwar zeigen verschiedene aktuelle Monitoring-Projekte dass das gesundheitliche Risiko durch Mehrfachruumlckstaumlnde von Pflanzen-schutzmitteln unwahrscheinlich ist (s Interview) aber das Thema bleibt auch fuumlr die Wissenschaft draumlngend Denn auch wenn Mi-schungen schon seit Jahrzehnten wissenschaftlich analysiert und bewertet werden das Beduumlrfnis nach einer zuverlaumlssigen Bewertung der Risiken fuumlr Mensch und Umwelt steigt Grund dafuumlr ist zum einen die Vielzahl immer neuer Wirkstoffe Zusatzstoffe Chemika-lien Ruumlckstaumlnde und Kontaminanten gegenuumlber denen Menschen exponiert sind verbunden mit immer verfeinerten wissenschaftli-chen Nachweismethoden Zum anderen steigt der Druck aus der Oumlffentlichkeit Um wissenschaftliche Divergenzen zu vermeiden muumlssen transparente und international harmonisierte Verfahren entwickelt werden Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck in der Risikobewertung sein

Alle Gemische im Tierversuch zu testen ist nicht durchfuumlhrbar

Worum geht es im Einzelnen Mischungen liegen immer dann vor wenn ein Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt verschiedene Stoffe gleichzeitig aufnimmt z B Ruumlckstaumlnde Kontaminanten oder Chemikalien die nach der Europaumlischen Chemikalienverordnung REACH registriert sind Das geschieht wenn sogenannte intentional mixtures also beabsichtigte Mischungen wie Pflanzenschutzmittel oder Biozide in den Verkehr gebracht werden Aber auch unintenti-onal mixtures nimmt der Koumlrper auf Sei es dass verschiedene Stoffe in einem Produkt enthalten sind z B mehrere Pflanzenschutzmit-telruumlckstaumlnde in einem Apfel Oder sei es dass Stoffe gleichzeitig uumlber unterschiedliche Produkte aufgenommen werden In all diesen Faumlllen koumlnnen Mischungseffekte auftreten Diese sind je nach Wirk-mechanismus unterschiedlich stark ausgepraumlgt So koumlnnen sich die Wirkungen von Stoffen gegenseitig potenzieren oder auch aufheben Nach derzeitigem Kenntnisstand wird davon ausgegangen dass sich Wirkungen in der Regel addieren wenn die aufgenommenen Stoffe oberhalb der Wirkschwelle liegen den gleichen Wirkmechanismus haben und zu einem relevanten Zeitpunkt vom Organismus aufge-nommen wurden

Hier beginnen die Schwierigkeiten Es gibt zu viele intentional mix-tures die eine nahezu unuumlbersehbar groszlige Anzahl von Kombinati-onen ermoumlglichen Diese Gemische alle im Tierversuch zu testen wie sonst bei Einzelsubstanzen uumlblich waumlre sowohl ethisch nicht zu vertreten als auch praktisch nicht durchfuumlhrbar Daher arbeiten viele Forschungsprojekte u a der EU-Kommission daran tierversuchs-freie Methoden fuumlr die kumulative Bewertung zu entwickeln die die Effekte von Mischungen in vitro oder durch computergestuumltzte Be-rechnungen in silico berechnen (s Interview und Kasten)

Weltweit setzen Laumlnder das Thema auf ihre Agenda

Nicht nur fuumlr die Wissenschaft auch fuumlr den harmonisierten Voll-zug von Gesetzen ergeben sich dadurch neue Herausforderungen So schreibt z B die EU-Verordnung uumlber das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vor Kumulations- und Synergieeffekte zu be-ruumlcksichtigen ndash sofern es von der Behoumlrde anerkannte wissenschaft-liche Methoden zur Messung solcher Effekte gibt Doch die lagen bisher nicht vor Deshalb werden nun auf allen Ebenen technische Leitfaumlden fuumlr die neuen Methoden erstellt um eine harmonisierte

Auf die Mischung kommt es anKumulative Risikobewertung nimmt weltweit eine immer groumlszligere Bedeu-tung in der Toxikologie ein Das BfR arbeitet an einer Vielzahl von Projek-ten wie Mischungen in Zukunft bewertet werden koumlnnen

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

31012017

Vorgehensweise und transparente Nachvollziehbarkeit bei der Zu-lassung von Produkten zu gewaumlhrleisten Unter anderem die EFSA die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmittelsicherheit die Europauml-ische Chemikalienagentur ECHA und das JRC die Gemeinsame Forschungsstelle der Europaumlischen Kommission erarbeiten solche technischen Leitfaumlden

Neben der wissenschaftlichen Komplexitaumlt muumlssen diese techni-schen Leitfaumlden weitere Herausforderungen meistern Sie sollen fuumlr alle Bereiche gelten in denen Mischungen in Verkehr gebracht werden oder entstehen koumlnnen Bisher wurden Mischungen haumlufig nur in einem regulatorischen Bereich untersucht z B als Pflan-zenschutzmittel Biozid oder Arzneimittel Fuumlr andere Stoffe wie Lebensmittelzusatzstoffe oder Kontaminanten war die Bewertung von Mischungen bisher nicht klar gesetzlich reguliert In Zukunft sollen auch diese Stoffe bei einer Bewertung von Mischungen besser beruumlcksichtigt werden Auch soll nicht nur die chemische Zusam-mensetzung eines einzelnen Produktes systematisch bei der Zu-lassung beruumlcksichtigt werden sondern auch Mehrfachruumlckstaumlnde im gesamten Warenkorb den Verbraucherinnen und Verbraucher durchschnittlich zu einer gegebenen Zeit konsumieren Und zu gu-ter Letzt muumlssen die neuen Verfahren weltweit harmonisiert werden um das kumulative Risiko fuumlr Mensch und Umwelt auch angesichts globaler Warenketten gering zu halten Deshalb diskutieren Politik und Wissenschaft zurzeit nicht nur auf europaumlischer Ebene entspre-chende Leitfaumlden auch andere Laumlnder weltweit sowie die Weltge-sundheitsorganisation WHO und die Organisation fuumlr wirtschaftli-che Zusammenarbeit und Entwicklung OECD haben die kumulative Bewertung auf ihre Agenda genommen und stimmen ihre Guidance Documents mit den uumlbrigen Behoumlrden ab

Deutschland wendet die kumulative Bewertung schon an

Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR sind an zahlreichen dieser internationalen Projekte beteiligt sowohl an der wissenschaftlichen Erforschung kumulativer Effekte als auch an der Entwicklung technischer Leitfaumlden Einen wichtigen Schritt bei der kumulativen Bewertung hat Deutschland in der Europaumlischen Uni-

Stufe um Stufe zu einer gesicherten Bewertung

Seit Maumlrz 2017 wird in Deutschland eine Methodik fuumlr die Bewertung von Kumulations- und Synergie-effekten bei der gesundheitlichen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln in den Zulassungsverfahren angewandt Grundlage fuumlr das gestufte kumulative Bewertungsverfahren ist der sogenannte bdquoHazard Quotientldquo (HQ) der fuumlr jeden einzelnen Stoff ermit-telt wird Der HQ errechnet sich aus dem Verhaumlltnis zwischen dem relevanten gesundheitlichen Grenz-wert und der geschaumltzten Exposition

In einer ersten Stufe wird der HQ fuumlr alle Stoffe eines Gemisches einzeln ermittelt Liegt der HQ jedes Stoffes unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko fuumlr die einzelnen Bestandteile der Mischung zu erwarten Liegt dieser bei einzelnen Stoffen uumlber 1 wird gepruumlft ob die Exposition durch geeignete Maszlignahmen weiter vermindert werden kann zum Beispiel durch das Tragen entsprechender Schutz-kleidung

Liegt der HQ fuumlr alle Komponenten unter 1 wird in einer zweiten Stufe der sogenannte bdquoHazard Indexldquo (HI) des Gemisches ermittelt indem alle Gefahren-quotienten der verwendeten Stoffe addiert werden Liegt der ermittelte Wert weiterhin unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko durch das Gemisch zu erwarten

Liegt der HI uumlber 1 geht die Bewertung mit weiter verfeinerten Methoden in die dritte Stufe uumlber In dieser wird gepruumlft ob ein gesundheitliches Risiko vorliegt wenn eine Gruppierung der Einzelstoffe vorgenommen wird Dazu koumlnnen die einzelnen Stoffe in kumulative Bewertungsgruppen (cumula-tive assessment groups CAGs) eingeteilt werden die z B nach Effekten im gleichen Zielorgan oder nach dem gleichen Wirkmechanismus oder nach chemischer Verwandtschaft definiert sein koumlnnen Hintergrund dieser Einteilung ist die Annahme dass sich nach gegenwaumlrtigem Kenntnisstand nur Effek-te addieren die hinsichtlich der Zielorgane oder der Wirkmechanismen (MOA) vergleichbar sind Auch die relative Potenz der einzelnen Stoffe soll bei der verfeinerten Bewertung beruumlcksichtigt werden Liegt der HI innerhalb einer CAG unter 1 ist deshalb kein gesundheitliches Risiko zu erwarten Liegt er oberhalb des Wertes und koumlnnen weder Expositionsschaumltzung noch Gefahrenbewertung weiter verfeinert werden gilt das Gemisch als nicht sicher

Das mehrstufige Verfahren hat den Vorteil dass die ressourcenaufwendigeren Methoden zur verfei-nerten Bewertung z B in vergleichbaren CAGs oder MOAs nur zum Einsatz kommen wenn mit den ersten einfacheren Bewertungsmethoden nicht nachweisbar ist dass kein gesundheitliches Risiko zu erwarten ist

copy T

atom

mis

tock

com

32 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

EuroMix A tiered strategy for risk assessment of mixtures of multiple chemicals

EuroMix ist ein laumlnderuumlbergreifendes Projekt der EU-Kommission das die nie-derlaumlndische Behoumlrde fuumlr Gesundheit und Umweltschutz RIVM koordiniert Es zielt darauf ab eine tierversuchsfreie experi-mentelle Test-Strategie zu entwickeln um die Toxizitaumlt von Gemischen verschiedener toxikologisch relevanter Lebensmittelin-haltsstoffe Lebensmittelkontaminanten und Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde besser zu bestimmen Aus den Forschungsergeb-nissen wird ein Leitfaden fuumlr die kuumlnftige Umsetzung einer experimentellen Test-Stra-tegie entwickelt Das Acht-Millionen-Eu-ro-Projekt laumluft bis Mai 2019

Mehr erfahren wwweuromixprojecteu

Kombinationseffekte Forschungsprojekte des BfR

Am BfR werden in verschiedenen Abteilungen mehrere interne Forschungsprojekte zu Kombinationseffekten durch-gefuumlhrt Dazu gehoumlren u a Forschungsprojekte zu kumulativen Wirkungen in Pflanzenschutzmitteln und Bioziden zu Mehrfachruumlckstaumlnden in Lebensmitteln zur Expositionsschaumltzung sowie zu wirbeltierfreien Alternativmethoden Daruumlber hinaus ist und war das BfR auch an folgenden Drittmittel-Projekten beteiligt die zu Kombinationseffekten forschen

Combiomics Analyse von Kombinationseffekten von Pestiziden in vitro

Combiomics war ein zweieinhalbjaumlhri-ges Projekt des Bundesministeriums fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) das im Fruumlhling 2016 abgeschlossen wurde In dem vom BfR koordinierten Projekt wurden moumlgliche Kombinationswirkungen durch Mehrfachruumlckstaumlnde beispielhaft anhand einer Gruppe von Fungiziden in vitro unter-sucht Dazu wurden die molekularen Effek-te der Triazole mittels multi level omics und praumldiktiver mathematischer Modellierung untersucht Ausgehend von den Ergebnissen wurde ein Praumldiktionsmodell fuumlr Substanz-kombinationen erstellt validiert und auf Pestizide anderer Stoffgruppen bzw weitere Substanzklassen ausgedehnt um Kombi-nationseffekte kuumlnftig weitgehend ohne Tierversuche durchfuumlhrbar zu machen

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschung gt Drittmittelprojekte gt Combiomics

Combiomics 2Auch die zweite Projektphase von Com-biomics wird vom BfR koordiniert Hier sollen erfolgreich getestete Methoden und Zelllinien in Form einer standardisierten In-vitro-Testbatterie validiert und in ein Standardverfahren integriert werden das auch kuumlnftigen regulatorischen Anforde-rungen entspricht Das dreijaumlhrige Projekt wird vom BMBF bis Ende 2019 gefoumlrdert

Mehr erfahren wwwfisaonlinede gt Kombinationseffekte Pestizide

on schon jetzt unternommen Am 1 Maumlrz 2017 erschien im Bundesanzeiger eine Be-kanntmachung dass Kumulations- und Synergieeffekte in der gesundheitlichen Be-wertung von Pflanzenschutzmitteln kuumlnf-tig durch das BfR beruumlcksichtigt werden Damit bezieht Deutschland bei der zonalen Zulassung von Pflanzenschutzmitteln eine systematische kumulative Bewertung ein

Ein Leitfaden zur kumulativen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln wurde am BfR erarbeitet basierend auf den internatio-nalen Diskussionen bei EFSA und ECHA und 2014 veroumlffentlicht Seitdem wird das Verfahren am BfR angewandt uumlberpruumlft und verfeinert Im Kern geht es darum in einem mehrstufigen Verfahren verschie-dene Wirkstoffe in einem Pflanzenschutz-mittel oder in einer beantragten Tankmi-

schung kumulativ zu bewerten (s Kasten) Dazu werden sowohl die Exposition der Anwenderinnen und Anwender als auch die akute Exposition der Verbraucherinnen und Verbraucher betrachtet sodass die am meisten exponierten Gruppen beruumlcksich-tigt sind

Das Ziel Mischungen weltweit harmonisiert zu bewerten

Die Einfuumlhrung der Konzepte zur kumu-lativen Bewertung von Pflanzenschutzmit-teln hat auch in anderen EU-Laumlndern Aus-wirkungen auf die Risikobewertung Wenn Deutschland im zonalen Zulassungsverfah-ren bewertender Mitgliedstaat ist wird das Verfahren grundsaumltzlich angewandt Aber auch in die Bewertungsberichte anderer Laumlnder flieszligt die kumulative Bewertung als

deutscher Kommentar mit ein Durch den fachlichen Austausch zwischen den Mit-gliedstaaten wurde das Konzept in den letz-ten Jahren einem Peer-Review unterzogen Um die Praxis europaweit noch besser zu harmonisieren werden derzeit auszligerdem internationale Workshops organisiert auf denen diskutiert wird wie Mischungen bei der Risikobewertung kuumlnftig beruumlcksichtigt werden sollen Das BfR veranstaltet einen solchen Workshop im November 2017 im Auftrag der Europaumlischen Kommission die Franzoumlsische Behoumlrde fuumlr gesundheitlichen Verbraucher- Umwelt- und Arbeitsschutz (ANSES) einen weiteren im Februar 2018 unter aktiver Beteiligung des BfR

Das Ziel Mischungen weltweit harmoni-siert zu bewerten um Mensch und Umwelt besser zu schuumltzen ruumlckt damit naumlher

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

33012017

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

bdquoZiel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertungldquo Interview mit Herrn Dr Roland Solecki uumlber die Forschungsaktivitaumlten des BfR zu Mehrfachruumlckstaumlnden

Herr Solecki bei Mehrfachruumlckstaumlnden von Pflanzenschutzmitteln sprechen die Medien oft von einem bdquoGiftcocktailldquo Haben Sie Erkenntnisse daruumlber wie groszlig das gesundheitliche Risiko tat-saumlchlich istDas BfR hat dazu gemeinsam mit dem Bun-desministerium fuumlr Ernaumlhrung und Land-wirtschaft und dem Bundesamt fuumlr Ver-braucherschutz und Lebensmittelsicherheit einen Bericht uumlber die kumulativen Wir-kungen von Pflanzenschutzmitteln veroumlf-fentlicht Dieser basiert auf einer Methodik der niederlaumlndischen Behoumlrde fuumlr Gesund-heit und Umweltschutz RIVM Hintergrund ist ein Monitoring das uumlber einen Zeitraum von sechs Jahren in Deutschland durchge-fuumlhrt wurde Darin wurde untersucht wel-che Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde durch-schnittlich uumlber Lebensmittel aufgenommen werden Das Ergebnis war dass auch unter Worst-Case-Annahmen fuumlr die Mischungen von Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnden ein gesundheitliches Risiko unwahrscheinlich ist Die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit EFSA kam in ihrem Monito-ring-Bericht von 2015 fuumlr Gesamteuropa zu einem aumlhnlichen Ergebnis

Sie arbeiten unter anderem bei dem Pro-jekt EuroMix mit Worum geht es dabeiEs handelt sich um ein groszliges Forschungs-projekt der EU-Kommission zur kumulati-ven Bewertung von Mischungen im Rahmen von Horizont 2020 dem Rahmenprogramm der Europaumlischen Union fuumlr Forschung und Innovation Das Projekt hat zum Ziel neue Bewertungsmethoden fuumlr Mischungseffekte zu erarbeiten besonders auch im Hinblick auf Alternativen zu Tierversuchen innovati-ve Wege der Expositionsschaumltzung und Mo-dellierung von kumulativen Risiken Dabei geht es nicht nur um Pflanzenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatzstoffe und andere Chemikalien

Wie ist das BfR da in EuroMix einge-bundenVom BfR arbeiten sowohl die Abteilung Sicherheit von Pestiziden als auch die Ab-teilung fuumlr Lebensmittelsicherheit am Eu-roMix-Projekt mit Waumlhrend die von mir geleitete Abteilung fuumlr die regulative Bewer-tung eingebunden ist werden in der Abtei-lung Lebensmittelsicherheit experimentelle Arbeiten unter anderem zur Lebertoxizitaumlt durchgefuumlhrt in denen auch Kombinatio-nen von Pestiziden mit anderen Lebensmit-telinhaltsstoffen gepruumlft werden

Woran forschen Sie im EuroMix-ProjektWir haben zunaumlchst recherchiert welche gesetzlichen Anforderungen bestehen und wie unterschiedliche Behoumlrden weltweit

Mischungseffekte bewerten Und wir haben Forschungen zu Mischungen durchgefuumlhrt die bestimmte adverse Effekte auf die Leber verursachen Dabei wurden bestimmte Schluumlsselelemente untersucht um daraus ein Konzept fuumlr die Bewertung zu erarbei-ten Jetzt werden die Omics-Untersuchun-gen und andere alternative Pruumlfverfahren noch durch Tierversuche ergaumlnzt sodass wir auch am Gesamtorganismus die Effek-te uumlberpruumlfen koumlnnen Gleichzeitig werden die statistischen Hilfsmittel und die ande-ren elektronisch basierten Tools weiterent-wickelt Auszligerdem folgen noch weitere Stu-dien zur Exposition Die finalen Ergebnisse liegen am Ende des Projekts im Jahr 2019 vor

In welche weiteren europaumlischen Aktivi-taumlten ist das BfR eingebundenDie EFSA hat bereits einige Ansaumltze zur Bewertung der kombinierten Exposition gegenuumlber mehreren Pestiziden und Kon-taminanten bei Menschen sowie mehreren Pestiziden bei Bienen entwickelt Derzeit ist die EFSA damit befasst neue Ansaumltze und Instrumente zur Harmonisierung der Be-wertung von Risiken fuumlr Mensch und Um-welt zu erarbeiten die von der Exposition gegenuumlber mehreren chemischen Stoffen in der Lebensmittelkette ausgehen Ich bin derzeit Mitglied einer Arbeitsgruppe von Sachverstaumlndigen die der Wissenschaftliche Ausschuss der EFSA eingerichtet hat um Leitlinien im Hinblick auf die kombinierte Exposition gegenuumlber mehreren chemi-schen Stoffen zu entwickeln Diese Initiative unter dem Namen bdquoMixToxldquo wird 2018 den Leitfaden in einer oumlffentlichen Konsultation diskutieren

Bei dieser Vielzahl an Aktivitaumlten Wel-ches Ziel haben Sie persoumlnlich vor Au-genDas Ziel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertung von Stoffen in der gesundheitlichen Risikocharakterisie-rung und deren harmonisierte Implemen-tierung in den gesetzlichen Verfahren Dies wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen

bdquoBei den kumulati-ven Risiken geht es nicht nur um Pflan-zenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatz-stoffe und andere Chemikalien

Dr Roland Solecki leitet die Abteilung bdquoSicherheit von Pestizidenldquo am BfR

copy B

fR

34 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

SPEKTRUM

Identifizierung endokriner Disruptoren Vom Grundsatz in die Praxis

Fuumlr Pestizid-Wirkstoffe und andere Chemikalien sind harmonisierte wissenschaftliche Kriterien erforderlich mit denen hormonschaumldigende Substanzen identifiziert werden koumlnnen Das BfR veroumlffentlichte hierzu bereits 2016 ein Konsenspapier als wissenschaftliche Grundlage fuumlr die darauffolgende Arbeit der EU-Behoumlrden Auf legislativer Ebene werden aktuell EU-weit geltende Ver-ordnungen festgelegt um auf wissenschaftlicher Ebene Leitlinien zur regulatorisch harmonisierten Umsetzung dieser Verordnungen zu erarbeiten Mit dieser Aufga-be hat die EU-Kommission die EFSA und die ECHA gemeinsam beauftragt Das BfR unterstuumltzt die Behoumlr-den mit wissenschaftlicher und technischer Expertise indem es die entsprechende Arbeitsgruppe bei der EFSA personell verstaumlrkt sowie Recherchen und Umfragen zur Praktikabilitaumlt von Untersuchungsmethoden durchfuumlhrt Die Publikation der Leitlinien wird fuumlr Fruumlhjahr 2018 erwartet Sie koumlnnen auf Basis der verabschiedeten Ver-ordnungen nach ihrer Implementierung in der Genehmi-gungspraxis angewendet werden

Mehr erfahren Solecki et al 2017 Scientific principles for the identification of endocrine-disrupting chemicals a consensus statement Arch Toxicol 91 1001ndash1006

Insekten-Stopp in Textilien Allergene Wirkung unwahrscheinlich

Das Risiko fuumlr eine Allergie nach dem Kontakt mit Kleidung und Produkten die mit dem Biozid Permethrin behandelt sind ist nach derzeitigem Kenntnisstand unwahrscheinlich Das ist das Ergebnis einer aktuellen Risikobewertung des BfR Gestuumltzt wird das Ergebnis dadurch dass trotz weitverbreiteter Anwendung des Wirkstoffs in Medikamenten und Verbraucherprodukten kein Anstieg der Kontaktallergien gegenuumlber Permethrin zu verzeichnen ist Das Risiko fuumlr kanzero-gene systemische Effekte infolge einer dermalen und oralen Exposition gegenuumlber Permethrin aus Textilien ist nach Ansicht des BfR vernachlaumlssigbar gering Permethrin ist ein biozider Wirkstoff der zum Schutz gegen Insekten in Produkten wie Schlafsaumlcken Picknick- und Yogadecken sowie Teppichen und Kleidung eingesetzt wird Er ist im Chemikalienrecht als sensibilisierend eingestuft ein moumlgliches geringes kanzerogenes Potenzial wird von verschiedenen wissenschaftlichen Gremien diskutiert Der Wirkstoff kann aus Textilien freigesetzt und uumlber die Haut aufgenommen werden Bei kleinen Kindern die viele Produkte in den Mund nehmen kommt eine moumlgliche orale Aufnah-me des Stoffes hinzu

Mehr erfahren Stellungnahme Nr 0062017 des BfR vom 25 April 2017

Wie wirkt Aluminium in Leber und Darm

Aluminium ist in Lebensmitteln Kosmetika und Bedarfsge-genstaumlnden enthalten und kann uumlber die Nahrung aufgenom-men werden Erste Ergebnisse aus dem deutsch-franzoumlsischen Forschungsprojekt bdquoSolNanoToxldquo mit Beteiligung des BfR zeigen dass sich aus der Nahrung aufgenommene Aluminiumverbin- dungen temporaumlr im Darm anreichern Ob und in welchen Men-gen die Partikel weiter in den Koumlrper insbesondere in die Leber gelangen und welche Faktoren ihre Wirkung beeinflussen wird aktuell erforscht Die Forschungsgruppe sieht Anhaltspunkte dafuumlr dass ein Teil der angereicherten Partikel mit dem Stuhl wieder ausgeschieden wird Fuumlr seine Untersuchung simulierte das BfR anhand biologischer Proben die Verdauung verschiede-ner Aluminiumarten vom Mund uumlber den Magen bis zum Darm Mithilfe von Enzymen und Salzen wurden dabei physiologische Parameter wie der pH-Wert gesteuert Waumlhrend des simulierten Verdauungsprozesses veraumlnderten die Aluminiumverbindungen ihre chemische Reaktionsfaumlhigkeit und Loumlslichkeit Die Erkennt-nisse sind ein erster Schritt um den Prozess der Aufnahme Resorption und Verteilung von Aluminium im Koumlrper besser zu verstehen und daraus Daten fuumlr die Risikobewertung abzuleiten Aluminiumverbindungen koumlnnen in zu hohen Dosen toxisch auf das Nervensystem und ungeborenes Leben wirken sowie die Fruchtbarkeit und Knochenentwicklung beeinflussen

copy B

fR

copy c

gsto

cks

hutte

rsto

ckc

om

copy R

osel

ynne

shu

tters

tock

com

35012017

Bei Kleidung ist besonders der Einsatz von Silber-Nanopartikeln weit verbreitet Silber wirkt antibakteriell und soll die Geruchs-bildung durch Schwitzen reduzieren Beim Einsatz von Nanosilber in Kleidungsstuuml-cken ist in erster Linie eine Freisetzung in Schweiszlig und somit ein moumlglicher Hautkon-takt relevant Neben der Frage ob und in welcher Menge Silber prinzipiell aus Texti-lien herausgeloumlst wird beschaumlftigt sich die Forschung mit der Frage welchen Einfluss die Technologie hat mit der Nanosilber auf Textilien aufgetragen bzw eingebracht wird Bisher war zudem unklar inwiefern die Oberflaumlchenbeschichtung der Nano-partikel die Abgabe beeinflusst

Kuumlnstlicher Schweiszlig simuliert Freisetzung

In einem Forschungsprojekt pruumlfte das BfR neun Proben von Textilien die mit Nanosil-ber veredelt waren Als Vergleich diente ein mit konventionellem Silber (hier Silbersalz mit einem Partikeldurchmesser groumlszliger als 100 Nanometer) ausgeruumlstetes Textil Zwei der Textilien waren sogenannte Komposite bei denen Nanosilber in die Faser integriert ist Bei den anderen getesteten Textilien war die Faseroberflaumlche mit Silber-Nano-partikeln bzw in einem Fall mit konventio-nellem Silber beschichtet (Textil-Coating) Um die Abgabe von Silber durch Schwitzen

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

Kleidung wird durch sie wasser- und schmutzabweisend sie blocken UV-Strahlen und mindern Geruumlche Nanoma-terialien haben beliebte funktionelle Eigenschaften Ob sie aufgrund ihrer Winzigkeit gesundheitliche Risiken bergen ist indes noch weitgehend unbekannt In einem Forschungsprojekt uumlber Nanosilber hat das BfR ermittelt ob sich die Kleinstteilchen aus Textilien herausloumlsen und damit zum gesundheitlichen Risiko werden koumlnnen

Nanomaterial

ist ein natuumlrliches bei Prozessen anfallendes oder kuumlnstlich hergestelltes Material das Partikel in ungebundenem Zustand als Aggregat oder als Agglo-merat enthaumllt und bei dem die Mehrheit der Partikel ein oder mehrere Auszligen-maszlige im Bereich unter 100 Nanometer hat In Nanogroumlszlige kann ein Stoff andere Eigenschaften besitzen als wenn er in Form groumlszligerer Partikel vorliegt

copy o

still

shu

tters

tock

com

36 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von Textilfasern Links Nanokomposit bei dem kaum Silberpartikel an der Faseroberflaumlche zu finden sind Mitte und rechts Textilien mit Silbercoating hier befindet sich insgesamt mehr Silber auf der Oberflaumlche

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

zu simulieren wurden die Textilien fuumlr 24 Stunden in einer Schweiszligsimulanz-Louml-sung inkubiert Fuumlr die Auswertung wurde zunaumlchst der gesamte Silbergehalt in den Schweiszligloumlsungen mit massenspektromet-rischen Messmethoden bestimmt In den Proben in denen Silber vorhanden war wurden anschlieszligend mit Zentrifugation und einer speziellen Methode zum Messen von Einzelpartikeln geloumlstes und partikulauml-res Silber unterschieden Im letzten Schritt wurden die Partikelgroumlszligen des vorgefun-denen partikulaumlren Silbers gemessen um nanoskaliges Silber zu identifizieren

Silber aus Kleidung freigesetzt

Die Untersuchung des BfR zeigte dass von jeder Textilprobe Silber in die Schweiszligsi-mulanz-Loumlsung uumlberging je nach geteste-tem Textil zwischen 7 und 75 Prozent des originaumlr in den Textilien enthaltenen Sil-bers Dabei setzten die beschichteten Tex-tilien mehr Silber frei als die Komposite Den houmlchsten abgegebenen Anteil fand das BfR bei dem mit konventionellem Silber beschichteten Textil Die Freisetzung wird demnach staumlrker durch die Technologie der Veredelung bestimmt als durch die im Tex-til enthaltene Menge Auszligerdem scheint die Abgaberate von Silber aus Nanosilber im Vergleich zu konventionellem Silber nicht erhoumlht zu sein

In der Schweiszligloumlsung lag das freigesetzte Silber uumlberwiegend geloumlst vor Partikulaumlres Silber fand sich nur zum geringeren Teil dann jedoch auch im Nanometerbereich Ob es sich dabei um einzelne Nanoparti-kel handelt oder ob das Silber an groumlszligere Partikel gebunden ist muss in weiteren Untersuchungen uumlberpruumlft werden Nach

derzeitigem wissenschaftlichem Kennt-nisstand geht man davon aus dass sich Nanopartikel im Koumlrper anders verhalten als groumlszligere Partikel Uumlberraschenderweise detektierte die Forschungsgruppe auch in den Schweiszligsimulanzien der mit konven-tionellem Silber beschichteten Textilien partikulaumlres Silber in Nanogroumlszlige Das Vor-kommen von Silberpartikeln scheint also nicht davon abhaumlngig zu sein ob das Silber in Nano- oder konventioneller Form auf das Textil aufgebracht wurde

In einer parallelen Untersuchung fanden die Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler heraus dass zudem die Beschaffenheit der Nanopartikel beispielsweise in Form einer speziellen Beschichtung ihre Loumlslichkeit in der Schweiszligloumlsung beeinflusst

Art der Beschichtung relevant

Silber wird demnach aus Textilien freige-setzt in geringen Teilen sogar in partiku- laumlrer Form Die gewaumlhlte Form der Tex-tilfunktionalisierung aber auch die Be-schaffenheit der Nanopartikel stellen dabei wichtige Kriterien fuumlr das Freisetzungsver-halten dar Solche Erkenntnisse sind vor al-lem fuumlr den sicheren Einsatz von Nanoma-terialien in Alltagsprodukten wichtig weil die Exposition des Menschen gegenuumlber derartigen Stoffen moumlglichst klein gehalten werden sollte Auszligerdem geben sie Hin-weise in welcher Anwendungsform Nano-materialien im verbrauchernahen Bereich sicher eingesetzt werden koumlnnen

Mehr erfahren Wagener et al 2016 Textile Functionalization and Its Effects on the Release of Silver Nanoparticles into Artificial Sweat Environ Sci Technol 50 11 5927ndash5934

Per Flugzeitmassenspek-trometer laumlsst sich Silber auf beschichteten Textil-fasern detektieren

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

NANOPARTIKEL

37012017

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

38 BfR 2 GO

Neuer Ansatz fuumlr Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

Spiegelbild gesucht

Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR zeigt einen neuen Ansatz um mithilfe von Genexpressionsdaten das geeignete Tiermodell fuumlr die Grundlagenforschung oder fuumlr spezifische klinische Fra-gestellungen zu identifizieren Damit koumlnnen zukuumlnftig unnoumltige Tierversu-che vermieden werden Hamburger Wissenschaftsbehoumlrden wuumlrdigten die Erkenntnisse mit einem Forschungspreis

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

39012017

Fragestellung

Vergleich

Auswahl

z B bdquoMit welchem Mausmodell koumlnnen die Ursachen von Alzheimer erforscht werdenldquo

Vergleich von vorhandenen Omics-Expressionsdaten von Mensch und Tier

Auswahl des geeigneten Modells

1

2

3

Geeignete Tiermodelle identifizieren

An Tiermodellen werden zahlreiche biologische Prozesse und Krankheiten wie Wund-

heilung Diabetes Tumoren oder entzuumlndliche Erkrankungen erforscht Durch den

Vergleich der Omics-Expressionsdaten von Tiermodell und Mensch koumlnnen geeignete

Modelle fuumlr die jeweilige Fragestellung identifiziert werden

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

40 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Verlaumluft ein entzuumlndlicher Prozess bei Maumlusen aumlhnlich wie beim Menschen Sind Maumluse daher geeignete Ver-

suchstiere fuumlr Tests von antientzuumlndlichen Substanzen Um Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung in den klinischen Alltag zu uumlberfuumlhren ndash Aufgabengebiet der translationalen Forschung ndash werden wissen-schaftliche Fragestellungen oft in Tierversu-chen erprobt Ob und inwieweit die Ergeb-nisse auf den Menschen uumlbertragbar sind ist dabei immer wieder Gegenstand kontrover-ser Diskussionen Geeignete Methoden mit denen die Wissenschaft Tiermodelle mit op-timaler Uumlbertragbarkeit auf den Menschen auswaumlhlen kann wuumlrden dem wissenschaft-lichen Fortschritt helfen und die Zahl der Tierversuche reduzieren Es geht dabei um die Frage welches Tiermodell am besten das menschliche System widerspiegelt

Vergleichbarkeit von Genom- daten fehleranfaumlllig

Als Grundlage fuumlr diese Uumlberlegungen die-nen Daten aus modernen bioanalytischen Hochdurchsatzverfahren Immer haumlufiger setzt die Wissenschaft auf diese sogenannten Omics-Technologien die die Gesamtheit aller Gene und ihrer Produkte analysieren ndash sowohl beim Tier als auch beim Menschen Mit ihnen lassen sich molekulare Prozesse in lebenden Systemen umfassend darstel-len indem sie beispielsweise die Interaktion hunderter bis tausender Genprodukte zei-gen Die Analyse dieser zunehmend kom-plexen Omics-Datensaumltze stellt die Wissen-schaft jedoch vor Probleme da das Vorgehen dazu nicht standardisiert ist Die Interpreta-tion der Ergebnisse ist bisher meist von der Kompetenz der Durchfuumlhrenden und von der angewandten Methode abhaumlngig Im Ergebnis war die Entscheidung zur Frage der Uumlbertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen fehleranfaumlllig und die Suche nach

geeigneten Tiermodellen erschwert Die ge-ringe Standardisierung der Interpretation von Omics-Daten fuumlhrte in Forschungs-kreisen bereits zu widerspruumlchlichen Er-gebnissen so zum Beispiel bei zwei Studien aus den Jahren 2013 und 2015 die sich mit der Vergleichbarkeit von entzuumlndlichen Er-krankungen beim Menschen und gaumlngigen Mausmodellen beschaumlftigten Waumlhrend eine Forschungsgruppe im Jahr 2013 schlussfol-gerte dass entzuumlndliche Prozesse zwischen Mensch und Maus nicht vergleichbar seien kam eine andere Gruppe zwei Jahre spaumlter anhand der gleichen Omics-Daten zum ge-genteiligen Schluss Die Maus reagiere auf der molekularen Ebene sehr aumlhnlich wie der Mensch und sei daher als Tiermodell sehr nuumltzlich fuumlr die Erforschung menschlicher Erkrankungen Zwar ist es nicht ungewoumlhn-lich dass Ergebnisse von Studien unter-schiedlich eingeschaumltzt werden ndash allerdings selten auf Basis der gleichen Daten

Motivation des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR war es diese Widerspruumlche aufzuklaumlren und einen standardisierten und zielgerichteten Analyseansatz zu entwickeln der die Suche nach geeigneten Tiermodellen vereinfacht und somit unnoumltige Tierversuche vermei-den hilft Es gehoumlrt zu den Kernaufgaben des Bf3R bundesweit alle Aktivitaumlten zu koordi-nieren mit den Zielen Tierversuche auf das unerlaumlssliche Maszlig zu beschraumlnken und fuumlr Versuchstiere den bestmoumlglichen Schutz zu gewaumlhrleisten Die Aufgaben des Bf3R wer-den vom BfR wahrgenommen

Genomdaten von Tier und Mensch gezielt vergleichen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler des Bf3R haben die Omics-Daten aus den beiden erwaumlhnten widerspruumlchlichen Studien mithilfe hochperformanter Com-

puter nochmals systematisch ausgewertet Dabei wurden zunaumlchst die zu verglei-chenden Gene gruppenweise biologischen Prozessen zugeordnet die wesentlich fuumlr ein Entzuumlndungsgeschehen sind Diese Gene Set Enrichment Analysis (GSEA) ge-nannte Methode greift auf umfangreiche in oumlffentlichen Datenbanken hinterlegte Genomdaten gaumlngiger Tiermodelle und von Erkrankten zuruumlck Mit ihrer Heran-gehensweise konnten die Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler des BfR an-schlieszligend Veraumlnderungen auf der Ebene pathologischer Signalwege erkennen und Unterschiede zwischen Tiermodell und Mensch identifizieren Da der Groszligteil der untersuchten Genprodukte haumlufig nur geringfuumlgig veraumlndert war konnten bei der Analyse auf Ebene vollstaumlndiger bio-logischer Signalwege alle Gene einbezogen und Aumlnderungen in der Gesamtheit eines biologischen Signalwegs bewertet werden Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu bisherigen Analyseansaumltzen da fuumlr die Klauml-rung translationaler Fragestellungen bisher haumlufig willkuumlrlich und subjektiv Gene von Mensch und Tiermodell fuumlr einen direkten Eins-zu-eins-Vergleich ausgewaumlhlt wurden

Die systematische Auswertung des Bf3R zeigte dass die Ergebnisse beim vorlie-genden Genomdatenvergleich bei einigen Mausmodellen gut mit den beim Menschen ermittelten Daten uumlbereinstimmten Bei an-deren Mausmodellen hingegen war es nicht so So aumlhnelt das Entzuumlndungsgeschehen bei Maumlusen die mit Staphylococcus aureus (Staphylococcus-aureus-Injektionsmodell) infiziert sind oder eine Darmperforation (Cecal-ligation-and-puncture-Modell) erfah-ren den meisten klinischen Proben Hin-gegen verlaufen Erkrankungen die durch Lipopolysaccharide (LPS) und Streptococcus pneumoniae verursacht werden bei Mensch und Maus verschieden

Omics

Der Terminus beschreibt Methoden zur

Analyse komplexer biologischer Proben

auf der Ebene des gesamten Genoms

von Transkripten Proteinen oder Meta-

boliten

41012017

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

Forschungsansatz hilft Tierversuche zu reduzieren

Die Methode der Datenanalyse mittels GSEA-Ansatz erleichtert es Forschungs-gruppen zukuumlnftig zielgerichtet und stan-dardisiert das optimale Tiermodell aus-zuwaumlhlen das am besten die menschliche Situation abbildet Voraussetzung dafuumlr ist die Existenz von Omics-Daten zur klini-schen Fragestellung sowie zu den infrage kommenden Tierversuchen Dies ist bereits fuumlr eine Vielzahl von Tiermodellen sowie von humanen Erkrankungen der Fall neben Entzuumlndungserkrankungen beispielsweise fuumlr Herz-Kreislauf-Erkrankungen Krebser-krankungen Atemwegserkrankungen Stoff-wechselerkrankungen und neurologische Erkrankungen Aufgrund der vermehrten Verwendung von Omics-Methoden kann davon ausgegangen werden dass stetig wei-tere systembiologische Daten ermittelt und veroumlffentlicht werden Die vom Bf3R ange-wandte Methode wird daher weiterhin bei der gezielten Auswahl von Tiermodellen nuumltzlich sein

Das Verfahren kann in der Grundlagen-forschung sowie in der translationalen und angewandten Forschung eingesetzt werden Diese Bereiche machten 2015 nach Anga-ben des Bundesministeriums fuumlr Ernaumlh-rung und Landwirtschaft mit insgesamt 73 Prozent den groumlszligten Teil der Tierversuche aus Ein Groszligteil davon entfaumlllt auf Maumluse Ratten und zunehmend auch auf Fische Grundsaumltzlich kann die neue Methode zur Auswahl des geeigneten Versuchstiermo-dells bzw zum Ausschluss nicht geeigneter Versuchstiermodelle bei jeglichen Tierver-suchen in diesen Bereichen genutzt werden Analog zu den Versuchstierzahlen liegen derzeit die meisten Omics-Daten fuumlr Maus und Ratte vor So sind beispielsweise allein in der oumlffentlichen NCBI GEO-Datenbank (National Center for Biotechnology Informa-tion Gene Expression Omnibus) derzeit Da-ten zu ca 340000 Maus-Proben und 75000 Ratte-Proben gelistet

Methode identifiziert geeignete Zellkulturmodelle

Dabei ist die Methode des Bf3R nicht auf humane und murine Datensaumltze beschraumlnkt sondern kann auf alle weiteren Spezies an-gewandt werden fuumlr die umfangreiche Da-tenbanken zu biologischen Signalwegen oder Gengruppen vorliegen Auch fuumlr die Beurteilung von zellbasierten Alternativ-methoden kann der neue Forschungsansatz

herangezogen werden Durch einen system-biologischen Abgleich der klinischen Daten mit Omics-Daten aus beispielsweise neuar-tigen 3D-Zellkulturen oder organaumlhnlichen Mikrostrukturen wird die Charakterisierung und Verifizierung von zellbasierten Alterna-tivmethoden ermoumlglicht

Praumlmierte Forschungsleistung

Fuumlr ihre Forschung erhielten die Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR 2016 den Hamburger Forschungspreis zur Foumlrderung der Entwicklung von Ersatz- und

Ergaumlnzungsmethoden Die Auszeichnung wurde zum erstem Mal von den Hamburger Behoumlrden fuumlr Gesundheit und Verbraucher-schutz sowie fuumlr Wissenschaft Forschung und Gleichstellung mit einem Foumlrderpreis in Houmlhe von 20000 Euro ausgeschrieben Der Preis wird fuumlr Arbeiten vergeben die einen Beitrag leisten Tierversuche zu ersetzen oder zu minimieren

Mehr erfahrenWeidner et al 2016 Defining the optimal animal model for translational research using gene set enrichment analysis EMBO Molecular Medicine 8 8 831ndash838

Wofuumlr Versuchstiere in Deutschland eingesetzt werden

630255Herstellung und Qualitaumlts-kontrolle medizinischer Produkte toxikologische Sicherheitspruumlfungen

22

59

14 5

1643259Grundlagenforschung

144997sonstige Zweckez B Zucht Aus- und Weiterbildung

381450translationale und angewandte Forschung

Que

lle B

unde

smin

iste

rium

fuumlr E

rnaumlh

rung

und

Lan

dwirt

scha

ft V

ersu

chst

ierz

ahle

n 20

15

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

42 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Alternativen zu Tierversuchen Forschung regional buumlndeln

Eine individualisierte Schmerztherapie fuumlr Versuchsmaumluse und eine Verringerung von Tierexperimenten zum Test der Inhala- tionstoxizitaumlt von Nanomaterialien (siehe rechte Spalte) ndash hierzu sollen die ersten Arbeitsergebnisse des BfR im Berlin-Bran-denburgischen Verbundprojekt BB3R zukuumlnftig beitragen Das Netzwerk aus Universitaumlten und Bundesinstitutionen forscht um Tierversuche zu vermeiden (Replacement) bzw zu verringern (Reduction) sowie das Leiden von Versuchstieren zu vermindern (Refinement) Das BfR ist als einer von sechs Verbundpartnern in den Bereichen der Refinement- und Replacement-Forschung beteiligt Das Bundesforschungsministerium foumlrdert das mit BB3R abgekuumlrzte Projekt fuumlr vier Jahre bis Fruumlhjahr 2018 es ist als Plattform fuumlr den wissenschaftlichen Austausch konzipiert und integriert ein Graduiertenkolleg

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschungwwwbb3rde

Belastung von Laborfischen erkennen

Koumlrperbau

Koumlrpermerkmale

Verhaltenkreisendes Schwimmen

Belastung von Laborfischen erkennen

Ob Laborfische Schmerzen empfinden oder leiden laumlsst sich mithilfe konkreter Kriterien beurteilen Die Vorarbeiten hierzu koordinierte der bdquoNationale Ausschuss zumSchutz von fuumlr wissenschaftliche Zweckeverwendeten Tierenldquo am BfR gemeinsam mit externen Sachverstaumlndigen und Beauf-tragten von Genehmigungsbehoumlrden Die erstmals definierten Kriterien bewerten unter anderem Auffaumllligkeiten im Koumlrper-bau sowie im Verhalten der Tiere Schmer-zen und Leiden koumlnnen so gezielt behandelt und gelindert werden Da die Frage der Belastung der Tiere anhand der Kriterien eindeutig geklaumlrt werden kann dienen sie zudem als Entscheidungshilfe fuumlr Behoumlr-den welche die Zucht belasteter genetisch veraumlnderter Tiere genehmigen muumlssen Fische insbesondere Zebrafische sind nach Maumlusen und Ratten die am dritthaumlufigsten verwendete Versuchstierart Die Zahl der Versuchsfische hat in den letzten Jahren stetig zugenommen

Mehr erfahren Bert et al 2016 Considerations for aEuropean animal welfare standard toevaluate adverse phenotypes in teleost fish EMBO J 35 11 1151ndash1154Empfehlung des Nationalen Ausschusses TierSchG Nr 0012015

Test der Inhalationstoxizitaumlt von Nanomaterialien

Die Einatmung gilt als wichtigster Aufnahmeweg fuumlr Nanomaterialien Im Rahmen der BB3R-Forschung bildet das BfR diese Art der Exposition mit In-vitro- Atemwegsepithelmodellen an ihrer Grenzflaumlche zur Luft ab Dieser Ansatz zum Test der Inhalationstoxi-zitaumlt hilft Anzahl und Umfang von Tierversuchen zu verringern

Versuchsaufbau Drei Roumlhrchen leiten ein Testaerosol mit luftgetragenen Nanomaterialien auf Epithelzellen

SPEKTRUM

copy B

fR

43012017

Jubilaumlumsfeier und internationales Symposium

Am 29 November 2017 feiert das BfR sein 15-jaumlh-riges Bestehen mit einem Festakt Geplant ist eine Feier mit ausgewaumlhlten Gaumlsten in der Akademie der Kuumlnste Anschlieszligend findet vom 30 Novem-ber bis zum 01 Dezember 2017 das gemeinsame internationale Symposium des BfR und seiner Schwesterinstitutionen aus Daumlnemark (DTU Food) und Frankreich (ANSES) sowie der suumldko-reanischen Behoumlrde fuumlr Lebens- und Arzneimittel-sicherheit (NIFDS) statt Unter dem Motto bdquoPast Present and Future Challenges in Risk Assessment ndash Strengthening Consumer Health Protectionldquo werden die letzten anderthalb Jahrzehnte Risikobewer-tung betrachtet Daruumlber hinaus werden aktuelle Aktivitaumlten sowie zukuumlnftige Herausforderungen des Verbraucherschutzes wie mikrobiologische Erreger chemische Substanzen Methoden und Harmonisierung auf nationaler wie internationa-ler Ebene diskutiert

VERANSTALTUNGEN

Nachwuchs foumlrdern

Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu foumlr-dern baut das BfR wissenschaftliche Nachwuchs-gruppen zu bestimmten Schwerpunktthemen auf Die bereits 2015 eingerichtete Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Warenketteldquo wird im Herbst 2017 durch einen weiteren Dokto-randen verstaumlrkt

Verstaumlrkung im Versuchstierschutz

Seit dem 1 April 2017 staumlrkt die Berufung von Herrn Universitaumltsprofessor Dr Lars Lewejo-hann den Kompetenzbereich bdquoVerminderung der Belastung und Verbesserung der Lebenssitua-tionldquo des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) Neben der Leitung der Fachgruppe bdquoTierschutz und Versuchstierkundeldquo im BfR wird Lars Lewejohann sein Wissen und neue Erkenntnisse als Hochschullehrer fuumlr bdquoTier-schutz mit dem Schwerpunkt Refinementldquo an der veterinaumlrmedizinischen Fakultaumlt der Freien Universitaumlt Berlin an Studierende und Doktoran-den weitergeben

PERSONALIEN

Alternativmethode zum Tierversuch bdquoKnochen-auf-dem-Chipldquo

Im Mai 2017 fand bei der Gemeinsamen For-schungsstelle (GFS)Joint Research Centre (JRC) der Generaldirektion (Directorate General) der Europaumlischen Kommission eine Summer School zu alternativen Ansaumltzen zum Tierversuch fuumlr die Risikobewertung in Ispra (Italien) statt Dort wurde Herr Dr Ing Frank Schulze aus der BfR-Fachgruppe bdquoZEBET ndash Alternativmethoden zu Tierversuchenldquo fuumlr seine Praumlsentation und das dazugehoumlrige Poster zum Thema bdquoEin Knochen-auf-dem-Chip fuumlr die Grundlagenwissenschaft und die Identifizierung von knochenschaumldigen-den Substanzenldquo mit einem Posterpreis (1 Platz) ausgezeichnet

copy B

fR

copy p

rivat

INSTITUTSLEBEN

44 BfR 2 GO

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

Algengift in Tropenfischen

Bisher traten Lebensmittelvergiftungen durch Ciguato-xin ndash einem Algentoxin das in tropischen Speisefischen wie Barrakuda Schnapper oder Zackenbarsch enthalten sein kann ndash vorwiegend in den Tropen auf Mit dem zunehmenden Import von Fischen aus Suumldostasien haumlufen sich auch in Europa und seit 2012 in Deutschland Faumllle von Ciguatera Ein Problem dabei Eine Analyse-methode mit der Fisch routinemaumlszligig auf Ciguatoxine untersucht werden kann ist derzeit noch nicht verfuumlgbar Da weltweit nur wenige Labore auf den Nachweis von Ci-guatoxinen in Fischen spezialisiert sind wird im Projekt bdquoEuroCigualdquo der Europaumlischen Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit (EFSA) unter anderem an der Verbesserung entsprechender Analysemethoden und zum Vorkommen ciguatoxischer Fische in Europa geforscht Das BfR liefert fuumlr das Projekt Angaben zu Erkrankungsfaumlllen in Deutschland Die krankmachenden Algentoxine reichern sich uumlber die Nahrungskette in Raubfischen an und sind uumlberaus stabil Durch Erhitzen oder Tiefkuumlhlen lassen sie sich nicht entfernen Beim Menschen kann der Verzehr betroffener Fische dann zu Vergiftungen mit zum Teil schweren oder andauernden Beeintraumlchtigungen des Nervensystems fuumlhren An Ciguatera Erkrankte nehmen normale Kaumlltereize als ungewoumlhnlich schmerzhaft wahr

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt A-Z-Index Ciguatoxin

Alkaloide in Lupinensamen

In verarbeiteten Produkten oder zum Knabbern Lupinensamen sind im Trend Da sie jedoch toxikologisch relevante bittere Chinolizidinalkaloide enthalten koumlnnen bewertet das BfR ihr gesundheitliches Risiko Der Gehalt an Chinolizi-dinalkaloiden in Lupinensamen variiert je nach botanischer und geografischer Abstammung Samen die von bdquoBitterlupinenldquo stammen sind aufgrund ihrer houmlheren Gehalte ohne geeignete Vorbehandlung der bdquoEntbitterungldquo nicht zum Verzehr geeignet Denn Sie koumlnnen beim Menschen Vergiftungssymptome her-vorrufen Lupinenvarietaumlten die Samen mit niedrigen Alkaloidgehalten liefern werden als bdquoSuumlszliglupinenldquo bezeichnet Suumlszliglupinensamen sind auch ohne Entbitte-rung verzehrsfaumlhig In Deutschland kam es mit Bitterlupinensamen vereinzelt zu Vergiftungsfaumlllen Das BfR empfiehlt Herstellern daher nur ganze Lupinensamen in den Verkehr zu bringen die ohne weitere Entbitterungsprozesse verzehrsfaumlhig sind Mehl aus Lupinensamen sollten Hersteller aus alkaloidarmen oder ausrei-chend entbitterten Samen herstellen

Uumlbertragungswege des Hepatitis-E-Virus

Infektionen mit dem Hepatitis-E-Virus (HEV) koumlnnen zu einer akuten Leberentzuumlndung fuumlhren In den letzten Jahren sind die Zahlen gemeldeter Hepatitis-E-Faumllle des Menschen in Deutsch-land stark angestiegen Forschungsergebnisse des BfR in Zusam-menarbeit mit anderen Einrichtungen haben gezeigt dass das Virus in deutschen Haus- und Wildschweinen weit verbreitet ist Vereinzelt wurde HEV auch in Rehen und Rotwild nachgewiesen

Unklar ist derzeit noch auf welchen Wegen sich die Patienten mit dem Virus anstecken Moumlglich sind direkte Virusuumlbertra-gungen zum Beispiel vom Wildtier auf den Jaumlger und indirekte uumlber Lebensmittel die aus infizierten Tieren hergestellt wurden Wie aktuelle Studien des BfR zeigen kann HEV in verschiedenen Wurstwaren aus dem deutschen Einzelhandel nachgewiesen wer-den Fraglich ist ob das Virus in diesen Produkten noch anste-ckend ist oder ob es bei der Herstellung der Lebensmittel zerstoumlrt wird Hierfuumlr noumltige Untersuchungen waren in der Vergangenheit erschwert da sich HEV im Labor nur schlecht kultivieren lieszlig Erste Ergebnisse von Untersuchungen mithilfe eines am BfR ent-wickelten neuartigen Zellkultur-Systems weisen darauf hin dass HEV hitzeempfindlich ist aber bei Kuumlhlung oder Raumtempera-tur mehrere Wochen infektioumls bleiben kann

SPEKTRUM

copy N

eil B

urto

nsh

utte

rsto

ckc

om

copy N

atal

ia M

ylov

ash

utte

rsto

ckc

om

copy iS

tock

com

Mee

Poo

hyap

hoto

25012017

bdquoNur eine gemeinsame Strategie ist effektivldquo

Frau Kaumlsbohrer ein zentrales Thema Ihrer Forschung sind Antibiotikaresis-tenzen In der oumlffentlichen Debatte wird oft ein Zusammenhang hergestellt zwi-schen dem haumlufigen Einsatz von Anti-biotika in der Nutztierhaltung und dem Auftreten resistenter Bakterien in der Humanmedizin Doch werden bei Tieren nicht andere Antibiotika eingesetzt als bei MenschenUm die Unterschiede zu erlaumlutern muss man zwischen Praumlparaten und den antibiotischen Wirkstoffgruppen unterscheiden Beim Tier verwenden Veterinaumlrmediziner ande-re Praumlparate als Aumlrzte beim Menschen Der wirksame Inhaltsstoff das Antibiotikum kann aber dasselbe sein Die Antibiotika lassen sich wiederum in Wirkstoffgruppen einteilen Mit Blick auf die Wirkstoffgrup-pen gilt Die meisten Antibiotika die beim Menschen eingesetzt werden gehoumlren zu Wirkstoffgruppen die wir auch in der Vete-rinaumlrmedizin nutzen Es gibt nur ganz weni-ge Antibiotikagruppen die nur auf der einen oder der anderen Seite verwendet werden Dazu gehoumlren zum Beispiel die Carbapene-me die nicht beim Nutztier eingesetzt wer-den duumlrfen In der Humanmedizin kommen sie insbesondere zum Einsatz wenn andere Antibiotika nicht mehr wirksam sind

bdquoEine Resistenz ge-gen einen bestimm-ten Wirkstoff kann sich auch ausbrei-ten obwohl diese Wirkstoffgruppe nicht eingesetzt wurde

Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer leitet am BfR die Fachgruppe bdquoEpide-miologie Zoonosen und Antibiotika-resistenzldquo die unter anderem auch das Nationale Referenzlabor fuumlr Antibiotika- resistenzen umfasst Seit April 2016 ist sie auszligerdem Professorin an der Vetmeduni Vienna und leitet dort das Institut bdquoOumlffentliches Veterinaumlrwesenldquo

Wenn sie beim Nutztier nicht eingesetzt werden duumlrfen wie kann es dann sein dass Sie am BfR im Rahmen des For-schungsprojekts RESET Carbapene-mase-bildende Bakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden gefunden habenDie Entstehung von Antibiotikaresistenzen ist ein natuumlrlicher Vorgang bei Bakterien Durch den Gebrauch von Antibiotika wird dieser Prozess beschleunigt Eine Resistenz gegen einen bestimmten Wirkstoff kann sich auch ausbreiten obwohl diese Wirk-stoffgruppe nicht eingesetzt wurde Dank der Selektion gilt meist Wenn ich einen Wirkstoff einsetze gebe ich jenen Bakterien einen Vorteil die gegen den Wirkstoff resis-tent sind Aber Carbapenemasen also die Enzyme die von Carbapenem-resistenten Bakterien gebildet werden koumlnnen neben den Carbapenemen auch fast alle anderen

Bakterien die gegen Antibiotika resistent sind stellen ein Risiko fuumlr die oumlffentliche Gesundheit dar Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer widmet sich am BfR dieser Problematik Im Gespraumlch erklaumlrt sie welche Faktoren bei der Ausbreitung von Resistenzen eine Rolle spielen

copy M

icha

el B

ernk

opf

Vetm

edun

i Vie

nna

26 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

β-Laktam-Antibiotika inaktivieren Theo-retisch ist es daher moumlglich dass sich eine Resistenz gegen Carbapeneme ausbreitet obwohl der Tierarzt beim Nutztier eine an-dere Wirkstoffgruppe eingesetzt hat Ist die Resistenz bei Bakterien vorhanden gibt es viele Ausbreitungswege Ein Stall ist kein steriler Ort sondern belebte Umwelt Moumlg-liche Eintragswege fuumlr resistente Bakterien in einen Stall sind z B belebte Vektoren wie neu eingestallte Tiere Maumluse Fliegen oder Voumlgel aber auch unbelebte Vektoren wie Futter Wasser Staub oder Geraumltschaften

Was hat sich seit dem Fund der Carba-penemase-bildenden Enterobakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden fuumlr Ihre Arbeit beim BfR geaumlndert Der Fund hatte vielfaumlltige Konsequenzen Wir haben vor allem die gezielten Untersu-chungsaktivitaumlten verstaumlrkt Bakterien-Iso-late aus Tierbestaumlnden und Lebensmitteln werden seit 2014 im Rahmen des Resistenz-monitorings im BfR routinemaumlszligig auf eine Carbapenem-Resistenz getestet Auszligerdem steht seit 2015 fuumlr den Nachweis von Carba-penemase-bildenden Bakterien ein weiteres gezieltes Nachweisverfahren zur Verfuumlgung Hierzu muumlssen die Labore geschult werden Zusaumltzlich werden im Nationalen Refe-renzlabor fuumlr Antibiotikaresistenz am BfR Carbapenemase-verdaumlchtige Bakterien auf die charakteristischen Resistenzgene hin un-tersucht Am BfR wurden hierfuumlr verschie-dene Methoden fuumlr die Untersuchung von E coli und Salmonella etabliert Bisher wur-den sehr selten solche Resistenzgene nach-gewiesen bei Nutztieren das Gen blaVIM-1 bei einem Wildvogel das Gen blaNDM-1

Oftmals sind die Resistenzgene gegen Carbapeneme zusammen mit anderen Resistenzgenen auf mobilen geneti-schen Elementen lokalisiert Warum ist hier besondere Vorsicht gebotenZunaumlchst ist die Trefferwahrscheinlichkeit fuumlr eine Selektion houmlher wenn mehrere Re-sistenzgene auf einem genetischen Element liegen d h der Einsatz verschiedener Anti-biotika kann zu einem Selektionsvorteil fuumlh-ren Die Lokalisation von Resistenzgenen auf mobilen genetischen Elementen spielt fuumlr die Uumlbertragbarkeit von Resistenzen eine wichtige Rolle Denn Diese Resistenzgene koumlnnen mittels horizontalem Gentransfer auf ganz unterschiedliche Bakteriengruppen uumlbertragen werden Diese Erkenntnis hat eine Art Revolution ausgeloumlst Lange Zeit wurde ein Erreger mit all seinen Eigenschaf-ten als Einheit betrachtet Kann die Resis-tenz aber zwischen Bakteriengruppen hin

und her uumlbertragen werden verfaumllscht das moumlglicherweise den Blick auf eine Gruppe Folglich mussten die Nachweisverfahren umgestellt und die Uumlbertragbarkeit von Re-sistenzen mit analysiert werden Erschwe-rend kommt hinzu dass ein Resistenzgen auf einem grundsaumltzlich ungefaumlhrlichen

Bakterium zum Problem werden kann Manche Bakterien wie beispielsweise E coli gehoumlren zur normalen Darmflora Traumlgt so ein Bakterium eine Resistenzeigenschaft ist das erstmal nicht gefaumlhrlich Aber Es kann diese Eigenschaft moumlglicherweise an einen Infektionserreger weitergeben

Welche konkreten Folgen kann eine solche Weitergabe von Resistenzeigen-schaften habenSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt Schon jetzt weichen Aumlrzte auf Wirk-stoffgruppen aus die in der Humanmedizin lange verpoumlnt waren Dies gilt zum Beispiel fuumlr Colistin Fuumlr den Menschen ist es nicht gut vertraumlglich moumlgliche Nebenwirkun-gen sind beispielsweise die Schaumldigung der Nieren oder des Nervensystems In der Ve-terinaumlrmedizin hat Colistin seit Jahrzehnten eine erhebliche Bedeutung vor allem fuumlr die Behandlung von Infektionen des Ma-gen-Darm-Traktes bei Nutztieren auch um andere Wirkstoffgruppen zu vermeiden

Spielt im Fall von Colistin die Mobilitaumlt des Resistenzgens auch eine besonde-re Rolle Inzwischen ja Bis Ende 2015 waren sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler einig Eine Colistin-Resistenz ist nicht uumlbertragbar Das heiszligt kommt eine solche Resistenz bei einem Infektionserreger beim Nutztier vor ist sie nicht per se auf ein hu-manpathogenes Bakterium uumlbertragbar Doch Ende 2015 wurde in China erstmals das uumlbertragbare Gen mcr-1 beschrieben Untersuchungen in Belgien haben spaumlter zur Beschreibung eines weiteren mobilen Gens fuumlr die Colistin-Resistenz bei Nutztieren

bdquoSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

27012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Ausbreitung von Resistenzen

Haustiere

Krankenhaus

Belastetepflanzliche Lebensmittel

Belastete tierische Lebensmittel

Nutztiere

Futtermittel

Schaumldlinge

Uumlbertragungswege resistenter Bakterien

Menschen

Eine Antibiotikaresistenz entsteht

(z B durch Mutation)

Antibiotikatherapie beguumlnstigt die

Selektion resistenter Bakterien

Nahrung

Duumlnger Abwasser

Abwasser

28 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

gefuumlhrt mcr-2 Das bedeutet eine Uumlbertra-gung der durch diese Gene vermittelten Re-sistenz auf ein humanpathogenes Bakterium ist theoretisch moumlglich Allerdings scheint dies bisher selten der Fall zu sein

Diese Erkenntnisse offenbaren einen groszligen Forschungsbedarf Was tun Sie in der Abteilung bdquoBiologische Sicher-heitldquo um das Risiko zu bewerten Als 2015 klar wurde dass es eine uumlbertrag-bare Colistin-Resistenz gibt haben wir diese neue Erkenntnis in den laufenden Projekten natuumlrlich sofort aufgegriffen Im Rahmen des Forschungsprojekts RE-SET haben wir zum Beispiel vorhandenes Bakterienmaterial und die bei unseren Ko-operationspartnern verfuumlgbaren Gesamt-genominformationen auf das Vorkommen dieses neuen Resistenzgens gepruumlft Schnell war klar Ja dieses Gen finden wir in den Sequenzen Und die Pruumlfung von Colis-tin-resistenten Isolaten aus unserer Stamm-sammlung hat bestaumltigt dass dieses Resis-tenzgen bereits weit verbreitet ist

Muumlssen nun neue Forschungsprojekte zu dem Thema initiiert werdenJa denn viele Fragen bleiben bislang offen Wie haumlufig wird die Resistenz tatsaumlchlich uumlbertragen Was triggert diese Uumlbertra-gung Es gibt auch diagnostische Probleme Das uumlbliche Verfahren in der Humanmedi-zin um Resistenzen zu testen umfasst in der Regel nicht die Resistenz gegen Colistin Es gibt also viel zu tun Neue Diagnose- und Typisierungsverfahren aufbauen unser Re-sistenzmonitoring erweitern und routine-maumlszligig phaumlnotypisch resistente Isolate auf das Gen pruumlfen Die Ergebnisse muumlssen wir dann uumlbergreifend bewerten um Hand-lungsoptionen aufzuzeigen

Welche Uumlbertragungswege spielen bei der Colistin-Resistenz fuumlr den Men-schen eine Rolle Mit Sicherheit koumlnnen wir das derzeit nicht sagen Die chinesische Arbeitsgruppe hat Colistin-Resistenzen sowohl im Schweine-fleisch als auch beim Menschen gefunden Daher liegt die Hypothese nahe dass es eine Uumlbertragung uumlber Lebensmittel gibt Gleichzeitig gibt es generell die Beobachtung von nosokomialen Ausbreitungen resisten-ter Bakterien Das sind Ausbreitungen von Antibiotikaresistenzen im Krankenhaus

Resistenzen breiten sich aus Wunder-waffen verlieren ihre Wirkung selbst im Krankenhaus sind wir nicht sicher Gibt es uumlberhaupt eine effiziente Strategie gegen die Ausbreitung der Antibiotika- resistenzen Und wer ist dabei gefor-dertUm die Ausbreitung von Antibiotika- resistenzen zu verhindern braucht es eine gemeinsame Strategie Schlieszliglich sind hier komplexe Zusammenhaumlnge zwischen Mensch Tier und Umwelt am Werk Am BfR streben wir deswegen eine enge Zu-sammenarbeit mit allen Akteuren im oumlffent-lichen Gesundheits- und Veterinaumlrwesen an Bei diesem bdquoOne Health-Ansatzldquo sind sowohl Veterinaumlr- als auch Humanmedizi-ner gefordert Auch Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

Was sollten Verbraucherinnen und Ver-braucher beachtenHier gelten dieselben Hygieneregeln die auch fuumlr andere vom Tier oder vom Le-bensmittel auf den Menschen uumlbertragba-re Krankheitserreger gelten Zum Beispiel sollten sie sich nach dem Kontakt mit Tie-ren die Haumlnde mit warmem Wasser und Seife waschen Auch nach der Zubereitung von rohem Fleisch sollten die Haumlnde gruumlnd-lich gewaschen werden Fleisch Eier und Rohmilch sollten vor dem Verzehr durcher-hitzt werden Rohkost und Obst sollten vor dem Verzehr gruumlndlich mit Trinkwasser gewaschen oder geschaumllt werden Weiterhin wichtig ist den direkten oder indirekten Kontakt von rohem Fleisch und rohen Ei-ern mit verzehrfertigen Speisen die spaumlter nicht mehr erhitzt werden zu vermeiden Durch die Einhaltung der Hygieneregeln kann man einer Uumlbertragung von resisten-ten und oder pathogenen Bakterien auf an-dere Lebensmittel vorbeugen

Mehr erfahren Irrgang et al 2017 Recurrent detection of VIM-1-producing Escherichia coli clone in German pig production Journal ofAntimicrobial Chemotherapy 72 3 944ndash946

bdquoVerbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

RESET

Der Forschungsverbund RESET ndash Antibiotika-Resistenzen bei Tier und Mensch ndash beschaumlftigte sich von 2010 bis 2017 mit Resistenzen gegen die besonders wichtigen Antibiotika-Klas-sen der β-Laktam-Antibiotika und (Fluor-)Chinolone bei Darmbakterien wie Escherichia (E) coli Sind Bak-terien gegen beide Wirkstoffklassen resistent werden die therapeutischen Moumlglichkeiten drastisch eingeschraumlnkt Bei E coli und Salmonella enterica wurden derartige Resistenzen bereits nachgewiesen Das BfR beteiligte sich mit zwei Projekten an dem Forschungs-verbund Durch das konsequente Zusammenfuumlhren von Ergebnissen der unterschiedlichen Forschungsgebiete in einer gemeinsamen Datenbank konnten Erkenntnisluumlcken geschlossen und Risiken bewertet werden Das Projekt wurde vom Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) gefoumlrdert

29012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Kann es durch die Mischung verschiedener Pestizid-Ruumlckstaumlnde beim taumlglichen Verzehr zu gesundheitsgefaumlhrdenden Belastungen kommen

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

30 BfR 2 GO

Wenn von Paradigmenwechseln die Rede ist findet meist ein grundlegendes Umdenken statt In der Risikobewertung von Chemikalien habe ein Paradigmenwechsel stattge-

funden der die traditionelle Einzelsubstanz-Bewertung hinter sich lasse schrieben BfR-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler vor einiger Zeit Man koumlnnte meinen in der Toxikologie wird der Paracelsus-Satz kuumlnftig umgeschrieben Nicht nur die Dosis son-dern auch die Aufsummierung der Dosierungen in einer Mischung macht das Gift

Gift- oder Todescocktail ndash plakative Medienbegriffe

Denn tatsaumlchlich In den letzten Jahren beschaumlftigen sich weltweit immer mehr Gremien politische Ausschuumlsse und Forschungspro-jekte mit der Frage wie man die Auswirkungen von Mischungen auf Umwelt und Gesundheit kuumlnftig bewerten kann Auch in der Oumlffentlichkeit wird das Thema emotional verhandelt Chemikali-enmix Gift- oder sogar Todescocktail ndash mit plakativen Begriffen umschreiben Medien das Phaumlnomen der Mehrfachruumlckstaumlnde Entsprechend tief sitzt die Angst bei Verbraucherinnen und Ver-brauchern In einer vom BfR in Deutschland durchgefuumlhrten re-praumlsentativen Wahrnehmungsstudie vermuten 80 Prozent der Befragten dass der Einsatz mehrerer unterschiedlicher Pflanzen-schutzmittel zu gesundheitlichen Beeintraumlchtigungen durch Le-bensmittel fuumlhren kann

Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck sein

Zwar zeigen verschiedene aktuelle Monitoring-Projekte dass das gesundheitliche Risiko durch Mehrfachruumlckstaumlnde von Pflanzen-schutzmitteln unwahrscheinlich ist (s Interview) aber das Thema bleibt auch fuumlr die Wissenschaft draumlngend Denn auch wenn Mi-schungen schon seit Jahrzehnten wissenschaftlich analysiert und bewertet werden das Beduumlrfnis nach einer zuverlaumlssigen Bewertung der Risiken fuumlr Mensch und Umwelt steigt Grund dafuumlr ist zum einen die Vielzahl immer neuer Wirkstoffe Zusatzstoffe Chemika-lien Ruumlckstaumlnde und Kontaminanten gegenuumlber denen Menschen exponiert sind verbunden mit immer verfeinerten wissenschaftli-chen Nachweismethoden Zum anderen steigt der Druck aus der Oumlffentlichkeit Um wissenschaftliche Divergenzen zu vermeiden muumlssen transparente und international harmonisierte Verfahren entwickelt werden Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck in der Risikobewertung sein

Alle Gemische im Tierversuch zu testen ist nicht durchfuumlhrbar

Worum geht es im Einzelnen Mischungen liegen immer dann vor wenn ein Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt verschiedene Stoffe gleichzeitig aufnimmt z B Ruumlckstaumlnde Kontaminanten oder Chemikalien die nach der Europaumlischen Chemikalienverordnung REACH registriert sind Das geschieht wenn sogenannte intentional mixtures also beabsichtigte Mischungen wie Pflanzenschutzmittel oder Biozide in den Verkehr gebracht werden Aber auch unintenti-onal mixtures nimmt der Koumlrper auf Sei es dass verschiedene Stoffe in einem Produkt enthalten sind z B mehrere Pflanzenschutzmit-telruumlckstaumlnde in einem Apfel Oder sei es dass Stoffe gleichzeitig uumlber unterschiedliche Produkte aufgenommen werden In all diesen Faumlllen koumlnnen Mischungseffekte auftreten Diese sind je nach Wirk-mechanismus unterschiedlich stark ausgepraumlgt So koumlnnen sich die Wirkungen von Stoffen gegenseitig potenzieren oder auch aufheben Nach derzeitigem Kenntnisstand wird davon ausgegangen dass sich Wirkungen in der Regel addieren wenn die aufgenommenen Stoffe oberhalb der Wirkschwelle liegen den gleichen Wirkmechanismus haben und zu einem relevanten Zeitpunkt vom Organismus aufge-nommen wurden

Hier beginnen die Schwierigkeiten Es gibt zu viele intentional mix-tures die eine nahezu unuumlbersehbar groszlige Anzahl von Kombinati-onen ermoumlglichen Diese Gemische alle im Tierversuch zu testen wie sonst bei Einzelsubstanzen uumlblich waumlre sowohl ethisch nicht zu vertreten als auch praktisch nicht durchfuumlhrbar Daher arbeiten viele Forschungsprojekte u a der EU-Kommission daran tierversuchs-freie Methoden fuumlr die kumulative Bewertung zu entwickeln die die Effekte von Mischungen in vitro oder durch computergestuumltzte Be-rechnungen in silico berechnen (s Interview und Kasten)

Weltweit setzen Laumlnder das Thema auf ihre Agenda

Nicht nur fuumlr die Wissenschaft auch fuumlr den harmonisierten Voll-zug von Gesetzen ergeben sich dadurch neue Herausforderungen So schreibt z B die EU-Verordnung uumlber das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vor Kumulations- und Synergieeffekte zu be-ruumlcksichtigen ndash sofern es von der Behoumlrde anerkannte wissenschaft-liche Methoden zur Messung solcher Effekte gibt Doch die lagen bisher nicht vor Deshalb werden nun auf allen Ebenen technische Leitfaumlden fuumlr die neuen Methoden erstellt um eine harmonisierte

Auf die Mischung kommt es anKumulative Risikobewertung nimmt weltweit eine immer groumlszligere Bedeu-tung in der Toxikologie ein Das BfR arbeitet an einer Vielzahl von Projek-ten wie Mischungen in Zukunft bewertet werden koumlnnen

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

31012017

Vorgehensweise und transparente Nachvollziehbarkeit bei der Zu-lassung von Produkten zu gewaumlhrleisten Unter anderem die EFSA die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmittelsicherheit die Europauml-ische Chemikalienagentur ECHA und das JRC die Gemeinsame Forschungsstelle der Europaumlischen Kommission erarbeiten solche technischen Leitfaumlden

Neben der wissenschaftlichen Komplexitaumlt muumlssen diese techni-schen Leitfaumlden weitere Herausforderungen meistern Sie sollen fuumlr alle Bereiche gelten in denen Mischungen in Verkehr gebracht werden oder entstehen koumlnnen Bisher wurden Mischungen haumlufig nur in einem regulatorischen Bereich untersucht z B als Pflan-zenschutzmittel Biozid oder Arzneimittel Fuumlr andere Stoffe wie Lebensmittelzusatzstoffe oder Kontaminanten war die Bewertung von Mischungen bisher nicht klar gesetzlich reguliert In Zukunft sollen auch diese Stoffe bei einer Bewertung von Mischungen besser beruumlcksichtigt werden Auch soll nicht nur die chemische Zusam-mensetzung eines einzelnen Produktes systematisch bei der Zu-lassung beruumlcksichtigt werden sondern auch Mehrfachruumlckstaumlnde im gesamten Warenkorb den Verbraucherinnen und Verbraucher durchschnittlich zu einer gegebenen Zeit konsumieren Und zu gu-ter Letzt muumlssen die neuen Verfahren weltweit harmonisiert werden um das kumulative Risiko fuumlr Mensch und Umwelt auch angesichts globaler Warenketten gering zu halten Deshalb diskutieren Politik und Wissenschaft zurzeit nicht nur auf europaumlischer Ebene entspre-chende Leitfaumlden auch andere Laumlnder weltweit sowie die Weltge-sundheitsorganisation WHO und die Organisation fuumlr wirtschaftli-che Zusammenarbeit und Entwicklung OECD haben die kumulative Bewertung auf ihre Agenda genommen und stimmen ihre Guidance Documents mit den uumlbrigen Behoumlrden ab

Deutschland wendet die kumulative Bewertung schon an

Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR sind an zahlreichen dieser internationalen Projekte beteiligt sowohl an der wissenschaftlichen Erforschung kumulativer Effekte als auch an der Entwicklung technischer Leitfaumlden Einen wichtigen Schritt bei der kumulativen Bewertung hat Deutschland in der Europaumlischen Uni-

Stufe um Stufe zu einer gesicherten Bewertung

Seit Maumlrz 2017 wird in Deutschland eine Methodik fuumlr die Bewertung von Kumulations- und Synergie-effekten bei der gesundheitlichen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln in den Zulassungsverfahren angewandt Grundlage fuumlr das gestufte kumulative Bewertungsverfahren ist der sogenannte bdquoHazard Quotientldquo (HQ) der fuumlr jeden einzelnen Stoff ermit-telt wird Der HQ errechnet sich aus dem Verhaumlltnis zwischen dem relevanten gesundheitlichen Grenz-wert und der geschaumltzten Exposition

In einer ersten Stufe wird der HQ fuumlr alle Stoffe eines Gemisches einzeln ermittelt Liegt der HQ jedes Stoffes unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko fuumlr die einzelnen Bestandteile der Mischung zu erwarten Liegt dieser bei einzelnen Stoffen uumlber 1 wird gepruumlft ob die Exposition durch geeignete Maszlignahmen weiter vermindert werden kann zum Beispiel durch das Tragen entsprechender Schutz-kleidung

Liegt der HQ fuumlr alle Komponenten unter 1 wird in einer zweiten Stufe der sogenannte bdquoHazard Indexldquo (HI) des Gemisches ermittelt indem alle Gefahren-quotienten der verwendeten Stoffe addiert werden Liegt der ermittelte Wert weiterhin unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko durch das Gemisch zu erwarten

Liegt der HI uumlber 1 geht die Bewertung mit weiter verfeinerten Methoden in die dritte Stufe uumlber In dieser wird gepruumlft ob ein gesundheitliches Risiko vorliegt wenn eine Gruppierung der Einzelstoffe vorgenommen wird Dazu koumlnnen die einzelnen Stoffe in kumulative Bewertungsgruppen (cumula-tive assessment groups CAGs) eingeteilt werden die z B nach Effekten im gleichen Zielorgan oder nach dem gleichen Wirkmechanismus oder nach chemischer Verwandtschaft definiert sein koumlnnen Hintergrund dieser Einteilung ist die Annahme dass sich nach gegenwaumlrtigem Kenntnisstand nur Effek-te addieren die hinsichtlich der Zielorgane oder der Wirkmechanismen (MOA) vergleichbar sind Auch die relative Potenz der einzelnen Stoffe soll bei der verfeinerten Bewertung beruumlcksichtigt werden Liegt der HI innerhalb einer CAG unter 1 ist deshalb kein gesundheitliches Risiko zu erwarten Liegt er oberhalb des Wertes und koumlnnen weder Expositionsschaumltzung noch Gefahrenbewertung weiter verfeinert werden gilt das Gemisch als nicht sicher

Das mehrstufige Verfahren hat den Vorteil dass die ressourcenaufwendigeren Methoden zur verfei-nerten Bewertung z B in vergleichbaren CAGs oder MOAs nur zum Einsatz kommen wenn mit den ersten einfacheren Bewertungsmethoden nicht nachweisbar ist dass kein gesundheitliches Risiko zu erwarten ist

copy T

atom

mis

tock

com

32 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

EuroMix A tiered strategy for risk assessment of mixtures of multiple chemicals

EuroMix ist ein laumlnderuumlbergreifendes Projekt der EU-Kommission das die nie-derlaumlndische Behoumlrde fuumlr Gesundheit und Umweltschutz RIVM koordiniert Es zielt darauf ab eine tierversuchsfreie experi-mentelle Test-Strategie zu entwickeln um die Toxizitaumlt von Gemischen verschiedener toxikologisch relevanter Lebensmittelin-haltsstoffe Lebensmittelkontaminanten und Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde besser zu bestimmen Aus den Forschungsergeb-nissen wird ein Leitfaden fuumlr die kuumlnftige Umsetzung einer experimentellen Test-Stra-tegie entwickelt Das Acht-Millionen-Eu-ro-Projekt laumluft bis Mai 2019

Mehr erfahren wwweuromixprojecteu

Kombinationseffekte Forschungsprojekte des BfR

Am BfR werden in verschiedenen Abteilungen mehrere interne Forschungsprojekte zu Kombinationseffekten durch-gefuumlhrt Dazu gehoumlren u a Forschungsprojekte zu kumulativen Wirkungen in Pflanzenschutzmitteln und Bioziden zu Mehrfachruumlckstaumlnden in Lebensmitteln zur Expositionsschaumltzung sowie zu wirbeltierfreien Alternativmethoden Daruumlber hinaus ist und war das BfR auch an folgenden Drittmittel-Projekten beteiligt die zu Kombinationseffekten forschen

Combiomics Analyse von Kombinationseffekten von Pestiziden in vitro

Combiomics war ein zweieinhalbjaumlhri-ges Projekt des Bundesministeriums fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) das im Fruumlhling 2016 abgeschlossen wurde In dem vom BfR koordinierten Projekt wurden moumlgliche Kombinationswirkungen durch Mehrfachruumlckstaumlnde beispielhaft anhand einer Gruppe von Fungiziden in vitro unter-sucht Dazu wurden die molekularen Effek-te der Triazole mittels multi level omics und praumldiktiver mathematischer Modellierung untersucht Ausgehend von den Ergebnissen wurde ein Praumldiktionsmodell fuumlr Substanz-kombinationen erstellt validiert und auf Pestizide anderer Stoffgruppen bzw weitere Substanzklassen ausgedehnt um Kombi-nationseffekte kuumlnftig weitgehend ohne Tierversuche durchfuumlhrbar zu machen

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschung gt Drittmittelprojekte gt Combiomics

Combiomics 2Auch die zweite Projektphase von Com-biomics wird vom BfR koordiniert Hier sollen erfolgreich getestete Methoden und Zelllinien in Form einer standardisierten In-vitro-Testbatterie validiert und in ein Standardverfahren integriert werden das auch kuumlnftigen regulatorischen Anforde-rungen entspricht Das dreijaumlhrige Projekt wird vom BMBF bis Ende 2019 gefoumlrdert

Mehr erfahren wwwfisaonlinede gt Kombinationseffekte Pestizide

on schon jetzt unternommen Am 1 Maumlrz 2017 erschien im Bundesanzeiger eine Be-kanntmachung dass Kumulations- und Synergieeffekte in der gesundheitlichen Be-wertung von Pflanzenschutzmitteln kuumlnf-tig durch das BfR beruumlcksichtigt werden Damit bezieht Deutschland bei der zonalen Zulassung von Pflanzenschutzmitteln eine systematische kumulative Bewertung ein

Ein Leitfaden zur kumulativen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln wurde am BfR erarbeitet basierend auf den internatio-nalen Diskussionen bei EFSA und ECHA und 2014 veroumlffentlicht Seitdem wird das Verfahren am BfR angewandt uumlberpruumlft und verfeinert Im Kern geht es darum in einem mehrstufigen Verfahren verschie-dene Wirkstoffe in einem Pflanzenschutz-mittel oder in einer beantragten Tankmi-

schung kumulativ zu bewerten (s Kasten) Dazu werden sowohl die Exposition der Anwenderinnen und Anwender als auch die akute Exposition der Verbraucherinnen und Verbraucher betrachtet sodass die am meisten exponierten Gruppen beruumlcksich-tigt sind

Das Ziel Mischungen weltweit harmonisiert zu bewerten

Die Einfuumlhrung der Konzepte zur kumu-lativen Bewertung von Pflanzenschutzmit-teln hat auch in anderen EU-Laumlndern Aus-wirkungen auf die Risikobewertung Wenn Deutschland im zonalen Zulassungsverfah-ren bewertender Mitgliedstaat ist wird das Verfahren grundsaumltzlich angewandt Aber auch in die Bewertungsberichte anderer Laumlnder flieszligt die kumulative Bewertung als

deutscher Kommentar mit ein Durch den fachlichen Austausch zwischen den Mit-gliedstaaten wurde das Konzept in den letz-ten Jahren einem Peer-Review unterzogen Um die Praxis europaweit noch besser zu harmonisieren werden derzeit auszligerdem internationale Workshops organisiert auf denen diskutiert wird wie Mischungen bei der Risikobewertung kuumlnftig beruumlcksichtigt werden sollen Das BfR veranstaltet einen solchen Workshop im November 2017 im Auftrag der Europaumlischen Kommission die Franzoumlsische Behoumlrde fuumlr gesundheitlichen Verbraucher- Umwelt- und Arbeitsschutz (ANSES) einen weiteren im Februar 2018 unter aktiver Beteiligung des BfR

Das Ziel Mischungen weltweit harmoni-siert zu bewerten um Mensch und Umwelt besser zu schuumltzen ruumlckt damit naumlher

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

33012017

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

bdquoZiel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertungldquo Interview mit Herrn Dr Roland Solecki uumlber die Forschungsaktivitaumlten des BfR zu Mehrfachruumlckstaumlnden

Herr Solecki bei Mehrfachruumlckstaumlnden von Pflanzenschutzmitteln sprechen die Medien oft von einem bdquoGiftcocktailldquo Haben Sie Erkenntnisse daruumlber wie groszlig das gesundheitliche Risiko tat-saumlchlich istDas BfR hat dazu gemeinsam mit dem Bun-desministerium fuumlr Ernaumlhrung und Land-wirtschaft und dem Bundesamt fuumlr Ver-braucherschutz und Lebensmittelsicherheit einen Bericht uumlber die kumulativen Wir-kungen von Pflanzenschutzmitteln veroumlf-fentlicht Dieser basiert auf einer Methodik der niederlaumlndischen Behoumlrde fuumlr Gesund-heit und Umweltschutz RIVM Hintergrund ist ein Monitoring das uumlber einen Zeitraum von sechs Jahren in Deutschland durchge-fuumlhrt wurde Darin wurde untersucht wel-che Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde durch-schnittlich uumlber Lebensmittel aufgenommen werden Das Ergebnis war dass auch unter Worst-Case-Annahmen fuumlr die Mischungen von Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnden ein gesundheitliches Risiko unwahrscheinlich ist Die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit EFSA kam in ihrem Monito-ring-Bericht von 2015 fuumlr Gesamteuropa zu einem aumlhnlichen Ergebnis

Sie arbeiten unter anderem bei dem Pro-jekt EuroMix mit Worum geht es dabeiEs handelt sich um ein groszliges Forschungs-projekt der EU-Kommission zur kumulati-ven Bewertung von Mischungen im Rahmen von Horizont 2020 dem Rahmenprogramm der Europaumlischen Union fuumlr Forschung und Innovation Das Projekt hat zum Ziel neue Bewertungsmethoden fuumlr Mischungseffekte zu erarbeiten besonders auch im Hinblick auf Alternativen zu Tierversuchen innovati-ve Wege der Expositionsschaumltzung und Mo-dellierung von kumulativen Risiken Dabei geht es nicht nur um Pflanzenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatzstoffe und andere Chemikalien

Wie ist das BfR da in EuroMix einge-bundenVom BfR arbeiten sowohl die Abteilung Sicherheit von Pestiziden als auch die Ab-teilung fuumlr Lebensmittelsicherheit am Eu-roMix-Projekt mit Waumlhrend die von mir geleitete Abteilung fuumlr die regulative Bewer-tung eingebunden ist werden in der Abtei-lung Lebensmittelsicherheit experimentelle Arbeiten unter anderem zur Lebertoxizitaumlt durchgefuumlhrt in denen auch Kombinatio-nen von Pestiziden mit anderen Lebensmit-telinhaltsstoffen gepruumlft werden

Woran forschen Sie im EuroMix-ProjektWir haben zunaumlchst recherchiert welche gesetzlichen Anforderungen bestehen und wie unterschiedliche Behoumlrden weltweit

Mischungseffekte bewerten Und wir haben Forschungen zu Mischungen durchgefuumlhrt die bestimmte adverse Effekte auf die Leber verursachen Dabei wurden bestimmte Schluumlsselelemente untersucht um daraus ein Konzept fuumlr die Bewertung zu erarbei-ten Jetzt werden die Omics-Untersuchun-gen und andere alternative Pruumlfverfahren noch durch Tierversuche ergaumlnzt sodass wir auch am Gesamtorganismus die Effek-te uumlberpruumlfen koumlnnen Gleichzeitig werden die statistischen Hilfsmittel und die ande-ren elektronisch basierten Tools weiterent-wickelt Auszligerdem folgen noch weitere Stu-dien zur Exposition Die finalen Ergebnisse liegen am Ende des Projekts im Jahr 2019 vor

In welche weiteren europaumlischen Aktivi-taumlten ist das BfR eingebundenDie EFSA hat bereits einige Ansaumltze zur Bewertung der kombinierten Exposition gegenuumlber mehreren Pestiziden und Kon-taminanten bei Menschen sowie mehreren Pestiziden bei Bienen entwickelt Derzeit ist die EFSA damit befasst neue Ansaumltze und Instrumente zur Harmonisierung der Be-wertung von Risiken fuumlr Mensch und Um-welt zu erarbeiten die von der Exposition gegenuumlber mehreren chemischen Stoffen in der Lebensmittelkette ausgehen Ich bin derzeit Mitglied einer Arbeitsgruppe von Sachverstaumlndigen die der Wissenschaftliche Ausschuss der EFSA eingerichtet hat um Leitlinien im Hinblick auf die kombinierte Exposition gegenuumlber mehreren chemi-schen Stoffen zu entwickeln Diese Initiative unter dem Namen bdquoMixToxldquo wird 2018 den Leitfaden in einer oumlffentlichen Konsultation diskutieren

Bei dieser Vielzahl an Aktivitaumlten Wel-ches Ziel haben Sie persoumlnlich vor Au-genDas Ziel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertung von Stoffen in der gesundheitlichen Risikocharakterisie-rung und deren harmonisierte Implemen-tierung in den gesetzlichen Verfahren Dies wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen

bdquoBei den kumulati-ven Risiken geht es nicht nur um Pflan-zenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatz-stoffe und andere Chemikalien

Dr Roland Solecki leitet die Abteilung bdquoSicherheit von Pestizidenldquo am BfR

copy B

fR

34 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

SPEKTRUM

Identifizierung endokriner Disruptoren Vom Grundsatz in die Praxis

Fuumlr Pestizid-Wirkstoffe und andere Chemikalien sind harmonisierte wissenschaftliche Kriterien erforderlich mit denen hormonschaumldigende Substanzen identifiziert werden koumlnnen Das BfR veroumlffentlichte hierzu bereits 2016 ein Konsenspapier als wissenschaftliche Grundlage fuumlr die darauffolgende Arbeit der EU-Behoumlrden Auf legislativer Ebene werden aktuell EU-weit geltende Ver-ordnungen festgelegt um auf wissenschaftlicher Ebene Leitlinien zur regulatorisch harmonisierten Umsetzung dieser Verordnungen zu erarbeiten Mit dieser Aufga-be hat die EU-Kommission die EFSA und die ECHA gemeinsam beauftragt Das BfR unterstuumltzt die Behoumlr-den mit wissenschaftlicher und technischer Expertise indem es die entsprechende Arbeitsgruppe bei der EFSA personell verstaumlrkt sowie Recherchen und Umfragen zur Praktikabilitaumlt von Untersuchungsmethoden durchfuumlhrt Die Publikation der Leitlinien wird fuumlr Fruumlhjahr 2018 erwartet Sie koumlnnen auf Basis der verabschiedeten Ver-ordnungen nach ihrer Implementierung in der Genehmi-gungspraxis angewendet werden

Mehr erfahren Solecki et al 2017 Scientific principles for the identification of endocrine-disrupting chemicals a consensus statement Arch Toxicol 91 1001ndash1006

Insekten-Stopp in Textilien Allergene Wirkung unwahrscheinlich

Das Risiko fuumlr eine Allergie nach dem Kontakt mit Kleidung und Produkten die mit dem Biozid Permethrin behandelt sind ist nach derzeitigem Kenntnisstand unwahrscheinlich Das ist das Ergebnis einer aktuellen Risikobewertung des BfR Gestuumltzt wird das Ergebnis dadurch dass trotz weitverbreiteter Anwendung des Wirkstoffs in Medikamenten und Verbraucherprodukten kein Anstieg der Kontaktallergien gegenuumlber Permethrin zu verzeichnen ist Das Risiko fuumlr kanzero-gene systemische Effekte infolge einer dermalen und oralen Exposition gegenuumlber Permethrin aus Textilien ist nach Ansicht des BfR vernachlaumlssigbar gering Permethrin ist ein biozider Wirkstoff der zum Schutz gegen Insekten in Produkten wie Schlafsaumlcken Picknick- und Yogadecken sowie Teppichen und Kleidung eingesetzt wird Er ist im Chemikalienrecht als sensibilisierend eingestuft ein moumlgliches geringes kanzerogenes Potenzial wird von verschiedenen wissenschaftlichen Gremien diskutiert Der Wirkstoff kann aus Textilien freigesetzt und uumlber die Haut aufgenommen werden Bei kleinen Kindern die viele Produkte in den Mund nehmen kommt eine moumlgliche orale Aufnah-me des Stoffes hinzu

Mehr erfahren Stellungnahme Nr 0062017 des BfR vom 25 April 2017

Wie wirkt Aluminium in Leber und Darm

Aluminium ist in Lebensmitteln Kosmetika und Bedarfsge-genstaumlnden enthalten und kann uumlber die Nahrung aufgenom-men werden Erste Ergebnisse aus dem deutsch-franzoumlsischen Forschungsprojekt bdquoSolNanoToxldquo mit Beteiligung des BfR zeigen dass sich aus der Nahrung aufgenommene Aluminiumverbin- dungen temporaumlr im Darm anreichern Ob und in welchen Men-gen die Partikel weiter in den Koumlrper insbesondere in die Leber gelangen und welche Faktoren ihre Wirkung beeinflussen wird aktuell erforscht Die Forschungsgruppe sieht Anhaltspunkte dafuumlr dass ein Teil der angereicherten Partikel mit dem Stuhl wieder ausgeschieden wird Fuumlr seine Untersuchung simulierte das BfR anhand biologischer Proben die Verdauung verschiede-ner Aluminiumarten vom Mund uumlber den Magen bis zum Darm Mithilfe von Enzymen und Salzen wurden dabei physiologische Parameter wie der pH-Wert gesteuert Waumlhrend des simulierten Verdauungsprozesses veraumlnderten die Aluminiumverbindungen ihre chemische Reaktionsfaumlhigkeit und Loumlslichkeit Die Erkennt-nisse sind ein erster Schritt um den Prozess der Aufnahme Resorption und Verteilung von Aluminium im Koumlrper besser zu verstehen und daraus Daten fuumlr die Risikobewertung abzuleiten Aluminiumverbindungen koumlnnen in zu hohen Dosen toxisch auf das Nervensystem und ungeborenes Leben wirken sowie die Fruchtbarkeit und Knochenentwicklung beeinflussen

copy B

fR

copy c

gsto

cks

hutte

rsto

ckc

om

copy R

osel

ynne

shu

tters

tock

com

35012017

Bei Kleidung ist besonders der Einsatz von Silber-Nanopartikeln weit verbreitet Silber wirkt antibakteriell und soll die Geruchs-bildung durch Schwitzen reduzieren Beim Einsatz von Nanosilber in Kleidungsstuuml-cken ist in erster Linie eine Freisetzung in Schweiszlig und somit ein moumlglicher Hautkon-takt relevant Neben der Frage ob und in welcher Menge Silber prinzipiell aus Texti-lien herausgeloumlst wird beschaumlftigt sich die Forschung mit der Frage welchen Einfluss die Technologie hat mit der Nanosilber auf Textilien aufgetragen bzw eingebracht wird Bisher war zudem unklar inwiefern die Oberflaumlchenbeschichtung der Nano-partikel die Abgabe beeinflusst

Kuumlnstlicher Schweiszlig simuliert Freisetzung

In einem Forschungsprojekt pruumlfte das BfR neun Proben von Textilien die mit Nanosil-ber veredelt waren Als Vergleich diente ein mit konventionellem Silber (hier Silbersalz mit einem Partikeldurchmesser groumlszliger als 100 Nanometer) ausgeruumlstetes Textil Zwei der Textilien waren sogenannte Komposite bei denen Nanosilber in die Faser integriert ist Bei den anderen getesteten Textilien war die Faseroberflaumlche mit Silber-Nano-partikeln bzw in einem Fall mit konventio-nellem Silber beschichtet (Textil-Coating) Um die Abgabe von Silber durch Schwitzen

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

Kleidung wird durch sie wasser- und schmutzabweisend sie blocken UV-Strahlen und mindern Geruumlche Nanoma-terialien haben beliebte funktionelle Eigenschaften Ob sie aufgrund ihrer Winzigkeit gesundheitliche Risiken bergen ist indes noch weitgehend unbekannt In einem Forschungsprojekt uumlber Nanosilber hat das BfR ermittelt ob sich die Kleinstteilchen aus Textilien herausloumlsen und damit zum gesundheitlichen Risiko werden koumlnnen

Nanomaterial

ist ein natuumlrliches bei Prozessen anfallendes oder kuumlnstlich hergestelltes Material das Partikel in ungebundenem Zustand als Aggregat oder als Agglo-merat enthaumllt und bei dem die Mehrheit der Partikel ein oder mehrere Auszligen-maszlige im Bereich unter 100 Nanometer hat In Nanogroumlszlige kann ein Stoff andere Eigenschaften besitzen als wenn er in Form groumlszligerer Partikel vorliegt

copy o

still

shu

tters

tock

com

36 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von Textilfasern Links Nanokomposit bei dem kaum Silberpartikel an der Faseroberflaumlche zu finden sind Mitte und rechts Textilien mit Silbercoating hier befindet sich insgesamt mehr Silber auf der Oberflaumlche

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

zu simulieren wurden die Textilien fuumlr 24 Stunden in einer Schweiszligsimulanz-Louml-sung inkubiert Fuumlr die Auswertung wurde zunaumlchst der gesamte Silbergehalt in den Schweiszligloumlsungen mit massenspektromet-rischen Messmethoden bestimmt In den Proben in denen Silber vorhanden war wurden anschlieszligend mit Zentrifugation und einer speziellen Methode zum Messen von Einzelpartikeln geloumlstes und partikulauml-res Silber unterschieden Im letzten Schritt wurden die Partikelgroumlszligen des vorgefun-denen partikulaumlren Silbers gemessen um nanoskaliges Silber zu identifizieren

Silber aus Kleidung freigesetzt

Die Untersuchung des BfR zeigte dass von jeder Textilprobe Silber in die Schweiszligsi-mulanz-Loumlsung uumlberging je nach geteste-tem Textil zwischen 7 und 75 Prozent des originaumlr in den Textilien enthaltenen Sil-bers Dabei setzten die beschichteten Tex-tilien mehr Silber frei als die Komposite Den houmlchsten abgegebenen Anteil fand das BfR bei dem mit konventionellem Silber beschichteten Textil Die Freisetzung wird demnach staumlrker durch die Technologie der Veredelung bestimmt als durch die im Tex-til enthaltene Menge Auszligerdem scheint die Abgaberate von Silber aus Nanosilber im Vergleich zu konventionellem Silber nicht erhoumlht zu sein

In der Schweiszligloumlsung lag das freigesetzte Silber uumlberwiegend geloumlst vor Partikulaumlres Silber fand sich nur zum geringeren Teil dann jedoch auch im Nanometerbereich Ob es sich dabei um einzelne Nanoparti-kel handelt oder ob das Silber an groumlszligere Partikel gebunden ist muss in weiteren Untersuchungen uumlberpruumlft werden Nach

derzeitigem wissenschaftlichem Kennt-nisstand geht man davon aus dass sich Nanopartikel im Koumlrper anders verhalten als groumlszligere Partikel Uumlberraschenderweise detektierte die Forschungsgruppe auch in den Schweiszligsimulanzien der mit konven-tionellem Silber beschichteten Textilien partikulaumlres Silber in Nanogroumlszlige Das Vor-kommen von Silberpartikeln scheint also nicht davon abhaumlngig zu sein ob das Silber in Nano- oder konventioneller Form auf das Textil aufgebracht wurde

In einer parallelen Untersuchung fanden die Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler heraus dass zudem die Beschaffenheit der Nanopartikel beispielsweise in Form einer speziellen Beschichtung ihre Loumlslichkeit in der Schweiszligloumlsung beeinflusst

Art der Beschichtung relevant

Silber wird demnach aus Textilien freige-setzt in geringen Teilen sogar in partiku- laumlrer Form Die gewaumlhlte Form der Tex-tilfunktionalisierung aber auch die Be-schaffenheit der Nanopartikel stellen dabei wichtige Kriterien fuumlr das Freisetzungsver-halten dar Solche Erkenntnisse sind vor al-lem fuumlr den sicheren Einsatz von Nanoma-terialien in Alltagsprodukten wichtig weil die Exposition des Menschen gegenuumlber derartigen Stoffen moumlglichst klein gehalten werden sollte Auszligerdem geben sie Hin-weise in welcher Anwendungsform Nano-materialien im verbrauchernahen Bereich sicher eingesetzt werden koumlnnen

Mehr erfahren Wagener et al 2016 Textile Functionalization and Its Effects on the Release of Silver Nanoparticles into Artificial Sweat Environ Sci Technol 50 11 5927ndash5934

Per Flugzeitmassenspek-trometer laumlsst sich Silber auf beschichteten Textil-fasern detektieren

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

NANOPARTIKEL

37012017

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

38 BfR 2 GO

Neuer Ansatz fuumlr Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

Spiegelbild gesucht

Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR zeigt einen neuen Ansatz um mithilfe von Genexpressionsdaten das geeignete Tiermodell fuumlr die Grundlagenforschung oder fuumlr spezifische klinische Fra-gestellungen zu identifizieren Damit koumlnnen zukuumlnftig unnoumltige Tierversu-che vermieden werden Hamburger Wissenschaftsbehoumlrden wuumlrdigten die Erkenntnisse mit einem Forschungspreis

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

39012017

Fragestellung

Vergleich

Auswahl

z B bdquoMit welchem Mausmodell koumlnnen die Ursachen von Alzheimer erforscht werdenldquo

Vergleich von vorhandenen Omics-Expressionsdaten von Mensch und Tier

Auswahl des geeigneten Modells

1

2

3

Geeignete Tiermodelle identifizieren

An Tiermodellen werden zahlreiche biologische Prozesse und Krankheiten wie Wund-

heilung Diabetes Tumoren oder entzuumlndliche Erkrankungen erforscht Durch den

Vergleich der Omics-Expressionsdaten von Tiermodell und Mensch koumlnnen geeignete

Modelle fuumlr die jeweilige Fragestellung identifiziert werden

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

40 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Verlaumluft ein entzuumlndlicher Prozess bei Maumlusen aumlhnlich wie beim Menschen Sind Maumluse daher geeignete Ver-

suchstiere fuumlr Tests von antientzuumlndlichen Substanzen Um Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung in den klinischen Alltag zu uumlberfuumlhren ndash Aufgabengebiet der translationalen Forschung ndash werden wissen-schaftliche Fragestellungen oft in Tierversu-chen erprobt Ob und inwieweit die Ergeb-nisse auf den Menschen uumlbertragbar sind ist dabei immer wieder Gegenstand kontrover-ser Diskussionen Geeignete Methoden mit denen die Wissenschaft Tiermodelle mit op-timaler Uumlbertragbarkeit auf den Menschen auswaumlhlen kann wuumlrden dem wissenschaft-lichen Fortschritt helfen und die Zahl der Tierversuche reduzieren Es geht dabei um die Frage welches Tiermodell am besten das menschliche System widerspiegelt

Vergleichbarkeit von Genom- daten fehleranfaumlllig

Als Grundlage fuumlr diese Uumlberlegungen die-nen Daten aus modernen bioanalytischen Hochdurchsatzverfahren Immer haumlufiger setzt die Wissenschaft auf diese sogenannten Omics-Technologien die die Gesamtheit aller Gene und ihrer Produkte analysieren ndash sowohl beim Tier als auch beim Menschen Mit ihnen lassen sich molekulare Prozesse in lebenden Systemen umfassend darstel-len indem sie beispielsweise die Interaktion hunderter bis tausender Genprodukte zei-gen Die Analyse dieser zunehmend kom-plexen Omics-Datensaumltze stellt die Wissen-schaft jedoch vor Probleme da das Vorgehen dazu nicht standardisiert ist Die Interpreta-tion der Ergebnisse ist bisher meist von der Kompetenz der Durchfuumlhrenden und von der angewandten Methode abhaumlngig Im Ergebnis war die Entscheidung zur Frage der Uumlbertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen fehleranfaumlllig und die Suche nach

geeigneten Tiermodellen erschwert Die ge-ringe Standardisierung der Interpretation von Omics-Daten fuumlhrte in Forschungs-kreisen bereits zu widerspruumlchlichen Er-gebnissen so zum Beispiel bei zwei Studien aus den Jahren 2013 und 2015 die sich mit der Vergleichbarkeit von entzuumlndlichen Er-krankungen beim Menschen und gaumlngigen Mausmodellen beschaumlftigten Waumlhrend eine Forschungsgruppe im Jahr 2013 schlussfol-gerte dass entzuumlndliche Prozesse zwischen Mensch und Maus nicht vergleichbar seien kam eine andere Gruppe zwei Jahre spaumlter anhand der gleichen Omics-Daten zum ge-genteiligen Schluss Die Maus reagiere auf der molekularen Ebene sehr aumlhnlich wie der Mensch und sei daher als Tiermodell sehr nuumltzlich fuumlr die Erforschung menschlicher Erkrankungen Zwar ist es nicht ungewoumlhn-lich dass Ergebnisse von Studien unter-schiedlich eingeschaumltzt werden ndash allerdings selten auf Basis der gleichen Daten

Motivation des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR war es diese Widerspruumlche aufzuklaumlren und einen standardisierten und zielgerichteten Analyseansatz zu entwickeln der die Suche nach geeigneten Tiermodellen vereinfacht und somit unnoumltige Tierversuche vermei-den hilft Es gehoumlrt zu den Kernaufgaben des Bf3R bundesweit alle Aktivitaumlten zu koordi-nieren mit den Zielen Tierversuche auf das unerlaumlssliche Maszlig zu beschraumlnken und fuumlr Versuchstiere den bestmoumlglichen Schutz zu gewaumlhrleisten Die Aufgaben des Bf3R wer-den vom BfR wahrgenommen

Genomdaten von Tier und Mensch gezielt vergleichen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler des Bf3R haben die Omics-Daten aus den beiden erwaumlhnten widerspruumlchlichen Studien mithilfe hochperformanter Com-

puter nochmals systematisch ausgewertet Dabei wurden zunaumlchst die zu verglei-chenden Gene gruppenweise biologischen Prozessen zugeordnet die wesentlich fuumlr ein Entzuumlndungsgeschehen sind Diese Gene Set Enrichment Analysis (GSEA) ge-nannte Methode greift auf umfangreiche in oumlffentlichen Datenbanken hinterlegte Genomdaten gaumlngiger Tiermodelle und von Erkrankten zuruumlck Mit ihrer Heran-gehensweise konnten die Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler des BfR an-schlieszligend Veraumlnderungen auf der Ebene pathologischer Signalwege erkennen und Unterschiede zwischen Tiermodell und Mensch identifizieren Da der Groszligteil der untersuchten Genprodukte haumlufig nur geringfuumlgig veraumlndert war konnten bei der Analyse auf Ebene vollstaumlndiger bio-logischer Signalwege alle Gene einbezogen und Aumlnderungen in der Gesamtheit eines biologischen Signalwegs bewertet werden Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu bisherigen Analyseansaumltzen da fuumlr die Klauml-rung translationaler Fragestellungen bisher haumlufig willkuumlrlich und subjektiv Gene von Mensch und Tiermodell fuumlr einen direkten Eins-zu-eins-Vergleich ausgewaumlhlt wurden

Die systematische Auswertung des Bf3R zeigte dass die Ergebnisse beim vorlie-genden Genomdatenvergleich bei einigen Mausmodellen gut mit den beim Menschen ermittelten Daten uumlbereinstimmten Bei an-deren Mausmodellen hingegen war es nicht so So aumlhnelt das Entzuumlndungsgeschehen bei Maumlusen die mit Staphylococcus aureus (Staphylococcus-aureus-Injektionsmodell) infiziert sind oder eine Darmperforation (Cecal-ligation-and-puncture-Modell) erfah-ren den meisten klinischen Proben Hin-gegen verlaufen Erkrankungen die durch Lipopolysaccharide (LPS) und Streptococcus pneumoniae verursacht werden bei Mensch und Maus verschieden

Omics

Der Terminus beschreibt Methoden zur

Analyse komplexer biologischer Proben

auf der Ebene des gesamten Genoms

von Transkripten Proteinen oder Meta-

boliten

41012017

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

Forschungsansatz hilft Tierversuche zu reduzieren

Die Methode der Datenanalyse mittels GSEA-Ansatz erleichtert es Forschungs-gruppen zukuumlnftig zielgerichtet und stan-dardisiert das optimale Tiermodell aus-zuwaumlhlen das am besten die menschliche Situation abbildet Voraussetzung dafuumlr ist die Existenz von Omics-Daten zur klini-schen Fragestellung sowie zu den infrage kommenden Tierversuchen Dies ist bereits fuumlr eine Vielzahl von Tiermodellen sowie von humanen Erkrankungen der Fall neben Entzuumlndungserkrankungen beispielsweise fuumlr Herz-Kreislauf-Erkrankungen Krebser-krankungen Atemwegserkrankungen Stoff-wechselerkrankungen und neurologische Erkrankungen Aufgrund der vermehrten Verwendung von Omics-Methoden kann davon ausgegangen werden dass stetig wei-tere systembiologische Daten ermittelt und veroumlffentlicht werden Die vom Bf3R ange-wandte Methode wird daher weiterhin bei der gezielten Auswahl von Tiermodellen nuumltzlich sein

Das Verfahren kann in der Grundlagen-forschung sowie in der translationalen und angewandten Forschung eingesetzt werden Diese Bereiche machten 2015 nach Anga-ben des Bundesministeriums fuumlr Ernaumlh-rung und Landwirtschaft mit insgesamt 73 Prozent den groumlszligten Teil der Tierversuche aus Ein Groszligteil davon entfaumlllt auf Maumluse Ratten und zunehmend auch auf Fische Grundsaumltzlich kann die neue Methode zur Auswahl des geeigneten Versuchstiermo-dells bzw zum Ausschluss nicht geeigneter Versuchstiermodelle bei jeglichen Tierver-suchen in diesen Bereichen genutzt werden Analog zu den Versuchstierzahlen liegen derzeit die meisten Omics-Daten fuumlr Maus und Ratte vor So sind beispielsweise allein in der oumlffentlichen NCBI GEO-Datenbank (National Center for Biotechnology Informa-tion Gene Expression Omnibus) derzeit Da-ten zu ca 340000 Maus-Proben und 75000 Ratte-Proben gelistet

Methode identifiziert geeignete Zellkulturmodelle

Dabei ist die Methode des Bf3R nicht auf humane und murine Datensaumltze beschraumlnkt sondern kann auf alle weiteren Spezies an-gewandt werden fuumlr die umfangreiche Da-tenbanken zu biologischen Signalwegen oder Gengruppen vorliegen Auch fuumlr die Beurteilung von zellbasierten Alternativ-methoden kann der neue Forschungsansatz

herangezogen werden Durch einen system-biologischen Abgleich der klinischen Daten mit Omics-Daten aus beispielsweise neuar-tigen 3D-Zellkulturen oder organaumlhnlichen Mikrostrukturen wird die Charakterisierung und Verifizierung von zellbasierten Alterna-tivmethoden ermoumlglicht

Praumlmierte Forschungsleistung

Fuumlr ihre Forschung erhielten die Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR 2016 den Hamburger Forschungspreis zur Foumlrderung der Entwicklung von Ersatz- und

Ergaumlnzungsmethoden Die Auszeichnung wurde zum erstem Mal von den Hamburger Behoumlrden fuumlr Gesundheit und Verbraucher-schutz sowie fuumlr Wissenschaft Forschung und Gleichstellung mit einem Foumlrderpreis in Houmlhe von 20000 Euro ausgeschrieben Der Preis wird fuumlr Arbeiten vergeben die einen Beitrag leisten Tierversuche zu ersetzen oder zu minimieren

Mehr erfahrenWeidner et al 2016 Defining the optimal animal model for translational research using gene set enrichment analysis EMBO Molecular Medicine 8 8 831ndash838

Wofuumlr Versuchstiere in Deutschland eingesetzt werden

630255Herstellung und Qualitaumlts-kontrolle medizinischer Produkte toxikologische Sicherheitspruumlfungen

22

59

14 5

1643259Grundlagenforschung

144997sonstige Zweckez B Zucht Aus- und Weiterbildung

381450translationale und angewandte Forschung

Que

lle B

unde

smin

iste

rium

fuumlr E

rnaumlh

rung

und

Lan

dwirt

scha

ft V

ersu

chst

ierz

ahle

n 20

15

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

42 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Alternativen zu Tierversuchen Forschung regional buumlndeln

Eine individualisierte Schmerztherapie fuumlr Versuchsmaumluse und eine Verringerung von Tierexperimenten zum Test der Inhala- tionstoxizitaumlt von Nanomaterialien (siehe rechte Spalte) ndash hierzu sollen die ersten Arbeitsergebnisse des BfR im Berlin-Bran-denburgischen Verbundprojekt BB3R zukuumlnftig beitragen Das Netzwerk aus Universitaumlten und Bundesinstitutionen forscht um Tierversuche zu vermeiden (Replacement) bzw zu verringern (Reduction) sowie das Leiden von Versuchstieren zu vermindern (Refinement) Das BfR ist als einer von sechs Verbundpartnern in den Bereichen der Refinement- und Replacement-Forschung beteiligt Das Bundesforschungsministerium foumlrdert das mit BB3R abgekuumlrzte Projekt fuumlr vier Jahre bis Fruumlhjahr 2018 es ist als Plattform fuumlr den wissenschaftlichen Austausch konzipiert und integriert ein Graduiertenkolleg

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschungwwwbb3rde

Belastung von Laborfischen erkennen

Koumlrperbau

Koumlrpermerkmale

Verhaltenkreisendes Schwimmen

Belastung von Laborfischen erkennen

Ob Laborfische Schmerzen empfinden oder leiden laumlsst sich mithilfe konkreter Kriterien beurteilen Die Vorarbeiten hierzu koordinierte der bdquoNationale Ausschuss zumSchutz von fuumlr wissenschaftliche Zweckeverwendeten Tierenldquo am BfR gemeinsam mit externen Sachverstaumlndigen und Beauf-tragten von Genehmigungsbehoumlrden Die erstmals definierten Kriterien bewerten unter anderem Auffaumllligkeiten im Koumlrper-bau sowie im Verhalten der Tiere Schmer-zen und Leiden koumlnnen so gezielt behandelt und gelindert werden Da die Frage der Belastung der Tiere anhand der Kriterien eindeutig geklaumlrt werden kann dienen sie zudem als Entscheidungshilfe fuumlr Behoumlr-den welche die Zucht belasteter genetisch veraumlnderter Tiere genehmigen muumlssen Fische insbesondere Zebrafische sind nach Maumlusen und Ratten die am dritthaumlufigsten verwendete Versuchstierart Die Zahl der Versuchsfische hat in den letzten Jahren stetig zugenommen

Mehr erfahren Bert et al 2016 Considerations for aEuropean animal welfare standard toevaluate adverse phenotypes in teleost fish EMBO J 35 11 1151ndash1154Empfehlung des Nationalen Ausschusses TierSchG Nr 0012015

Test der Inhalationstoxizitaumlt von Nanomaterialien

Die Einatmung gilt als wichtigster Aufnahmeweg fuumlr Nanomaterialien Im Rahmen der BB3R-Forschung bildet das BfR diese Art der Exposition mit In-vitro- Atemwegsepithelmodellen an ihrer Grenzflaumlche zur Luft ab Dieser Ansatz zum Test der Inhalationstoxi-zitaumlt hilft Anzahl und Umfang von Tierversuchen zu verringern

Versuchsaufbau Drei Roumlhrchen leiten ein Testaerosol mit luftgetragenen Nanomaterialien auf Epithelzellen

SPEKTRUM

copy B

fR

43012017

Jubilaumlumsfeier und internationales Symposium

Am 29 November 2017 feiert das BfR sein 15-jaumlh-riges Bestehen mit einem Festakt Geplant ist eine Feier mit ausgewaumlhlten Gaumlsten in der Akademie der Kuumlnste Anschlieszligend findet vom 30 Novem-ber bis zum 01 Dezember 2017 das gemeinsame internationale Symposium des BfR und seiner Schwesterinstitutionen aus Daumlnemark (DTU Food) und Frankreich (ANSES) sowie der suumldko-reanischen Behoumlrde fuumlr Lebens- und Arzneimittel-sicherheit (NIFDS) statt Unter dem Motto bdquoPast Present and Future Challenges in Risk Assessment ndash Strengthening Consumer Health Protectionldquo werden die letzten anderthalb Jahrzehnte Risikobewer-tung betrachtet Daruumlber hinaus werden aktuelle Aktivitaumlten sowie zukuumlnftige Herausforderungen des Verbraucherschutzes wie mikrobiologische Erreger chemische Substanzen Methoden und Harmonisierung auf nationaler wie internationa-ler Ebene diskutiert

VERANSTALTUNGEN

Nachwuchs foumlrdern

Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu foumlr-dern baut das BfR wissenschaftliche Nachwuchs-gruppen zu bestimmten Schwerpunktthemen auf Die bereits 2015 eingerichtete Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Warenketteldquo wird im Herbst 2017 durch einen weiteren Dokto-randen verstaumlrkt

Verstaumlrkung im Versuchstierschutz

Seit dem 1 April 2017 staumlrkt die Berufung von Herrn Universitaumltsprofessor Dr Lars Lewejo-hann den Kompetenzbereich bdquoVerminderung der Belastung und Verbesserung der Lebenssitua-tionldquo des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) Neben der Leitung der Fachgruppe bdquoTierschutz und Versuchstierkundeldquo im BfR wird Lars Lewejohann sein Wissen und neue Erkenntnisse als Hochschullehrer fuumlr bdquoTier-schutz mit dem Schwerpunkt Refinementldquo an der veterinaumlrmedizinischen Fakultaumlt der Freien Universitaumlt Berlin an Studierende und Doktoran-den weitergeben

PERSONALIEN

Alternativmethode zum Tierversuch bdquoKnochen-auf-dem-Chipldquo

Im Mai 2017 fand bei der Gemeinsamen For-schungsstelle (GFS)Joint Research Centre (JRC) der Generaldirektion (Directorate General) der Europaumlischen Kommission eine Summer School zu alternativen Ansaumltzen zum Tierversuch fuumlr die Risikobewertung in Ispra (Italien) statt Dort wurde Herr Dr Ing Frank Schulze aus der BfR-Fachgruppe bdquoZEBET ndash Alternativmethoden zu Tierversuchenldquo fuumlr seine Praumlsentation und das dazugehoumlrige Poster zum Thema bdquoEin Knochen-auf-dem-Chip fuumlr die Grundlagenwissenschaft und die Identifizierung von knochenschaumldigen-den Substanzenldquo mit einem Posterpreis (1 Platz) ausgezeichnet

copy B

fR

copy p

rivat

INSTITUTSLEBEN

44 BfR 2 GO

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

bdquoNur eine gemeinsame Strategie ist effektivldquo

Frau Kaumlsbohrer ein zentrales Thema Ihrer Forschung sind Antibiotikaresis-tenzen In der oumlffentlichen Debatte wird oft ein Zusammenhang hergestellt zwi-schen dem haumlufigen Einsatz von Anti-biotika in der Nutztierhaltung und dem Auftreten resistenter Bakterien in der Humanmedizin Doch werden bei Tieren nicht andere Antibiotika eingesetzt als bei MenschenUm die Unterschiede zu erlaumlutern muss man zwischen Praumlparaten und den antibiotischen Wirkstoffgruppen unterscheiden Beim Tier verwenden Veterinaumlrmediziner ande-re Praumlparate als Aumlrzte beim Menschen Der wirksame Inhaltsstoff das Antibiotikum kann aber dasselbe sein Die Antibiotika lassen sich wiederum in Wirkstoffgruppen einteilen Mit Blick auf die Wirkstoffgrup-pen gilt Die meisten Antibiotika die beim Menschen eingesetzt werden gehoumlren zu Wirkstoffgruppen die wir auch in der Vete-rinaumlrmedizin nutzen Es gibt nur ganz weni-ge Antibiotikagruppen die nur auf der einen oder der anderen Seite verwendet werden Dazu gehoumlren zum Beispiel die Carbapene-me die nicht beim Nutztier eingesetzt wer-den duumlrfen In der Humanmedizin kommen sie insbesondere zum Einsatz wenn andere Antibiotika nicht mehr wirksam sind

bdquoEine Resistenz ge-gen einen bestimm-ten Wirkstoff kann sich auch ausbrei-ten obwohl diese Wirkstoffgruppe nicht eingesetzt wurde

Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer leitet am BfR die Fachgruppe bdquoEpide-miologie Zoonosen und Antibiotika-resistenzldquo die unter anderem auch das Nationale Referenzlabor fuumlr Antibiotika- resistenzen umfasst Seit April 2016 ist sie auszligerdem Professorin an der Vetmeduni Vienna und leitet dort das Institut bdquoOumlffentliches Veterinaumlrwesenldquo

Wenn sie beim Nutztier nicht eingesetzt werden duumlrfen wie kann es dann sein dass Sie am BfR im Rahmen des For-schungsprojekts RESET Carbapene-mase-bildende Bakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden gefunden habenDie Entstehung von Antibiotikaresistenzen ist ein natuumlrlicher Vorgang bei Bakterien Durch den Gebrauch von Antibiotika wird dieser Prozess beschleunigt Eine Resistenz gegen einen bestimmten Wirkstoff kann sich auch ausbreiten obwohl diese Wirk-stoffgruppe nicht eingesetzt wurde Dank der Selektion gilt meist Wenn ich einen Wirkstoff einsetze gebe ich jenen Bakterien einen Vorteil die gegen den Wirkstoff resis-tent sind Aber Carbapenemasen also die Enzyme die von Carbapenem-resistenten Bakterien gebildet werden koumlnnen neben den Carbapenemen auch fast alle anderen

Bakterien die gegen Antibiotika resistent sind stellen ein Risiko fuumlr die oumlffentliche Gesundheit dar Professorin Dr Annemarie Kaumlsbohrer widmet sich am BfR dieser Problematik Im Gespraumlch erklaumlrt sie welche Faktoren bei der Ausbreitung von Resistenzen eine Rolle spielen

copy M

icha

el B

ernk

opf

Vetm

edun

i Vie

nna

26 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

β-Laktam-Antibiotika inaktivieren Theo-retisch ist es daher moumlglich dass sich eine Resistenz gegen Carbapeneme ausbreitet obwohl der Tierarzt beim Nutztier eine an-dere Wirkstoffgruppe eingesetzt hat Ist die Resistenz bei Bakterien vorhanden gibt es viele Ausbreitungswege Ein Stall ist kein steriler Ort sondern belebte Umwelt Moumlg-liche Eintragswege fuumlr resistente Bakterien in einen Stall sind z B belebte Vektoren wie neu eingestallte Tiere Maumluse Fliegen oder Voumlgel aber auch unbelebte Vektoren wie Futter Wasser Staub oder Geraumltschaften

Was hat sich seit dem Fund der Carba-penemase-bildenden Enterobakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden fuumlr Ihre Arbeit beim BfR geaumlndert Der Fund hatte vielfaumlltige Konsequenzen Wir haben vor allem die gezielten Untersu-chungsaktivitaumlten verstaumlrkt Bakterien-Iso-late aus Tierbestaumlnden und Lebensmitteln werden seit 2014 im Rahmen des Resistenz-monitorings im BfR routinemaumlszligig auf eine Carbapenem-Resistenz getestet Auszligerdem steht seit 2015 fuumlr den Nachweis von Carba-penemase-bildenden Bakterien ein weiteres gezieltes Nachweisverfahren zur Verfuumlgung Hierzu muumlssen die Labore geschult werden Zusaumltzlich werden im Nationalen Refe-renzlabor fuumlr Antibiotikaresistenz am BfR Carbapenemase-verdaumlchtige Bakterien auf die charakteristischen Resistenzgene hin un-tersucht Am BfR wurden hierfuumlr verschie-dene Methoden fuumlr die Untersuchung von E coli und Salmonella etabliert Bisher wur-den sehr selten solche Resistenzgene nach-gewiesen bei Nutztieren das Gen blaVIM-1 bei einem Wildvogel das Gen blaNDM-1

Oftmals sind die Resistenzgene gegen Carbapeneme zusammen mit anderen Resistenzgenen auf mobilen geneti-schen Elementen lokalisiert Warum ist hier besondere Vorsicht gebotenZunaumlchst ist die Trefferwahrscheinlichkeit fuumlr eine Selektion houmlher wenn mehrere Re-sistenzgene auf einem genetischen Element liegen d h der Einsatz verschiedener Anti-biotika kann zu einem Selektionsvorteil fuumlh-ren Die Lokalisation von Resistenzgenen auf mobilen genetischen Elementen spielt fuumlr die Uumlbertragbarkeit von Resistenzen eine wichtige Rolle Denn Diese Resistenzgene koumlnnen mittels horizontalem Gentransfer auf ganz unterschiedliche Bakteriengruppen uumlbertragen werden Diese Erkenntnis hat eine Art Revolution ausgeloumlst Lange Zeit wurde ein Erreger mit all seinen Eigenschaf-ten als Einheit betrachtet Kann die Resis-tenz aber zwischen Bakteriengruppen hin

und her uumlbertragen werden verfaumllscht das moumlglicherweise den Blick auf eine Gruppe Folglich mussten die Nachweisverfahren umgestellt und die Uumlbertragbarkeit von Re-sistenzen mit analysiert werden Erschwe-rend kommt hinzu dass ein Resistenzgen auf einem grundsaumltzlich ungefaumlhrlichen

Bakterium zum Problem werden kann Manche Bakterien wie beispielsweise E coli gehoumlren zur normalen Darmflora Traumlgt so ein Bakterium eine Resistenzeigenschaft ist das erstmal nicht gefaumlhrlich Aber Es kann diese Eigenschaft moumlglicherweise an einen Infektionserreger weitergeben

Welche konkreten Folgen kann eine solche Weitergabe von Resistenzeigen-schaften habenSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt Schon jetzt weichen Aumlrzte auf Wirk-stoffgruppen aus die in der Humanmedizin lange verpoumlnt waren Dies gilt zum Beispiel fuumlr Colistin Fuumlr den Menschen ist es nicht gut vertraumlglich moumlgliche Nebenwirkun-gen sind beispielsweise die Schaumldigung der Nieren oder des Nervensystems In der Ve-terinaumlrmedizin hat Colistin seit Jahrzehnten eine erhebliche Bedeutung vor allem fuumlr die Behandlung von Infektionen des Ma-gen-Darm-Traktes bei Nutztieren auch um andere Wirkstoffgruppen zu vermeiden

Spielt im Fall von Colistin die Mobilitaumlt des Resistenzgens auch eine besonde-re Rolle Inzwischen ja Bis Ende 2015 waren sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler einig Eine Colistin-Resistenz ist nicht uumlbertragbar Das heiszligt kommt eine solche Resistenz bei einem Infektionserreger beim Nutztier vor ist sie nicht per se auf ein hu-manpathogenes Bakterium uumlbertragbar Doch Ende 2015 wurde in China erstmals das uumlbertragbare Gen mcr-1 beschrieben Untersuchungen in Belgien haben spaumlter zur Beschreibung eines weiteren mobilen Gens fuumlr die Colistin-Resistenz bei Nutztieren

bdquoSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

27012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Ausbreitung von Resistenzen

Haustiere

Krankenhaus

Belastetepflanzliche Lebensmittel

Belastete tierische Lebensmittel

Nutztiere

Futtermittel

Schaumldlinge

Uumlbertragungswege resistenter Bakterien

Menschen

Eine Antibiotikaresistenz entsteht

(z B durch Mutation)

Antibiotikatherapie beguumlnstigt die

Selektion resistenter Bakterien

Nahrung

Duumlnger Abwasser

Abwasser

28 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

gefuumlhrt mcr-2 Das bedeutet eine Uumlbertra-gung der durch diese Gene vermittelten Re-sistenz auf ein humanpathogenes Bakterium ist theoretisch moumlglich Allerdings scheint dies bisher selten der Fall zu sein

Diese Erkenntnisse offenbaren einen groszligen Forschungsbedarf Was tun Sie in der Abteilung bdquoBiologische Sicher-heitldquo um das Risiko zu bewerten Als 2015 klar wurde dass es eine uumlbertrag-bare Colistin-Resistenz gibt haben wir diese neue Erkenntnis in den laufenden Projekten natuumlrlich sofort aufgegriffen Im Rahmen des Forschungsprojekts RE-SET haben wir zum Beispiel vorhandenes Bakterienmaterial und die bei unseren Ko-operationspartnern verfuumlgbaren Gesamt-genominformationen auf das Vorkommen dieses neuen Resistenzgens gepruumlft Schnell war klar Ja dieses Gen finden wir in den Sequenzen Und die Pruumlfung von Colis-tin-resistenten Isolaten aus unserer Stamm-sammlung hat bestaumltigt dass dieses Resis-tenzgen bereits weit verbreitet ist

Muumlssen nun neue Forschungsprojekte zu dem Thema initiiert werdenJa denn viele Fragen bleiben bislang offen Wie haumlufig wird die Resistenz tatsaumlchlich uumlbertragen Was triggert diese Uumlbertra-gung Es gibt auch diagnostische Probleme Das uumlbliche Verfahren in der Humanmedi-zin um Resistenzen zu testen umfasst in der Regel nicht die Resistenz gegen Colistin Es gibt also viel zu tun Neue Diagnose- und Typisierungsverfahren aufbauen unser Re-sistenzmonitoring erweitern und routine-maumlszligig phaumlnotypisch resistente Isolate auf das Gen pruumlfen Die Ergebnisse muumlssen wir dann uumlbergreifend bewerten um Hand-lungsoptionen aufzuzeigen

Welche Uumlbertragungswege spielen bei der Colistin-Resistenz fuumlr den Men-schen eine Rolle Mit Sicherheit koumlnnen wir das derzeit nicht sagen Die chinesische Arbeitsgruppe hat Colistin-Resistenzen sowohl im Schweine-fleisch als auch beim Menschen gefunden Daher liegt die Hypothese nahe dass es eine Uumlbertragung uumlber Lebensmittel gibt Gleichzeitig gibt es generell die Beobachtung von nosokomialen Ausbreitungen resisten-ter Bakterien Das sind Ausbreitungen von Antibiotikaresistenzen im Krankenhaus

Resistenzen breiten sich aus Wunder-waffen verlieren ihre Wirkung selbst im Krankenhaus sind wir nicht sicher Gibt es uumlberhaupt eine effiziente Strategie gegen die Ausbreitung der Antibiotika- resistenzen Und wer ist dabei gefor-dertUm die Ausbreitung von Antibiotika- resistenzen zu verhindern braucht es eine gemeinsame Strategie Schlieszliglich sind hier komplexe Zusammenhaumlnge zwischen Mensch Tier und Umwelt am Werk Am BfR streben wir deswegen eine enge Zu-sammenarbeit mit allen Akteuren im oumlffent-lichen Gesundheits- und Veterinaumlrwesen an Bei diesem bdquoOne Health-Ansatzldquo sind sowohl Veterinaumlr- als auch Humanmedizi-ner gefordert Auch Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

Was sollten Verbraucherinnen und Ver-braucher beachtenHier gelten dieselben Hygieneregeln die auch fuumlr andere vom Tier oder vom Le-bensmittel auf den Menschen uumlbertragba-re Krankheitserreger gelten Zum Beispiel sollten sie sich nach dem Kontakt mit Tie-ren die Haumlnde mit warmem Wasser und Seife waschen Auch nach der Zubereitung von rohem Fleisch sollten die Haumlnde gruumlnd-lich gewaschen werden Fleisch Eier und Rohmilch sollten vor dem Verzehr durcher-hitzt werden Rohkost und Obst sollten vor dem Verzehr gruumlndlich mit Trinkwasser gewaschen oder geschaumllt werden Weiterhin wichtig ist den direkten oder indirekten Kontakt von rohem Fleisch und rohen Ei-ern mit verzehrfertigen Speisen die spaumlter nicht mehr erhitzt werden zu vermeiden Durch die Einhaltung der Hygieneregeln kann man einer Uumlbertragung von resisten-ten und oder pathogenen Bakterien auf an-dere Lebensmittel vorbeugen

Mehr erfahren Irrgang et al 2017 Recurrent detection of VIM-1-producing Escherichia coli clone in German pig production Journal ofAntimicrobial Chemotherapy 72 3 944ndash946

bdquoVerbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

RESET

Der Forschungsverbund RESET ndash Antibiotika-Resistenzen bei Tier und Mensch ndash beschaumlftigte sich von 2010 bis 2017 mit Resistenzen gegen die besonders wichtigen Antibiotika-Klas-sen der β-Laktam-Antibiotika und (Fluor-)Chinolone bei Darmbakterien wie Escherichia (E) coli Sind Bak-terien gegen beide Wirkstoffklassen resistent werden die therapeutischen Moumlglichkeiten drastisch eingeschraumlnkt Bei E coli und Salmonella enterica wurden derartige Resistenzen bereits nachgewiesen Das BfR beteiligte sich mit zwei Projekten an dem Forschungs-verbund Durch das konsequente Zusammenfuumlhren von Ergebnissen der unterschiedlichen Forschungsgebiete in einer gemeinsamen Datenbank konnten Erkenntnisluumlcken geschlossen und Risiken bewertet werden Das Projekt wurde vom Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) gefoumlrdert

29012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Kann es durch die Mischung verschiedener Pestizid-Ruumlckstaumlnde beim taumlglichen Verzehr zu gesundheitsgefaumlhrdenden Belastungen kommen

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

30 BfR 2 GO

Wenn von Paradigmenwechseln die Rede ist findet meist ein grundlegendes Umdenken statt In der Risikobewertung von Chemikalien habe ein Paradigmenwechsel stattge-

funden der die traditionelle Einzelsubstanz-Bewertung hinter sich lasse schrieben BfR-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler vor einiger Zeit Man koumlnnte meinen in der Toxikologie wird der Paracelsus-Satz kuumlnftig umgeschrieben Nicht nur die Dosis son-dern auch die Aufsummierung der Dosierungen in einer Mischung macht das Gift

Gift- oder Todescocktail ndash plakative Medienbegriffe

Denn tatsaumlchlich In den letzten Jahren beschaumlftigen sich weltweit immer mehr Gremien politische Ausschuumlsse und Forschungspro-jekte mit der Frage wie man die Auswirkungen von Mischungen auf Umwelt und Gesundheit kuumlnftig bewerten kann Auch in der Oumlffentlichkeit wird das Thema emotional verhandelt Chemikali-enmix Gift- oder sogar Todescocktail ndash mit plakativen Begriffen umschreiben Medien das Phaumlnomen der Mehrfachruumlckstaumlnde Entsprechend tief sitzt die Angst bei Verbraucherinnen und Ver-brauchern In einer vom BfR in Deutschland durchgefuumlhrten re-praumlsentativen Wahrnehmungsstudie vermuten 80 Prozent der Befragten dass der Einsatz mehrerer unterschiedlicher Pflanzen-schutzmittel zu gesundheitlichen Beeintraumlchtigungen durch Le-bensmittel fuumlhren kann

Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck sein

Zwar zeigen verschiedene aktuelle Monitoring-Projekte dass das gesundheitliche Risiko durch Mehrfachruumlckstaumlnde von Pflanzen-schutzmitteln unwahrscheinlich ist (s Interview) aber das Thema bleibt auch fuumlr die Wissenschaft draumlngend Denn auch wenn Mi-schungen schon seit Jahrzehnten wissenschaftlich analysiert und bewertet werden das Beduumlrfnis nach einer zuverlaumlssigen Bewertung der Risiken fuumlr Mensch und Umwelt steigt Grund dafuumlr ist zum einen die Vielzahl immer neuer Wirkstoffe Zusatzstoffe Chemika-lien Ruumlckstaumlnde und Kontaminanten gegenuumlber denen Menschen exponiert sind verbunden mit immer verfeinerten wissenschaftli-chen Nachweismethoden Zum anderen steigt der Druck aus der Oumlffentlichkeit Um wissenschaftliche Divergenzen zu vermeiden muumlssen transparente und international harmonisierte Verfahren entwickelt werden Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck in der Risikobewertung sein

Alle Gemische im Tierversuch zu testen ist nicht durchfuumlhrbar

Worum geht es im Einzelnen Mischungen liegen immer dann vor wenn ein Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt verschiedene Stoffe gleichzeitig aufnimmt z B Ruumlckstaumlnde Kontaminanten oder Chemikalien die nach der Europaumlischen Chemikalienverordnung REACH registriert sind Das geschieht wenn sogenannte intentional mixtures also beabsichtigte Mischungen wie Pflanzenschutzmittel oder Biozide in den Verkehr gebracht werden Aber auch unintenti-onal mixtures nimmt der Koumlrper auf Sei es dass verschiedene Stoffe in einem Produkt enthalten sind z B mehrere Pflanzenschutzmit-telruumlckstaumlnde in einem Apfel Oder sei es dass Stoffe gleichzeitig uumlber unterschiedliche Produkte aufgenommen werden In all diesen Faumlllen koumlnnen Mischungseffekte auftreten Diese sind je nach Wirk-mechanismus unterschiedlich stark ausgepraumlgt So koumlnnen sich die Wirkungen von Stoffen gegenseitig potenzieren oder auch aufheben Nach derzeitigem Kenntnisstand wird davon ausgegangen dass sich Wirkungen in der Regel addieren wenn die aufgenommenen Stoffe oberhalb der Wirkschwelle liegen den gleichen Wirkmechanismus haben und zu einem relevanten Zeitpunkt vom Organismus aufge-nommen wurden

Hier beginnen die Schwierigkeiten Es gibt zu viele intentional mix-tures die eine nahezu unuumlbersehbar groszlige Anzahl von Kombinati-onen ermoumlglichen Diese Gemische alle im Tierversuch zu testen wie sonst bei Einzelsubstanzen uumlblich waumlre sowohl ethisch nicht zu vertreten als auch praktisch nicht durchfuumlhrbar Daher arbeiten viele Forschungsprojekte u a der EU-Kommission daran tierversuchs-freie Methoden fuumlr die kumulative Bewertung zu entwickeln die die Effekte von Mischungen in vitro oder durch computergestuumltzte Be-rechnungen in silico berechnen (s Interview und Kasten)

Weltweit setzen Laumlnder das Thema auf ihre Agenda

Nicht nur fuumlr die Wissenschaft auch fuumlr den harmonisierten Voll-zug von Gesetzen ergeben sich dadurch neue Herausforderungen So schreibt z B die EU-Verordnung uumlber das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vor Kumulations- und Synergieeffekte zu be-ruumlcksichtigen ndash sofern es von der Behoumlrde anerkannte wissenschaft-liche Methoden zur Messung solcher Effekte gibt Doch die lagen bisher nicht vor Deshalb werden nun auf allen Ebenen technische Leitfaumlden fuumlr die neuen Methoden erstellt um eine harmonisierte

Auf die Mischung kommt es anKumulative Risikobewertung nimmt weltweit eine immer groumlszligere Bedeu-tung in der Toxikologie ein Das BfR arbeitet an einer Vielzahl von Projek-ten wie Mischungen in Zukunft bewertet werden koumlnnen

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

31012017

Vorgehensweise und transparente Nachvollziehbarkeit bei der Zu-lassung von Produkten zu gewaumlhrleisten Unter anderem die EFSA die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmittelsicherheit die Europauml-ische Chemikalienagentur ECHA und das JRC die Gemeinsame Forschungsstelle der Europaumlischen Kommission erarbeiten solche technischen Leitfaumlden

Neben der wissenschaftlichen Komplexitaumlt muumlssen diese techni-schen Leitfaumlden weitere Herausforderungen meistern Sie sollen fuumlr alle Bereiche gelten in denen Mischungen in Verkehr gebracht werden oder entstehen koumlnnen Bisher wurden Mischungen haumlufig nur in einem regulatorischen Bereich untersucht z B als Pflan-zenschutzmittel Biozid oder Arzneimittel Fuumlr andere Stoffe wie Lebensmittelzusatzstoffe oder Kontaminanten war die Bewertung von Mischungen bisher nicht klar gesetzlich reguliert In Zukunft sollen auch diese Stoffe bei einer Bewertung von Mischungen besser beruumlcksichtigt werden Auch soll nicht nur die chemische Zusam-mensetzung eines einzelnen Produktes systematisch bei der Zu-lassung beruumlcksichtigt werden sondern auch Mehrfachruumlckstaumlnde im gesamten Warenkorb den Verbraucherinnen und Verbraucher durchschnittlich zu einer gegebenen Zeit konsumieren Und zu gu-ter Letzt muumlssen die neuen Verfahren weltweit harmonisiert werden um das kumulative Risiko fuumlr Mensch und Umwelt auch angesichts globaler Warenketten gering zu halten Deshalb diskutieren Politik und Wissenschaft zurzeit nicht nur auf europaumlischer Ebene entspre-chende Leitfaumlden auch andere Laumlnder weltweit sowie die Weltge-sundheitsorganisation WHO und die Organisation fuumlr wirtschaftli-che Zusammenarbeit und Entwicklung OECD haben die kumulative Bewertung auf ihre Agenda genommen und stimmen ihre Guidance Documents mit den uumlbrigen Behoumlrden ab

Deutschland wendet die kumulative Bewertung schon an

Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR sind an zahlreichen dieser internationalen Projekte beteiligt sowohl an der wissenschaftlichen Erforschung kumulativer Effekte als auch an der Entwicklung technischer Leitfaumlden Einen wichtigen Schritt bei der kumulativen Bewertung hat Deutschland in der Europaumlischen Uni-

Stufe um Stufe zu einer gesicherten Bewertung

Seit Maumlrz 2017 wird in Deutschland eine Methodik fuumlr die Bewertung von Kumulations- und Synergie-effekten bei der gesundheitlichen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln in den Zulassungsverfahren angewandt Grundlage fuumlr das gestufte kumulative Bewertungsverfahren ist der sogenannte bdquoHazard Quotientldquo (HQ) der fuumlr jeden einzelnen Stoff ermit-telt wird Der HQ errechnet sich aus dem Verhaumlltnis zwischen dem relevanten gesundheitlichen Grenz-wert und der geschaumltzten Exposition

In einer ersten Stufe wird der HQ fuumlr alle Stoffe eines Gemisches einzeln ermittelt Liegt der HQ jedes Stoffes unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko fuumlr die einzelnen Bestandteile der Mischung zu erwarten Liegt dieser bei einzelnen Stoffen uumlber 1 wird gepruumlft ob die Exposition durch geeignete Maszlignahmen weiter vermindert werden kann zum Beispiel durch das Tragen entsprechender Schutz-kleidung

Liegt der HQ fuumlr alle Komponenten unter 1 wird in einer zweiten Stufe der sogenannte bdquoHazard Indexldquo (HI) des Gemisches ermittelt indem alle Gefahren-quotienten der verwendeten Stoffe addiert werden Liegt der ermittelte Wert weiterhin unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko durch das Gemisch zu erwarten

Liegt der HI uumlber 1 geht die Bewertung mit weiter verfeinerten Methoden in die dritte Stufe uumlber In dieser wird gepruumlft ob ein gesundheitliches Risiko vorliegt wenn eine Gruppierung der Einzelstoffe vorgenommen wird Dazu koumlnnen die einzelnen Stoffe in kumulative Bewertungsgruppen (cumula-tive assessment groups CAGs) eingeteilt werden die z B nach Effekten im gleichen Zielorgan oder nach dem gleichen Wirkmechanismus oder nach chemischer Verwandtschaft definiert sein koumlnnen Hintergrund dieser Einteilung ist die Annahme dass sich nach gegenwaumlrtigem Kenntnisstand nur Effek-te addieren die hinsichtlich der Zielorgane oder der Wirkmechanismen (MOA) vergleichbar sind Auch die relative Potenz der einzelnen Stoffe soll bei der verfeinerten Bewertung beruumlcksichtigt werden Liegt der HI innerhalb einer CAG unter 1 ist deshalb kein gesundheitliches Risiko zu erwarten Liegt er oberhalb des Wertes und koumlnnen weder Expositionsschaumltzung noch Gefahrenbewertung weiter verfeinert werden gilt das Gemisch als nicht sicher

Das mehrstufige Verfahren hat den Vorteil dass die ressourcenaufwendigeren Methoden zur verfei-nerten Bewertung z B in vergleichbaren CAGs oder MOAs nur zum Einsatz kommen wenn mit den ersten einfacheren Bewertungsmethoden nicht nachweisbar ist dass kein gesundheitliches Risiko zu erwarten ist

copy T

atom

mis

tock

com

32 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

EuroMix A tiered strategy for risk assessment of mixtures of multiple chemicals

EuroMix ist ein laumlnderuumlbergreifendes Projekt der EU-Kommission das die nie-derlaumlndische Behoumlrde fuumlr Gesundheit und Umweltschutz RIVM koordiniert Es zielt darauf ab eine tierversuchsfreie experi-mentelle Test-Strategie zu entwickeln um die Toxizitaumlt von Gemischen verschiedener toxikologisch relevanter Lebensmittelin-haltsstoffe Lebensmittelkontaminanten und Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde besser zu bestimmen Aus den Forschungsergeb-nissen wird ein Leitfaden fuumlr die kuumlnftige Umsetzung einer experimentellen Test-Stra-tegie entwickelt Das Acht-Millionen-Eu-ro-Projekt laumluft bis Mai 2019

Mehr erfahren wwweuromixprojecteu

Kombinationseffekte Forschungsprojekte des BfR

Am BfR werden in verschiedenen Abteilungen mehrere interne Forschungsprojekte zu Kombinationseffekten durch-gefuumlhrt Dazu gehoumlren u a Forschungsprojekte zu kumulativen Wirkungen in Pflanzenschutzmitteln und Bioziden zu Mehrfachruumlckstaumlnden in Lebensmitteln zur Expositionsschaumltzung sowie zu wirbeltierfreien Alternativmethoden Daruumlber hinaus ist und war das BfR auch an folgenden Drittmittel-Projekten beteiligt die zu Kombinationseffekten forschen

Combiomics Analyse von Kombinationseffekten von Pestiziden in vitro

Combiomics war ein zweieinhalbjaumlhri-ges Projekt des Bundesministeriums fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) das im Fruumlhling 2016 abgeschlossen wurde In dem vom BfR koordinierten Projekt wurden moumlgliche Kombinationswirkungen durch Mehrfachruumlckstaumlnde beispielhaft anhand einer Gruppe von Fungiziden in vitro unter-sucht Dazu wurden die molekularen Effek-te der Triazole mittels multi level omics und praumldiktiver mathematischer Modellierung untersucht Ausgehend von den Ergebnissen wurde ein Praumldiktionsmodell fuumlr Substanz-kombinationen erstellt validiert und auf Pestizide anderer Stoffgruppen bzw weitere Substanzklassen ausgedehnt um Kombi-nationseffekte kuumlnftig weitgehend ohne Tierversuche durchfuumlhrbar zu machen

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschung gt Drittmittelprojekte gt Combiomics

Combiomics 2Auch die zweite Projektphase von Com-biomics wird vom BfR koordiniert Hier sollen erfolgreich getestete Methoden und Zelllinien in Form einer standardisierten In-vitro-Testbatterie validiert und in ein Standardverfahren integriert werden das auch kuumlnftigen regulatorischen Anforde-rungen entspricht Das dreijaumlhrige Projekt wird vom BMBF bis Ende 2019 gefoumlrdert

Mehr erfahren wwwfisaonlinede gt Kombinationseffekte Pestizide

on schon jetzt unternommen Am 1 Maumlrz 2017 erschien im Bundesanzeiger eine Be-kanntmachung dass Kumulations- und Synergieeffekte in der gesundheitlichen Be-wertung von Pflanzenschutzmitteln kuumlnf-tig durch das BfR beruumlcksichtigt werden Damit bezieht Deutschland bei der zonalen Zulassung von Pflanzenschutzmitteln eine systematische kumulative Bewertung ein

Ein Leitfaden zur kumulativen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln wurde am BfR erarbeitet basierend auf den internatio-nalen Diskussionen bei EFSA und ECHA und 2014 veroumlffentlicht Seitdem wird das Verfahren am BfR angewandt uumlberpruumlft und verfeinert Im Kern geht es darum in einem mehrstufigen Verfahren verschie-dene Wirkstoffe in einem Pflanzenschutz-mittel oder in einer beantragten Tankmi-

schung kumulativ zu bewerten (s Kasten) Dazu werden sowohl die Exposition der Anwenderinnen und Anwender als auch die akute Exposition der Verbraucherinnen und Verbraucher betrachtet sodass die am meisten exponierten Gruppen beruumlcksich-tigt sind

Das Ziel Mischungen weltweit harmonisiert zu bewerten

Die Einfuumlhrung der Konzepte zur kumu-lativen Bewertung von Pflanzenschutzmit-teln hat auch in anderen EU-Laumlndern Aus-wirkungen auf die Risikobewertung Wenn Deutschland im zonalen Zulassungsverfah-ren bewertender Mitgliedstaat ist wird das Verfahren grundsaumltzlich angewandt Aber auch in die Bewertungsberichte anderer Laumlnder flieszligt die kumulative Bewertung als

deutscher Kommentar mit ein Durch den fachlichen Austausch zwischen den Mit-gliedstaaten wurde das Konzept in den letz-ten Jahren einem Peer-Review unterzogen Um die Praxis europaweit noch besser zu harmonisieren werden derzeit auszligerdem internationale Workshops organisiert auf denen diskutiert wird wie Mischungen bei der Risikobewertung kuumlnftig beruumlcksichtigt werden sollen Das BfR veranstaltet einen solchen Workshop im November 2017 im Auftrag der Europaumlischen Kommission die Franzoumlsische Behoumlrde fuumlr gesundheitlichen Verbraucher- Umwelt- und Arbeitsschutz (ANSES) einen weiteren im Februar 2018 unter aktiver Beteiligung des BfR

Das Ziel Mischungen weltweit harmoni-siert zu bewerten um Mensch und Umwelt besser zu schuumltzen ruumlckt damit naumlher

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

33012017

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

bdquoZiel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertungldquo Interview mit Herrn Dr Roland Solecki uumlber die Forschungsaktivitaumlten des BfR zu Mehrfachruumlckstaumlnden

Herr Solecki bei Mehrfachruumlckstaumlnden von Pflanzenschutzmitteln sprechen die Medien oft von einem bdquoGiftcocktailldquo Haben Sie Erkenntnisse daruumlber wie groszlig das gesundheitliche Risiko tat-saumlchlich istDas BfR hat dazu gemeinsam mit dem Bun-desministerium fuumlr Ernaumlhrung und Land-wirtschaft und dem Bundesamt fuumlr Ver-braucherschutz und Lebensmittelsicherheit einen Bericht uumlber die kumulativen Wir-kungen von Pflanzenschutzmitteln veroumlf-fentlicht Dieser basiert auf einer Methodik der niederlaumlndischen Behoumlrde fuumlr Gesund-heit und Umweltschutz RIVM Hintergrund ist ein Monitoring das uumlber einen Zeitraum von sechs Jahren in Deutschland durchge-fuumlhrt wurde Darin wurde untersucht wel-che Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde durch-schnittlich uumlber Lebensmittel aufgenommen werden Das Ergebnis war dass auch unter Worst-Case-Annahmen fuumlr die Mischungen von Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnden ein gesundheitliches Risiko unwahrscheinlich ist Die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit EFSA kam in ihrem Monito-ring-Bericht von 2015 fuumlr Gesamteuropa zu einem aumlhnlichen Ergebnis

Sie arbeiten unter anderem bei dem Pro-jekt EuroMix mit Worum geht es dabeiEs handelt sich um ein groszliges Forschungs-projekt der EU-Kommission zur kumulati-ven Bewertung von Mischungen im Rahmen von Horizont 2020 dem Rahmenprogramm der Europaumlischen Union fuumlr Forschung und Innovation Das Projekt hat zum Ziel neue Bewertungsmethoden fuumlr Mischungseffekte zu erarbeiten besonders auch im Hinblick auf Alternativen zu Tierversuchen innovati-ve Wege der Expositionsschaumltzung und Mo-dellierung von kumulativen Risiken Dabei geht es nicht nur um Pflanzenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatzstoffe und andere Chemikalien

Wie ist das BfR da in EuroMix einge-bundenVom BfR arbeiten sowohl die Abteilung Sicherheit von Pestiziden als auch die Ab-teilung fuumlr Lebensmittelsicherheit am Eu-roMix-Projekt mit Waumlhrend die von mir geleitete Abteilung fuumlr die regulative Bewer-tung eingebunden ist werden in der Abtei-lung Lebensmittelsicherheit experimentelle Arbeiten unter anderem zur Lebertoxizitaumlt durchgefuumlhrt in denen auch Kombinatio-nen von Pestiziden mit anderen Lebensmit-telinhaltsstoffen gepruumlft werden

Woran forschen Sie im EuroMix-ProjektWir haben zunaumlchst recherchiert welche gesetzlichen Anforderungen bestehen und wie unterschiedliche Behoumlrden weltweit

Mischungseffekte bewerten Und wir haben Forschungen zu Mischungen durchgefuumlhrt die bestimmte adverse Effekte auf die Leber verursachen Dabei wurden bestimmte Schluumlsselelemente untersucht um daraus ein Konzept fuumlr die Bewertung zu erarbei-ten Jetzt werden die Omics-Untersuchun-gen und andere alternative Pruumlfverfahren noch durch Tierversuche ergaumlnzt sodass wir auch am Gesamtorganismus die Effek-te uumlberpruumlfen koumlnnen Gleichzeitig werden die statistischen Hilfsmittel und die ande-ren elektronisch basierten Tools weiterent-wickelt Auszligerdem folgen noch weitere Stu-dien zur Exposition Die finalen Ergebnisse liegen am Ende des Projekts im Jahr 2019 vor

In welche weiteren europaumlischen Aktivi-taumlten ist das BfR eingebundenDie EFSA hat bereits einige Ansaumltze zur Bewertung der kombinierten Exposition gegenuumlber mehreren Pestiziden und Kon-taminanten bei Menschen sowie mehreren Pestiziden bei Bienen entwickelt Derzeit ist die EFSA damit befasst neue Ansaumltze und Instrumente zur Harmonisierung der Be-wertung von Risiken fuumlr Mensch und Um-welt zu erarbeiten die von der Exposition gegenuumlber mehreren chemischen Stoffen in der Lebensmittelkette ausgehen Ich bin derzeit Mitglied einer Arbeitsgruppe von Sachverstaumlndigen die der Wissenschaftliche Ausschuss der EFSA eingerichtet hat um Leitlinien im Hinblick auf die kombinierte Exposition gegenuumlber mehreren chemi-schen Stoffen zu entwickeln Diese Initiative unter dem Namen bdquoMixToxldquo wird 2018 den Leitfaden in einer oumlffentlichen Konsultation diskutieren

Bei dieser Vielzahl an Aktivitaumlten Wel-ches Ziel haben Sie persoumlnlich vor Au-genDas Ziel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertung von Stoffen in der gesundheitlichen Risikocharakterisie-rung und deren harmonisierte Implemen-tierung in den gesetzlichen Verfahren Dies wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen

bdquoBei den kumulati-ven Risiken geht es nicht nur um Pflan-zenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatz-stoffe und andere Chemikalien

Dr Roland Solecki leitet die Abteilung bdquoSicherheit von Pestizidenldquo am BfR

copy B

fR

34 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

SPEKTRUM

Identifizierung endokriner Disruptoren Vom Grundsatz in die Praxis

Fuumlr Pestizid-Wirkstoffe und andere Chemikalien sind harmonisierte wissenschaftliche Kriterien erforderlich mit denen hormonschaumldigende Substanzen identifiziert werden koumlnnen Das BfR veroumlffentlichte hierzu bereits 2016 ein Konsenspapier als wissenschaftliche Grundlage fuumlr die darauffolgende Arbeit der EU-Behoumlrden Auf legislativer Ebene werden aktuell EU-weit geltende Ver-ordnungen festgelegt um auf wissenschaftlicher Ebene Leitlinien zur regulatorisch harmonisierten Umsetzung dieser Verordnungen zu erarbeiten Mit dieser Aufga-be hat die EU-Kommission die EFSA und die ECHA gemeinsam beauftragt Das BfR unterstuumltzt die Behoumlr-den mit wissenschaftlicher und technischer Expertise indem es die entsprechende Arbeitsgruppe bei der EFSA personell verstaumlrkt sowie Recherchen und Umfragen zur Praktikabilitaumlt von Untersuchungsmethoden durchfuumlhrt Die Publikation der Leitlinien wird fuumlr Fruumlhjahr 2018 erwartet Sie koumlnnen auf Basis der verabschiedeten Ver-ordnungen nach ihrer Implementierung in der Genehmi-gungspraxis angewendet werden

Mehr erfahren Solecki et al 2017 Scientific principles for the identification of endocrine-disrupting chemicals a consensus statement Arch Toxicol 91 1001ndash1006

Insekten-Stopp in Textilien Allergene Wirkung unwahrscheinlich

Das Risiko fuumlr eine Allergie nach dem Kontakt mit Kleidung und Produkten die mit dem Biozid Permethrin behandelt sind ist nach derzeitigem Kenntnisstand unwahrscheinlich Das ist das Ergebnis einer aktuellen Risikobewertung des BfR Gestuumltzt wird das Ergebnis dadurch dass trotz weitverbreiteter Anwendung des Wirkstoffs in Medikamenten und Verbraucherprodukten kein Anstieg der Kontaktallergien gegenuumlber Permethrin zu verzeichnen ist Das Risiko fuumlr kanzero-gene systemische Effekte infolge einer dermalen und oralen Exposition gegenuumlber Permethrin aus Textilien ist nach Ansicht des BfR vernachlaumlssigbar gering Permethrin ist ein biozider Wirkstoff der zum Schutz gegen Insekten in Produkten wie Schlafsaumlcken Picknick- und Yogadecken sowie Teppichen und Kleidung eingesetzt wird Er ist im Chemikalienrecht als sensibilisierend eingestuft ein moumlgliches geringes kanzerogenes Potenzial wird von verschiedenen wissenschaftlichen Gremien diskutiert Der Wirkstoff kann aus Textilien freigesetzt und uumlber die Haut aufgenommen werden Bei kleinen Kindern die viele Produkte in den Mund nehmen kommt eine moumlgliche orale Aufnah-me des Stoffes hinzu

Mehr erfahren Stellungnahme Nr 0062017 des BfR vom 25 April 2017

Wie wirkt Aluminium in Leber und Darm

Aluminium ist in Lebensmitteln Kosmetika und Bedarfsge-genstaumlnden enthalten und kann uumlber die Nahrung aufgenom-men werden Erste Ergebnisse aus dem deutsch-franzoumlsischen Forschungsprojekt bdquoSolNanoToxldquo mit Beteiligung des BfR zeigen dass sich aus der Nahrung aufgenommene Aluminiumverbin- dungen temporaumlr im Darm anreichern Ob und in welchen Men-gen die Partikel weiter in den Koumlrper insbesondere in die Leber gelangen und welche Faktoren ihre Wirkung beeinflussen wird aktuell erforscht Die Forschungsgruppe sieht Anhaltspunkte dafuumlr dass ein Teil der angereicherten Partikel mit dem Stuhl wieder ausgeschieden wird Fuumlr seine Untersuchung simulierte das BfR anhand biologischer Proben die Verdauung verschiede-ner Aluminiumarten vom Mund uumlber den Magen bis zum Darm Mithilfe von Enzymen und Salzen wurden dabei physiologische Parameter wie der pH-Wert gesteuert Waumlhrend des simulierten Verdauungsprozesses veraumlnderten die Aluminiumverbindungen ihre chemische Reaktionsfaumlhigkeit und Loumlslichkeit Die Erkennt-nisse sind ein erster Schritt um den Prozess der Aufnahme Resorption und Verteilung von Aluminium im Koumlrper besser zu verstehen und daraus Daten fuumlr die Risikobewertung abzuleiten Aluminiumverbindungen koumlnnen in zu hohen Dosen toxisch auf das Nervensystem und ungeborenes Leben wirken sowie die Fruchtbarkeit und Knochenentwicklung beeinflussen

copy B

fR

copy c

gsto

cks

hutte

rsto

ckc

om

copy R

osel

ynne

shu

tters

tock

com

35012017

Bei Kleidung ist besonders der Einsatz von Silber-Nanopartikeln weit verbreitet Silber wirkt antibakteriell und soll die Geruchs-bildung durch Schwitzen reduzieren Beim Einsatz von Nanosilber in Kleidungsstuuml-cken ist in erster Linie eine Freisetzung in Schweiszlig und somit ein moumlglicher Hautkon-takt relevant Neben der Frage ob und in welcher Menge Silber prinzipiell aus Texti-lien herausgeloumlst wird beschaumlftigt sich die Forschung mit der Frage welchen Einfluss die Technologie hat mit der Nanosilber auf Textilien aufgetragen bzw eingebracht wird Bisher war zudem unklar inwiefern die Oberflaumlchenbeschichtung der Nano-partikel die Abgabe beeinflusst

Kuumlnstlicher Schweiszlig simuliert Freisetzung

In einem Forschungsprojekt pruumlfte das BfR neun Proben von Textilien die mit Nanosil-ber veredelt waren Als Vergleich diente ein mit konventionellem Silber (hier Silbersalz mit einem Partikeldurchmesser groumlszliger als 100 Nanometer) ausgeruumlstetes Textil Zwei der Textilien waren sogenannte Komposite bei denen Nanosilber in die Faser integriert ist Bei den anderen getesteten Textilien war die Faseroberflaumlche mit Silber-Nano-partikeln bzw in einem Fall mit konventio-nellem Silber beschichtet (Textil-Coating) Um die Abgabe von Silber durch Schwitzen

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

Kleidung wird durch sie wasser- und schmutzabweisend sie blocken UV-Strahlen und mindern Geruumlche Nanoma-terialien haben beliebte funktionelle Eigenschaften Ob sie aufgrund ihrer Winzigkeit gesundheitliche Risiken bergen ist indes noch weitgehend unbekannt In einem Forschungsprojekt uumlber Nanosilber hat das BfR ermittelt ob sich die Kleinstteilchen aus Textilien herausloumlsen und damit zum gesundheitlichen Risiko werden koumlnnen

Nanomaterial

ist ein natuumlrliches bei Prozessen anfallendes oder kuumlnstlich hergestelltes Material das Partikel in ungebundenem Zustand als Aggregat oder als Agglo-merat enthaumllt und bei dem die Mehrheit der Partikel ein oder mehrere Auszligen-maszlige im Bereich unter 100 Nanometer hat In Nanogroumlszlige kann ein Stoff andere Eigenschaften besitzen als wenn er in Form groumlszligerer Partikel vorliegt

copy o

still

shu

tters

tock

com

36 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von Textilfasern Links Nanokomposit bei dem kaum Silberpartikel an der Faseroberflaumlche zu finden sind Mitte und rechts Textilien mit Silbercoating hier befindet sich insgesamt mehr Silber auf der Oberflaumlche

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

zu simulieren wurden die Textilien fuumlr 24 Stunden in einer Schweiszligsimulanz-Louml-sung inkubiert Fuumlr die Auswertung wurde zunaumlchst der gesamte Silbergehalt in den Schweiszligloumlsungen mit massenspektromet-rischen Messmethoden bestimmt In den Proben in denen Silber vorhanden war wurden anschlieszligend mit Zentrifugation und einer speziellen Methode zum Messen von Einzelpartikeln geloumlstes und partikulauml-res Silber unterschieden Im letzten Schritt wurden die Partikelgroumlszligen des vorgefun-denen partikulaumlren Silbers gemessen um nanoskaliges Silber zu identifizieren

Silber aus Kleidung freigesetzt

Die Untersuchung des BfR zeigte dass von jeder Textilprobe Silber in die Schweiszligsi-mulanz-Loumlsung uumlberging je nach geteste-tem Textil zwischen 7 und 75 Prozent des originaumlr in den Textilien enthaltenen Sil-bers Dabei setzten die beschichteten Tex-tilien mehr Silber frei als die Komposite Den houmlchsten abgegebenen Anteil fand das BfR bei dem mit konventionellem Silber beschichteten Textil Die Freisetzung wird demnach staumlrker durch die Technologie der Veredelung bestimmt als durch die im Tex-til enthaltene Menge Auszligerdem scheint die Abgaberate von Silber aus Nanosilber im Vergleich zu konventionellem Silber nicht erhoumlht zu sein

In der Schweiszligloumlsung lag das freigesetzte Silber uumlberwiegend geloumlst vor Partikulaumlres Silber fand sich nur zum geringeren Teil dann jedoch auch im Nanometerbereich Ob es sich dabei um einzelne Nanoparti-kel handelt oder ob das Silber an groumlszligere Partikel gebunden ist muss in weiteren Untersuchungen uumlberpruumlft werden Nach

derzeitigem wissenschaftlichem Kennt-nisstand geht man davon aus dass sich Nanopartikel im Koumlrper anders verhalten als groumlszligere Partikel Uumlberraschenderweise detektierte die Forschungsgruppe auch in den Schweiszligsimulanzien der mit konven-tionellem Silber beschichteten Textilien partikulaumlres Silber in Nanogroumlszlige Das Vor-kommen von Silberpartikeln scheint also nicht davon abhaumlngig zu sein ob das Silber in Nano- oder konventioneller Form auf das Textil aufgebracht wurde

In einer parallelen Untersuchung fanden die Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler heraus dass zudem die Beschaffenheit der Nanopartikel beispielsweise in Form einer speziellen Beschichtung ihre Loumlslichkeit in der Schweiszligloumlsung beeinflusst

Art der Beschichtung relevant

Silber wird demnach aus Textilien freige-setzt in geringen Teilen sogar in partiku- laumlrer Form Die gewaumlhlte Form der Tex-tilfunktionalisierung aber auch die Be-schaffenheit der Nanopartikel stellen dabei wichtige Kriterien fuumlr das Freisetzungsver-halten dar Solche Erkenntnisse sind vor al-lem fuumlr den sicheren Einsatz von Nanoma-terialien in Alltagsprodukten wichtig weil die Exposition des Menschen gegenuumlber derartigen Stoffen moumlglichst klein gehalten werden sollte Auszligerdem geben sie Hin-weise in welcher Anwendungsform Nano-materialien im verbrauchernahen Bereich sicher eingesetzt werden koumlnnen

Mehr erfahren Wagener et al 2016 Textile Functionalization and Its Effects on the Release of Silver Nanoparticles into Artificial Sweat Environ Sci Technol 50 11 5927ndash5934

Per Flugzeitmassenspek-trometer laumlsst sich Silber auf beschichteten Textil-fasern detektieren

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

NANOPARTIKEL

37012017

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

38 BfR 2 GO

Neuer Ansatz fuumlr Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

Spiegelbild gesucht

Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR zeigt einen neuen Ansatz um mithilfe von Genexpressionsdaten das geeignete Tiermodell fuumlr die Grundlagenforschung oder fuumlr spezifische klinische Fra-gestellungen zu identifizieren Damit koumlnnen zukuumlnftig unnoumltige Tierversu-che vermieden werden Hamburger Wissenschaftsbehoumlrden wuumlrdigten die Erkenntnisse mit einem Forschungspreis

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

39012017

Fragestellung

Vergleich

Auswahl

z B bdquoMit welchem Mausmodell koumlnnen die Ursachen von Alzheimer erforscht werdenldquo

Vergleich von vorhandenen Omics-Expressionsdaten von Mensch und Tier

Auswahl des geeigneten Modells

1

2

3

Geeignete Tiermodelle identifizieren

An Tiermodellen werden zahlreiche biologische Prozesse und Krankheiten wie Wund-

heilung Diabetes Tumoren oder entzuumlndliche Erkrankungen erforscht Durch den

Vergleich der Omics-Expressionsdaten von Tiermodell und Mensch koumlnnen geeignete

Modelle fuumlr die jeweilige Fragestellung identifiziert werden

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

40 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Verlaumluft ein entzuumlndlicher Prozess bei Maumlusen aumlhnlich wie beim Menschen Sind Maumluse daher geeignete Ver-

suchstiere fuumlr Tests von antientzuumlndlichen Substanzen Um Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung in den klinischen Alltag zu uumlberfuumlhren ndash Aufgabengebiet der translationalen Forschung ndash werden wissen-schaftliche Fragestellungen oft in Tierversu-chen erprobt Ob und inwieweit die Ergeb-nisse auf den Menschen uumlbertragbar sind ist dabei immer wieder Gegenstand kontrover-ser Diskussionen Geeignete Methoden mit denen die Wissenschaft Tiermodelle mit op-timaler Uumlbertragbarkeit auf den Menschen auswaumlhlen kann wuumlrden dem wissenschaft-lichen Fortschritt helfen und die Zahl der Tierversuche reduzieren Es geht dabei um die Frage welches Tiermodell am besten das menschliche System widerspiegelt

Vergleichbarkeit von Genom- daten fehleranfaumlllig

Als Grundlage fuumlr diese Uumlberlegungen die-nen Daten aus modernen bioanalytischen Hochdurchsatzverfahren Immer haumlufiger setzt die Wissenschaft auf diese sogenannten Omics-Technologien die die Gesamtheit aller Gene und ihrer Produkte analysieren ndash sowohl beim Tier als auch beim Menschen Mit ihnen lassen sich molekulare Prozesse in lebenden Systemen umfassend darstel-len indem sie beispielsweise die Interaktion hunderter bis tausender Genprodukte zei-gen Die Analyse dieser zunehmend kom-plexen Omics-Datensaumltze stellt die Wissen-schaft jedoch vor Probleme da das Vorgehen dazu nicht standardisiert ist Die Interpreta-tion der Ergebnisse ist bisher meist von der Kompetenz der Durchfuumlhrenden und von der angewandten Methode abhaumlngig Im Ergebnis war die Entscheidung zur Frage der Uumlbertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen fehleranfaumlllig und die Suche nach

geeigneten Tiermodellen erschwert Die ge-ringe Standardisierung der Interpretation von Omics-Daten fuumlhrte in Forschungs-kreisen bereits zu widerspruumlchlichen Er-gebnissen so zum Beispiel bei zwei Studien aus den Jahren 2013 und 2015 die sich mit der Vergleichbarkeit von entzuumlndlichen Er-krankungen beim Menschen und gaumlngigen Mausmodellen beschaumlftigten Waumlhrend eine Forschungsgruppe im Jahr 2013 schlussfol-gerte dass entzuumlndliche Prozesse zwischen Mensch und Maus nicht vergleichbar seien kam eine andere Gruppe zwei Jahre spaumlter anhand der gleichen Omics-Daten zum ge-genteiligen Schluss Die Maus reagiere auf der molekularen Ebene sehr aumlhnlich wie der Mensch und sei daher als Tiermodell sehr nuumltzlich fuumlr die Erforschung menschlicher Erkrankungen Zwar ist es nicht ungewoumlhn-lich dass Ergebnisse von Studien unter-schiedlich eingeschaumltzt werden ndash allerdings selten auf Basis der gleichen Daten

Motivation des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR war es diese Widerspruumlche aufzuklaumlren und einen standardisierten und zielgerichteten Analyseansatz zu entwickeln der die Suche nach geeigneten Tiermodellen vereinfacht und somit unnoumltige Tierversuche vermei-den hilft Es gehoumlrt zu den Kernaufgaben des Bf3R bundesweit alle Aktivitaumlten zu koordi-nieren mit den Zielen Tierversuche auf das unerlaumlssliche Maszlig zu beschraumlnken und fuumlr Versuchstiere den bestmoumlglichen Schutz zu gewaumlhrleisten Die Aufgaben des Bf3R wer-den vom BfR wahrgenommen

Genomdaten von Tier und Mensch gezielt vergleichen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler des Bf3R haben die Omics-Daten aus den beiden erwaumlhnten widerspruumlchlichen Studien mithilfe hochperformanter Com-

puter nochmals systematisch ausgewertet Dabei wurden zunaumlchst die zu verglei-chenden Gene gruppenweise biologischen Prozessen zugeordnet die wesentlich fuumlr ein Entzuumlndungsgeschehen sind Diese Gene Set Enrichment Analysis (GSEA) ge-nannte Methode greift auf umfangreiche in oumlffentlichen Datenbanken hinterlegte Genomdaten gaumlngiger Tiermodelle und von Erkrankten zuruumlck Mit ihrer Heran-gehensweise konnten die Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler des BfR an-schlieszligend Veraumlnderungen auf der Ebene pathologischer Signalwege erkennen und Unterschiede zwischen Tiermodell und Mensch identifizieren Da der Groszligteil der untersuchten Genprodukte haumlufig nur geringfuumlgig veraumlndert war konnten bei der Analyse auf Ebene vollstaumlndiger bio-logischer Signalwege alle Gene einbezogen und Aumlnderungen in der Gesamtheit eines biologischen Signalwegs bewertet werden Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu bisherigen Analyseansaumltzen da fuumlr die Klauml-rung translationaler Fragestellungen bisher haumlufig willkuumlrlich und subjektiv Gene von Mensch und Tiermodell fuumlr einen direkten Eins-zu-eins-Vergleich ausgewaumlhlt wurden

Die systematische Auswertung des Bf3R zeigte dass die Ergebnisse beim vorlie-genden Genomdatenvergleich bei einigen Mausmodellen gut mit den beim Menschen ermittelten Daten uumlbereinstimmten Bei an-deren Mausmodellen hingegen war es nicht so So aumlhnelt das Entzuumlndungsgeschehen bei Maumlusen die mit Staphylococcus aureus (Staphylococcus-aureus-Injektionsmodell) infiziert sind oder eine Darmperforation (Cecal-ligation-and-puncture-Modell) erfah-ren den meisten klinischen Proben Hin-gegen verlaufen Erkrankungen die durch Lipopolysaccharide (LPS) und Streptococcus pneumoniae verursacht werden bei Mensch und Maus verschieden

Omics

Der Terminus beschreibt Methoden zur

Analyse komplexer biologischer Proben

auf der Ebene des gesamten Genoms

von Transkripten Proteinen oder Meta-

boliten

41012017

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

Forschungsansatz hilft Tierversuche zu reduzieren

Die Methode der Datenanalyse mittels GSEA-Ansatz erleichtert es Forschungs-gruppen zukuumlnftig zielgerichtet und stan-dardisiert das optimale Tiermodell aus-zuwaumlhlen das am besten die menschliche Situation abbildet Voraussetzung dafuumlr ist die Existenz von Omics-Daten zur klini-schen Fragestellung sowie zu den infrage kommenden Tierversuchen Dies ist bereits fuumlr eine Vielzahl von Tiermodellen sowie von humanen Erkrankungen der Fall neben Entzuumlndungserkrankungen beispielsweise fuumlr Herz-Kreislauf-Erkrankungen Krebser-krankungen Atemwegserkrankungen Stoff-wechselerkrankungen und neurologische Erkrankungen Aufgrund der vermehrten Verwendung von Omics-Methoden kann davon ausgegangen werden dass stetig wei-tere systembiologische Daten ermittelt und veroumlffentlicht werden Die vom Bf3R ange-wandte Methode wird daher weiterhin bei der gezielten Auswahl von Tiermodellen nuumltzlich sein

Das Verfahren kann in der Grundlagen-forschung sowie in der translationalen und angewandten Forschung eingesetzt werden Diese Bereiche machten 2015 nach Anga-ben des Bundesministeriums fuumlr Ernaumlh-rung und Landwirtschaft mit insgesamt 73 Prozent den groumlszligten Teil der Tierversuche aus Ein Groszligteil davon entfaumlllt auf Maumluse Ratten und zunehmend auch auf Fische Grundsaumltzlich kann die neue Methode zur Auswahl des geeigneten Versuchstiermo-dells bzw zum Ausschluss nicht geeigneter Versuchstiermodelle bei jeglichen Tierver-suchen in diesen Bereichen genutzt werden Analog zu den Versuchstierzahlen liegen derzeit die meisten Omics-Daten fuumlr Maus und Ratte vor So sind beispielsweise allein in der oumlffentlichen NCBI GEO-Datenbank (National Center for Biotechnology Informa-tion Gene Expression Omnibus) derzeit Da-ten zu ca 340000 Maus-Proben und 75000 Ratte-Proben gelistet

Methode identifiziert geeignete Zellkulturmodelle

Dabei ist die Methode des Bf3R nicht auf humane und murine Datensaumltze beschraumlnkt sondern kann auf alle weiteren Spezies an-gewandt werden fuumlr die umfangreiche Da-tenbanken zu biologischen Signalwegen oder Gengruppen vorliegen Auch fuumlr die Beurteilung von zellbasierten Alternativ-methoden kann der neue Forschungsansatz

herangezogen werden Durch einen system-biologischen Abgleich der klinischen Daten mit Omics-Daten aus beispielsweise neuar-tigen 3D-Zellkulturen oder organaumlhnlichen Mikrostrukturen wird die Charakterisierung und Verifizierung von zellbasierten Alterna-tivmethoden ermoumlglicht

Praumlmierte Forschungsleistung

Fuumlr ihre Forschung erhielten die Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR 2016 den Hamburger Forschungspreis zur Foumlrderung der Entwicklung von Ersatz- und

Ergaumlnzungsmethoden Die Auszeichnung wurde zum erstem Mal von den Hamburger Behoumlrden fuumlr Gesundheit und Verbraucher-schutz sowie fuumlr Wissenschaft Forschung und Gleichstellung mit einem Foumlrderpreis in Houmlhe von 20000 Euro ausgeschrieben Der Preis wird fuumlr Arbeiten vergeben die einen Beitrag leisten Tierversuche zu ersetzen oder zu minimieren

Mehr erfahrenWeidner et al 2016 Defining the optimal animal model for translational research using gene set enrichment analysis EMBO Molecular Medicine 8 8 831ndash838

Wofuumlr Versuchstiere in Deutschland eingesetzt werden

630255Herstellung und Qualitaumlts-kontrolle medizinischer Produkte toxikologische Sicherheitspruumlfungen

22

59

14 5

1643259Grundlagenforschung

144997sonstige Zweckez B Zucht Aus- und Weiterbildung

381450translationale und angewandte Forschung

Que

lle B

unde

smin

iste

rium

fuumlr E

rnaumlh

rung

und

Lan

dwirt

scha

ft V

ersu

chst

ierz

ahle

n 20

15

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

42 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Alternativen zu Tierversuchen Forschung regional buumlndeln

Eine individualisierte Schmerztherapie fuumlr Versuchsmaumluse und eine Verringerung von Tierexperimenten zum Test der Inhala- tionstoxizitaumlt von Nanomaterialien (siehe rechte Spalte) ndash hierzu sollen die ersten Arbeitsergebnisse des BfR im Berlin-Bran-denburgischen Verbundprojekt BB3R zukuumlnftig beitragen Das Netzwerk aus Universitaumlten und Bundesinstitutionen forscht um Tierversuche zu vermeiden (Replacement) bzw zu verringern (Reduction) sowie das Leiden von Versuchstieren zu vermindern (Refinement) Das BfR ist als einer von sechs Verbundpartnern in den Bereichen der Refinement- und Replacement-Forschung beteiligt Das Bundesforschungsministerium foumlrdert das mit BB3R abgekuumlrzte Projekt fuumlr vier Jahre bis Fruumlhjahr 2018 es ist als Plattform fuumlr den wissenschaftlichen Austausch konzipiert und integriert ein Graduiertenkolleg

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschungwwwbb3rde

Belastung von Laborfischen erkennen

Koumlrperbau

Koumlrpermerkmale

Verhaltenkreisendes Schwimmen

Belastung von Laborfischen erkennen

Ob Laborfische Schmerzen empfinden oder leiden laumlsst sich mithilfe konkreter Kriterien beurteilen Die Vorarbeiten hierzu koordinierte der bdquoNationale Ausschuss zumSchutz von fuumlr wissenschaftliche Zweckeverwendeten Tierenldquo am BfR gemeinsam mit externen Sachverstaumlndigen und Beauf-tragten von Genehmigungsbehoumlrden Die erstmals definierten Kriterien bewerten unter anderem Auffaumllligkeiten im Koumlrper-bau sowie im Verhalten der Tiere Schmer-zen und Leiden koumlnnen so gezielt behandelt und gelindert werden Da die Frage der Belastung der Tiere anhand der Kriterien eindeutig geklaumlrt werden kann dienen sie zudem als Entscheidungshilfe fuumlr Behoumlr-den welche die Zucht belasteter genetisch veraumlnderter Tiere genehmigen muumlssen Fische insbesondere Zebrafische sind nach Maumlusen und Ratten die am dritthaumlufigsten verwendete Versuchstierart Die Zahl der Versuchsfische hat in den letzten Jahren stetig zugenommen

Mehr erfahren Bert et al 2016 Considerations for aEuropean animal welfare standard toevaluate adverse phenotypes in teleost fish EMBO J 35 11 1151ndash1154Empfehlung des Nationalen Ausschusses TierSchG Nr 0012015

Test der Inhalationstoxizitaumlt von Nanomaterialien

Die Einatmung gilt als wichtigster Aufnahmeweg fuumlr Nanomaterialien Im Rahmen der BB3R-Forschung bildet das BfR diese Art der Exposition mit In-vitro- Atemwegsepithelmodellen an ihrer Grenzflaumlche zur Luft ab Dieser Ansatz zum Test der Inhalationstoxi-zitaumlt hilft Anzahl und Umfang von Tierversuchen zu verringern

Versuchsaufbau Drei Roumlhrchen leiten ein Testaerosol mit luftgetragenen Nanomaterialien auf Epithelzellen

SPEKTRUM

copy B

fR

43012017

Jubilaumlumsfeier und internationales Symposium

Am 29 November 2017 feiert das BfR sein 15-jaumlh-riges Bestehen mit einem Festakt Geplant ist eine Feier mit ausgewaumlhlten Gaumlsten in der Akademie der Kuumlnste Anschlieszligend findet vom 30 Novem-ber bis zum 01 Dezember 2017 das gemeinsame internationale Symposium des BfR und seiner Schwesterinstitutionen aus Daumlnemark (DTU Food) und Frankreich (ANSES) sowie der suumldko-reanischen Behoumlrde fuumlr Lebens- und Arzneimittel-sicherheit (NIFDS) statt Unter dem Motto bdquoPast Present and Future Challenges in Risk Assessment ndash Strengthening Consumer Health Protectionldquo werden die letzten anderthalb Jahrzehnte Risikobewer-tung betrachtet Daruumlber hinaus werden aktuelle Aktivitaumlten sowie zukuumlnftige Herausforderungen des Verbraucherschutzes wie mikrobiologische Erreger chemische Substanzen Methoden und Harmonisierung auf nationaler wie internationa-ler Ebene diskutiert

VERANSTALTUNGEN

Nachwuchs foumlrdern

Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu foumlr-dern baut das BfR wissenschaftliche Nachwuchs-gruppen zu bestimmten Schwerpunktthemen auf Die bereits 2015 eingerichtete Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Warenketteldquo wird im Herbst 2017 durch einen weiteren Dokto-randen verstaumlrkt

Verstaumlrkung im Versuchstierschutz

Seit dem 1 April 2017 staumlrkt die Berufung von Herrn Universitaumltsprofessor Dr Lars Lewejo-hann den Kompetenzbereich bdquoVerminderung der Belastung und Verbesserung der Lebenssitua-tionldquo des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) Neben der Leitung der Fachgruppe bdquoTierschutz und Versuchstierkundeldquo im BfR wird Lars Lewejohann sein Wissen und neue Erkenntnisse als Hochschullehrer fuumlr bdquoTier-schutz mit dem Schwerpunkt Refinementldquo an der veterinaumlrmedizinischen Fakultaumlt der Freien Universitaumlt Berlin an Studierende und Doktoran-den weitergeben

PERSONALIEN

Alternativmethode zum Tierversuch bdquoKnochen-auf-dem-Chipldquo

Im Mai 2017 fand bei der Gemeinsamen For-schungsstelle (GFS)Joint Research Centre (JRC) der Generaldirektion (Directorate General) der Europaumlischen Kommission eine Summer School zu alternativen Ansaumltzen zum Tierversuch fuumlr die Risikobewertung in Ispra (Italien) statt Dort wurde Herr Dr Ing Frank Schulze aus der BfR-Fachgruppe bdquoZEBET ndash Alternativmethoden zu Tierversuchenldquo fuumlr seine Praumlsentation und das dazugehoumlrige Poster zum Thema bdquoEin Knochen-auf-dem-Chip fuumlr die Grundlagenwissenschaft und die Identifizierung von knochenschaumldigen-den Substanzenldquo mit einem Posterpreis (1 Platz) ausgezeichnet

copy B

fR

copy p

rivat

INSTITUTSLEBEN

44 BfR 2 GO

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

β-Laktam-Antibiotika inaktivieren Theo-retisch ist es daher moumlglich dass sich eine Resistenz gegen Carbapeneme ausbreitet obwohl der Tierarzt beim Nutztier eine an-dere Wirkstoffgruppe eingesetzt hat Ist die Resistenz bei Bakterien vorhanden gibt es viele Ausbreitungswege Ein Stall ist kein steriler Ort sondern belebte Umwelt Moumlg-liche Eintragswege fuumlr resistente Bakterien in einen Stall sind z B belebte Vektoren wie neu eingestallte Tiere Maumluse Fliegen oder Voumlgel aber auch unbelebte Vektoren wie Futter Wasser Staub oder Geraumltschaften

Was hat sich seit dem Fund der Carba-penemase-bildenden Enterobakterien in Proben aus Nutztierbestaumlnden fuumlr Ihre Arbeit beim BfR geaumlndert Der Fund hatte vielfaumlltige Konsequenzen Wir haben vor allem die gezielten Untersu-chungsaktivitaumlten verstaumlrkt Bakterien-Iso-late aus Tierbestaumlnden und Lebensmitteln werden seit 2014 im Rahmen des Resistenz-monitorings im BfR routinemaumlszligig auf eine Carbapenem-Resistenz getestet Auszligerdem steht seit 2015 fuumlr den Nachweis von Carba-penemase-bildenden Bakterien ein weiteres gezieltes Nachweisverfahren zur Verfuumlgung Hierzu muumlssen die Labore geschult werden Zusaumltzlich werden im Nationalen Refe-renzlabor fuumlr Antibiotikaresistenz am BfR Carbapenemase-verdaumlchtige Bakterien auf die charakteristischen Resistenzgene hin un-tersucht Am BfR wurden hierfuumlr verschie-dene Methoden fuumlr die Untersuchung von E coli und Salmonella etabliert Bisher wur-den sehr selten solche Resistenzgene nach-gewiesen bei Nutztieren das Gen blaVIM-1 bei einem Wildvogel das Gen blaNDM-1

Oftmals sind die Resistenzgene gegen Carbapeneme zusammen mit anderen Resistenzgenen auf mobilen geneti-schen Elementen lokalisiert Warum ist hier besondere Vorsicht gebotenZunaumlchst ist die Trefferwahrscheinlichkeit fuumlr eine Selektion houmlher wenn mehrere Re-sistenzgene auf einem genetischen Element liegen d h der Einsatz verschiedener Anti-biotika kann zu einem Selektionsvorteil fuumlh-ren Die Lokalisation von Resistenzgenen auf mobilen genetischen Elementen spielt fuumlr die Uumlbertragbarkeit von Resistenzen eine wichtige Rolle Denn Diese Resistenzgene koumlnnen mittels horizontalem Gentransfer auf ganz unterschiedliche Bakteriengruppen uumlbertragen werden Diese Erkenntnis hat eine Art Revolution ausgeloumlst Lange Zeit wurde ein Erreger mit all seinen Eigenschaf-ten als Einheit betrachtet Kann die Resis-tenz aber zwischen Bakteriengruppen hin

und her uumlbertragen werden verfaumllscht das moumlglicherweise den Blick auf eine Gruppe Folglich mussten die Nachweisverfahren umgestellt und die Uumlbertragbarkeit von Re-sistenzen mit analysiert werden Erschwe-rend kommt hinzu dass ein Resistenzgen auf einem grundsaumltzlich ungefaumlhrlichen

Bakterium zum Problem werden kann Manche Bakterien wie beispielsweise E coli gehoumlren zur normalen Darmflora Traumlgt so ein Bakterium eine Resistenzeigenschaft ist das erstmal nicht gefaumlhrlich Aber Es kann diese Eigenschaft moumlglicherweise an einen Infektionserreger weitergeben

Welche konkreten Folgen kann eine solche Weitergabe von Resistenzeigen-schaften habenSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt Schon jetzt weichen Aumlrzte auf Wirk-stoffgruppen aus die in der Humanmedizin lange verpoumlnt waren Dies gilt zum Beispiel fuumlr Colistin Fuumlr den Menschen ist es nicht gut vertraumlglich moumlgliche Nebenwirkun-gen sind beispielsweise die Schaumldigung der Nieren oder des Nervensystems In der Ve-terinaumlrmedizin hat Colistin seit Jahrzehnten eine erhebliche Bedeutung vor allem fuumlr die Behandlung von Infektionen des Ma-gen-Darm-Traktes bei Nutztieren auch um andere Wirkstoffgruppen zu vermeiden

Spielt im Fall von Colistin die Mobilitaumlt des Resistenzgens auch eine besonde-re Rolle Inzwischen ja Bis Ende 2015 waren sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler einig Eine Colistin-Resistenz ist nicht uumlbertragbar Das heiszligt kommt eine solche Resistenz bei einem Infektionserreger beim Nutztier vor ist sie nicht per se auf ein hu-manpathogenes Bakterium uumlbertragbar Doch Ende 2015 wurde in China erstmals das uumlbertragbare Gen mcr-1 beschrieben Untersuchungen in Belgien haben spaumlter zur Beschreibung eines weiteren mobilen Gens fuumlr die Colistin-Resistenz bei Nutztieren

bdquoSammelt ein Infektionserreger uumlber die Zeit mehrere Resistenzmechanismen kann es sein dass am Ende gar keine Therapie mehr wirkt

copy S

tefa

nie

Her

bst

copy S

tefa

nie

Her

bst

27012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Ausbreitung von Resistenzen

Haustiere

Krankenhaus

Belastetepflanzliche Lebensmittel

Belastete tierische Lebensmittel

Nutztiere

Futtermittel

Schaumldlinge

Uumlbertragungswege resistenter Bakterien

Menschen

Eine Antibiotikaresistenz entsteht

(z B durch Mutation)

Antibiotikatherapie beguumlnstigt die

Selektion resistenter Bakterien

Nahrung

Duumlnger Abwasser

Abwasser

28 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

gefuumlhrt mcr-2 Das bedeutet eine Uumlbertra-gung der durch diese Gene vermittelten Re-sistenz auf ein humanpathogenes Bakterium ist theoretisch moumlglich Allerdings scheint dies bisher selten der Fall zu sein

Diese Erkenntnisse offenbaren einen groszligen Forschungsbedarf Was tun Sie in der Abteilung bdquoBiologische Sicher-heitldquo um das Risiko zu bewerten Als 2015 klar wurde dass es eine uumlbertrag-bare Colistin-Resistenz gibt haben wir diese neue Erkenntnis in den laufenden Projekten natuumlrlich sofort aufgegriffen Im Rahmen des Forschungsprojekts RE-SET haben wir zum Beispiel vorhandenes Bakterienmaterial und die bei unseren Ko-operationspartnern verfuumlgbaren Gesamt-genominformationen auf das Vorkommen dieses neuen Resistenzgens gepruumlft Schnell war klar Ja dieses Gen finden wir in den Sequenzen Und die Pruumlfung von Colis-tin-resistenten Isolaten aus unserer Stamm-sammlung hat bestaumltigt dass dieses Resis-tenzgen bereits weit verbreitet ist

Muumlssen nun neue Forschungsprojekte zu dem Thema initiiert werdenJa denn viele Fragen bleiben bislang offen Wie haumlufig wird die Resistenz tatsaumlchlich uumlbertragen Was triggert diese Uumlbertra-gung Es gibt auch diagnostische Probleme Das uumlbliche Verfahren in der Humanmedi-zin um Resistenzen zu testen umfasst in der Regel nicht die Resistenz gegen Colistin Es gibt also viel zu tun Neue Diagnose- und Typisierungsverfahren aufbauen unser Re-sistenzmonitoring erweitern und routine-maumlszligig phaumlnotypisch resistente Isolate auf das Gen pruumlfen Die Ergebnisse muumlssen wir dann uumlbergreifend bewerten um Hand-lungsoptionen aufzuzeigen

Welche Uumlbertragungswege spielen bei der Colistin-Resistenz fuumlr den Men-schen eine Rolle Mit Sicherheit koumlnnen wir das derzeit nicht sagen Die chinesische Arbeitsgruppe hat Colistin-Resistenzen sowohl im Schweine-fleisch als auch beim Menschen gefunden Daher liegt die Hypothese nahe dass es eine Uumlbertragung uumlber Lebensmittel gibt Gleichzeitig gibt es generell die Beobachtung von nosokomialen Ausbreitungen resisten-ter Bakterien Das sind Ausbreitungen von Antibiotikaresistenzen im Krankenhaus

Resistenzen breiten sich aus Wunder-waffen verlieren ihre Wirkung selbst im Krankenhaus sind wir nicht sicher Gibt es uumlberhaupt eine effiziente Strategie gegen die Ausbreitung der Antibiotika- resistenzen Und wer ist dabei gefor-dertUm die Ausbreitung von Antibiotika- resistenzen zu verhindern braucht es eine gemeinsame Strategie Schlieszliglich sind hier komplexe Zusammenhaumlnge zwischen Mensch Tier und Umwelt am Werk Am BfR streben wir deswegen eine enge Zu-sammenarbeit mit allen Akteuren im oumlffent-lichen Gesundheits- und Veterinaumlrwesen an Bei diesem bdquoOne Health-Ansatzldquo sind sowohl Veterinaumlr- als auch Humanmedizi-ner gefordert Auch Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

Was sollten Verbraucherinnen und Ver-braucher beachtenHier gelten dieselben Hygieneregeln die auch fuumlr andere vom Tier oder vom Le-bensmittel auf den Menschen uumlbertragba-re Krankheitserreger gelten Zum Beispiel sollten sie sich nach dem Kontakt mit Tie-ren die Haumlnde mit warmem Wasser und Seife waschen Auch nach der Zubereitung von rohem Fleisch sollten die Haumlnde gruumlnd-lich gewaschen werden Fleisch Eier und Rohmilch sollten vor dem Verzehr durcher-hitzt werden Rohkost und Obst sollten vor dem Verzehr gruumlndlich mit Trinkwasser gewaschen oder geschaumllt werden Weiterhin wichtig ist den direkten oder indirekten Kontakt von rohem Fleisch und rohen Ei-ern mit verzehrfertigen Speisen die spaumlter nicht mehr erhitzt werden zu vermeiden Durch die Einhaltung der Hygieneregeln kann man einer Uumlbertragung von resisten-ten und oder pathogenen Bakterien auf an-dere Lebensmittel vorbeugen

Mehr erfahren Irrgang et al 2017 Recurrent detection of VIM-1-producing Escherichia coli clone in German pig production Journal ofAntimicrobial Chemotherapy 72 3 944ndash946

bdquoVerbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

RESET

Der Forschungsverbund RESET ndash Antibiotika-Resistenzen bei Tier und Mensch ndash beschaumlftigte sich von 2010 bis 2017 mit Resistenzen gegen die besonders wichtigen Antibiotika-Klas-sen der β-Laktam-Antibiotika und (Fluor-)Chinolone bei Darmbakterien wie Escherichia (E) coli Sind Bak-terien gegen beide Wirkstoffklassen resistent werden die therapeutischen Moumlglichkeiten drastisch eingeschraumlnkt Bei E coli und Salmonella enterica wurden derartige Resistenzen bereits nachgewiesen Das BfR beteiligte sich mit zwei Projekten an dem Forschungs-verbund Durch das konsequente Zusammenfuumlhren von Ergebnissen der unterschiedlichen Forschungsgebiete in einer gemeinsamen Datenbank konnten Erkenntnisluumlcken geschlossen und Risiken bewertet werden Das Projekt wurde vom Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) gefoumlrdert

29012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Kann es durch die Mischung verschiedener Pestizid-Ruumlckstaumlnde beim taumlglichen Verzehr zu gesundheitsgefaumlhrdenden Belastungen kommen

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

30 BfR 2 GO

Wenn von Paradigmenwechseln die Rede ist findet meist ein grundlegendes Umdenken statt In der Risikobewertung von Chemikalien habe ein Paradigmenwechsel stattge-

funden der die traditionelle Einzelsubstanz-Bewertung hinter sich lasse schrieben BfR-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler vor einiger Zeit Man koumlnnte meinen in der Toxikologie wird der Paracelsus-Satz kuumlnftig umgeschrieben Nicht nur die Dosis son-dern auch die Aufsummierung der Dosierungen in einer Mischung macht das Gift

Gift- oder Todescocktail ndash plakative Medienbegriffe

Denn tatsaumlchlich In den letzten Jahren beschaumlftigen sich weltweit immer mehr Gremien politische Ausschuumlsse und Forschungspro-jekte mit der Frage wie man die Auswirkungen von Mischungen auf Umwelt und Gesundheit kuumlnftig bewerten kann Auch in der Oumlffentlichkeit wird das Thema emotional verhandelt Chemikali-enmix Gift- oder sogar Todescocktail ndash mit plakativen Begriffen umschreiben Medien das Phaumlnomen der Mehrfachruumlckstaumlnde Entsprechend tief sitzt die Angst bei Verbraucherinnen und Ver-brauchern In einer vom BfR in Deutschland durchgefuumlhrten re-praumlsentativen Wahrnehmungsstudie vermuten 80 Prozent der Befragten dass der Einsatz mehrerer unterschiedlicher Pflanzen-schutzmittel zu gesundheitlichen Beeintraumlchtigungen durch Le-bensmittel fuumlhren kann

Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck sein

Zwar zeigen verschiedene aktuelle Monitoring-Projekte dass das gesundheitliche Risiko durch Mehrfachruumlckstaumlnde von Pflanzen-schutzmitteln unwahrscheinlich ist (s Interview) aber das Thema bleibt auch fuumlr die Wissenschaft draumlngend Denn auch wenn Mi-schungen schon seit Jahrzehnten wissenschaftlich analysiert und bewertet werden das Beduumlrfnis nach einer zuverlaumlssigen Bewertung der Risiken fuumlr Mensch und Umwelt steigt Grund dafuumlr ist zum einen die Vielzahl immer neuer Wirkstoffe Zusatzstoffe Chemika-lien Ruumlckstaumlnde und Kontaminanten gegenuumlber denen Menschen exponiert sind verbunden mit immer verfeinerten wissenschaftli-chen Nachweismethoden Zum anderen steigt der Druck aus der Oumlffentlichkeit Um wissenschaftliche Divergenzen zu vermeiden muumlssen transparente und international harmonisierte Verfahren entwickelt werden Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck in der Risikobewertung sein

Alle Gemische im Tierversuch zu testen ist nicht durchfuumlhrbar

Worum geht es im Einzelnen Mischungen liegen immer dann vor wenn ein Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt verschiedene Stoffe gleichzeitig aufnimmt z B Ruumlckstaumlnde Kontaminanten oder Chemikalien die nach der Europaumlischen Chemikalienverordnung REACH registriert sind Das geschieht wenn sogenannte intentional mixtures also beabsichtigte Mischungen wie Pflanzenschutzmittel oder Biozide in den Verkehr gebracht werden Aber auch unintenti-onal mixtures nimmt der Koumlrper auf Sei es dass verschiedene Stoffe in einem Produkt enthalten sind z B mehrere Pflanzenschutzmit-telruumlckstaumlnde in einem Apfel Oder sei es dass Stoffe gleichzeitig uumlber unterschiedliche Produkte aufgenommen werden In all diesen Faumlllen koumlnnen Mischungseffekte auftreten Diese sind je nach Wirk-mechanismus unterschiedlich stark ausgepraumlgt So koumlnnen sich die Wirkungen von Stoffen gegenseitig potenzieren oder auch aufheben Nach derzeitigem Kenntnisstand wird davon ausgegangen dass sich Wirkungen in der Regel addieren wenn die aufgenommenen Stoffe oberhalb der Wirkschwelle liegen den gleichen Wirkmechanismus haben und zu einem relevanten Zeitpunkt vom Organismus aufge-nommen wurden

Hier beginnen die Schwierigkeiten Es gibt zu viele intentional mix-tures die eine nahezu unuumlbersehbar groszlige Anzahl von Kombinati-onen ermoumlglichen Diese Gemische alle im Tierversuch zu testen wie sonst bei Einzelsubstanzen uumlblich waumlre sowohl ethisch nicht zu vertreten als auch praktisch nicht durchfuumlhrbar Daher arbeiten viele Forschungsprojekte u a der EU-Kommission daran tierversuchs-freie Methoden fuumlr die kumulative Bewertung zu entwickeln die die Effekte von Mischungen in vitro oder durch computergestuumltzte Be-rechnungen in silico berechnen (s Interview und Kasten)

Weltweit setzen Laumlnder das Thema auf ihre Agenda

Nicht nur fuumlr die Wissenschaft auch fuumlr den harmonisierten Voll-zug von Gesetzen ergeben sich dadurch neue Herausforderungen So schreibt z B die EU-Verordnung uumlber das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vor Kumulations- und Synergieeffekte zu be-ruumlcksichtigen ndash sofern es von der Behoumlrde anerkannte wissenschaft-liche Methoden zur Messung solcher Effekte gibt Doch die lagen bisher nicht vor Deshalb werden nun auf allen Ebenen technische Leitfaumlden fuumlr die neuen Methoden erstellt um eine harmonisierte

Auf die Mischung kommt es anKumulative Risikobewertung nimmt weltweit eine immer groumlszligere Bedeu-tung in der Toxikologie ein Das BfR arbeitet an einer Vielzahl von Projek-ten wie Mischungen in Zukunft bewertet werden koumlnnen

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

31012017

Vorgehensweise und transparente Nachvollziehbarkeit bei der Zu-lassung von Produkten zu gewaumlhrleisten Unter anderem die EFSA die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmittelsicherheit die Europauml-ische Chemikalienagentur ECHA und das JRC die Gemeinsame Forschungsstelle der Europaumlischen Kommission erarbeiten solche technischen Leitfaumlden

Neben der wissenschaftlichen Komplexitaumlt muumlssen diese techni-schen Leitfaumlden weitere Herausforderungen meistern Sie sollen fuumlr alle Bereiche gelten in denen Mischungen in Verkehr gebracht werden oder entstehen koumlnnen Bisher wurden Mischungen haumlufig nur in einem regulatorischen Bereich untersucht z B als Pflan-zenschutzmittel Biozid oder Arzneimittel Fuumlr andere Stoffe wie Lebensmittelzusatzstoffe oder Kontaminanten war die Bewertung von Mischungen bisher nicht klar gesetzlich reguliert In Zukunft sollen auch diese Stoffe bei einer Bewertung von Mischungen besser beruumlcksichtigt werden Auch soll nicht nur die chemische Zusam-mensetzung eines einzelnen Produktes systematisch bei der Zu-lassung beruumlcksichtigt werden sondern auch Mehrfachruumlckstaumlnde im gesamten Warenkorb den Verbraucherinnen und Verbraucher durchschnittlich zu einer gegebenen Zeit konsumieren Und zu gu-ter Letzt muumlssen die neuen Verfahren weltweit harmonisiert werden um das kumulative Risiko fuumlr Mensch und Umwelt auch angesichts globaler Warenketten gering zu halten Deshalb diskutieren Politik und Wissenschaft zurzeit nicht nur auf europaumlischer Ebene entspre-chende Leitfaumlden auch andere Laumlnder weltweit sowie die Weltge-sundheitsorganisation WHO und die Organisation fuumlr wirtschaftli-che Zusammenarbeit und Entwicklung OECD haben die kumulative Bewertung auf ihre Agenda genommen und stimmen ihre Guidance Documents mit den uumlbrigen Behoumlrden ab

Deutschland wendet die kumulative Bewertung schon an

Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR sind an zahlreichen dieser internationalen Projekte beteiligt sowohl an der wissenschaftlichen Erforschung kumulativer Effekte als auch an der Entwicklung technischer Leitfaumlden Einen wichtigen Schritt bei der kumulativen Bewertung hat Deutschland in der Europaumlischen Uni-

Stufe um Stufe zu einer gesicherten Bewertung

Seit Maumlrz 2017 wird in Deutschland eine Methodik fuumlr die Bewertung von Kumulations- und Synergie-effekten bei der gesundheitlichen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln in den Zulassungsverfahren angewandt Grundlage fuumlr das gestufte kumulative Bewertungsverfahren ist der sogenannte bdquoHazard Quotientldquo (HQ) der fuumlr jeden einzelnen Stoff ermit-telt wird Der HQ errechnet sich aus dem Verhaumlltnis zwischen dem relevanten gesundheitlichen Grenz-wert und der geschaumltzten Exposition

In einer ersten Stufe wird der HQ fuumlr alle Stoffe eines Gemisches einzeln ermittelt Liegt der HQ jedes Stoffes unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko fuumlr die einzelnen Bestandteile der Mischung zu erwarten Liegt dieser bei einzelnen Stoffen uumlber 1 wird gepruumlft ob die Exposition durch geeignete Maszlignahmen weiter vermindert werden kann zum Beispiel durch das Tragen entsprechender Schutz-kleidung

Liegt der HQ fuumlr alle Komponenten unter 1 wird in einer zweiten Stufe der sogenannte bdquoHazard Indexldquo (HI) des Gemisches ermittelt indem alle Gefahren-quotienten der verwendeten Stoffe addiert werden Liegt der ermittelte Wert weiterhin unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko durch das Gemisch zu erwarten

Liegt der HI uumlber 1 geht die Bewertung mit weiter verfeinerten Methoden in die dritte Stufe uumlber In dieser wird gepruumlft ob ein gesundheitliches Risiko vorliegt wenn eine Gruppierung der Einzelstoffe vorgenommen wird Dazu koumlnnen die einzelnen Stoffe in kumulative Bewertungsgruppen (cumula-tive assessment groups CAGs) eingeteilt werden die z B nach Effekten im gleichen Zielorgan oder nach dem gleichen Wirkmechanismus oder nach chemischer Verwandtschaft definiert sein koumlnnen Hintergrund dieser Einteilung ist die Annahme dass sich nach gegenwaumlrtigem Kenntnisstand nur Effek-te addieren die hinsichtlich der Zielorgane oder der Wirkmechanismen (MOA) vergleichbar sind Auch die relative Potenz der einzelnen Stoffe soll bei der verfeinerten Bewertung beruumlcksichtigt werden Liegt der HI innerhalb einer CAG unter 1 ist deshalb kein gesundheitliches Risiko zu erwarten Liegt er oberhalb des Wertes und koumlnnen weder Expositionsschaumltzung noch Gefahrenbewertung weiter verfeinert werden gilt das Gemisch als nicht sicher

Das mehrstufige Verfahren hat den Vorteil dass die ressourcenaufwendigeren Methoden zur verfei-nerten Bewertung z B in vergleichbaren CAGs oder MOAs nur zum Einsatz kommen wenn mit den ersten einfacheren Bewertungsmethoden nicht nachweisbar ist dass kein gesundheitliches Risiko zu erwarten ist

copy T

atom

mis

tock

com

32 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

EuroMix A tiered strategy for risk assessment of mixtures of multiple chemicals

EuroMix ist ein laumlnderuumlbergreifendes Projekt der EU-Kommission das die nie-derlaumlndische Behoumlrde fuumlr Gesundheit und Umweltschutz RIVM koordiniert Es zielt darauf ab eine tierversuchsfreie experi-mentelle Test-Strategie zu entwickeln um die Toxizitaumlt von Gemischen verschiedener toxikologisch relevanter Lebensmittelin-haltsstoffe Lebensmittelkontaminanten und Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde besser zu bestimmen Aus den Forschungsergeb-nissen wird ein Leitfaden fuumlr die kuumlnftige Umsetzung einer experimentellen Test-Stra-tegie entwickelt Das Acht-Millionen-Eu-ro-Projekt laumluft bis Mai 2019

Mehr erfahren wwweuromixprojecteu

Kombinationseffekte Forschungsprojekte des BfR

Am BfR werden in verschiedenen Abteilungen mehrere interne Forschungsprojekte zu Kombinationseffekten durch-gefuumlhrt Dazu gehoumlren u a Forschungsprojekte zu kumulativen Wirkungen in Pflanzenschutzmitteln und Bioziden zu Mehrfachruumlckstaumlnden in Lebensmitteln zur Expositionsschaumltzung sowie zu wirbeltierfreien Alternativmethoden Daruumlber hinaus ist und war das BfR auch an folgenden Drittmittel-Projekten beteiligt die zu Kombinationseffekten forschen

Combiomics Analyse von Kombinationseffekten von Pestiziden in vitro

Combiomics war ein zweieinhalbjaumlhri-ges Projekt des Bundesministeriums fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) das im Fruumlhling 2016 abgeschlossen wurde In dem vom BfR koordinierten Projekt wurden moumlgliche Kombinationswirkungen durch Mehrfachruumlckstaumlnde beispielhaft anhand einer Gruppe von Fungiziden in vitro unter-sucht Dazu wurden die molekularen Effek-te der Triazole mittels multi level omics und praumldiktiver mathematischer Modellierung untersucht Ausgehend von den Ergebnissen wurde ein Praumldiktionsmodell fuumlr Substanz-kombinationen erstellt validiert und auf Pestizide anderer Stoffgruppen bzw weitere Substanzklassen ausgedehnt um Kombi-nationseffekte kuumlnftig weitgehend ohne Tierversuche durchfuumlhrbar zu machen

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschung gt Drittmittelprojekte gt Combiomics

Combiomics 2Auch die zweite Projektphase von Com-biomics wird vom BfR koordiniert Hier sollen erfolgreich getestete Methoden und Zelllinien in Form einer standardisierten In-vitro-Testbatterie validiert und in ein Standardverfahren integriert werden das auch kuumlnftigen regulatorischen Anforde-rungen entspricht Das dreijaumlhrige Projekt wird vom BMBF bis Ende 2019 gefoumlrdert

Mehr erfahren wwwfisaonlinede gt Kombinationseffekte Pestizide

on schon jetzt unternommen Am 1 Maumlrz 2017 erschien im Bundesanzeiger eine Be-kanntmachung dass Kumulations- und Synergieeffekte in der gesundheitlichen Be-wertung von Pflanzenschutzmitteln kuumlnf-tig durch das BfR beruumlcksichtigt werden Damit bezieht Deutschland bei der zonalen Zulassung von Pflanzenschutzmitteln eine systematische kumulative Bewertung ein

Ein Leitfaden zur kumulativen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln wurde am BfR erarbeitet basierend auf den internatio-nalen Diskussionen bei EFSA und ECHA und 2014 veroumlffentlicht Seitdem wird das Verfahren am BfR angewandt uumlberpruumlft und verfeinert Im Kern geht es darum in einem mehrstufigen Verfahren verschie-dene Wirkstoffe in einem Pflanzenschutz-mittel oder in einer beantragten Tankmi-

schung kumulativ zu bewerten (s Kasten) Dazu werden sowohl die Exposition der Anwenderinnen und Anwender als auch die akute Exposition der Verbraucherinnen und Verbraucher betrachtet sodass die am meisten exponierten Gruppen beruumlcksich-tigt sind

Das Ziel Mischungen weltweit harmonisiert zu bewerten

Die Einfuumlhrung der Konzepte zur kumu-lativen Bewertung von Pflanzenschutzmit-teln hat auch in anderen EU-Laumlndern Aus-wirkungen auf die Risikobewertung Wenn Deutschland im zonalen Zulassungsverfah-ren bewertender Mitgliedstaat ist wird das Verfahren grundsaumltzlich angewandt Aber auch in die Bewertungsberichte anderer Laumlnder flieszligt die kumulative Bewertung als

deutscher Kommentar mit ein Durch den fachlichen Austausch zwischen den Mit-gliedstaaten wurde das Konzept in den letz-ten Jahren einem Peer-Review unterzogen Um die Praxis europaweit noch besser zu harmonisieren werden derzeit auszligerdem internationale Workshops organisiert auf denen diskutiert wird wie Mischungen bei der Risikobewertung kuumlnftig beruumlcksichtigt werden sollen Das BfR veranstaltet einen solchen Workshop im November 2017 im Auftrag der Europaumlischen Kommission die Franzoumlsische Behoumlrde fuumlr gesundheitlichen Verbraucher- Umwelt- und Arbeitsschutz (ANSES) einen weiteren im Februar 2018 unter aktiver Beteiligung des BfR

Das Ziel Mischungen weltweit harmoni-siert zu bewerten um Mensch und Umwelt besser zu schuumltzen ruumlckt damit naumlher

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

33012017

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

bdquoZiel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertungldquo Interview mit Herrn Dr Roland Solecki uumlber die Forschungsaktivitaumlten des BfR zu Mehrfachruumlckstaumlnden

Herr Solecki bei Mehrfachruumlckstaumlnden von Pflanzenschutzmitteln sprechen die Medien oft von einem bdquoGiftcocktailldquo Haben Sie Erkenntnisse daruumlber wie groszlig das gesundheitliche Risiko tat-saumlchlich istDas BfR hat dazu gemeinsam mit dem Bun-desministerium fuumlr Ernaumlhrung und Land-wirtschaft und dem Bundesamt fuumlr Ver-braucherschutz und Lebensmittelsicherheit einen Bericht uumlber die kumulativen Wir-kungen von Pflanzenschutzmitteln veroumlf-fentlicht Dieser basiert auf einer Methodik der niederlaumlndischen Behoumlrde fuumlr Gesund-heit und Umweltschutz RIVM Hintergrund ist ein Monitoring das uumlber einen Zeitraum von sechs Jahren in Deutschland durchge-fuumlhrt wurde Darin wurde untersucht wel-che Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde durch-schnittlich uumlber Lebensmittel aufgenommen werden Das Ergebnis war dass auch unter Worst-Case-Annahmen fuumlr die Mischungen von Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnden ein gesundheitliches Risiko unwahrscheinlich ist Die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit EFSA kam in ihrem Monito-ring-Bericht von 2015 fuumlr Gesamteuropa zu einem aumlhnlichen Ergebnis

Sie arbeiten unter anderem bei dem Pro-jekt EuroMix mit Worum geht es dabeiEs handelt sich um ein groszliges Forschungs-projekt der EU-Kommission zur kumulati-ven Bewertung von Mischungen im Rahmen von Horizont 2020 dem Rahmenprogramm der Europaumlischen Union fuumlr Forschung und Innovation Das Projekt hat zum Ziel neue Bewertungsmethoden fuumlr Mischungseffekte zu erarbeiten besonders auch im Hinblick auf Alternativen zu Tierversuchen innovati-ve Wege der Expositionsschaumltzung und Mo-dellierung von kumulativen Risiken Dabei geht es nicht nur um Pflanzenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatzstoffe und andere Chemikalien

Wie ist das BfR da in EuroMix einge-bundenVom BfR arbeiten sowohl die Abteilung Sicherheit von Pestiziden als auch die Ab-teilung fuumlr Lebensmittelsicherheit am Eu-roMix-Projekt mit Waumlhrend die von mir geleitete Abteilung fuumlr die regulative Bewer-tung eingebunden ist werden in der Abtei-lung Lebensmittelsicherheit experimentelle Arbeiten unter anderem zur Lebertoxizitaumlt durchgefuumlhrt in denen auch Kombinatio-nen von Pestiziden mit anderen Lebensmit-telinhaltsstoffen gepruumlft werden

Woran forschen Sie im EuroMix-ProjektWir haben zunaumlchst recherchiert welche gesetzlichen Anforderungen bestehen und wie unterschiedliche Behoumlrden weltweit

Mischungseffekte bewerten Und wir haben Forschungen zu Mischungen durchgefuumlhrt die bestimmte adverse Effekte auf die Leber verursachen Dabei wurden bestimmte Schluumlsselelemente untersucht um daraus ein Konzept fuumlr die Bewertung zu erarbei-ten Jetzt werden die Omics-Untersuchun-gen und andere alternative Pruumlfverfahren noch durch Tierversuche ergaumlnzt sodass wir auch am Gesamtorganismus die Effek-te uumlberpruumlfen koumlnnen Gleichzeitig werden die statistischen Hilfsmittel und die ande-ren elektronisch basierten Tools weiterent-wickelt Auszligerdem folgen noch weitere Stu-dien zur Exposition Die finalen Ergebnisse liegen am Ende des Projekts im Jahr 2019 vor

In welche weiteren europaumlischen Aktivi-taumlten ist das BfR eingebundenDie EFSA hat bereits einige Ansaumltze zur Bewertung der kombinierten Exposition gegenuumlber mehreren Pestiziden und Kon-taminanten bei Menschen sowie mehreren Pestiziden bei Bienen entwickelt Derzeit ist die EFSA damit befasst neue Ansaumltze und Instrumente zur Harmonisierung der Be-wertung von Risiken fuumlr Mensch und Um-welt zu erarbeiten die von der Exposition gegenuumlber mehreren chemischen Stoffen in der Lebensmittelkette ausgehen Ich bin derzeit Mitglied einer Arbeitsgruppe von Sachverstaumlndigen die der Wissenschaftliche Ausschuss der EFSA eingerichtet hat um Leitlinien im Hinblick auf die kombinierte Exposition gegenuumlber mehreren chemi-schen Stoffen zu entwickeln Diese Initiative unter dem Namen bdquoMixToxldquo wird 2018 den Leitfaden in einer oumlffentlichen Konsultation diskutieren

Bei dieser Vielzahl an Aktivitaumlten Wel-ches Ziel haben Sie persoumlnlich vor Au-genDas Ziel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertung von Stoffen in der gesundheitlichen Risikocharakterisie-rung und deren harmonisierte Implemen-tierung in den gesetzlichen Verfahren Dies wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen

bdquoBei den kumulati-ven Risiken geht es nicht nur um Pflan-zenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatz-stoffe und andere Chemikalien

Dr Roland Solecki leitet die Abteilung bdquoSicherheit von Pestizidenldquo am BfR

copy B

fR

34 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

SPEKTRUM

Identifizierung endokriner Disruptoren Vom Grundsatz in die Praxis

Fuumlr Pestizid-Wirkstoffe und andere Chemikalien sind harmonisierte wissenschaftliche Kriterien erforderlich mit denen hormonschaumldigende Substanzen identifiziert werden koumlnnen Das BfR veroumlffentlichte hierzu bereits 2016 ein Konsenspapier als wissenschaftliche Grundlage fuumlr die darauffolgende Arbeit der EU-Behoumlrden Auf legislativer Ebene werden aktuell EU-weit geltende Ver-ordnungen festgelegt um auf wissenschaftlicher Ebene Leitlinien zur regulatorisch harmonisierten Umsetzung dieser Verordnungen zu erarbeiten Mit dieser Aufga-be hat die EU-Kommission die EFSA und die ECHA gemeinsam beauftragt Das BfR unterstuumltzt die Behoumlr-den mit wissenschaftlicher und technischer Expertise indem es die entsprechende Arbeitsgruppe bei der EFSA personell verstaumlrkt sowie Recherchen und Umfragen zur Praktikabilitaumlt von Untersuchungsmethoden durchfuumlhrt Die Publikation der Leitlinien wird fuumlr Fruumlhjahr 2018 erwartet Sie koumlnnen auf Basis der verabschiedeten Ver-ordnungen nach ihrer Implementierung in der Genehmi-gungspraxis angewendet werden

Mehr erfahren Solecki et al 2017 Scientific principles for the identification of endocrine-disrupting chemicals a consensus statement Arch Toxicol 91 1001ndash1006

Insekten-Stopp in Textilien Allergene Wirkung unwahrscheinlich

Das Risiko fuumlr eine Allergie nach dem Kontakt mit Kleidung und Produkten die mit dem Biozid Permethrin behandelt sind ist nach derzeitigem Kenntnisstand unwahrscheinlich Das ist das Ergebnis einer aktuellen Risikobewertung des BfR Gestuumltzt wird das Ergebnis dadurch dass trotz weitverbreiteter Anwendung des Wirkstoffs in Medikamenten und Verbraucherprodukten kein Anstieg der Kontaktallergien gegenuumlber Permethrin zu verzeichnen ist Das Risiko fuumlr kanzero-gene systemische Effekte infolge einer dermalen und oralen Exposition gegenuumlber Permethrin aus Textilien ist nach Ansicht des BfR vernachlaumlssigbar gering Permethrin ist ein biozider Wirkstoff der zum Schutz gegen Insekten in Produkten wie Schlafsaumlcken Picknick- und Yogadecken sowie Teppichen und Kleidung eingesetzt wird Er ist im Chemikalienrecht als sensibilisierend eingestuft ein moumlgliches geringes kanzerogenes Potenzial wird von verschiedenen wissenschaftlichen Gremien diskutiert Der Wirkstoff kann aus Textilien freigesetzt und uumlber die Haut aufgenommen werden Bei kleinen Kindern die viele Produkte in den Mund nehmen kommt eine moumlgliche orale Aufnah-me des Stoffes hinzu

Mehr erfahren Stellungnahme Nr 0062017 des BfR vom 25 April 2017

Wie wirkt Aluminium in Leber und Darm

Aluminium ist in Lebensmitteln Kosmetika und Bedarfsge-genstaumlnden enthalten und kann uumlber die Nahrung aufgenom-men werden Erste Ergebnisse aus dem deutsch-franzoumlsischen Forschungsprojekt bdquoSolNanoToxldquo mit Beteiligung des BfR zeigen dass sich aus der Nahrung aufgenommene Aluminiumverbin- dungen temporaumlr im Darm anreichern Ob und in welchen Men-gen die Partikel weiter in den Koumlrper insbesondere in die Leber gelangen und welche Faktoren ihre Wirkung beeinflussen wird aktuell erforscht Die Forschungsgruppe sieht Anhaltspunkte dafuumlr dass ein Teil der angereicherten Partikel mit dem Stuhl wieder ausgeschieden wird Fuumlr seine Untersuchung simulierte das BfR anhand biologischer Proben die Verdauung verschiede-ner Aluminiumarten vom Mund uumlber den Magen bis zum Darm Mithilfe von Enzymen und Salzen wurden dabei physiologische Parameter wie der pH-Wert gesteuert Waumlhrend des simulierten Verdauungsprozesses veraumlnderten die Aluminiumverbindungen ihre chemische Reaktionsfaumlhigkeit und Loumlslichkeit Die Erkennt-nisse sind ein erster Schritt um den Prozess der Aufnahme Resorption und Verteilung von Aluminium im Koumlrper besser zu verstehen und daraus Daten fuumlr die Risikobewertung abzuleiten Aluminiumverbindungen koumlnnen in zu hohen Dosen toxisch auf das Nervensystem und ungeborenes Leben wirken sowie die Fruchtbarkeit und Knochenentwicklung beeinflussen

copy B

fR

copy c

gsto

cks

hutte

rsto

ckc

om

copy R

osel

ynne

shu

tters

tock

com

35012017

Bei Kleidung ist besonders der Einsatz von Silber-Nanopartikeln weit verbreitet Silber wirkt antibakteriell und soll die Geruchs-bildung durch Schwitzen reduzieren Beim Einsatz von Nanosilber in Kleidungsstuuml-cken ist in erster Linie eine Freisetzung in Schweiszlig und somit ein moumlglicher Hautkon-takt relevant Neben der Frage ob und in welcher Menge Silber prinzipiell aus Texti-lien herausgeloumlst wird beschaumlftigt sich die Forschung mit der Frage welchen Einfluss die Technologie hat mit der Nanosilber auf Textilien aufgetragen bzw eingebracht wird Bisher war zudem unklar inwiefern die Oberflaumlchenbeschichtung der Nano-partikel die Abgabe beeinflusst

Kuumlnstlicher Schweiszlig simuliert Freisetzung

In einem Forschungsprojekt pruumlfte das BfR neun Proben von Textilien die mit Nanosil-ber veredelt waren Als Vergleich diente ein mit konventionellem Silber (hier Silbersalz mit einem Partikeldurchmesser groumlszliger als 100 Nanometer) ausgeruumlstetes Textil Zwei der Textilien waren sogenannte Komposite bei denen Nanosilber in die Faser integriert ist Bei den anderen getesteten Textilien war die Faseroberflaumlche mit Silber-Nano-partikeln bzw in einem Fall mit konventio-nellem Silber beschichtet (Textil-Coating) Um die Abgabe von Silber durch Schwitzen

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

Kleidung wird durch sie wasser- und schmutzabweisend sie blocken UV-Strahlen und mindern Geruumlche Nanoma-terialien haben beliebte funktionelle Eigenschaften Ob sie aufgrund ihrer Winzigkeit gesundheitliche Risiken bergen ist indes noch weitgehend unbekannt In einem Forschungsprojekt uumlber Nanosilber hat das BfR ermittelt ob sich die Kleinstteilchen aus Textilien herausloumlsen und damit zum gesundheitlichen Risiko werden koumlnnen

Nanomaterial

ist ein natuumlrliches bei Prozessen anfallendes oder kuumlnstlich hergestelltes Material das Partikel in ungebundenem Zustand als Aggregat oder als Agglo-merat enthaumllt und bei dem die Mehrheit der Partikel ein oder mehrere Auszligen-maszlige im Bereich unter 100 Nanometer hat In Nanogroumlszlige kann ein Stoff andere Eigenschaften besitzen als wenn er in Form groumlszligerer Partikel vorliegt

copy o

still

shu

tters

tock

com

36 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von Textilfasern Links Nanokomposit bei dem kaum Silberpartikel an der Faseroberflaumlche zu finden sind Mitte und rechts Textilien mit Silbercoating hier befindet sich insgesamt mehr Silber auf der Oberflaumlche

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

zu simulieren wurden die Textilien fuumlr 24 Stunden in einer Schweiszligsimulanz-Louml-sung inkubiert Fuumlr die Auswertung wurde zunaumlchst der gesamte Silbergehalt in den Schweiszligloumlsungen mit massenspektromet-rischen Messmethoden bestimmt In den Proben in denen Silber vorhanden war wurden anschlieszligend mit Zentrifugation und einer speziellen Methode zum Messen von Einzelpartikeln geloumlstes und partikulauml-res Silber unterschieden Im letzten Schritt wurden die Partikelgroumlszligen des vorgefun-denen partikulaumlren Silbers gemessen um nanoskaliges Silber zu identifizieren

Silber aus Kleidung freigesetzt

Die Untersuchung des BfR zeigte dass von jeder Textilprobe Silber in die Schweiszligsi-mulanz-Loumlsung uumlberging je nach geteste-tem Textil zwischen 7 und 75 Prozent des originaumlr in den Textilien enthaltenen Sil-bers Dabei setzten die beschichteten Tex-tilien mehr Silber frei als die Komposite Den houmlchsten abgegebenen Anteil fand das BfR bei dem mit konventionellem Silber beschichteten Textil Die Freisetzung wird demnach staumlrker durch die Technologie der Veredelung bestimmt als durch die im Tex-til enthaltene Menge Auszligerdem scheint die Abgaberate von Silber aus Nanosilber im Vergleich zu konventionellem Silber nicht erhoumlht zu sein

In der Schweiszligloumlsung lag das freigesetzte Silber uumlberwiegend geloumlst vor Partikulaumlres Silber fand sich nur zum geringeren Teil dann jedoch auch im Nanometerbereich Ob es sich dabei um einzelne Nanoparti-kel handelt oder ob das Silber an groumlszligere Partikel gebunden ist muss in weiteren Untersuchungen uumlberpruumlft werden Nach

derzeitigem wissenschaftlichem Kennt-nisstand geht man davon aus dass sich Nanopartikel im Koumlrper anders verhalten als groumlszligere Partikel Uumlberraschenderweise detektierte die Forschungsgruppe auch in den Schweiszligsimulanzien der mit konven-tionellem Silber beschichteten Textilien partikulaumlres Silber in Nanogroumlszlige Das Vor-kommen von Silberpartikeln scheint also nicht davon abhaumlngig zu sein ob das Silber in Nano- oder konventioneller Form auf das Textil aufgebracht wurde

In einer parallelen Untersuchung fanden die Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler heraus dass zudem die Beschaffenheit der Nanopartikel beispielsweise in Form einer speziellen Beschichtung ihre Loumlslichkeit in der Schweiszligloumlsung beeinflusst

Art der Beschichtung relevant

Silber wird demnach aus Textilien freige-setzt in geringen Teilen sogar in partiku- laumlrer Form Die gewaumlhlte Form der Tex-tilfunktionalisierung aber auch die Be-schaffenheit der Nanopartikel stellen dabei wichtige Kriterien fuumlr das Freisetzungsver-halten dar Solche Erkenntnisse sind vor al-lem fuumlr den sicheren Einsatz von Nanoma-terialien in Alltagsprodukten wichtig weil die Exposition des Menschen gegenuumlber derartigen Stoffen moumlglichst klein gehalten werden sollte Auszligerdem geben sie Hin-weise in welcher Anwendungsform Nano-materialien im verbrauchernahen Bereich sicher eingesetzt werden koumlnnen

Mehr erfahren Wagener et al 2016 Textile Functionalization and Its Effects on the Release of Silver Nanoparticles into Artificial Sweat Environ Sci Technol 50 11 5927ndash5934

Per Flugzeitmassenspek-trometer laumlsst sich Silber auf beschichteten Textil-fasern detektieren

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

NANOPARTIKEL

37012017

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

38 BfR 2 GO

Neuer Ansatz fuumlr Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

Spiegelbild gesucht

Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR zeigt einen neuen Ansatz um mithilfe von Genexpressionsdaten das geeignete Tiermodell fuumlr die Grundlagenforschung oder fuumlr spezifische klinische Fra-gestellungen zu identifizieren Damit koumlnnen zukuumlnftig unnoumltige Tierversu-che vermieden werden Hamburger Wissenschaftsbehoumlrden wuumlrdigten die Erkenntnisse mit einem Forschungspreis

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

39012017

Fragestellung

Vergleich

Auswahl

z B bdquoMit welchem Mausmodell koumlnnen die Ursachen von Alzheimer erforscht werdenldquo

Vergleich von vorhandenen Omics-Expressionsdaten von Mensch und Tier

Auswahl des geeigneten Modells

1

2

3

Geeignete Tiermodelle identifizieren

An Tiermodellen werden zahlreiche biologische Prozesse und Krankheiten wie Wund-

heilung Diabetes Tumoren oder entzuumlndliche Erkrankungen erforscht Durch den

Vergleich der Omics-Expressionsdaten von Tiermodell und Mensch koumlnnen geeignete

Modelle fuumlr die jeweilige Fragestellung identifiziert werden

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

40 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Verlaumluft ein entzuumlndlicher Prozess bei Maumlusen aumlhnlich wie beim Menschen Sind Maumluse daher geeignete Ver-

suchstiere fuumlr Tests von antientzuumlndlichen Substanzen Um Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung in den klinischen Alltag zu uumlberfuumlhren ndash Aufgabengebiet der translationalen Forschung ndash werden wissen-schaftliche Fragestellungen oft in Tierversu-chen erprobt Ob und inwieweit die Ergeb-nisse auf den Menschen uumlbertragbar sind ist dabei immer wieder Gegenstand kontrover-ser Diskussionen Geeignete Methoden mit denen die Wissenschaft Tiermodelle mit op-timaler Uumlbertragbarkeit auf den Menschen auswaumlhlen kann wuumlrden dem wissenschaft-lichen Fortschritt helfen und die Zahl der Tierversuche reduzieren Es geht dabei um die Frage welches Tiermodell am besten das menschliche System widerspiegelt

Vergleichbarkeit von Genom- daten fehleranfaumlllig

Als Grundlage fuumlr diese Uumlberlegungen die-nen Daten aus modernen bioanalytischen Hochdurchsatzverfahren Immer haumlufiger setzt die Wissenschaft auf diese sogenannten Omics-Technologien die die Gesamtheit aller Gene und ihrer Produkte analysieren ndash sowohl beim Tier als auch beim Menschen Mit ihnen lassen sich molekulare Prozesse in lebenden Systemen umfassend darstel-len indem sie beispielsweise die Interaktion hunderter bis tausender Genprodukte zei-gen Die Analyse dieser zunehmend kom-plexen Omics-Datensaumltze stellt die Wissen-schaft jedoch vor Probleme da das Vorgehen dazu nicht standardisiert ist Die Interpreta-tion der Ergebnisse ist bisher meist von der Kompetenz der Durchfuumlhrenden und von der angewandten Methode abhaumlngig Im Ergebnis war die Entscheidung zur Frage der Uumlbertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen fehleranfaumlllig und die Suche nach

geeigneten Tiermodellen erschwert Die ge-ringe Standardisierung der Interpretation von Omics-Daten fuumlhrte in Forschungs-kreisen bereits zu widerspruumlchlichen Er-gebnissen so zum Beispiel bei zwei Studien aus den Jahren 2013 und 2015 die sich mit der Vergleichbarkeit von entzuumlndlichen Er-krankungen beim Menschen und gaumlngigen Mausmodellen beschaumlftigten Waumlhrend eine Forschungsgruppe im Jahr 2013 schlussfol-gerte dass entzuumlndliche Prozesse zwischen Mensch und Maus nicht vergleichbar seien kam eine andere Gruppe zwei Jahre spaumlter anhand der gleichen Omics-Daten zum ge-genteiligen Schluss Die Maus reagiere auf der molekularen Ebene sehr aumlhnlich wie der Mensch und sei daher als Tiermodell sehr nuumltzlich fuumlr die Erforschung menschlicher Erkrankungen Zwar ist es nicht ungewoumlhn-lich dass Ergebnisse von Studien unter-schiedlich eingeschaumltzt werden ndash allerdings selten auf Basis der gleichen Daten

Motivation des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR war es diese Widerspruumlche aufzuklaumlren und einen standardisierten und zielgerichteten Analyseansatz zu entwickeln der die Suche nach geeigneten Tiermodellen vereinfacht und somit unnoumltige Tierversuche vermei-den hilft Es gehoumlrt zu den Kernaufgaben des Bf3R bundesweit alle Aktivitaumlten zu koordi-nieren mit den Zielen Tierversuche auf das unerlaumlssliche Maszlig zu beschraumlnken und fuumlr Versuchstiere den bestmoumlglichen Schutz zu gewaumlhrleisten Die Aufgaben des Bf3R wer-den vom BfR wahrgenommen

Genomdaten von Tier und Mensch gezielt vergleichen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler des Bf3R haben die Omics-Daten aus den beiden erwaumlhnten widerspruumlchlichen Studien mithilfe hochperformanter Com-

puter nochmals systematisch ausgewertet Dabei wurden zunaumlchst die zu verglei-chenden Gene gruppenweise biologischen Prozessen zugeordnet die wesentlich fuumlr ein Entzuumlndungsgeschehen sind Diese Gene Set Enrichment Analysis (GSEA) ge-nannte Methode greift auf umfangreiche in oumlffentlichen Datenbanken hinterlegte Genomdaten gaumlngiger Tiermodelle und von Erkrankten zuruumlck Mit ihrer Heran-gehensweise konnten die Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler des BfR an-schlieszligend Veraumlnderungen auf der Ebene pathologischer Signalwege erkennen und Unterschiede zwischen Tiermodell und Mensch identifizieren Da der Groszligteil der untersuchten Genprodukte haumlufig nur geringfuumlgig veraumlndert war konnten bei der Analyse auf Ebene vollstaumlndiger bio-logischer Signalwege alle Gene einbezogen und Aumlnderungen in der Gesamtheit eines biologischen Signalwegs bewertet werden Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu bisherigen Analyseansaumltzen da fuumlr die Klauml-rung translationaler Fragestellungen bisher haumlufig willkuumlrlich und subjektiv Gene von Mensch und Tiermodell fuumlr einen direkten Eins-zu-eins-Vergleich ausgewaumlhlt wurden

Die systematische Auswertung des Bf3R zeigte dass die Ergebnisse beim vorlie-genden Genomdatenvergleich bei einigen Mausmodellen gut mit den beim Menschen ermittelten Daten uumlbereinstimmten Bei an-deren Mausmodellen hingegen war es nicht so So aumlhnelt das Entzuumlndungsgeschehen bei Maumlusen die mit Staphylococcus aureus (Staphylococcus-aureus-Injektionsmodell) infiziert sind oder eine Darmperforation (Cecal-ligation-and-puncture-Modell) erfah-ren den meisten klinischen Proben Hin-gegen verlaufen Erkrankungen die durch Lipopolysaccharide (LPS) und Streptococcus pneumoniae verursacht werden bei Mensch und Maus verschieden

Omics

Der Terminus beschreibt Methoden zur

Analyse komplexer biologischer Proben

auf der Ebene des gesamten Genoms

von Transkripten Proteinen oder Meta-

boliten

41012017

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

Forschungsansatz hilft Tierversuche zu reduzieren

Die Methode der Datenanalyse mittels GSEA-Ansatz erleichtert es Forschungs-gruppen zukuumlnftig zielgerichtet und stan-dardisiert das optimale Tiermodell aus-zuwaumlhlen das am besten die menschliche Situation abbildet Voraussetzung dafuumlr ist die Existenz von Omics-Daten zur klini-schen Fragestellung sowie zu den infrage kommenden Tierversuchen Dies ist bereits fuumlr eine Vielzahl von Tiermodellen sowie von humanen Erkrankungen der Fall neben Entzuumlndungserkrankungen beispielsweise fuumlr Herz-Kreislauf-Erkrankungen Krebser-krankungen Atemwegserkrankungen Stoff-wechselerkrankungen und neurologische Erkrankungen Aufgrund der vermehrten Verwendung von Omics-Methoden kann davon ausgegangen werden dass stetig wei-tere systembiologische Daten ermittelt und veroumlffentlicht werden Die vom Bf3R ange-wandte Methode wird daher weiterhin bei der gezielten Auswahl von Tiermodellen nuumltzlich sein

Das Verfahren kann in der Grundlagen-forschung sowie in der translationalen und angewandten Forschung eingesetzt werden Diese Bereiche machten 2015 nach Anga-ben des Bundesministeriums fuumlr Ernaumlh-rung und Landwirtschaft mit insgesamt 73 Prozent den groumlszligten Teil der Tierversuche aus Ein Groszligteil davon entfaumlllt auf Maumluse Ratten und zunehmend auch auf Fische Grundsaumltzlich kann die neue Methode zur Auswahl des geeigneten Versuchstiermo-dells bzw zum Ausschluss nicht geeigneter Versuchstiermodelle bei jeglichen Tierver-suchen in diesen Bereichen genutzt werden Analog zu den Versuchstierzahlen liegen derzeit die meisten Omics-Daten fuumlr Maus und Ratte vor So sind beispielsweise allein in der oumlffentlichen NCBI GEO-Datenbank (National Center for Biotechnology Informa-tion Gene Expression Omnibus) derzeit Da-ten zu ca 340000 Maus-Proben und 75000 Ratte-Proben gelistet

Methode identifiziert geeignete Zellkulturmodelle

Dabei ist die Methode des Bf3R nicht auf humane und murine Datensaumltze beschraumlnkt sondern kann auf alle weiteren Spezies an-gewandt werden fuumlr die umfangreiche Da-tenbanken zu biologischen Signalwegen oder Gengruppen vorliegen Auch fuumlr die Beurteilung von zellbasierten Alternativ-methoden kann der neue Forschungsansatz

herangezogen werden Durch einen system-biologischen Abgleich der klinischen Daten mit Omics-Daten aus beispielsweise neuar-tigen 3D-Zellkulturen oder organaumlhnlichen Mikrostrukturen wird die Charakterisierung und Verifizierung von zellbasierten Alterna-tivmethoden ermoumlglicht

Praumlmierte Forschungsleistung

Fuumlr ihre Forschung erhielten die Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR 2016 den Hamburger Forschungspreis zur Foumlrderung der Entwicklung von Ersatz- und

Ergaumlnzungsmethoden Die Auszeichnung wurde zum erstem Mal von den Hamburger Behoumlrden fuumlr Gesundheit und Verbraucher-schutz sowie fuumlr Wissenschaft Forschung und Gleichstellung mit einem Foumlrderpreis in Houmlhe von 20000 Euro ausgeschrieben Der Preis wird fuumlr Arbeiten vergeben die einen Beitrag leisten Tierversuche zu ersetzen oder zu minimieren

Mehr erfahrenWeidner et al 2016 Defining the optimal animal model for translational research using gene set enrichment analysis EMBO Molecular Medicine 8 8 831ndash838

Wofuumlr Versuchstiere in Deutschland eingesetzt werden

630255Herstellung und Qualitaumlts-kontrolle medizinischer Produkte toxikologische Sicherheitspruumlfungen

22

59

14 5

1643259Grundlagenforschung

144997sonstige Zweckez B Zucht Aus- und Weiterbildung

381450translationale und angewandte Forschung

Que

lle B

unde

smin

iste

rium

fuumlr E

rnaumlh

rung

und

Lan

dwirt

scha

ft V

ersu

chst

ierz

ahle

n 20

15

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

42 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Alternativen zu Tierversuchen Forschung regional buumlndeln

Eine individualisierte Schmerztherapie fuumlr Versuchsmaumluse und eine Verringerung von Tierexperimenten zum Test der Inhala- tionstoxizitaumlt von Nanomaterialien (siehe rechte Spalte) ndash hierzu sollen die ersten Arbeitsergebnisse des BfR im Berlin-Bran-denburgischen Verbundprojekt BB3R zukuumlnftig beitragen Das Netzwerk aus Universitaumlten und Bundesinstitutionen forscht um Tierversuche zu vermeiden (Replacement) bzw zu verringern (Reduction) sowie das Leiden von Versuchstieren zu vermindern (Refinement) Das BfR ist als einer von sechs Verbundpartnern in den Bereichen der Refinement- und Replacement-Forschung beteiligt Das Bundesforschungsministerium foumlrdert das mit BB3R abgekuumlrzte Projekt fuumlr vier Jahre bis Fruumlhjahr 2018 es ist als Plattform fuumlr den wissenschaftlichen Austausch konzipiert und integriert ein Graduiertenkolleg

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschungwwwbb3rde

Belastung von Laborfischen erkennen

Koumlrperbau

Koumlrpermerkmale

Verhaltenkreisendes Schwimmen

Belastung von Laborfischen erkennen

Ob Laborfische Schmerzen empfinden oder leiden laumlsst sich mithilfe konkreter Kriterien beurteilen Die Vorarbeiten hierzu koordinierte der bdquoNationale Ausschuss zumSchutz von fuumlr wissenschaftliche Zweckeverwendeten Tierenldquo am BfR gemeinsam mit externen Sachverstaumlndigen und Beauf-tragten von Genehmigungsbehoumlrden Die erstmals definierten Kriterien bewerten unter anderem Auffaumllligkeiten im Koumlrper-bau sowie im Verhalten der Tiere Schmer-zen und Leiden koumlnnen so gezielt behandelt und gelindert werden Da die Frage der Belastung der Tiere anhand der Kriterien eindeutig geklaumlrt werden kann dienen sie zudem als Entscheidungshilfe fuumlr Behoumlr-den welche die Zucht belasteter genetisch veraumlnderter Tiere genehmigen muumlssen Fische insbesondere Zebrafische sind nach Maumlusen und Ratten die am dritthaumlufigsten verwendete Versuchstierart Die Zahl der Versuchsfische hat in den letzten Jahren stetig zugenommen

Mehr erfahren Bert et al 2016 Considerations for aEuropean animal welfare standard toevaluate adverse phenotypes in teleost fish EMBO J 35 11 1151ndash1154Empfehlung des Nationalen Ausschusses TierSchG Nr 0012015

Test der Inhalationstoxizitaumlt von Nanomaterialien

Die Einatmung gilt als wichtigster Aufnahmeweg fuumlr Nanomaterialien Im Rahmen der BB3R-Forschung bildet das BfR diese Art der Exposition mit In-vitro- Atemwegsepithelmodellen an ihrer Grenzflaumlche zur Luft ab Dieser Ansatz zum Test der Inhalationstoxi-zitaumlt hilft Anzahl und Umfang von Tierversuchen zu verringern

Versuchsaufbau Drei Roumlhrchen leiten ein Testaerosol mit luftgetragenen Nanomaterialien auf Epithelzellen

SPEKTRUM

copy B

fR

43012017

Jubilaumlumsfeier und internationales Symposium

Am 29 November 2017 feiert das BfR sein 15-jaumlh-riges Bestehen mit einem Festakt Geplant ist eine Feier mit ausgewaumlhlten Gaumlsten in der Akademie der Kuumlnste Anschlieszligend findet vom 30 Novem-ber bis zum 01 Dezember 2017 das gemeinsame internationale Symposium des BfR und seiner Schwesterinstitutionen aus Daumlnemark (DTU Food) und Frankreich (ANSES) sowie der suumldko-reanischen Behoumlrde fuumlr Lebens- und Arzneimittel-sicherheit (NIFDS) statt Unter dem Motto bdquoPast Present and Future Challenges in Risk Assessment ndash Strengthening Consumer Health Protectionldquo werden die letzten anderthalb Jahrzehnte Risikobewer-tung betrachtet Daruumlber hinaus werden aktuelle Aktivitaumlten sowie zukuumlnftige Herausforderungen des Verbraucherschutzes wie mikrobiologische Erreger chemische Substanzen Methoden und Harmonisierung auf nationaler wie internationa-ler Ebene diskutiert

VERANSTALTUNGEN

Nachwuchs foumlrdern

Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu foumlr-dern baut das BfR wissenschaftliche Nachwuchs-gruppen zu bestimmten Schwerpunktthemen auf Die bereits 2015 eingerichtete Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Warenketteldquo wird im Herbst 2017 durch einen weiteren Dokto-randen verstaumlrkt

Verstaumlrkung im Versuchstierschutz

Seit dem 1 April 2017 staumlrkt die Berufung von Herrn Universitaumltsprofessor Dr Lars Lewejo-hann den Kompetenzbereich bdquoVerminderung der Belastung und Verbesserung der Lebenssitua-tionldquo des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) Neben der Leitung der Fachgruppe bdquoTierschutz und Versuchstierkundeldquo im BfR wird Lars Lewejohann sein Wissen und neue Erkenntnisse als Hochschullehrer fuumlr bdquoTier-schutz mit dem Schwerpunkt Refinementldquo an der veterinaumlrmedizinischen Fakultaumlt der Freien Universitaumlt Berlin an Studierende und Doktoran-den weitergeben

PERSONALIEN

Alternativmethode zum Tierversuch bdquoKnochen-auf-dem-Chipldquo

Im Mai 2017 fand bei der Gemeinsamen For-schungsstelle (GFS)Joint Research Centre (JRC) der Generaldirektion (Directorate General) der Europaumlischen Kommission eine Summer School zu alternativen Ansaumltzen zum Tierversuch fuumlr die Risikobewertung in Ispra (Italien) statt Dort wurde Herr Dr Ing Frank Schulze aus der BfR-Fachgruppe bdquoZEBET ndash Alternativmethoden zu Tierversuchenldquo fuumlr seine Praumlsentation und das dazugehoumlrige Poster zum Thema bdquoEin Knochen-auf-dem-Chip fuumlr die Grundlagenwissenschaft und die Identifizierung von knochenschaumldigen-den Substanzenldquo mit einem Posterpreis (1 Platz) ausgezeichnet

copy B

fR

copy p

rivat

INSTITUTSLEBEN

44 BfR 2 GO

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

Ausbreitung von Resistenzen

Haustiere

Krankenhaus

Belastetepflanzliche Lebensmittel

Belastete tierische Lebensmittel

Nutztiere

Futtermittel

Schaumldlinge

Uumlbertragungswege resistenter Bakterien

Menschen

Eine Antibiotikaresistenz entsteht

(z B durch Mutation)

Antibiotikatherapie beguumlnstigt die

Selektion resistenter Bakterien

Nahrung

Duumlnger Abwasser

Abwasser

28 BfR 2 GO

LEBENSMITTELSICHERHEIT

gefuumlhrt mcr-2 Das bedeutet eine Uumlbertra-gung der durch diese Gene vermittelten Re-sistenz auf ein humanpathogenes Bakterium ist theoretisch moumlglich Allerdings scheint dies bisher selten der Fall zu sein

Diese Erkenntnisse offenbaren einen groszligen Forschungsbedarf Was tun Sie in der Abteilung bdquoBiologische Sicher-heitldquo um das Risiko zu bewerten Als 2015 klar wurde dass es eine uumlbertrag-bare Colistin-Resistenz gibt haben wir diese neue Erkenntnis in den laufenden Projekten natuumlrlich sofort aufgegriffen Im Rahmen des Forschungsprojekts RE-SET haben wir zum Beispiel vorhandenes Bakterienmaterial und die bei unseren Ko-operationspartnern verfuumlgbaren Gesamt-genominformationen auf das Vorkommen dieses neuen Resistenzgens gepruumlft Schnell war klar Ja dieses Gen finden wir in den Sequenzen Und die Pruumlfung von Colis-tin-resistenten Isolaten aus unserer Stamm-sammlung hat bestaumltigt dass dieses Resis-tenzgen bereits weit verbreitet ist

Muumlssen nun neue Forschungsprojekte zu dem Thema initiiert werdenJa denn viele Fragen bleiben bislang offen Wie haumlufig wird die Resistenz tatsaumlchlich uumlbertragen Was triggert diese Uumlbertra-gung Es gibt auch diagnostische Probleme Das uumlbliche Verfahren in der Humanmedi-zin um Resistenzen zu testen umfasst in der Regel nicht die Resistenz gegen Colistin Es gibt also viel zu tun Neue Diagnose- und Typisierungsverfahren aufbauen unser Re-sistenzmonitoring erweitern und routine-maumlszligig phaumlnotypisch resistente Isolate auf das Gen pruumlfen Die Ergebnisse muumlssen wir dann uumlbergreifend bewerten um Hand-lungsoptionen aufzuzeigen

Welche Uumlbertragungswege spielen bei der Colistin-Resistenz fuumlr den Men-schen eine Rolle Mit Sicherheit koumlnnen wir das derzeit nicht sagen Die chinesische Arbeitsgruppe hat Colistin-Resistenzen sowohl im Schweine-fleisch als auch beim Menschen gefunden Daher liegt die Hypothese nahe dass es eine Uumlbertragung uumlber Lebensmittel gibt Gleichzeitig gibt es generell die Beobachtung von nosokomialen Ausbreitungen resisten-ter Bakterien Das sind Ausbreitungen von Antibiotikaresistenzen im Krankenhaus

Resistenzen breiten sich aus Wunder-waffen verlieren ihre Wirkung selbst im Krankenhaus sind wir nicht sicher Gibt es uumlberhaupt eine effiziente Strategie gegen die Ausbreitung der Antibiotika- resistenzen Und wer ist dabei gefor-dertUm die Ausbreitung von Antibiotika- resistenzen zu verhindern braucht es eine gemeinsame Strategie Schlieszliglich sind hier komplexe Zusammenhaumlnge zwischen Mensch Tier und Umwelt am Werk Am BfR streben wir deswegen eine enge Zu-sammenarbeit mit allen Akteuren im oumlffent-lichen Gesundheits- und Veterinaumlrwesen an Bei diesem bdquoOne Health-Ansatzldquo sind sowohl Veterinaumlr- als auch Humanmedizi-ner gefordert Auch Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

Was sollten Verbraucherinnen und Ver-braucher beachtenHier gelten dieselben Hygieneregeln die auch fuumlr andere vom Tier oder vom Le-bensmittel auf den Menschen uumlbertragba-re Krankheitserreger gelten Zum Beispiel sollten sie sich nach dem Kontakt mit Tie-ren die Haumlnde mit warmem Wasser und Seife waschen Auch nach der Zubereitung von rohem Fleisch sollten die Haumlnde gruumlnd-lich gewaschen werden Fleisch Eier und Rohmilch sollten vor dem Verzehr durcher-hitzt werden Rohkost und Obst sollten vor dem Verzehr gruumlndlich mit Trinkwasser gewaschen oder geschaumllt werden Weiterhin wichtig ist den direkten oder indirekten Kontakt von rohem Fleisch und rohen Ei-ern mit verzehrfertigen Speisen die spaumlter nicht mehr erhitzt werden zu vermeiden Durch die Einhaltung der Hygieneregeln kann man einer Uumlbertragung von resisten-ten und oder pathogenen Bakterien auf an-dere Lebensmittel vorbeugen

Mehr erfahren Irrgang et al 2017 Recurrent detection of VIM-1-producing Escherichia coli clone in German pig production Journal ofAntimicrobial Chemotherapy 72 3 944ndash946

bdquoVerbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

RESET

Der Forschungsverbund RESET ndash Antibiotika-Resistenzen bei Tier und Mensch ndash beschaumlftigte sich von 2010 bis 2017 mit Resistenzen gegen die besonders wichtigen Antibiotika-Klas-sen der β-Laktam-Antibiotika und (Fluor-)Chinolone bei Darmbakterien wie Escherichia (E) coli Sind Bak-terien gegen beide Wirkstoffklassen resistent werden die therapeutischen Moumlglichkeiten drastisch eingeschraumlnkt Bei E coli und Salmonella enterica wurden derartige Resistenzen bereits nachgewiesen Das BfR beteiligte sich mit zwei Projekten an dem Forschungs-verbund Durch das konsequente Zusammenfuumlhren von Ergebnissen der unterschiedlichen Forschungsgebiete in einer gemeinsamen Datenbank konnten Erkenntnisluumlcken geschlossen und Risiken bewertet werden Das Projekt wurde vom Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) gefoumlrdert

29012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Kann es durch die Mischung verschiedener Pestizid-Ruumlckstaumlnde beim taumlglichen Verzehr zu gesundheitsgefaumlhrdenden Belastungen kommen

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

30 BfR 2 GO

Wenn von Paradigmenwechseln die Rede ist findet meist ein grundlegendes Umdenken statt In der Risikobewertung von Chemikalien habe ein Paradigmenwechsel stattge-

funden der die traditionelle Einzelsubstanz-Bewertung hinter sich lasse schrieben BfR-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler vor einiger Zeit Man koumlnnte meinen in der Toxikologie wird der Paracelsus-Satz kuumlnftig umgeschrieben Nicht nur die Dosis son-dern auch die Aufsummierung der Dosierungen in einer Mischung macht das Gift

Gift- oder Todescocktail ndash plakative Medienbegriffe

Denn tatsaumlchlich In den letzten Jahren beschaumlftigen sich weltweit immer mehr Gremien politische Ausschuumlsse und Forschungspro-jekte mit der Frage wie man die Auswirkungen von Mischungen auf Umwelt und Gesundheit kuumlnftig bewerten kann Auch in der Oumlffentlichkeit wird das Thema emotional verhandelt Chemikali-enmix Gift- oder sogar Todescocktail ndash mit plakativen Begriffen umschreiben Medien das Phaumlnomen der Mehrfachruumlckstaumlnde Entsprechend tief sitzt die Angst bei Verbraucherinnen und Ver-brauchern In einer vom BfR in Deutschland durchgefuumlhrten re-praumlsentativen Wahrnehmungsstudie vermuten 80 Prozent der Befragten dass der Einsatz mehrerer unterschiedlicher Pflanzen-schutzmittel zu gesundheitlichen Beeintraumlchtigungen durch Le-bensmittel fuumlhren kann

Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck sein

Zwar zeigen verschiedene aktuelle Monitoring-Projekte dass das gesundheitliche Risiko durch Mehrfachruumlckstaumlnde von Pflanzen-schutzmitteln unwahrscheinlich ist (s Interview) aber das Thema bleibt auch fuumlr die Wissenschaft draumlngend Denn auch wenn Mi-schungen schon seit Jahrzehnten wissenschaftlich analysiert und bewertet werden das Beduumlrfnis nach einer zuverlaumlssigen Bewertung der Risiken fuumlr Mensch und Umwelt steigt Grund dafuumlr ist zum einen die Vielzahl immer neuer Wirkstoffe Zusatzstoffe Chemika-lien Ruumlckstaumlnde und Kontaminanten gegenuumlber denen Menschen exponiert sind verbunden mit immer verfeinerten wissenschaftli-chen Nachweismethoden Zum anderen steigt der Druck aus der Oumlffentlichkeit Um wissenschaftliche Divergenzen zu vermeiden muumlssen transparente und international harmonisierte Verfahren entwickelt werden Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck in der Risikobewertung sein

Alle Gemische im Tierversuch zu testen ist nicht durchfuumlhrbar

Worum geht es im Einzelnen Mischungen liegen immer dann vor wenn ein Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt verschiedene Stoffe gleichzeitig aufnimmt z B Ruumlckstaumlnde Kontaminanten oder Chemikalien die nach der Europaumlischen Chemikalienverordnung REACH registriert sind Das geschieht wenn sogenannte intentional mixtures also beabsichtigte Mischungen wie Pflanzenschutzmittel oder Biozide in den Verkehr gebracht werden Aber auch unintenti-onal mixtures nimmt der Koumlrper auf Sei es dass verschiedene Stoffe in einem Produkt enthalten sind z B mehrere Pflanzenschutzmit-telruumlckstaumlnde in einem Apfel Oder sei es dass Stoffe gleichzeitig uumlber unterschiedliche Produkte aufgenommen werden In all diesen Faumlllen koumlnnen Mischungseffekte auftreten Diese sind je nach Wirk-mechanismus unterschiedlich stark ausgepraumlgt So koumlnnen sich die Wirkungen von Stoffen gegenseitig potenzieren oder auch aufheben Nach derzeitigem Kenntnisstand wird davon ausgegangen dass sich Wirkungen in der Regel addieren wenn die aufgenommenen Stoffe oberhalb der Wirkschwelle liegen den gleichen Wirkmechanismus haben und zu einem relevanten Zeitpunkt vom Organismus aufge-nommen wurden

Hier beginnen die Schwierigkeiten Es gibt zu viele intentional mix-tures die eine nahezu unuumlbersehbar groszlige Anzahl von Kombinati-onen ermoumlglichen Diese Gemische alle im Tierversuch zu testen wie sonst bei Einzelsubstanzen uumlblich waumlre sowohl ethisch nicht zu vertreten als auch praktisch nicht durchfuumlhrbar Daher arbeiten viele Forschungsprojekte u a der EU-Kommission daran tierversuchs-freie Methoden fuumlr die kumulative Bewertung zu entwickeln die die Effekte von Mischungen in vitro oder durch computergestuumltzte Be-rechnungen in silico berechnen (s Interview und Kasten)

Weltweit setzen Laumlnder das Thema auf ihre Agenda

Nicht nur fuumlr die Wissenschaft auch fuumlr den harmonisierten Voll-zug von Gesetzen ergeben sich dadurch neue Herausforderungen So schreibt z B die EU-Verordnung uumlber das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vor Kumulations- und Synergieeffekte zu be-ruumlcksichtigen ndash sofern es von der Behoumlrde anerkannte wissenschaft-liche Methoden zur Messung solcher Effekte gibt Doch die lagen bisher nicht vor Deshalb werden nun auf allen Ebenen technische Leitfaumlden fuumlr die neuen Methoden erstellt um eine harmonisierte

Auf die Mischung kommt es anKumulative Risikobewertung nimmt weltweit eine immer groumlszligere Bedeu-tung in der Toxikologie ein Das BfR arbeitet an einer Vielzahl von Projek-ten wie Mischungen in Zukunft bewertet werden koumlnnen

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

31012017

Vorgehensweise und transparente Nachvollziehbarkeit bei der Zu-lassung von Produkten zu gewaumlhrleisten Unter anderem die EFSA die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmittelsicherheit die Europauml-ische Chemikalienagentur ECHA und das JRC die Gemeinsame Forschungsstelle der Europaumlischen Kommission erarbeiten solche technischen Leitfaumlden

Neben der wissenschaftlichen Komplexitaumlt muumlssen diese techni-schen Leitfaumlden weitere Herausforderungen meistern Sie sollen fuumlr alle Bereiche gelten in denen Mischungen in Verkehr gebracht werden oder entstehen koumlnnen Bisher wurden Mischungen haumlufig nur in einem regulatorischen Bereich untersucht z B als Pflan-zenschutzmittel Biozid oder Arzneimittel Fuumlr andere Stoffe wie Lebensmittelzusatzstoffe oder Kontaminanten war die Bewertung von Mischungen bisher nicht klar gesetzlich reguliert In Zukunft sollen auch diese Stoffe bei einer Bewertung von Mischungen besser beruumlcksichtigt werden Auch soll nicht nur die chemische Zusam-mensetzung eines einzelnen Produktes systematisch bei der Zu-lassung beruumlcksichtigt werden sondern auch Mehrfachruumlckstaumlnde im gesamten Warenkorb den Verbraucherinnen und Verbraucher durchschnittlich zu einer gegebenen Zeit konsumieren Und zu gu-ter Letzt muumlssen die neuen Verfahren weltweit harmonisiert werden um das kumulative Risiko fuumlr Mensch und Umwelt auch angesichts globaler Warenketten gering zu halten Deshalb diskutieren Politik und Wissenschaft zurzeit nicht nur auf europaumlischer Ebene entspre-chende Leitfaumlden auch andere Laumlnder weltweit sowie die Weltge-sundheitsorganisation WHO und die Organisation fuumlr wirtschaftli-che Zusammenarbeit und Entwicklung OECD haben die kumulative Bewertung auf ihre Agenda genommen und stimmen ihre Guidance Documents mit den uumlbrigen Behoumlrden ab

Deutschland wendet die kumulative Bewertung schon an

Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR sind an zahlreichen dieser internationalen Projekte beteiligt sowohl an der wissenschaftlichen Erforschung kumulativer Effekte als auch an der Entwicklung technischer Leitfaumlden Einen wichtigen Schritt bei der kumulativen Bewertung hat Deutschland in der Europaumlischen Uni-

Stufe um Stufe zu einer gesicherten Bewertung

Seit Maumlrz 2017 wird in Deutschland eine Methodik fuumlr die Bewertung von Kumulations- und Synergie-effekten bei der gesundheitlichen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln in den Zulassungsverfahren angewandt Grundlage fuumlr das gestufte kumulative Bewertungsverfahren ist der sogenannte bdquoHazard Quotientldquo (HQ) der fuumlr jeden einzelnen Stoff ermit-telt wird Der HQ errechnet sich aus dem Verhaumlltnis zwischen dem relevanten gesundheitlichen Grenz-wert und der geschaumltzten Exposition

In einer ersten Stufe wird der HQ fuumlr alle Stoffe eines Gemisches einzeln ermittelt Liegt der HQ jedes Stoffes unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko fuumlr die einzelnen Bestandteile der Mischung zu erwarten Liegt dieser bei einzelnen Stoffen uumlber 1 wird gepruumlft ob die Exposition durch geeignete Maszlignahmen weiter vermindert werden kann zum Beispiel durch das Tragen entsprechender Schutz-kleidung

Liegt der HQ fuumlr alle Komponenten unter 1 wird in einer zweiten Stufe der sogenannte bdquoHazard Indexldquo (HI) des Gemisches ermittelt indem alle Gefahren-quotienten der verwendeten Stoffe addiert werden Liegt der ermittelte Wert weiterhin unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko durch das Gemisch zu erwarten

Liegt der HI uumlber 1 geht die Bewertung mit weiter verfeinerten Methoden in die dritte Stufe uumlber In dieser wird gepruumlft ob ein gesundheitliches Risiko vorliegt wenn eine Gruppierung der Einzelstoffe vorgenommen wird Dazu koumlnnen die einzelnen Stoffe in kumulative Bewertungsgruppen (cumula-tive assessment groups CAGs) eingeteilt werden die z B nach Effekten im gleichen Zielorgan oder nach dem gleichen Wirkmechanismus oder nach chemischer Verwandtschaft definiert sein koumlnnen Hintergrund dieser Einteilung ist die Annahme dass sich nach gegenwaumlrtigem Kenntnisstand nur Effek-te addieren die hinsichtlich der Zielorgane oder der Wirkmechanismen (MOA) vergleichbar sind Auch die relative Potenz der einzelnen Stoffe soll bei der verfeinerten Bewertung beruumlcksichtigt werden Liegt der HI innerhalb einer CAG unter 1 ist deshalb kein gesundheitliches Risiko zu erwarten Liegt er oberhalb des Wertes und koumlnnen weder Expositionsschaumltzung noch Gefahrenbewertung weiter verfeinert werden gilt das Gemisch als nicht sicher

Das mehrstufige Verfahren hat den Vorteil dass die ressourcenaufwendigeren Methoden zur verfei-nerten Bewertung z B in vergleichbaren CAGs oder MOAs nur zum Einsatz kommen wenn mit den ersten einfacheren Bewertungsmethoden nicht nachweisbar ist dass kein gesundheitliches Risiko zu erwarten ist

copy T

atom

mis

tock

com

32 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

EuroMix A tiered strategy for risk assessment of mixtures of multiple chemicals

EuroMix ist ein laumlnderuumlbergreifendes Projekt der EU-Kommission das die nie-derlaumlndische Behoumlrde fuumlr Gesundheit und Umweltschutz RIVM koordiniert Es zielt darauf ab eine tierversuchsfreie experi-mentelle Test-Strategie zu entwickeln um die Toxizitaumlt von Gemischen verschiedener toxikologisch relevanter Lebensmittelin-haltsstoffe Lebensmittelkontaminanten und Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde besser zu bestimmen Aus den Forschungsergeb-nissen wird ein Leitfaden fuumlr die kuumlnftige Umsetzung einer experimentellen Test-Stra-tegie entwickelt Das Acht-Millionen-Eu-ro-Projekt laumluft bis Mai 2019

Mehr erfahren wwweuromixprojecteu

Kombinationseffekte Forschungsprojekte des BfR

Am BfR werden in verschiedenen Abteilungen mehrere interne Forschungsprojekte zu Kombinationseffekten durch-gefuumlhrt Dazu gehoumlren u a Forschungsprojekte zu kumulativen Wirkungen in Pflanzenschutzmitteln und Bioziden zu Mehrfachruumlckstaumlnden in Lebensmitteln zur Expositionsschaumltzung sowie zu wirbeltierfreien Alternativmethoden Daruumlber hinaus ist und war das BfR auch an folgenden Drittmittel-Projekten beteiligt die zu Kombinationseffekten forschen

Combiomics Analyse von Kombinationseffekten von Pestiziden in vitro

Combiomics war ein zweieinhalbjaumlhri-ges Projekt des Bundesministeriums fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) das im Fruumlhling 2016 abgeschlossen wurde In dem vom BfR koordinierten Projekt wurden moumlgliche Kombinationswirkungen durch Mehrfachruumlckstaumlnde beispielhaft anhand einer Gruppe von Fungiziden in vitro unter-sucht Dazu wurden die molekularen Effek-te der Triazole mittels multi level omics und praumldiktiver mathematischer Modellierung untersucht Ausgehend von den Ergebnissen wurde ein Praumldiktionsmodell fuumlr Substanz-kombinationen erstellt validiert und auf Pestizide anderer Stoffgruppen bzw weitere Substanzklassen ausgedehnt um Kombi-nationseffekte kuumlnftig weitgehend ohne Tierversuche durchfuumlhrbar zu machen

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschung gt Drittmittelprojekte gt Combiomics

Combiomics 2Auch die zweite Projektphase von Com-biomics wird vom BfR koordiniert Hier sollen erfolgreich getestete Methoden und Zelllinien in Form einer standardisierten In-vitro-Testbatterie validiert und in ein Standardverfahren integriert werden das auch kuumlnftigen regulatorischen Anforde-rungen entspricht Das dreijaumlhrige Projekt wird vom BMBF bis Ende 2019 gefoumlrdert

Mehr erfahren wwwfisaonlinede gt Kombinationseffekte Pestizide

on schon jetzt unternommen Am 1 Maumlrz 2017 erschien im Bundesanzeiger eine Be-kanntmachung dass Kumulations- und Synergieeffekte in der gesundheitlichen Be-wertung von Pflanzenschutzmitteln kuumlnf-tig durch das BfR beruumlcksichtigt werden Damit bezieht Deutschland bei der zonalen Zulassung von Pflanzenschutzmitteln eine systematische kumulative Bewertung ein

Ein Leitfaden zur kumulativen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln wurde am BfR erarbeitet basierend auf den internatio-nalen Diskussionen bei EFSA und ECHA und 2014 veroumlffentlicht Seitdem wird das Verfahren am BfR angewandt uumlberpruumlft und verfeinert Im Kern geht es darum in einem mehrstufigen Verfahren verschie-dene Wirkstoffe in einem Pflanzenschutz-mittel oder in einer beantragten Tankmi-

schung kumulativ zu bewerten (s Kasten) Dazu werden sowohl die Exposition der Anwenderinnen und Anwender als auch die akute Exposition der Verbraucherinnen und Verbraucher betrachtet sodass die am meisten exponierten Gruppen beruumlcksich-tigt sind

Das Ziel Mischungen weltweit harmonisiert zu bewerten

Die Einfuumlhrung der Konzepte zur kumu-lativen Bewertung von Pflanzenschutzmit-teln hat auch in anderen EU-Laumlndern Aus-wirkungen auf die Risikobewertung Wenn Deutschland im zonalen Zulassungsverfah-ren bewertender Mitgliedstaat ist wird das Verfahren grundsaumltzlich angewandt Aber auch in die Bewertungsberichte anderer Laumlnder flieszligt die kumulative Bewertung als

deutscher Kommentar mit ein Durch den fachlichen Austausch zwischen den Mit-gliedstaaten wurde das Konzept in den letz-ten Jahren einem Peer-Review unterzogen Um die Praxis europaweit noch besser zu harmonisieren werden derzeit auszligerdem internationale Workshops organisiert auf denen diskutiert wird wie Mischungen bei der Risikobewertung kuumlnftig beruumlcksichtigt werden sollen Das BfR veranstaltet einen solchen Workshop im November 2017 im Auftrag der Europaumlischen Kommission die Franzoumlsische Behoumlrde fuumlr gesundheitlichen Verbraucher- Umwelt- und Arbeitsschutz (ANSES) einen weiteren im Februar 2018 unter aktiver Beteiligung des BfR

Das Ziel Mischungen weltweit harmoni-siert zu bewerten um Mensch und Umwelt besser zu schuumltzen ruumlckt damit naumlher

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

33012017

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

bdquoZiel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertungldquo Interview mit Herrn Dr Roland Solecki uumlber die Forschungsaktivitaumlten des BfR zu Mehrfachruumlckstaumlnden

Herr Solecki bei Mehrfachruumlckstaumlnden von Pflanzenschutzmitteln sprechen die Medien oft von einem bdquoGiftcocktailldquo Haben Sie Erkenntnisse daruumlber wie groszlig das gesundheitliche Risiko tat-saumlchlich istDas BfR hat dazu gemeinsam mit dem Bun-desministerium fuumlr Ernaumlhrung und Land-wirtschaft und dem Bundesamt fuumlr Ver-braucherschutz und Lebensmittelsicherheit einen Bericht uumlber die kumulativen Wir-kungen von Pflanzenschutzmitteln veroumlf-fentlicht Dieser basiert auf einer Methodik der niederlaumlndischen Behoumlrde fuumlr Gesund-heit und Umweltschutz RIVM Hintergrund ist ein Monitoring das uumlber einen Zeitraum von sechs Jahren in Deutschland durchge-fuumlhrt wurde Darin wurde untersucht wel-che Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde durch-schnittlich uumlber Lebensmittel aufgenommen werden Das Ergebnis war dass auch unter Worst-Case-Annahmen fuumlr die Mischungen von Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnden ein gesundheitliches Risiko unwahrscheinlich ist Die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit EFSA kam in ihrem Monito-ring-Bericht von 2015 fuumlr Gesamteuropa zu einem aumlhnlichen Ergebnis

Sie arbeiten unter anderem bei dem Pro-jekt EuroMix mit Worum geht es dabeiEs handelt sich um ein groszliges Forschungs-projekt der EU-Kommission zur kumulati-ven Bewertung von Mischungen im Rahmen von Horizont 2020 dem Rahmenprogramm der Europaumlischen Union fuumlr Forschung und Innovation Das Projekt hat zum Ziel neue Bewertungsmethoden fuumlr Mischungseffekte zu erarbeiten besonders auch im Hinblick auf Alternativen zu Tierversuchen innovati-ve Wege der Expositionsschaumltzung und Mo-dellierung von kumulativen Risiken Dabei geht es nicht nur um Pflanzenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatzstoffe und andere Chemikalien

Wie ist das BfR da in EuroMix einge-bundenVom BfR arbeiten sowohl die Abteilung Sicherheit von Pestiziden als auch die Ab-teilung fuumlr Lebensmittelsicherheit am Eu-roMix-Projekt mit Waumlhrend die von mir geleitete Abteilung fuumlr die regulative Bewer-tung eingebunden ist werden in der Abtei-lung Lebensmittelsicherheit experimentelle Arbeiten unter anderem zur Lebertoxizitaumlt durchgefuumlhrt in denen auch Kombinatio-nen von Pestiziden mit anderen Lebensmit-telinhaltsstoffen gepruumlft werden

Woran forschen Sie im EuroMix-ProjektWir haben zunaumlchst recherchiert welche gesetzlichen Anforderungen bestehen und wie unterschiedliche Behoumlrden weltweit

Mischungseffekte bewerten Und wir haben Forschungen zu Mischungen durchgefuumlhrt die bestimmte adverse Effekte auf die Leber verursachen Dabei wurden bestimmte Schluumlsselelemente untersucht um daraus ein Konzept fuumlr die Bewertung zu erarbei-ten Jetzt werden die Omics-Untersuchun-gen und andere alternative Pruumlfverfahren noch durch Tierversuche ergaumlnzt sodass wir auch am Gesamtorganismus die Effek-te uumlberpruumlfen koumlnnen Gleichzeitig werden die statistischen Hilfsmittel und die ande-ren elektronisch basierten Tools weiterent-wickelt Auszligerdem folgen noch weitere Stu-dien zur Exposition Die finalen Ergebnisse liegen am Ende des Projekts im Jahr 2019 vor

In welche weiteren europaumlischen Aktivi-taumlten ist das BfR eingebundenDie EFSA hat bereits einige Ansaumltze zur Bewertung der kombinierten Exposition gegenuumlber mehreren Pestiziden und Kon-taminanten bei Menschen sowie mehreren Pestiziden bei Bienen entwickelt Derzeit ist die EFSA damit befasst neue Ansaumltze und Instrumente zur Harmonisierung der Be-wertung von Risiken fuumlr Mensch und Um-welt zu erarbeiten die von der Exposition gegenuumlber mehreren chemischen Stoffen in der Lebensmittelkette ausgehen Ich bin derzeit Mitglied einer Arbeitsgruppe von Sachverstaumlndigen die der Wissenschaftliche Ausschuss der EFSA eingerichtet hat um Leitlinien im Hinblick auf die kombinierte Exposition gegenuumlber mehreren chemi-schen Stoffen zu entwickeln Diese Initiative unter dem Namen bdquoMixToxldquo wird 2018 den Leitfaden in einer oumlffentlichen Konsultation diskutieren

Bei dieser Vielzahl an Aktivitaumlten Wel-ches Ziel haben Sie persoumlnlich vor Au-genDas Ziel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertung von Stoffen in der gesundheitlichen Risikocharakterisie-rung und deren harmonisierte Implemen-tierung in den gesetzlichen Verfahren Dies wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen

bdquoBei den kumulati-ven Risiken geht es nicht nur um Pflan-zenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatz-stoffe und andere Chemikalien

Dr Roland Solecki leitet die Abteilung bdquoSicherheit von Pestizidenldquo am BfR

copy B

fR

34 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

SPEKTRUM

Identifizierung endokriner Disruptoren Vom Grundsatz in die Praxis

Fuumlr Pestizid-Wirkstoffe und andere Chemikalien sind harmonisierte wissenschaftliche Kriterien erforderlich mit denen hormonschaumldigende Substanzen identifiziert werden koumlnnen Das BfR veroumlffentlichte hierzu bereits 2016 ein Konsenspapier als wissenschaftliche Grundlage fuumlr die darauffolgende Arbeit der EU-Behoumlrden Auf legislativer Ebene werden aktuell EU-weit geltende Ver-ordnungen festgelegt um auf wissenschaftlicher Ebene Leitlinien zur regulatorisch harmonisierten Umsetzung dieser Verordnungen zu erarbeiten Mit dieser Aufga-be hat die EU-Kommission die EFSA und die ECHA gemeinsam beauftragt Das BfR unterstuumltzt die Behoumlr-den mit wissenschaftlicher und technischer Expertise indem es die entsprechende Arbeitsgruppe bei der EFSA personell verstaumlrkt sowie Recherchen und Umfragen zur Praktikabilitaumlt von Untersuchungsmethoden durchfuumlhrt Die Publikation der Leitlinien wird fuumlr Fruumlhjahr 2018 erwartet Sie koumlnnen auf Basis der verabschiedeten Ver-ordnungen nach ihrer Implementierung in der Genehmi-gungspraxis angewendet werden

Mehr erfahren Solecki et al 2017 Scientific principles for the identification of endocrine-disrupting chemicals a consensus statement Arch Toxicol 91 1001ndash1006

Insekten-Stopp in Textilien Allergene Wirkung unwahrscheinlich

Das Risiko fuumlr eine Allergie nach dem Kontakt mit Kleidung und Produkten die mit dem Biozid Permethrin behandelt sind ist nach derzeitigem Kenntnisstand unwahrscheinlich Das ist das Ergebnis einer aktuellen Risikobewertung des BfR Gestuumltzt wird das Ergebnis dadurch dass trotz weitverbreiteter Anwendung des Wirkstoffs in Medikamenten und Verbraucherprodukten kein Anstieg der Kontaktallergien gegenuumlber Permethrin zu verzeichnen ist Das Risiko fuumlr kanzero-gene systemische Effekte infolge einer dermalen und oralen Exposition gegenuumlber Permethrin aus Textilien ist nach Ansicht des BfR vernachlaumlssigbar gering Permethrin ist ein biozider Wirkstoff der zum Schutz gegen Insekten in Produkten wie Schlafsaumlcken Picknick- und Yogadecken sowie Teppichen und Kleidung eingesetzt wird Er ist im Chemikalienrecht als sensibilisierend eingestuft ein moumlgliches geringes kanzerogenes Potenzial wird von verschiedenen wissenschaftlichen Gremien diskutiert Der Wirkstoff kann aus Textilien freigesetzt und uumlber die Haut aufgenommen werden Bei kleinen Kindern die viele Produkte in den Mund nehmen kommt eine moumlgliche orale Aufnah-me des Stoffes hinzu

Mehr erfahren Stellungnahme Nr 0062017 des BfR vom 25 April 2017

Wie wirkt Aluminium in Leber und Darm

Aluminium ist in Lebensmitteln Kosmetika und Bedarfsge-genstaumlnden enthalten und kann uumlber die Nahrung aufgenom-men werden Erste Ergebnisse aus dem deutsch-franzoumlsischen Forschungsprojekt bdquoSolNanoToxldquo mit Beteiligung des BfR zeigen dass sich aus der Nahrung aufgenommene Aluminiumverbin- dungen temporaumlr im Darm anreichern Ob und in welchen Men-gen die Partikel weiter in den Koumlrper insbesondere in die Leber gelangen und welche Faktoren ihre Wirkung beeinflussen wird aktuell erforscht Die Forschungsgruppe sieht Anhaltspunkte dafuumlr dass ein Teil der angereicherten Partikel mit dem Stuhl wieder ausgeschieden wird Fuumlr seine Untersuchung simulierte das BfR anhand biologischer Proben die Verdauung verschiede-ner Aluminiumarten vom Mund uumlber den Magen bis zum Darm Mithilfe von Enzymen und Salzen wurden dabei physiologische Parameter wie der pH-Wert gesteuert Waumlhrend des simulierten Verdauungsprozesses veraumlnderten die Aluminiumverbindungen ihre chemische Reaktionsfaumlhigkeit und Loumlslichkeit Die Erkennt-nisse sind ein erster Schritt um den Prozess der Aufnahme Resorption und Verteilung von Aluminium im Koumlrper besser zu verstehen und daraus Daten fuumlr die Risikobewertung abzuleiten Aluminiumverbindungen koumlnnen in zu hohen Dosen toxisch auf das Nervensystem und ungeborenes Leben wirken sowie die Fruchtbarkeit und Knochenentwicklung beeinflussen

copy B

fR

copy c

gsto

cks

hutte

rsto

ckc

om

copy R

osel

ynne

shu

tters

tock

com

35012017

Bei Kleidung ist besonders der Einsatz von Silber-Nanopartikeln weit verbreitet Silber wirkt antibakteriell und soll die Geruchs-bildung durch Schwitzen reduzieren Beim Einsatz von Nanosilber in Kleidungsstuuml-cken ist in erster Linie eine Freisetzung in Schweiszlig und somit ein moumlglicher Hautkon-takt relevant Neben der Frage ob und in welcher Menge Silber prinzipiell aus Texti-lien herausgeloumlst wird beschaumlftigt sich die Forschung mit der Frage welchen Einfluss die Technologie hat mit der Nanosilber auf Textilien aufgetragen bzw eingebracht wird Bisher war zudem unklar inwiefern die Oberflaumlchenbeschichtung der Nano-partikel die Abgabe beeinflusst

Kuumlnstlicher Schweiszlig simuliert Freisetzung

In einem Forschungsprojekt pruumlfte das BfR neun Proben von Textilien die mit Nanosil-ber veredelt waren Als Vergleich diente ein mit konventionellem Silber (hier Silbersalz mit einem Partikeldurchmesser groumlszliger als 100 Nanometer) ausgeruumlstetes Textil Zwei der Textilien waren sogenannte Komposite bei denen Nanosilber in die Faser integriert ist Bei den anderen getesteten Textilien war die Faseroberflaumlche mit Silber-Nano-partikeln bzw in einem Fall mit konventio-nellem Silber beschichtet (Textil-Coating) Um die Abgabe von Silber durch Schwitzen

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

Kleidung wird durch sie wasser- und schmutzabweisend sie blocken UV-Strahlen und mindern Geruumlche Nanoma-terialien haben beliebte funktionelle Eigenschaften Ob sie aufgrund ihrer Winzigkeit gesundheitliche Risiken bergen ist indes noch weitgehend unbekannt In einem Forschungsprojekt uumlber Nanosilber hat das BfR ermittelt ob sich die Kleinstteilchen aus Textilien herausloumlsen und damit zum gesundheitlichen Risiko werden koumlnnen

Nanomaterial

ist ein natuumlrliches bei Prozessen anfallendes oder kuumlnstlich hergestelltes Material das Partikel in ungebundenem Zustand als Aggregat oder als Agglo-merat enthaumllt und bei dem die Mehrheit der Partikel ein oder mehrere Auszligen-maszlige im Bereich unter 100 Nanometer hat In Nanogroumlszlige kann ein Stoff andere Eigenschaften besitzen als wenn er in Form groumlszligerer Partikel vorliegt

copy o

still

shu

tters

tock

com

36 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von Textilfasern Links Nanokomposit bei dem kaum Silberpartikel an der Faseroberflaumlche zu finden sind Mitte und rechts Textilien mit Silbercoating hier befindet sich insgesamt mehr Silber auf der Oberflaumlche

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

zu simulieren wurden die Textilien fuumlr 24 Stunden in einer Schweiszligsimulanz-Louml-sung inkubiert Fuumlr die Auswertung wurde zunaumlchst der gesamte Silbergehalt in den Schweiszligloumlsungen mit massenspektromet-rischen Messmethoden bestimmt In den Proben in denen Silber vorhanden war wurden anschlieszligend mit Zentrifugation und einer speziellen Methode zum Messen von Einzelpartikeln geloumlstes und partikulauml-res Silber unterschieden Im letzten Schritt wurden die Partikelgroumlszligen des vorgefun-denen partikulaumlren Silbers gemessen um nanoskaliges Silber zu identifizieren

Silber aus Kleidung freigesetzt

Die Untersuchung des BfR zeigte dass von jeder Textilprobe Silber in die Schweiszligsi-mulanz-Loumlsung uumlberging je nach geteste-tem Textil zwischen 7 und 75 Prozent des originaumlr in den Textilien enthaltenen Sil-bers Dabei setzten die beschichteten Tex-tilien mehr Silber frei als die Komposite Den houmlchsten abgegebenen Anteil fand das BfR bei dem mit konventionellem Silber beschichteten Textil Die Freisetzung wird demnach staumlrker durch die Technologie der Veredelung bestimmt als durch die im Tex-til enthaltene Menge Auszligerdem scheint die Abgaberate von Silber aus Nanosilber im Vergleich zu konventionellem Silber nicht erhoumlht zu sein

In der Schweiszligloumlsung lag das freigesetzte Silber uumlberwiegend geloumlst vor Partikulaumlres Silber fand sich nur zum geringeren Teil dann jedoch auch im Nanometerbereich Ob es sich dabei um einzelne Nanoparti-kel handelt oder ob das Silber an groumlszligere Partikel gebunden ist muss in weiteren Untersuchungen uumlberpruumlft werden Nach

derzeitigem wissenschaftlichem Kennt-nisstand geht man davon aus dass sich Nanopartikel im Koumlrper anders verhalten als groumlszligere Partikel Uumlberraschenderweise detektierte die Forschungsgruppe auch in den Schweiszligsimulanzien der mit konven-tionellem Silber beschichteten Textilien partikulaumlres Silber in Nanogroumlszlige Das Vor-kommen von Silberpartikeln scheint also nicht davon abhaumlngig zu sein ob das Silber in Nano- oder konventioneller Form auf das Textil aufgebracht wurde

In einer parallelen Untersuchung fanden die Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler heraus dass zudem die Beschaffenheit der Nanopartikel beispielsweise in Form einer speziellen Beschichtung ihre Loumlslichkeit in der Schweiszligloumlsung beeinflusst

Art der Beschichtung relevant

Silber wird demnach aus Textilien freige-setzt in geringen Teilen sogar in partiku- laumlrer Form Die gewaumlhlte Form der Tex-tilfunktionalisierung aber auch die Be-schaffenheit der Nanopartikel stellen dabei wichtige Kriterien fuumlr das Freisetzungsver-halten dar Solche Erkenntnisse sind vor al-lem fuumlr den sicheren Einsatz von Nanoma-terialien in Alltagsprodukten wichtig weil die Exposition des Menschen gegenuumlber derartigen Stoffen moumlglichst klein gehalten werden sollte Auszligerdem geben sie Hin-weise in welcher Anwendungsform Nano-materialien im verbrauchernahen Bereich sicher eingesetzt werden koumlnnen

Mehr erfahren Wagener et al 2016 Textile Functionalization and Its Effects on the Release of Silver Nanoparticles into Artificial Sweat Environ Sci Technol 50 11 5927ndash5934

Per Flugzeitmassenspek-trometer laumlsst sich Silber auf beschichteten Textil-fasern detektieren

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

NANOPARTIKEL

37012017

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

38 BfR 2 GO

Neuer Ansatz fuumlr Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

Spiegelbild gesucht

Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR zeigt einen neuen Ansatz um mithilfe von Genexpressionsdaten das geeignete Tiermodell fuumlr die Grundlagenforschung oder fuumlr spezifische klinische Fra-gestellungen zu identifizieren Damit koumlnnen zukuumlnftig unnoumltige Tierversu-che vermieden werden Hamburger Wissenschaftsbehoumlrden wuumlrdigten die Erkenntnisse mit einem Forschungspreis

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

39012017

Fragestellung

Vergleich

Auswahl

z B bdquoMit welchem Mausmodell koumlnnen die Ursachen von Alzheimer erforscht werdenldquo

Vergleich von vorhandenen Omics-Expressionsdaten von Mensch und Tier

Auswahl des geeigneten Modells

1

2

3

Geeignete Tiermodelle identifizieren

An Tiermodellen werden zahlreiche biologische Prozesse und Krankheiten wie Wund-

heilung Diabetes Tumoren oder entzuumlndliche Erkrankungen erforscht Durch den

Vergleich der Omics-Expressionsdaten von Tiermodell und Mensch koumlnnen geeignete

Modelle fuumlr die jeweilige Fragestellung identifiziert werden

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

40 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Verlaumluft ein entzuumlndlicher Prozess bei Maumlusen aumlhnlich wie beim Menschen Sind Maumluse daher geeignete Ver-

suchstiere fuumlr Tests von antientzuumlndlichen Substanzen Um Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung in den klinischen Alltag zu uumlberfuumlhren ndash Aufgabengebiet der translationalen Forschung ndash werden wissen-schaftliche Fragestellungen oft in Tierversu-chen erprobt Ob und inwieweit die Ergeb-nisse auf den Menschen uumlbertragbar sind ist dabei immer wieder Gegenstand kontrover-ser Diskussionen Geeignete Methoden mit denen die Wissenschaft Tiermodelle mit op-timaler Uumlbertragbarkeit auf den Menschen auswaumlhlen kann wuumlrden dem wissenschaft-lichen Fortschritt helfen und die Zahl der Tierversuche reduzieren Es geht dabei um die Frage welches Tiermodell am besten das menschliche System widerspiegelt

Vergleichbarkeit von Genom- daten fehleranfaumlllig

Als Grundlage fuumlr diese Uumlberlegungen die-nen Daten aus modernen bioanalytischen Hochdurchsatzverfahren Immer haumlufiger setzt die Wissenschaft auf diese sogenannten Omics-Technologien die die Gesamtheit aller Gene und ihrer Produkte analysieren ndash sowohl beim Tier als auch beim Menschen Mit ihnen lassen sich molekulare Prozesse in lebenden Systemen umfassend darstel-len indem sie beispielsweise die Interaktion hunderter bis tausender Genprodukte zei-gen Die Analyse dieser zunehmend kom-plexen Omics-Datensaumltze stellt die Wissen-schaft jedoch vor Probleme da das Vorgehen dazu nicht standardisiert ist Die Interpreta-tion der Ergebnisse ist bisher meist von der Kompetenz der Durchfuumlhrenden und von der angewandten Methode abhaumlngig Im Ergebnis war die Entscheidung zur Frage der Uumlbertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen fehleranfaumlllig und die Suche nach

geeigneten Tiermodellen erschwert Die ge-ringe Standardisierung der Interpretation von Omics-Daten fuumlhrte in Forschungs-kreisen bereits zu widerspruumlchlichen Er-gebnissen so zum Beispiel bei zwei Studien aus den Jahren 2013 und 2015 die sich mit der Vergleichbarkeit von entzuumlndlichen Er-krankungen beim Menschen und gaumlngigen Mausmodellen beschaumlftigten Waumlhrend eine Forschungsgruppe im Jahr 2013 schlussfol-gerte dass entzuumlndliche Prozesse zwischen Mensch und Maus nicht vergleichbar seien kam eine andere Gruppe zwei Jahre spaumlter anhand der gleichen Omics-Daten zum ge-genteiligen Schluss Die Maus reagiere auf der molekularen Ebene sehr aumlhnlich wie der Mensch und sei daher als Tiermodell sehr nuumltzlich fuumlr die Erforschung menschlicher Erkrankungen Zwar ist es nicht ungewoumlhn-lich dass Ergebnisse von Studien unter-schiedlich eingeschaumltzt werden ndash allerdings selten auf Basis der gleichen Daten

Motivation des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR war es diese Widerspruumlche aufzuklaumlren und einen standardisierten und zielgerichteten Analyseansatz zu entwickeln der die Suche nach geeigneten Tiermodellen vereinfacht und somit unnoumltige Tierversuche vermei-den hilft Es gehoumlrt zu den Kernaufgaben des Bf3R bundesweit alle Aktivitaumlten zu koordi-nieren mit den Zielen Tierversuche auf das unerlaumlssliche Maszlig zu beschraumlnken und fuumlr Versuchstiere den bestmoumlglichen Schutz zu gewaumlhrleisten Die Aufgaben des Bf3R wer-den vom BfR wahrgenommen

Genomdaten von Tier und Mensch gezielt vergleichen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler des Bf3R haben die Omics-Daten aus den beiden erwaumlhnten widerspruumlchlichen Studien mithilfe hochperformanter Com-

puter nochmals systematisch ausgewertet Dabei wurden zunaumlchst die zu verglei-chenden Gene gruppenweise biologischen Prozessen zugeordnet die wesentlich fuumlr ein Entzuumlndungsgeschehen sind Diese Gene Set Enrichment Analysis (GSEA) ge-nannte Methode greift auf umfangreiche in oumlffentlichen Datenbanken hinterlegte Genomdaten gaumlngiger Tiermodelle und von Erkrankten zuruumlck Mit ihrer Heran-gehensweise konnten die Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler des BfR an-schlieszligend Veraumlnderungen auf der Ebene pathologischer Signalwege erkennen und Unterschiede zwischen Tiermodell und Mensch identifizieren Da der Groszligteil der untersuchten Genprodukte haumlufig nur geringfuumlgig veraumlndert war konnten bei der Analyse auf Ebene vollstaumlndiger bio-logischer Signalwege alle Gene einbezogen und Aumlnderungen in der Gesamtheit eines biologischen Signalwegs bewertet werden Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu bisherigen Analyseansaumltzen da fuumlr die Klauml-rung translationaler Fragestellungen bisher haumlufig willkuumlrlich und subjektiv Gene von Mensch und Tiermodell fuumlr einen direkten Eins-zu-eins-Vergleich ausgewaumlhlt wurden

Die systematische Auswertung des Bf3R zeigte dass die Ergebnisse beim vorlie-genden Genomdatenvergleich bei einigen Mausmodellen gut mit den beim Menschen ermittelten Daten uumlbereinstimmten Bei an-deren Mausmodellen hingegen war es nicht so So aumlhnelt das Entzuumlndungsgeschehen bei Maumlusen die mit Staphylococcus aureus (Staphylococcus-aureus-Injektionsmodell) infiziert sind oder eine Darmperforation (Cecal-ligation-and-puncture-Modell) erfah-ren den meisten klinischen Proben Hin-gegen verlaufen Erkrankungen die durch Lipopolysaccharide (LPS) und Streptococcus pneumoniae verursacht werden bei Mensch und Maus verschieden

Omics

Der Terminus beschreibt Methoden zur

Analyse komplexer biologischer Proben

auf der Ebene des gesamten Genoms

von Transkripten Proteinen oder Meta-

boliten

41012017

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

Forschungsansatz hilft Tierversuche zu reduzieren

Die Methode der Datenanalyse mittels GSEA-Ansatz erleichtert es Forschungs-gruppen zukuumlnftig zielgerichtet und stan-dardisiert das optimale Tiermodell aus-zuwaumlhlen das am besten die menschliche Situation abbildet Voraussetzung dafuumlr ist die Existenz von Omics-Daten zur klini-schen Fragestellung sowie zu den infrage kommenden Tierversuchen Dies ist bereits fuumlr eine Vielzahl von Tiermodellen sowie von humanen Erkrankungen der Fall neben Entzuumlndungserkrankungen beispielsweise fuumlr Herz-Kreislauf-Erkrankungen Krebser-krankungen Atemwegserkrankungen Stoff-wechselerkrankungen und neurologische Erkrankungen Aufgrund der vermehrten Verwendung von Omics-Methoden kann davon ausgegangen werden dass stetig wei-tere systembiologische Daten ermittelt und veroumlffentlicht werden Die vom Bf3R ange-wandte Methode wird daher weiterhin bei der gezielten Auswahl von Tiermodellen nuumltzlich sein

Das Verfahren kann in der Grundlagen-forschung sowie in der translationalen und angewandten Forschung eingesetzt werden Diese Bereiche machten 2015 nach Anga-ben des Bundesministeriums fuumlr Ernaumlh-rung und Landwirtschaft mit insgesamt 73 Prozent den groumlszligten Teil der Tierversuche aus Ein Groszligteil davon entfaumlllt auf Maumluse Ratten und zunehmend auch auf Fische Grundsaumltzlich kann die neue Methode zur Auswahl des geeigneten Versuchstiermo-dells bzw zum Ausschluss nicht geeigneter Versuchstiermodelle bei jeglichen Tierver-suchen in diesen Bereichen genutzt werden Analog zu den Versuchstierzahlen liegen derzeit die meisten Omics-Daten fuumlr Maus und Ratte vor So sind beispielsweise allein in der oumlffentlichen NCBI GEO-Datenbank (National Center for Biotechnology Informa-tion Gene Expression Omnibus) derzeit Da-ten zu ca 340000 Maus-Proben und 75000 Ratte-Proben gelistet

Methode identifiziert geeignete Zellkulturmodelle

Dabei ist die Methode des Bf3R nicht auf humane und murine Datensaumltze beschraumlnkt sondern kann auf alle weiteren Spezies an-gewandt werden fuumlr die umfangreiche Da-tenbanken zu biologischen Signalwegen oder Gengruppen vorliegen Auch fuumlr die Beurteilung von zellbasierten Alternativ-methoden kann der neue Forschungsansatz

herangezogen werden Durch einen system-biologischen Abgleich der klinischen Daten mit Omics-Daten aus beispielsweise neuar-tigen 3D-Zellkulturen oder organaumlhnlichen Mikrostrukturen wird die Charakterisierung und Verifizierung von zellbasierten Alterna-tivmethoden ermoumlglicht

Praumlmierte Forschungsleistung

Fuumlr ihre Forschung erhielten die Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR 2016 den Hamburger Forschungspreis zur Foumlrderung der Entwicklung von Ersatz- und

Ergaumlnzungsmethoden Die Auszeichnung wurde zum erstem Mal von den Hamburger Behoumlrden fuumlr Gesundheit und Verbraucher-schutz sowie fuumlr Wissenschaft Forschung und Gleichstellung mit einem Foumlrderpreis in Houmlhe von 20000 Euro ausgeschrieben Der Preis wird fuumlr Arbeiten vergeben die einen Beitrag leisten Tierversuche zu ersetzen oder zu minimieren

Mehr erfahrenWeidner et al 2016 Defining the optimal animal model for translational research using gene set enrichment analysis EMBO Molecular Medicine 8 8 831ndash838

Wofuumlr Versuchstiere in Deutschland eingesetzt werden

630255Herstellung und Qualitaumlts-kontrolle medizinischer Produkte toxikologische Sicherheitspruumlfungen

22

59

14 5

1643259Grundlagenforschung

144997sonstige Zweckez B Zucht Aus- und Weiterbildung

381450translationale und angewandte Forschung

Que

lle B

unde

smin

iste

rium

fuumlr E

rnaumlh

rung

und

Lan

dwirt

scha

ft V

ersu

chst

ierz

ahle

n 20

15

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

42 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Alternativen zu Tierversuchen Forschung regional buumlndeln

Eine individualisierte Schmerztherapie fuumlr Versuchsmaumluse und eine Verringerung von Tierexperimenten zum Test der Inhala- tionstoxizitaumlt von Nanomaterialien (siehe rechte Spalte) ndash hierzu sollen die ersten Arbeitsergebnisse des BfR im Berlin-Bran-denburgischen Verbundprojekt BB3R zukuumlnftig beitragen Das Netzwerk aus Universitaumlten und Bundesinstitutionen forscht um Tierversuche zu vermeiden (Replacement) bzw zu verringern (Reduction) sowie das Leiden von Versuchstieren zu vermindern (Refinement) Das BfR ist als einer von sechs Verbundpartnern in den Bereichen der Refinement- und Replacement-Forschung beteiligt Das Bundesforschungsministerium foumlrdert das mit BB3R abgekuumlrzte Projekt fuumlr vier Jahre bis Fruumlhjahr 2018 es ist als Plattform fuumlr den wissenschaftlichen Austausch konzipiert und integriert ein Graduiertenkolleg

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschungwwwbb3rde

Belastung von Laborfischen erkennen

Koumlrperbau

Koumlrpermerkmale

Verhaltenkreisendes Schwimmen

Belastung von Laborfischen erkennen

Ob Laborfische Schmerzen empfinden oder leiden laumlsst sich mithilfe konkreter Kriterien beurteilen Die Vorarbeiten hierzu koordinierte der bdquoNationale Ausschuss zumSchutz von fuumlr wissenschaftliche Zweckeverwendeten Tierenldquo am BfR gemeinsam mit externen Sachverstaumlndigen und Beauf-tragten von Genehmigungsbehoumlrden Die erstmals definierten Kriterien bewerten unter anderem Auffaumllligkeiten im Koumlrper-bau sowie im Verhalten der Tiere Schmer-zen und Leiden koumlnnen so gezielt behandelt und gelindert werden Da die Frage der Belastung der Tiere anhand der Kriterien eindeutig geklaumlrt werden kann dienen sie zudem als Entscheidungshilfe fuumlr Behoumlr-den welche die Zucht belasteter genetisch veraumlnderter Tiere genehmigen muumlssen Fische insbesondere Zebrafische sind nach Maumlusen und Ratten die am dritthaumlufigsten verwendete Versuchstierart Die Zahl der Versuchsfische hat in den letzten Jahren stetig zugenommen

Mehr erfahren Bert et al 2016 Considerations for aEuropean animal welfare standard toevaluate adverse phenotypes in teleost fish EMBO J 35 11 1151ndash1154Empfehlung des Nationalen Ausschusses TierSchG Nr 0012015

Test der Inhalationstoxizitaumlt von Nanomaterialien

Die Einatmung gilt als wichtigster Aufnahmeweg fuumlr Nanomaterialien Im Rahmen der BB3R-Forschung bildet das BfR diese Art der Exposition mit In-vitro- Atemwegsepithelmodellen an ihrer Grenzflaumlche zur Luft ab Dieser Ansatz zum Test der Inhalationstoxi-zitaumlt hilft Anzahl und Umfang von Tierversuchen zu verringern

Versuchsaufbau Drei Roumlhrchen leiten ein Testaerosol mit luftgetragenen Nanomaterialien auf Epithelzellen

SPEKTRUM

copy B

fR

43012017

Jubilaumlumsfeier und internationales Symposium

Am 29 November 2017 feiert das BfR sein 15-jaumlh-riges Bestehen mit einem Festakt Geplant ist eine Feier mit ausgewaumlhlten Gaumlsten in der Akademie der Kuumlnste Anschlieszligend findet vom 30 Novem-ber bis zum 01 Dezember 2017 das gemeinsame internationale Symposium des BfR und seiner Schwesterinstitutionen aus Daumlnemark (DTU Food) und Frankreich (ANSES) sowie der suumldko-reanischen Behoumlrde fuumlr Lebens- und Arzneimittel-sicherheit (NIFDS) statt Unter dem Motto bdquoPast Present and Future Challenges in Risk Assessment ndash Strengthening Consumer Health Protectionldquo werden die letzten anderthalb Jahrzehnte Risikobewer-tung betrachtet Daruumlber hinaus werden aktuelle Aktivitaumlten sowie zukuumlnftige Herausforderungen des Verbraucherschutzes wie mikrobiologische Erreger chemische Substanzen Methoden und Harmonisierung auf nationaler wie internationa-ler Ebene diskutiert

VERANSTALTUNGEN

Nachwuchs foumlrdern

Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu foumlr-dern baut das BfR wissenschaftliche Nachwuchs-gruppen zu bestimmten Schwerpunktthemen auf Die bereits 2015 eingerichtete Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Warenketteldquo wird im Herbst 2017 durch einen weiteren Dokto-randen verstaumlrkt

Verstaumlrkung im Versuchstierschutz

Seit dem 1 April 2017 staumlrkt die Berufung von Herrn Universitaumltsprofessor Dr Lars Lewejo-hann den Kompetenzbereich bdquoVerminderung der Belastung und Verbesserung der Lebenssitua-tionldquo des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) Neben der Leitung der Fachgruppe bdquoTierschutz und Versuchstierkundeldquo im BfR wird Lars Lewejohann sein Wissen und neue Erkenntnisse als Hochschullehrer fuumlr bdquoTier-schutz mit dem Schwerpunkt Refinementldquo an der veterinaumlrmedizinischen Fakultaumlt der Freien Universitaumlt Berlin an Studierende und Doktoran-den weitergeben

PERSONALIEN

Alternativmethode zum Tierversuch bdquoKnochen-auf-dem-Chipldquo

Im Mai 2017 fand bei der Gemeinsamen For-schungsstelle (GFS)Joint Research Centre (JRC) der Generaldirektion (Directorate General) der Europaumlischen Kommission eine Summer School zu alternativen Ansaumltzen zum Tierversuch fuumlr die Risikobewertung in Ispra (Italien) statt Dort wurde Herr Dr Ing Frank Schulze aus der BfR-Fachgruppe bdquoZEBET ndash Alternativmethoden zu Tierversuchenldquo fuumlr seine Praumlsentation und das dazugehoumlrige Poster zum Thema bdquoEin Knochen-auf-dem-Chip fuumlr die Grundlagenwissenschaft und die Identifizierung von knochenschaumldigen-den Substanzenldquo mit einem Posterpreis (1 Platz) ausgezeichnet

copy B

fR

copy p

rivat

INSTITUTSLEBEN

44 BfR 2 GO

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

gefuumlhrt mcr-2 Das bedeutet eine Uumlbertra-gung der durch diese Gene vermittelten Re-sistenz auf ein humanpathogenes Bakterium ist theoretisch moumlglich Allerdings scheint dies bisher selten der Fall zu sein

Diese Erkenntnisse offenbaren einen groszligen Forschungsbedarf Was tun Sie in der Abteilung bdquoBiologische Sicher-heitldquo um das Risiko zu bewerten Als 2015 klar wurde dass es eine uumlbertrag-bare Colistin-Resistenz gibt haben wir diese neue Erkenntnis in den laufenden Projekten natuumlrlich sofort aufgegriffen Im Rahmen des Forschungsprojekts RE-SET haben wir zum Beispiel vorhandenes Bakterienmaterial und die bei unseren Ko-operationspartnern verfuumlgbaren Gesamt-genominformationen auf das Vorkommen dieses neuen Resistenzgens gepruumlft Schnell war klar Ja dieses Gen finden wir in den Sequenzen Und die Pruumlfung von Colis-tin-resistenten Isolaten aus unserer Stamm-sammlung hat bestaumltigt dass dieses Resis-tenzgen bereits weit verbreitet ist

Muumlssen nun neue Forschungsprojekte zu dem Thema initiiert werdenJa denn viele Fragen bleiben bislang offen Wie haumlufig wird die Resistenz tatsaumlchlich uumlbertragen Was triggert diese Uumlbertra-gung Es gibt auch diagnostische Probleme Das uumlbliche Verfahren in der Humanmedi-zin um Resistenzen zu testen umfasst in der Regel nicht die Resistenz gegen Colistin Es gibt also viel zu tun Neue Diagnose- und Typisierungsverfahren aufbauen unser Re-sistenzmonitoring erweitern und routine-maumlszligig phaumlnotypisch resistente Isolate auf das Gen pruumlfen Die Ergebnisse muumlssen wir dann uumlbergreifend bewerten um Hand-lungsoptionen aufzuzeigen

Welche Uumlbertragungswege spielen bei der Colistin-Resistenz fuumlr den Men-schen eine Rolle Mit Sicherheit koumlnnen wir das derzeit nicht sagen Die chinesische Arbeitsgruppe hat Colistin-Resistenzen sowohl im Schweine-fleisch als auch beim Menschen gefunden Daher liegt die Hypothese nahe dass es eine Uumlbertragung uumlber Lebensmittel gibt Gleichzeitig gibt es generell die Beobachtung von nosokomialen Ausbreitungen resisten-ter Bakterien Das sind Ausbreitungen von Antibiotikaresistenzen im Krankenhaus

Resistenzen breiten sich aus Wunder-waffen verlieren ihre Wirkung selbst im Krankenhaus sind wir nicht sicher Gibt es uumlberhaupt eine effiziente Strategie gegen die Ausbreitung der Antibiotika- resistenzen Und wer ist dabei gefor-dertUm die Ausbreitung von Antibiotika- resistenzen zu verhindern braucht es eine gemeinsame Strategie Schlieszliglich sind hier komplexe Zusammenhaumlnge zwischen Mensch Tier und Umwelt am Werk Am BfR streben wir deswegen eine enge Zu-sammenarbeit mit allen Akteuren im oumlffent-lichen Gesundheits- und Veterinaumlrwesen an Bei diesem bdquoOne Health-Ansatzldquo sind sowohl Veterinaumlr- als auch Humanmedizi-ner gefordert Auch Verbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

Was sollten Verbraucherinnen und Ver-braucher beachtenHier gelten dieselben Hygieneregeln die auch fuumlr andere vom Tier oder vom Le-bensmittel auf den Menschen uumlbertragba-re Krankheitserreger gelten Zum Beispiel sollten sie sich nach dem Kontakt mit Tie-ren die Haumlnde mit warmem Wasser und Seife waschen Auch nach der Zubereitung von rohem Fleisch sollten die Haumlnde gruumlnd-lich gewaschen werden Fleisch Eier und Rohmilch sollten vor dem Verzehr durcher-hitzt werden Rohkost und Obst sollten vor dem Verzehr gruumlndlich mit Trinkwasser gewaschen oder geschaumllt werden Weiterhin wichtig ist den direkten oder indirekten Kontakt von rohem Fleisch und rohen Ei-ern mit verzehrfertigen Speisen die spaumlter nicht mehr erhitzt werden zu vermeiden Durch die Einhaltung der Hygieneregeln kann man einer Uumlbertragung von resisten-ten und oder pathogenen Bakterien auf an-dere Lebensmittel vorbeugen

Mehr erfahren Irrgang et al 2017 Recurrent detection of VIM-1-producing Escherichia coli clone in German pig production Journal ofAntimicrobial Chemotherapy 72 3 944ndash946

bdquoVerbraucherinnen und Verbraucher koumlnnen das Risiko sich mit einem resistenten Bakterium anzustecken minimieren

RESET

Der Forschungsverbund RESET ndash Antibiotika-Resistenzen bei Tier und Mensch ndash beschaumlftigte sich von 2010 bis 2017 mit Resistenzen gegen die besonders wichtigen Antibiotika-Klas-sen der β-Laktam-Antibiotika und (Fluor-)Chinolone bei Darmbakterien wie Escherichia (E) coli Sind Bak-terien gegen beide Wirkstoffklassen resistent werden die therapeutischen Moumlglichkeiten drastisch eingeschraumlnkt Bei E coli und Salmonella enterica wurden derartige Resistenzen bereits nachgewiesen Das BfR beteiligte sich mit zwei Projekten an dem Forschungs-verbund Durch das konsequente Zusammenfuumlhren von Ergebnissen der unterschiedlichen Forschungsgebiete in einer gemeinsamen Datenbank konnten Erkenntnisluumlcken geschlossen und Risiken bewertet werden Das Projekt wurde vom Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) gefoumlrdert

29012017

INTERVIEW ZU ANTIBIOTIKARESISTENZ

Kann es durch die Mischung verschiedener Pestizid-Ruumlckstaumlnde beim taumlglichen Verzehr zu gesundheitsgefaumlhrdenden Belastungen kommen

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

30 BfR 2 GO

Wenn von Paradigmenwechseln die Rede ist findet meist ein grundlegendes Umdenken statt In der Risikobewertung von Chemikalien habe ein Paradigmenwechsel stattge-

funden der die traditionelle Einzelsubstanz-Bewertung hinter sich lasse schrieben BfR-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler vor einiger Zeit Man koumlnnte meinen in der Toxikologie wird der Paracelsus-Satz kuumlnftig umgeschrieben Nicht nur die Dosis son-dern auch die Aufsummierung der Dosierungen in einer Mischung macht das Gift

Gift- oder Todescocktail ndash plakative Medienbegriffe

Denn tatsaumlchlich In den letzten Jahren beschaumlftigen sich weltweit immer mehr Gremien politische Ausschuumlsse und Forschungspro-jekte mit der Frage wie man die Auswirkungen von Mischungen auf Umwelt und Gesundheit kuumlnftig bewerten kann Auch in der Oumlffentlichkeit wird das Thema emotional verhandelt Chemikali-enmix Gift- oder sogar Todescocktail ndash mit plakativen Begriffen umschreiben Medien das Phaumlnomen der Mehrfachruumlckstaumlnde Entsprechend tief sitzt die Angst bei Verbraucherinnen und Ver-brauchern In einer vom BfR in Deutschland durchgefuumlhrten re-praumlsentativen Wahrnehmungsstudie vermuten 80 Prozent der Befragten dass der Einsatz mehrerer unterschiedlicher Pflanzen-schutzmittel zu gesundheitlichen Beeintraumlchtigungen durch Le-bensmittel fuumlhren kann

Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck sein

Zwar zeigen verschiedene aktuelle Monitoring-Projekte dass das gesundheitliche Risiko durch Mehrfachruumlckstaumlnde von Pflanzen-schutzmitteln unwahrscheinlich ist (s Interview) aber das Thema bleibt auch fuumlr die Wissenschaft draumlngend Denn auch wenn Mi-schungen schon seit Jahrzehnten wissenschaftlich analysiert und bewertet werden das Beduumlrfnis nach einer zuverlaumlssigen Bewertung der Risiken fuumlr Mensch und Umwelt steigt Grund dafuumlr ist zum einen die Vielzahl immer neuer Wirkstoffe Zusatzstoffe Chemika-lien Ruumlckstaumlnde und Kontaminanten gegenuumlber denen Menschen exponiert sind verbunden mit immer verfeinerten wissenschaftli-chen Nachweismethoden Zum anderen steigt der Druck aus der Oumlffentlichkeit Um wissenschaftliche Divergenzen zu vermeiden muumlssen transparente und international harmonisierte Verfahren entwickelt werden Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck in der Risikobewertung sein

Alle Gemische im Tierversuch zu testen ist nicht durchfuumlhrbar

Worum geht es im Einzelnen Mischungen liegen immer dann vor wenn ein Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt verschiedene Stoffe gleichzeitig aufnimmt z B Ruumlckstaumlnde Kontaminanten oder Chemikalien die nach der Europaumlischen Chemikalienverordnung REACH registriert sind Das geschieht wenn sogenannte intentional mixtures also beabsichtigte Mischungen wie Pflanzenschutzmittel oder Biozide in den Verkehr gebracht werden Aber auch unintenti-onal mixtures nimmt der Koumlrper auf Sei es dass verschiedene Stoffe in einem Produkt enthalten sind z B mehrere Pflanzenschutzmit-telruumlckstaumlnde in einem Apfel Oder sei es dass Stoffe gleichzeitig uumlber unterschiedliche Produkte aufgenommen werden In all diesen Faumlllen koumlnnen Mischungseffekte auftreten Diese sind je nach Wirk-mechanismus unterschiedlich stark ausgepraumlgt So koumlnnen sich die Wirkungen von Stoffen gegenseitig potenzieren oder auch aufheben Nach derzeitigem Kenntnisstand wird davon ausgegangen dass sich Wirkungen in der Regel addieren wenn die aufgenommenen Stoffe oberhalb der Wirkschwelle liegen den gleichen Wirkmechanismus haben und zu einem relevanten Zeitpunkt vom Organismus aufge-nommen wurden

Hier beginnen die Schwierigkeiten Es gibt zu viele intentional mix-tures die eine nahezu unuumlbersehbar groszlige Anzahl von Kombinati-onen ermoumlglichen Diese Gemische alle im Tierversuch zu testen wie sonst bei Einzelsubstanzen uumlblich waumlre sowohl ethisch nicht zu vertreten als auch praktisch nicht durchfuumlhrbar Daher arbeiten viele Forschungsprojekte u a der EU-Kommission daran tierversuchs-freie Methoden fuumlr die kumulative Bewertung zu entwickeln die die Effekte von Mischungen in vitro oder durch computergestuumltzte Be-rechnungen in silico berechnen (s Interview und Kasten)

Weltweit setzen Laumlnder das Thema auf ihre Agenda

Nicht nur fuumlr die Wissenschaft auch fuumlr den harmonisierten Voll-zug von Gesetzen ergeben sich dadurch neue Herausforderungen So schreibt z B die EU-Verordnung uumlber das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vor Kumulations- und Synergieeffekte zu be-ruumlcksichtigen ndash sofern es von der Behoumlrde anerkannte wissenschaft-liche Methoden zur Messung solcher Effekte gibt Doch die lagen bisher nicht vor Deshalb werden nun auf allen Ebenen technische Leitfaumlden fuumlr die neuen Methoden erstellt um eine harmonisierte

Auf die Mischung kommt es anKumulative Risikobewertung nimmt weltweit eine immer groumlszligere Bedeu-tung in der Toxikologie ein Das BfR arbeitet an einer Vielzahl von Projek-ten wie Mischungen in Zukunft bewertet werden koumlnnen

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

31012017

Vorgehensweise und transparente Nachvollziehbarkeit bei der Zu-lassung von Produkten zu gewaumlhrleisten Unter anderem die EFSA die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmittelsicherheit die Europauml-ische Chemikalienagentur ECHA und das JRC die Gemeinsame Forschungsstelle der Europaumlischen Kommission erarbeiten solche technischen Leitfaumlden

Neben der wissenschaftlichen Komplexitaumlt muumlssen diese techni-schen Leitfaumlden weitere Herausforderungen meistern Sie sollen fuumlr alle Bereiche gelten in denen Mischungen in Verkehr gebracht werden oder entstehen koumlnnen Bisher wurden Mischungen haumlufig nur in einem regulatorischen Bereich untersucht z B als Pflan-zenschutzmittel Biozid oder Arzneimittel Fuumlr andere Stoffe wie Lebensmittelzusatzstoffe oder Kontaminanten war die Bewertung von Mischungen bisher nicht klar gesetzlich reguliert In Zukunft sollen auch diese Stoffe bei einer Bewertung von Mischungen besser beruumlcksichtigt werden Auch soll nicht nur die chemische Zusam-mensetzung eines einzelnen Produktes systematisch bei der Zu-lassung beruumlcksichtigt werden sondern auch Mehrfachruumlckstaumlnde im gesamten Warenkorb den Verbraucherinnen und Verbraucher durchschnittlich zu einer gegebenen Zeit konsumieren Und zu gu-ter Letzt muumlssen die neuen Verfahren weltweit harmonisiert werden um das kumulative Risiko fuumlr Mensch und Umwelt auch angesichts globaler Warenketten gering zu halten Deshalb diskutieren Politik und Wissenschaft zurzeit nicht nur auf europaumlischer Ebene entspre-chende Leitfaumlden auch andere Laumlnder weltweit sowie die Weltge-sundheitsorganisation WHO und die Organisation fuumlr wirtschaftli-che Zusammenarbeit und Entwicklung OECD haben die kumulative Bewertung auf ihre Agenda genommen und stimmen ihre Guidance Documents mit den uumlbrigen Behoumlrden ab

Deutschland wendet die kumulative Bewertung schon an

Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR sind an zahlreichen dieser internationalen Projekte beteiligt sowohl an der wissenschaftlichen Erforschung kumulativer Effekte als auch an der Entwicklung technischer Leitfaumlden Einen wichtigen Schritt bei der kumulativen Bewertung hat Deutschland in der Europaumlischen Uni-

Stufe um Stufe zu einer gesicherten Bewertung

Seit Maumlrz 2017 wird in Deutschland eine Methodik fuumlr die Bewertung von Kumulations- und Synergie-effekten bei der gesundheitlichen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln in den Zulassungsverfahren angewandt Grundlage fuumlr das gestufte kumulative Bewertungsverfahren ist der sogenannte bdquoHazard Quotientldquo (HQ) der fuumlr jeden einzelnen Stoff ermit-telt wird Der HQ errechnet sich aus dem Verhaumlltnis zwischen dem relevanten gesundheitlichen Grenz-wert und der geschaumltzten Exposition

In einer ersten Stufe wird der HQ fuumlr alle Stoffe eines Gemisches einzeln ermittelt Liegt der HQ jedes Stoffes unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko fuumlr die einzelnen Bestandteile der Mischung zu erwarten Liegt dieser bei einzelnen Stoffen uumlber 1 wird gepruumlft ob die Exposition durch geeignete Maszlignahmen weiter vermindert werden kann zum Beispiel durch das Tragen entsprechender Schutz-kleidung

Liegt der HQ fuumlr alle Komponenten unter 1 wird in einer zweiten Stufe der sogenannte bdquoHazard Indexldquo (HI) des Gemisches ermittelt indem alle Gefahren-quotienten der verwendeten Stoffe addiert werden Liegt der ermittelte Wert weiterhin unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko durch das Gemisch zu erwarten

Liegt der HI uumlber 1 geht die Bewertung mit weiter verfeinerten Methoden in die dritte Stufe uumlber In dieser wird gepruumlft ob ein gesundheitliches Risiko vorliegt wenn eine Gruppierung der Einzelstoffe vorgenommen wird Dazu koumlnnen die einzelnen Stoffe in kumulative Bewertungsgruppen (cumula-tive assessment groups CAGs) eingeteilt werden die z B nach Effekten im gleichen Zielorgan oder nach dem gleichen Wirkmechanismus oder nach chemischer Verwandtschaft definiert sein koumlnnen Hintergrund dieser Einteilung ist die Annahme dass sich nach gegenwaumlrtigem Kenntnisstand nur Effek-te addieren die hinsichtlich der Zielorgane oder der Wirkmechanismen (MOA) vergleichbar sind Auch die relative Potenz der einzelnen Stoffe soll bei der verfeinerten Bewertung beruumlcksichtigt werden Liegt der HI innerhalb einer CAG unter 1 ist deshalb kein gesundheitliches Risiko zu erwarten Liegt er oberhalb des Wertes und koumlnnen weder Expositionsschaumltzung noch Gefahrenbewertung weiter verfeinert werden gilt das Gemisch als nicht sicher

Das mehrstufige Verfahren hat den Vorteil dass die ressourcenaufwendigeren Methoden zur verfei-nerten Bewertung z B in vergleichbaren CAGs oder MOAs nur zum Einsatz kommen wenn mit den ersten einfacheren Bewertungsmethoden nicht nachweisbar ist dass kein gesundheitliches Risiko zu erwarten ist

copy T

atom

mis

tock

com

32 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

EuroMix A tiered strategy for risk assessment of mixtures of multiple chemicals

EuroMix ist ein laumlnderuumlbergreifendes Projekt der EU-Kommission das die nie-derlaumlndische Behoumlrde fuumlr Gesundheit und Umweltschutz RIVM koordiniert Es zielt darauf ab eine tierversuchsfreie experi-mentelle Test-Strategie zu entwickeln um die Toxizitaumlt von Gemischen verschiedener toxikologisch relevanter Lebensmittelin-haltsstoffe Lebensmittelkontaminanten und Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde besser zu bestimmen Aus den Forschungsergeb-nissen wird ein Leitfaden fuumlr die kuumlnftige Umsetzung einer experimentellen Test-Stra-tegie entwickelt Das Acht-Millionen-Eu-ro-Projekt laumluft bis Mai 2019

Mehr erfahren wwweuromixprojecteu

Kombinationseffekte Forschungsprojekte des BfR

Am BfR werden in verschiedenen Abteilungen mehrere interne Forschungsprojekte zu Kombinationseffekten durch-gefuumlhrt Dazu gehoumlren u a Forschungsprojekte zu kumulativen Wirkungen in Pflanzenschutzmitteln und Bioziden zu Mehrfachruumlckstaumlnden in Lebensmitteln zur Expositionsschaumltzung sowie zu wirbeltierfreien Alternativmethoden Daruumlber hinaus ist und war das BfR auch an folgenden Drittmittel-Projekten beteiligt die zu Kombinationseffekten forschen

Combiomics Analyse von Kombinationseffekten von Pestiziden in vitro

Combiomics war ein zweieinhalbjaumlhri-ges Projekt des Bundesministeriums fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) das im Fruumlhling 2016 abgeschlossen wurde In dem vom BfR koordinierten Projekt wurden moumlgliche Kombinationswirkungen durch Mehrfachruumlckstaumlnde beispielhaft anhand einer Gruppe von Fungiziden in vitro unter-sucht Dazu wurden die molekularen Effek-te der Triazole mittels multi level omics und praumldiktiver mathematischer Modellierung untersucht Ausgehend von den Ergebnissen wurde ein Praumldiktionsmodell fuumlr Substanz-kombinationen erstellt validiert und auf Pestizide anderer Stoffgruppen bzw weitere Substanzklassen ausgedehnt um Kombi-nationseffekte kuumlnftig weitgehend ohne Tierversuche durchfuumlhrbar zu machen

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschung gt Drittmittelprojekte gt Combiomics

Combiomics 2Auch die zweite Projektphase von Com-biomics wird vom BfR koordiniert Hier sollen erfolgreich getestete Methoden und Zelllinien in Form einer standardisierten In-vitro-Testbatterie validiert und in ein Standardverfahren integriert werden das auch kuumlnftigen regulatorischen Anforde-rungen entspricht Das dreijaumlhrige Projekt wird vom BMBF bis Ende 2019 gefoumlrdert

Mehr erfahren wwwfisaonlinede gt Kombinationseffekte Pestizide

on schon jetzt unternommen Am 1 Maumlrz 2017 erschien im Bundesanzeiger eine Be-kanntmachung dass Kumulations- und Synergieeffekte in der gesundheitlichen Be-wertung von Pflanzenschutzmitteln kuumlnf-tig durch das BfR beruumlcksichtigt werden Damit bezieht Deutschland bei der zonalen Zulassung von Pflanzenschutzmitteln eine systematische kumulative Bewertung ein

Ein Leitfaden zur kumulativen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln wurde am BfR erarbeitet basierend auf den internatio-nalen Diskussionen bei EFSA und ECHA und 2014 veroumlffentlicht Seitdem wird das Verfahren am BfR angewandt uumlberpruumlft und verfeinert Im Kern geht es darum in einem mehrstufigen Verfahren verschie-dene Wirkstoffe in einem Pflanzenschutz-mittel oder in einer beantragten Tankmi-

schung kumulativ zu bewerten (s Kasten) Dazu werden sowohl die Exposition der Anwenderinnen und Anwender als auch die akute Exposition der Verbraucherinnen und Verbraucher betrachtet sodass die am meisten exponierten Gruppen beruumlcksich-tigt sind

Das Ziel Mischungen weltweit harmonisiert zu bewerten

Die Einfuumlhrung der Konzepte zur kumu-lativen Bewertung von Pflanzenschutzmit-teln hat auch in anderen EU-Laumlndern Aus-wirkungen auf die Risikobewertung Wenn Deutschland im zonalen Zulassungsverfah-ren bewertender Mitgliedstaat ist wird das Verfahren grundsaumltzlich angewandt Aber auch in die Bewertungsberichte anderer Laumlnder flieszligt die kumulative Bewertung als

deutscher Kommentar mit ein Durch den fachlichen Austausch zwischen den Mit-gliedstaaten wurde das Konzept in den letz-ten Jahren einem Peer-Review unterzogen Um die Praxis europaweit noch besser zu harmonisieren werden derzeit auszligerdem internationale Workshops organisiert auf denen diskutiert wird wie Mischungen bei der Risikobewertung kuumlnftig beruumlcksichtigt werden sollen Das BfR veranstaltet einen solchen Workshop im November 2017 im Auftrag der Europaumlischen Kommission die Franzoumlsische Behoumlrde fuumlr gesundheitlichen Verbraucher- Umwelt- und Arbeitsschutz (ANSES) einen weiteren im Februar 2018 unter aktiver Beteiligung des BfR

Das Ziel Mischungen weltweit harmoni-siert zu bewerten um Mensch und Umwelt besser zu schuumltzen ruumlckt damit naumlher

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

33012017

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

bdquoZiel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertungldquo Interview mit Herrn Dr Roland Solecki uumlber die Forschungsaktivitaumlten des BfR zu Mehrfachruumlckstaumlnden

Herr Solecki bei Mehrfachruumlckstaumlnden von Pflanzenschutzmitteln sprechen die Medien oft von einem bdquoGiftcocktailldquo Haben Sie Erkenntnisse daruumlber wie groszlig das gesundheitliche Risiko tat-saumlchlich istDas BfR hat dazu gemeinsam mit dem Bun-desministerium fuumlr Ernaumlhrung und Land-wirtschaft und dem Bundesamt fuumlr Ver-braucherschutz und Lebensmittelsicherheit einen Bericht uumlber die kumulativen Wir-kungen von Pflanzenschutzmitteln veroumlf-fentlicht Dieser basiert auf einer Methodik der niederlaumlndischen Behoumlrde fuumlr Gesund-heit und Umweltschutz RIVM Hintergrund ist ein Monitoring das uumlber einen Zeitraum von sechs Jahren in Deutschland durchge-fuumlhrt wurde Darin wurde untersucht wel-che Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde durch-schnittlich uumlber Lebensmittel aufgenommen werden Das Ergebnis war dass auch unter Worst-Case-Annahmen fuumlr die Mischungen von Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnden ein gesundheitliches Risiko unwahrscheinlich ist Die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit EFSA kam in ihrem Monito-ring-Bericht von 2015 fuumlr Gesamteuropa zu einem aumlhnlichen Ergebnis

Sie arbeiten unter anderem bei dem Pro-jekt EuroMix mit Worum geht es dabeiEs handelt sich um ein groszliges Forschungs-projekt der EU-Kommission zur kumulati-ven Bewertung von Mischungen im Rahmen von Horizont 2020 dem Rahmenprogramm der Europaumlischen Union fuumlr Forschung und Innovation Das Projekt hat zum Ziel neue Bewertungsmethoden fuumlr Mischungseffekte zu erarbeiten besonders auch im Hinblick auf Alternativen zu Tierversuchen innovati-ve Wege der Expositionsschaumltzung und Mo-dellierung von kumulativen Risiken Dabei geht es nicht nur um Pflanzenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatzstoffe und andere Chemikalien

Wie ist das BfR da in EuroMix einge-bundenVom BfR arbeiten sowohl die Abteilung Sicherheit von Pestiziden als auch die Ab-teilung fuumlr Lebensmittelsicherheit am Eu-roMix-Projekt mit Waumlhrend die von mir geleitete Abteilung fuumlr die regulative Bewer-tung eingebunden ist werden in der Abtei-lung Lebensmittelsicherheit experimentelle Arbeiten unter anderem zur Lebertoxizitaumlt durchgefuumlhrt in denen auch Kombinatio-nen von Pestiziden mit anderen Lebensmit-telinhaltsstoffen gepruumlft werden

Woran forschen Sie im EuroMix-ProjektWir haben zunaumlchst recherchiert welche gesetzlichen Anforderungen bestehen und wie unterschiedliche Behoumlrden weltweit

Mischungseffekte bewerten Und wir haben Forschungen zu Mischungen durchgefuumlhrt die bestimmte adverse Effekte auf die Leber verursachen Dabei wurden bestimmte Schluumlsselelemente untersucht um daraus ein Konzept fuumlr die Bewertung zu erarbei-ten Jetzt werden die Omics-Untersuchun-gen und andere alternative Pruumlfverfahren noch durch Tierversuche ergaumlnzt sodass wir auch am Gesamtorganismus die Effek-te uumlberpruumlfen koumlnnen Gleichzeitig werden die statistischen Hilfsmittel und die ande-ren elektronisch basierten Tools weiterent-wickelt Auszligerdem folgen noch weitere Stu-dien zur Exposition Die finalen Ergebnisse liegen am Ende des Projekts im Jahr 2019 vor

In welche weiteren europaumlischen Aktivi-taumlten ist das BfR eingebundenDie EFSA hat bereits einige Ansaumltze zur Bewertung der kombinierten Exposition gegenuumlber mehreren Pestiziden und Kon-taminanten bei Menschen sowie mehreren Pestiziden bei Bienen entwickelt Derzeit ist die EFSA damit befasst neue Ansaumltze und Instrumente zur Harmonisierung der Be-wertung von Risiken fuumlr Mensch und Um-welt zu erarbeiten die von der Exposition gegenuumlber mehreren chemischen Stoffen in der Lebensmittelkette ausgehen Ich bin derzeit Mitglied einer Arbeitsgruppe von Sachverstaumlndigen die der Wissenschaftliche Ausschuss der EFSA eingerichtet hat um Leitlinien im Hinblick auf die kombinierte Exposition gegenuumlber mehreren chemi-schen Stoffen zu entwickeln Diese Initiative unter dem Namen bdquoMixToxldquo wird 2018 den Leitfaden in einer oumlffentlichen Konsultation diskutieren

Bei dieser Vielzahl an Aktivitaumlten Wel-ches Ziel haben Sie persoumlnlich vor Au-genDas Ziel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertung von Stoffen in der gesundheitlichen Risikocharakterisie-rung und deren harmonisierte Implemen-tierung in den gesetzlichen Verfahren Dies wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen

bdquoBei den kumulati-ven Risiken geht es nicht nur um Pflan-zenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatz-stoffe und andere Chemikalien

Dr Roland Solecki leitet die Abteilung bdquoSicherheit von Pestizidenldquo am BfR

copy B

fR

34 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

SPEKTRUM

Identifizierung endokriner Disruptoren Vom Grundsatz in die Praxis

Fuumlr Pestizid-Wirkstoffe und andere Chemikalien sind harmonisierte wissenschaftliche Kriterien erforderlich mit denen hormonschaumldigende Substanzen identifiziert werden koumlnnen Das BfR veroumlffentlichte hierzu bereits 2016 ein Konsenspapier als wissenschaftliche Grundlage fuumlr die darauffolgende Arbeit der EU-Behoumlrden Auf legislativer Ebene werden aktuell EU-weit geltende Ver-ordnungen festgelegt um auf wissenschaftlicher Ebene Leitlinien zur regulatorisch harmonisierten Umsetzung dieser Verordnungen zu erarbeiten Mit dieser Aufga-be hat die EU-Kommission die EFSA und die ECHA gemeinsam beauftragt Das BfR unterstuumltzt die Behoumlr-den mit wissenschaftlicher und technischer Expertise indem es die entsprechende Arbeitsgruppe bei der EFSA personell verstaumlrkt sowie Recherchen und Umfragen zur Praktikabilitaumlt von Untersuchungsmethoden durchfuumlhrt Die Publikation der Leitlinien wird fuumlr Fruumlhjahr 2018 erwartet Sie koumlnnen auf Basis der verabschiedeten Ver-ordnungen nach ihrer Implementierung in der Genehmi-gungspraxis angewendet werden

Mehr erfahren Solecki et al 2017 Scientific principles for the identification of endocrine-disrupting chemicals a consensus statement Arch Toxicol 91 1001ndash1006

Insekten-Stopp in Textilien Allergene Wirkung unwahrscheinlich

Das Risiko fuumlr eine Allergie nach dem Kontakt mit Kleidung und Produkten die mit dem Biozid Permethrin behandelt sind ist nach derzeitigem Kenntnisstand unwahrscheinlich Das ist das Ergebnis einer aktuellen Risikobewertung des BfR Gestuumltzt wird das Ergebnis dadurch dass trotz weitverbreiteter Anwendung des Wirkstoffs in Medikamenten und Verbraucherprodukten kein Anstieg der Kontaktallergien gegenuumlber Permethrin zu verzeichnen ist Das Risiko fuumlr kanzero-gene systemische Effekte infolge einer dermalen und oralen Exposition gegenuumlber Permethrin aus Textilien ist nach Ansicht des BfR vernachlaumlssigbar gering Permethrin ist ein biozider Wirkstoff der zum Schutz gegen Insekten in Produkten wie Schlafsaumlcken Picknick- und Yogadecken sowie Teppichen und Kleidung eingesetzt wird Er ist im Chemikalienrecht als sensibilisierend eingestuft ein moumlgliches geringes kanzerogenes Potenzial wird von verschiedenen wissenschaftlichen Gremien diskutiert Der Wirkstoff kann aus Textilien freigesetzt und uumlber die Haut aufgenommen werden Bei kleinen Kindern die viele Produkte in den Mund nehmen kommt eine moumlgliche orale Aufnah-me des Stoffes hinzu

Mehr erfahren Stellungnahme Nr 0062017 des BfR vom 25 April 2017

Wie wirkt Aluminium in Leber und Darm

Aluminium ist in Lebensmitteln Kosmetika und Bedarfsge-genstaumlnden enthalten und kann uumlber die Nahrung aufgenom-men werden Erste Ergebnisse aus dem deutsch-franzoumlsischen Forschungsprojekt bdquoSolNanoToxldquo mit Beteiligung des BfR zeigen dass sich aus der Nahrung aufgenommene Aluminiumverbin- dungen temporaumlr im Darm anreichern Ob und in welchen Men-gen die Partikel weiter in den Koumlrper insbesondere in die Leber gelangen und welche Faktoren ihre Wirkung beeinflussen wird aktuell erforscht Die Forschungsgruppe sieht Anhaltspunkte dafuumlr dass ein Teil der angereicherten Partikel mit dem Stuhl wieder ausgeschieden wird Fuumlr seine Untersuchung simulierte das BfR anhand biologischer Proben die Verdauung verschiede-ner Aluminiumarten vom Mund uumlber den Magen bis zum Darm Mithilfe von Enzymen und Salzen wurden dabei physiologische Parameter wie der pH-Wert gesteuert Waumlhrend des simulierten Verdauungsprozesses veraumlnderten die Aluminiumverbindungen ihre chemische Reaktionsfaumlhigkeit und Loumlslichkeit Die Erkennt-nisse sind ein erster Schritt um den Prozess der Aufnahme Resorption und Verteilung von Aluminium im Koumlrper besser zu verstehen und daraus Daten fuumlr die Risikobewertung abzuleiten Aluminiumverbindungen koumlnnen in zu hohen Dosen toxisch auf das Nervensystem und ungeborenes Leben wirken sowie die Fruchtbarkeit und Knochenentwicklung beeinflussen

copy B

fR

copy c

gsto

cks

hutte

rsto

ckc

om

copy R

osel

ynne

shu

tters

tock

com

35012017

Bei Kleidung ist besonders der Einsatz von Silber-Nanopartikeln weit verbreitet Silber wirkt antibakteriell und soll die Geruchs-bildung durch Schwitzen reduzieren Beim Einsatz von Nanosilber in Kleidungsstuuml-cken ist in erster Linie eine Freisetzung in Schweiszlig und somit ein moumlglicher Hautkon-takt relevant Neben der Frage ob und in welcher Menge Silber prinzipiell aus Texti-lien herausgeloumlst wird beschaumlftigt sich die Forschung mit der Frage welchen Einfluss die Technologie hat mit der Nanosilber auf Textilien aufgetragen bzw eingebracht wird Bisher war zudem unklar inwiefern die Oberflaumlchenbeschichtung der Nano-partikel die Abgabe beeinflusst

Kuumlnstlicher Schweiszlig simuliert Freisetzung

In einem Forschungsprojekt pruumlfte das BfR neun Proben von Textilien die mit Nanosil-ber veredelt waren Als Vergleich diente ein mit konventionellem Silber (hier Silbersalz mit einem Partikeldurchmesser groumlszliger als 100 Nanometer) ausgeruumlstetes Textil Zwei der Textilien waren sogenannte Komposite bei denen Nanosilber in die Faser integriert ist Bei den anderen getesteten Textilien war die Faseroberflaumlche mit Silber-Nano-partikeln bzw in einem Fall mit konventio-nellem Silber beschichtet (Textil-Coating) Um die Abgabe von Silber durch Schwitzen

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

Kleidung wird durch sie wasser- und schmutzabweisend sie blocken UV-Strahlen und mindern Geruumlche Nanoma-terialien haben beliebte funktionelle Eigenschaften Ob sie aufgrund ihrer Winzigkeit gesundheitliche Risiken bergen ist indes noch weitgehend unbekannt In einem Forschungsprojekt uumlber Nanosilber hat das BfR ermittelt ob sich die Kleinstteilchen aus Textilien herausloumlsen und damit zum gesundheitlichen Risiko werden koumlnnen

Nanomaterial

ist ein natuumlrliches bei Prozessen anfallendes oder kuumlnstlich hergestelltes Material das Partikel in ungebundenem Zustand als Aggregat oder als Agglo-merat enthaumllt und bei dem die Mehrheit der Partikel ein oder mehrere Auszligen-maszlige im Bereich unter 100 Nanometer hat In Nanogroumlszlige kann ein Stoff andere Eigenschaften besitzen als wenn er in Form groumlszligerer Partikel vorliegt

copy o

still

shu

tters

tock

com

36 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von Textilfasern Links Nanokomposit bei dem kaum Silberpartikel an der Faseroberflaumlche zu finden sind Mitte und rechts Textilien mit Silbercoating hier befindet sich insgesamt mehr Silber auf der Oberflaumlche

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

zu simulieren wurden die Textilien fuumlr 24 Stunden in einer Schweiszligsimulanz-Louml-sung inkubiert Fuumlr die Auswertung wurde zunaumlchst der gesamte Silbergehalt in den Schweiszligloumlsungen mit massenspektromet-rischen Messmethoden bestimmt In den Proben in denen Silber vorhanden war wurden anschlieszligend mit Zentrifugation und einer speziellen Methode zum Messen von Einzelpartikeln geloumlstes und partikulauml-res Silber unterschieden Im letzten Schritt wurden die Partikelgroumlszligen des vorgefun-denen partikulaumlren Silbers gemessen um nanoskaliges Silber zu identifizieren

Silber aus Kleidung freigesetzt

Die Untersuchung des BfR zeigte dass von jeder Textilprobe Silber in die Schweiszligsi-mulanz-Loumlsung uumlberging je nach geteste-tem Textil zwischen 7 und 75 Prozent des originaumlr in den Textilien enthaltenen Sil-bers Dabei setzten die beschichteten Tex-tilien mehr Silber frei als die Komposite Den houmlchsten abgegebenen Anteil fand das BfR bei dem mit konventionellem Silber beschichteten Textil Die Freisetzung wird demnach staumlrker durch die Technologie der Veredelung bestimmt als durch die im Tex-til enthaltene Menge Auszligerdem scheint die Abgaberate von Silber aus Nanosilber im Vergleich zu konventionellem Silber nicht erhoumlht zu sein

In der Schweiszligloumlsung lag das freigesetzte Silber uumlberwiegend geloumlst vor Partikulaumlres Silber fand sich nur zum geringeren Teil dann jedoch auch im Nanometerbereich Ob es sich dabei um einzelne Nanoparti-kel handelt oder ob das Silber an groumlszligere Partikel gebunden ist muss in weiteren Untersuchungen uumlberpruumlft werden Nach

derzeitigem wissenschaftlichem Kennt-nisstand geht man davon aus dass sich Nanopartikel im Koumlrper anders verhalten als groumlszligere Partikel Uumlberraschenderweise detektierte die Forschungsgruppe auch in den Schweiszligsimulanzien der mit konven-tionellem Silber beschichteten Textilien partikulaumlres Silber in Nanogroumlszlige Das Vor-kommen von Silberpartikeln scheint also nicht davon abhaumlngig zu sein ob das Silber in Nano- oder konventioneller Form auf das Textil aufgebracht wurde

In einer parallelen Untersuchung fanden die Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler heraus dass zudem die Beschaffenheit der Nanopartikel beispielsweise in Form einer speziellen Beschichtung ihre Loumlslichkeit in der Schweiszligloumlsung beeinflusst

Art der Beschichtung relevant

Silber wird demnach aus Textilien freige-setzt in geringen Teilen sogar in partiku- laumlrer Form Die gewaumlhlte Form der Tex-tilfunktionalisierung aber auch die Be-schaffenheit der Nanopartikel stellen dabei wichtige Kriterien fuumlr das Freisetzungsver-halten dar Solche Erkenntnisse sind vor al-lem fuumlr den sicheren Einsatz von Nanoma-terialien in Alltagsprodukten wichtig weil die Exposition des Menschen gegenuumlber derartigen Stoffen moumlglichst klein gehalten werden sollte Auszligerdem geben sie Hin-weise in welcher Anwendungsform Nano-materialien im verbrauchernahen Bereich sicher eingesetzt werden koumlnnen

Mehr erfahren Wagener et al 2016 Textile Functionalization and Its Effects on the Release of Silver Nanoparticles into Artificial Sweat Environ Sci Technol 50 11 5927ndash5934

Per Flugzeitmassenspek-trometer laumlsst sich Silber auf beschichteten Textil-fasern detektieren

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

NANOPARTIKEL

37012017

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

38 BfR 2 GO

Neuer Ansatz fuumlr Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

Spiegelbild gesucht

Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR zeigt einen neuen Ansatz um mithilfe von Genexpressionsdaten das geeignete Tiermodell fuumlr die Grundlagenforschung oder fuumlr spezifische klinische Fra-gestellungen zu identifizieren Damit koumlnnen zukuumlnftig unnoumltige Tierversu-che vermieden werden Hamburger Wissenschaftsbehoumlrden wuumlrdigten die Erkenntnisse mit einem Forschungspreis

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

39012017

Fragestellung

Vergleich

Auswahl

z B bdquoMit welchem Mausmodell koumlnnen die Ursachen von Alzheimer erforscht werdenldquo

Vergleich von vorhandenen Omics-Expressionsdaten von Mensch und Tier

Auswahl des geeigneten Modells

1

2

3

Geeignete Tiermodelle identifizieren

An Tiermodellen werden zahlreiche biologische Prozesse und Krankheiten wie Wund-

heilung Diabetes Tumoren oder entzuumlndliche Erkrankungen erforscht Durch den

Vergleich der Omics-Expressionsdaten von Tiermodell und Mensch koumlnnen geeignete

Modelle fuumlr die jeweilige Fragestellung identifiziert werden

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

40 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Verlaumluft ein entzuumlndlicher Prozess bei Maumlusen aumlhnlich wie beim Menschen Sind Maumluse daher geeignete Ver-

suchstiere fuumlr Tests von antientzuumlndlichen Substanzen Um Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung in den klinischen Alltag zu uumlberfuumlhren ndash Aufgabengebiet der translationalen Forschung ndash werden wissen-schaftliche Fragestellungen oft in Tierversu-chen erprobt Ob und inwieweit die Ergeb-nisse auf den Menschen uumlbertragbar sind ist dabei immer wieder Gegenstand kontrover-ser Diskussionen Geeignete Methoden mit denen die Wissenschaft Tiermodelle mit op-timaler Uumlbertragbarkeit auf den Menschen auswaumlhlen kann wuumlrden dem wissenschaft-lichen Fortschritt helfen und die Zahl der Tierversuche reduzieren Es geht dabei um die Frage welches Tiermodell am besten das menschliche System widerspiegelt

Vergleichbarkeit von Genom- daten fehleranfaumlllig

Als Grundlage fuumlr diese Uumlberlegungen die-nen Daten aus modernen bioanalytischen Hochdurchsatzverfahren Immer haumlufiger setzt die Wissenschaft auf diese sogenannten Omics-Technologien die die Gesamtheit aller Gene und ihrer Produkte analysieren ndash sowohl beim Tier als auch beim Menschen Mit ihnen lassen sich molekulare Prozesse in lebenden Systemen umfassend darstel-len indem sie beispielsweise die Interaktion hunderter bis tausender Genprodukte zei-gen Die Analyse dieser zunehmend kom-plexen Omics-Datensaumltze stellt die Wissen-schaft jedoch vor Probleme da das Vorgehen dazu nicht standardisiert ist Die Interpreta-tion der Ergebnisse ist bisher meist von der Kompetenz der Durchfuumlhrenden und von der angewandten Methode abhaumlngig Im Ergebnis war die Entscheidung zur Frage der Uumlbertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen fehleranfaumlllig und die Suche nach

geeigneten Tiermodellen erschwert Die ge-ringe Standardisierung der Interpretation von Omics-Daten fuumlhrte in Forschungs-kreisen bereits zu widerspruumlchlichen Er-gebnissen so zum Beispiel bei zwei Studien aus den Jahren 2013 und 2015 die sich mit der Vergleichbarkeit von entzuumlndlichen Er-krankungen beim Menschen und gaumlngigen Mausmodellen beschaumlftigten Waumlhrend eine Forschungsgruppe im Jahr 2013 schlussfol-gerte dass entzuumlndliche Prozesse zwischen Mensch und Maus nicht vergleichbar seien kam eine andere Gruppe zwei Jahre spaumlter anhand der gleichen Omics-Daten zum ge-genteiligen Schluss Die Maus reagiere auf der molekularen Ebene sehr aumlhnlich wie der Mensch und sei daher als Tiermodell sehr nuumltzlich fuumlr die Erforschung menschlicher Erkrankungen Zwar ist es nicht ungewoumlhn-lich dass Ergebnisse von Studien unter-schiedlich eingeschaumltzt werden ndash allerdings selten auf Basis der gleichen Daten

Motivation des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR war es diese Widerspruumlche aufzuklaumlren und einen standardisierten und zielgerichteten Analyseansatz zu entwickeln der die Suche nach geeigneten Tiermodellen vereinfacht und somit unnoumltige Tierversuche vermei-den hilft Es gehoumlrt zu den Kernaufgaben des Bf3R bundesweit alle Aktivitaumlten zu koordi-nieren mit den Zielen Tierversuche auf das unerlaumlssliche Maszlig zu beschraumlnken und fuumlr Versuchstiere den bestmoumlglichen Schutz zu gewaumlhrleisten Die Aufgaben des Bf3R wer-den vom BfR wahrgenommen

Genomdaten von Tier und Mensch gezielt vergleichen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler des Bf3R haben die Omics-Daten aus den beiden erwaumlhnten widerspruumlchlichen Studien mithilfe hochperformanter Com-

puter nochmals systematisch ausgewertet Dabei wurden zunaumlchst die zu verglei-chenden Gene gruppenweise biologischen Prozessen zugeordnet die wesentlich fuumlr ein Entzuumlndungsgeschehen sind Diese Gene Set Enrichment Analysis (GSEA) ge-nannte Methode greift auf umfangreiche in oumlffentlichen Datenbanken hinterlegte Genomdaten gaumlngiger Tiermodelle und von Erkrankten zuruumlck Mit ihrer Heran-gehensweise konnten die Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler des BfR an-schlieszligend Veraumlnderungen auf der Ebene pathologischer Signalwege erkennen und Unterschiede zwischen Tiermodell und Mensch identifizieren Da der Groszligteil der untersuchten Genprodukte haumlufig nur geringfuumlgig veraumlndert war konnten bei der Analyse auf Ebene vollstaumlndiger bio-logischer Signalwege alle Gene einbezogen und Aumlnderungen in der Gesamtheit eines biologischen Signalwegs bewertet werden Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu bisherigen Analyseansaumltzen da fuumlr die Klauml-rung translationaler Fragestellungen bisher haumlufig willkuumlrlich und subjektiv Gene von Mensch und Tiermodell fuumlr einen direkten Eins-zu-eins-Vergleich ausgewaumlhlt wurden

Die systematische Auswertung des Bf3R zeigte dass die Ergebnisse beim vorlie-genden Genomdatenvergleich bei einigen Mausmodellen gut mit den beim Menschen ermittelten Daten uumlbereinstimmten Bei an-deren Mausmodellen hingegen war es nicht so So aumlhnelt das Entzuumlndungsgeschehen bei Maumlusen die mit Staphylococcus aureus (Staphylococcus-aureus-Injektionsmodell) infiziert sind oder eine Darmperforation (Cecal-ligation-and-puncture-Modell) erfah-ren den meisten klinischen Proben Hin-gegen verlaufen Erkrankungen die durch Lipopolysaccharide (LPS) und Streptococcus pneumoniae verursacht werden bei Mensch und Maus verschieden

Omics

Der Terminus beschreibt Methoden zur

Analyse komplexer biologischer Proben

auf der Ebene des gesamten Genoms

von Transkripten Proteinen oder Meta-

boliten

41012017

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

Forschungsansatz hilft Tierversuche zu reduzieren

Die Methode der Datenanalyse mittels GSEA-Ansatz erleichtert es Forschungs-gruppen zukuumlnftig zielgerichtet und stan-dardisiert das optimale Tiermodell aus-zuwaumlhlen das am besten die menschliche Situation abbildet Voraussetzung dafuumlr ist die Existenz von Omics-Daten zur klini-schen Fragestellung sowie zu den infrage kommenden Tierversuchen Dies ist bereits fuumlr eine Vielzahl von Tiermodellen sowie von humanen Erkrankungen der Fall neben Entzuumlndungserkrankungen beispielsweise fuumlr Herz-Kreislauf-Erkrankungen Krebser-krankungen Atemwegserkrankungen Stoff-wechselerkrankungen und neurologische Erkrankungen Aufgrund der vermehrten Verwendung von Omics-Methoden kann davon ausgegangen werden dass stetig wei-tere systembiologische Daten ermittelt und veroumlffentlicht werden Die vom Bf3R ange-wandte Methode wird daher weiterhin bei der gezielten Auswahl von Tiermodellen nuumltzlich sein

Das Verfahren kann in der Grundlagen-forschung sowie in der translationalen und angewandten Forschung eingesetzt werden Diese Bereiche machten 2015 nach Anga-ben des Bundesministeriums fuumlr Ernaumlh-rung und Landwirtschaft mit insgesamt 73 Prozent den groumlszligten Teil der Tierversuche aus Ein Groszligteil davon entfaumlllt auf Maumluse Ratten und zunehmend auch auf Fische Grundsaumltzlich kann die neue Methode zur Auswahl des geeigneten Versuchstiermo-dells bzw zum Ausschluss nicht geeigneter Versuchstiermodelle bei jeglichen Tierver-suchen in diesen Bereichen genutzt werden Analog zu den Versuchstierzahlen liegen derzeit die meisten Omics-Daten fuumlr Maus und Ratte vor So sind beispielsweise allein in der oumlffentlichen NCBI GEO-Datenbank (National Center for Biotechnology Informa-tion Gene Expression Omnibus) derzeit Da-ten zu ca 340000 Maus-Proben und 75000 Ratte-Proben gelistet

Methode identifiziert geeignete Zellkulturmodelle

Dabei ist die Methode des Bf3R nicht auf humane und murine Datensaumltze beschraumlnkt sondern kann auf alle weiteren Spezies an-gewandt werden fuumlr die umfangreiche Da-tenbanken zu biologischen Signalwegen oder Gengruppen vorliegen Auch fuumlr die Beurteilung von zellbasierten Alternativ-methoden kann der neue Forschungsansatz

herangezogen werden Durch einen system-biologischen Abgleich der klinischen Daten mit Omics-Daten aus beispielsweise neuar-tigen 3D-Zellkulturen oder organaumlhnlichen Mikrostrukturen wird die Charakterisierung und Verifizierung von zellbasierten Alterna-tivmethoden ermoumlglicht

Praumlmierte Forschungsleistung

Fuumlr ihre Forschung erhielten die Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR 2016 den Hamburger Forschungspreis zur Foumlrderung der Entwicklung von Ersatz- und

Ergaumlnzungsmethoden Die Auszeichnung wurde zum erstem Mal von den Hamburger Behoumlrden fuumlr Gesundheit und Verbraucher-schutz sowie fuumlr Wissenschaft Forschung und Gleichstellung mit einem Foumlrderpreis in Houmlhe von 20000 Euro ausgeschrieben Der Preis wird fuumlr Arbeiten vergeben die einen Beitrag leisten Tierversuche zu ersetzen oder zu minimieren

Mehr erfahrenWeidner et al 2016 Defining the optimal animal model for translational research using gene set enrichment analysis EMBO Molecular Medicine 8 8 831ndash838

Wofuumlr Versuchstiere in Deutschland eingesetzt werden

630255Herstellung und Qualitaumlts-kontrolle medizinischer Produkte toxikologische Sicherheitspruumlfungen

22

59

14 5

1643259Grundlagenforschung

144997sonstige Zweckez B Zucht Aus- und Weiterbildung

381450translationale und angewandte Forschung

Que

lle B

unde

smin

iste

rium

fuumlr E

rnaumlh

rung

und

Lan

dwirt

scha

ft V

ersu

chst

ierz

ahle

n 20

15

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

42 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Alternativen zu Tierversuchen Forschung regional buumlndeln

Eine individualisierte Schmerztherapie fuumlr Versuchsmaumluse und eine Verringerung von Tierexperimenten zum Test der Inhala- tionstoxizitaumlt von Nanomaterialien (siehe rechte Spalte) ndash hierzu sollen die ersten Arbeitsergebnisse des BfR im Berlin-Bran-denburgischen Verbundprojekt BB3R zukuumlnftig beitragen Das Netzwerk aus Universitaumlten und Bundesinstitutionen forscht um Tierversuche zu vermeiden (Replacement) bzw zu verringern (Reduction) sowie das Leiden von Versuchstieren zu vermindern (Refinement) Das BfR ist als einer von sechs Verbundpartnern in den Bereichen der Refinement- und Replacement-Forschung beteiligt Das Bundesforschungsministerium foumlrdert das mit BB3R abgekuumlrzte Projekt fuumlr vier Jahre bis Fruumlhjahr 2018 es ist als Plattform fuumlr den wissenschaftlichen Austausch konzipiert und integriert ein Graduiertenkolleg

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschungwwwbb3rde

Belastung von Laborfischen erkennen

Koumlrperbau

Koumlrpermerkmale

Verhaltenkreisendes Schwimmen

Belastung von Laborfischen erkennen

Ob Laborfische Schmerzen empfinden oder leiden laumlsst sich mithilfe konkreter Kriterien beurteilen Die Vorarbeiten hierzu koordinierte der bdquoNationale Ausschuss zumSchutz von fuumlr wissenschaftliche Zweckeverwendeten Tierenldquo am BfR gemeinsam mit externen Sachverstaumlndigen und Beauf-tragten von Genehmigungsbehoumlrden Die erstmals definierten Kriterien bewerten unter anderem Auffaumllligkeiten im Koumlrper-bau sowie im Verhalten der Tiere Schmer-zen und Leiden koumlnnen so gezielt behandelt und gelindert werden Da die Frage der Belastung der Tiere anhand der Kriterien eindeutig geklaumlrt werden kann dienen sie zudem als Entscheidungshilfe fuumlr Behoumlr-den welche die Zucht belasteter genetisch veraumlnderter Tiere genehmigen muumlssen Fische insbesondere Zebrafische sind nach Maumlusen und Ratten die am dritthaumlufigsten verwendete Versuchstierart Die Zahl der Versuchsfische hat in den letzten Jahren stetig zugenommen

Mehr erfahren Bert et al 2016 Considerations for aEuropean animal welfare standard toevaluate adverse phenotypes in teleost fish EMBO J 35 11 1151ndash1154Empfehlung des Nationalen Ausschusses TierSchG Nr 0012015

Test der Inhalationstoxizitaumlt von Nanomaterialien

Die Einatmung gilt als wichtigster Aufnahmeweg fuumlr Nanomaterialien Im Rahmen der BB3R-Forschung bildet das BfR diese Art der Exposition mit In-vitro- Atemwegsepithelmodellen an ihrer Grenzflaumlche zur Luft ab Dieser Ansatz zum Test der Inhalationstoxi-zitaumlt hilft Anzahl und Umfang von Tierversuchen zu verringern

Versuchsaufbau Drei Roumlhrchen leiten ein Testaerosol mit luftgetragenen Nanomaterialien auf Epithelzellen

SPEKTRUM

copy B

fR

43012017

Jubilaumlumsfeier und internationales Symposium

Am 29 November 2017 feiert das BfR sein 15-jaumlh-riges Bestehen mit einem Festakt Geplant ist eine Feier mit ausgewaumlhlten Gaumlsten in der Akademie der Kuumlnste Anschlieszligend findet vom 30 Novem-ber bis zum 01 Dezember 2017 das gemeinsame internationale Symposium des BfR und seiner Schwesterinstitutionen aus Daumlnemark (DTU Food) und Frankreich (ANSES) sowie der suumldko-reanischen Behoumlrde fuumlr Lebens- und Arzneimittel-sicherheit (NIFDS) statt Unter dem Motto bdquoPast Present and Future Challenges in Risk Assessment ndash Strengthening Consumer Health Protectionldquo werden die letzten anderthalb Jahrzehnte Risikobewer-tung betrachtet Daruumlber hinaus werden aktuelle Aktivitaumlten sowie zukuumlnftige Herausforderungen des Verbraucherschutzes wie mikrobiologische Erreger chemische Substanzen Methoden und Harmonisierung auf nationaler wie internationa-ler Ebene diskutiert

VERANSTALTUNGEN

Nachwuchs foumlrdern

Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu foumlr-dern baut das BfR wissenschaftliche Nachwuchs-gruppen zu bestimmten Schwerpunktthemen auf Die bereits 2015 eingerichtete Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Warenketteldquo wird im Herbst 2017 durch einen weiteren Dokto-randen verstaumlrkt

Verstaumlrkung im Versuchstierschutz

Seit dem 1 April 2017 staumlrkt die Berufung von Herrn Universitaumltsprofessor Dr Lars Lewejo-hann den Kompetenzbereich bdquoVerminderung der Belastung und Verbesserung der Lebenssitua-tionldquo des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) Neben der Leitung der Fachgruppe bdquoTierschutz und Versuchstierkundeldquo im BfR wird Lars Lewejohann sein Wissen und neue Erkenntnisse als Hochschullehrer fuumlr bdquoTier-schutz mit dem Schwerpunkt Refinementldquo an der veterinaumlrmedizinischen Fakultaumlt der Freien Universitaumlt Berlin an Studierende und Doktoran-den weitergeben

PERSONALIEN

Alternativmethode zum Tierversuch bdquoKnochen-auf-dem-Chipldquo

Im Mai 2017 fand bei der Gemeinsamen For-schungsstelle (GFS)Joint Research Centre (JRC) der Generaldirektion (Directorate General) der Europaumlischen Kommission eine Summer School zu alternativen Ansaumltzen zum Tierversuch fuumlr die Risikobewertung in Ispra (Italien) statt Dort wurde Herr Dr Ing Frank Schulze aus der BfR-Fachgruppe bdquoZEBET ndash Alternativmethoden zu Tierversuchenldquo fuumlr seine Praumlsentation und das dazugehoumlrige Poster zum Thema bdquoEin Knochen-auf-dem-Chip fuumlr die Grundlagenwissenschaft und die Identifizierung von knochenschaumldigen-den Substanzenldquo mit einem Posterpreis (1 Platz) ausgezeichnet

copy B

fR

copy p

rivat

INSTITUTSLEBEN

44 BfR 2 GO

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

Kann es durch die Mischung verschiedener Pestizid-Ruumlckstaumlnde beim taumlglichen Verzehr zu gesundheitsgefaumlhrdenden Belastungen kommen

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

30 BfR 2 GO

Wenn von Paradigmenwechseln die Rede ist findet meist ein grundlegendes Umdenken statt In der Risikobewertung von Chemikalien habe ein Paradigmenwechsel stattge-

funden der die traditionelle Einzelsubstanz-Bewertung hinter sich lasse schrieben BfR-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler vor einiger Zeit Man koumlnnte meinen in der Toxikologie wird der Paracelsus-Satz kuumlnftig umgeschrieben Nicht nur die Dosis son-dern auch die Aufsummierung der Dosierungen in einer Mischung macht das Gift

Gift- oder Todescocktail ndash plakative Medienbegriffe

Denn tatsaumlchlich In den letzten Jahren beschaumlftigen sich weltweit immer mehr Gremien politische Ausschuumlsse und Forschungspro-jekte mit der Frage wie man die Auswirkungen von Mischungen auf Umwelt und Gesundheit kuumlnftig bewerten kann Auch in der Oumlffentlichkeit wird das Thema emotional verhandelt Chemikali-enmix Gift- oder sogar Todescocktail ndash mit plakativen Begriffen umschreiben Medien das Phaumlnomen der Mehrfachruumlckstaumlnde Entsprechend tief sitzt die Angst bei Verbraucherinnen und Ver-brauchern In einer vom BfR in Deutschland durchgefuumlhrten re-praumlsentativen Wahrnehmungsstudie vermuten 80 Prozent der Befragten dass der Einsatz mehrerer unterschiedlicher Pflanzen-schutzmittel zu gesundheitlichen Beeintraumlchtigungen durch Le-bensmittel fuumlhren kann

Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck sein

Zwar zeigen verschiedene aktuelle Monitoring-Projekte dass das gesundheitliche Risiko durch Mehrfachruumlckstaumlnde von Pflanzen-schutzmitteln unwahrscheinlich ist (s Interview) aber das Thema bleibt auch fuumlr die Wissenschaft draumlngend Denn auch wenn Mi-schungen schon seit Jahrzehnten wissenschaftlich analysiert und bewertet werden das Beduumlrfnis nach einer zuverlaumlssigen Bewertung der Risiken fuumlr Mensch und Umwelt steigt Grund dafuumlr ist zum einen die Vielzahl immer neuer Wirkstoffe Zusatzstoffe Chemika-lien Ruumlckstaumlnde und Kontaminanten gegenuumlber denen Menschen exponiert sind verbunden mit immer verfeinerten wissenschaftli-chen Nachweismethoden Zum anderen steigt der Druck aus der Oumlffentlichkeit Um wissenschaftliche Divergenzen zu vermeiden muumlssen transparente und international harmonisierte Verfahren entwickelt werden Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck in der Risikobewertung sein

Alle Gemische im Tierversuch zu testen ist nicht durchfuumlhrbar

Worum geht es im Einzelnen Mischungen liegen immer dann vor wenn ein Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt verschiedene Stoffe gleichzeitig aufnimmt z B Ruumlckstaumlnde Kontaminanten oder Chemikalien die nach der Europaumlischen Chemikalienverordnung REACH registriert sind Das geschieht wenn sogenannte intentional mixtures also beabsichtigte Mischungen wie Pflanzenschutzmittel oder Biozide in den Verkehr gebracht werden Aber auch unintenti-onal mixtures nimmt der Koumlrper auf Sei es dass verschiedene Stoffe in einem Produkt enthalten sind z B mehrere Pflanzenschutzmit-telruumlckstaumlnde in einem Apfel Oder sei es dass Stoffe gleichzeitig uumlber unterschiedliche Produkte aufgenommen werden In all diesen Faumlllen koumlnnen Mischungseffekte auftreten Diese sind je nach Wirk-mechanismus unterschiedlich stark ausgepraumlgt So koumlnnen sich die Wirkungen von Stoffen gegenseitig potenzieren oder auch aufheben Nach derzeitigem Kenntnisstand wird davon ausgegangen dass sich Wirkungen in der Regel addieren wenn die aufgenommenen Stoffe oberhalb der Wirkschwelle liegen den gleichen Wirkmechanismus haben und zu einem relevanten Zeitpunkt vom Organismus aufge-nommen wurden

Hier beginnen die Schwierigkeiten Es gibt zu viele intentional mix-tures die eine nahezu unuumlbersehbar groszlige Anzahl von Kombinati-onen ermoumlglichen Diese Gemische alle im Tierversuch zu testen wie sonst bei Einzelsubstanzen uumlblich waumlre sowohl ethisch nicht zu vertreten als auch praktisch nicht durchfuumlhrbar Daher arbeiten viele Forschungsprojekte u a der EU-Kommission daran tierversuchs-freie Methoden fuumlr die kumulative Bewertung zu entwickeln die die Effekte von Mischungen in vitro oder durch computergestuumltzte Be-rechnungen in silico berechnen (s Interview und Kasten)

Weltweit setzen Laumlnder das Thema auf ihre Agenda

Nicht nur fuumlr die Wissenschaft auch fuumlr den harmonisierten Voll-zug von Gesetzen ergeben sich dadurch neue Herausforderungen So schreibt z B die EU-Verordnung uumlber das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vor Kumulations- und Synergieeffekte zu be-ruumlcksichtigen ndash sofern es von der Behoumlrde anerkannte wissenschaft-liche Methoden zur Messung solcher Effekte gibt Doch die lagen bisher nicht vor Deshalb werden nun auf allen Ebenen technische Leitfaumlden fuumlr die neuen Methoden erstellt um eine harmonisierte

Auf die Mischung kommt es anKumulative Risikobewertung nimmt weltweit eine immer groumlszligere Bedeu-tung in der Toxikologie ein Das BfR arbeitet an einer Vielzahl von Projek-ten wie Mischungen in Zukunft bewertet werden koumlnnen

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

31012017

Vorgehensweise und transparente Nachvollziehbarkeit bei der Zu-lassung von Produkten zu gewaumlhrleisten Unter anderem die EFSA die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmittelsicherheit die Europauml-ische Chemikalienagentur ECHA und das JRC die Gemeinsame Forschungsstelle der Europaumlischen Kommission erarbeiten solche technischen Leitfaumlden

Neben der wissenschaftlichen Komplexitaumlt muumlssen diese techni-schen Leitfaumlden weitere Herausforderungen meistern Sie sollen fuumlr alle Bereiche gelten in denen Mischungen in Verkehr gebracht werden oder entstehen koumlnnen Bisher wurden Mischungen haumlufig nur in einem regulatorischen Bereich untersucht z B als Pflan-zenschutzmittel Biozid oder Arzneimittel Fuumlr andere Stoffe wie Lebensmittelzusatzstoffe oder Kontaminanten war die Bewertung von Mischungen bisher nicht klar gesetzlich reguliert In Zukunft sollen auch diese Stoffe bei einer Bewertung von Mischungen besser beruumlcksichtigt werden Auch soll nicht nur die chemische Zusam-mensetzung eines einzelnen Produktes systematisch bei der Zu-lassung beruumlcksichtigt werden sondern auch Mehrfachruumlckstaumlnde im gesamten Warenkorb den Verbraucherinnen und Verbraucher durchschnittlich zu einer gegebenen Zeit konsumieren Und zu gu-ter Letzt muumlssen die neuen Verfahren weltweit harmonisiert werden um das kumulative Risiko fuumlr Mensch und Umwelt auch angesichts globaler Warenketten gering zu halten Deshalb diskutieren Politik und Wissenschaft zurzeit nicht nur auf europaumlischer Ebene entspre-chende Leitfaumlden auch andere Laumlnder weltweit sowie die Weltge-sundheitsorganisation WHO und die Organisation fuumlr wirtschaftli-che Zusammenarbeit und Entwicklung OECD haben die kumulative Bewertung auf ihre Agenda genommen und stimmen ihre Guidance Documents mit den uumlbrigen Behoumlrden ab

Deutschland wendet die kumulative Bewertung schon an

Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR sind an zahlreichen dieser internationalen Projekte beteiligt sowohl an der wissenschaftlichen Erforschung kumulativer Effekte als auch an der Entwicklung technischer Leitfaumlden Einen wichtigen Schritt bei der kumulativen Bewertung hat Deutschland in der Europaumlischen Uni-

Stufe um Stufe zu einer gesicherten Bewertung

Seit Maumlrz 2017 wird in Deutschland eine Methodik fuumlr die Bewertung von Kumulations- und Synergie-effekten bei der gesundheitlichen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln in den Zulassungsverfahren angewandt Grundlage fuumlr das gestufte kumulative Bewertungsverfahren ist der sogenannte bdquoHazard Quotientldquo (HQ) der fuumlr jeden einzelnen Stoff ermit-telt wird Der HQ errechnet sich aus dem Verhaumlltnis zwischen dem relevanten gesundheitlichen Grenz-wert und der geschaumltzten Exposition

In einer ersten Stufe wird der HQ fuumlr alle Stoffe eines Gemisches einzeln ermittelt Liegt der HQ jedes Stoffes unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko fuumlr die einzelnen Bestandteile der Mischung zu erwarten Liegt dieser bei einzelnen Stoffen uumlber 1 wird gepruumlft ob die Exposition durch geeignete Maszlignahmen weiter vermindert werden kann zum Beispiel durch das Tragen entsprechender Schutz-kleidung

Liegt der HQ fuumlr alle Komponenten unter 1 wird in einer zweiten Stufe der sogenannte bdquoHazard Indexldquo (HI) des Gemisches ermittelt indem alle Gefahren-quotienten der verwendeten Stoffe addiert werden Liegt der ermittelte Wert weiterhin unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko durch das Gemisch zu erwarten

Liegt der HI uumlber 1 geht die Bewertung mit weiter verfeinerten Methoden in die dritte Stufe uumlber In dieser wird gepruumlft ob ein gesundheitliches Risiko vorliegt wenn eine Gruppierung der Einzelstoffe vorgenommen wird Dazu koumlnnen die einzelnen Stoffe in kumulative Bewertungsgruppen (cumula-tive assessment groups CAGs) eingeteilt werden die z B nach Effekten im gleichen Zielorgan oder nach dem gleichen Wirkmechanismus oder nach chemischer Verwandtschaft definiert sein koumlnnen Hintergrund dieser Einteilung ist die Annahme dass sich nach gegenwaumlrtigem Kenntnisstand nur Effek-te addieren die hinsichtlich der Zielorgane oder der Wirkmechanismen (MOA) vergleichbar sind Auch die relative Potenz der einzelnen Stoffe soll bei der verfeinerten Bewertung beruumlcksichtigt werden Liegt der HI innerhalb einer CAG unter 1 ist deshalb kein gesundheitliches Risiko zu erwarten Liegt er oberhalb des Wertes und koumlnnen weder Expositionsschaumltzung noch Gefahrenbewertung weiter verfeinert werden gilt das Gemisch als nicht sicher

Das mehrstufige Verfahren hat den Vorteil dass die ressourcenaufwendigeren Methoden zur verfei-nerten Bewertung z B in vergleichbaren CAGs oder MOAs nur zum Einsatz kommen wenn mit den ersten einfacheren Bewertungsmethoden nicht nachweisbar ist dass kein gesundheitliches Risiko zu erwarten ist

copy T

atom

mis

tock

com

32 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

EuroMix A tiered strategy for risk assessment of mixtures of multiple chemicals

EuroMix ist ein laumlnderuumlbergreifendes Projekt der EU-Kommission das die nie-derlaumlndische Behoumlrde fuumlr Gesundheit und Umweltschutz RIVM koordiniert Es zielt darauf ab eine tierversuchsfreie experi-mentelle Test-Strategie zu entwickeln um die Toxizitaumlt von Gemischen verschiedener toxikologisch relevanter Lebensmittelin-haltsstoffe Lebensmittelkontaminanten und Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde besser zu bestimmen Aus den Forschungsergeb-nissen wird ein Leitfaden fuumlr die kuumlnftige Umsetzung einer experimentellen Test-Stra-tegie entwickelt Das Acht-Millionen-Eu-ro-Projekt laumluft bis Mai 2019

Mehr erfahren wwweuromixprojecteu

Kombinationseffekte Forschungsprojekte des BfR

Am BfR werden in verschiedenen Abteilungen mehrere interne Forschungsprojekte zu Kombinationseffekten durch-gefuumlhrt Dazu gehoumlren u a Forschungsprojekte zu kumulativen Wirkungen in Pflanzenschutzmitteln und Bioziden zu Mehrfachruumlckstaumlnden in Lebensmitteln zur Expositionsschaumltzung sowie zu wirbeltierfreien Alternativmethoden Daruumlber hinaus ist und war das BfR auch an folgenden Drittmittel-Projekten beteiligt die zu Kombinationseffekten forschen

Combiomics Analyse von Kombinationseffekten von Pestiziden in vitro

Combiomics war ein zweieinhalbjaumlhri-ges Projekt des Bundesministeriums fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) das im Fruumlhling 2016 abgeschlossen wurde In dem vom BfR koordinierten Projekt wurden moumlgliche Kombinationswirkungen durch Mehrfachruumlckstaumlnde beispielhaft anhand einer Gruppe von Fungiziden in vitro unter-sucht Dazu wurden die molekularen Effek-te der Triazole mittels multi level omics und praumldiktiver mathematischer Modellierung untersucht Ausgehend von den Ergebnissen wurde ein Praumldiktionsmodell fuumlr Substanz-kombinationen erstellt validiert und auf Pestizide anderer Stoffgruppen bzw weitere Substanzklassen ausgedehnt um Kombi-nationseffekte kuumlnftig weitgehend ohne Tierversuche durchfuumlhrbar zu machen

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschung gt Drittmittelprojekte gt Combiomics

Combiomics 2Auch die zweite Projektphase von Com-biomics wird vom BfR koordiniert Hier sollen erfolgreich getestete Methoden und Zelllinien in Form einer standardisierten In-vitro-Testbatterie validiert und in ein Standardverfahren integriert werden das auch kuumlnftigen regulatorischen Anforde-rungen entspricht Das dreijaumlhrige Projekt wird vom BMBF bis Ende 2019 gefoumlrdert

Mehr erfahren wwwfisaonlinede gt Kombinationseffekte Pestizide

on schon jetzt unternommen Am 1 Maumlrz 2017 erschien im Bundesanzeiger eine Be-kanntmachung dass Kumulations- und Synergieeffekte in der gesundheitlichen Be-wertung von Pflanzenschutzmitteln kuumlnf-tig durch das BfR beruumlcksichtigt werden Damit bezieht Deutschland bei der zonalen Zulassung von Pflanzenschutzmitteln eine systematische kumulative Bewertung ein

Ein Leitfaden zur kumulativen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln wurde am BfR erarbeitet basierend auf den internatio-nalen Diskussionen bei EFSA und ECHA und 2014 veroumlffentlicht Seitdem wird das Verfahren am BfR angewandt uumlberpruumlft und verfeinert Im Kern geht es darum in einem mehrstufigen Verfahren verschie-dene Wirkstoffe in einem Pflanzenschutz-mittel oder in einer beantragten Tankmi-

schung kumulativ zu bewerten (s Kasten) Dazu werden sowohl die Exposition der Anwenderinnen und Anwender als auch die akute Exposition der Verbraucherinnen und Verbraucher betrachtet sodass die am meisten exponierten Gruppen beruumlcksich-tigt sind

Das Ziel Mischungen weltweit harmonisiert zu bewerten

Die Einfuumlhrung der Konzepte zur kumu-lativen Bewertung von Pflanzenschutzmit-teln hat auch in anderen EU-Laumlndern Aus-wirkungen auf die Risikobewertung Wenn Deutschland im zonalen Zulassungsverfah-ren bewertender Mitgliedstaat ist wird das Verfahren grundsaumltzlich angewandt Aber auch in die Bewertungsberichte anderer Laumlnder flieszligt die kumulative Bewertung als

deutscher Kommentar mit ein Durch den fachlichen Austausch zwischen den Mit-gliedstaaten wurde das Konzept in den letz-ten Jahren einem Peer-Review unterzogen Um die Praxis europaweit noch besser zu harmonisieren werden derzeit auszligerdem internationale Workshops organisiert auf denen diskutiert wird wie Mischungen bei der Risikobewertung kuumlnftig beruumlcksichtigt werden sollen Das BfR veranstaltet einen solchen Workshop im November 2017 im Auftrag der Europaumlischen Kommission die Franzoumlsische Behoumlrde fuumlr gesundheitlichen Verbraucher- Umwelt- und Arbeitsschutz (ANSES) einen weiteren im Februar 2018 unter aktiver Beteiligung des BfR

Das Ziel Mischungen weltweit harmoni-siert zu bewerten um Mensch und Umwelt besser zu schuumltzen ruumlckt damit naumlher

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

33012017

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

bdquoZiel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertungldquo Interview mit Herrn Dr Roland Solecki uumlber die Forschungsaktivitaumlten des BfR zu Mehrfachruumlckstaumlnden

Herr Solecki bei Mehrfachruumlckstaumlnden von Pflanzenschutzmitteln sprechen die Medien oft von einem bdquoGiftcocktailldquo Haben Sie Erkenntnisse daruumlber wie groszlig das gesundheitliche Risiko tat-saumlchlich istDas BfR hat dazu gemeinsam mit dem Bun-desministerium fuumlr Ernaumlhrung und Land-wirtschaft und dem Bundesamt fuumlr Ver-braucherschutz und Lebensmittelsicherheit einen Bericht uumlber die kumulativen Wir-kungen von Pflanzenschutzmitteln veroumlf-fentlicht Dieser basiert auf einer Methodik der niederlaumlndischen Behoumlrde fuumlr Gesund-heit und Umweltschutz RIVM Hintergrund ist ein Monitoring das uumlber einen Zeitraum von sechs Jahren in Deutschland durchge-fuumlhrt wurde Darin wurde untersucht wel-che Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde durch-schnittlich uumlber Lebensmittel aufgenommen werden Das Ergebnis war dass auch unter Worst-Case-Annahmen fuumlr die Mischungen von Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnden ein gesundheitliches Risiko unwahrscheinlich ist Die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit EFSA kam in ihrem Monito-ring-Bericht von 2015 fuumlr Gesamteuropa zu einem aumlhnlichen Ergebnis

Sie arbeiten unter anderem bei dem Pro-jekt EuroMix mit Worum geht es dabeiEs handelt sich um ein groszliges Forschungs-projekt der EU-Kommission zur kumulati-ven Bewertung von Mischungen im Rahmen von Horizont 2020 dem Rahmenprogramm der Europaumlischen Union fuumlr Forschung und Innovation Das Projekt hat zum Ziel neue Bewertungsmethoden fuumlr Mischungseffekte zu erarbeiten besonders auch im Hinblick auf Alternativen zu Tierversuchen innovati-ve Wege der Expositionsschaumltzung und Mo-dellierung von kumulativen Risiken Dabei geht es nicht nur um Pflanzenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatzstoffe und andere Chemikalien

Wie ist das BfR da in EuroMix einge-bundenVom BfR arbeiten sowohl die Abteilung Sicherheit von Pestiziden als auch die Ab-teilung fuumlr Lebensmittelsicherheit am Eu-roMix-Projekt mit Waumlhrend die von mir geleitete Abteilung fuumlr die regulative Bewer-tung eingebunden ist werden in der Abtei-lung Lebensmittelsicherheit experimentelle Arbeiten unter anderem zur Lebertoxizitaumlt durchgefuumlhrt in denen auch Kombinatio-nen von Pestiziden mit anderen Lebensmit-telinhaltsstoffen gepruumlft werden

Woran forschen Sie im EuroMix-ProjektWir haben zunaumlchst recherchiert welche gesetzlichen Anforderungen bestehen und wie unterschiedliche Behoumlrden weltweit

Mischungseffekte bewerten Und wir haben Forschungen zu Mischungen durchgefuumlhrt die bestimmte adverse Effekte auf die Leber verursachen Dabei wurden bestimmte Schluumlsselelemente untersucht um daraus ein Konzept fuumlr die Bewertung zu erarbei-ten Jetzt werden die Omics-Untersuchun-gen und andere alternative Pruumlfverfahren noch durch Tierversuche ergaumlnzt sodass wir auch am Gesamtorganismus die Effek-te uumlberpruumlfen koumlnnen Gleichzeitig werden die statistischen Hilfsmittel und die ande-ren elektronisch basierten Tools weiterent-wickelt Auszligerdem folgen noch weitere Stu-dien zur Exposition Die finalen Ergebnisse liegen am Ende des Projekts im Jahr 2019 vor

In welche weiteren europaumlischen Aktivi-taumlten ist das BfR eingebundenDie EFSA hat bereits einige Ansaumltze zur Bewertung der kombinierten Exposition gegenuumlber mehreren Pestiziden und Kon-taminanten bei Menschen sowie mehreren Pestiziden bei Bienen entwickelt Derzeit ist die EFSA damit befasst neue Ansaumltze und Instrumente zur Harmonisierung der Be-wertung von Risiken fuumlr Mensch und Um-welt zu erarbeiten die von der Exposition gegenuumlber mehreren chemischen Stoffen in der Lebensmittelkette ausgehen Ich bin derzeit Mitglied einer Arbeitsgruppe von Sachverstaumlndigen die der Wissenschaftliche Ausschuss der EFSA eingerichtet hat um Leitlinien im Hinblick auf die kombinierte Exposition gegenuumlber mehreren chemi-schen Stoffen zu entwickeln Diese Initiative unter dem Namen bdquoMixToxldquo wird 2018 den Leitfaden in einer oumlffentlichen Konsultation diskutieren

Bei dieser Vielzahl an Aktivitaumlten Wel-ches Ziel haben Sie persoumlnlich vor Au-genDas Ziel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertung von Stoffen in der gesundheitlichen Risikocharakterisie-rung und deren harmonisierte Implemen-tierung in den gesetzlichen Verfahren Dies wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen

bdquoBei den kumulati-ven Risiken geht es nicht nur um Pflan-zenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatz-stoffe und andere Chemikalien

Dr Roland Solecki leitet die Abteilung bdquoSicherheit von Pestizidenldquo am BfR

copy B

fR

34 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

SPEKTRUM

Identifizierung endokriner Disruptoren Vom Grundsatz in die Praxis

Fuumlr Pestizid-Wirkstoffe und andere Chemikalien sind harmonisierte wissenschaftliche Kriterien erforderlich mit denen hormonschaumldigende Substanzen identifiziert werden koumlnnen Das BfR veroumlffentlichte hierzu bereits 2016 ein Konsenspapier als wissenschaftliche Grundlage fuumlr die darauffolgende Arbeit der EU-Behoumlrden Auf legislativer Ebene werden aktuell EU-weit geltende Ver-ordnungen festgelegt um auf wissenschaftlicher Ebene Leitlinien zur regulatorisch harmonisierten Umsetzung dieser Verordnungen zu erarbeiten Mit dieser Aufga-be hat die EU-Kommission die EFSA und die ECHA gemeinsam beauftragt Das BfR unterstuumltzt die Behoumlr-den mit wissenschaftlicher und technischer Expertise indem es die entsprechende Arbeitsgruppe bei der EFSA personell verstaumlrkt sowie Recherchen und Umfragen zur Praktikabilitaumlt von Untersuchungsmethoden durchfuumlhrt Die Publikation der Leitlinien wird fuumlr Fruumlhjahr 2018 erwartet Sie koumlnnen auf Basis der verabschiedeten Ver-ordnungen nach ihrer Implementierung in der Genehmi-gungspraxis angewendet werden

Mehr erfahren Solecki et al 2017 Scientific principles for the identification of endocrine-disrupting chemicals a consensus statement Arch Toxicol 91 1001ndash1006

Insekten-Stopp in Textilien Allergene Wirkung unwahrscheinlich

Das Risiko fuumlr eine Allergie nach dem Kontakt mit Kleidung und Produkten die mit dem Biozid Permethrin behandelt sind ist nach derzeitigem Kenntnisstand unwahrscheinlich Das ist das Ergebnis einer aktuellen Risikobewertung des BfR Gestuumltzt wird das Ergebnis dadurch dass trotz weitverbreiteter Anwendung des Wirkstoffs in Medikamenten und Verbraucherprodukten kein Anstieg der Kontaktallergien gegenuumlber Permethrin zu verzeichnen ist Das Risiko fuumlr kanzero-gene systemische Effekte infolge einer dermalen und oralen Exposition gegenuumlber Permethrin aus Textilien ist nach Ansicht des BfR vernachlaumlssigbar gering Permethrin ist ein biozider Wirkstoff der zum Schutz gegen Insekten in Produkten wie Schlafsaumlcken Picknick- und Yogadecken sowie Teppichen und Kleidung eingesetzt wird Er ist im Chemikalienrecht als sensibilisierend eingestuft ein moumlgliches geringes kanzerogenes Potenzial wird von verschiedenen wissenschaftlichen Gremien diskutiert Der Wirkstoff kann aus Textilien freigesetzt und uumlber die Haut aufgenommen werden Bei kleinen Kindern die viele Produkte in den Mund nehmen kommt eine moumlgliche orale Aufnah-me des Stoffes hinzu

Mehr erfahren Stellungnahme Nr 0062017 des BfR vom 25 April 2017

Wie wirkt Aluminium in Leber und Darm

Aluminium ist in Lebensmitteln Kosmetika und Bedarfsge-genstaumlnden enthalten und kann uumlber die Nahrung aufgenom-men werden Erste Ergebnisse aus dem deutsch-franzoumlsischen Forschungsprojekt bdquoSolNanoToxldquo mit Beteiligung des BfR zeigen dass sich aus der Nahrung aufgenommene Aluminiumverbin- dungen temporaumlr im Darm anreichern Ob und in welchen Men-gen die Partikel weiter in den Koumlrper insbesondere in die Leber gelangen und welche Faktoren ihre Wirkung beeinflussen wird aktuell erforscht Die Forschungsgruppe sieht Anhaltspunkte dafuumlr dass ein Teil der angereicherten Partikel mit dem Stuhl wieder ausgeschieden wird Fuumlr seine Untersuchung simulierte das BfR anhand biologischer Proben die Verdauung verschiede-ner Aluminiumarten vom Mund uumlber den Magen bis zum Darm Mithilfe von Enzymen und Salzen wurden dabei physiologische Parameter wie der pH-Wert gesteuert Waumlhrend des simulierten Verdauungsprozesses veraumlnderten die Aluminiumverbindungen ihre chemische Reaktionsfaumlhigkeit und Loumlslichkeit Die Erkennt-nisse sind ein erster Schritt um den Prozess der Aufnahme Resorption und Verteilung von Aluminium im Koumlrper besser zu verstehen und daraus Daten fuumlr die Risikobewertung abzuleiten Aluminiumverbindungen koumlnnen in zu hohen Dosen toxisch auf das Nervensystem und ungeborenes Leben wirken sowie die Fruchtbarkeit und Knochenentwicklung beeinflussen

copy B

fR

copy c

gsto

cks

hutte

rsto

ckc

om

copy R

osel

ynne

shu

tters

tock

com

35012017

Bei Kleidung ist besonders der Einsatz von Silber-Nanopartikeln weit verbreitet Silber wirkt antibakteriell und soll die Geruchs-bildung durch Schwitzen reduzieren Beim Einsatz von Nanosilber in Kleidungsstuuml-cken ist in erster Linie eine Freisetzung in Schweiszlig und somit ein moumlglicher Hautkon-takt relevant Neben der Frage ob und in welcher Menge Silber prinzipiell aus Texti-lien herausgeloumlst wird beschaumlftigt sich die Forschung mit der Frage welchen Einfluss die Technologie hat mit der Nanosilber auf Textilien aufgetragen bzw eingebracht wird Bisher war zudem unklar inwiefern die Oberflaumlchenbeschichtung der Nano-partikel die Abgabe beeinflusst

Kuumlnstlicher Schweiszlig simuliert Freisetzung

In einem Forschungsprojekt pruumlfte das BfR neun Proben von Textilien die mit Nanosil-ber veredelt waren Als Vergleich diente ein mit konventionellem Silber (hier Silbersalz mit einem Partikeldurchmesser groumlszliger als 100 Nanometer) ausgeruumlstetes Textil Zwei der Textilien waren sogenannte Komposite bei denen Nanosilber in die Faser integriert ist Bei den anderen getesteten Textilien war die Faseroberflaumlche mit Silber-Nano-partikeln bzw in einem Fall mit konventio-nellem Silber beschichtet (Textil-Coating) Um die Abgabe von Silber durch Schwitzen

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

Kleidung wird durch sie wasser- und schmutzabweisend sie blocken UV-Strahlen und mindern Geruumlche Nanoma-terialien haben beliebte funktionelle Eigenschaften Ob sie aufgrund ihrer Winzigkeit gesundheitliche Risiken bergen ist indes noch weitgehend unbekannt In einem Forschungsprojekt uumlber Nanosilber hat das BfR ermittelt ob sich die Kleinstteilchen aus Textilien herausloumlsen und damit zum gesundheitlichen Risiko werden koumlnnen

Nanomaterial

ist ein natuumlrliches bei Prozessen anfallendes oder kuumlnstlich hergestelltes Material das Partikel in ungebundenem Zustand als Aggregat oder als Agglo-merat enthaumllt und bei dem die Mehrheit der Partikel ein oder mehrere Auszligen-maszlige im Bereich unter 100 Nanometer hat In Nanogroumlszlige kann ein Stoff andere Eigenschaften besitzen als wenn er in Form groumlszligerer Partikel vorliegt

copy o

still

shu

tters

tock

com

36 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von Textilfasern Links Nanokomposit bei dem kaum Silberpartikel an der Faseroberflaumlche zu finden sind Mitte und rechts Textilien mit Silbercoating hier befindet sich insgesamt mehr Silber auf der Oberflaumlche

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

zu simulieren wurden die Textilien fuumlr 24 Stunden in einer Schweiszligsimulanz-Louml-sung inkubiert Fuumlr die Auswertung wurde zunaumlchst der gesamte Silbergehalt in den Schweiszligloumlsungen mit massenspektromet-rischen Messmethoden bestimmt In den Proben in denen Silber vorhanden war wurden anschlieszligend mit Zentrifugation und einer speziellen Methode zum Messen von Einzelpartikeln geloumlstes und partikulauml-res Silber unterschieden Im letzten Schritt wurden die Partikelgroumlszligen des vorgefun-denen partikulaumlren Silbers gemessen um nanoskaliges Silber zu identifizieren

Silber aus Kleidung freigesetzt

Die Untersuchung des BfR zeigte dass von jeder Textilprobe Silber in die Schweiszligsi-mulanz-Loumlsung uumlberging je nach geteste-tem Textil zwischen 7 und 75 Prozent des originaumlr in den Textilien enthaltenen Sil-bers Dabei setzten die beschichteten Tex-tilien mehr Silber frei als die Komposite Den houmlchsten abgegebenen Anteil fand das BfR bei dem mit konventionellem Silber beschichteten Textil Die Freisetzung wird demnach staumlrker durch die Technologie der Veredelung bestimmt als durch die im Tex-til enthaltene Menge Auszligerdem scheint die Abgaberate von Silber aus Nanosilber im Vergleich zu konventionellem Silber nicht erhoumlht zu sein

In der Schweiszligloumlsung lag das freigesetzte Silber uumlberwiegend geloumlst vor Partikulaumlres Silber fand sich nur zum geringeren Teil dann jedoch auch im Nanometerbereich Ob es sich dabei um einzelne Nanoparti-kel handelt oder ob das Silber an groumlszligere Partikel gebunden ist muss in weiteren Untersuchungen uumlberpruumlft werden Nach

derzeitigem wissenschaftlichem Kennt-nisstand geht man davon aus dass sich Nanopartikel im Koumlrper anders verhalten als groumlszligere Partikel Uumlberraschenderweise detektierte die Forschungsgruppe auch in den Schweiszligsimulanzien der mit konven-tionellem Silber beschichteten Textilien partikulaumlres Silber in Nanogroumlszlige Das Vor-kommen von Silberpartikeln scheint also nicht davon abhaumlngig zu sein ob das Silber in Nano- oder konventioneller Form auf das Textil aufgebracht wurde

In einer parallelen Untersuchung fanden die Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler heraus dass zudem die Beschaffenheit der Nanopartikel beispielsweise in Form einer speziellen Beschichtung ihre Loumlslichkeit in der Schweiszligloumlsung beeinflusst

Art der Beschichtung relevant

Silber wird demnach aus Textilien freige-setzt in geringen Teilen sogar in partiku- laumlrer Form Die gewaumlhlte Form der Tex-tilfunktionalisierung aber auch die Be-schaffenheit der Nanopartikel stellen dabei wichtige Kriterien fuumlr das Freisetzungsver-halten dar Solche Erkenntnisse sind vor al-lem fuumlr den sicheren Einsatz von Nanoma-terialien in Alltagsprodukten wichtig weil die Exposition des Menschen gegenuumlber derartigen Stoffen moumlglichst klein gehalten werden sollte Auszligerdem geben sie Hin-weise in welcher Anwendungsform Nano-materialien im verbrauchernahen Bereich sicher eingesetzt werden koumlnnen

Mehr erfahren Wagener et al 2016 Textile Functionalization and Its Effects on the Release of Silver Nanoparticles into Artificial Sweat Environ Sci Technol 50 11 5927ndash5934

Per Flugzeitmassenspek-trometer laumlsst sich Silber auf beschichteten Textil-fasern detektieren

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

NANOPARTIKEL

37012017

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

38 BfR 2 GO

Neuer Ansatz fuumlr Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

Spiegelbild gesucht

Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR zeigt einen neuen Ansatz um mithilfe von Genexpressionsdaten das geeignete Tiermodell fuumlr die Grundlagenforschung oder fuumlr spezifische klinische Fra-gestellungen zu identifizieren Damit koumlnnen zukuumlnftig unnoumltige Tierversu-che vermieden werden Hamburger Wissenschaftsbehoumlrden wuumlrdigten die Erkenntnisse mit einem Forschungspreis

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

39012017

Fragestellung

Vergleich

Auswahl

z B bdquoMit welchem Mausmodell koumlnnen die Ursachen von Alzheimer erforscht werdenldquo

Vergleich von vorhandenen Omics-Expressionsdaten von Mensch und Tier

Auswahl des geeigneten Modells

1

2

3

Geeignete Tiermodelle identifizieren

An Tiermodellen werden zahlreiche biologische Prozesse und Krankheiten wie Wund-

heilung Diabetes Tumoren oder entzuumlndliche Erkrankungen erforscht Durch den

Vergleich der Omics-Expressionsdaten von Tiermodell und Mensch koumlnnen geeignete

Modelle fuumlr die jeweilige Fragestellung identifiziert werden

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

40 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Verlaumluft ein entzuumlndlicher Prozess bei Maumlusen aumlhnlich wie beim Menschen Sind Maumluse daher geeignete Ver-

suchstiere fuumlr Tests von antientzuumlndlichen Substanzen Um Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung in den klinischen Alltag zu uumlberfuumlhren ndash Aufgabengebiet der translationalen Forschung ndash werden wissen-schaftliche Fragestellungen oft in Tierversu-chen erprobt Ob und inwieweit die Ergeb-nisse auf den Menschen uumlbertragbar sind ist dabei immer wieder Gegenstand kontrover-ser Diskussionen Geeignete Methoden mit denen die Wissenschaft Tiermodelle mit op-timaler Uumlbertragbarkeit auf den Menschen auswaumlhlen kann wuumlrden dem wissenschaft-lichen Fortschritt helfen und die Zahl der Tierversuche reduzieren Es geht dabei um die Frage welches Tiermodell am besten das menschliche System widerspiegelt

Vergleichbarkeit von Genom- daten fehleranfaumlllig

Als Grundlage fuumlr diese Uumlberlegungen die-nen Daten aus modernen bioanalytischen Hochdurchsatzverfahren Immer haumlufiger setzt die Wissenschaft auf diese sogenannten Omics-Technologien die die Gesamtheit aller Gene und ihrer Produkte analysieren ndash sowohl beim Tier als auch beim Menschen Mit ihnen lassen sich molekulare Prozesse in lebenden Systemen umfassend darstel-len indem sie beispielsweise die Interaktion hunderter bis tausender Genprodukte zei-gen Die Analyse dieser zunehmend kom-plexen Omics-Datensaumltze stellt die Wissen-schaft jedoch vor Probleme da das Vorgehen dazu nicht standardisiert ist Die Interpreta-tion der Ergebnisse ist bisher meist von der Kompetenz der Durchfuumlhrenden und von der angewandten Methode abhaumlngig Im Ergebnis war die Entscheidung zur Frage der Uumlbertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen fehleranfaumlllig und die Suche nach

geeigneten Tiermodellen erschwert Die ge-ringe Standardisierung der Interpretation von Omics-Daten fuumlhrte in Forschungs-kreisen bereits zu widerspruumlchlichen Er-gebnissen so zum Beispiel bei zwei Studien aus den Jahren 2013 und 2015 die sich mit der Vergleichbarkeit von entzuumlndlichen Er-krankungen beim Menschen und gaumlngigen Mausmodellen beschaumlftigten Waumlhrend eine Forschungsgruppe im Jahr 2013 schlussfol-gerte dass entzuumlndliche Prozesse zwischen Mensch und Maus nicht vergleichbar seien kam eine andere Gruppe zwei Jahre spaumlter anhand der gleichen Omics-Daten zum ge-genteiligen Schluss Die Maus reagiere auf der molekularen Ebene sehr aumlhnlich wie der Mensch und sei daher als Tiermodell sehr nuumltzlich fuumlr die Erforschung menschlicher Erkrankungen Zwar ist es nicht ungewoumlhn-lich dass Ergebnisse von Studien unter-schiedlich eingeschaumltzt werden ndash allerdings selten auf Basis der gleichen Daten

Motivation des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR war es diese Widerspruumlche aufzuklaumlren und einen standardisierten und zielgerichteten Analyseansatz zu entwickeln der die Suche nach geeigneten Tiermodellen vereinfacht und somit unnoumltige Tierversuche vermei-den hilft Es gehoumlrt zu den Kernaufgaben des Bf3R bundesweit alle Aktivitaumlten zu koordi-nieren mit den Zielen Tierversuche auf das unerlaumlssliche Maszlig zu beschraumlnken und fuumlr Versuchstiere den bestmoumlglichen Schutz zu gewaumlhrleisten Die Aufgaben des Bf3R wer-den vom BfR wahrgenommen

Genomdaten von Tier und Mensch gezielt vergleichen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler des Bf3R haben die Omics-Daten aus den beiden erwaumlhnten widerspruumlchlichen Studien mithilfe hochperformanter Com-

puter nochmals systematisch ausgewertet Dabei wurden zunaumlchst die zu verglei-chenden Gene gruppenweise biologischen Prozessen zugeordnet die wesentlich fuumlr ein Entzuumlndungsgeschehen sind Diese Gene Set Enrichment Analysis (GSEA) ge-nannte Methode greift auf umfangreiche in oumlffentlichen Datenbanken hinterlegte Genomdaten gaumlngiger Tiermodelle und von Erkrankten zuruumlck Mit ihrer Heran-gehensweise konnten die Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler des BfR an-schlieszligend Veraumlnderungen auf der Ebene pathologischer Signalwege erkennen und Unterschiede zwischen Tiermodell und Mensch identifizieren Da der Groszligteil der untersuchten Genprodukte haumlufig nur geringfuumlgig veraumlndert war konnten bei der Analyse auf Ebene vollstaumlndiger bio-logischer Signalwege alle Gene einbezogen und Aumlnderungen in der Gesamtheit eines biologischen Signalwegs bewertet werden Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu bisherigen Analyseansaumltzen da fuumlr die Klauml-rung translationaler Fragestellungen bisher haumlufig willkuumlrlich und subjektiv Gene von Mensch und Tiermodell fuumlr einen direkten Eins-zu-eins-Vergleich ausgewaumlhlt wurden

Die systematische Auswertung des Bf3R zeigte dass die Ergebnisse beim vorlie-genden Genomdatenvergleich bei einigen Mausmodellen gut mit den beim Menschen ermittelten Daten uumlbereinstimmten Bei an-deren Mausmodellen hingegen war es nicht so So aumlhnelt das Entzuumlndungsgeschehen bei Maumlusen die mit Staphylococcus aureus (Staphylococcus-aureus-Injektionsmodell) infiziert sind oder eine Darmperforation (Cecal-ligation-and-puncture-Modell) erfah-ren den meisten klinischen Proben Hin-gegen verlaufen Erkrankungen die durch Lipopolysaccharide (LPS) und Streptococcus pneumoniae verursacht werden bei Mensch und Maus verschieden

Omics

Der Terminus beschreibt Methoden zur

Analyse komplexer biologischer Proben

auf der Ebene des gesamten Genoms

von Transkripten Proteinen oder Meta-

boliten

41012017

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

Forschungsansatz hilft Tierversuche zu reduzieren

Die Methode der Datenanalyse mittels GSEA-Ansatz erleichtert es Forschungs-gruppen zukuumlnftig zielgerichtet und stan-dardisiert das optimale Tiermodell aus-zuwaumlhlen das am besten die menschliche Situation abbildet Voraussetzung dafuumlr ist die Existenz von Omics-Daten zur klini-schen Fragestellung sowie zu den infrage kommenden Tierversuchen Dies ist bereits fuumlr eine Vielzahl von Tiermodellen sowie von humanen Erkrankungen der Fall neben Entzuumlndungserkrankungen beispielsweise fuumlr Herz-Kreislauf-Erkrankungen Krebser-krankungen Atemwegserkrankungen Stoff-wechselerkrankungen und neurologische Erkrankungen Aufgrund der vermehrten Verwendung von Omics-Methoden kann davon ausgegangen werden dass stetig wei-tere systembiologische Daten ermittelt und veroumlffentlicht werden Die vom Bf3R ange-wandte Methode wird daher weiterhin bei der gezielten Auswahl von Tiermodellen nuumltzlich sein

Das Verfahren kann in der Grundlagen-forschung sowie in der translationalen und angewandten Forschung eingesetzt werden Diese Bereiche machten 2015 nach Anga-ben des Bundesministeriums fuumlr Ernaumlh-rung und Landwirtschaft mit insgesamt 73 Prozent den groumlszligten Teil der Tierversuche aus Ein Groszligteil davon entfaumlllt auf Maumluse Ratten und zunehmend auch auf Fische Grundsaumltzlich kann die neue Methode zur Auswahl des geeigneten Versuchstiermo-dells bzw zum Ausschluss nicht geeigneter Versuchstiermodelle bei jeglichen Tierver-suchen in diesen Bereichen genutzt werden Analog zu den Versuchstierzahlen liegen derzeit die meisten Omics-Daten fuumlr Maus und Ratte vor So sind beispielsweise allein in der oumlffentlichen NCBI GEO-Datenbank (National Center for Biotechnology Informa-tion Gene Expression Omnibus) derzeit Da-ten zu ca 340000 Maus-Proben und 75000 Ratte-Proben gelistet

Methode identifiziert geeignete Zellkulturmodelle

Dabei ist die Methode des Bf3R nicht auf humane und murine Datensaumltze beschraumlnkt sondern kann auf alle weiteren Spezies an-gewandt werden fuumlr die umfangreiche Da-tenbanken zu biologischen Signalwegen oder Gengruppen vorliegen Auch fuumlr die Beurteilung von zellbasierten Alternativ-methoden kann der neue Forschungsansatz

herangezogen werden Durch einen system-biologischen Abgleich der klinischen Daten mit Omics-Daten aus beispielsweise neuar-tigen 3D-Zellkulturen oder organaumlhnlichen Mikrostrukturen wird die Charakterisierung und Verifizierung von zellbasierten Alterna-tivmethoden ermoumlglicht

Praumlmierte Forschungsleistung

Fuumlr ihre Forschung erhielten die Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR 2016 den Hamburger Forschungspreis zur Foumlrderung der Entwicklung von Ersatz- und

Ergaumlnzungsmethoden Die Auszeichnung wurde zum erstem Mal von den Hamburger Behoumlrden fuumlr Gesundheit und Verbraucher-schutz sowie fuumlr Wissenschaft Forschung und Gleichstellung mit einem Foumlrderpreis in Houmlhe von 20000 Euro ausgeschrieben Der Preis wird fuumlr Arbeiten vergeben die einen Beitrag leisten Tierversuche zu ersetzen oder zu minimieren

Mehr erfahrenWeidner et al 2016 Defining the optimal animal model for translational research using gene set enrichment analysis EMBO Molecular Medicine 8 8 831ndash838

Wofuumlr Versuchstiere in Deutschland eingesetzt werden

630255Herstellung und Qualitaumlts-kontrolle medizinischer Produkte toxikologische Sicherheitspruumlfungen

22

59

14 5

1643259Grundlagenforschung

144997sonstige Zweckez B Zucht Aus- und Weiterbildung

381450translationale und angewandte Forschung

Que

lle B

unde

smin

iste

rium

fuumlr E

rnaumlh

rung

und

Lan

dwirt

scha

ft V

ersu

chst

ierz

ahle

n 20

15

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

42 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Alternativen zu Tierversuchen Forschung regional buumlndeln

Eine individualisierte Schmerztherapie fuumlr Versuchsmaumluse und eine Verringerung von Tierexperimenten zum Test der Inhala- tionstoxizitaumlt von Nanomaterialien (siehe rechte Spalte) ndash hierzu sollen die ersten Arbeitsergebnisse des BfR im Berlin-Bran-denburgischen Verbundprojekt BB3R zukuumlnftig beitragen Das Netzwerk aus Universitaumlten und Bundesinstitutionen forscht um Tierversuche zu vermeiden (Replacement) bzw zu verringern (Reduction) sowie das Leiden von Versuchstieren zu vermindern (Refinement) Das BfR ist als einer von sechs Verbundpartnern in den Bereichen der Refinement- und Replacement-Forschung beteiligt Das Bundesforschungsministerium foumlrdert das mit BB3R abgekuumlrzte Projekt fuumlr vier Jahre bis Fruumlhjahr 2018 es ist als Plattform fuumlr den wissenschaftlichen Austausch konzipiert und integriert ein Graduiertenkolleg

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschungwwwbb3rde

Belastung von Laborfischen erkennen

Koumlrperbau

Koumlrpermerkmale

Verhaltenkreisendes Schwimmen

Belastung von Laborfischen erkennen

Ob Laborfische Schmerzen empfinden oder leiden laumlsst sich mithilfe konkreter Kriterien beurteilen Die Vorarbeiten hierzu koordinierte der bdquoNationale Ausschuss zumSchutz von fuumlr wissenschaftliche Zweckeverwendeten Tierenldquo am BfR gemeinsam mit externen Sachverstaumlndigen und Beauf-tragten von Genehmigungsbehoumlrden Die erstmals definierten Kriterien bewerten unter anderem Auffaumllligkeiten im Koumlrper-bau sowie im Verhalten der Tiere Schmer-zen und Leiden koumlnnen so gezielt behandelt und gelindert werden Da die Frage der Belastung der Tiere anhand der Kriterien eindeutig geklaumlrt werden kann dienen sie zudem als Entscheidungshilfe fuumlr Behoumlr-den welche die Zucht belasteter genetisch veraumlnderter Tiere genehmigen muumlssen Fische insbesondere Zebrafische sind nach Maumlusen und Ratten die am dritthaumlufigsten verwendete Versuchstierart Die Zahl der Versuchsfische hat in den letzten Jahren stetig zugenommen

Mehr erfahren Bert et al 2016 Considerations for aEuropean animal welfare standard toevaluate adverse phenotypes in teleost fish EMBO J 35 11 1151ndash1154Empfehlung des Nationalen Ausschusses TierSchG Nr 0012015

Test der Inhalationstoxizitaumlt von Nanomaterialien

Die Einatmung gilt als wichtigster Aufnahmeweg fuumlr Nanomaterialien Im Rahmen der BB3R-Forschung bildet das BfR diese Art der Exposition mit In-vitro- Atemwegsepithelmodellen an ihrer Grenzflaumlche zur Luft ab Dieser Ansatz zum Test der Inhalationstoxi-zitaumlt hilft Anzahl und Umfang von Tierversuchen zu verringern

Versuchsaufbau Drei Roumlhrchen leiten ein Testaerosol mit luftgetragenen Nanomaterialien auf Epithelzellen

SPEKTRUM

copy B

fR

43012017

Jubilaumlumsfeier und internationales Symposium

Am 29 November 2017 feiert das BfR sein 15-jaumlh-riges Bestehen mit einem Festakt Geplant ist eine Feier mit ausgewaumlhlten Gaumlsten in der Akademie der Kuumlnste Anschlieszligend findet vom 30 Novem-ber bis zum 01 Dezember 2017 das gemeinsame internationale Symposium des BfR und seiner Schwesterinstitutionen aus Daumlnemark (DTU Food) und Frankreich (ANSES) sowie der suumldko-reanischen Behoumlrde fuumlr Lebens- und Arzneimittel-sicherheit (NIFDS) statt Unter dem Motto bdquoPast Present and Future Challenges in Risk Assessment ndash Strengthening Consumer Health Protectionldquo werden die letzten anderthalb Jahrzehnte Risikobewer-tung betrachtet Daruumlber hinaus werden aktuelle Aktivitaumlten sowie zukuumlnftige Herausforderungen des Verbraucherschutzes wie mikrobiologische Erreger chemische Substanzen Methoden und Harmonisierung auf nationaler wie internationa-ler Ebene diskutiert

VERANSTALTUNGEN

Nachwuchs foumlrdern

Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu foumlr-dern baut das BfR wissenschaftliche Nachwuchs-gruppen zu bestimmten Schwerpunktthemen auf Die bereits 2015 eingerichtete Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Warenketteldquo wird im Herbst 2017 durch einen weiteren Dokto-randen verstaumlrkt

Verstaumlrkung im Versuchstierschutz

Seit dem 1 April 2017 staumlrkt die Berufung von Herrn Universitaumltsprofessor Dr Lars Lewejo-hann den Kompetenzbereich bdquoVerminderung der Belastung und Verbesserung der Lebenssitua-tionldquo des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) Neben der Leitung der Fachgruppe bdquoTierschutz und Versuchstierkundeldquo im BfR wird Lars Lewejohann sein Wissen und neue Erkenntnisse als Hochschullehrer fuumlr bdquoTier-schutz mit dem Schwerpunkt Refinementldquo an der veterinaumlrmedizinischen Fakultaumlt der Freien Universitaumlt Berlin an Studierende und Doktoran-den weitergeben

PERSONALIEN

Alternativmethode zum Tierversuch bdquoKnochen-auf-dem-Chipldquo

Im Mai 2017 fand bei der Gemeinsamen For-schungsstelle (GFS)Joint Research Centre (JRC) der Generaldirektion (Directorate General) der Europaumlischen Kommission eine Summer School zu alternativen Ansaumltzen zum Tierversuch fuumlr die Risikobewertung in Ispra (Italien) statt Dort wurde Herr Dr Ing Frank Schulze aus der BfR-Fachgruppe bdquoZEBET ndash Alternativmethoden zu Tierversuchenldquo fuumlr seine Praumlsentation und das dazugehoumlrige Poster zum Thema bdquoEin Knochen-auf-dem-Chip fuumlr die Grundlagenwissenschaft und die Identifizierung von knochenschaumldigen-den Substanzenldquo mit einem Posterpreis (1 Platz) ausgezeichnet

copy B

fR

copy p

rivat

INSTITUTSLEBEN

44 BfR 2 GO

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

Wenn von Paradigmenwechseln die Rede ist findet meist ein grundlegendes Umdenken statt In der Risikobewertung von Chemikalien habe ein Paradigmenwechsel stattge-

funden der die traditionelle Einzelsubstanz-Bewertung hinter sich lasse schrieben BfR-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler vor einiger Zeit Man koumlnnte meinen in der Toxikologie wird der Paracelsus-Satz kuumlnftig umgeschrieben Nicht nur die Dosis son-dern auch die Aufsummierung der Dosierungen in einer Mischung macht das Gift

Gift- oder Todescocktail ndash plakative Medienbegriffe

Denn tatsaumlchlich In den letzten Jahren beschaumlftigen sich weltweit immer mehr Gremien politische Ausschuumlsse und Forschungspro-jekte mit der Frage wie man die Auswirkungen von Mischungen auf Umwelt und Gesundheit kuumlnftig bewerten kann Auch in der Oumlffentlichkeit wird das Thema emotional verhandelt Chemikali-enmix Gift- oder sogar Todescocktail ndash mit plakativen Begriffen umschreiben Medien das Phaumlnomen der Mehrfachruumlckstaumlnde Entsprechend tief sitzt die Angst bei Verbraucherinnen und Ver-brauchern In einer vom BfR in Deutschland durchgefuumlhrten re-praumlsentativen Wahrnehmungsstudie vermuten 80 Prozent der Befragten dass der Einsatz mehrerer unterschiedlicher Pflanzen-schutzmittel zu gesundheitlichen Beeintraumlchtigungen durch Le-bensmittel fuumlhren kann

Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck sein

Zwar zeigen verschiedene aktuelle Monitoring-Projekte dass das gesundheitliche Risiko durch Mehrfachruumlckstaumlnde von Pflanzen-schutzmitteln unwahrscheinlich ist (s Interview) aber das Thema bleibt auch fuumlr die Wissenschaft draumlngend Denn auch wenn Mi-schungen schon seit Jahrzehnten wissenschaftlich analysiert und bewertet werden das Beduumlrfnis nach einer zuverlaumlssigen Bewertung der Risiken fuumlr Mensch und Umwelt steigt Grund dafuumlr ist zum einen die Vielzahl immer neuer Wirkstoffe Zusatzstoffe Chemika-lien Ruumlckstaumlnde und Kontaminanten gegenuumlber denen Menschen exponiert sind verbunden mit immer verfeinerten wissenschaftli-chen Nachweismethoden Zum anderen steigt der Druck aus der Oumlffentlichkeit Um wissenschaftliche Divergenzen zu vermeiden muumlssen transparente und international harmonisierte Verfahren entwickelt werden Mischungseffekte sollen kein blinder Fleck in der Risikobewertung sein

Alle Gemische im Tierversuch zu testen ist nicht durchfuumlhrbar

Worum geht es im Einzelnen Mischungen liegen immer dann vor wenn ein Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt verschiedene Stoffe gleichzeitig aufnimmt z B Ruumlckstaumlnde Kontaminanten oder Chemikalien die nach der Europaumlischen Chemikalienverordnung REACH registriert sind Das geschieht wenn sogenannte intentional mixtures also beabsichtigte Mischungen wie Pflanzenschutzmittel oder Biozide in den Verkehr gebracht werden Aber auch unintenti-onal mixtures nimmt der Koumlrper auf Sei es dass verschiedene Stoffe in einem Produkt enthalten sind z B mehrere Pflanzenschutzmit-telruumlckstaumlnde in einem Apfel Oder sei es dass Stoffe gleichzeitig uumlber unterschiedliche Produkte aufgenommen werden In all diesen Faumlllen koumlnnen Mischungseffekte auftreten Diese sind je nach Wirk-mechanismus unterschiedlich stark ausgepraumlgt So koumlnnen sich die Wirkungen von Stoffen gegenseitig potenzieren oder auch aufheben Nach derzeitigem Kenntnisstand wird davon ausgegangen dass sich Wirkungen in der Regel addieren wenn die aufgenommenen Stoffe oberhalb der Wirkschwelle liegen den gleichen Wirkmechanismus haben und zu einem relevanten Zeitpunkt vom Organismus aufge-nommen wurden

Hier beginnen die Schwierigkeiten Es gibt zu viele intentional mix-tures die eine nahezu unuumlbersehbar groszlige Anzahl von Kombinati-onen ermoumlglichen Diese Gemische alle im Tierversuch zu testen wie sonst bei Einzelsubstanzen uumlblich waumlre sowohl ethisch nicht zu vertreten als auch praktisch nicht durchfuumlhrbar Daher arbeiten viele Forschungsprojekte u a der EU-Kommission daran tierversuchs-freie Methoden fuumlr die kumulative Bewertung zu entwickeln die die Effekte von Mischungen in vitro oder durch computergestuumltzte Be-rechnungen in silico berechnen (s Interview und Kasten)

Weltweit setzen Laumlnder das Thema auf ihre Agenda

Nicht nur fuumlr die Wissenschaft auch fuumlr den harmonisierten Voll-zug von Gesetzen ergeben sich dadurch neue Herausforderungen So schreibt z B die EU-Verordnung uumlber das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vor Kumulations- und Synergieeffekte zu be-ruumlcksichtigen ndash sofern es von der Behoumlrde anerkannte wissenschaft-liche Methoden zur Messung solcher Effekte gibt Doch die lagen bisher nicht vor Deshalb werden nun auf allen Ebenen technische Leitfaumlden fuumlr die neuen Methoden erstellt um eine harmonisierte

Auf die Mischung kommt es anKumulative Risikobewertung nimmt weltweit eine immer groumlszligere Bedeu-tung in der Toxikologie ein Das BfR arbeitet an einer Vielzahl von Projek-ten wie Mischungen in Zukunft bewertet werden koumlnnen

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

31012017

Vorgehensweise und transparente Nachvollziehbarkeit bei der Zu-lassung von Produkten zu gewaumlhrleisten Unter anderem die EFSA die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmittelsicherheit die Europauml-ische Chemikalienagentur ECHA und das JRC die Gemeinsame Forschungsstelle der Europaumlischen Kommission erarbeiten solche technischen Leitfaumlden

Neben der wissenschaftlichen Komplexitaumlt muumlssen diese techni-schen Leitfaumlden weitere Herausforderungen meistern Sie sollen fuumlr alle Bereiche gelten in denen Mischungen in Verkehr gebracht werden oder entstehen koumlnnen Bisher wurden Mischungen haumlufig nur in einem regulatorischen Bereich untersucht z B als Pflan-zenschutzmittel Biozid oder Arzneimittel Fuumlr andere Stoffe wie Lebensmittelzusatzstoffe oder Kontaminanten war die Bewertung von Mischungen bisher nicht klar gesetzlich reguliert In Zukunft sollen auch diese Stoffe bei einer Bewertung von Mischungen besser beruumlcksichtigt werden Auch soll nicht nur die chemische Zusam-mensetzung eines einzelnen Produktes systematisch bei der Zu-lassung beruumlcksichtigt werden sondern auch Mehrfachruumlckstaumlnde im gesamten Warenkorb den Verbraucherinnen und Verbraucher durchschnittlich zu einer gegebenen Zeit konsumieren Und zu gu-ter Letzt muumlssen die neuen Verfahren weltweit harmonisiert werden um das kumulative Risiko fuumlr Mensch und Umwelt auch angesichts globaler Warenketten gering zu halten Deshalb diskutieren Politik und Wissenschaft zurzeit nicht nur auf europaumlischer Ebene entspre-chende Leitfaumlden auch andere Laumlnder weltweit sowie die Weltge-sundheitsorganisation WHO und die Organisation fuumlr wirtschaftli-che Zusammenarbeit und Entwicklung OECD haben die kumulative Bewertung auf ihre Agenda genommen und stimmen ihre Guidance Documents mit den uumlbrigen Behoumlrden ab

Deutschland wendet die kumulative Bewertung schon an

Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR sind an zahlreichen dieser internationalen Projekte beteiligt sowohl an der wissenschaftlichen Erforschung kumulativer Effekte als auch an der Entwicklung technischer Leitfaumlden Einen wichtigen Schritt bei der kumulativen Bewertung hat Deutschland in der Europaumlischen Uni-

Stufe um Stufe zu einer gesicherten Bewertung

Seit Maumlrz 2017 wird in Deutschland eine Methodik fuumlr die Bewertung von Kumulations- und Synergie-effekten bei der gesundheitlichen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln in den Zulassungsverfahren angewandt Grundlage fuumlr das gestufte kumulative Bewertungsverfahren ist der sogenannte bdquoHazard Quotientldquo (HQ) der fuumlr jeden einzelnen Stoff ermit-telt wird Der HQ errechnet sich aus dem Verhaumlltnis zwischen dem relevanten gesundheitlichen Grenz-wert und der geschaumltzten Exposition

In einer ersten Stufe wird der HQ fuumlr alle Stoffe eines Gemisches einzeln ermittelt Liegt der HQ jedes Stoffes unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko fuumlr die einzelnen Bestandteile der Mischung zu erwarten Liegt dieser bei einzelnen Stoffen uumlber 1 wird gepruumlft ob die Exposition durch geeignete Maszlignahmen weiter vermindert werden kann zum Beispiel durch das Tragen entsprechender Schutz-kleidung

Liegt der HQ fuumlr alle Komponenten unter 1 wird in einer zweiten Stufe der sogenannte bdquoHazard Indexldquo (HI) des Gemisches ermittelt indem alle Gefahren-quotienten der verwendeten Stoffe addiert werden Liegt der ermittelte Wert weiterhin unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko durch das Gemisch zu erwarten

Liegt der HI uumlber 1 geht die Bewertung mit weiter verfeinerten Methoden in die dritte Stufe uumlber In dieser wird gepruumlft ob ein gesundheitliches Risiko vorliegt wenn eine Gruppierung der Einzelstoffe vorgenommen wird Dazu koumlnnen die einzelnen Stoffe in kumulative Bewertungsgruppen (cumula-tive assessment groups CAGs) eingeteilt werden die z B nach Effekten im gleichen Zielorgan oder nach dem gleichen Wirkmechanismus oder nach chemischer Verwandtschaft definiert sein koumlnnen Hintergrund dieser Einteilung ist die Annahme dass sich nach gegenwaumlrtigem Kenntnisstand nur Effek-te addieren die hinsichtlich der Zielorgane oder der Wirkmechanismen (MOA) vergleichbar sind Auch die relative Potenz der einzelnen Stoffe soll bei der verfeinerten Bewertung beruumlcksichtigt werden Liegt der HI innerhalb einer CAG unter 1 ist deshalb kein gesundheitliches Risiko zu erwarten Liegt er oberhalb des Wertes und koumlnnen weder Expositionsschaumltzung noch Gefahrenbewertung weiter verfeinert werden gilt das Gemisch als nicht sicher

Das mehrstufige Verfahren hat den Vorteil dass die ressourcenaufwendigeren Methoden zur verfei-nerten Bewertung z B in vergleichbaren CAGs oder MOAs nur zum Einsatz kommen wenn mit den ersten einfacheren Bewertungsmethoden nicht nachweisbar ist dass kein gesundheitliches Risiko zu erwarten ist

copy T

atom

mis

tock

com

32 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

EuroMix A tiered strategy for risk assessment of mixtures of multiple chemicals

EuroMix ist ein laumlnderuumlbergreifendes Projekt der EU-Kommission das die nie-derlaumlndische Behoumlrde fuumlr Gesundheit und Umweltschutz RIVM koordiniert Es zielt darauf ab eine tierversuchsfreie experi-mentelle Test-Strategie zu entwickeln um die Toxizitaumlt von Gemischen verschiedener toxikologisch relevanter Lebensmittelin-haltsstoffe Lebensmittelkontaminanten und Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde besser zu bestimmen Aus den Forschungsergeb-nissen wird ein Leitfaden fuumlr die kuumlnftige Umsetzung einer experimentellen Test-Stra-tegie entwickelt Das Acht-Millionen-Eu-ro-Projekt laumluft bis Mai 2019

Mehr erfahren wwweuromixprojecteu

Kombinationseffekte Forschungsprojekte des BfR

Am BfR werden in verschiedenen Abteilungen mehrere interne Forschungsprojekte zu Kombinationseffekten durch-gefuumlhrt Dazu gehoumlren u a Forschungsprojekte zu kumulativen Wirkungen in Pflanzenschutzmitteln und Bioziden zu Mehrfachruumlckstaumlnden in Lebensmitteln zur Expositionsschaumltzung sowie zu wirbeltierfreien Alternativmethoden Daruumlber hinaus ist und war das BfR auch an folgenden Drittmittel-Projekten beteiligt die zu Kombinationseffekten forschen

Combiomics Analyse von Kombinationseffekten von Pestiziden in vitro

Combiomics war ein zweieinhalbjaumlhri-ges Projekt des Bundesministeriums fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) das im Fruumlhling 2016 abgeschlossen wurde In dem vom BfR koordinierten Projekt wurden moumlgliche Kombinationswirkungen durch Mehrfachruumlckstaumlnde beispielhaft anhand einer Gruppe von Fungiziden in vitro unter-sucht Dazu wurden die molekularen Effek-te der Triazole mittels multi level omics und praumldiktiver mathematischer Modellierung untersucht Ausgehend von den Ergebnissen wurde ein Praumldiktionsmodell fuumlr Substanz-kombinationen erstellt validiert und auf Pestizide anderer Stoffgruppen bzw weitere Substanzklassen ausgedehnt um Kombi-nationseffekte kuumlnftig weitgehend ohne Tierversuche durchfuumlhrbar zu machen

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschung gt Drittmittelprojekte gt Combiomics

Combiomics 2Auch die zweite Projektphase von Com-biomics wird vom BfR koordiniert Hier sollen erfolgreich getestete Methoden und Zelllinien in Form einer standardisierten In-vitro-Testbatterie validiert und in ein Standardverfahren integriert werden das auch kuumlnftigen regulatorischen Anforde-rungen entspricht Das dreijaumlhrige Projekt wird vom BMBF bis Ende 2019 gefoumlrdert

Mehr erfahren wwwfisaonlinede gt Kombinationseffekte Pestizide

on schon jetzt unternommen Am 1 Maumlrz 2017 erschien im Bundesanzeiger eine Be-kanntmachung dass Kumulations- und Synergieeffekte in der gesundheitlichen Be-wertung von Pflanzenschutzmitteln kuumlnf-tig durch das BfR beruumlcksichtigt werden Damit bezieht Deutschland bei der zonalen Zulassung von Pflanzenschutzmitteln eine systematische kumulative Bewertung ein

Ein Leitfaden zur kumulativen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln wurde am BfR erarbeitet basierend auf den internatio-nalen Diskussionen bei EFSA und ECHA und 2014 veroumlffentlicht Seitdem wird das Verfahren am BfR angewandt uumlberpruumlft und verfeinert Im Kern geht es darum in einem mehrstufigen Verfahren verschie-dene Wirkstoffe in einem Pflanzenschutz-mittel oder in einer beantragten Tankmi-

schung kumulativ zu bewerten (s Kasten) Dazu werden sowohl die Exposition der Anwenderinnen und Anwender als auch die akute Exposition der Verbraucherinnen und Verbraucher betrachtet sodass die am meisten exponierten Gruppen beruumlcksich-tigt sind

Das Ziel Mischungen weltweit harmonisiert zu bewerten

Die Einfuumlhrung der Konzepte zur kumu-lativen Bewertung von Pflanzenschutzmit-teln hat auch in anderen EU-Laumlndern Aus-wirkungen auf die Risikobewertung Wenn Deutschland im zonalen Zulassungsverfah-ren bewertender Mitgliedstaat ist wird das Verfahren grundsaumltzlich angewandt Aber auch in die Bewertungsberichte anderer Laumlnder flieszligt die kumulative Bewertung als

deutscher Kommentar mit ein Durch den fachlichen Austausch zwischen den Mit-gliedstaaten wurde das Konzept in den letz-ten Jahren einem Peer-Review unterzogen Um die Praxis europaweit noch besser zu harmonisieren werden derzeit auszligerdem internationale Workshops organisiert auf denen diskutiert wird wie Mischungen bei der Risikobewertung kuumlnftig beruumlcksichtigt werden sollen Das BfR veranstaltet einen solchen Workshop im November 2017 im Auftrag der Europaumlischen Kommission die Franzoumlsische Behoumlrde fuumlr gesundheitlichen Verbraucher- Umwelt- und Arbeitsschutz (ANSES) einen weiteren im Februar 2018 unter aktiver Beteiligung des BfR

Das Ziel Mischungen weltweit harmoni-siert zu bewerten um Mensch und Umwelt besser zu schuumltzen ruumlckt damit naumlher

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

33012017

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

bdquoZiel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertungldquo Interview mit Herrn Dr Roland Solecki uumlber die Forschungsaktivitaumlten des BfR zu Mehrfachruumlckstaumlnden

Herr Solecki bei Mehrfachruumlckstaumlnden von Pflanzenschutzmitteln sprechen die Medien oft von einem bdquoGiftcocktailldquo Haben Sie Erkenntnisse daruumlber wie groszlig das gesundheitliche Risiko tat-saumlchlich istDas BfR hat dazu gemeinsam mit dem Bun-desministerium fuumlr Ernaumlhrung und Land-wirtschaft und dem Bundesamt fuumlr Ver-braucherschutz und Lebensmittelsicherheit einen Bericht uumlber die kumulativen Wir-kungen von Pflanzenschutzmitteln veroumlf-fentlicht Dieser basiert auf einer Methodik der niederlaumlndischen Behoumlrde fuumlr Gesund-heit und Umweltschutz RIVM Hintergrund ist ein Monitoring das uumlber einen Zeitraum von sechs Jahren in Deutschland durchge-fuumlhrt wurde Darin wurde untersucht wel-che Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde durch-schnittlich uumlber Lebensmittel aufgenommen werden Das Ergebnis war dass auch unter Worst-Case-Annahmen fuumlr die Mischungen von Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnden ein gesundheitliches Risiko unwahrscheinlich ist Die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit EFSA kam in ihrem Monito-ring-Bericht von 2015 fuumlr Gesamteuropa zu einem aumlhnlichen Ergebnis

Sie arbeiten unter anderem bei dem Pro-jekt EuroMix mit Worum geht es dabeiEs handelt sich um ein groszliges Forschungs-projekt der EU-Kommission zur kumulati-ven Bewertung von Mischungen im Rahmen von Horizont 2020 dem Rahmenprogramm der Europaumlischen Union fuumlr Forschung und Innovation Das Projekt hat zum Ziel neue Bewertungsmethoden fuumlr Mischungseffekte zu erarbeiten besonders auch im Hinblick auf Alternativen zu Tierversuchen innovati-ve Wege der Expositionsschaumltzung und Mo-dellierung von kumulativen Risiken Dabei geht es nicht nur um Pflanzenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatzstoffe und andere Chemikalien

Wie ist das BfR da in EuroMix einge-bundenVom BfR arbeiten sowohl die Abteilung Sicherheit von Pestiziden als auch die Ab-teilung fuumlr Lebensmittelsicherheit am Eu-roMix-Projekt mit Waumlhrend die von mir geleitete Abteilung fuumlr die regulative Bewer-tung eingebunden ist werden in der Abtei-lung Lebensmittelsicherheit experimentelle Arbeiten unter anderem zur Lebertoxizitaumlt durchgefuumlhrt in denen auch Kombinatio-nen von Pestiziden mit anderen Lebensmit-telinhaltsstoffen gepruumlft werden

Woran forschen Sie im EuroMix-ProjektWir haben zunaumlchst recherchiert welche gesetzlichen Anforderungen bestehen und wie unterschiedliche Behoumlrden weltweit

Mischungseffekte bewerten Und wir haben Forschungen zu Mischungen durchgefuumlhrt die bestimmte adverse Effekte auf die Leber verursachen Dabei wurden bestimmte Schluumlsselelemente untersucht um daraus ein Konzept fuumlr die Bewertung zu erarbei-ten Jetzt werden die Omics-Untersuchun-gen und andere alternative Pruumlfverfahren noch durch Tierversuche ergaumlnzt sodass wir auch am Gesamtorganismus die Effek-te uumlberpruumlfen koumlnnen Gleichzeitig werden die statistischen Hilfsmittel und die ande-ren elektronisch basierten Tools weiterent-wickelt Auszligerdem folgen noch weitere Stu-dien zur Exposition Die finalen Ergebnisse liegen am Ende des Projekts im Jahr 2019 vor

In welche weiteren europaumlischen Aktivi-taumlten ist das BfR eingebundenDie EFSA hat bereits einige Ansaumltze zur Bewertung der kombinierten Exposition gegenuumlber mehreren Pestiziden und Kon-taminanten bei Menschen sowie mehreren Pestiziden bei Bienen entwickelt Derzeit ist die EFSA damit befasst neue Ansaumltze und Instrumente zur Harmonisierung der Be-wertung von Risiken fuumlr Mensch und Um-welt zu erarbeiten die von der Exposition gegenuumlber mehreren chemischen Stoffen in der Lebensmittelkette ausgehen Ich bin derzeit Mitglied einer Arbeitsgruppe von Sachverstaumlndigen die der Wissenschaftliche Ausschuss der EFSA eingerichtet hat um Leitlinien im Hinblick auf die kombinierte Exposition gegenuumlber mehreren chemi-schen Stoffen zu entwickeln Diese Initiative unter dem Namen bdquoMixToxldquo wird 2018 den Leitfaden in einer oumlffentlichen Konsultation diskutieren

Bei dieser Vielzahl an Aktivitaumlten Wel-ches Ziel haben Sie persoumlnlich vor Au-genDas Ziel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertung von Stoffen in der gesundheitlichen Risikocharakterisie-rung und deren harmonisierte Implemen-tierung in den gesetzlichen Verfahren Dies wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen

bdquoBei den kumulati-ven Risiken geht es nicht nur um Pflan-zenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatz-stoffe und andere Chemikalien

Dr Roland Solecki leitet die Abteilung bdquoSicherheit von Pestizidenldquo am BfR

copy B

fR

34 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

SPEKTRUM

Identifizierung endokriner Disruptoren Vom Grundsatz in die Praxis

Fuumlr Pestizid-Wirkstoffe und andere Chemikalien sind harmonisierte wissenschaftliche Kriterien erforderlich mit denen hormonschaumldigende Substanzen identifiziert werden koumlnnen Das BfR veroumlffentlichte hierzu bereits 2016 ein Konsenspapier als wissenschaftliche Grundlage fuumlr die darauffolgende Arbeit der EU-Behoumlrden Auf legislativer Ebene werden aktuell EU-weit geltende Ver-ordnungen festgelegt um auf wissenschaftlicher Ebene Leitlinien zur regulatorisch harmonisierten Umsetzung dieser Verordnungen zu erarbeiten Mit dieser Aufga-be hat die EU-Kommission die EFSA und die ECHA gemeinsam beauftragt Das BfR unterstuumltzt die Behoumlr-den mit wissenschaftlicher und technischer Expertise indem es die entsprechende Arbeitsgruppe bei der EFSA personell verstaumlrkt sowie Recherchen und Umfragen zur Praktikabilitaumlt von Untersuchungsmethoden durchfuumlhrt Die Publikation der Leitlinien wird fuumlr Fruumlhjahr 2018 erwartet Sie koumlnnen auf Basis der verabschiedeten Ver-ordnungen nach ihrer Implementierung in der Genehmi-gungspraxis angewendet werden

Mehr erfahren Solecki et al 2017 Scientific principles for the identification of endocrine-disrupting chemicals a consensus statement Arch Toxicol 91 1001ndash1006

Insekten-Stopp in Textilien Allergene Wirkung unwahrscheinlich

Das Risiko fuumlr eine Allergie nach dem Kontakt mit Kleidung und Produkten die mit dem Biozid Permethrin behandelt sind ist nach derzeitigem Kenntnisstand unwahrscheinlich Das ist das Ergebnis einer aktuellen Risikobewertung des BfR Gestuumltzt wird das Ergebnis dadurch dass trotz weitverbreiteter Anwendung des Wirkstoffs in Medikamenten und Verbraucherprodukten kein Anstieg der Kontaktallergien gegenuumlber Permethrin zu verzeichnen ist Das Risiko fuumlr kanzero-gene systemische Effekte infolge einer dermalen und oralen Exposition gegenuumlber Permethrin aus Textilien ist nach Ansicht des BfR vernachlaumlssigbar gering Permethrin ist ein biozider Wirkstoff der zum Schutz gegen Insekten in Produkten wie Schlafsaumlcken Picknick- und Yogadecken sowie Teppichen und Kleidung eingesetzt wird Er ist im Chemikalienrecht als sensibilisierend eingestuft ein moumlgliches geringes kanzerogenes Potenzial wird von verschiedenen wissenschaftlichen Gremien diskutiert Der Wirkstoff kann aus Textilien freigesetzt und uumlber die Haut aufgenommen werden Bei kleinen Kindern die viele Produkte in den Mund nehmen kommt eine moumlgliche orale Aufnah-me des Stoffes hinzu

Mehr erfahren Stellungnahme Nr 0062017 des BfR vom 25 April 2017

Wie wirkt Aluminium in Leber und Darm

Aluminium ist in Lebensmitteln Kosmetika und Bedarfsge-genstaumlnden enthalten und kann uumlber die Nahrung aufgenom-men werden Erste Ergebnisse aus dem deutsch-franzoumlsischen Forschungsprojekt bdquoSolNanoToxldquo mit Beteiligung des BfR zeigen dass sich aus der Nahrung aufgenommene Aluminiumverbin- dungen temporaumlr im Darm anreichern Ob und in welchen Men-gen die Partikel weiter in den Koumlrper insbesondere in die Leber gelangen und welche Faktoren ihre Wirkung beeinflussen wird aktuell erforscht Die Forschungsgruppe sieht Anhaltspunkte dafuumlr dass ein Teil der angereicherten Partikel mit dem Stuhl wieder ausgeschieden wird Fuumlr seine Untersuchung simulierte das BfR anhand biologischer Proben die Verdauung verschiede-ner Aluminiumarten vom Mund uumlber den Magen bis zum Darm Mithilfe von Enzymen und Salzen wurden dabei physiologische Parameter wie der pH-Wert gesteuert Waumlhrend des simulierten Verdauungsprozesses veraumlnderten die Aluminiumverbindungen ihre chemische Reaktionsfaumlhigkeit und Loumlslichkeit Die Erkennt-nisse sind ein erster Schritt um den Prozess der Aufnahme Resorption und Verteilung von Aluminium im Koumlrper besser zu verstehen und daraus Daten fuumlr die Risikobewertung abzuleiten Aluminiumverbindungen koumlnnen in zu hohen Dosen toxisch auf das Nervensystem und ungeborenes Leben wirken sowie die Fruchtbarkeit und Knochenentwicklung beeinflussen

copy B

fR

copy c

gsto

cks

hutte

rsto

ckc

om

copy R

osel

ynne

shu

tters

tock

com

35012017

Bei Kleidung ist besonders der Einsatz von Silber-Nanopartikeln weit verbreitet Silber wirkt antibakteriell und soll die Geruchs-bildung durch Schwitzen reduzieren Beim Einsatz von Nanosilber in Kleidungsstuuml-cken ist in erster Linie eine Freisetzung in Schweiszlig und somit ein moumlglicher Hautkon-takt relevant Neben der Frage ob und in welcher Menge Silber prinzipiell aus Texti-lien herausgeloumlst wird beschaumlftigt sich die Forschung mit der Frage welchen Einfluss die Technologie hat mit der Nanosilber auf Textilien aufgetragen bzw eingebracht wird Bisher war zudem unklar inwiefern die Oberflaumlchenbeschichtung der Nano-partikel die Abgabe beeinflusst

Kuumlnstlicher Schweiszlig simuliert Freisetzung

In einem Forschungsprojekt pruumlfte das BfR neun Proben von Textilien die mit Nanosil-ber veredelt waren Als Vergleich diente ein mit konventionellem Silber (hier Silbersalz mit einem Partikeldurchmesser groumlszliger als 100 Nanometer) ausgeruumlstetes Textil Zwei der Textilien waren sogenannte Komposite bei denen Nanosilber in die Faser integriert ist Bei den anderen getesteten Textilien war die Faseroberflaumlche mit Silber-Nano-partikeln bzw in einem Fall mit konventio-nellem Silber beschichtet (Textil-Coating) Um die Abgabe von Silber durch Schwitzen

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

Kleidung wird durch sie wasser- und schmutzabweisend sie blocken UV-Strahlen und mindern Geruumlche Nanoma-terialien haben beliebte funktionelle Eigenschaften Ob sie aufgrund ihrer Winzigkeit gesundheitliche Risiken bergen ist indes noch weitgehend unbekannt In einem Forschungsprojekt uumlber Nanosilber hat das BfR ermittelt ob sich die Kleinstteilchen aus Textilien herausloumlsen und damit zum gesundheitlichen Risiko werden koumlnnen

Nanomaterial

ist ein natuumlrliches bei Prozessen anfallendes oder kuumlnstlich hergestelltes Material das Partikel in ungebundenem Zustand als Aggregat oder als Agglo-merat enthaumllt und bei dem die Mehrheit der Partikel ein oder mehrere Auszligen-maszlige im Bereich unter 100 Nanometer hat In Nanogroumlszlige kann ein Stoff andere Eigenschaften besitzen als wenn er in Form groumlszligerer Partikel vorliegt

copy o

still

shu

tters

tock

com

36 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von Textilfasern Links Nanokomposit bei dem kaum Silberpartikel an der Faseroberflaumlche zu finden sind Mitte und rechts Textilien mit Silbercoating hier befindet sich insgesamt mehr Silber auf der Oberflaumlche

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

zu simulieren wurden die Textilien fuumlr 24 Stunden in einer Schweiszligsimulanz-Louml-sung inkubiert Fuumlr die Auswertung wurde zunaumlchst der gesamte Silbergehalt in den Schweiszligloumlsungen mit massenspektromet-rischen Messmethoden bestimmt In den Proben in denen Silber vorhanden war wurden anschlieszligend mit Zentrifugation und einer speziellen Methode zum Messen von Einzelpartikeln geloumlstes und partikulauml-res Silber unterschieden Im letzten Schritt wurden die Partikelgroumlszligen des vorgefun-denen partikulaumlren Silbers gemessen um nanoskaliges Silber zu identifizieren

Silber aus Kleidung freigesetzt

Die Untersuchung des BfR zeigte dass von jeder Textilprobe Silber in die Schweiszligsi-mulanz-Loumlsung uumlberging je nach geteste-tem Textil zwischen 7 und 75 Prozent des originaumlr in den Textilien enthaltenen Sil-bers Dabei setzten die beschichteten Tex-tilien mehr Silber frei als die Komposite Den houmlchsten abgegebenen Anteil fand das BfR bei dem mit konventionellem Silber beschichteten Textil Die Freisetzung wird demnach staumlrker durch die Technologie der Veredelung bestimmt als durch die im Tex-til enthaltene Menge Auszligerdem scheint die Abgaberate von Silber aus Nanosilber im Vergleich zu konventionellem Silber nicht erhoumlht zu sein

In der Schweiszligloumlsung lag das freigesetzte Silber uumlberwiegend geloumlst vor Partikulaumlres Silber fand sich nur zum geringeren Teil dann jedoch auch im Nanometerbereich Ob es sich dabei um einzelne Nanoparti-kel handelt oder ob das Silber an groumlszligere Partikel gebunden ist muss in weiteren Untersuchungen uumlberpruumlft werden Nach

derzeitigem wissenschaftlichem Kennt-nisstand geht man davon aus dass sich Nanopartikel im Koumlrper anders verhalten als groumlszligere Partikel Uumlberraschenderweise detektierte die Forschungsgruppe auch in den Schweiszligsimulanzien der mit konven-tionellem Silber beschichteten Textilien partikulaumlres Silber in Nanogroumlszlige Das Vor-kommen von Silberpartikeln scheint also nicht davon abhaumlngig zu sein ob das Silber in Nano- oder konventioneller Form auf das Textil aufgebracht wurde

In einer parallelen Untersuchung fanden die Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler heraus dass zudem die Beschaffenheit der Nanopartikel beispielsweise in Form einer speziellen Beschichtung ihre Loumlslichkeit in der Schweiszligloumlsung beeinflusst

Art der Beschichtung relevant

Silber wird demnach aus Textilien freige-setzt in geringen Teilen sogar in partiku- laumlrer Form Die gewaumlhlte Form der Tex-tilfunktionalisierung aber auch die Be-schaffenheit der Nanopartikel stellen dabei wichtige Kriterien fuumlr das Freisetzungsver-halten dar Solche Erkenntnisse sind vor al-lem fuumlr den sicheren Einsatz von Nanoma-terialien in Alltagsprodukten wichtig weil die Exposition des Menschen gegenuumlber derartigen Stoffen moumlglichst klein gehalten werden sollte Auszligerdem geben sie Hin-weise in welcher Anwendungsform Nano-materialien im verbrauchernahen Bereich sicher eingesetzt werden koumlnnen

Mehr erfahren Wagener et al 2016 Textile Functionalization and Its Effects on the Release of Silver Nanoparticles into Artificial Sweat Environ Sci Technol 50 11 5927ndash5934

Per Flugzeitmassenspek-trometer laumlsst sich Silber auf beschichteten Textil-fasern detektieren

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

NANOPARTIKEL

37012017

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

38 BfR 2 GO

Neuer Ansatz fuumlr Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

Spiegelbild gesucht

Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR zeigt einen neuen Ansatz um mithilfe von Genexpressionsdaten das geeignete Tiermodell fuumlr die Grundlagenforschung oder fuumlr spezifische klinische Fra-gestellungen zu identifizieren Damit koumlnnen zukuumlnftig unnoumltige Tierversu-che vermieden werden Hamburger Wissenschaftsbehoumlrden wuumlrdigten die Erkenntnisse mit einem Forschungspreis

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

39012017

Fragestellung

Vergleich

Auswahl

z B bdquoMit welchem Mausmodell koumlnnen die Ursachen von Alzheimer erforscht werdenldquo

Vergleich von vorhandenen Omics-Expressionsdaten von Mensch und Tier

Auswahl des geeigneten Modells

1

2

3

Geeignete Tiermodelle identifizieren

An Tiermodellen werden zahlreiche biologische Prozesse und Krankheiten wie Wund-

heilung Diabetes Tumoren oder entzuumlndliche Erkrankungen erforscht Durch den

Vergleich der Omics-Expressionsdaten von Tiermodell und Mensch koumlnnen geeignete

Modelle fuumlr die jeweilige Fragestellung identifiziert werden

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

40 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Verlaumluft ein entzuumlndlicher Prozess bei Maumlusen aumlhnlich wie beim Menschen Sind Maumluse daher geeignete Ver-

suchstiere fuumlr Tests von antientzuumlndlichen Substanzen Um Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung in den klinischen Alltag zu uumlberfuumlhren ndash Aufgabengebiet der translationalen Forschung ndash werden wissen-schaftliche Fragestellungen oft in Tierversu-chen erprobt Ob und inwieweit die Ergeb-nisse auf den Menschen uumlbertragbar sind ist dabei immer wieder Gegenstand kontrover-ser Diskussionen Geeignete Methoden mit denen die Wissenschaft Tiermodelle mit op-timaler Uumlbertragbarkeit auf den Menschen auswaumlhlen kann wuumlrden dem wissenschaft-lichen Fortschritt helfen und die Zahl der Tierversuche reduzieren Es geht dabei um die Frage welches Tiermodell am besten das menschliche System widerspiegelt

Vergleichbarkeit von Genom- daten fehleranfaumlllig

Als Grundlage fuumlr diese Uumlberlegungen die-nen Daten aus modernen bioanalytischen Hochdurchsatzverfahren Immer haumlufiger setzt die Wissenschaft auf diese sogenannten Omics-Technologien die die Gesamtheit aller Gene und ihrer Produkte analysieren ndash sowohl beim Tier als auch beim Menschen Mit ihnen lassen sich molekulare Prozesse in lebenden Systemen umfassend darstel-len indem sie beispielsweise die Interaktion hunderter bis tausender Genprodukte zei-gen Die Analyse dieser zunehmend kom-plexen Omics-Datensaumltze stellt die Wissen-schaft jedoch vor Probleme da das Vorgehen dazu nicht standardisiert ist Die Interpreta-tion der Ergebnisse ist bisher meist von der Kompetenz der Durchfuumlhrenden und von der angewandten Methode abhaumlngig Im Ergebnis war die Entscheidung zur Frage der Uumlbertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen fehleranfaumlllig und die Suche nach

geeigneten Tiermodellen erschwert Die ge-ringe Standardisierung der Interpretation von Omics-Daten fuumlhrte in Forschungs-kreisen bereits zu widerspruumlchlichen Er-gebnissen so zum Beispiel bei zwei Studien aus den Jahren 2013 und 2015 die sich mit der Vergleichbarkeit von entzuumlndlichen Er-krankungen beim Menschen und gaumlngigen Mausmodellen beschaumlftigten Waumlhrend eine Forschungsgruppe im Jahr 2013 schlussfol-gerte dass entzuumlndliche Prozesse zwischen Mensch und Maus nicht vergleichbar seien kam eine andere Gruppe zwei Jahre spaumlter anhand der gleichen Omics-Daten zum ge-genteiligen Schluss Die Maus reagiere auf der molekularen Ebene sehr aumlhnlich wie der Mensch und sei daher als Tiermodell sehr nuumltzlich fuumlr die Erforschung menschlicher Erkrankungen Zwar ist es nicht ungewoumlhn-lich dass Ergebnisse von Studien unter-schiedlich eingeschaumltzt werden ndash allerdings selten auf Basis der gleichen Daten

Motivation des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR war es diese Widerspruumlche aufzuklaumlren und einen standardisierten und zielgerichteten Analyseansatz zu entwickeln der die Suche nach geeigneten Tiermodellen vereinfacht und somit unnoumltige Tierversuche vermei-den hilft Es gehoumlrt zu den Kernaufgaben des Bf3R bundesweit alle Aktivitaumlten zu koordi-nieren mit den Zielen Tierversuche auf das unerlaumlssliche Maszlig zu beschraumlnken und fuumlr Versuchstiere den bestmoumlglichen Schutz zu gewaumlhrleisten Die Aufgaben des Bf3R wer-den vom BfR wahrgenommen

Genomdaten von Tier und Mensch gezielt vergleichen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler des Bf3R haben die Omics-Daten aus den beiden erwaumlhnten widerspruumlchlichen Studien mithilfe hochperformanter Com-

puter nochmals systematisch ausgewertet Dabei wurden zunaumlchst die zu verglei-chenden Gene gruppenweise biologischen Prozessen zugeordnet die wesentlich fuumlr ein Entzuumlndungsgeschehen sind Diese Gene Set Enrichment Analysis (GSEA) ge-nannte Methode greift auf umfangreiche in oumlffentlichen Datenbanken hinterlegte Genomdaten gaumlngiger Tiermodelle und von Erkrankten zuruumlck Mit ihrer Heran-gehensweise konnten die Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler des BfR an-schlieszligend Veraumlnderungen auf der Ebene pathologischer Signalwege erkennen und Unterschiede zwischen Tiermodell und Mensch identifizieren Da der Groszligteil der untersuchten Genprodukte haumlufig nur geringfuumlgig veraumlndert war konnten bei der Analyse auf Ebene vollstaumlndiger bio-logischer Signalwege alle Gene einbezogen und Aumlnderungen in der Gesamtheit eines biologischen Signalwegs bewertet werden Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu bisherigen Analyseansaumltzen da fuumlr die Klauml-rung translationaler Fragestellungen bisher haumlufig willkuumlrlich und subjektiv Gene von Mensch und Tiermodell fuumlr einen direkten Eins-zu-eins-Vergleich ausgewaumlhlt wurden

Die systematische Auswertung des Bf3R zeigte dass die Ergebnisse beim vorlie-genden Genomdatenvergleich bei einigen Mausmodellen gut mit den beim Menschen ermittelten Daten uumlbereinstimmten Bei an-deren Mausmodellen hingegen war es nicht so So aumlhnelt das Entzuumlndungsgeschehen bei Maumlusen die mit Staphylococcus aureus (Staphylococcus-aureus-Injektionsmodell) infiziert sind oder eine Darmperforation (Cecal-ligation-and-puncture-Modell) erfah-ren den meisten klinischen Proben Hin-gegen verlaufen Erkrankungen die durch Lipopolysaccharide (LPS) und Streptococcus pneumoniae verursacht werden bei Mensch und Maus verschieden

Omics

Der Terminus beschreibt Methoden zur

Analyse komplexer biologischer Proben

auf der Ebene des gesamten Genoms

von Transkripten Proteinen oder Meta-

boliten

41012017

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

Forschungsansatz hilft Tierversuche zu reduzieren

Die Methode der Datenanalyse mittels GSEA-Ansatz erleichtert es Forschungs-gruppen zukuumlnftig zielgerichtet und stan-dardisiert das optimale Tiermodell aus-zuwaumlhlen das am besten die menschliche Situation abbildet Voraussetzung dafuumlr ist die Existenz von Omics-Daten zur klini-schen Fragestellung sowie zu den infrage kommenden Tierversuchen Dies ist bereits fuumlr eine Vielzahl von Tiermodellen sowie von humanen Erkrankungen der Fall neben Entzuumlndungserkrankungen beispielsweise fuumlr Herz-Kreislauf-Erkrankungen Krebser-krankungen Atemwegserkrankungen Stoff-wechselerkrankungen und neurologische Erkrankungen Aufgrund der vermehrten Verwendung von Omics-Methoden kann davon ausgegangen werden dass stetig wei-tere systembiologische Daten ermittelt und veroumlffentlicht werden Die vom Bf3R ange-wandte Methode wird daher weiterhin bei der gezielten Auswahl von Tiermodellen nuumltzlich sein

Das Verfahren kann in der Grundlagen-forschung sowie in der translationalen und angewandten Forschung eingesetzt werden Diese Bereiche machten 2015 nach Anga-ben des Bundesministeriums fuumlr Ernaumlh-rung und Landwirtschaft mit insgesamt 73 Prozent den groumlszligten Teil der Tierversuche aus Ein Groszligteil davon entfaumlllt auf Maumluse Ratten und zunehmend auch auf Fische Grundsaumltzlich kann die neue Methode zur Auswahl des geeigneten Versuchstiermo-dells bzw zum Ausschluss nicht geeigneter Versuchstiermodelle bei jeglichen Tierver-suchen in diesen Bereichen genutzt werden Analog zu den Versuchstierzahlen liegen derzeit die meisten Omics-Daten fuumlr Maus und Ratte vor So sind beispielsweise allein in der oumlffentlichen NCBI GEO-Datenbank (National Center for Biotechnology Informa-tion Gene Expression Omnibus) derzeit Da-ten zu ca 340000 Maus-Proben und 75000 Ratte-Proben gelistet

Methode identifiziert geeignete Zellkulturmodelle

Dabei ist die Methode des Bf3R nicht auf humane und murine Datensaumltze beschraumlnkt sondern kann auf alle weiteren Spezies an-gewandt werden fuumlr die umfangreiche Da-tenbanken zu biologischen Signalwegen oder Gengruppen vorliegen Auch fuumlr die Beurteilung von zellbasierten Alternativ-methoden kann der neue Forschungsansatz

herangezogen werden Durch einen system-biologischen Abgleich der klinischen Daten mit Omics-Daten aus beispielsweise neuar-tigen 3D-Zellkulturen oder organaumlhnlichen Mikrostrukturen wird die Charakterisierung und Verifizierung von zellbasierten Alterna-tivmethoden ermoumlglicht

Praumlmierte Forschungsleistung

Fuumlr ihre Forschung erhielten die Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR 2016 den Hamburger Forschungspreis zur Foumlrderung der Entwicklung von Ersatz- und

Ergaumlnzungsmethoden Die Auszeichnung wurde zum erstem Mal von den Hamburger Behoumlrden fuumlr Gesundheit und Verbraucher-schutz sowie fuumlr Wissenschaft Forschung und Gleichstellung mit einem Foumlrderpreis in Houmlhe von 20000 Euro ausgeschrieben Der Preis wird fuumlr Arbeiten vergeben die einen Beitrag leisten Tierversuche zu ersetzen oder zu minimieren

Mehr erfahrenWeidner et al 2016 Defining the optimal animal model for translational research using gene set enrichment analysis EMBO Molecular Medicine 8 8 831ndash838

Wofuumlr Versuchstiere in Deutschland eingesetzt werden

630255Herstellung und Qualitaumlts-kontrolle medizinischer Produkte toxikologische Sicherheitspruumlfungen

22

59

14 5

1643259Grundlagenforschung

144997sonstige Zweckez B Zucht Aus- und Weiterbildung

381450translationale und angewandte Forschung

Que

lle B

unde

smin

iste

rium

fuumlr E

rnaumlh

rung

und

Lan

dwirt

scha

ft V

ersu

chst

ierz

ahle

n 20

15

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

42 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Alternativen zu Tierversuchen Forschung regional buumlndeln

Eine individualisierte Schmerztherapie fuumlr Versuchsmaumluse und eine Verringerung von Tierexperimenten zum Test der Inhala- tionstoxizitaumlt von Nanomaterialien (siehe rechte Spalte) ndash hierzu sollen die ersten Arbeitsergebnisse des BfR im Berlin-Bran-denburgischen Verbundprojekt BB3R zukuumlnftig beitragen Das Netzwerk aus Universitaumlten und Bundesinstitutionen forscht um Tierversuche zu vermeiden (Replacement) bzw zu verringern (Reduction) sowie das Leiden von Versuchstieren zu vermindern (Refinement) Das BfR ist als einer von sechs Verbundpartnern in den Bereichen der Refinement- und Replacement-Forschung beteiligt Das Bundesforschungsministerium foumlrdert das mit BB3R abgekuumlrzte Projekt fuumlr vier Jahre bis Fruumlhjahr 2018 es ist als Plattform fuumlr den wissenschaftlichen Austausch konzipiert und integriert ein Graduiertenkolleg

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschungwwwbb3rde

Belastung von Laborfischen erkennen

Koumlrperbau

Koumlrpermerkmale

Verhaltenkreisendes Schwimmen

Belastung von Laborfischen erkennen

Ob Laborfische Schmerzen empfinden oder leiden laumlsst sich mithilfe konkreter Kriterien beurteilen Die Vorarbeiten hierzu koordinierte der bdquoNationale Ausschuss zumSchutz von fuumlr wissenschaftliche Zweckeverwendeten Tierenldquo am BfR gemeinsam mit externen Sachverstaumlndigen und Beauf-tragten von Genehmigungsbehoumlrden Die erstmals definierten Kriterien bewerten unter anderem Auffaumllligkeiten im Koumlrper-bau sowie im Verhalten der Tiere Schmer-zen und Leiden koumlnnen so gezielt behandelt und gelindert werden Da die Frage der Belastung der Tiere anhand der Kriterien eindeutig geklaumlrt werden kann dienen sie zudem als Entscheidungshilfe fuumlr Behoumlr-den welche die Zucht belasteter genetisch veraumlnderter Tiere genehmigen muumlssen Fische insbesondere Zebrafische sind nach Maumlusen und Ratten die am dritthaumlufigsten verwendete Versuchstierart Die Zahl der Versuchsfische hat in den letzten Jahren stetig zugenommen

Mehr erfahren Bert et al 2016 Considerations for aEuropean animal welfare standard toevaluate adverse phenotypes in teleost fish EMBO J 35 11 1151ndash1154Empfehlung des Nationalen Ausschusses TierSchG Nr 0012015

Test der Inhalationstoxizitaumlt von Nanomaterialien

Die Einatmung gilt als wichtigster Aufnahmeweg fuumlr Nanomaterialien Im Rahmen der BB3R-Forschung bildet das BfR diese Art der Exposition mit In-vitro- Atemwegsepithelmodellen an ihrer Grenzflaumlche zur Luft ab Dieser Ansatz zum Test der Inhalationstoxi-zitaumlt hilft Anzahl und Umfang von Tierversuchen zu verringern

Versuchsaufbau Drei Roumlhrchen leiten ein Testaerosol mit luftgetragenen Nanomaterialien auf Epithelzellen

SPEKTRUM

copy B

fR

43012017

Jubilaumlumsfeier und internationales Symposium

Am 29 November 2017 feiert das BfR sein 15-jaumlh-riges Bestehen mit einem Festakt Geplant ist eine Feier mit ausgewaumlhlten Gaumlsten in der Akademie der Kuumlnste Anschlieszligend findet vom 30 Novem-ber bis zum 01 Dezember 2017 das gemeinsame internationale Symposium des BfR und seiner Schwesterinstitutionen aus Daumlnemark (DTU Food) und Frankreich (ANSES) sowie der suumldko-reanischen Behoumlrde fuumlr Lebens- und Arzneimittel-sicherheit (NIFDS) statt Unter dem Motto bdquoPast Present and Future Challenges in Risk Assessment ndash Strengthening Consumer Health Protectionldquo werden die letzten anderthalb Jahrzehnte Risikobewer-tung betrachtet Daruumlber hinaus werden aktuelle Aktivitaumlten sowie zukuumlnftige Herausforderungen des Verbraucherschutzes wie mikrobiologische Erreger chemische Substanzen Methoden und Harmonisierung auf nationaler wie internationa-ler Ebene diskutiert

VERANSTALTUNGEN

Nachwuchs foumlrdern

Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu foumlr-dern baut das BfR wissenschaftliche Nachwuchs-gruppen zu bestimmten Schwerpunktthemen auf Die bereits 2015 eingerichtete Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Warenketteldquo wird im Herbst 2017 durch einen weiteren Dokto-randen verstaumlrkt

Verstaumlrkung im Versuchstierschutz

Seit dem 1 April 2017 staumlrkt die Berufung von Herrn Universitaumltsprofessor Dr Lars Lewejo-hann den Kompetenzbereich bdquoVerminderung der Belastung und Verbesserung der Lebenssitua-tionldquo des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) Neben der Leitung der Fachgruppe bdquoTierschutz und Versuchstierkundeldquo im BfR wird Lars Lewejohann sein Wissen und neue Erkenntnisse als Hochschullehrer fuumlr bdquoTier-schutz mit dem Schwerpunkt Refinementldquo an der veterinaumlrmedizinischen Fakultaumlt der Freien Universitaumlt Berlin an Studierende und Doktoran-den weitergeben

PERSONALIEN

Alternativmethode zum Tierversuch bdquoKnochen-auf-dem-Chipldquo

Im Mai 2017 fand bei der Gemeinsamen For-schungsstelle (GFS)Joint Research Centre (JRC) der Generaldirektion (Directorate General) der Europaumlischen Kommission eine Summer School zu alternativen Ansaumltzen zum Tierversuch fuumlr die Risikobewertung in Ispra (Italien) statt Dort wurde Herr Dr Ing Frank Schulze aus der BfR-Fachgruppe bdquoZEBET ndash Alternativmethoden zu Tierversuchenldquo fuumlr seine Praumlsentation und das dazugehoumlrige Poster zum Thema bdquoEin Knochen-auf-dem-Chip fuumlr die Grundlagenwissenschaft und die Identifizierung von knochenschaumldigen-den Substanzenldquo mit einem Posterpreis (1 Platz) ausgezeichnet

copy B

fR

copy p

rivat

INSTITUTSLEBEN

44 BfR 2 GO

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

Vorgehensweise und transparente Nachvollziehbarkeit bei der Zu-lassung von Produkten zu gewaumlhrleisten Unter anderem die EFSA die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmittelsicherheit die Europauml-ische Chemikalienagentur ECHA und das JRC die Gemeinsame Forschungsstelle der Europaumlischen Kommission erarbeiten solche technischen Leitfaumlden

Neben der wissenschaftlichen Komplexitaumlt muumlssen diese techni-schen Leitfaumlden weitere Herausforderungen meistern Sie sollen fuumlr alle Bereiche gelten in denen Mischungen in Verkehr gebracht werden oder entstehen koumlnnen Bisher wurden Mischungen haumlufig nur in einem regulatorischen Bereich untersucht z B als Pflan-zenschutzmittel Biozid oder Arzneimittel Fuumlr andere Stoffe wie Lebensmittelzusatzstoffe oder Kontaminanten war die Bewertung von Mischungen bisher nicht klar gesetzlich reguliert In Zukunft sollen auch diese Stoffe bei einer Bewertung von Mischungen besser beruumlcksichtigt werden Auch soll nicht nur die chemische Zusam-mensetzung eines einzelnen Produktes systematisch bei der Zu-lassung beruumlcksichtigt werden sondern auch Mehrfachruumlckstaumlnde im gesamten Warenkorb den Verbraucherinnen und Verbraucher durchschnittlich zu einer gegebenen Zeit konsumieren Und zu gu-ter Letzt muumlssen die neuen Verfahren weltweit harmonisiert werden um das kumulative Risiko fuumlr Mensch und Umwelt auch angesichts globaler Warenketten gering zu halten Deshalb diskutieren Politik und Wissenschaft zurzeit nicht nur auf europaumlischer Ebene entspre-chende Leitfaumlden auch andere Laumlnder weltweit sowie die Weltge-sundheitsorganisation WHO und die Organisation fuumlr wirtschaftli-che Zusammenarbeit und Entwicklung OECD haben die kumulative Bewertung auf ihre Agenda genommen und stimmen ihre Guidance Documents mit den uumlbrigen Behoumlrden ab

Deutschland wendet die kumulative Bewertung schon an

Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR sind an zahlreichen dieser internationalen Projekte beteiligt sowohl an der wissenschaftlichen Erforschung kumulativer Effekte als auch an der Entwicklung technischer Leitfaumlden Einen wichtigen Schritt bei der kumulativen Bewertung hat Deutschland in der Europaumlischen Uni-

Stufe um Stufe zu einer gesicherten Bewertung

Seit Maumlrz 2017 wird in Deutschland eine Methodik fuumlr die Bewertung von Kumulations- und Synergie-effekten bei der gesundheitlichen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln in den Zulassungsverfahren angewandt Grundlage fuumlr das gestufte kumulative Bewertungsverfahren ist der sogenannte bdquoHazard Quotientldquo (HQ) der fuumlr jeden einzelnen Stoff ermit-telt wird Der HQ errechnet sich aus dem Verhaumlltnis zwischen dem relevanten gesundheitlichen Grenz-wert und der geschaumltzten Exposition

In einer ersten Stufe wird der HQ fuumlr alle Stoffe eines Gemisches einzeln ermittelt Liegt der HQ jedes Stoffes unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko fuumlr die einzelnen Bestandteile der Mischung zu erwarten Liegt dieser bei einzelnen Stoffen uumlber 1 wird gepruumlft ob die Exposition durch geeignete Maszlignahmen weiter vermindert werden kann zum Beispiel durch das Tragen entsprechender Schutz-kleidung

Liegt der HQ fuumlr alle Komponenten unter 1 wird in einer zweiten Stufe der sogenannte bdquoHazard Indexldquo (HI) des Gemisches ermittelt indem alle Gefahren-quotienten der verwendeten Stoffe addiert werden Liegt der ermittelte Wert weiterhin unter 1 ist kein gesundheitliches Risiko durch das Gemisch zu erwarten

Liegt der HI uumlber 1 geht die Bewertung mit weiter verfeinerten Methoden in die dritte Stufe uumlber In dieser wird gepruumlft ob ein gesundheitliches Risiko vorliegt wenn eine Gruppierung der Einzelstoffe vorgenommen wird Dazu koumlnnen die einzelnen Stoffe in kumulative Bewertungsgruppen (cumula-tive assessment groups CAGs) eingeteilt werden die z B nach Effekten im gleichen Zielorgan oder nach dem gleichen Wirkmechanismus oder nach chemischer Verwandtschaft definiert sein koumlnnen Hintergrund dieser Einteilung ist die Annahme dass sich nach gegenwaumlrtigem Kenntnisstand nur Effek-te addieren die hinsichtlich der Zielorgane oder der Wirkmechanismen (MOA) vergleichbar sind Auch die relative Potenz der einzelnen Stoffe soll bei der verfeinerten Bewertung beruumlcksichtigt werden Liegt der HI innerhalb einer CAG unter 1 ist deshalb kein gesundheitliches Risiko zu erwarten Liegt er oberhalb des Wertes und koumlnnen weder Expositionsschaumltzung noch Gefahrenbewertung weiter verfeinert werden gilt das Gemisch als nicht sicher

Das mehrstufige Verfahren hat den Vorteil dass die ressourcenaufwendigeren Methoden zur verfei-nerten Bewertung z B in vergleichbaren CAGs oder MOAs nur zum Einsatz kommen wenn mit den ersten einfacheren Bewertungsmethoden nicht nachweisbar ist dass kein gesundheitliches Risiko zu erwarten ist

copy T

atom

mis

tock

com

32 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

EuroMix A tiered strategy for risk assessment of mixtures of multiple chemicals

EuroMix ist ein laumlnderuumlbergreifendes Projekt der EU-Kommission das die nie-derlaumlndische Behoumlrde fuumlr Gesundheit und Umweltschutz RIVM koordiniert Es zielt darauf ab eine tierversuchsfreie experi-mentelle Test-Strategie zu entwickeln um die Toxizitaumlt von Gemischen verschiedener toxikologisch relevanter Lebensmittelin-haltsstoffe Lebensmittelkontaminanten und Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde besser zu bestimmen Aus den Forschungsergeb-nissen wird ein Leitfaden fuumlr die kuumlnftige Umsetzung einer experimentellen Test-Stra-tegie entwickelt Das Acht-Millionen-Eu-ro-Projekt laumluft bis Mai 2019

Mehr erfahren wwweuromixprojecteu

Kombinationseffekte Forschungsprojekte des BfR

Am BfR werden in verschiedenen Abteilungen mehrere interne Forschungsprojekte zu Kombinationseffekten durch-gefuumlhrt Dazu gehoumlren u a Forschungsprojekte zu kumulativen Wirkungen in Pflanzenschutzmitteln und Bioziden zu Mehrfachruumlckstaumlnden in Lebensmitteln zur Expositionsschaumltzung sowie zu wirbeltierfreien Alternativmethoden Daruumlber hinaus ist und war das BfR auch an folgenden Drittmittel-Projekten beteiligt die zu Kombinationseffekten forschen

Combiomics Analyse von Kombinationseffekten von Pestiziden in vitro

Combiomics war ein zweieinhalbjaumlhri-ges Projekt des Bundesministeriums fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) das im Fruumlhling 2016 abgeschlossen wurde In dem vom BfR koordinierten Projekt wurden moumlgliche Kombinationswirkungen durch Mehrfachruumlckstaumlnde beispielhaft anhand einer Gruppe von Fungiziden in vitro unter-sucht Dazu wurden die molekularen Effek-te der Triazole mittels multi level omics und praumldiktiver mathematischer Modellierung untersucht Ausgehend von den Ergebnissen wurde ein Praumldiktionsmodell fuumlr Substanz-kombinationen erstellt validiert und auf Pestizide anderer Stoffgruppen bzw weitere Substanzklassen ausgedehnt um Kombi-nationseffekte kuumlnftig weitgehend ohne Tierversuche durchfuumlhrbar zu machen

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschung gt Drittmittelprojekte gt Combiomics

Combiomics 2Auch die zweite Projektphase von Com-biomics wird vom BfR koordiniert Hier sollen erfolgreich getestete Methoden und Zelllinien in Form einer standardisierten In-vitro-Testbatterie validiert und in ein Standardverfahren integriert werden das auch kuumlnftigen regulatorischen Anforde-rungen entspricht Das dreijaumlhrige Projekt wird vom BMBF bis Ende 2019 gefoumlrdert

Mehr erfahren wwwfisaonlinede gt Kombinationseffekte Pestizide

on schon jetzt unternommen Am 1 Maumlrz 2017 erschien im Bundesanzeiger eine Be-kanntmachung dass Kumulations- und Synergieeffekte in der gesundheitlichen Be-wertung von Pflanzenschutzmitteln kuumlnf-tig durch das BfR beruumlcksichtigt werden Damit bezieht Deutschland bei der zonalen Zulassung von Pflanzenschutzmitteln eine systematische kumulative Bewertung ein

Ein Leitfaden zur kumulativen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln wurde am BfR erarbeitet basierend auf den internatio-nalen Diskussionen bei EFSA und ECHA und 2014 veroumlffentlicht Seitdem wird das Verfahren am BfR angewandt uumlberpruumlft und verfeinert Im Kern geht es darum in einem mehrstufigen Verfahren verschie-dene Wirkstoffe in einem Pflanzenschutz-mittel oder in einer beantragten Tankmi-

schung kumulativ zu bewerten (s Kasten) Dazu werden sowohl die Exposition der Anwenderinnen und Anwender als auch die akute Exposition der Verbraucherinnen und Verbraucher betrachtet sodass die am meisten exponierten Gruppen beruumlcksich-tigt sind

Das Ziel Mischungen weltweit harmonisiert zu bewerten

Die Einfuumlhrung der Konzepte zur kumu-lativen Bewertung von Pflanzenschutzmit-teln hat auch in anderen EU-Laumlndern Aus-wirkungen auf die Risikobewertung Wenn Deutschland im zonalen Zulassungsverfah-ren bewertender Mitgliedstaat ist wird das Verfahren grundsaumltzlich angewandt Aber auch in die Bewertungsberichte anderer Laumlnder flieszligt die kumulative Bewertung als

deutscher Kommentar mit ein Durch den fachlichen Austausch zwischen den Mit-gliedstaaten wurde das Konzept in den letz-ten Jahren einem Peer-Review unterzogen Um die Praxis europaweit noch besser zu harmonisieren werden derzeit auszligerdem internationale Workshops organisiert auf denen diskutiert wird wie Mischungen bei der Risikobewertung kuumlnftig beruumlcksichtigt werden sollen Das BfR veranstaltet einen solchen Workshop im November 2017 im Auftrag der Europaumlischen Kommission die Franzoumlsische Behoumlrde fuumlr gesundheitlichen Verbraucher- Umwelt- und Arbeitsschutz (ANSES) einen weiteren im Februar 2018 unter aktiver Beteiligung des BfR

Das Ziel Mischungen weltweit harmoni-siert zu bewerten um Mensch und Umwelt besser zu schuumltzen ruumlckt damit naumlher

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

33012017

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

bdquoZiel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertungldquo Interview mit Herrn Dr Roland Solecki uumlber die Forschungsaktivitaumlten des BfR zu Mehrfachruumlckstaumlnden

Herr Solecki bei Mehrfachruumlckstaumlnden von Pflanzenschutzmitteln sprechen die Medien oft von einem bdquoGiftcocktailldquo Haben Sie Erkenntnisse daruumlber wie groszlig das gesundheitliche Risiko tat-saumlchlich istDas BfR hat dazu gemeinsam mit dem Bun-desministerium fuumlr Ernaumlhrung und Land-wirtschaft und dem Bundesamt fuumlr Ver-braucherschutz und Lebensmittelsicherheit einen Bericht uumlber die kumulativen Wir-kungen von Pflanzenschutzmitteln veroumlf-fentlicht Dieser basiert auf einer Methodik der niederlaumlndischen Behoumlrde fuumlr Gesund-heit und Umweltschutz RIVM Hintergrund ist ein Monitoring das uumlber einen Zeitraum von sechs Jahren in Deutschland durchge-fuumlhrt wurde Darin wurde untersucht wel-che Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde durch-schnittlich uumlber Lebensmittel aufgenommen werden Das Ergebnis war dass auch unter Worst-Case-Annahmen fuumlr die Mischungen von Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnden ein gesundheitliches Risiko unwahrscheinlich ist Die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit EFSA kam in ihrem Monito-ring-Bericht von 2015 fuumlr Gesamteuropa zu einem aumlhnlichen Ergebnis

Sie arbeiten unter anderem bei dem Pro-jekt EuroMix mit Worum geht es dabeiEs handelt sich um ein groszliges Forschungs-projekt der EU-Kommission zur kumulati-ven Bewertung von Mischungen im Rahmen von Horizont 2020 dem Rahmenprogramm der Europaumlischen Union fuumlr Forschung und Innovation Das Projekt hat zum Ziel neue Bewertungsmethoden fuumlr Mischungseffekte zu erarbeiten besonders auch im Hinblick auf Alternativen zu Tierversuchen innovati-ve Wege der Expositionsschaumltzung und Mo-dellierung von kumulativen Risiken Dabei geht es nicht nur um Pflanzenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatzstoffe und andere Chemikalien

Wie ist das BfR da in EuroMix einge-bundenVom BfR arbeiten sowohl die Abteilung Sicherheit von Pestiziden als auch die Ab-teilung fuumlr Lebensmittelsicherheit am Eu-roMix-Projekt mit Waumlhrend die von mir geleitete Abteilung fuumlr die regulative Bewer-tung eingebunden ist werden in der Abtei-lung Lebensmittelsicherheit experimentelle Arbeiten unter anderem zur Lebertoxizitaumlt durchgefuumlhrt in denen auch Kombinatio-nen von Pestiziden mit anderen Lebensmit-telinhaltsstoffen gepruumlft werden

Woran forschen Sie im EuroMix-ProjektWir haben zunaumlchst recherchiert welche gesetzlichen Anforderungen bestehen und wie unterschiedliche Behoumlrden weltweit

Mischungseffekte bewerten Und wir haben Forschungen zu Mischungen durchgefuumlhrt die bestimmte adverse Effekte auf die Leber verursachen Dabei wurden bestimmte Schluumlsselelemente untersucht um daraus ein Konzept fuumlr die Bewertung zu erarbei-ten Jetzt werden die Omics-Untersuchun-gen und andere alternative Pruumlfverfahren noch durch Tierversuche ergaumlnzt sodass wir auch am Gesamtorganismus die Effek-te uumlberpruumlfen koumlnnen Gleichzeitig werden die statistischen Hilfsmittel und die ande-ren elektronisch basierten Tools weiterent-wickelt Auszligerdem folgen noch weitere Stu-dien zur Exposition Die finalen Ergebnisse liegen am Ende des Projekts im Jahr 2019 vor

In welche weiteren europaumlischen Aktivi-taumlten ist das BfR eingebundenDie EFSA hat bereits einige Ansaumltze zur Bewertung der kombinierten Exposition gegenuumlber mehreren Pestiziden und Kon-taminanten bei Menschen sowie mehreren Pestiziden bei Bienen entwickelt Derzeit ist die EFSA damit befasst neue Ansaumltze und Instrumente zur Harmonisierung der Be-wertung von Risiken fuumlr Mensch und Um-welt zu erarbeiten die von der Exposition gegenuumlber mehreren chemischen Stoffen in der Lebensmittelkette ausgehen Ich bin derzeit Mitglied einer Arbeitsgruppe von Sachverstaumlndigen die der Wissenschaftliche Ausschuss der EFSA eingerichtet hat um Leitlinien im Hinblick auf die kombinierte Exposition gegenuumlber mehreren chemi-schen Stoffen zu entwickeln Diese Initiative unter dem Namen bdquoMixToxldquo wird 2018 den Leitfaden in einer oumlffentlichen Konsultation diskutieren

Bei dieser Vielzahl an Aktivitaumlten Wel-ches Ziel haben Sie persoumlnlich vor Au-genDas Ziel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertung von Stoffen in der gesundheitlichen Risikocharakterisie-rung und deren harmonisierte Implemen-tierung in den gesetzlichen Verfahren Dies wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen

bdquoBei den kumulati-ven Risiken geht es nicht nur um Pflan-zenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatz-stoffe und andere Chemikalien

Dr Roland Solecki leitet die Abteilung bdquoSicherheit von Pestizidenldquo am BfR

copy B

fR

34 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

SPEKTRUM

Identifizierung endokriner Disruptoren Vom Grundsatz in die Praxis

Fuumlr Pestizid-Wirkstoffe und andere Chemikalien sind harmonisierte wissenschaftliche Kriterien erforderlich mit denen hormonschaumldigende Substanzen identifiziert werden koumlnnen Das BfR veroumlffentlichte hierzu bereits 2016 ein Konsenspapier als wissenschaftliche Grundlage fuumlr die darauffolgende Arbeit der EU-Behoumlrden Auf legislativer Ebene werden aktuell EU-weit geltende Ver-ordnungen festgelegt um auf wissenschaftlicher Ebene Leitlinien zur regulatorisch harmonisierten Umsetzung dieser Verordnungen zu erarbeiten Mit dieser Aufga-be hat die EU-Kommission die EFSA und die ECHA gemeinsam beauftragt Das BfR unterstuumltzt die Behoumlr-den mit wissenschaftlicher und technischer Expertise indem es die entsprechende Arbeitsgruppe bei der EFSA personell verstaumlrkt sowie Recherchen und Umfragen zur Praktikabilitaumlt von Untersuchungsmethoden durchfuumlhrt Die Publikation der Leitlinien wird fuumlr Fruumlhjahr 2018 erwartet Sie koumlnnen auf Basis der verabschiedeten Ver-ordnungen nach ihrer Implementierung in der Genehmi-gungspraxis angewendet werden

Mehr erfahren Solecki et al 2017 Scientific principles for the identification of endocrine-disrupting chemicals a consensus statement Arch Toxicol 91 1001ndash1006

Insekten-Stopp in Textilien Allergene Wirkung unwahrscheinlich

Das Risiko fuumlr eine Allergie nach dem Kontakt mit Kleidung und Produkten die mit dem Biozid Permethrin behandelt sind ist nach derzeitigem Kenntnisstand unwahrscheinlich Das ist das Ergebnis einer aktuellen Risikobewertung des BfR Gestuumltzt wird das Ergebnis dadurch dass trotz weitverbreiteter Anwendung des Wirkstoffs in Medikamenten und Verbraucherprodukten kein Anstieg der Kontaktallergien gegenuumlber Permethrin zu verzeichnen ist Das Risiko fuumlr kanzero-gene systemische Effekte infolge einer dermalen und oralen Exposition gegenuumlber Permethrin aus Textilien ist nach Ansicht des BfR vernachlaumlssigbar gering Permethrin ist ein biozider Wirkstoff der zum Schutz gegen Insekten in Produkten wie Schlafsaumlcken Picknick- und Yogadecken sowie Teppichen und Kleidung eingesetzt wird Er ist im Chemikalienrecht als sensibilisierend eingestuft ein moumlgliches geringes kanzerogenes Potenzial wird von verschiedenen wissenschaftlichen Gremien diskutiert Der Wirkstoff kann aus Textilien freigesetzt und uumlber die Haut aufgenommen werden Bei kleinen Kindern die viele Produkte in den Mund nehmen kommt eine moumlgliche orale Aufnah-me des Stoffes hinzu

Mehr erfahren Stellungnahme Nr 0062017 des BfR vom 25 April 2017

Wie wirkt Aluminium in Leber und Darm

Aluminium ist in Lebensmitteln Kosmetika und Bedarfsge-genstaumlnden enthalten und kann uumlber die Nahrung aufgenom-men werden Erste Ergebnisse aus dem deutsch-franzoumlsischen Forschungsprojekt bdquoSolNanoToxldquo mit Beteiligung des BfR zeigen dass sich aus der Nahrung aufgenommene Aluminiumverbin- dungen temporaumlr im Darm anreichern Ob und in welchen Men-gen die Partikel weiter in den Koumlrper insbesondere in die Leber gelangen und welche Faktoren ihre Wirkung beeinflussen wird aktuell erforscht Die Forschungsgruppe sieht Anhaltspunkte dafuumlr dass ein Teil der angereicherten Partikel mit dem Stuhl wieder ausgeschieden wird Fuumlr seine Untersuchung simulierte das BfR anhand biologischer Proben die Verdauung verschiede-ner Aluminiumarten vom Mund uumlber den Magen bis zum Darm Mithilfe von Enzymen und Salzen wurden dabei physiologische Parameter wie der pH-Wert gesteuert Waumlhrend des simulierten Verdauungsprozesses veraumlnderten die Aluminiumverbindungen ihre chemische Reaktionsfaumlhigkeit und Loumlslichkeit Die Erkennt-nisse sind ein erster Schritt um den Prozess der Aufnahme Resorption und Verteilung von Aluminium im Koumlrper besser zu verstehen und daraus Daten fuumlr die Risikobewertung abzuleiten Aluminiumverbindungen koumlnnen in zu hohen Dosen toxisch auf das Nervensystem und ungeborenes Leben wirken sowie die Fruchtbarkeit und Knochenentwicklung beeinflussen

copy B

fR

copy c

gsto

cks

hutte

rsto

ckc

om

copy R

osel

ynne

shu

tters

tock

com

35012017

Bei Kleidung ist besonders der Einsatz von Silber-Nanopartikeln weit verbreitet Silber wirkt antibakteriell und soll die Geruchs-bildung durch Schwitzen reduzieren Beim Einsatz von Nanosilber in Kleidungsstuuml-cken ist in erster Linie eine Freisetzung in Schweiszlig und somit ein moumlglicher Hautkon-takt relevant Neben der Frage ob und in welcher Menge Silber prinzipiell aus Texti-lien herausgeloumlst wird beschaumlftigt sich die Forschung mit der Frage welchen Einfluss die Technologie hat mit der Nanosilber auf Textilien aufgetragen bzw eingebracht wird Bisher war zudem unklar inwiefern die Oberflaumlchenbeschichtung der Nano-partikel die Abgabe beeinflusst

Kuumlnstlicher Schweiszlig simuliert Freisetzung

In einem Forschungsprojekt pruumlfte das BfR neun Proben von Textilien die mit Nanosil-ber veredelt waren Als Vergleich diente ein mit konventionellem Silber (hier Silbersalz mit einem Partikeldurchmesser groumlszliger als 100 Nanometer) ausgeruumlstetes Textil Zwei der Textilien waren sogenannte Komposite bei denen Nanosilber in die Faser integriert ist Bei den anderen getesteten Textilien war die Faseroberflaumlche mit Silber-Nano-partikeln bzw in einem Fall mit konventio-nellem Silber beschichtet (Textil-Coating) Um die Abgabe von Silber durch Schwitzen

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

Kleidung wird durch sie wasser- und schmutzabweisend sie blocken UV-Strahlen und mindern Geruumlche Nanoma-terialien haben beliebte funktionelle Eigenschaften Ob sie aufgrund ihrer Winzigkeit gesundheitliche Risiken bergen ist indes noch weitgehend unbekannt In einem Forschungsprojekt uumlber Nanosilber hat das BfR ermittelt ob sich die Kleinstteilchen aus Textilien herausloumlsen und damit zum gesundheitlichen Risiko werden koumlnnen

Nanomaterial

ist ein natuumlrliches bei Prozessen anfallendes oder kuumlnstlich hergestelltes Material das Partikel in ungebundenem Zustand als Aggregat oder als Agglo-merat enthaumllt und bei dem die Mehrheit der Partikel ein oder mehrere Auszligen-maszlige im Bereich unter 100 Nanometer hat In Nanogroumlszlige kann ein Stoff andere Eigenschaften besitzen als wenn er in Form groumlszligerer Partikel vorliegt

copy o

still

shu

tters

tock

com

36 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von Textilfasern Links Nanokomposit bei dem kaum Silberpartikel an der Faseroberflaumlche zu finden sind Mitte und rechts Textilien mit Silbercoating hier befindet sich insgesamt mehr Silber auf der Oberflaumlche

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

zu simulieren wurden die Textilien fuumlr 24 Stunden in einer Schweiszligsimulanz-Louml-sung inkubiert Fuumlr die Auswertung wurde zunaumlchst der gesamte Silbergehalt in den Schweiszligloumlsungen mit massenspektromet-rischen Messmethoden bestimmt In den Proben in denen Silber vorhanden war wurden anschlieszligend mit Zentrifugation und einer speziellen Methode zum Messen von Einzelpartikeln geloumlstes und partikulauml-res Silber unterschieden Im letzten Schritt wurden die Partikelgroumlszligen des vorgefun-denen partikulaumlren Silbers gemessen um nanoskaliges Silber zu identifizieren

Silber aus Kleidung freigesetzt

Die Untersuchung des BfR zeigte dass von jeder Textilprobe Silber in die Schweiszligsi-mulanz-Loumlsung uumlberging je nach geteste-tem Textil zwischen 7 und 75 Prozent des originaumlr in den Textilien enthaltenen Sil-bers Dabei setzten die beschichteten Tex-tilien mehr Silber frei als die Komposite Den houmlchsten abgegebenen Anteil fand das BfR bei dem mit konventionellem Silber beschichteten Textil Die Freisetzung wird demnach staumlrker durch die Technologie der Veredelung bestimmt als durch die im Tex-til enthaltene Menge Auszligerdem scheint die Abgaberate von Silber aus Nanosilber im Vergleich zu konventionellem Silber nicht erhoumlht zu sein

In der Schweiszligloumlsung lag das freigesetzte Silber uumlberwiegend geloumlst vor Partikulaumlres Silber fand sich nur zum geringeren Teil dann jedoch auch im Nanometerbereich Ob es sich dabei um einzelne Nanoparti-kel handelt oder ob das Silber an groumlszligere Partikel gebunden ist muss in weiteren Untersuchungen uumlberpruumlft werden Nach

derzeitigem wissenschaftlichem Kennt-nisstand geht man davon aus dass sich Nanopartikel im Koumlrper anders verhalten als groumlszligere Partikel Uumlberraschenderweise detektierte die Forschungsgruppe auch in den Schweiszligsimulanzien der mit konven-tionellem Silber beschichteten Textilien partikulaumlres Silber in Nanogroumlszlige Das Vor-kommen von Silberpartikeln scheint also nicht davon abhaumlngig zu sein ob das Silber in Nano- oder konventioneller Form auf das Textil aufgebracht wurde

In einer parallelen Untersuchung fanden die Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler heraus dass zudem die Beschaffenheit der Nanopartikel beispielsweise in Form einer speziellen Beschichtung ihre Loumlslichkeit in der Schweiszligloumlsung beeinflusst

Art der Beschichtung relevant

Silber wird demnach aus Textilien freige-setzt in geringen Teilen sogar in partiku- laumlrer Form Die gewaumlhlte Form der Tex-tilfunktionalisierung aber auch die Be-schaffenheit der Nanopartikel stellen dabei wichtige Kriterien fuumlr das Freisetzungsver-halten dar Solche Erkenntnisse sind vor al-lem fuumlr den sicheren Einsatz von Nanoma-terialien in Alltagsprodukten wichtig weil die Exposition des Menschen gegenuumlber derartigen Stoffen moumlglichst klein gehalten werden sollte Auszligerdem geben sie Hin-weise in welcher Anwendungsform Nano-materialien im verbrauchernahen Bereich sicher eingesetzt werden koumlnnen

Mehr erfahren Wagener et al 2016 Textile Functionalization and Its Effects on the Release of Silver Nanoparticles into Artificial Sweat Environ Sci Technol 50 11 5927ndash5934

Per Flugzeitmassenspek-trometer laumlsst sich Silber auf beschichteten Textil-fasern detektieren

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

NANOPARTIKEL

37012017

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

38 BfR 2 GO

Neuer Ansatz fuumlr Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

Spiegelbild gesucht

Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR zeigt einen neuen Ansatz um mithilfe von Genexpressionsdaten das geeignete Tiermodell fuumlr die Grundlagenforschung oder fuumlr spezifische klinische Fra-gestellungen zu identifizieren Damit koumlnnen zukuumlnftig unnoumltige Tierversu-che vermieden werden Hamburger Wissenschaftsbehoumlrden wuumlrdigten die Erkenntnisse mit einem Forschungspreis

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

39012017

Fragestellung

Vergleich

Auswahl

z B bdquoMit welchem Mausmodell koumlnnen die Ursachen von Alzheimer erforscht werdenldquo

Vergleich von vorhandenen Omics-Expressionsdaten von Mensch und Tier

Auswahl des geeigneten Modells

1

2

3

Geeignete Tiermodelle identifizieren

An Tiermodellen werden zahlreiche biologische Prozesse und Krankheiten wie Wund-

heilung Diabetes Tumoren oder entzuumlndliche Erkrankungen erforscht Durch den

Vergleich der Omics-Expressionsdaten von Tiermodell und Mensch koumlnnen geeignete

Modelle fuumlr die jeweilige Fragestellung identifiziert werden

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

40 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Verlaumluft ein entzuumlndlicher Prozess bei Maumlusen aumlhnlich wie beim Menschen Sind Maumluse daher geeignete Ver-

suchstiere fuumlr Tests von antientzuumlndlichen Substanzen Um Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung in den klinischen Alltag zu uumlberfuumlhren ndash Aufgabengebiet der translationalen Forschung ndash werden wissen-schaftliche Fragestellungen oft in Tierversu-chen erprobt Ob und inwieweit die Ergeb-nisse auf den Menschen uumlbertragbar sind ist dabei immer wieder Gegenstand kontrover-ser Diskussionen Geeignete Methoden mit denen die Wissenschaft Tiermodelle mit op-timaler Uumlbertragbarkeit auf den Menschen auswaumlhlen kann wuumlrden dem wissenschaft-lichen Fortschritt helfen und die Zahl der Tierversuche reduzieren Es geht dabei um die Frage welches Tiermodell am besten das menschliche System widerspiegelt

Vergleichbarkeit von Genom- daten fehleranfaumlllig

Als Grundlage fuumlr diese Uumlberlegungen die-nen Daten aus modernen bioanalytischen Hochdurchsatzverfahren Immer haumlufiger setzt die Wissenschaft auf diese sogenannten Omics-Technologien die die Gesamtheit aller Gene und ihrer Produkte analysieren ndash sowohl beim Tier als auch beim Menschen Mit ihnen lassen sich molekulare Prozesse in lebenden Systemen umfassend darstel-len indem sie beispielsweise die Interaktion hunderter bis tausender Genprodukte zei-gen Die Analyse dieser zunehmend kom-plexen Omics-Datensaumltze stellt die Wissen-schaft jedoch vor Probleme da das Vorgehen dazu nicht standardisiert ist Die Interpreta-tion der Ergebnisse ist bisher meist von der Kompetenz der Durchfuumlhrenden und von der angewandten Methode abhaumlngig Im Ergebnis war die Entscheidung zur Frage der Uumlbertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen fehleranfaumlllig und die Suche nach

geeigneten Tiermodellen erschwert Die ge-ringe Standardisierung der Interpretation von Omics-Daten fuumlhrte in Forschungs-kreisen bereits zu widerspruumlchlichen Er-gebnissen so zum Beispiel bei zwei Studien aus den Jahren 2013 und 2015 die sich mit der Vergleichbarkeit von entzuumlndlichen Er-krankungen beim Menschen und gaumlngigen Mausmodellen beschaumlftigten Waumlhrend eine Forschungsgruppe im Jahr 2013 schlussfol-gerte dass entzuumlndliche Prozesse zwischen Mensch und Maus nicht vergleichbar seien kam eine andere Gruppe zwei Jahre spaumlter anhand der gleichen Omics-Daten zum ge-genteiligen Schluss Die Maus reagiere auf der molekularen Ebene sehr aumlhnlich wie der Mensch und sei daher als Tiermodell sehr nuumltzlich fuumlr die Erforschung menschlicher Erkrankungen Zwar ist es nicht ungewoumlhn-lich dass Ergebnisse von Studien unter-schiedlich eingeschaumltzt werden ndash allerdings selten auf Basis der gleichen Daten

Motivation des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR war es diese Widerspruumlche aufzuklaumlren und einen standardisierten und zielgerichteten Analyseansatz zu entwickeln der die Suche nach geeigneten Tiermodellen vereinfacht und somit unnoumltige Tierversuche vermei-den hilft Es gehoumlrt zu den Kernaufgaben des Bf3R bundesweit alle Aktivitaumlten zu koordi-nieren mit den Zielen Tierversuche auf das unerlaumlssliche Maszlig zu beschraumlnken und fuumlr Versuchstiere den bestmoumlglichen Schutz zu gewaumlhrleisten Die Aufgaben des Bf3R wer-den vom BfR wahrgenommen

Genomdaten von Tier und Mensch gezielt vergleichen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler des Bf3R haben die Omics-Daten aus den beiden erwaumlhnten widerspruumlchlichen Studien mithilfe hochperformanter Com-

puter nochmals systematisch ausgewertet Dabei wurden zunaumlchst die zu verglei-chenden Gene gruppenweise biologischen Prozessen zugeordnet die wesentlich fuumlr ein Entzuumlndungsgeschehen sind Diese Gene Set Enrichment Analysis (GSEA) ge-nannte Methode greift auf umfangreiche in oumlffentlichen Datenbanken hinterlegte Genomdaten gaumlngiger Tiermodelle und von Erkrankten zuruumlck Mit ihrer Heran-gehensweise konnten die Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler des BfR an-schlieszligend Veraumlnderungen auf der Ebene pathologischer Signalwege erkennen und Unterschiede zwischen Tiermodell und Mensch identifizieren Da der Groszligteil der untersuchten Genprodukte haumlufig nur geringfuumlgig veraumlndert war konnten bei der Analyse auf Ebene vollstaumlndiger bio-logischer Signalwege alle Gene einbezogen und Aumlnderungen in der Gesamtheit eines biologischen Signalwegs bewertet werden Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu bisherigen Analyseansaumltzen da fuumlr die Klauml-rung translationaler Fragestellungen bisher haumlufig willkuumlrlich und subjektiv Gene von Mensch und Tiermodell fuumlr einen direkten Eins-zu-eins-Vergleich ausgewaumlhlt wurden

Die systematische Auswertung des Bf3R zeigte dass die Ergebnisse beim vorlie-genden Genomdatenvergleich bei einigen Mausmodellen gut mit den beim Menschen ermittelten Daten uumlbereinstimmten Bei an-deren Mausmodellen hingegen war es nicht so So aumlhnelt das Entzuumlndungsgeschehen bei Maumlusen die mit Staphylococcus aureus (Staphylococcus-aureus-Injektionsmodell) infiziert sind oder eine Darmperforation (Cecal-ligation-and-puncture-Modell) erfah-ren den meisten klinischen Proben Hin-gegen verlaufen Erkrankungen die durch Lipopolysaccharide (LPS) und Streptococcus pneumoniae verursacht werden bei Mensch und Maus verschieden

Omics

Der Terminus beschreibt Methoden zur

Analyse komplexer biologischer Proben

auf der Ebene des gesamten Genoms

von Transkripten Proteinen oder Meta-

boliten

41012017

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

Forschungsansatz hilft Tierversuche zu reduzieren

Die Methode der Datenanalyse mittels GSEA-Ansatz erleichtert es Forschungs-gruppen zukuumlnftig zielgerichtet und stan-dardisiert das optimale Tiermodell aus-zuwaumlhlen das am besten die menschliche Situation abbildet Voraussetzung dafuumlr ist die Existenz von Omics-Daten zur klini-schen Fragestellung sowie zu den infrage kommenden Tierversuchen Dies ist bereits fuumlr eine Vielzahl von Tiermodellen sowie von humanen Erkrankungen der Fall neben Entzuumlndungserkrankungen beispielsweise fuumlr Herz-Kreislauf-Erkrankungen Krebser-krankungen Atemwegserkrankungen Stoff-wechselerkrankungen und neurologische Erkrankungen Aufgrund der vermehrten Verwendung von Omics-Methoden kann davon ausgegangen werden dass stetig wei-tere systembiologische Daten ermittelt und veroumlffentlicht werden Die vom Bf3R ange-wandte Methode wird daher weiterhin bei der gezielten Auswahl von Tiermodellen nuumltzlich sein

Das Verfahren kann in der Grundlagen-forschung sowie in der translationalen und angewandten Forschung eingesetzt werden Diese Bereiche machten 2015 nach Anga-ben des Bundesministeriums fuumlr Ernaumlh-rung und Landwirtschaft mit insgesamt 73 Prozent den groumlszligten Teil der Tierversuche aus Ein Groszligteil davon entfaumlllt auf Maumluse Ratten und zunehmend auch auf Fische Grundsaumltzlich kann die neue Methode zur Auswahl des geeigneten Versuchstiermo-dells bzw zum Ausschluss nicht geeigneter Versuchstiermodelle bei jeglichen Tierver-suchen in diesen Bereichen genutzt werden Analog zu den Versuchstierzahlen liegen derzeit die meisten Omics-Daten fuumlr Maus und Ratte vor So sind beispielsweise allein in der oumlffentlichen NCBI GEO-Datenbank (National Center for Biotechnology Informa-tion Gene Expression Omnibus) derzeit Da-ten zu ca 340000 Maus-Proben und 75000 Ratte-Proben gelistet

Methode identifiziert geeignete Zellkulturmodelle

Dabei ist die Methode des Bf3R nicht auf humane und murine Datensaumltze beschraumlnkt sondern kann auf alle weiteren Spezies an-gewandt werden fuumlr die umfangreiche Da-tenbanken zu biologischen Signalwegen oder Gengruppen vorliegen Auch fuumlr die Beurteilung von zellbasierten Alternativ-methoden kann der neue Forschungsansatz

herangezogen werden Durch einen system-biologischen Abgleich der klinischen Daten mit Omics-Daten aus beispielsweise neuar-tigen 3D-Zellkulturen oder organaumlhnlichen Mikrostrukturen wird die Charakterisierung und Verifizierung von zellbasierten Alterna-tivmethoden ermoumlglicht

Praumlmierte Forschungsleistung

Fuumlr ihre Forschung erhielten die Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR 2016 den Hamburger Forschungspreis zur Foumlrderung der Entwicklung von Ersatz- und

Ergaumlnzungsmethoden Die Auszeichnung wurde zum erstem Mal von den Hamburger Behoumlrden fuumlr Gesundheit und Verbraucher-schutz sowie fuumlr Wissenschaft Forschung und Gleichstellung mit einem Foumlrderpreis in Houmlhe von 20000 Euro ausgeschrieben Der Preis wird fuumlr Arbeiten vergeben die einen Beitrag leisten Tierversuche zu ersetzen oder zu minimieren

Mehr erfahrenWeidner et al 2016 Defining the optimal animal model for translational research using gene set enrichment analysis EMBO Molecular Medicine 8 8 831ndash838

Wofuumlr Versuchstiere in Deutschland eingesetzt werden

630255Herstellung und Qualitaumlts-kontrolle medizinischer Produkte toxikologische Sicherheitspruumlfungen

22

59

14 5

1643259Grundlagenforschung

144997sonstige Zweckez B Zucht Aus- und Weiterbildung

381450translationale und angewandte Forschung

Que

lle B

unde

smin

iste

rium

fuumlr E

rnaumlh

rung

und

Lan

dwirt

scha

ft V

ersu

chst

ierz

ahle

n 20

15

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

42 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Alternativen zu Tierversuchen Forschung regional buumlndeln

Eine individualisierte Schmerztherapie fuumlr Versuchsmaumluse und eine Verringerung von Tierexperimenten zum Test der Inhala- tionstoxizitaumlt von Nanomaterialien (siehe rechte Spalte) ndash hierzu sollen die ersten Arbeitsergebnisse des BfR im Berlin-Bran-denburgischen Verbundprojekt BB3R zukuumlnftig beitragen Das Netzwerk aus Universitaumlten und Bundesinstitutionen forscht um Tierversuche zu vermeiden (Replacement) bzw zu verringern (Reduction) sowie das Leiden von Versuchstieren zu vermindern (Refinement) Das BfR ist als einer von sechs Verbundpartnern in den Bereichen der Refinement- und Replacement-Forschung beteiligt Das Bundesforschungsministerium foumlrdert das mit BB3R abgekuumlrzte Projekt fuumlr vier Jahre bis Fruumlhjahr 2018 es ist als Plattform fuumlr den wissenschaftlichen Austausch konzipiert und integriert ein Graduiertenkolleg

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschungwwwbb3rde

Belastung von Laborfischen erkennen

Koumlrperbau

Koumlrpermerkmale

Verhaltenkreisendes Schwimmen

Belastung von Laborfischen erkennen

Ob Laborfische Schmerzen empfinden oder leiden laumlsst sich mithilfe konkreter Kriterien beurteilen Die Vorarbeiten hierzu koordinierte der bdquoNationale Ausschuss zumSchutz von fuumlr wissenschaftliche Zweckeverwendeten Tierenldquo am BfR gemeinsam mit externen Sachverstaumlndigen und Beauf-tragten von Genehmigungsbehoumlrden Die erstmals definierten Kriterien bewerten unter anderem Auffaumllligkeiten im Koumlrper-bau sowie im Verhalten der Tiere Schmer-zen und Leiden koumlnnen so gezielt behandelt und gelindert werden Da die Frage der Belastung der Tiere anhand der Kriterien eindeutig geklaumlrt werden kann dienen sie zudem als Entscheidungshilfe fuumlr Behoumlr-den welche die Zucht belasteter genetisch veraumlnderter Tiere genehmigen muumlssen Fische insbesondere Zebrafische sind nach Maumlusen und Ratten die am dritthaumlufigsten verwendete Versuchstierart Die Zahl der Versuchsfische hat in den letzten Jahren stetig zugenommen

Mehr erfahren Bert et al 2016 Considerations for aEuropean animal welfare standard toevaluate adverse phenotypes in teleost fish EMBO J 35 11 1151ndash1154Empfehlung des Nationalen Ausschusses TierSchG Nr 0012015

Test der Inhalationstoxizitaumlt von Nanomaterialien

Die Einatmung gilt als wichtigster Aufnahmeweg fuumlr Nanomaterialien Im Rahmen der BB3R-Forschung bildet das BfR diese Art der Exposition mit In-vitro- Atemwegsepithelmodellen an ihrer Grenzflaumlche zur Luft ab Dieser Ansatz zum Test der Inhalationstoxi-zitaumlt hilft Anzahl und Umfang von Tierversuchen zu verringern

Versuchsaufbau Drei Roumlhrchen leiten ein Testaerosol mit luftgetragenen Nanomaterialien auf Epithelzellen

SPEKTRUM

copy B

fR

43012017

Jubilaumlumsfeier und internationales Symposium

Am 29 November 2017 feiert das BfR sein 15-jaumlh-riges Bestehen mit einem Festakt Geplant ist eine Feier mit ausgewaumlhlten Gaumlsten in der Akademie der Kuumlnste Anschlieszligend findet vom 30 Novem-ber bis zum 01 Dezember 2017 das gemeinsame internationale Symposium des BfR und seiner Schwesterinstitutionen aus Daumlnemark (DTU Food) und Frankreich (ANSES) sowie der suumldko-reanischen Behoumlrde fuumlr Lebens- und Arzneimittel-sicherheit (NIFDS) statt Unter dem Motto bdquoPast Present and Future Challenges in Risk Assessment ndash Strengthening Consumer Health Protectionldquo werden die letzten anderthalb Jahrzehnte Risikobewer-tung betrachtet Daruumlber hinaus werden aktuelle Aktivitaumlten sowie zukuumlnftige Herausforderungen des Verbraucherschutzes wie mikrobiologische Erreger chemische Substanzen Methoden und Harmonisierung auf nationaler wie internationa-ler Ebene diskutiert

VERANSTALTUNGEN

Nachwuchs foumlrdern

Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu foumlr-dern baut das BfR wissenschaftliche Nachwuchs-gruppen zu bestimmten Schwerpunktthemen auf Die bereits 2015 eingerichtete Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Warenketteldquo wird im Herbst 2017 durch einen weiteren Dokto-randen verstaumlrkt

Verstaumlrkung im Versuchstierschutz

Seit dem 1 April 2017 staumlrkt die Berufung von Herrn Universitaumltsprofessor Dr Lars Lewejo-hann den Kompetenzbereich bdquoVerminderung der Belastung und Verbesserung der Lebenssitua-tionldquo des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) Neben der Leitung der Fachgruppe bdquoTierschutz und Versuchstierkundeldquo im BfR wird Lars Lewejohann sein Wissen und neue Erkenntnisse als Hochschullehrer fuumlr bdquoTier-schutz mit dem Schwerpunkt Refinementldquo an der veterinaumlrmedizinischen Fakultaumlt der Freien Universitaumlt Berlin an Studierende und Doktoran-den weitergeben

PERSONALIEN

Alternativmethode zum Tierversuch bdquoKnochen-auf-dem-Chipldquo

Im Mai 2017 fand bei der Gemeinsamen For-schungsstelle (GFS)Joint Research Centre (JRC) der Generaldirektion (Directorate General) der Europaumlischen Kommission eine Summer School zu alternativen Ansaumltzen zum Tierversuch fuumlr die Risikobewertung in Ispra (Italien) statt Dort wurde Herr Dr Ing Frank Schulze aus der BfR-Fachgruppe bdquoZEBET ndash Alternativmethoden zu Tierversuchenldquo fuumlr seine Praumlsentation und das dazugehoumlrige Poster zum Thema bdquoEin Knochen-auf-dem-Chip fuumlr die Grundlagenwissenschaft und die Identifizierung von knochenschaumldigen-den Substanzenldquo mit einem Posterpreis (1 Platz) ausgezeichnet

copy B

fR

copy p

rivat

INSTITUTSLEBEN

44 BfR 2 GO

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

EuroMix A tiered strategy for risk assessment of mixtures of multiple chemicals

EuroMix ist ein laumlnderuumlbergreifendes Projekt der EU-Kommission das die nie-derlaumlndische Behoumlrde fuumlr Gesundheit und Umweltschutz RIVM koordiniert Es zielt darauf ab eine tierversuchsfreie experi-mentelle Test-Strategie zu entwickeln um die Toxizitaumlt von Gemischen verschiedener toxikologisch relevanter Lebensmittelin-haltsstoffe Lebensmittelkontaminanten und Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde besser zu bestimmen Aus den Forschungsergeb-nissen wird ein Leitfaden fuumlr die kuumlnftige Umsetzung einer experimentellen Test-Stra-tegie entwickelt Das Acht-Millionen-Eu-ro-Projekt laumluft bis Mai 2019

Mehr erfahren wwweuromixprojecteu

Kombinationseffekte Forschungsprojekte des BfR

Am BfR werden in verschiedenen Abteilungen mehrere interne Forschungsprojekte zu Kombinationseffekten durch-gefuumlhrt Dazu gehoumlren u a Forschungsprojekte zu kumulativen Wirkungen in Pflanzenschutzmitteln und Bioziden zu Mehrfachruumlckstaumlnden in Lebensmitteln zur Expositionsschaumltzung sowie zu wirbeltierfreien Alternativmethoden Daruumlber hinaus ist und war das BfR auch an folgenden Drittmittel-Projekten beteiligt die zu Kombinationseffekten forschen

Combiomics Analyse von Kombinationseffekten von Pestiziden in vitro

Combiomics war ein zweieinhalbjaumlhri-ges Projekt des Bundesministeriums fuumlr Bildung und Forschung (BMBF) das im Fruumlhling 2016 abgeschlossen wurde In dem vom BfR koordinierten Projekt wurden moumlgliche Kombinationswirkungen durch Mehrfachruumlckstaumlnde beispielhaft anhand einer Gruppe von Fungiziden in vitro unter-sucht Dazu wurden die molekularen Effek-te der Triazole mittels multi level omics und praumldiktiver mathematischer Modellierung untersucht Ausgehend von den Ergebnissen wurde ein Praumldiktionsmodell fuumlr Substanz-kombinationen erstellt validiert und auf Pestizide anderer Stoffgruppen bzw weitere Substanzklassen ausgedehnt um Kombi-nationseffekte kuumlnftig weitgehend ohne Tierversuche durchfuumlhrbar zu machen

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschung gt Drittmittelprojekte gt Combiomics

Combiomics 2Auch die zweite Projektphase von Com-biomics wird vom BfR koordiniert Hier sollen erfolgreich getestete Methoden und Zelllinien in Form einer standardisierten In-vitro-Testbatterie validiert und in ein Standardverfahren integriert werden das auch kuumlnftigen regulatorischen Anforde-rungen entspricht Das dreijaumlhrige Projekt wird vom BMBF bis Ende 2019 gefoumlrdert

Mehr erfahren wwwfisaonlinede gt Kombinationseffekte Pestizide

on schon jetzt unternommen Am 1 Maumlrz 2017 erschien im Bundesanzeiger eine Be-kanntmachung dass Kumulations- und Synergieeffekte in der gesundheitlichen Be-wertung von Pflanzenschutzmitteln kuumlnf-tig durch das BfR beruumlcksichtigt werden Damit bezieht Deutschland bei der zonalen Zulassung von Pflanzenschutzmitteln eine systematische kumulative Bewertung ein

Ein Leitfaden zur kumulativen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln wurde am BfR erarbeitet basierend auf den internatio-nalen Diskussionen bei EFSA und ECHA und 2014 veroumlffentlicht Seitdem wird das Verfahren am BfR angewandt uumlberpruumlft und verfeinert Im Kern geht es darum in einem mehrstufigen Verfahren verschie-dene Wirkstoffe in einem Pflanzenschutz-mittel oder in einer beantragten Tankmi-

schung kumulativ zu bewerten (s Kasten) Dazu werden sowohl die Exposition der Anwenderinnen und Anwender als auch die akute Exposition der Verbraucherinnen und Verbraucher betrachtet sodass die am meisten exponierten Gruppen beruumlcksich-tigt sind

Das Ziel Mischungen weltweit harmonisiert zu bewerten

Die Einfuumlhrung der Konzepte zur kumu-lativen Bewertung von Pflanzenschutzmit-teln hat auch in anderen EU-Laumlndern Aus-wirkungen auf die Risikobewertung Wenn Deutschland im zonalen Zulassungsverfah-ren bewertender Mitgliedstaat ist wird das Verfahren grundsaumltzlich angewandt Aber auch in die Bewertungsberichte anderer Laumlnder flieszligt die kumulative Bewertung als

deutscher Kommentar mit ein Durch den fachlichen Austausch zwischen den Mit-gliedstaaten wurde das Konzept in den letz-ten Jahren einem Peer-Review unterzogen Um die Praxis europaweit noch besser zu harmonisieren werden derzeit auszligerdem internationale Workshops organisiert auf denen diskutiert wird wie Mischungen bei der Risikobewertung kuumlnftig beruumlcksichtigt werden sollen Das BfR veranstaltet einen solchen Workshop im November 2017 im Auftrag der Europaumlischen Kommission die Franzoumlsische Behoumlrde fuumlr gesundheitlichen Verbraucher- Umwelt- und Arbeitsschutz (ANSES) einen weiteren im Februar 2018 unter aktiver Beteiligung des BfR

Das Ziel Mischungen weltweit harmoni-siert zu bewerten um Mensch und Umwelt besser zu schuumltzen ruumlckt damit naumlher

copy T

ATYA

NA

Yam

shan

ova

shut

ters

tock

com

33012017

MEHRFACHRUumlCKSTAumlNDE

bdquoZiel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertungldquo Interview mit Herrn Dr Roland Solecki uumlber die Forschungsaktivitaumlten des BfR zu Mehrfachruumlckstaumlnden

Herr Solecki bei Mehrfachruumlckstaumlnden von Pflanzenschutzmitteln sprechen die Medien oft von einem bdquoGiftcocktailldquo Haben Sie Erkenntnisse daruumlber wie groszlig das gesundheitliche Risiko tat-saumlchlich istDas BfR hat dazu gemeinsam mit dem Bun-desministerium fuumlr Ernaumlhrung und Land-wirtschaft und dem Bundesamt fuumlr Ver-braucherschutz und Lebensmittelsicherheit einen Bericht uumlber die kumulativen Wir-kungen von Pflanzenschutzmitteln veroumlf-fentlicht Dieser basiert auf einer Methodik der niederlaumlndischen Behoumlrde fuumlr Gesund-heit und Umweltschutz RIVM Hintergrund ist ein Monitoring das uumlber einen Zeitraum von sechs Jahren in Deutschland durchge-fuumlhrt wurde Darin wurde untersucht wel-che Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde durch-schnittlich uumlber Lebensmittel aufgenommen werden Das Ergebnis war dass auch unter Worst-Case-Annahmen fuumlr die Mischungen von Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnden ein gesundheitliches Risiko unwahrscheinlich ist Die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit EFSA kam in ihrem Monito-ring-Bericht von 2015 fuumlr Gesamteuropa zu einem aumlhnlichen Ergebnis

Sie arbeiten unter anderem bei dem Pro-jekt EuroMix mit Worum geht es dabeiEs handelt sich um ein groszliges Forschungs-projekt der EU-Kommission zur kumulati-ven Bewertung von Mischungen im Rahmen von Horizont 2020 dem Rahmenprogramm der Europaumlischen Union fuumlr Forschung und Innovation Das Projekt hat zum Ziel neue Bewertungsmethoden fuumlr Mischungseffekte zu erarbeiten besonders auch im Hinblick auf Alternativen zu Tierversuchen innovati-ve Wege der Expositionsschaumltzung und Mo-dellierung von kumulativen Risiken Dabei geht es nicht nur um Pflanzenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatzstoffe und andere Chemikalien

Wie ist das BfR da in EuroMix einge-bundenVom BfR arbeiten sowohl die Abteilung Sicherheit von Pestiziden als auch die Ab-teilung fuumlr Lebensmittelsicherheit am Eu-roMix-Projekt mit Waumlhrend die von mir geleitete Abteilung fuumlr die regulative Bewer-tung eingebunden ist werden in der Abtei-lung Lebensmittelsicherheit experimentelle Arbeiten unter anderem zur Lebertoxizitaumlt durchgefuumlhrt in denen auch Kombinatio-nen von Pestiziden mit anderen Lebensmit-telinhaltsstoffen gepruumlft werden

Woran forschen Sie im EuroMix-ProjektWir haben zunaumlchst recherchiert welche gesetzlichen Anforderungen bestehen und wie unterschiedliche Behoumlrden weltweit

Mischungseffekte bewerten Und wir haben Forschungen zu Mischungen durchgefuumlhrt die bestimmte adverse Effekte auf die Leber verursachen Dabei wurden bestimmte Schluumlsselelemente untersucht um daraus ein Konzept fuumlr die Bewertung zu erarbei-ten Jetzt werden die Omics-Untersuchun-gen und andere alternative Pruumlfverfahren noch durch Tierversuche ergaumlnzt sodass wir auch am Gesamtorganismus die Effek-te uumlberpruumlfen koumlnnen Gleichzeitig werden die statistischen Hilfsmittel und die ande-ren elektronisch basierten Tools weiterent-wickelt Auszligerdem folgen noch weitere Stu-dien zur Exposition Die finalen Ergebnisse liegen am Ende des Projekts im Jahr 2019 vor

In welche weiteren europaumlischen Aktivi-taumlten ist das BfR eingebundenDie EFSA hat bereits einige Ansaumltze zur Bewertung der kombinierten Exposition gegenuumlber mehreren Pestiziden und Kon-taminanten bei Menschen sowie mehreren Pestiziden bei Bienen entwickelt Derzeit ist die EFSA damit befasst neue Ansaumltze und Instrumente zur Harmonisierung der Be-wertung von Risiken fuumlr Mensch und Um-welt zu erarbeiten die von der Exposition gegenuumlber mehreren chemischen Stoffen in der Lebensmittelkette ausgehen Ich bin derzeit Mitglied einer Arbeitsgruppe von Sachverstaumlndigen die der Wissenschaftliche Ausschuss der EFSA eingerichtet hat um Leitlinien im Hinblick auf die kombinierte Exposition gegenuumlber mehreren chemi-schen Stoffen zu entwickeln Diese Initiative unter dem Namen bdquoMixToxldquo wird 2018 den Leitfaden in einer oumlffentlichen Konsultation diskutieren

Bei dieser Vielzahl an Aktivitaumlten Wel-ches Ziel haben Sie persoumlnlich vor Au-genDas Ziel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertung von Stoffen in der gesundheitlichen Risikocharakterisie-rung und deren harmonisierte Implemen-tierung in den gesetzlichen Verfahren Dies wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen

bdquoBei den kumulati-ven Risiken geht es nicht nur um Pflan-zenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatz-stoffe und andere Chemikalien

Dr Roland Solecki leitet die Abteilung bdquoSicherheit von Pestizidenldquo am BfR

copy B

fR

34 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

SPEKTRUM

Identifizierung endokriner Disruptoren Vom Grundsatz in die Praxis

Fuumlr Pestizid-Wirkstoffe und andere Chemikalien sind harmonisierte wissenschaftliche Kriterien erforderlich mit denen hormonschaumldigende Substanzen identifiziert werden koumlnnen Das BfR veroumlffentlichte hierzu bereits 2016 ein Konsenspapier als wissenschaftliche Grundlage fuumlr die darauffolgende Arbeit der EU-Behoumlrden Auf legislativer Ebene werden aktuell EU-weit geltende Ver-ordnungen festgelegt um auf wissenschaftlicher Ebene Leitlinien zur regulatorisch harmonisierten Umsetzung dieser Verordnungen zu erarbeiten Mit dieser Aufga-be hat die EU-Kommission die EFSA und die ECHA gemeinsam beauftragt Das BfR unterstuumltzt die Behoumlr-den mit wissenschaftlicher und technischer Expertise indem es die entsprechende Arbeitsgruppe bei der EFSA personell verstaumlrkt sowie Recherchen und Umfragen zur Praktikabilitaumlt von Untersuchungsmethoden durchfuumlhrt Die Publikation der Leitlinien wird fuumlr Fruumlhjahr 2018 erwartet Sie koumlnnen auf Basis der verabschiedeten Ver-ordnungen nach ihrer Implementierung in der Genehmi-gungspraxis angewendet werden

Mehr erfahren Solecki et al 2017 Scientific principles for the identification of endocrine-disrupting chemicals a consensus statement Arch Toxicol 91 1001ndash1006

Insekten-Stopp in Textilien Allergene Wirkung unwahrscheinlich

Das Risiko fuumlr eine Allergie nach dem Kontakt mit Kleidung und Produkten die mit dem Biozid Permethrin behandelt sind ist nach derzeitigem Kenntnisstand unwahrscheinlich Das ist das Ergebnis einer aktuellen Risikobewertung des BfR Gestuumltzt wird das Ergebnis dadurch dass trotz weitverbreiteter Anwendung des Wirkstoffs in Medikamenten und Verbraucherprodukten kein Anstieg der Kontaktallergien gegenuumlber Permethrin zu verzeichnen ist Das Risiko fuumlr kanzero-gene systemische Effekte infolge einer dermalen und oralen Exposition gegenuumlber Permethrin aus Textilien ist nach Ansicht des BfR vernachlaumlssigbar gering Permethrin ist ein biozider Wirkstoff der zum Schutz gegen Insekten in Produkten wie Schlafsaumlcken Picknick- und Yogadecken sowie Teppichen und Kleidung eingesetzt wird Er ist im Chemikalienrecht als sensibilisierend eingestuft ein moumlgliches geringes kanzerogenes Potenzial wird von verschiedenen wissenschaftlichen Gremien diskutiert Der Wirkstoff kann aus Textilien freigesetzt und uumlber die Haut aufgenommen werden Bei kleinen Kindern die viele Produkte in den Mund nehmen kommt eine moumlgliche orale Aufnah-me des Stoffes hinzu

Mehr erfahren Stellungnahme Nr 0062017 des BfR vom 25 April 2017

Wie wirkt Aluminium in Leber und Darm

Aluminium ist in Lebensmitteln Kosmetika und Bedarfsge-genstaumlnden enthalten und kann uumlber die Nahrung aufgenom-men werden Erste Ergebnisse aus dem deutsch-franzoumlsischen Forschungsprojekt bdquoSolNanoToxldquo mit Beteiligung des BfR zeigen dass sich aus der Nahrung aufgenommene Aluminiumverbin- dungen temporaumlr im Darm anreichern Ob und in welchen Men-gen die Partikel weiter in den Koumlrper insbesondere in die Leber gelangen und welche Faktoren ihre Wirkung beeinflussen wird aktuell erforscht Die Forschungsgruppe sieht Anhaltspunkte dafuumlr dass ein Teil der angereicherten Partikel mit dem Stuhl wieder ausgeschieden wird Fuumlr seine Untersuchung simulierte das BfR anhand biologischer Proben die Verdauung verschiede-ner Aluminiumarten vom Mund uumlber den Magen bis zum Darm Mithilfe von Enzymen und Salzen wurden dabei physiologische Parameter wie der pH-Wert gesteuert Waumlhrend des simulierten Verdauungsprozesses veraumlnderten die Aluminiumverbindungen ihre chemische Reaktionsfaumlhigkeit und Loumlslichkeit Die Erkennt-nisse sind ein erster Schritt um den Prozess der Aufnahme Resorption und Verteilung von Aluminium im Koumlrper besser zu verstehen und daraus Daten fuumlr die Risikobewertung abzuleiten Aluminiumverbindungen koumlnnen in zu hohen Dosen toxisch auf das Nervensystem und ungeborenes Leben wirken sowie die Fruchtbarkeit und Knochenentwicklung beeinflussen

copy B

fR

copy c

gsto

cks

hutte

rsto

ckc

om

copy R

osel

ynne

shu

tters

tock

com

35012017

Bei Kleidung ist besonders der Einsatz von Silber-Nanopartikeln weit verbreitet Silber wirkt antibakteriell und soll die Geruchs-bildung durch Schwitzen reduzieren Beim Einsatz von Nanosilber in Kleidungsstuuml-cken ist in erster Linie eine Freisetzung in Schweiszlig und somit ein moumlglicher Hautkon-takt relevant Neben der Frage ob und in welcher Menge Silber prinzipiell aus Texti-lien herausgeloumlst wird beschaumlftigt sich die Forschung mit der Frage welchen Einfluss die Technologie hat mit der Nanosilber auf Textilien aufgetragen bzw eingebracht wird Bisher war zudem unklar inwiefern die Oberflaumlchenbeschichtung der Nano-partikel die Abgabe beeinflusst

Kuumlnstlicher Schweiszlig simuliert Freisetzung

In einem Forschungsprojekt pruumlfte das BfR neun Proben von Textilien die mit Nanosil-ber veredelt waren Als Vergleich diente ein mit konventionellem Silber (hier Silbersalz mit einem Partikeldurchmesser groumlszliger als 100 Nanometer) ausgeruumlstetes Textil Zwei der Textilien waren sogenannte Komposite bei denen Nanosilber in die Faser integriert ist Bei den anderen getesteten Textilien war die Faseroberflaumlche mit Silber-Nano-partikeln bzw in einem Fall mit konventio-nellem Silber beschichtet (Textil-Coating) Um die Abgabe von Silber durch Schwitzen

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

Kleidung wird durch sie wasser- und schmutzabweisend sie blocken UV-Strahlen und mindern Geruumlche Nanoma-terialien haben beliebte funktionelle Eigenschaften Ob sie aufgrund ihrer Winzigkeit gesundheitliche Risiken bergen ist indes noch weitgehend unbekannt In einem Forschungsprojekt uumlber Nanosilber hat das BfR ermittelt ob sich die Kleinstteilchen aus Textilien herausloumlsen und damit zum gesundheitlichen Risiko werden koumlnnen

Nanomaterial

ist ein natuumlrliches bei Prozessen anfallendes oder kuumlnstlich hergestelltes Material das Partikel in ungebundenem Zustand als Aggregat oder als Agglo-merat enthaumllt und bei dem die Mehrheit der Partikel ein oder mehrere Auszligen-maszlige im Bereich unter 100 Nanometer hat In Nanogroumlszlige kann ein Stoff andere Eigenschaften besitzen als wenn er in Form groumlszligerer Partikel vorliegt

copy o

still

shu

tters

tock

com

36 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von Textilfasern Links Nanokomposit bei dem kaum Silberpartikel an der Faseroberflaumlche zu finden sind Mitte und rechts Textilien mit Silbercoating hier befindet sich insgesamt mehr Silber auf der Oberflaumlche

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

zu simulieren wurden die Textilien fuumlr 24 Stunden in einer Schweiszligsimulanz-Louml-sung inkubiert Fuumlr die Auswertung wurde zunaumlchst der gesamte Silbergehalt in den Schweiszligloumlsungen mit massenspektromet-rischen Messmethoden bestimmt In den Proben in denen Silber vorhanden war wurden anschlieszligend mit Zentrifugation und einer speziellen Methode zum Messen von Einzelpartikeln geloumlstes und partikulauml-res Silber unterschieden Im letzten Schritt wurden die Partikelgroumlszligen des vorgefun-denen partikulaumlren Silbers gemessen um nanoskaliges Silber zu identifizieren

Silber aus Kleidung freigesetzt

Die Untersuchung des BfR zeigte dass von jeder Textilprobe Silber in die Schweiszligsi-mulanz-Loumlsung uumlberging je nach geteste-tem Textil zwischen 7 und 75 Prozent des originaumlr in den Textilien enthaltenen Sil-bers Dabei setzten die beschichteten Tex-tilien mehr Silber frei als die Komposite Den houmlchsten abgegebenen Anteil fand das BfR bei dem mit konventionellem Silber beschichteten Textil Die Freisetzung wird demnach staumlrker durch die Technologie der Veredelung bestimmt als durch die im Tex-til enthaltene Menge Auszligerdem scheint die Abgaberate von Silber aus Nanosilber im Vergleich zu konventionellem Silber nicht erhoumlht zu sein

In der Schweiszligloumlsung lag das freigesetzte Silber uumlberwiegend geloumlst vor Partikulaumlres Silber fand sich nur zum geringeren Teil dann jedoch auch im Nanometerbereich Ob es sich dabei um einzelne Nanoparti-kel handelt oder ob das Silber an groumlszligere Partikel gebunden ist muss in weiteren Untersuchungen uumlberpruumlft werden Nach

derzeitigem wissenschaftlichem Kennt-nisstand geht man davon aus dass sich Nanopartikel im Koumlrper anders verhalten als groumlszligere Partikel Uumlberraschenderweise detektierte die Forschungsgruppe auch in den Schweiszligsimulanzien der mit konven-tionellem Silber beschichteten Textilien partikulaumlres Silber in Nanogroumlszlige Das Vor-kommen von Silberpartikeln scheint also nicht davon abhaumlngig zu sein ob das Silber in Nano- oder konventioneller Form auf das Textil aufgebracht wurde

In einer parallelen Untersuchung fanden die Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler heraus dass zudem die Beschaffenheit der Nanopartikel beispielsweise in Form einer speziellen Beschichtung ihre Loumlslichkeit in der Schweiszligloumlsung beeinflusst

Art der Beschichtung relevant

Silber wird demnach aus Textilien freige-setzt in geringen Teilen sogar in partiku- laumlrer Form Die gewaumlhlte Form der Tex-tilfunktionalisierung aber auch die Be-schaffenheit der Nanopartikel stellen dabei wichtige Kriterien fuumlr das Freisetzungsver-halten dar Solche Erkenntnisse sind vor al-lem fuumlr den sicheren Einsatz von Nanoma-terialien in Alltagsprodukten wichtig weil die Exposition des Menschen gegenuumlber derartigen Stoffen moumlglichst klein gehalten werden sollte Auszligerdem geben sie Hin-weise in welcher Anwendungsform Nano-materialien im verbrauchernahen Bereich sicher eingesetzt werden koumlnnen

Mehr erfahren Wagener et al 2016 Textile Functionalization and Its Effects on the Release of Silver Nanoparticles into Artificial Sweat Environ Sci Technol 50 11 5927ndash5934

Per Flugzeitmassenspek-trometer laumlsst sich Silber auf beschichteten Textil-fasern detektieren

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

NANOPARTIKEL

37012017

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

38 BfR 2 GO

Neuer Ansatz fuumlr Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

Spiegelbild gesucht

Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR zeigt einen neuen Ansatz um mithilfe von Genexpressionsdaten das geeignete Tiermodell fuumlr die Grundlagenforschung oder fuumlr spezifische klinische Fra-gestellungen zu identifizieren Damit koumlnnen zukuumlnftig unnoumltige Tierversu-che vermieden werden Hamburger Wissenschaftsbehoumlrden wuumlrdigten die Erkenntnisse mit einem Forschungspreis

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

39012017

Fragestellung

Vergleich

Auswahl

z B bdquoMit welchem Mausmodell koumlnnen die Ursachen von Alzheimer erforscht werdenldquo

Vergleich von vorhandenen Omics-Expressionsdaten von Mensch und Tier

Auswahl des geeigneten Modells

1

2

3

Geeignete Tiermodelle identifizieren

An Tiermodellen werden zahlreiche biologische Prozesse und Krankheiten wie Wund-

heilung Diabetes Tumoren oder entzuumlndliche Erkrankungen erforscht Durch den

Vergleich der Omics-Expressionsdaten von Tiermodell und Mensch koumlnnen geeignete

Modelle fuumlr die jeweilige Fragestellung identifiziert werden

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

40 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Verlaumluft ein entzuumlndlicher Prozess bei Maumlusen aumlhnlich wie beim Menschen Sind Maumluse daher geeignete Ver-

suchstiere fuumlr Tests von antientzuumlndlichen Substanzen Um Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung in den klinischen Alltag zu uumlberfuumlhren ndash Aufgabengebiet der translationalen Forschung ndash werden wissen-schaftliche Fragestellungen oft in Tierversu-chen erprobt Ob und inwieweit die Ergeb-nisse auf den Menschen uumlbertragbar sind ist dabei immer wieder Gegenstand kontrover-ser Diskussionen Geeignete Methoden mit denen die Wissenschaft Tiermodelle mit op-timaler Uumlbertragbarkeit auf den Menschen auswaumlhlen kann wuumlrden dem wissenschaft-lichen Fortschritt helfen und die Zahl der Tierversuche reduzieren Es geht dabei um die Frage welches Tiermodell am besten das menschliche System widerspiegelt

Vergleichbarkeit von Genom- daten fehleranfaumlllig

Als Grundlage fuumlr diese Uumlberlegungen die-nen Daten aus modernen bioanalytischen Hochdurchsatzverfahren Immer haumlufiger setzt die Wissenschaft auf diese sogenannten Omics-Technologien die die Gesamtheit aller Gene und ihrer Produkte analysieren ndash sowohl beim Tier als auch beim Menschen Mit ihnen lassen sich molekulare Prozesse in lebenden Systemen umfassend darstel-len indem sie beispielsweise die Interaktion hunderter bis tausender Genprodukte zei-gen Die Analyse dieser zunehmend kom-plexen Omics-Datensaumltze stellt die Wissen-schaft jedoch vor Probleme da das Vorgehen dazu nicht standardisiert ist Die Interpreta-tion der Ergebnisse ist bisher meist von der Kompetenz der Durchfuumlhrenden und von der angewandten Methode abhaumlngig Im Ergebnis war die Entscheidung zur Frage der Uumlbertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen fehleranfaumlllig und die Suche nach

geeigneten Tiermodellen erschwert Die ge-ringe Standardisierung der Interpretation von Omics-Daten fuumlhrte in Forschungs-kreisen bereits zu widerspruumlchlichen Er-gebnissen so zum Beispiel bei zwei Studien aus den Jahren 2013 und 2015 die sich mit der Vergleichbarkeit von entzuumlndlichen Er-krankungen beim Menschen und gaumlngigen Mausmodellen beschaumlftigten Waumlhrend eine Forschungsgruppe im Jahr 2013 schlussfol-gerte dass entzuumlndliche Prozesse zwischen Mensch und Maus nicht vergleichbar seien kam eine andere Gruppe zwei Jahre spaumlter anhand der gleichen Omics-Daten zum ge-genteiligen Schluss Die Maus reagiere auf der molekularen Ebene sehr aumlhnlich wie der Mensch und sei daher als Tiermodell sehr nuumltzlich fuumlr die Erforschung menschlicher Erkrankungen Zwar ist es nicht ungewoumlhn-lich dass Ergebnisse von Studien unter-schiedlich eingeschaumltzt werden ndash allerdings selten auf Basis der gleichen Daten

Motivation des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR war es diese Widerspruumlche aufzuklaumlren und einen standardisierten und zielgerichteten Analyseansatz zu entwickeln der die Suche nach geeigneten Tiermodellen vereinfacht und somit unnoumltige Tierversuche vermei-den hilft Es gehoumlrt zu den Kernaufgaben des Bf3R bundesweit alle Aktivitaumlten zu koordi-nieren mit den Zielen Tierversuche auf das unerlaumlssliche Maszlig zu beschraumlnken und fuumlr Versuchstiere den bestmoumlglichen Schutz zu gewaumlhrleisten Die Aufgaben des Bf3R wer-den vom BfR wahrgenommen

Genomdaten von Tier und Mensch gezielt vergleichen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler des Bf3R haben die Omics-Daten aus den beiden erwaumlhnten widerspruumlchlichen Studien mithilfe hochperformanter Com-

puter nochmals systematisch ausgewertet Dabei wurden zunaumlchst die zu verglei-chenden Gene gruppenweise biologischen Prozessen zugeordnet die wesentlich fuumlr ein Entzuumlndungsgeschehen sind Diese Gene Set Enrichment Analysis (GSEA) ge-nannte Methode greift auf umfangreiche in oumlffentlichen Datenbanken hinterlegte Genomdaten gaumlngiger Tiermodelle und von Erkrankten zuruumlck Mit ihrer Heran-gehensweise konnten die Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler des BfR an-schlieszligend Veraumlnderungen auf der Ebene pathologischer Signalwege erkennen und Unterschiede zwischen Tiermodell und Mensch identifizieren Da der Groszligteil der untersuchten Genprodukte haumlufig nur geringfuumlgig veraumlndert war konnten bei der Analyse auf Ebene vollstaumlndiger bio-logischer Signalwege alle Gene einbezogen und Aumlnderungen in der Gesamtheit eines biologischen Signalwegs bewertet werden Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu bisherigen Analyseansaumltzen da fuumlr die Klauml-rung translationaler Fragestellungen bisher haumlufig willkuumlrlich und subjektiv Gene von Mensch und Tiermodell fuumlr einen direkten Eins-zu-eins-Vergleich ausgewaumlhlt wurden

Die systematische Auswertung des Bf3R zeigte dass die Ergebnisse beim vorlie-genden Genomdatenvergleich bei einigen Mausmodellen gut mit den beim Menschen ermittelten Daten uumlbereinstimmten Bei an-deren Mausmodellen hingegen war es nicht so So aumlhnelt das Entzuumlndungsgeschehen bei Maumlusen die mit Staphylococcus aureus (Staphylococcus-aureus-Injektionsmodell) infiziert sind oder eine Darmperforation (Cecal-ligation-and-puncture-Modell) erfah-ren den meisten klinischen Proben Hin-gegen verlaufen Erkrankungen die durch Lipopolysaccharide (LPS) und Streptococcus pneumoniae verursacht werden bei Mensch und Maus verschieden

Omics

Der Terminus beschreibt Methoden zur

Analyse komplexer biologischer Proben

auf der Ebene des gesamten Genoms

von Transkripten Proteinen oder Meta-

boliten

41012017

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

Forschungsansatz hilft Tierversuche zu reduzieren

Die Methode der Datenanalyse mittels GSEA-Ansatz erleichtert es Forschungs-gruppen zukuumlnftig zielgerichtet und stan-dardisiert das optimale Tiermodell aus-zuwaumlhlen das am besten die menschliche Situation abbildet Voraussetzung dafuumlr ist die Existenz von Omics-Daten zur klini-schen Fragestellung sowie zu den infrage kommenden Tierversuchen Dies ist bereits fuumlr eine Vielzahl von Tiermodellen sowie von humanen Erkrankungen der Fall neben Entzuumlndungserkrankungen beispielsweise fuumlr Herz-Kreislauf-Erkrankungen Krebser-krankungen Atemwegserkrankungen Stoff-wechselerkrankungen und neurologische Erkrankungen Aufgrund der vermehrten Verwendung von Omics-Methoden kann davon ausgegangen werden dass stetig wei-tere systembiologische Daten ermittelt und veroumlffentlicht werden Die vom Bf3R ange-wandte Methode wird daher weiterhin bei der gezielten Auswahl von Tiermodellen nuumltzlich sein

Das Verfahren kann in der Grundlagen-forschung sowie in der translationalen und angewandten Forschung eingesetzt werden Diese Bereiche machten 2015 nach Anga-ben des Bundesministeriums fuumlr Ernaumlh-rung und Landwirtschaft mit insgesamt 73 Prozent den groumlszligten Teil der Tierversuche aus Ein Groszligteil davon entfaumlllt auf Maumluse Ratten und zunehmend auch auf Fische Grundsaumltzlich kann die neue Methode zur Auswahl des geeigneten Versuchstiermo-dells bzw zum Ausschluss nicht geeigneter Versuchstiermodelle bei jeglichen Tierver-suchen in diesen Bereichen genutzt werden Analog zu den Versuchstierzahlen liegen derzeit die meisten Omics-Daten fuumlr Maus und Ratte vor So sind beispielsweise allein in der oumlffentlichen NCBI GEO-Datenbank (National Center for Biotechnology Informa-tion Gene Expression Omnibus) derzeit Da-ten zu ca 340000 Maus-Proben und 75000 Ratte-Proben gelistet

Methode identifiziert geeignete Zellkulturmodelle

Dabei ist die Methode des Bf3R nicht auf humane und murine Datensaumltze beschraumlnkt sondern kann auf alle weiteren Spezies an-gewandt werden fuumlr die umfangreiche Da-tenbanken zu biologischen Signalwegen oder Gengruppen vorliegen Auch fuumlr die Beurteilung von zellbasierten Alternativ-methoden kann der neue Forschungsansatz

herangezogen werden Durch einen system-biologischen Abgleich der klinischen Daten mit Omics-Daten aus beispielsweise neuar-tigen 3D-Zellkulturen oder organaumlhnlichen Mikrostrukturen wird die Charakterisierung und Verifizierung von zellbasierten Alterna-tivmethoden ermoumlglicht

Praumlmierte Forschungsleistung

Fuumlr ihre Forschung erhielten die Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR 2016 den Hamburger Forschungspreis zur Foumlrderung der Entwicklung von Ersatz- und

Ergaumlnzungsmethoden Die Auszeichnung wurde zum erstem Mal von den Hamburger Behoumlrden fuumlr Gesundheit und Verbraucher-schutz sowie fuumlr Wissenschaft Forschung und Gleichstellung mit einem Foumlrderpreis in Houmlhe von 20000 Euro ausgeschrieben Der Preis wird fuumlr Arbeiten vergeben die einen Beitrag leisten Tierversuche zu ersetzen oder zu minimieren

Mehr erfahrenWeidner et al 2016 Defining the optimal animal model for translational research using gene set enrichment analysis EMBO Molecular Medicine 8 8 831ndash838

Wofuumlr Versuchstiere in Deutschland eingesetzt werden

630255Herstellung und Qualitaumlts-kontrolle medizinischer Produkte toxikologische Sicherheitspruumlfungen

22

59

14 5

1643259Grundlagenforschung

144997sonstige Zweckez B Zucht Aus- und Weiterbildung

381450translationale und angewandte Forschung

Que

lle B

unde

smin

iste

rium

fuumlr E

rnaumlh

rung

und

Lan

dwirt

scha

ft V

ersu

chst

ierz

ahle

n 20

15

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

42 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Alternativen zu Tierversuchen Forschung regional buumlndeln

Eine individualisierte Schmerztherapie fuumlr Versuchsmaumluse und eine Verringerung von Tierexperimenten zum Test der Inhala- tionstoxizitaumlt von Nanomaterialien (siehe rechte Spalte) ndash hierzu sollen die ersten Arbeitsergebnisse des BfR im Berlin-Bran-denburgischen Verbundprojekt BB3R zukuumlnftig beitragen Das Netzwerk aus Universitaumlten und Bundesinstitutionen forscht um Tierversuche zu vermeiden (Replacement) bzw zu verringern (Reduction) sowie das Leiden von Versuchstieren zu vermindern (Refinement) Das BfR ist als einer von sechs Verbundpartnern in den Bereichen der Refinement- und Replacement-Forschung beteiligt Das Bundesforschungsministerium foumlrdert das mit BB3R abgekuumlrzte Projekt fuumlr vier Jahre bis Fruumlhjahr 2018 es ist als Plattform fuumlr den wissenschaftlichen Austausch konzipiert und integriert ein Graduiertenkolleg

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschungwwwbb3rde

Belastung von Laborfischen erkennen

Koumlrperbau

Koumlrpermerkmale

Verhaltenkreisendes Schwimmen

Belastung von Laborfischen erkennen

Ob Laborfische Schmerzen empfinden oder leiden laumlsst sich mithilfe konkreter Kriterien beurteilen Die Vorarbeiten hierzu koordinierte der bdquoNationale Ausschuss zumSchutz von fuumlr wissenschaftliche Zweckeverwendeten Tierenldquo am BfR gemeinsam mit externen Sachverstaumlndigen und Beauf-tragten von Genehmigungsbehoumlrden Die erstmals definierten Kriterien bewerten unter anderem Auffaumllligkeiten im Koumlrper-bau sowie im Verhalten der Tiere Schmer-zen und Leiden koumlnnen so gezielt behandelt und gelindert werden Da die Frage der Belastung der Tiere anhand der Kriterien eindeutig geklaumlrt werden kann dienen sie zudem als Entscheidungshilfe fuumlr Behoumlr-den welche die Zucht belasteter genetisch veraumlnderter Tiere genehmigen muumlssen Fische insbesondere Zebrafische sind nach Maumlusen und Ratten die am dritthaumlufigsten verwendete Versuchstierart Die Zahl der Versuchsfische hat in den letzten Jahren stetig zugenommen

Mehr erfahren Bert et al 2016 Considerations for aEuropean animal welfare standard toevaluate adverse phenotypes in teleost fish EMBO J 35 11 1151ndash1154Empfehlung des Nationalen Ausschusses TierSchG Nr 0012015

Test der Inhalationstoxizitaumlt von Nanomaterialien

Die Einatmung gilt als wichtigster Aufnahmeweg fuumlr Nanomaterialien Im Rahmen der BB3R-Forschung bildet das BfR diese Art der Exposition mit In-vitro- Atemwegsepithelmodellen an ihrer Grenzflaumlche zur Luft ab Dieser Ansatz zum Test der Inhalationstoxi-zitaumlt hilft Anzahl und Umfang von Tierversuchen zu verringern

Versuchsaufbau Drei Roumlhrchen leiten ein Testaerosol mit luftgetragenen Nanomaterialien auf Epithelzellen

SPEKTRUM

copy B

fR

43012017

Jubilaumlumsfeier und internationales Symposium

Am 29 November 2017 feiert das BfR sein 15-jaumlh-riges Bestehen mit einem Festakt Geplant ist eine Feier mit ausgewaumlhlten Gaumlsten in der Akademie der Kuumlnste Anschlieszligend findet vom 30 Novem-ber bis zum 01 Dezember 2017 das gemeinsame internationale Symposium des BfR und seiner Schwesterinstitutionen aus Daumlnemark (DTU Food) und Frankreich (ANSES) sowie der suumldko-reanischen Behoumlrde fuumlr Lebens- und Arzneimittel-sicherheit (NIFDS) statt Unter dem Motto bdquoPast Present and Future Challenges in Risk Assessment ndash Strengthening Consumer Health Protectionldquo werden die letzten anderthalb Jahrzehnte Risikobewer-tung betrachtet Daruumlber hinaus werden aktuelle Aktivitaumlten sowie zukuumlnftige Herausforderungen des Verbraucherschutzes wie mikrobiologische Erreger chemische Substanzen Methoden und Harmonisierung auf nationaler wie internationa-ler Ebene diskutiert

VERANSTALTUNGEN

Nachwuchs foumlrdern

Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu foumlr-dern baut das BfR wissenschaftliche Nachwuchs-gruppen zu bestimmten Schwerpunktthemen auf Die bereits 2015 eingerichtete Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Warenketteldquo wird im Herbst 2017 durch einen weiteren Dokto-randen verstaumlrkt

Verstaumlrkung im Versuchstierschutz

Seit dem 1 April 2017 staumlrkt die Berufung von Herrn Universitaumltsprofessor Dr Lars Lewejo-hann den Kompetenzbereich bdquoVerminderung der Belastung und Verbesserung der Lebenssitua-tionldquo des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) Neben der Leitung der Fachgruppe bdquoTierschutz und Versuchstierkundeldquo im BfR wird Lars Lewejohann sein Wissen und neue Erkenntnisse als Hochschullehrer fuumlr bdquoTier-schutz mit dem Schwerpunkt Refinementldquo an der veterinaumlrmedizinischen Fakultaumlt der Freien Universitaumlt Berlin an Studierende und Doktoran-den weitergeben

PERSONALIEN

Alternativmethode zum Tierversuch bdquoKnochen-auf-dem-Chipldquo

Im Mai 2017 fand bei der Gemeinsamen For-schungsstelle (GFS)Joint Research Centre (JRC) der Generaldirektion (Directorate General) der Europaumlischen Kommission eine Summer School zu alternativen Ansaumltzen zum Tierversuch fuumlr die Risikobewertung in Ispra (Italien) statt Dort wurde Herr Dr Ing Frank Schulze aus der BfR-Fachgruppe bdquoZEBET ndash Alternativmethoden zu Tierversuchenldquo fuumlr seine Praumlsentation und das dazugehoumlrige Poster zum Thema bdquoEin Knochen-auf-dem-Chip fuumlr die Grundlagenwissenschaft und die Identifizierung von knochenschaumldigen-den Substanzenldquo mit einem Posterpreis (1 Platz) ausgezeichnet

copy B

fR

copy p

rivat

INSTITUTSLEBEN

44 BfR 2 GO

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

bdquoZiel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertungldquo Interview mit Herrn Dr Roland Solecki uumlber die Forschungsaktivitaumlten des BfR zu Mehrfachruumlckstaumlnden

Herr Solecki bei Mehrfachruumlckstaumlnden von Pflanzenschutzmitteln sprechen die Medien oft von einem bdquoGiftcocktailldquo Haben Sie Erkenntnisse daruumlber wie groszlig das gesundheitliche Risiko tat-saumlchlich istDas BfR hat dazu gemeinsam mit dem Bun-desministerium fuumlr Ernaumlhrung und Land-wirtschaft und dem Bundesamt fuumlr Ver-braucherschutz und Lebensmittelsicherheit einen Bericht uumlber die kumulativen Wir-kungen von Pflanzenschutzmitteln veroumlf-fentlicht Dieser basiert auf einer Methodik der niederlaumlndischen Behoumlrde fuumlr Gesund-heit und Umweltschutz RIVM Hintergrund ist ein Monitoring das uumlber einen Zeitraum von sechs Jahren in Deutschland durchge-fuumlhrt wurde Darin wurde untersucht wel-che Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnde durch-schnittlich uumlber Lebensmittel aufgenommen werden Das Ergebnis war dass auch unter Worst-Case-Annahmen fuumlr die Mischungen von Pflanzenschutzmittelruumlckstaumlnden ein gesundheitliches Risiko unwahrscheinlich ist Die Europaumlische Behoumlrde fuumlr Lebensmit-telsicherheit EFSA kam in ihrem Monito-ring-Bericht von 2015 fuumlr Gesamteuropa zu einem aumlhnlichen Ergebnis

Sie arbeiten unter anderem bei dem Pro-jekt EuroMix mit Worum geht es dabeiEs handelt sich um ein groszliges Forschungs-projekt der EU-Kommission zur kumulati-ven Bewertung von Mischungen im Rahmen von Horizont 2020 dem Rahmenprogramm der Europaumlischen Union fuumlr Forschung und Innovation Das Projekt hat zum Ziel neue Bewertungsmethoden fuumlr Mischungseffekte zu erarbeiten besonders auch im Hinblick auf Alternativen zu Tierversuchen innovati-ve Wege der Expositionsschaumltzung und Mo-dellierung von kumulativen Risiken Dabei geht es nicht nur um Pflanzenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatzstoffe und andere Chemikalien

Wie ist das BfR da in EuroMix einge-bundenVom BfR arbeiten sowohl die Abteilung Sicherheit von Pestiziden als auch die Ab-teilung fuumlr Lebensmittelsicherheit am Eu-roMix-Projekt mit Waumlhrend die von mir geleitete Abteilung fuumlr die regulative Bewer-tung eingebunden ist werden in der Abtei-lung Lebensmittelsicherheit experimentelle Arbeiten unter anderem zur Lebertoxizitaumlt durchgefuumlhrt in denen auch Kombinatio-nen von Pestiziden mit anderen Lebensmit-telinhaltsstoffen gepruumlft werden

Woran forschen Sie im EuroMix-ProjektWir haben zunaumlchst recherchiert welche gesetzlichen Anforderungen bestehen und wie unterschiedliche Behoumlrden weltweit

Mischungseffekte bewerten Und wir haben Forschungen zu Mischungen durchgefuumlhrt die bestimmte adverse Effekte auf die Leber verursachen Dabei wurden bestimmte Schluumlsselelemente untersucht um daraus ein Konzept fuumlr die Bewertung zu erarbei-ten Jetzt werden die Omics-Untersuchun-gen und andere alternative Pruumlfverfahren noch durch Tierversuche ergaumlnzt sodass wir auch am Gesamtorganismus die Effek-te uumlberpruumlfen koumlnnen Gleichzeitig werden die statistischen Hilfsmittel und die ande-ren elektronisch basierten Tools weiterent-wickelt Auszligerdem folgen noch weitere Stu-dien zur Exposition Die finalen Ergebnisse liegen am Ende des Projekts im Jahr 2019 vor

In welche weiteren europaumlischen Aktivi-taumlten ist das BfR eingebundenDie EFSA hat bereits einige Ansaumltze zur Bewertung der kombinierten Exposition gegenuumlber mehreren Pestiziden und Kon-taminanten bei Menschen sowie mehreren Pestiziden bei Bienen entwickelt Derzeit ist die EFSA damit befasst neue Ansaumltze und Instrumente zur Harmonisierung der Be-wertung von Risiken fuumlr Mensch und Um-welt zu erarbeiten die von der Exposition gegenuumlber mehreren chemischen Stoffen in der Lebensmittelkette ausgehen Ich bin derzeit Mitglied einer Arbeitsgruppe von Sachverstaumlndigen die der Wissenschaftliche Ausschuss der EFSA eingerichtet hat um Leitlinien im Hinblick auf die kombinierte Exposition gegenuumlber mehreren chemi-schen Stoffen zu entwickeln Diese Initiative unter dem Namen bdquoMixToxldquo wird 2018 den Leitfaden in einer oumlffentlichen Konsultation diskutieren

Bei dieser Vielzahl an Aktivitaumlten Wel-ches Ziel haben Sie persoumlnlich vor Au-genDas Ziel ist die schrittweise Verbesserung der kumulativen Bewertung von Stoffen in der gesundheitlichen Risikocharakterisie-rung und deren harmonisierte Implemen-tierung in den gesetzlichen Verfahren Dies wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen

bdquoBei den kumulati-ven Risiken geht es nicht nur um Pflan-zenschutzmittel sondern auch um Lebensmittelzusatz-stoffe und andere Chemikalien

Dr Roland Solecki leitet die Abteilung bdquoSicherheit von Pestizidenldquo am BfR

copy B

fR

34 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

SPEKTRUM

Identifizierung endokriner Disruptoren Vom Grundsatz in die Praxis

Fuumlr Pestizid-Wirkstoffe und andere Chemikalien sind harmonisierte wissenschaftliche Kriterien erforderlich mit denen hormonschaumldigende Substanzen identifiziert werden koumlnnen Das BfR veroumlffentlichte hierzu bereits 2016 ein Konsenspapier als wissenschaftliche Grundlage fuumlr die darauffolgende Arbeit der EU-Behoumlrden Auf legislativer Ebene werden aktuell EU-weit geltende Ver-ordnungen festgelegt um auf wissenschaftlicher Ebene Leitlinien zur regulatorisch harmonisierten Umsetzung dieser Verordnungen zu erarbeiten Mit dieser Aufga-be hat die EU-Kommission die EFSA und die ECHA gemeinsam beauftragt Das BfR unterstuumltzt die Behoumlr-den mit wissenschaftlicher und technischer Expertise indem es die entsprechende Arbeitsgruppe bei der EFSA personell verstaumlrkt sowie Recherchen und Umfragen zur Praktikabilitaumlt von Untersuchungsmethoden durchfuumlhrt Die Publikation der Leitlinien wird fuumlr Fruumlhjahr 2018 erwartet Sie koumlnnen auf Basis der verabschiedeten Ver-ordnungen nach ihrer Implementierung in der Genehmi-gungspraxis angewendet werden

Mehr erfahren Solecki et al 2017 Scientific principles for the identification of endocrine-disrupting chemicals a consensus statement Arch Toxicol 91 1001ndash1006

Insekten-Stopp in Textilien Allergene Wirkung unwahrscheinlich

Das Risiko fuumlr eine Allergie nach dem Kontakt mit Kleidung und Produkten die mit dem Biozid Permethrin behandelt sind ist nach derzeitigem Kenntnisstand unwahrscheinlich Das ist das Ergebnis einer aktuellen Risikobewertung des BfR Gestuumltzt wird das Ergebnis dadurch dass trotz weitverbreiteter Anwendung des Wirkstoffs in Medikamenten und Verbraucherprodukten kein Anstieg der Kontaktallergien gegenuumlber Permethrin zu verzeichnen ist Das Risiko fuumlr kanzero-gene systemische Effekte infolge einer dermalen und oralen Exposition gegenuumlber Permethrin aus Textilien ist nach Ansicht des BfR vernachlaumlssigbar gering Permethrin ist ein biozider Wirkstoff der zum Schutz gegen Insekten in Produkten wie Schlafsaumlcken Picknick- und Yogadecken sowie Teppichen und Kleidung eingesetzt wird Er ist im Chemikalienrecht als sensibilisierend eingestuft ein moumlgliches geringes kanzerogenes Potenzial wird von verschiedenen wissenschaftlichen Gremien diskutiert Der Wirkstoff kann aus Textilien freigesetzt und uumlber die Haut aufgenommen werden Bei kleinen Kindern die viele Produkte in den Mund nehmen kommt eine moumlgliche orale Aufnah-me des Stoffes hinzu

Mehr erfahren Stellungnahme Nr 0062017 des BfR vom 25 April 2017

Wie wirkt Aluminium in Leber und Darm

Aluminium ist in Lebensmitteln Kosmetika und Bedarfsge-genstaumlnden enthalten und kann uumlber die Nahrung aufgenom-men werden Erste Ergebnisse aus dem deutsch-franzoumlsischen Forschungsprojekt bdquoSolNanoToxldquo mit Beteiligung des BfR zeigen dass sich aus der Nahrung aufgenommene Aluminiumverbin- dungen temporaumlr im Darm anreichern Ob und in welchen Men-gen die Partikel weiter in den Koumlrper insbesondere in die Leber gelangen und welche Faktoren ihre Wirkung beeinflussen wird aktuell erforscht Die Forschungsgruppe sieht Anhaltspunkte dafuumlr dass ein Teil der angereicherten Partikel mit dem Stuhl wieder ausgeschieden wird Fuumlr seine Untersuchung simulierte das BfR anhand biologischer Proben die Verdauung verschiede-ner Aluminiumarten vom Mund uumlber den Magen bis zum Darm Mithilfe von Enzymen und Salzen wurden dabei physiologische Parameter wie der pH-Wert gesteuert Waumlhrend des simulierten Verdauungsprozesses veraumlnderten die Aluminiumverbindungen ihre chemische Reaktionsfaumlhigkeit und Loumlslichkeit Die Erkennt-nisse sind ein erster Schritt um den Prozess der Aufnahme Resorption und Verteilung von Aluminium im Koumlrper besser zu verstehen und daraus Daten fuumlr die Risikobewertung abzuleiten Aluminiumverbindungen koumlnnen in zu hohen Dosen toxisch auf das Nervensystem und ungeborenes Leben wirken sowie die Fruchtbarkeit und Knochenentwicklung beeinflussen

copy B

fR

copy c

gsto

cks

hutte

rsto

ckc

om

copy R

osel

ynne

shu

tters

tock

com

35012017

Bei Kleidung ist besonders der Einsatz von Silber-Nanopartikeln weit verbreitet Silber wirkt antibakteriell und soll die Geruchs-bildung durch Schwitzen reduzieren Beim Einsatz von Nanosilber in Kleidungsstuuml-cken ist in erster Linie eine Freisetzung in Schweiszlig und somit ein moumlglicher Hautkon-takt relevant Neben der Frage ob und in welcher Menge Silber prinzipiell aus Texti-lien herausgeloumlst wird beschaumlftigt sich die Forschung mit der Frage welchen Einfluss die Technologie hat mit der Nanosilber auf Textilien aufgetragen bzw eingebracht wird Bisher war zudem unklar inwiefern die Oberflaumlchenbeschichtung der Nano-partikel die Abgabe beeinflusst

Kuumlnstlicher Schweiszlig simuliert Freisetzung

In einem Forschungsprojekt pruumlfte das BfR neun Proben von Textilien die mit Nanosil-ber veredelt waren Als Vergleich diente ein mit konventionellem Silber (hier Silbersalz mit einem Partikeldurchmesser groumlszliger als 100 Nanometer) ausgeruumlstetes Textil Zwei der Textilien waren sogenannte Komposite bei denen Nanosilber in die Faser integriert ist Bei den anderen getesteten Textilien war die Faseroberflaumlche mit Silber-Nano-partikeln bzw in einem Fall mit konventio-nellem Silber beschichtet (Textil-Coating) Um die Abgabe von Silber durch Schwitzen

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

Kleidung wird durch sie wasser- und schmutzabweisend sie blocken UV-Strahlen und mindern Geruumlche Nanoma-terialien haben beliebte funktionelle Eigenschaften Ob sie aufgrund ihrer Winzigkeit gesundheitliche Risiken bergen ist indes noch weitgehend unbekannt In einem Forschungsprojekt uumlber Nanosilber hat das BfR ermittelt ob sich die Kleinstteilchen aus Textilien herausloumlsen und damit zum gesundheitlichen Risiko werden koumlnnen

Nanomaterial

ist ein natuumlrliches bei Prozessen anfallendes oder kuumlnstlich hergestelltes Material das Partikel in ungebundenem Zustand als Aggregat oder als Agglo-merat enthaumllt und bei dem die Mehrheit der Partikel ein oder mehrere Auszligen-maszlige im Bereich unter 100 Nanometer hat In Nanogroumlszlige kann ein Stoff andere Eigenschaften besitzen als wenn er in Form groumlszligerer Partikel vorliegt

copy o

still

shu

tters

tock

com

36 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von Textilfasern Links Nanokomposit bei dem kaum Silberpartikel an der Faseroberflaumlche zu finden sind Mitte und rechts Textilien mit Silbercoating hier befindet sich insgesamt mehr Silber auf der Oberflaumlche

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

zu simulieren wurden die Textilien fuumlr 24 Stunden in einer Schweiszligsimulanz-Louml-sung inkubiert Fuumlr die Auswertung wurde zunaumlchst der gesamte Silbergehalt in den Schweiszligloumlsungen mit massenspektromet-rischen Messmethoden bestimmt In den Proben in denen Silber vorhanden war wurden anschlieszligend mit Zentrifugation und einer speziellen Methode zum Messen von Einzelpartikeln geloumlstes und partikulauml-res Silber unterschieden Im letzten Schritt wurden die Partikelgroumlszligen des vorgefun-denen partikulaumlren Silbers gemessen um nanoskaliges Silber zu identifizieren

Silber aus Kleidung freigesetzt

Die Untersuchung des BfR zeigte dass von jeder Textilprobe Silber in die Schweiszligsi-mulanz-Loumlsung uumlberging je nach geteste-tem Textil zwischen 7 und 75 Prozent des originaumlr in den Textilien enthaltenen Sil-bers Dabei setzten die beschichteten Tex-tilien mehr Silber frei als die Komposite Den houmlchsten abgegebenen Anteil fand das BfR bei dem mit konventionellem Silber beschichteten Textil Die Freisetzung wird demnach staumlrker durch die Technologie der Veredelung bestimmt als durch die im Tex-til enthaltene Menge Auszligerdem scheint die Abgaberate von Silber aus Nanosilber im Vergleich zu konventionellem Silber nicht erhoumlht zu sein

In der Schweiszligloumlsung lag das freigesetzte Silber uumlberwiegend geloumlst vor Partikulaumlres Silber fand sich nur zum geringeren Teil dann jedoch auch im Nanometerbereich Ob es sich dabei um einzelne Nanoparti-kel handelt oder ob das Silber an groumlszligere Partikel gebunden ist muss in weiteren Untersuchungen uumlberpruumlft werden Nach

derzeitigem wissenschaftlichem Kennt-nisstand geht man davon aus dass sich Nanopartikel im Koumlrper anders verhalten als groumlszligere Partikel Uumlberraschenderweise detektierte die Forschungsgruppe auch in den Schweiszligsimulanzien der mit konven-tionellem Silber beschichteten Textilien partikulaumlres Silber in Nanogroumlszlige Das Vor-kommen von Silberpartikeln scheint also nicht davon abhaumlngig zu sein ob das Silber in Nano- oder konventioneller Form auf das Textil aufgebracht wurde

In einer parallelen Untersuchung fanden die Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler heraus dass zudem die Beschaffenheit der Nanopartikel beispielsweise in Form einer speziellen Beschichtung ihre Loumlslichkeit in der Schweiszligloumlsung beeinflusst

Art der Beschichtung relevant

Silber wird demnach aus Textilien freige-setzt in geringen Teilen sogar in partiku- laumlrer Form Die gewaumlhlte Form der Tex-tilfunktionalisierung aber auch die Be-schaffenheit der Nanopartikel stellen dabei wichtige Kriterien fuumlr das Freisetzungsver-halten dar Solche Erkenntnisse sind vor al-lem fuumlr den sicheren Einsatz von Nanoma-terialien in Alltagsprodukten wichtig weil die Exposition des Menschen gegenuumlber derartigen Stoffen moumlglichst klein gehalten werden sollte Auszligerdem geben sie Hin-weise in welcher Anwendungsform Nano-materialien im verbrauchernahen Bereich sicher eingesetzt werden koumlnnen

Mehr erfahren Wagener et al 2016 Textile Functionalization and Its Effects on the Release of Silver Nanoparticles into Artificial Sweat Environ Sci Technol 50 11 5927ndash5934

Per Flugzeitmassenspek-trometer laumlsst sich Silber auf beschichteten Textil-fasern detektieren

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

NANOPARTIKEL

37012017

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

38 BfR 2 GO

Neuer Ansatz fuumlr Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

Spiegelbild gesucht

Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR zeigt einen neuen Ansatz um mithilfe von Genexpressionsdaten das geeignete Tiermodell fuumlr die Grundlagenforschung oder fuumlr spezifische klinische Fra-gestellungen zu identifizieren Damit koumlnnen zukuumlnftig unnoumltige Tierversu-che vermieden werden Hamburger Wissenschaftsbehoumlrden wuumlrdigten die Erkenntnisse mit einem Forschungspreis

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

39012017

Fragestellung

Vergleich

Auswahl

z B bdquoMit welchem Mausmodell koumlnnen die Ursachen von Alzheimer erforscht werdenldquo

Vergleich von vorhandenen Omics-Expressionsdaten von Mensch und Tier

Auswahl des geeigneten Modells

1

2

3

Geeignete Tiermodelle identifizieren

An Tiermodellen werden zahlreiche biologische Prozesse und Krankheiten wie Wund-

heilung Diabetes Tumoren oder entzuumlndliche Erkrankungen erforscht Durch den

Vergleich der Omics-Expressionsdaten von Tiermodell und Mensch koumlnnen geeignete

Modelle fuumlr die jeweilige Fragestellung identifiziert werden

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

40 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Verlaumluft ein entzuumlndlicher Prozess bei Maumlusen aumlhnlich wie beim Menschen Sind Maumluse daher geeignete Ver-

suchstiere fuumlr Tests von antientzuumlndlichen Substanzen Um Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung in den klinischen Alltag zu uumlberfuumlhren ndash Aufgabengebiet der translationalen Forschung ndash werden wissen-schaftliche Fragestellungen oft in Tierversu-chen erprobt Ob und inwieweit die Ergeb-nisse auf den Menschen uumlbertragbar sind ist dabei immer wieder Gegenstand kontrover-ser Diskussionen Geeignete Methoden mit denen die Wissenschaft Tiermodelle mit op-timaler Uumlbertragbarkeit auf den Menschen auswaumlhlen kann wuumlrden dem wissenschaft-lichen Fortschritt helfen und die Zahl der Tierversuche reduzieren Es geht dabei um die Frage welches Tiermodell am besten das menschliche System widerspiegelt

Vergleichbarkeit von Genom- daten fehleranfaumlllig

Als Grundlage fuumlr diese Uumlberlegungen die-nen Daten aus modernen bioanalytischen Hochdurchsatzverfahren Immer haumlufiger setzt die Wissenschaft auf diese sogenannten Omics-Technologien die die Gesamtheit aller Gene und ihrer Produkte analysieren ndash sowohl beim Tier als auch beim Menschen Mit ihnen lassen sich molekulare Prozesse in lebenden Systemen umfassend darstel-len indem sie beispielsweise die Interaktion hunderter bis tausender Genprodukte zei-gen Die Analyse dieser zunehmend kom-plexen Omics-Datensaumltze stellt die Wissen-schaft jedoch vor Probleme da das Vorgehen dazu nicht standardisiert ist Die Interpreta-tion der Ergebnisse ist bisher meist von der Kompetenz der Durchfuumlhrenden und von der angewandten Methode abhaumlngig Im Ergebnis war die Entscheidung zur Frage der Uumlbertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen fehleranfaumlllig und die Suche nach

geeigneten Tiermodellen erschwert Die ge-ringe Standardisierung der Interpretation von Omics-Daten fuumlhrte in Forschungs-kreisen bereits zu widerspruumlchlichen Er-gebnissen so zum Beispiel bei zwei Studien aus den Jahren 2013 und 2015 die sich mit der Vergleichbarkeit von entzuumlndlichen Er-krankungen beim Menschen und gaumlngigen Mausmodellen beschaumlftigten Waumlhrend eine Forschungsgruppe im Jahr 2013 schlussfol-gerte dass entzuumlndliche Prozesse zwischen Mensch und Maus nicht vergleichbar seien kam eine andere Gruppe zwei Jahre spaumlter anhand der gleichen Omics-Daten zum ge-genteiligen Schluss Die Maus reagiere auf der molekularen Ebene sehr aumlhnlich wie der Mensch und sei daher als Tiermodell sehr nuumltzlich fuumlr die Erforschung menschlicher Erkrankungen Zwar ist es nicht ungewoumlhn-lich dass Ergebnisse von Studien unter-schiedlich eingeschaumltzt werden ndash allerdings selten auf Basis der gleichen Daten

Motivation des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR war es diese Widerspruumlche aufzuklaumlren und einen standardisierten und zielgerichteten Analyseansatz zu entwickeln der die Suche nach geeigneten Tiermodellen vereinfacht und somit unnoumltige Tierversuche vermei-den hilft Es gehoumlrt zu den Kernaufgaben des Bf3R bundesweit alle Aktivitaumlten zu koordi-nieren mit den Zielen Tierversuche auf das unerlaumlssliche Maszlig zu beschraumlnken und fuumlr Versuchstiere den bestmoumlglichen Schutz zu gewaumlhrleisten Die Aufgaben des Bf3R wer-den vom BfR wahrgenommen

Genomdaten von Tier und Mensch gezielt vergleichen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler des Bf3R haben die Omics-Daten aus den beiden erwaumlhnten widerspruumlchlichen Studien mithilfe hochperformanter Com-

puter nochmals systematisch ausgewertet Dabei wurden zunaumlchst die zu verglei-chenden Gene gruppenweise biologischen Prozessen zugeordnet die wesentlich fuumlr ein Entzuumlndungsgeschehen sind Diese Gene Set Enrichment Analysis (GSEA) ge-nannte Methode greift auf umfangreiche in oumlffentlichen Datenbanken hinterlegte Genomdaten gaumlngiger Tiermodelle und von Erkrankten zuruumlck Mit ihrer Heran-gehensweise konnten die Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler des BfR an-schlieszligend Veraumlnderungen auf der Ebene pathologischer Signalwege erkennen und Unterschiede zwischen Tiermodell und Mensch identifizieren Da der Groszligteil der untersuchten Genprodukte haumlufig nur geringfuumlgig veraumlndert war konnten bei der Analyse auf Ebene vollstaumlndiger bio-logischer Signalwege alle Gene einbezogen und Aumlnderungen in der Gesamtheit eines biologischen Signalwegs bewertet werden Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu bisherigen Analyseansaumltzen da fuumlr die Klauml-rung translationaler Fragestellungen bisher haumlufig willkuumlrlich und subjektiv Gene von Mensch und Tiermodell fuumlr einen direkten Eins-zu-eins-Vergleich ausgewaumlhlt wurden

Die systematische Auswertung des Bf3R zeigte dass die Ergebnisse beim vorlie-genden Genomdatenvergleich bei einigen Mausmodellen gut mit den beim Menschen ermittelten Daten uumlbereinstimmten Bei an-deren Mausmodellen hingegen war es nicht so So aumlhnelt das Entzuumlndungsgeschehen bei Maumlusen die mit Staphylococcus aureus (Staphylococcus-aureus-Injektionsmodell) infiziert sind oder eine Darmperforation (Cecal-ligation-and-puncture-Modell) erfah-ren den meisten klinischen Proben Hin-gegen verlaufen Erkrankungen die durch Lipopolysaccharide (LPS) und Streptococcus pneumoniae verursacht werden bei Mensch und Maus verschieden

Omics

Der Terminus beschreibt Methoden zur

Analyse komplexer biologischer Proben

auf der Ebene des gesamten Genoms

von Transkripten Proteinen oder Meta-

boliten

41012017

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

Forschungsansatz hilft Tierversuche zu reduzieren

Die Methode der Datenanalyse mittels GSEA-Ansatz erleichtert es Forschungs-gruppen zukuumlnftig zielgerichtet und stan-dardisiert das optimale Tiermodell aus-zuwaumlhlen das am besten die menschliche Situation abbildet Voraussetzung dafuumlr ist die Existenz von Omics-Daten zur klini-schen Fragestellung sowie zu den infrage kommenden Tierversuchen Dies ist bereits fuumlr eine Vielzahl von Tiermodellen sowie von humanen Erkrankungen der Fall neben Entzuumlndungserkrankungen beispielsweise fuumlr Herz-Kreislauf-Erkrankungen Krebser-krankungen Atemwegserkrankungen Stoff-wechselerkrankungen und neurologische Erkrankungen Aufgrund der vermehrten Verwendung von Omics-Methoden kann davon ausgegangen werden dass stetig wei-tere systembiologische Daten ermittelt und veroumlffentlicht werden Die vom Bf3R ange-wandte Methode wird daher weiterhin bei der gezielten Auswahl von Tiermodellen nuumltzlich sein

Das Verfahren kann in der Grundlagen-forschung sowie in der translationalen und angewandten Forschung eingesetzt werden Diese Bereiche machten 2015 nach Anga-ben des Bundesministeriums fuumlr Ernaumlh-rung und Landwirtschaft mit insgesamt 73 Prozent den groumlszligten Teil der Tierversuche aus Ein Groszligteil davon entfaumlllt auf Maumluse Ratten und zunehmend auch auf Fische Grundsaumltzlich kann die neue Methode zur Auswahl des geeigneten Versuchstiermo-dells bzw zum Ausschluss nicht geeigneter Versuchstiermodelle bei jeglichen Tierver-suchen in diesen Bereichen genutzt werden Analog zu den Versuchstierzahlen liegen derzeit die meisten Omics-Daten fuumlr Maus und Ratte vor So sind beispielsweise allein in der oumlffentlichen NCBI GEO-Datenbank (National Center for Biotechnology Informa-tion Gene Expression Omnibus) derzeit Da-ten zu ca 340000 Maus-Proben und 75000 Ratte-Proben gelistet

Methode identifiziert geeignete Zellkulturmodelle

Dabei ist die Methode des Bf3R nicht auf humane und murine Datensaumltze beschraumlnkt sondern kann auf alle weiteren Spezies an-gewandt werden fuumlr die umfangreiche Da-tenbanken zu biologischen Signalwegen oder Gengruppen vorliegen Auch fuumlr die Beurteilung von zellbasierten Alternativ-methoden kann der neue Forschungsansatz

herangezogen werden Durch einen system-biologischen Abgleich der klinischen Daten mit Omics-Daten aus beispielsweise neuar-tigen 3D-Zellkulturen oder organaumlhnlichen Mikrostrukturen wird die Charakterisierung und Verifizierung von zellbasierten Alterna-tivmethoden ermoumlglicht

Praumlmierte Forschungsleistung

Fuumlr ihre Forschung erhielten die Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR 2016 den Hamburger Forschungspreis zur Foumlrderung der Entwicklung von Ersatz- und

Ergaumlnzungsmethoden Die Auszeichnung wurde zum erstem Mal von den Hamburger Behoumlrden fuumlr Gesundheit und Verbraucher-schutz sowie fuumlr Wissenschaft Forschung und Gleichstellung mit einem Foumlrderpreis in Houmlhe von 20000 Euro ausgeschrieben Der Preis wird fuumlr Arbeiten vergeben die einen Beitrag leisten Tierversuche zu ersetzen oder zu minimieren

Mehr erfahrenWeidner et al 2016 Defining the optimal animal model for translational research using gene set enrichment analysis EMBO Molecular Medicine 8 8 831ndash838

Wofuumlr Versuchstiere in Deutschland eingesetzt werden

630255Herstellung und Qualitaumlts-kontrolle medizinischer Produkte toxikologische Sicherheitspruumlfungen

22

59

14 5

1643259Grundlagenforschung

144997sonstige Zweckez B Zucht Aus- und Weiterbildung

381450translationale und angewandte Forschung

Que

lle B

unde

smin

iste

rium

fuumlr E

rnaumlh

rung

und

Lan

dwirt

scha

ft V

ersu

chst

ierz

ahle

n 20

15

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

42 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Alternativen zu Tierversuchen Forschung regional buumlndeln

Eine individualisierte Schmerztherapie fuumlr Versuchsmaumluse und eine Verringerung von Tierexperimenten zum Test der Inhala- tionstoxizitaumlt von Nanomaterialien (siehe rechte Spalte) ndash hierzu sollen die ersten Arbeitsergebnisse des BfR im Berlin-Bran-denburgischen Verbundprojekt BB3R zukuumlnftig beitragen Das Netzwerk aus Universitaumlten und Bundesinstitutionen forscht um Tierversuche zu vermeiden (Replacement) bzw zu verringern (Reduction) sowie das Leiden von Versuchstieren zu vermindern (Refinement) Das BfR ist als einer von sechs Verbundpartnern in den Bereichen der Refinement- und Replacement-Forschung beteiligt Das Bundesforschungsministerium foumlrdert das mit BB3R abgekuumlrzte Projekt fuumlr vier Jahre bis Fruumlhjahr 2018 es ist als Plattform fuumlr den wissenschaftlichen Austausch konzipiert und integriert ein Graduiertenkolleg

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschungwwwbb3rde

Belastung von Laborfischen erkennen

Koumlrperbau

Koumlrpermerkmale

Verhaltenkreisendes Schwimmen

Belastung von Laborfischen erkennen

Ob Laborfische Schmerzen empfinden oder leiden laumlsst sich mithilfe konkreter Kriterien beurteilen Die Vorarbeiten hierzu koordinierte der bdquoNationale Ausschuss zumSchutz von fuumlr wissenschaftliche Zweckeverwendeten Tierenldquo am BfR gemeinsam mit externen Sachverstaumlndigen und Beauf-tragten von Genehmigungsbehoumlrden Die erstmals definierten Kriterien bewerten unter anderem Auffaumllligkeiten im Koumlrper-bau sowie im Verhalten der Tiere Schmer-zen und Leiden koumlnnen so gezielt behandelt und gelindert werden Da die Frage der Belastung der Tiere anhand der Kriterien eindeutig geklaumlrt werden kann dienen sie zudem als Entscheidungshilfe fuumlr Behoumlr-den welche die Zucht belasteter genetisch veraumlnderter Tiere genehmigen muumlssen Fische insbesondere Zebrafische sind nach Maumlusen und Ratten die am dritthaumlufigsten verwendete Versuchstierart Die Zahl der Versuchsfische hat in den letzten Jahren stetig zugenommen

Mehr erfahren Bert et al 2016 Considerations for aEuropean animal welfare standard toevaluate adverse phenotypes in teleost fish EMBO J 35 11 1151ndash1154Empfehlung des Nationalen Ausschusses TierSchG Nr 0012015

Test der Inhalationstoxizitaumlt von Nanomaterialien

Die Einatmung gilt als wichtigster Aufnahmeweg fuumlr Nanomaterialien Im Rahmen der BB3R-Forschung bildet das BfR diese Art der Exposition mit In-vitro- Atemwegsepithelmodellen an ihrer Grenzflaumlche zur Luft ab Dieser Ansatz zum Test der Inhalationstoxi-zitaumlt hilft Anzahl und Umfang von Tierversuchen zu verringern

Versuchsaufbau Drei Roumlhrchen leiten ein Testaerosol mit luftgetragenen Nanomaterialien auf Epithelzellen

SPEKTRUM

copy B

fR

43012017

Jubilaumlumsfeier und internationales Symposium

Am 29 November 2017 feiert das BfR sein 15-jaumlh-riges Bestehen mit einem Festakt Geplant ist eine Feier mit ausgewaumlhlten Gaumlsten in der Akademie der Kuumlnste Anschlieszligend findet vom 30 Novem-ber bis zum 01 Dezember 2017 das gemeinsame internationale Symposium des BfR und seiner Schwesterinstitutionen aus Daumlnemark (DTU Food) und Frankreich (ANSES) sowie der suumldko-reanischen Behoumlrde fuumlr Lebens- und Arzneimittel-sicherheit (NIFDS) statt Unter dem Motto bdquoPast Present and Future Challenges in Risk Assessment ndash Strengthening Consumer Health Protectionldquo werden die letzten anderthalb Jahrzehnte Risikobewer-tung betrachtet Daruumlber hinaus werden aktuelle Aktivitaumlten sowie zukuumlnftige Herausforderungen des Verbraucherschutzes wie mikrobiologische Erreger chemische Substanzen Methoden und Harmonisierung auf nationaler wie internationa-ler Ebene diskutiert

VERANSTALTUNGEN

Nachwuchs foumlrdern

Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu foumlr-dern baut das BfR wissenschaftliche Nachwuchs-gruppen zu bestimmten Schwerpunktthemen auf Die bereits 2015 eingerichtete Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Warenketteldquo wird im Herbst 2017 durch einen weiteren Dokto-randen verstaumlrkt

Verstaumlrkung im Versuchstierschutz

Seit dem 1 April 2017 staumlrkt die Berufung von Herrn Universitaumltsprofessor Dr Lars Lewejo-hann den Kompetenzbereich bdquoVerminderung der Belastung und Verbesserung der Lebenssitua-tionldquo des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) Neben der Leitung der Fachgruppe bdquoTierschutz und Versuchstierkundeldquo im BfR wird Lars Lewejohann sein Wissen und neue Erkenntnisse als Hochschullehrer fuumlr bdquoTier-schutz mit dem Schwerpunkt Refinementldquo an der veterinaumlrmedizinischen Fakultaumlt der Freien Universitaumlt Berlin an Studierende und Doktoran-den weitergeben

PERSONALIEN

Alternativmethode zum Tierversuch bdquoKnochen-auf-dem-Chipldquo

Im Mai 2017 fand bei der Gemeinsamen For-schungsstelle (GFS)Joint Research Centre (JRC) der Generaldirektion (Directorate General) der Europaumlischen Kommission eine Summer School zu alternativen Ansaumltzen zum Tierversuch fuumlr die Risikobewertung in Ispra (Italien) statt Dort wurde Herr Dr Ing Frank Schulze aus der BfR-Fachgruppe bdquoZEBET ndash Alternativmethoden zu Tierversuchenldquo fuumlr seine Praumlsentation und das dazugehoumlrige Poster zum Thema bdquoEin Knochen-auf-dem-Chip fuumlr die Grundlagenwissenschaft und die Identifizierung von knochenschaumldigen-den Substanzenldquo mit einem Posterpreis (1 Platz) ausgezeichnet

copy B

fR

copy p

rivat

INSTITUTSLEBEN

44 BfR 2 GO

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

SPEKTRUM

Identifizierung endokriner Disruptoren Vom Grundsatz in die Praxis

Fuumlr Pestizid-Wirkstoffe und andere Chemikalien sind harmonisierte wissenschaftliche Kriterien erforderlich mit denen hormonschaumldigende Substanzen identifiziert werden koumlnnen Das BfR veroumlffentlichte hierzu bereits 2016 ein Konsenspapier als wissenschaftliche Grundlage fuumlr die darauffolgende Arbeit der EU-Behoumlrden Auf legislativer Ebene werden aktuell EU-weit geltende Ver-ordnungen festgelegt um auf wissenschaftlicher Ebene Leitlinien zur regulatorisch harmonisierten Umsetzung dieser Verordnungen zu erarbeiten Mit dieser Aufga-be hat die EU-Kommission die EFSA und die ECHA gemeinsam beauftragt Das BfR unterstuumltzt die Behoumlr-den mit wissenschaftlicher und technischer Expertise indem es die entsprechende Arbeitsgruppe bei der EFSA personell verstaumlrkt sowie Recherchen und Umfragen zur Praktikabilitaumlt von Untersuchungsmethoden durchfuumlhrt Die Publikation der Leitlinien wird fuumlr Fruumlhjahr 2018 erwartet Sie koumlnnen auf Basis der verabschiedeten Ver-ordnungen nach ihrer Implementierung in der Genehmi-gungspraxis angewendet werden

Mehr erfahren Solecki et al 2017 Scientific principles for the identification of endocrine-disrupting chemicals a consensus statement Arch Toxicol 91 1001ndash1006

Insekten-Stopp in Textilien Allergene Wirkung unwahrscheinlich

Das Risiko fuumlr eine Allergie nach dem Kontakt mit Kleidung und Produkten die mit dem Biozid Permethrin behandelt sind ist nach derzeitigem Kenntnisstand unwahrscheinlich Das ist das Ergebnis einer aktuellen Risikobewertung des BfR Gestuumltzt wird das Ergebnis dadurch dass trotz weitverbreiteter Anwendung des Wirkstoffs in Medikamenten und Verbraucherprodukten kein Anstieg der Kontaktallergien gegenuumlber Permethrin zu verzeichnen ist Das Risiko fuumlr kanzero-gene systemische Effekte infolge einer dermalen und oralen Exposition gegenuumlber Permethrin aus Textilien ist nach Ansicht des BfR vernachlaumlssigbar gering Permethrin ist ein biozider Wirkstoff der zum Schutz gegen Insekten in Produkten wie Schlafsaumlcken Picknick- und Yogadecken sowie Teppichen und Kleidung eingesetzt wird Er ist im Chemikalienrecht als sensibilisierend eingestuft ein moumlgliches geringes kanzerogenes Potenzial wird von verschiedenen wissenschaftlichen Gremien diskutiert Der Wirkstoff kann aus Textilien freigesetzt und uumlber die Haut aufgenommen werden Bei kleinen Kindern die viele Produkte in den Mund nehmen kommt eine moumlgliche orale Aufnah-me des Stoffes hinzu

Mehr erfahren Stellungnahme Nr 0062017 des BfR vom 25 April 2017

Wie wirkt Aluminium in Leber und Darm

Aluminium ist in Lebensmitteln Kosmetika und Bedarfsge-genstaumlnden enthalten und kann uumlber die Nahrung aufgenom-men werden Erste Ergebnisse aus dem deutsch-franzoumlsischen Forschungsprojekt bdquoSolNanoToxldquo mit Beteiligung des BfR zeigen dass sich aus der Nahrung aufgenommene Aluminiumverbin- dungen temporaumlr im Darm anreichern Ob und in welchen Men-gen die Partikel weiter in den Koumlrper insbesondere in die Leber gelangen und welche Faktoren ihre Wirkung beeinflussen wird aktuell erforscht Die Forschungsgruppe sieht Anhaltspunkte dafuumlr dass ein Teil der angereicherten Partikel mit dem Stuhl wieder ausgeschieden wird Fuumlr seine Untersuchung simulierte das BfR anhand biologischer Proben die Verdauung verschiede-ner Aluminiumarten vom Mund uumlber den Magen bis zum Darm Mithilfe von Enzymen und Salzen wurden dabei physiologische Parameter wie der pH-Wert gesteuert Waumlhrend des simulierten Verdauungsprozesses veraumlnderten die Aluminiumverbindungen ihre chemische Reaktionsfaumlhigkeit und Loumlslichkeit Die Erkennt-nisse sind ein erster Schritt um den Prozess der Aufnahme Resorption und Verteilung von Aluminium im Koumlrper besser zu verstehen und daraus Daten fuumlr die Risikobewertung abzuleiten Aluminiumverbindungen koumlnnen in zu hohen Dosen toxisch auf das Nervensystem und ungeborenes Leben wirken sowie die Fruchtbarkeit und Knochenentwicklung beeinflussen

copy B

fR

copy c

gsto

cks

hutte

rsto

ckc

om

copy R

osel

ynne

shu

tters

tock

com

35012017

Bei Kleidung ist besonders der Einsatz von Silber-Nanopartikeln weit verbreitet Silber wirkt antibakteriell und soll die Geruchs-bildung durch Schwitzen reduzieren Beim Einsatz von Nanosilber in Kleidungsstuuml-cken ist in erster Linie eine Freisetzung in Schweiszlig und somit ein moumlglicher Hautkon-takt relevant Neben der Frage ob und in welcher Menge Silber prinzipiell aus Texti-lien herausgeloumlst wird beschaumlftigt sich die Forschung mit der Frage welchen Einfluss die Technologie hat mit der Nanosilber auf Textilien aufgetragen bzw eingebracht wird Bisher war zudem unklar inwiefern die Oberflaumlchenbeschichtung der Nano-partikel die Abgabe beeinflusst

Kuumlnstlicher Schweiszlig simuliert Freisetzung

In einem Forschungsprojekt pruumlfte das BfR neun Proben von Textilien die mit Nanosil-ber veredelt waren Als Vergleich diente ein mit konventionellem Silber (hier Silbersalz mit einem Partikeldurchmesser groumlszliger als 100 Nanometer) ausgeruumlstetes Textil Zwei der Textilien waren sogenannte Komposite bei denen Nanosilber in die Faser integriert ist Bei den anderen getesteten Textilien war die Faseroberflaumlche mit Silber-Nano-partikeln bzw in einem Fall mit konventio-nellem Silber beschichtet (Textil-Coating) Um die Abgabe von Silber durch Schwitzen

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

Kleidung wird durch sie wasser- und schmutzabweisend sie blocken UV-Strahlen und mindern Geruumlche Nanoma-terialien haben beliebte funktionelle Eigenschaften Ob sie aufgrund ihrer Winzigkeit gesundheitliche Risiken bergen ist indes noch weitgehend unbekannt In einem Forschungsprojekt uumlber Nanosilber hat das BfR ermittelt ob sich die Kleinstteilchen aus Textilien herausloumlsen und damit zum gesundheitlichen Risiko werden koumlnnen

Nanomaterial

ist ein natuumlrliches bei Prozessen anfallendes oder kuumlnstlich hergestelltes Material das Partikel in ungebundenem Zustand als Aggregat oder als Agglo-merat enthaumllt und bei dem die Mehrheit der Partikel ein oder mehrere Auszligen-maszlige im Bereich unter 100 Nanometer hat In Nanogroumlszlige kann ein Stoff andere Eigenschaften besitzen als wenn er in Form groumlszligerer Partikel vorliegt

copy o

still

shu

tters

tock

com

36 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von Textilfasern Links Nanokomposit bei dem kaum Silberpartikel an der Faseroberflaumlche zu finden sind Mitte und rechts Textilien mit Silbercoating hier befindet sich insgesamt mehr Silber auf der Oberflaumlche

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

zu simulieren wurden die Textilien fuumlr 24 Stunden in einer Schweiszligsimulanz-Louml-sung inkubiert Fuumlr die Auswertung wurde zunaumlchst der gesamte Silbergehalt in den Schweiszligloumlsungen mit massenspektromet-rischen Messmethoden bestimmt In den Proben in denen Silber vorhanden war wurden anschlieszligend mit Zentrifugation und einer speziellen Methode zum Messen von Einzelpartikeln geloumlstes und partikulauml-res Silber unterschieden Im letzten Schritt wurden die Partikelgroumlszligen des vorgefun-denen partikulaumlren Silbers gemessen um nanoskaliges Silber zu identifizieren

Silber aus Kleidung freigesetzt

Die Untersuchung des BfR zeigte dass von jeder Textilprobe Silber in die Schweiszligsi-mulanz-Loumlsung uumlberging je nach geteste-tem Textil zwischen 7 und 75 Prozent des originaumlr in den Textilien enthaltenen Sil-bers Dabei setzten die beschichteten Tex-tilien mehr Silber frei als die Komposite Den houmlchsten abgegebenen Anteil fand das BfR bei dem mit konventionellem Silber beschichteten Textil Die Freisetzung wird demnach staumlrker durch die Technologie der Veredelung bestimmt als durch die im Tex-til enthaltene Menge Auszligerdem scheint die Abgaberate von Silber aus Nanosilber im Vergleich zu konventionellem Silber nicht erhoumlht zu sein

In der Schweiszligloumlsung lag das freigesetzte Silber uumlberwiegend geloumlst vor Partikulaumlres Silber fand sich nur zum geringeren Teil dann jedoch auch im Nanometerbereich Ob es sich dabei um einzelne Nanoparti-kel handelt oder ob das Silber an groumlszligere Partikel gebunden ist muss in weiteren Untersuchungen uumlberpruumlft werden Nach

derzeitigem wissenschaftlichem Kennt-nisstand geht man davon aus dass sich Nanopartikel im Koumlrper anders verhalten als groumlszligere Partikel Uumlberraschenderweise detektierte die Forschungsgruppe auch in den Schweiszligsimulanzien der mit konven-tionellem Silber beschichteten Textilien partikulaumlres Silber in Nanogroumlszlige Das Vor-kommen von Silberpartikeln scheint also nicht davon abhaumlngig zu sein ob das Silber in Nano- oder konventioneller Form auf das Textil aufgebracht wurde

In einer parallelen Untersuchung fanden die Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler heraus dass zudem die Beschaffenheit der Nanopartikel beispielsweise in Form einer speziellen Beschichtung ihre Loumlslichkeit in der Schweiszligloumlsung beeinflusst

Art der Beschichtung relevant

Silber wird demnach aus Textilien freige-setzt in geringen Teilen sogar in partiku- laumlrer Form Die gewaumlhlte Form der Tex-tilfunktionalisierung aber auch die Be-schaffenheit der Nanopartikel stellen dabei wichtige Kriterien fuumlr das Freisetzungsver-halten dar Solche Erkenntnisse sind vor al-lem fuumlr den sicheren Einsatz von Nanoma-terialien in Alltagsprodukten wichtig weil die Exposition des Menschen gegenuumlber derartigen Stoffen moumlglichst klein gehalten werden sollte Auszligerdem geben sie Hin-weise in welcher Anwendungsform Nano-materialien im verbrauchernahen Bereich sicher eingesetzt werden koumlnnen

Mehr erfahren Wagener et al 2016 Textile Functionalization and Its Effects on the Release of Silver Nanoparticles into Artificial Sweat Environ Sci Technol 50 11 5927ndash5934

Per Flugzeitmassenspek-trometer laumlsst sich Silber auf beschichteten Textil-fasern detektieren

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

NANOPARTIKEL

37012017

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

38 BfR 2 GO

Neuer Ansatz fuumlr Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

Spiegelbild gesucht

Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR zeigt einen neuen Ansatz um mithilfe von Genexpressionsdaten das geeignete Tiermodell fuumlr die Grundlagenforschung oder fuumlr spezifische klinische Fra-gestellungen zu identifizieren Damit koumlnnen zukuumlnftig unnoumltige Tierversu-che vermieden werden Hamburger Wissenschaftsbehoumlrden wuumlrdigten die Erkenntnisse mit einem Forschungspreis

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

39012017

Fragestellung

Vergleich

Auswahl

z B bdquoMit welchem Mausmodell koumlnnen die Ursachen von Alzheimer erforscht werdenldquo

Vergleich von vorhandenen Omics-Expressionsdaten von Mensch und Tier

Auswahl des geeigneten Modells

1

2

3

Geeignete Tiermodelle identifizieren

An Tiermodellen werden zahlreiche biologische Prozesse und Krankheiten wie Wund-

heilung Diabetes Tumoren oder entzuumlndliche Erkrankungen erforscht Durch den

Vergleich der Omics-Expressionsdaten von Tiermodell und Mensch koumlnnen geeignete

Modelle fuumlr die jeweilige Fragestellung identifiziert werden

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

40 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Verlaumluft ein entzuumlndlicher Prozess bei Maumlusen aumlhnlich wie beim Menschen Sind Maumluse daher geeignete Ver-

suchstiere fuumlr Tests von antientzuumlndlichen Substanzen Um Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung in den klinischen Alltag zu uumlberfuumlhren ndash Aufgabengebiet der translationalen Forschung ndash werden wissen-schaftliche Fragestellungen oft in Tierversu-chen erprobt Ob und inwieweit die Ergeb-nisse auf den Menschen uumlbertragbar sind ist dabei immer wieder Gegenstand kontrover-ser Diskussionen Geeignete Methoden mit denen die Wissenschaft Tiermodelle mit op-timaler Uumlbertragbarkeit auf den Menschen auswaumlhlen kann wuumlrden dem wissenschaft-lichen Fortschritt helfen und die Zahl der Tierversuche reduzieren Es geht dabei um die Frage welches Tiermodell am besten das menschliche System widerspiegelt

Vergleichbarkeit von Genom- daten fehleranfaumlllig

Als Grundlage fuumlr diese Uumlberlegungen die-nen Daten aus modernen bioanalytischen Hochdurchsatzverfahren Immer haumlufiger setzt die Wissenschaft auf diese sogenannten Omics-Technologien die die Gesamtheit aller Gene und ihrer Produkte analysieren ndash sowohl beim Tier als auch beim Menschen Mit ihnen lassen sich molekulare Prozesse in lebenden Systemen umfassend darstel-len indem sie beispielsweise die Interaktion hunderter bis tausender Genprodukte zei-gen Die Analyse dieser zunehmend kom-plexen Omics-Datensaumltze stellt die Wissen-schaft jedoch vor Probleme da das Vorgehen dazu nicht standardisiert ist Die Interpreta-tion der Ergebnisse ist bisher meist von der Kompetenz der Durchfuumlhrenden und von der angewandten Methode abhaumlngig Im Ergebnis war die Entscheidung zur Frage der Uumlbertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen fehleranfaumlllig und die Suche nach

geeigneten Tiermodellen erschwert Die ge-ringe Standardisierung der Interpretation von Omics-Daten fuumlhrte in Forschungs-kreisen bereits zu widerspruumlchlichen Er-gebnissen so zum Beispiel bei zwei Studien aus den Jahren 2013 und 2015 die sich mit der Vergleichbarkeit von entzuumlndlichen Er-krankungen beim Menschen und gaumlngigen Mausmodellen beschaumlftigten Waumlhrend eine Forschungsgruppe im Jahr 2013 schlussfol-gerte dass entzuumlndliche Prozesse zwischen Mensch und Maus nicht vergleichbar seien kam eine andere Gruppe zwei Jahre spaumlter anhand der gleichen Omics-Daten zum ge-genteiligen Schluss Die Maus reagiere auf der molekularen Ebene sehr aumlhnlich wie der Mensch und sei daher als Tiermodell sehr nuumltzlich fuumlr die Erforschung menschlicher Erkrankungen Zwar ist es nicht ungewoumlhn-lich dass Ergebnisse von Studien unter-schiedlich eingeschaumltzt werden ndash allerdings selten auf Basis der gleichen Daten

Motivation des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR war es diese Widerspruumlche aufzuklaumlren und einen standardisierten und zielgerichteten Analyseansatz zu entwickeln der die Suche nach geeigneten Tiermodellen vereinfacht und somit unnoumltige Tierversuche vermei-den hilft Es gehoumlrt zu den Kernaufgaben des Bf3R bundesweit alle Aktivitaumlten zu koordi-nieren mit den Zielen Tierversuche auf das unerlaumlssliche Maszlig zu beschraumlnken und fuumlr Versuchstiere den bestmoumlglichen Schutz zu gewaumlhrleisten Die Aufgaben des Bf3R wer-den vom BfR wahrgenommen

Genomdaten von Tier und Mensch gezielt vergleichen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler des Bf3R haben die Omics-Daten aus den beiden erwaumlhnten widerspruumlchlichen Studien mithilfe hochperformanter Com-

puter nochmals systematisch ausgewertet Dabei wurden zunaumlchst die zu verglei-chenden Gene gruppenweise biologischen Prozessen zugeordnet die wesentlich fuumlr ein Entzuumlndungsgeschehen sind Diese Gene Set Enrichment Analysis (GSEA) ge-nannte Methode greift auf umfangreiche in oumlffentlichen Datenbanken hinterlegte Genomdaten gaumlngiger Tiermodelle und von Erkrankten zuruumlck Mit ihrer Heran-gehensweise konnten die Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler des BfR an-schlieszligend Veraumlnderungen auf der Ebene pathologischer Signalwege erkennen und Unterschiede zwischen Tiermodell und Mensch identifizieren Da der Groszligteil der untersuchten Genprodukte haumlufig nur geringfuumlgig veraumlndert war konnten bei der Analyse auf Ebene vollstaumlndiger bio-logischer Signalwege alle Gene einbezogen und Aumlnderungen in der Gesamtheit eines biologischen Signalwegs bewertet werden Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu bisherigen Analyseansaumltzen da fuumlr die Klauml-rung translationaler Fragestellungen bisher haumlufig willkuumlrlich und subjektiv Gene von Mensch und Tiermodell fuumlr einen direkten Eins-zu-eins-Vergleich ausgewaumlhlt wurden

Die systematische Auswertung des Bf3R zeigte dass die Ergebnisse beim vorlie-genden Genomdatenvergleich bei einigen Mausmodellen gut mit den beim Menschen ermittelten Daten uumlbereinstimmten Bei an-deren Mausmodellen hingegen war es nicht so So aumlhnelt das Entzuumlndungsgeschehen bei Maumlusen die mit Staphylococcus aureus (Staphylococcus-aureus-Injektionsmodell) infiziert sind oder eine Darmperforation (Cecal-ligation-and-puncture-Modell) erfah-ren den meisten klinischen Proben Hin-gegen verlaufen Erkrankungen die durch Lipopolysaccharide (LPS) und Streptococcus pneumoniae verursacht werden bei Mensch und Maus verschieden

Omics

Der Terminus beschreibt Methoden zur

Analyse komplexer biologischer Proben

auf der Ebene des gesamten Genoms

von Transkripten Proteinen oder Meta-

boliten

41012017

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

Forschungsansatz hilft Tierversuche zu reduzieren

Die Methode der Datenanalyse mittels GSEA-Ansatz erleichtert es Forschungs-gruppen zukuumlnftig zielgerichtet und stan-dardisiert das optimale Tiermodell aus-zuwaumlhlen das am besten die menschliche Situation abbildet Voraussetzung dafuumlr ist die Existenz von Omics-Daten zur klini-schen Fragestellung sowie zu den infrage kommenden Tierversuchen Dies ist bereits fuumlr eine Vielzahl von Tiermodellen sowie von humanen Erkrankungen der Fall neben Entzuumlndungserkrankungen beispielsweise fuumlr Herz-Kreislauf-Erkrankungen Krebser-krankungen Atemwegserkrankungen Stoff-wechselerkrankungen und neurologische Erkrankungen Aufgrund der vermehrten Verwendung von Omics-Methoden kann davon ausgegangen werden dass stetig wei-tere systembiologische Daten ermittelt und veroumlffentlicht werden Die vom Bf3R ange-wandte Methode wird daher weiterhin bei der gezielten Auswahl von Tiermodellen nuumltzlich sein

Das Verfahren kann in der Grundlagen-forschung sowie in der translationalen und angewandten Forschung eingesetzt werden Diese Bereiche machten 2015 nach Anga-ben des Bundesministeriums fuumlr Ernaumlh-rung und Landwirtschaft mit insgesamt 73 Prozent den groumlszligten Teil der Tierversuche aus Ein Groszligteil davon entfaumlllt auf Maumluse Ratten und zunehmend auch auf Fische Grundsaumltzlich kann die neue Methode zur Auswahl des geeigneten Versuchstiermo-dells bzw zum Ausschluss nicht geeigneter Versuchstiermodelle bei jeglichen Tierver-suchen in diesen Bereichen genutzt werden Analog zu den Versuchstierzahlen liegen derzeit die meisten Omics-Daten fuumlr Maus und Ratte vor So sind beispielsweise allein in der oumlffentlichen NCBI GEO-Datenbank (National Center for Biotechnology Informa-tion Gene Expression Omnibus) derzeit Da-ten zu ca 340000 Maus-Proben und 75000 Ratte-Proben gelistet

Methode identifiziert geeignete Zellkulturmodelle

Dabei ist die Methode des Bf3R nicht auf humane und murine Datensaumltze beschraumlnkt sondern kann auf alle weiteren Spezies an-gewandt werden fuumlr die umfangreiche Da-tenbanken zu biologischen Signalwegen oder Gengruppen vorliegen Auch fuumlr die Beurteilung von zellbasierten Alternativ-methoden kann der neue Forschungsansatz

herangezogen werden Durch einen system-biologischen Abgleich der klinischen Daten mit Omics-Daten aus beispielsweise neuar-tigen 3D-Zellkulturen oder organaumlhnlichen Mikrostrukturen wird die Charakterisierung und Verifizierung von zellbasierten Alterna-tivmethoden ermoumlglicht

Praumlmierte Forschungsleistung

Fuumlr ihre Forschung erhielten die Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR 2016 den Hamburger Forschungspreis zur Foumlrderung der Entwicklung von Ersatz- und

Ergaumlnzungsmethoden Die Auszeichnung wurde zum erstem Mal von den Hamburger Behoumlrden fuumlr Gesundheit und Verbraucher-schutz sowie fuumlr Wissenschaft Forschung und Gleichstellung mit einem Foumlrderpreis in Houmlhe von 20000 Euro ausgeschrieben Der Preis wird fuumlr Arbeiten vergeben die einen Beitrag leisten Tierversuche zu ersetzen oder zu minimieren

Mehr erfahrenWeidner et al 2016 Defining the optimal animal model for translational research using gene set enrichment analysis EMBO Molecular Medicine 8 8 831ndash838

Wofuumlr Versuchstiere in Deutschland eingesetzt werden

630255Herstellung und Qualitaumlts-kontrolle medizinischer Produkte toxikologische Sicherheitspruumlfungen

22

59

14 5

1643259Grundlagenforschung

144997sonstige Zweckez B Zucht Aus- und Weiterbildung

381450translationale und angewandte Forschung

Que

lle B

unde

smin

iste

rium

fuumlr E

rnaumlh

rung

und

Lan

dwirt

scha

ft V

ersu

chst

ierz

ahle

n 20

15

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

42 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Alternativen zu Tierversuchen Forschung regional buumlndeln

Eine individualisierte Schmerztherapie fuumlr Versuchsmaumluse und eine Verringerung von Tierexperimenten zum Test der Inhala- tionstoxizitaumlt von Nanomaterialien (siehe rechte Spalte) ndash hierzu sollen die ersten Arbeitsergebnisse des BfR im Berlin-Bran-denburgischen Verbundprojekt BB3R zukuumlnftig beitragen Das Netzwerk aus Universitaumlten und Bundesinstitutionen forscht um Tierversuche zu vermeiden (Replacement) bzw zu verringern (Reduction) sowie das Leiden von Versuchstieren zu vermindern (Refinement) Das BfR ist als einer von sechs Verbundpartnern in den Bereichen der Refinement- und Replacement-Forschung beteiligt Das Bundesforschungsministerium foumlrdert das mit BB3R abgekuumlrzte Projekt fuumlr vier Jahre bis Fruumlhjahr 2018 es ist als Plattform fuumlr den wissenschaftlichen Austausch konzipiert und integriert ein Graduiertenkolleg

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschungwwwbb3rde

Belastung von Laborfischen erkennen

Koumlrperbau

Koumlrpermerkmale

Verhaltenkreisendes Schwimmen

Belastung von Laborfischen erkennen

Ob Laborfische Schmerzen empfinden oder leiden laumlsst sich mithilfe konkreter Kriterien beurteilen Die Vorarbeiten hierzu koordinierte der bdquoNationale Ausschuss zumSchutz von fuumlr wissenschaftliche Zweckeverwendeten Tierenldquo am BfR gemeinsam mit externen Sachverstaumlndigen und Beauf-tragten von Genehmigungsbehoumlrden Die erstmals definierten Kriterien bewerten unter anderem Auffaumllligkeiten im Koumlrper-bau sowie im Verhalten der Tiere Schmer-zen und Leiden koumlnnen so gezielt behandelt und gelindert werden Da die Frage der Belastung der Tiere anhand der Kriterien eindeutig geklaumlrt werden kann dienen sie zudem als Entscheidungshilfe fuumlr Behoumlr-den welche die Zucht belasteter genetisch veraumlnderter Tiere genehmigen muumlssen Fische insbesondere Zebrafische sind nach Maumlusen und Ratten die am dritthaumlufigsten verwendete Versuchstierart Die Zahl der Versuchsfische hat in den letzten Jahren stetig zugenommen

Mehr erfahren Bert et al 2016 Considerations for aEuropean animal welfare standard toevaluate adverse phenotypes in teleost fish EMBO J 35 11 1151ndash1154Empfehlung des Nationalen Ausschusses TierSchG Nr 0012015

Test der Inhalationstoxizitaumlt von Nanomaterialien

Die Einatmung gilt als wichtigster Aufnahmeweg fuumlr Nanomaterialien Im Rahmen der BB3R-Forschung bildet das BfR diese Art der Exposition mit In-vitro- Atemwegsepithelmodellen an ihrer Grenzflaumlche zur Luft ab Dieser Ansatz zum Test der Inhalationstoxi-zitaumlt hilft Anzahl und Umfang von Tierversuchen zu verringern

Versuchsaufbau Drei Roumlhrchen leiten ein Testaerosol mit luftgetragenen Nanomaterialien auf Epithelzellen

SPEKTRUM

copy B

fR

43012017

Jubilaumlumsfeier und internationales Symposium

Am 29 November 2017 feiert das BfR sein 15-jaumlh-riges Bestehen mit einem Festakt Geplant ist eine Feier mit ausgewaumlhlten Gaumlsten in der Akademie der Kuumlnste Anschlieszligend findet vom 30 Novem-ber bis zum 01 Dezember 2017 das gemeinsame internationale Symposium des BfR und seiner Schwesterinstitutionen aus Daumlnemark (DTU Food) und Frankreich (ANSES) sowie der suumldko-reanischen Behoumlrde fuumlr Lebens- und Arzneimittel-sicherheit (NIFDS) statt Unter dem Motto bdquoPast Present and Future Challenges in Risk Assessment ndash Strengthening Consumer Health Protectionldquo werden die letzten anderthalb Jahrzehnte Risikobewer-tung betrachtet Daruumlber hinaus werden aktuelle Aktivitaumlten sowie zukuumlnftige Herausforderungen des Verbraucherschutzes wie mikrobiologische Erreger chemische Substanzen Methoden und Harmonisierung auf nationaler wie internationa-ler Ebene diskutiert

VERANSTALTUNGEN

Nachwuchs foumlrdern

Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu foumlr-dern baut das BfR wissenschaftliche Nachwuchs-gruppen zu bestimmten Schwerpunktthemen auf Die bereits 2015 eingerichtete Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Warenketteldquo wird im Herbst 2017 durch einen weiteren Dokto-randen verstaumlrkt

Verstaumlrkung im Versuchstierschutz

Seit dem 1 April 2017 staumlrkt die Berufung von Herrn Universitaumltsprofessor Dr Lars Lewejo-hann den Kompetenzbereich bdquoVerminderung der Belastung und Verbesserung der Lebenssitua-tionldquo des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) Neben der Leitung der Fachgruppe bdquoTierschutz und Versuchstierkundeldquo im BfR wird Lars Lewejohann sein Wissen und neue Erkenntnisse als Hochschullehrer fuumlr bdquoTier-schutz mit dem Schwerpunkt Refinementldquo an der veterinaumlrmedizinischen Fakultaumlt der Freien Universitaumlt Berlin an Studierende und Doktoran-den weitergeben

PERSONALIEN

Alternativmethode zum Tierversuch bdquoKnochen-auf-dem-Chipldquo

Im Mai 2017 fand bei der Gemeinsamen For-schungsstelle (GFS)Joint Research Centre (JRC) der Generaldirektion (Directorate General) der Europaumlischen Kommission eine Summer School zu alternativen Ansaumltzen zum Tierversuch fuumlr die Risikobewertung in Ispra (Italien) statt Dort wurde Herr Dr Ing Frank Schulze aus der BfR-Fachgruppe bdquoZEBET ndash Alternativmethoden zu Tierversuchenldquo fuumlr seine Praumlsentation und das dazugehoumlrige Poster zum Thema bdquoEin Knochen-auf-dem-Chip fuumlr die Grundlagenwissenschaft und die Identifizierung von knochenschaumldigen-den Substanzenldquo mit einem Posterpreis (1 Platz) ausgezeichnet

copy B

fR

copy p

rivat

INSTITUTSLEBEN

44 BfR 2 GO

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

Bei Kleidung ist besonders der Einsatz von Silber-Nanopartikeln weit verbreitet Silber wirkt antibakteriell und soll die Geruchs-bildung durch Schwitzen reduzieren Beim Einsatz von Nanosilber in Kleidungsstuuml-cken ist in erster Linie eine Freisetzung in Schweiszlig und somit ein moumlglicher Hautkon-takt relevant Neben der Frage ob und in welcher Menge Silber prinzipiell aus Texti-lien herausgeloumlst wird beschaumlftigt sich die Forschung mit der Frage welchen Einfluss die Technologie hat mit der Nanosilber auf Textilien aufgetragen bzw eingebracht wird Bisher war zudem unklar inwiefern die Oberflaumlchenbeschichtung der Nano-partikel die Abgabe beeinflusst

Kuumlnstlicher Schweiszlig simuliert Freisetzung

In einem Forschungsprojekt pruumlfte das BfR neun Proben von Textilien die mit Nanosil-ber veredelt waren Als Vergleich diente ein mit konventionellem Silber (hier Silbersalz mit einem Partikeldurchmesser groumlszliger als 100 Nanometer) ausgeruumlstetes Textil Zwei der Textilien waren sogenannte Komposite bei denen Nanosilber in die Faser integriert ist Bei den anderen getesteten Textilien war die Faseroberflaumlche mit Silber-Nano-partikeln bzw in einem Fall mit konventio-nellem Silber beschichtet (Textil-Coating) Um die Abgabe von Silber durch Schwitzen

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

Kleidung wird durch sie wasser- und schmutzabweisend sie blocken UV-Strahlen und mindern Geruumlche Nanoma-terialien haben beliebte funktionelle Eigenschaften Ob sie aufgrund ihrer Winzigkeit gesundheitliche Risiken bergen ist indes noch weitgehend unbekannt In einem Forschungsprojekt uumlber Nanosilber hat das BfR ermittelt ob sich die Kleinstteilchen aus Textilien herausloumlsen und damit zum gesundheitlichen Risiko werden koumlnnen

Nanomaterial

ist ein natuumlrliches bei Prozessen anfallendes oder kuumlnstlich hergestelltes Material das Partikel in ungebundenem Zustand als Aggregat oder als Agglo-merat enthaumllt und bei dem die Mehrheit der Partikel ein oder mehrere Auszligen-maszlige im Bereich unter 100 Nanometer hat In Nanogroumlszlige kann ein Stoff andere Eigenschaften besitzen als wenn er in Form groumlszligerer Partikel vorliegt

copy o

still

shu

tters

tock

com

36 BfR 2 GO

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von Textilfasern Links Nanokomposit bei dem kaum Silberpartikel an der Faseroberflaumlche zu finden sind Mitte und rechts Textilien mit Silbercoating hier befindet sich insgesamt mehr Silber auf der Oberflaumlche

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

zu simulieren wurden die Textilien fuumlr 24 Stunden in einer Schweiszligsimulanz-Louml-sung inkubiert Fuumlr die Auswertung wurde zunaumlchst der gesamte Silbergehalt in den Schweiszligloumlsungen mit massenspektromet-rischen Messmethoden bestimmt In den Proben in denen Silber vorhanden war wurden anschlieszligend mit Zentrifugation und einer speziellen Methode zum Messen von Einzelpartikeln geloumlstes und partikulauml-res Silber unterschieden Im letzten Schritt wurden die Partikelgroumlszligen des vorgefun-denen partikulaumlren Silbers gemessen um nanoskaliges Silber zu identifizieren

Silber aus Kleidung freigesetzt

Die Untersuchung des BfR zeigte dass von jeder Textilprobe Silber in die Schweiszligsi-mulanz-Loumlsung uumlberging je nach geteste-tem Textil zwischen 7 und 75 Prozent des originaumlr in den Textilien enthaltenen Sil-bers Dabei setzten die beschichteten Tex-tilien mehr Silber frei als die Komposite Den houmlchsten abgegebenen Anteil fand das BfR bei dem mit konventionellem Silber beschichteten Textil Die Freisetzung wird demnach staumlrker durch die Technologie der Veredelung bestimmt als durch die im Tex-til enthaltene Menge Auszligerdem scheint die Abgaberate von Silber aus Nanosilber im Vergleich zu konventionellem Silber nicht erhoumlht zu sein

In der Schweiszligloumlsung lag das freigesetzte Silber uumlberwiegend geloumlst vor Partikulaumlres Silber fand sich nur zum geringeren Teil dann jedoch auch im Nanometerbereich Ob es sich dabei um einzelne Nanoparti-kel handelt oder ob das Silber an groumlszligere Partikel gebunden ist muss in weiteren Untersuchungen uumlberpruumlft werden Nach

derzeitigem wissenschaftlichem Kennt-nisstand geht man davon aus dass sich Nanopartikel im Koumlrper anders verhalten als groumlszligere Partikel Uumlberraschenderweise detektierte die Forschungsgruppe auch in den Schweiszligsimulanzien der mit konven-tionellem Silber beschichteten Textilien partikulaumlres Silber in Nanogroumlszlige Das Vor-kommen von Silberpartikeln scheint also nicht davon abhaumlngig zu sein ob das Silber in Nano- oder konventioneller Form auf das Textil aufgebracht wurde

In einer parallelen Untersuchung fanden die Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler heraus dass zudem die Beschaffenheit der Nanopartikel beispielsweise in Form einer speziellen Beschichtung ihre Loumlslichkeit in der Schweiszligloumlsung beeinflusst

Art der Beschichtung relevant

Silber wird demnach aus Textilien freige-setzt in geringen Teilen sogar in partiku- laumlrer Form Die gewaumlhlte Form der Tex-tilfunktionalisierung aber auch die Be-schaffenheit der Nanopartikel stellen dabei wichtige Kriterien fuumlr das Freisetzungsver-halten dar Solche Erkenntnisse sind vor al-lem fuumlr den sicheren Einsatz von Nanoma-terialien in Alltagsprodukten wichtig weil die Exposition des Menschen gegenuumlber derartigen Stoffen moumlglichst klein gehalten werden sollte Auszligerdem geben sie Hin-weise in welcher Anwendungsform Nano-materialien im verbrauchernahen Bereich sicher eingesetzt werden koumlnnen

Mehr erfahren Wagener et al 2016 Textile Functionalization and Its Effects on the Release of Silver Nanoparticles into Artificial Sweat Environ Sci Technol 50 11 5927ndash5934

Per Flugzeitmassenspek-trometer laumlsst sich Silber auf beschichteten Textil-fasern detektieren

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

NANOPARTIKEL

37012017

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

38 BfR 2 GO

Neuer Ansatz fuumlr Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

Spiegelbild gesucht

Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR zeigt einen neuen Ansatz um mithilfe von Genexpressionsdaten das geeignete Tiermodell fuumlr die Grundlagenforschung oder fuumlr spezifische klinische Fra-gestellungen zu identifizieren Damit koumlnnen zukuumlnftig unnoumltige Tierversu-che vermieden werden Hamburger Wissenschaftsbehoumlrden wuumlrdigten die Erkenntnisse mit einem Forschungspreis

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

39012017

Fragestellung

Vergleich

Auswahl

z B bdquoMit welchem Mausmodell koumlnnen die Ursachen von Alzheimer erforscht werdenldquo

Vergleich von vorhandenen Omics-Expressionsdaten von Mensch und Tier

Auswahl des geeigneten Modells

1

2

3

Geeignete Tiermodelle identifizieren

An Tiermodellen werden zahlreiche biologische Prozesse und Krankheiten wie Wund-

heilung Diabetes Tumoren oder entzuumlndliche Erkrankungen erforscht Durch den

Vergleich der Omics-Expressionsdaten von Tiermodell und Mensch koumlnnen geeignete

Modelle fuumlr die jeweilige Fragestellung identifiziert werden

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

40 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Verlaumluft ein entzuumlndlicher Prozess bei Maumlusen aumlhnlich wie beim Menschen Sind Maumluse daher geeignete Ver-

suchstiere fuumlr Tests von antientzuumlndlichen Substanzen Um Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung in den klinischen Alltag zu uumlberfuumlhren ndash Aufgabengebiet der translationalen Forschung ndash werden wissen-schaftliche Fragestellungen oft in Tierversu-chen erprobt Ob und inwieweit die Ergeb-nisse auf den Menschen uumlbertragbar sind ist dabei immer wieder Gegenstand kontrover-ser Diskussionen Geeignete Methoden mit denen die Wissenschaft Tiermodelle mit op-timaler Uumlbertragbarkeit auf den Menschen auswaumlhlen kann wuumlrden dem wissenschaft-lichen Fortschritt helfen und die Zahl der Tierversuche reduzieren Es geht dabei um die Frage welches Tiermodell am besten das menschliche System widerspiegelt

Vergleichbarkeit von Genom- daten fehleranfaumlllig

Als Grundlage fuumlr diese Uumlberlegungen die-nen Daten aus modernen bioanalytischen Hochdurchsatzverfahren Immer haumlufiger setzt die Wissenschaft auf diese sogenannten Omics-Technologien die die Gesamtheit aller Gene und ihrer Produkte analysieren ndash sowohl beim Tier als auch beim Menschen Mit ihnen lassen sich molekulare Prozesse in lebenden Systemen umfassend darstel-len indem sie beispielsweise die Interaktion hunderter bis tausender Genprodukte zei-gen Die Analyse dieser zunehmend kom-plexen Omics-Datensaumltze stellt die Wissen-schaft jedoch vor Probleme da das Vorgehen dazu nicht standardisiert ist Die Interpreta-tion der Ergebnisse ist bisher meist von der Kompetenz der Durchfuumlhrenden und von der angewandten Methode abhaumlngig Im Ergebnis war die Entscheidung zur Frage der Uumlbertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen fehleranfaumlllig und die Suche nach

geeigneten Tiermodellen erschwert Die ge-ringe Standardisierung der Interpretation von Omics-Daten fuumlhrte in Forschungs-kreisen bereits zu widerspruumlchlichen Er-gebnissen so zum Beispiel bei zwei Studien aus den Jahren 2013 und 2015 die sich mit der Vergleichbarkeit von entzuumlndlichen Er-krankungen beim Menschen und gaumlngigen Mausmodellen beschaumlftigten Waumlhrend eine Forschungsgruppe im Jahr 2013 schlussfol-gerte dass entzuumlndliche Prozesse zwischen Mensch und Maus nicht vergleichbar seien kam eine andere Gruppe zwei Jahre spaumlter anhand der gleichen Omics-Daten zum ge-genteiligen Schluss Die Maus reagiere auf der molekularen Ebene sehr aumlhnlich wie der Mensch und sei daher als Tiermodell sehr nuumltzlich fuumlr die Erforschung menschlicher Erkrankungen Zwar ist es nicht ungewoumlhn-lich dass Ergebnisse von Studien unter-schiedlich eingeschaumltzt werden ndash allerdings selten auf Basis der gleichen Daten

Motivation des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR war es diese Widerspruumlche aufzuklaumlren und einen standardisierten und zielgerichteten Analyseansatz zu entwickeln der die Suche nach geeigneten Tiermodellen vereinfacht und somit unnoumltige Tierversuche vermei-den hilft Es gehoumlrt zu den Kernaufgaben des Bf3R bundesweit alle Aktivitaumlten zu koordi-nieren mit den Zielen Tierversuche auf das unerlaumlssliche Maszlig zu beschraumlnken und fuumlr Versuchstiere den bestmoumlglichen Schutz zu gewaumlhrleisten Die Aufgaben des Bf3R wer-den vom BfR wahrgenommen

Genomdaten von Tier und Mensch gezielt vergleichen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler des Bf3R haben die Omics-Daten aus den beiden erwaumlhnten widerspruumlchlichen Studien mithilfe hochperformanter Com-

puter nochmals systematisch ausgewertet Dabei wurden zunaumlchst die zu verglei-chenden Gene gruppenweise biologischen Prozessen zugeordnet die wesentlich fuumlr ein Entzuumlndungsgeschehen sind Diese Gene Set Enrichment Analysis (GSEA) ge-nannte Methode greift auf umfangreiche in oumlffentlichen Datenbanken hinterlegte Genomdaten gaumlngiger Tiermodelle und von Erkrankten zuruumlck Mit ihrer Heran-gehensweise konnten die Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler des BfR an-schlieszligend Veraumlnderungen auf der Ebene pathologischer Signalwege erkennen und Unterschiede zwischen Tiermodell und Mensch identifizieren Da der Groszligteil der untersuchten Genprodukte haumlufig nur geringfuumlgig veraumlndert war konnten bei der Analyse auf Ebene vollstaumlndiger bio-logischer Signalwege alle Gene einbezogen und Aumlnderungen in der Gesamtheit eines biologischen Signalwegs bewertet werden Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu bisherigen Analyseansaumltzen da fuumlr die Klauml-rung translationaler Fragestellungen bisher haumlufig willkuumlrlich und subjektiv Gene von Mensch und Tiermodell fuumlr einen direkten Eins-zu-eins-Vergleich ausgewaumlhlt wurden

Die systematische Auswertung des Bf3R zeigte dass die Ergebnisse beim vorlie-genden Genomdatenvergleich bei einigen Mausmodellen gut mit den beim Menschen ermittelten Daten uumlbereinstimmten Bei an-deren Mausmodellen hingegen war es nicht so So aumlhnelt das Entzuumlndungsgeschehen bei Maumlusen die mit Staphylococcus aureus (Staphylococcus-aureus-Injektionsmodell) infiziert sind oder eine Darmperforation (Cecal-ligation-and-puncture-Modell) erfah-ren den meisten klinischen Proben Hin-gegen verlaufen Erkrankungen die durch Lipopolysaccharide (LPS) und Streptococcus pneumoniae verursacht werden bei Mensch und Maus verschieden

Omics

Der Terminus beschreibt Methoden zur

Analyse komplexer biologischer Proben

auf der Ebene des gesamten Genoms

von Transkripten Proteinen oder Meta-

boliten

41012017

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

Forschungsansatz hilft Tierversuche zu reduzieren

Die Methode der Datenanalyse mittels GSEA-Ansatz erleichtert es Forschungs-gruppen zukuumlnftig zielgerichtet und stan-dardisiert das optimale Tiermodell aus-zuwaumlhlen das am besten die menschliche Situation abbildet Voraussetzung dafuumlr ist die Existenz von Omics-Daten zur klini-schen Fragestellung sowie zu den infrage kommenden Tierversuchen Dies ist bereits fuumlr eine Vielzahl von Tiermodellen sowie von humanen Erkrankungen der Fall neben Entzuumlndungserkrankungen beispielsweise fuumlr Herz-Kreislauf-Erkrankungen Krebser-krankungen Atemwegserkrankungen Stoff-wechselerkrankungen und neurologische Erkrankungen Aufgrund der vermehrten Verwendung von Omics-Methoden kann davon ausgegangen werden dass stetig wei-tere systembiologische Daten ermittelt und veroumlffentlicht werden Die vom Bf3R ange-wandte Methode wird daher weiterhin bei der gezielten Auswahl von Tiermodellen nuumltzlich sein

Das Verfahren kann in der Grundlagen-forschung sowie in der translationalen und angewandten Forschung eingesetzt werden Diese Bereiche machten 2015 nach Anga-ben des Bundesministeriums fuumlr Ernaumlh-rung und Landwirtschaft mit insgesamt 73 Prozent den groumlszligten Teil der Tierversuche aus Ein Groszligteil davon entfaumlllt auf Maumluse Ratten und zunehmend auch auf Fische Grundsaumltzlich kann die neue Methode zur Auswahl des geeigneten Versuchstiermo-dells bzw zum Ausschluss nicht geeigneter Versuchstiermodelle bei jeglichen Tierver-suchen in diesen Bereichen genutzt werden Analog zu den Versuchstierzahlen liegen derzeit die meisten Omics-Daten fuumlr Maus und Ratte vor So sind beispielsweise allein in der oumlffentlichen NCBI GEO-Datenbank (National Center for Biotechnology Informa-tion Gene Expression Omnibus) derzeit Da-ten zu ca 340000 Maus-Proben und 75000 Ratte-Proben gelistet

Methode identifiziert geeignete Zellkulturmodelle

Dabei ist die Methode des Bf3R nicht auf humane und murine Datensaumltze beschraumlnkt sondern kann auf alle weiteren Spezies an-gewandt werden fuumlr die umfangreiche Da-tenbanken zu biologischen Signalwegen oder Gengruppen vorliegen Auch fuumlr die Beurteilung von zellbasierten Alternativ-methoden kann der neue Forschungsansatz

herangezogen werden Durch einen system-biologischen Abgleich der klinischen Daten mit Omics-Daten aus beispielsweise neuar-tigen 3D-Zellkulturen oder organaumlhnlichen Mikrostrukturen wird die Charakterisierung und Verifizierung von zellbasierten Alterna-tivmethoden ermoumlglicht

Praumlmierte Forschungsleistung

Fuumlr ihre Forschung erhielten die Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR 2016 den Hamburger Forschungspreis zur Foumlrderung der Entwicklung von Ersatz- und

Ergaumlnzungsmethoden Die Auszeichnung wurde zum erstem Mal von den Hamburger Behoumlrden fuumlr Gesundheit und Verbraucher-schutz sowie fuumlr Wissenschaft Forschung und Gleichstellung mit einem Foumlrderpreis in Houmlhe von 20000 Euro ausgeschrieben Der Preis wird fuumlr Arbeiten vergeben die einen Beitrag leisten Tierversuche zu ersetzen oder zu minimieren

Mehr erfahrenWeidner et al 2016 Defining the optimal animal model for translational research using gene set enrichment analysis EMBO Molecular Medicine 8 8 831ndash838

Wofuumlr Versuchstiere in Deutschland eingesetzt werden

630255Herstellung und Qualitaumlts-kontrolle medizinischer Produkte toxikologische Sicherheitspruumlfungen

22

59

14 5

1643259Grundlagenforschung

144997sonstige Zweckez B Zucht Aus- und Weiterbildung

381450translationale und angewandte Forschung

Que

lle B

unde

smin

iste

rium

fuumlr E

rnaumlh

rung

und

Lan

dwirt

scha

ft V

ersu

chst

ierz

ahle

n 20

15

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

42 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Alternativen zu Tierversuchen Forschung regional buumlndeln

Eine individualisierte Schmerztherapie fuumlr Versuchsmaumluse und eine Verringerung von Tierexperimenten zum Test der Inhala- tionstoxizitaumlt von Nanomaterialien (siehe rechte Spalte) ndash hierzu sollen die ersten Arbeitsergebnisse des BfR im Berlin-Bran-denburgischen Verbundprojekt BB3R zukuumlnftig beitragen Das Netzwerk aus Universitaumlten und Bundesinstitutionen forscht um Tierversuche zu vermeiden (Replacement) bzw zu verringern (Reduction) sowie das Leiden von Versuchstieren zu vermindern (Refinement) Das BfR ist als einer von sechs Verbundpartnern in den Bereichen der Refinement- und Replacement-Forschung beteiligt Das Bundesforschungsministerium foumlrdert das mit BB3R abgekuumlrzte Projekt fuumlr vier Jahre bis Fruumlhjahr 2018 es ist als Plattform fuumlr den wissenschaftlichen Austausch konzipiert und integriert ein Graduiertenkolleg

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschungwwwbb3rde

Belastung von Laborfischen erkennen

Koumlrperbau

Koumlrpermerkmale

Verhaltenkreisendes Schwimmen

Belastung von Laborfischen erkennen

Ob Laborfische Schmerzen empfinden oder leiden laumlsst sich mithilfe konkreter Kriterien beurteilen Die Vorarbeiten hierzu koordinierte der bdquoNationale Ausschuss zumSchutz von fuumlr wissenschaftliche Zweckeverwendeten Tierenldquo am BfR gemeinsam mit externen Sachverstaumlndigen und Beauf-tragten von Genehmigungsbehoumlrden Die erstmals definierten Kriterien bewerten unter anderem Auffaumllligkeiten im Koumlrper-bau sowie im Verhalten der Tiere Schmer-zen und Leiden koumlnnen so gezielt behandelt und gelindert werden Da die Frage der Belastung der Tiere anhand der Kriterien eindeutig geklaumlrt werden kann dienen sie zudem als Entscheidungshilfe fuumlr Behoumlr-den welche die Zucht belasteter genetisch veraumlnderter Tiere genehmigen muumlssen Fische insbesondere Zebrafische sind nach Maumlusen und Ratten die am dritthaumlufigsten verwendete Versuchstierart Die Zahl der Versuchsfische hat in den letzten Jahren stetig zugenommen

Mehr erfahren Bert et al 2016 Considerations for aEuropean animal welfare standard toevaluate adverse phenotypes in teleost fish EMBO J 35 11 1151ndash1154Empfehlung des Nationalen Ausschusses TierSchG Nr 0012015

Test der Inhalationstoxizitaumlt von Nanomaterialien

Die Einatmung gilt als wichtigster Aufnahmeweg fuumlr Nanomaterialien Im Rahmen der BB3R-Forschung bildet das BfR diese Art der Exposition mit In-vitro- Atemwegsepithelmodellen an ihrer Grenzflaumlche zur Luft ab Dieser Ansatz zum Test der Inhalationstoxi-zitaumlt hilft Anzahl und Umfang von Tierversuchen zu verringern

Versuchsaufbau Drei Roumlhrchen leiten ein Testaerosol mit luftgetragenen Nanomaterialien auf Epithelzellen

SPEKTRUM

copy B

fR

43012017

Jubilaumlumsfeier und internationales Symposium

Am 29 November 2017 feiert das BfR sein 15-jaumlh-riges Bestehen mit einem Festakt Geplant ist eine Feier mit ausgewaumlhlten Gaumlsten in der Akademie der Kuumlnste Anschlieszligend findet vom 30 Novem-ber bis zum 01 Dezember 2017 das gemeinsame internationale Symposium des BfR und seiner Schwesterinstitutionen aus Daumlnemark (DTU Food) und Frankreich (ANSES) sowie der suumldko-reanischen Behoumlrde fuumlr Lebens- und Arzneimittel-sicherheit (NIFDS) statt Unter dem Motto bdquoPast Present and Future Challenges in Risk Assessment ndash Strengthening Consumer Health Protectionldquo werden die letzten anderthalb Jahrzehnte Risikobewer-tung betrachtet Daruumlber hinaus werden aktuelle Aktivitaumlten sowie zukuumlnftige Herausforderungen des Verbraucherschutzes wie mikrobiologische Erreger chemische Substanzen Methoden und Harmonisierung auf nationaler wie internationa-ler Ebene diskutiert

VERANSTALTUNGEN

Nachwuchs foumlrdern

Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu foumlr-dern baut das BfR wissenschaftliche Nachwuchs-gruppen zu bestimmten Schwerpunktthemen auf Die bereits 2015 eingerichtete Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Warenketteldquo wird im Herbst 2017 durch einen weiteren Dokto-randen verstaumlrkt

Verstaumlrkung im Versuchstierschutz

Seit dem 1 April 2017 staumlrkt die Berufung von Herrn Universitaumltsprofessor Dr Lars Lewejo-hann den Kompetenzbereich bdquoVerminderung der Belastung und Verbesserung der Lebenssitua-tionldquo des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) Neben der Leitung der Fachgruppe bdquoTierschutz und Versuchstierkundeldquo im BfR wird Lars Lewejohann sein Wissen und neue Erkenntnisse als Hochschullehrer fuumlr bdquoTier-schutz mit dem Schwerpunkt Refinementldquo an der veterinaumlrmedizinischen Fakultaumlt der Freien Universitaumlt Berlin an Studierende und Doktoran-den weitergeben

PERSONALIEN

Alternativmethode zum Tierversuch bdquoKnochen-auf-dem-Chipldquo

Im Mai 2017 fand bei der Gemeinsamen For-schungsstelle (GFS)Joint Research Centre (JRC) der Generaldirektion (Directorate General) der Europaumlischen Kommission eine Summer School zu alternativen Ansaumltzen zum Tierversuch fuumlr die Risikobewertung in Ispra (Italien) statt Dort wurde Herr Dr Ing Frank Schulze aus der BfR-Fachgruppe bdquoZEBET ndash Alternativmethoden zu Tierversuchenldquo fuumlr seine Praumlsentation und das dazugehoumlrige Poster zum Thema bdquoEin Knochen-auf-dem-Chip fuumlr die Grundlagenwissenschaft und die Identifizierung von knochenschaumldigen-den Substanzenldquo mit einem Posterpreis (1 Platz) ausgezeichnet

copy B

fR

copy p

rivat

INSTITUTSLEBEN

44 BfR 2 GO

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von Textilfasern Links Nanokomposit bei dem kaum Silberpartikel an der Faseroberflaumlche zu finden sind Mitte und rechts Textilien mit Silbercoating hier befindet sich insgesamt mehr Silber auf der Oberflaumlche

Art der Beschichtung bestimmt Freisetzung

Nanopartikel in Funktions-kleidung

zu simulieren wurden die Textilien fuumlr 24 Stunden in einer Schweiszligsimulanz-Louml-sung inkubiert Fuumlr die Auswertung wurde zunaumlchst der gesamte Silbergehalt in den Schweiszligloumlsungen mit massenspektromet-rischen Messmethoden bestimmt In den Proben in denen Silber vorhanden war wurden anschlieszligend mit Zentrifugation und einer speziellen Methode zum Messen von Einzelpartikeln geloumlstes und partikulauml-res Silber unterschieden Im letzten Schritt wurden die Partikelgroumlszligen des vorgefun-denen partikulaumlren Silbers gemessen um nanoskaliges Silber zu identifizieren

Silber aus Kleidung freigesetzt

Die Untersuchung des BfR zeigte dass von jeder Textilprobe Silber in die Schweiszligsi-mulanz-Loumlsung uumlberging je nach geteste-tem Textil zwischen 7 und 75 Prozent des originaumlr in den Textilien enthaltenen Sil-bers Dabei setzten die beschichteten Tex-tilien mehr Silber frei als die Komposite Den houmlchsten abgegebenen Anteil fand das BfR bei dem mit konventionellem Silber beschichteten Textil Die Freisetzung wird demnach staumlrker durch die Technologie der Veredelung bestimmt als durch die im Tex-til enthaltene Menge Auszligerdem scheint die Abgaberate von Silber aus Nanosilber im Vergleich zu konventionellem Silber nicht erhoumlht zu sein

In der Schweiszligloumlsung lag das freigesetzte Silber uumlberwiegend geloumlst vor Partikulaumlres Silber fand sich nur zum geringeren Teil dann jedoch auch im Nanometerbereich Ob es sich dabei um einzelne Nanoparti-kel handelt oder ob das Silber an groumlszligere Partikel gebunden ist muss in weiteren Untersuchungen uumlberpruumlft werden Nach

derzeitigem wissenschaftlichem Kennt-nisstand geht man davon aus dass sich Nanopartikel im Koumlrper anders verhalten als groumlszligere Partikel Uumlberraschenderweise detektierte die Forschungsgruppe auch in den Schweiszligsimulanzien der mit konven-tionellem Silber beschichteten Textilien partikulaumlres Silber in Nanogroumlszlige Das Vor-kommen von Silberpartikeln scheint also nicht davon abhaumlngig zu sein ob das Silber in Nano- oder konventioneller Form auf das Textil aufgebracht wurde

In einer parallelen Untersuchung fanden die Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler heraus dass zudem die Beschaffenheit der Nanopartikel beispielsweise in Form einer speziellen Beschichtung ihre Loumlslichkeit in der Schweiszligloumlsung beeinflusst

Art der Beschichtung relevant

Silber wird demnach aus Textilien freige-setzt in geringen Teilen sogar in partiku- laumlrer Form Die gewaumlhlte Form der Tex-tilfunktionalisierung aber auch die Be-schaffenheit der Nanopartikel stellen dabei wichtige Kriterien fuumlr das Freisetzungsver-halten dar Solche Erkenntnisse sind vor al-lem fuumlr den sicheren Einsatz von Nanoma-terialien in Alltagsprodukten wichtig weil die Exposition des Menschen gegenuumlber derartigen Stoffen moumlglichst klein gehalten werden sollte Auszligerdem geben sie Hin-weise in welcher Anwendungsform Nano-materialien im verbrauchernahen Bereich sicher eingesetzt werden koumlnnen

Mehr erfahren Wagener et al 2016 Textile Functionalization and Its Effects on the Release of Silver Nanoparticles into Artificial Sweat Environ Sci Technol 50 11 5927ndash5934

Per Flugzeitmassenspek-trometer laumlsst sich Silber auf beschichteten Textil-fasern detektieren

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

copy B

fR

NANOPARTIKEL

37012017

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

38 BfR 2 GO

Neuer Ansatz fuumlr Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

Spiegelbild gesucht

Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR zeigt einen neuen Ansatz um mithilfe von Genexpressionsdaten das geeignete Tiermodell fuumlr die Grundlagenforschung oder fuumlr spezifische klinische Fra-gestellungen zu identifizieren Damit koumlnnen zukuumlnftig unnoumltige Tierversu-che vermieden werden Hamburger Wissenschaftsbehoumlrden wuumlrdigten die Erkenntnisse mit einem Forschungspreis

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

39012017

Fragestellung

Vergleich

Auswahl

z B bdquoMit welchem Mausmodell koumlnnen die Ursachen von Alzheimer erforscht werdenldquo

Vergleich von vorhandenen Omics-Expressionsdaten von Mensch und Tier

Auswahl des geeigneten Modells

1

2

3

Geeignete Tiermodelle identifizieren

An Tiermodellen werden zahlreiche biologische Prozesse und Krankheiten wie Wund-

heilung Diabetes Tumoren oder entzuumlndliche Erkrankungen erforscht Durch den

Vergleich der Omics-Expressionsdaten von Tiermodell und Mensch koumlnnen geeignete

Modelle fuumlr die jeweilige Fragestellung identifiziert werden

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

40 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Verlaumluft ein entzuumlndlicher Prozess bei Maumlusen aumlhnlich wie beim Menschen Sind Maumluse daher geeignete Ver-

suchstiere fuumlr Tests von antientzuumlndlichen Substanzen Um Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung in den klinischen Alltag zu uumlberfuumlhren ndash Aufgabengebiet der translationalen Forschung ndash werden wissen-schaftliche Fragestellungen oft in Tierversu-chen erprobt Ob und inwieweit die Ergeb-nisse auf den Menschen uumlbertragbar sind ist dabei immer wieder Gegenstand kontrover-ser Diskussionen Geeignete Methoden mit denen die Wissenschaft Tiermodelle mit op-timaler Uumlbertragbarkeit auf den Menschen auswaumlhlen kann wuumlrden dem wissenschaft-lichen Fortschritt helfen und die Zahl der Tierversuche reduzieren Es geht dabei um die Frage welches Tiermodell am besten das menschliche System widerspiegelt

Vergleichbarkeit von Genom- daten fehleranfaumlllig

Als Grundlage fuumlr diese Uumlberlegungen die-nen Daten aus modernen bioanalytischen Hochdurchsatzverfahren Immer haumlufiger setzt die Wissenschaft auf diese sogenannten Omics-Technologien die die Gesamtheit aller Gene und ihrer Produkte analysieren ndash sowohl beim Tier als auch beim Menschen Mit ihnen lassen sich molekulare Prozesse in lebenden Systemen umfassend darstel-len indem sie beispielsweise die Interaktion hunderter bis tausender Genprodukte zei-gen Die Analyse dieser zunehmend kom-plexen Omics-Datensaumltze stellt die Wissen-schaft jedoch vor Probleme da das Vorgehen dazu nicht standardisiert ist Die Interpreta-tion der Ergebnisse ist bisher meist von der Kompetenz der Durchfuumlhrenden und von der angewandten Methode abhaumlngig Im Ergebnis war die Entscheidung zur Frage der Uumlbertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen fehleranfaumlllig und die Suche nach

geeigneten Tiermodellen erschwert Die ge-ringe Standardisierung der Interpretation von Omics-Daten fuumlhrte in Forschungs-kreisen bereits zu widerspruumlchlichen Er-gebnissen so zum Beispiel bei zwei Studien aus den Jahren 2013 und 2015 die sich mit der Vergleichbarkeit von entzuumlndlichen Er-krankungen beim Menschen und gaumlngigen Mausmodellen beschaumlftigten Waumlhrend eine Forschungsgruppe im Jahr 2013 schlussfol-gerte dass entzuumlndliche Prozesse zwischen Mensch und Maus nicht vergleichbar seien kam eine andere Gruppe zwei Jahre spaumlter anhand der gleichen Omics-Daten zum ge-genteiligen Schluss Die Maus reagiere auf der molekularen Ebene sehr aumlhnlich wie der Mensch und sei daher als Tiermodell sehr nuumltzlich fuumlr die Erforschung menschlicher Erkrankungen Zwar ist es nicht ungewoumlhn-lich dass Ergebnisse von Studien unter-schiedlich eingeschaumltzt werden ndash allerdings selten auf Basis der gleichen Daten

Motivation des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR war es diese Widerspruumlche aufzuklaumlren und einen standardisierten und zielgerichteten Analyseansatz zu entwickeln der die Suche nach geeigneten Tiermodellen vereinfacht und somit unnoumltige Tierversuche vermei-den hilft Es gehoumlrt zu den Kernaufgaben des Bf3R bundesweit alle Aktivitaumlten zu koordi-nieren mit den Zielen Tierversuche auf das unerlaumlssliche Maszlig zu beschraumlnken und fuumlr Versuchstiere den bestmoumlglichen Schutz zu gewaumlhrleisten Die Aufgaben des Bf3R wer-den vom BfR wahrgenommen

Genomdaten von Tier und Mensch gezielt vergleichen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler des Bf3R haben die Omics-Daten aus den beiden erwaumlhnten widerspruumlchlichen Studien mithilfe hochperformanter Com-

puter nochmals systematisch ausgewertet Dabei wurden zunaumlchst die zu verglei-chenden Gene gruppenweise biologischen Prozessen zugeordnet die wesentlich fuumlr ein Entzuumlndungsgeschehen sind Diese Gene Set Enrichment Analysis (GSEA) ge-nannte Methode greift auf umfangreiche in oumlffentlichen Datenbanken hinterlegte Genomdaten gaumlngiger Tiermodelle und von Erkrankten zuruumlck Mit ihrer Heran-gehensweise konnten die Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler des BfR an-schlieszligend Veraumlnderungen auf der Ebene pathologischer Signalwege erkennen und Unterschiede zwischen Tiermodell und Mensch identifizieren Da der Groszligteil der untersuchten Genprodukte haumlufig nur geringfuumlgig veraumlndert war konnten bei der Analyse auf Ebene vollstaumlndiger bio-logischer Signalwege alle Gene einbezogen und Aumlnderungen in der Gesamtheit eines biologischen Signalwegs bewertet werden Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu bisherigen Analyseansaumltzen da fuumlr die Klauml-rung translationaler Fragestellungen bisher haumlufig willkuumlrlich und subjektiv Gene von Mensch und Tiermodell fuumlr einen direkten Eins-zu-eins-Vergleich ausgewaumlhlt wurden

Die systematische Auswertung des Bf3R zeigte dass die Ergebnisse beim vorlie-genden Genomdatenvergleich bei einigen Mausmodellen gut mit den beim Menschen ermittelten Daten uumlbereinstimmten Bei an-deren Mausmodellen hingegen war es nicht so So aumlhnelt das Entzuumlndungsgeschehen bei Maumlusen die mit Staphylococcus aureus (Staphylococcus-aureus-Injektionsmodell) infiziert sind oder eine Darmperforation (Cecal-ligation-and-puncture-Modell) erfah-ren den meisten klinischen Proben Hin-gegen verlaufen Erkrankungen die durch Lipopolysaccharide (LPS) und Streptococcus pneumoniae verursacht werden bei Mensch und Maus verschieden

Omics

Der Terminus beschreibt Methoden zur

Analyse komplexer biologischer Proben

auf der Ebene des gesamten Genoms

von Transkripten Proteinen oder Meta-

boliten

41012017

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

Forschungsansatz hilft Tierversuche zu reduzieren

Die Methode der Datenanalyse mittels GSEA-Ansatz erleichtert es Forschungs-gruppen zukuumlnftig zielgerichtet und stan-dardisiert das optimale Tiermodell aus-zuwaumlhlen das am besten die menschliche Situation abbildet Voraussetzung dafuumlr ist die Existenz von Omics-Daten zur klini-schen Fragestellung sowie zu den infrage kommenden Tierversuchen Dies ist bereits fuumlr eine Vielzahl von Tiermodellen sowie von humanen Erkrankungen der Fall neben Entzuumlndungserkrankungen beispielsweise fuumlr Herz-Kreislauf-Erkrankungen Krebser-krankungen Atemwegserkrankungen Stoff-wechselerkrankungen und neurologische Erkrankungen Aufgrund der vermehrten Verwendung von Omics-Methoden kann davon ausgegangen werden dass stetig wei-tere systembiologische Daten ermittelt und veroumlffentlicht werden Die vom Bf3R ange-wandte Methode wird daher weiterhin bei der gezielten Auswahl von Tiermodellen nuumltzlich sein

Das Verfahren kann in der Grundlagen-forschung sowie in der translationalen und angewandten Forschung eingesetzt werden Diese Bereiche machten 2015 nach Anga-ben des Bundesministeriums fuumlr Ernaumlh-rung und Landwirtschaft mit insgesamt 73 Prozent den groumlszligten Teil der Tierversuche aus Ein Groszligteil davon entfaumlllt auf Maumluse Ratten und zunehmend auch auf Fische Grundsaumltzlich kann die neue Methode zur Auswahl des geeigneten Versuchstiermo-dells bzw zum Ausschluss nicht geeigneter Versuchstiermodelle bei jeglichen Tierver-suchen in diesen Bereichen genutzt werden Analog zu den Versuchstierzahlen liegen derzeit die meisten Omics-Daten fuumlr Maus und Ratte vor So sind beispielsweise allein in der oumlffentlichen NCBI GEO-Datenbank (National Center for Biotechnology Informa-tion Gene Expression Omnibus) derzeit Da-ten zu ca 340000 Maus-Proben und 75000 Ratte-Proben gelistet

Methode identifiziert geeignete Zellkulturmodelle

Dabei ist die Methode des Bf3R nicht auf humane und murine Datensaumltze beschraumlnkt sondern kann auf alle weiteren Spezies an-gewandt werden fuumlr die umfangreiche Da-tenbanken zu biologischen Signalwegen oder Gengruppen vorliegen Auch fuumlr die Beurteilung von zellbasierten Alternativ-methoden kann der neue Forschungsansatz

herangezogen werden Durch einen system-biologischen Abgleich der klinischen Daten mit Omics-Daten aus beispielsweise neuar-tigen 3D-Zellkulturen oder organaumlhnlichen Mikrostrukturen wird die Charakterisierung und Verifizierung von zellbasierten Alterna-tivmethoden ermoumlglicht

Praumlmierte Forschungsleistung

Fuumlr ihre Forschung erhielten die Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR 2016 den Hamburger Forschungspreis zur Foumlrderung der Entwicklung von Ersatz- und

Ergaumlnzungsmethoden Die Auszeichnung wurde zum erstem Mal von den Hamburger Behoumlrden fuumlr Gesundheit und Verbraucher-schutz sowie fuumlr Wissenschaft Forschung und Gleichstellung mit einem Foumlrderpreis in Houmlhe von 20000 Euro ausgeschrieben Der Preis wird fuumlr Arbeiten vergeben die einen Beitrag leisten Tierversuche zu ersetzen oder zu minimieren

Mehr erfahrenWeidner et al 2016 Defining the optimal animal model for translational research using gene set enrichment analysis EMBO Molecular Medicine 8 8 831ndash838

Wofuumlr Versuchstiere in Deutschland eingesetzt werden

630255Herstellung und Qualitaumlts-kontrolle medizinischer Produkte toxikologische Sicherheitspruumlfungen

22

59

14 5

1643259Grundlagenforschung

144997sonstige Zweckez B Zucht Aus- und Weiterbildung

381450translationale und angewandte Forschung

Que

lle B

unde

smin

iste

rium

fuumlr E

rnaumlh

rung

und

Lan

dwirt

scha

ft V

ersu

chst

ierz

ahle

n 20

15

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

42 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Alternativen zu Tierversuchen Forschung regional buumlndeln

Eine individualisierte Schmerztherapie fuumlr Versuchsmaumluse und eine Verringerung von Tierexperimenten zum Test der Inhala- tionstoxizitaumlt von Nanomaterialien (siehe rechte Spalte) ndash hierzu sollen die ersten Arbeitsergebnisse des BfR im Berlin-Bran-denburgischen Verbundprojekt BB3R zukuumlnftig beitragen Das Netzwerk aus Universitaumlten und Bundesinstitutionen forscht um Tierversuche zu vermeiden (Replacement) bzw zu verringern (Reduction) sowie das Leiden von Versuchstieren zu vermindern (Refinement) Das BfR ist als einer von sechs Verbundpartnern in den Bereichen der Refinement- und Replacement-Forschung beteiligt Das Bundesforschungsministerium foumlrdert das mit BB3R abgekuumlrzte Projekt fuumlr vier Jahre bis Fruumlhjahr 2018 es ist als Plattform fuumlr den wissenschaftlichen Austausch konzipiert und integriert ein Graduiertenkolleg

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschungwwwbb3rde

Belastung von Laborfischen erkennen

Koumlrperbau

Koumlrpermerkmale

Verhaltenkreisendes Schwimmen

Belastung von Laborfischen erkennen

Ob Laborfische Schmerzen empfinden oder leiden laumlsst sich mithilfe konkreter Kriterien beurteilen Die Vorarbeiten hierzu koordinierte der bdquoNationale Ausschuss zumSchutz von fuumlr wissenschaftliche Zweckeverwendeten Tierenldquo am BfR gemeinsam mit externen Sachverstaumlndigen und Beauf-tragten von Genehmigungsbehoumlrden Die erstmals definierten Kriterien bewerten unter anderem Auffaumllligkeiten im Koumlrper-bau sowie im Verhalten der Tiere Schmer-zen und Leiden koumlnnen so gezielt behandelt und gelindert werden Da die Frage der Belastung der Tiere anhand der Kriterien eindeutig geklaumlrt werden kann dienen sie zudem als Entscheidungshilfe fuumlr Behoumlr-den welche die Zucht belasteter genetisch veraumlnderter Tiere genehmigen muumlssen Fische insbesondere Zebrafische sind nach Maumlusen und Ratten die am dritthaumlufigsten verwendete Versuchstierart Die Zahl der Versuchsfische hat in den letzten Jahren stetig zugenommen

Mehr erfahren Bert et al 2016 Considerations for aEuropean animal welfare standard toevaluate adverse phenotypes in teleost fish EMBO J 35 11 1151ndash1154Empfehlung des Nationalen Ausschusses TierSchG Nr 0012015

Test der Inhalationstoxizitaumlt von Nanomaterialien

Die Einatmung gilt als wichtigster Aufnahmeweg fuumlr Nanomaterialien Im Rahmen der BB3R-Forschung bildet das BfR diese Art der Exposition mit In-vitro- Atemwegsepithelmodellen an ihrer Grenzflaumlche zur Luft ab Dieser Ansatz zum Test der Inhalationstoxi-zitaumlt hilft Anzahl und Umfang von Tierversuchen zu verringern

Versuchsaufbau Drei Roumlhrchen leiten ein Testaerosol mit luftgetragenen Nanomaterialien auf Epithelzellen

SPEKTRUM

copy B

fR

43012017

Jubilaumlumsfeier und internationales Symposium

Am 29 November 2017 feiert das BfR sein 15-jaumlh-riges Bestehen mit einem Festakt Geplant ist eine Feier mit ausgewaumlhlten Gaumlsten in der Akademie der Kuumlnste Anschlieszligend findet vom 30 Novem-ber bis zum 01 Dezember 2017 das gemeinsame internationale Symposium des BfR und seiner Schwesterinstitutionen aus Daumlnemark (DTU Food) und Frankreich (ANSES) sowie der suumldko-reanischen Behoumlrde fuumlr Lebens- und Arzneimittel-sicherheit (NIFDS) statt Unter dem Motto bdquoPast Present and Future Challenges in Risk Assessment ndash Strengthening Consumer Health Protectionldquo werden die letzten anderthalb Jahrzehnte Risikobewer-tung betrachtet Daruumlber hinaus werden aktuelle Aktivitaumlten sowie zukuumlnftige Herausforderungen des Verbraucherschutzes wie mikrobiologische Erreger chemische Substanzen Methoden und Harmonisierung auf nationaler wie internationa-ler Ebene diskutiert

VERANSTALTUNGEN

Nachwuchs foumlrdern

Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu foumlr-dern baut das BfR wissenschaftliche Nachwuchs-gruppen zu bestimmten Schwerpunktthemen auf Die bereits 2015 eingerichtete Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Warenketteldquo wird im Herbst 2017 durch einen weiteren Dokto-randen verstaumlrkt

Verstaumlrkung im Versuchstierschutz

Seit dem 1 April 2017 staumlrkt die Berufung von Herrn Universitaumltsprofessor Dr Lars Lewejo-hann den Kompetenzbereich bdquoVerminderung der Belastung und Verbesserung der Lebenssitua-tionldquo des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) Neben der Leitung der Fachgruppe bdquoTierschutz und Versuchstierkundeldquo im BfR wird Lars Lewejohann sein Wissen und neue Erkenntnisse als Hochschullehrer fuumlr bdquoTier-schutz mit dem Schwerpunkt Refinementldquo an der veterinaumlrmedizinischen Fakultaumlt der Freien Universitaumlt Berlin an Studierende und Doktoran-den weitergeben

PERSONALIEN

Alternativmethode zum Tierversuch bdquoKnochen-auf-dem-Chipldquo

Im Mai 2017 fand bei der Gemeinsamen For-schungsstelle (GFS)Joint Research Centre (JRC) der Generaldirektion (Directorate General) der Europaumlischen Kommission eine Summer School zu alternativen Ansaumltzen zum Tierversuch fuumlr die Risikobewertung in Ispra (Italien) statt Dort wurde Herr Dr Ing Frank Schulze aus der BfR-Fachgruppe bdquoZEBET ndash Alternativmethoden zu Tierversuchenldquo fuumlr seine Praumlsentation und das dazugehoumlrige Poster zum Thema bdquoEin Knochen-auf-dem-Chip fuumlr die Grundlagenwissenschaft und die Identifizierung von knochenschaumldigen-den Substanzenldquo mit einem Posterpreis (1 Platz) ausgezeichnet

copy B

fR

copy p

rivat

INSTITUTSLEBEN

44 BfR 2 GO

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

38 BfR 2 GO

Neuer Ansatz fuumlr Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

Spiegelbild gesucht

Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR zeigt einen neuen Ansatz um mithilfe von Genexpressionsdaten das geeignete Tiermodell fuumlr die Grundlagenforschung oder fuumlr spezifische klinische Fra-gestellungen zu identifizieren Damit koumlnnen zukuumlnftig unnoumltige Tierversu-che vermieden werden Hamburger Wissenschaftsbehoumlrden wuumlrdigten die Erkenntnisse mit einem Forschungspreis

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

39012017

Fragestellung

Vergleich

Auswahl

z B bdquoMit welchem Mausmodell koumlnnen die Ursachen von Alzheimer erforscht werdenldquo

Vergleich von vorhandenen Omics-Expressionsdaten von Mensch und Tier

Auswahl des geeigneten Modells

1

2

3

Geeignete Tiermodelle identifizieren

An Tiermodellen werden zahlreiche biologische Prozesse und Krankheiten wie Wund-

heilung Diabetes Tumoren oder entzuumlndliche Erkrankungen erforscht Durch den

Vergleich der Omics-Expressionsdaten von Tiermodell und Mensch koumlnnen geeignete

Modelle fuumlr die jeweilige Fragestellung identifiziert werden

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

40 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Verlaumluft ein entzuumlndlicher Prozess bei Maumlusen aumlhnlich wie beim Menschen Sind Maumluse daher geeignete Ver-

suchstiere fuumlr Tests von antientzuumlndlichen Substanzen Um Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung in den klinischen Alltag zu uumlberfuumlhren ndash Aufgabengebiet der translationalen Forschung ndash werden wissen-schaftliche Fragestellungen oft in Tierversu-chen erprobt Ob und inwieweit die Ergeb-nisse auf den Menschen uumlbertragbar sind ist dabei immer wieder Gegenstand kontrover-ser Diskussionen Geeignete Methoden mit denen die Wissenschaft Tiermodelle mit op-timaler Uumlbertragbarkeit auf den Menschen auswaumlhlen kann wuumlrden dem wissenschaft-lichen Fortschritt helfen und die Zahl der Tierversuche reduzieren Es geht dabei um die Frage welches Tiermodell am besten das menschliche System widerspiegelt

Vergleichbarkeit von Genom- daten fehleranfaumlllig

Als Grundlage fuumlr diese Uumlberlegungen die-nen Daten aus modernen bioanalytischen Hochdurchsatzverfahren Immer haumlufiger setzt die Wissenschaft auf diese sogenannten Omics-Technologien die die Gesamtheit aller Gene und ihrer Produkte analysieren ndash sowohl beim Tier als auch beim Menschen Mit ihnen lassen sich molekulare Prozesse in lebenden Systemen umfassend darstel-len indem sie beispielsweise die Interaktion hunderter bis tausender Genprodukte zei-gen Die Analyse dieser zunehmend kom-plexen Omics-Datensaumltze stellt die Wissen-schaft jedoch vor Probleme da das Vorgehen dazu nicht standardisiert ist Die Interpreta-tion der Ergebnisse ist bisher meist von der Kompetenz der Durchfuumlhrenden und von der angewandten Methode abhaumlngig Im Ergebnis war die Entscheidung zur Frage der Uumlbertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen fehleranfaumlllig und die Suche nach

geeigneten Tiermodellen erschwert Die ge-ringe Standardisierung der Interpretation von Omics-Daten fuumlhrte in Forschungs-kreisen bereits zu widerspruumlchlichen Er-gebnissen so zum Beispiel bei zwei Studien aus den Jahren 2013 und 2015 die sich mit der Vergleichbarkeit von entzuumlndlichen Er-krankungen beim Menschen und gaumlngigen Mausmodellen beschaumlftigten Waumlhrend eine Forschungsgruppe im Jahr 2013 schlussfol-gerte dass entzuumlndliche Prozesse zwischen Mensch und Maus nicht vergleichbar seien kam eine andere Gruppe zwei Jahre spaumlter anhand der gleichen Omics-Daten zum ge-genteiligen Schluss Die Maus reagiere auf der molekularen Ebene sehr aumlhnlich wie der Mensch und sei daher als Tiermodell sehr nuumltzlich fuumlr die Erforschung menschlicher Erkrankungen Zwar ist es nicht ungewoumlhn-lich dass Ergebnisse von Studien unter-schiedlich eingeschaumltzt werden ndash allerdings selten auf Basis der gleichen Daten

Motivation des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR war es diese Widerspruumlche aufzuklaumlren und einen standardisierten und zielgerichteten Analyseansatz zu entwickeln der die Suche nach geeigneten Tiermodellen vereinfacht und somit unnoumltige Tierversuche vermei-den hilft Es gehoumlrt zu den Kernaufgaben des Bf3R bundesweit alle Aktivitaumlten zu koordi-nieren mit den Zielen Tierversuche auf das unerlaumlssliche Maszlig zu beschraumlnken und fuumlr Versuchstiere den bestmoumlglichen Schutz zu gewaumlhrleisten Die Aufgaben des Bf3R wer-den vom BfR wahrgenommen

Genomdaten von Tier und Mensch gezielt vergleichen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler des Bf3R haben die Omics-Daten aus den beiden erwaumlhnten widerspruumlchlichen Studien mithilfe hochperformanter Com-

puter nochmals systematisch ausgewertet Dabei wurden zunaumlchst die zu verglei-chenden Gene gruppenweise biologischen Prozessen zugeordnet die wesentlich fuumlr ein Entzuumlndungsgeschehen sind Diese Gene Set Enrichment Analysis (GSEA) ge-nannte Methode greift auf umfangreiche in oumlffentlichen Datenbanken hinterlegte Genomdaten gaumlngiger Tiermodelle und von Erkrankten zuruumlck Mit ihrer Heran-gehensweise konnten die Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler des BfR an-schlieszligend Veraumlnderungen auf der Ebene pathologischer Signalwege erkennen und Unterschiede zwischen Tiermodell und Mensch identifizieren Da der Groszligteil der untersuchten Genprodukte haumlufig nur geringfuumlgig veraumlndert war konnten bei der Analyse auf Ebene vollstaumlndiger bio-logischer Signalwege alle Gene einbezogen und Aumlnderungen in der Gesamtheit eines biologischen Signalwegs bewertet werden Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu bisherigen Analyseansaumltzen da fuumlr die Klauml-rung translationaler Fragestellungen bisher haumlufig willkuumlrlich und subjektiv Gene von Mensch und Tiermodell fuumlr einen direkten Eins-zu-eins-Vergleich ausgewaumlhlt wurden

Die systematische Auswertung des Bf3R zeigte dass die Ergebnisse beim vorlie-genden Genomdatenvergleich bei einigen Mausmodellen gut mit den beim Menschen ermittelten Daten uumlbereinstimmten Bei an-deren Mausmodellen hingegen war es nicht so So aumlhnelt das Entzuumlndungsgeschehen bei Maumlusen die mit Staphylococcus aureus (Staphylococcus-aureus-Injektionsmodell) infiziert sind oder eine Darmperforation (Cecal-ligation-and-puncture-Modell) erfah-ren den meisten klinischen Proben Hin-gegen verlaufen Erkrankungen die durch Lipopolysaccharide (LPS) und Streptococcus pneumoniae verursacht werden bei Mensch und Maus verschieden

Omics

Der Terminus beschreibt Methoden zur

Analyse komplexer biologischer Proben

auf der Ebene des gesamten Genoms

von Transkripten Proteinen oder Meta-

boliten

41012017

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

Forschungsansatz hilft Tierversuche zu reduzieren

Die Methode der Datenanalyse mittels GSEA-Ansatz erleichtert es Forschungs-gruppen zukuumlnftig zielgerichtet und stan-dardisiert das optimale Tiermodell aus-zuwaumlhlen das am besten die menschliche Situation abbildet Voraussetzung dafuumlr ist die Existenz von Omics-Daten zur klini-schen Fragestellung sowie zu den infrage kommenden Tierversuchen Dies ist bereits fuumlr eine Vielzahl von Tiermodellen sowie von humanen Erkrankungen der Fall neben Entzuumlndungserkrankungen beispielsweise fuumlr Herz-Kreislauf-Erkrankungen Krebser-krankungen Atemwegserkrankungen Stoff-wechselerkrankungen und neurologische Erkrankungen Aufgrund der vermehrten Verwendung von Omics-Methoden kann davon ausgegangen werden dass stetig wei-tere systembiologische Daten ermittelt und veroumlffentlicht werden Die vom Bf3R ange-wandte Methode wird daher weiterhin bei der gezielten Auswahl von Tiermodellen nuumltzlich sein

Das Verfahren kann in der Grundlagen-forschung sowie in der translationalen und angewandten Forschung eingesetzt werden Diese Bereiche machten 2015 nach Anga-ben des Bundesministeriums fuumlr Ernaumlh-rung und Landwirtschaft mit insgesamt 73 Prozent den groumlszligten Teil der Tierversuche aus Ein Groszligteil davon entfaumlllt auf Maumluse Ratten und zunehmend auch auf Fische Grundsaumltzlich kann die neue Methode zur Auswahl des geeigneten Versuchstiermo-dells bzw zum Ausschluss nicht geeigneter Versuchstiermodelle bei jeglichen Tierver-suchen in diesen Bereichen genutzt werden Analog zu den Versuchstierzahlen liegen derzeit die meisten Omics-Daten fuumlr Maus und Ratte vor So sind beispielsweise allein in der oumlffentlichen NCBI GEO-Datenbank (National Center for Biotechnology Informa-tion Gene Expression Omnibus) derzeit Da-ten zu ca 340000 Maus-Proben und 75000 Ratte-Proben gelistet

Methode identifiziert geeignete Zellkulturmodelle

Dabei ist die Methode des Bf3R nicht auf humane und murine Datensaumltze beschraumlnkt sondern kann auf alle weiteren Spezies an-gewandt werden fuumlr die umfangreiche Da-tenbanken zu biologischen Signalwegen oder Gengruppen vorliegen Auch fuumlr die Beurteilung von zellbasierten Alternativ-methoden kann der neue Forschungsansatz

herangezogen werden Durch einen system-biologischen Abgleich der klinischen Daten mit Omics-Daten aus beispielsweise neuar-tigen 3D-Zellkulturen oder organaumlhnlichen Mikrostrukturen wird die Charakterisierung und Verifizierung von zellbasierten Alterna-tivmethoden ermoumlglicht

Praumlmierte Forschungsleistung

Fuumlr ihre Forschung erhielten die Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR 2016 den Hamburger Forschungspreis zur Foumlrderung der Entwicklung von Ersatz- und

Ergaumlnzungsmethoden Die Auszeichnung wurde zum erstem Mal von den Hamburger Behoumlrden fuumlr Gesundheit und Verbraucher-schutz sowie fuumlr Wissenschaft Forschung und Gleichstellung mit einem Foumlrderpreis in Houmlhe von 20000 Euro ausgeschrieben Der Preis wird fuumlr Arbeiten vergeben die einen Beitrag leisten Tierversuche zu ersetzen oder zu minimieren

Mehr erfahrenWeidner et al 2016 Defining the optimal animal model for translational research using gene set enrichment analysis EMBO Molecular Medicine 8 8 831ndash838

Wofuumlr Versuchstiere in Deutschland eingesetzt werden

630255Herstellung und Qualitaumlts-kontrolle medizinischer Produkte toxikologische Sicherheitspruumlfungen

22

59

14 5

1643259Grundlagenforschung

144997sonstige Zweckez B Zucht Aus- und Weiterbildung

381450translationale und angewandte Forschung

Que

lle B

unde

smin

iste

rium

fuumlr E

rnaumlh

rung

und

Lan

dwirt

scha

ft V

ersu

chst

ierz

ahle

n 20

15

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

42 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Alternativen zu Tierversuchen Forschung regional buumlndeln

Eine individualisierte Schmerztherapie fuumlr Versuchsmaumluse und eine Verringerung von Tierexperimenten zum Test der Inhala- tionstoxizitaumlt von Nanomaterialien (siehe rechte Spalte) ndash hierzu sollen die ersten Arbeitsergebnisse des BfR im Berlin-Bran-denburgischen Verbundprojekt BB3R zukuumlnftig beitragen Das Netzwerk aus Universitaumlten und Bundesinstitutionen forscht um Tierversuche zu vermeiden (Replacement) bzw zu verringern (Reduction) sowie das Leiden von Versuchstieren zu vermindern (Refinement) Das BfR ist als einer von sechs Verbundpartnern in den Bereichen der Refinement- und Replacement-Forschung beteiligt Das Bundesforschungsministerium foumlrdert das mit BB3R abgekuumlrzte Projekt fuumlr vier Jahre bis Fruumlhjahr 2018 es ist als Plattform fuumlr den wissenschaftlichen Austausch konzipiert und integriert ein Graduiertenkolleg

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschungwwwbb3rde

Belastung von Laborfischen erkennen

Koumlrperbau

Koumlrpermerkmale

Verhaltenkreisendes Schwimmen

Belastung von Laborfischen erkennen

Ob Laborfische Schmerzen empfinden oder leiden laumlsst sich mithilfe konkreter Kriterien beurteilen Die Vorarbeiten hierzu koordinierte der bdquoNationale Ausschuss zumSchutz von fuumlr wissenschaftliche Zweckeverwendeten Tierenldquo am BfR gemeinsam mit externen Sachverstaumlndigen und Beauf-tragten von Genehmigungsbehoumlrden Die erstmals definierten Kriterien bewerten unter anderem Auffaumllligkeiten im Koumlrper-bau sowie im Verhalten der Tiere Schmer-zen und Leiden koumlnnen so gezielt behandelt und gelindert werden Da die Frage der Belastung der Tiere anhand der Kriterien eindeutig geklaumlrt werden kann dienen sie zudem als Entscheidungshilfe fuumlr Behoumlr-den welche die Zucht belasteter genetisch veraumlnderter Tiere genehmigen muumlssen Fische insbesondere Zebrafische sind nach Maumlusen und Ratten die am dritthaumlufigsten verwendete Versuchstierart Die Zahl der Versuchsfische hat in den letzten Jahren stetig zugenommen

Mehr erfahren Bert et al 2016 Considerations for aEuropean animal welfare standard toevaluate adverse phenotypes in teleost fish EMBO J 35 11 1151ndash1154Empfehlung des Nationalen Ausschusses TierSchG Nr 0012015

Test der Inhalationstoxizitaumlt von Nanomaterialien

Die Einatmung gilt als wichtigster Aufnahmeweg fuumlr Nanomaterialien Im Rahmen der BB3R-Forschung bildet das BfR diese Art der Exposition mit In-vitro- Atemwegsepithelmodellen an ihrer Grenzflaumlche zur Luft ab Dieser Ansatz zum Test der Inhalationstoxi-zitaumlt hilft Anzahl und Umfang von Tierversuchen zu verringern

Versuchsaufbau Drei Roumlhrchen leiten ein Testaerosol mit luftgetragenen Nanomaterialien auf Epithelzellen

SPEKTRUM

copy B

fR

43012017

Jubilaumlumsfeier und internationales Symposium

Am 29 November 2017 feiert das BfR sein 15-jaumlh-riges Bestehen mit einem Festakt Geplant ist eine Feier mit ausgewaumlhlten Gaumlsten in der Akademie der Kuumlnste Anschlieszligend findet vom 30 Novem-ber bis zum 01 Dezember 2017 das gemeinsame internationale Symposium des BfR und seiner Schwesterinstitutionen aus Daumlnemark (DTU Food) und Frankreich (ANSES) sowie der suumldko-reanischen Behoumlrde fuumlr Lebens- und Arzneimittel-sicherheit (NIFDS) statt Unter dem Motto bdquoPast Present and Future Challenges in Risk Assessment ndash Strengthening Consumer Health Protectionldquo werden die letzten anderthalb Jahrzehnte Risikobewer-tung betrachtet Daruumlber hinaus werden aktuelle Aktivitaumlten sowie zukuumlnftige Herausforderungen des Verbraucherschutzes wie mikrobiologische Erreger chemische Substanzen Methoden und Harmonisierung auf nationaler wie internationa-ler Ebene diskutiert

VERANSTALTUNGEN

Nachwuchs foumlrdern

Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu foumlr-dern baut das BfR wissenschaftliche Nachwuchs-gruppen zu bestimmten Schwerpunktthemen auf Die bereits 2015 eingerichtete Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Warenketteldquo wird im Herbst 2017 durch einen weiteren Dokto-randen verstaumlrkt

Verstaumlrkung im Versuchstierschutz

Seit dem 1 April 2017 staumlrkt die Berufung von Herrn Universitaumltsprofessor Dr Lars Lewejo-hann den Kompetenzbereich bdquoVerminderung der Belastung und Verbesserung der Lebenssitua-tionldquo des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) Neben der Leitung der Fachgruppe bdquoTierschutz und Versuchstierkundeldquo im BfR wird Lars Lewejohann sein Wissen und neue Erkenntnisse als Hochschullehrer fuumlr bdquoTier-schutz mit dem Schwerpunkt Refinementldquo an der veterinaumlrmedizinischen Fakultaumlt der Freien Universitaumlt Berlin an Studierende und Doktoran-den weitergeben

PERSONALIEN

Alternativmethode zum Tierversuch bdquoKnochen-auf-dem-Chipldquo

Im Mai 2017 fand bei der Gemeinsamen For-schungsstelle (GFS)Joint Research Centre (JRC) der Generaldirektion (Directorate General) der Europaumlischen Kommission eine Summer School zu alternativen Ansaumltzen zum Tierversuch fuumlr die Risikobewertung in Ispra (Italien) statt Dort wurde Herr Dr Ing Frank Schulze aus der BfR-Fachgruppe bdquoZEBET ndash Alternativmethoden zu Tierversuchenldquo fuumlr seine Praumlsentation und das dazugehoumlrige Poster zum Thema bdquoEin Knochen-auf-dem-Chip fuumlr die Grundlagenwissenschaft und die Identifizierung von knochenschaumldigen-den Substanzenldquo mit einem Posterpreis (1 Platz) ausgezeichnet

copy B

fR

copy p

rivat

INSTITUTSLEBEN

44 BfR 2 GO

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

Neuer Ansatz fuumlr Genomdatenvergleiche von Mensch und Tier

Spiegelbild gesucht

Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR zeigt einen neuen Ansatz um mithilfe von Genexpressionsdaten das geeignete Tiermodell fuumlr die Grundlagenforschung oder fuumlr spezifische klinische Fra-gestellungen zu identifizieren Damit koumlnnen zukuumlnftig unnoumltige Tierversu-che vermieden werden Hamburger Wissenschaftsbehoumlrden wuumlrdigten die Erkenntnisse mit einem Forschungspreis

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

39012017

Fragestellung

Vergleich

Auswahl

z B bdquoMit welchem Mausmodell koumlnnen die Ursachen von Alzheimer erforscht werdenldquo

Vergleich von vorhandenen Omics-Expressionsdaten von Mensch und Tier

Auswahl des geeigneten Modells

1

2

3

Geeignete Tiermodelle identifizieren

An Tiermodellen werden zahlreiche biologische Prozesse und Krankheiten wie Wund-

heilung Diabetes Tumoren oder entzuumlndliche Erkrankungen erforscht Durch den

Vergleich der Omics-Expressionsdaten von Tiermodell und Mensch koumlnnen geeignete

Modelle fuumlr die jeweilige Fragestellung identifiziert werden

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

40 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Verlaumluft ein entzuumlndlicher Prozess bei Maumlusen aumlhnlich wie beim Menschen Sind Maumluse daher geeignete Ver-

suchstiere fuumlr Tests von antientzuumlndlichen Substanzen Um Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung in den klinischen Alltag zu uumlberfuumlhren ndash Aufgabengebiet der translationalen Forschung ndash werden wissen-schaftliche Fragestellungen oft in Tierversu-chen erprobt Ob und inwieweit die Ergeb-nisse auf den Menschen uumlbertragbar sind ist dabei immer wieder Gegenstand kontrover-ser Diskussionen Geeignete Methoden mit denen die Wissenschaft Tiermodelle mit op-timaler Uumlbertragbarkeit auf den Menschen auswaumlhlen kann wuumlrden dem wissenschaft-lichen Fortschritt helfen und die Zahl der Tierversuche reduzieren Es geht dabei um die Frage welches Tiermodell am besten das menschliche System widerspiegelt

Vergleichbarkeit von Genom- daten fehleranfaumlllig

Als Grundlage fuumlr diese Uumlberlegungen die-nen Daten aus modernen bioanalytischen Hochdurchsatzverfahren Immer haumlufiger setzt die Wissenschaft auf diese sogenannten Omics-Technologien die die Gesamtheit aller Gene und ihrer Produkte analysieren ndash sowohl beim Tier als auch beim Menschen Mit ihnen lassen sich molekulare Prozesse in lebenden Systemen umfassend darstel-len indem sie beispielsweise die Interaktion hunderter bis tausender Genprodukte zei-gen Die Analyse dieser zunehmend kom-plexen Omics-Datensaumltze stellt die Wissen-schaft jedoch vor Probleme da das Vorgehen dazu nicht standardisiert ist Die Interpreta-tion der Ergebnisse ist bisher meist von der Kompetenz der Durchfuumlhrenden und von der angewandten Methode abhaumlngig Im Ergebnis war die Entscheidung zur Frage der Uumlbertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen fehleranfaumlllig und die Suche nach

geeigneten Tiermodellen erschwert Die ge-ringe Standardisierung der Interpretation von Omics-Daten fuumlhrte in Forschungs-kreisen bereits zu widerspruumlchlichen Er-gebnissen so zum Beispiel bei zwei Studien aus den Jahren 2013 und 2015 die sich mit der Vergleichbarkeit von entzuumlndlichen Er-krankungen beim Menschen und gaumlngigen Mausmodellen beschaumlftigten Waumlhrend eine Forschungsgruppe im Jahr 2013 schlussfol-gerte dass entzuumlndliche Prozesse zwischen Mensch und Maus nicht vergleichbar seien kam eine andere Gruppe zwei Jahre spaumlter anhand der gleichen Omics-Daten zum ge-genteiligen Schluss Die Maus reagiere auf der molekularen Ebene sehr aumlhnlich wie der Mensch und sei daher als Tiermodell sehr nuumltzlich fuumlr die Erforschung menschlicher Erkrankungen Zwar ist es nicht ungewoumlhn-lich dass Ergebnisse von Studien unter-schiedlich eingeschaumltzt werden ndash allerdings selten auf Basis der gleichen Daten

Motivation des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR war es diese Widerspruumlche aufzuklaumlren und einen standardisierten und zielgerichteten Analyseansatz zu entwickeln der die Suche nach geeigneten Tiermodellen vereinfacht und somit unnoumltige Tierversuche vermei-den hilft Es gehoumlrt zu den Kernaufgaben des Bf3R bundesweit alle Aktivitaumlten zu koordi-nieren mit den Zielen Tierversuche auf das unerlaumlssliche Maszlig zu beschraumlnken und fuumlr Versuchstiere den bestmoumlglichen Schutz zu gewaumlhrleisten Die Aufgaben des Bf3R wer-den vom BfR wahrgenommen

Genomdaten von Tier und Mensch gezielt vergleichen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler des Bf3R haben die Omics-Daten aus den beiden erwaumlhnten widerspruumlchlichen Studien mithilfe hochperformanter Com-

puter nochmals systematisch ausgewertet Dabei wurden zunaumlchst die zu verglei-chenden Gene gruppenweise biologischen Prozessen zugeordnet die wesentlich fuumlr ein Entzuumlndungsgeschehen sind Diese Gene Set Enrichment Analysis (GSEA) ge-nannte Methode greift auf umfangreiche in oumlffentlichen Datenbanken hinterlegte Genomdaten gaumlngiger Tiermodelle und von Erkrankten zuruumlck Mit ihrer Heran-gehensweise konnten die Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler des BfR an-schlieszligend Veraumlnderungen auf der Ebene pathologischer Signalwege erkennen und Unterschiede zwischen Tiermodell und Mensch identifizieren Da der Groszligteil der untersuchten Genprodukte haumlufig nur geringfuumlgig veraumlndert war konnten bei der Analyse auf Ebene vollstaumlndiger bio-logischer Signalwege alle Gene einbezogen und Aumlnderungen in der Gesamtheit eines biologischen Signalwegs bewertet werden Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu bisherigen Analyseansaumltzen da fuumlr die Klauml-rung translationaler Fragestellungen bisher haumlufig willkuumlrlich und subjektiv Gene von Mensch und Tiermodell fuumlr einen direkten Eins-zu-eins-Vergleich ausgewaumlhlt wurden

Die systematische Auswertung des Bf3R zeigte dass die Ergebnisse beim vorlie-genden Genomdatenvergleich bei einigen Mausmodellen gut mit den beim Menschen ermittelten Daten uumlbereinstimmten Bei an-deren Mausmodellen hingegen war es nicht so So aumlhnelt das Entzuumlndungsgeschehen bei Maumlusen die mit Staphylococcus aureus (Staphylococcus-aureus-Injektionsmodell) infiziert sind oder eine Darmperforation (Cecal-ligation-and-puncture-Modell) erfah-ren den meisten klinischen Proben Hin-gegen verlaufen Erkrankungen die durch Lipopolysaccharide (LPS) und Streptococcus pneumoniae verursacht werden bei Mensch und Maus verschieden

Omics

Der Terminus beschreibt Methoden zur

Analyse komplexer biologischer Proben

auf der Ebene des gesamten Genoms

von Transkripten Proteinen oder Meta-

boliten

41012017

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

Forschungsansatz hilft Tierversuche zu reduzieren

Die Methode der Datenanalyse mittels GSEA-Ansatz erleichtert es Forschungs-gruppen zukuumlnftig zielgerichtet und stan-dardisiert das optimale Tiermodell aus-zuwaumlhlen das am besten die menschliche Situation abbildet Voraussetzung dafuumlr ist die Existenz von Omics-Daten zur klini-schen Fragestellung sowie zu den infrage kommenden Tierversuchen Dies ist bereits fuumlr eine Vielzahl von Tiermodellen sowie von humanen Erkrankungen der Fall neben Entzuumlndungserkrankungen beispielsweise fuumlr Herz-Kreislauf-Erkrankungen Krebser-krankungen Atemwegserkrankungen Stoff-wechselerkrankungen und neurologische Erkrankungen Aufgrund der vermehrten Verwendung von Omics-Methoden kann davon ausgegangen werden dass stetig wei-tere systembiologische Daten ermittelt und veroumlffentlicht werden Die vom Bf3R ange-wandte Methode wird daher weiterhin bei der gezielten Auswahl von Tiermodellen nuumltzlich sein

Das Verfahren kann in der Grundlagen-forschung sowie in der translationalen und angewandten Forschung eingesetzt werden Diese Bereiche machten 2015 nach Anga-ben des Bundesministeriums fuumlr Ernaumlh-rung und Landwirtschaft mit insgesamt 73 Prozent den groumlszligten Teil der Tierversuche aus Ein Groszligteil davon entfaumlllt auf Maumluse Ratten und zunehmend auch auf Fische Grundsaumltzlich kann die neue Methode zur Auswahl des geeigneten Versuchstiermo-dells bzw zum Ausschluss nicht geeigneter Versuchstiermodelle bei jeglichen Tierver-suchen in diesen Bereichen genutzt werden Analog zu den Versuchstierzahlen liegen derzeit die meisten Omics-Daten fuumlr Maus und Ratte vor So sind beispielsweise allein in der oumlffentlichen NCBI GEO-Datenbank (National Center for Biotechnology Informa-tion Gene Expression Omnibus) derzeit Da-ten zu ca 340000 Maus-Proben und 75000 Ratte-Proben gelistet

Methode identifiziert geeignete Zellkulturmodelle

Dabei ist die Methode des Bf3R nicht auf humane und murine Datensaumltze beschraumlnkt sondern kann auf alle weiteren Spezies an-gewandt werden fuumlr die umfangreiche Da-tenbanken zu biologischen Signalwegen oder Gengruppen vorliegen Auch fuumlr die Beurteilung von zellbasierten Alternativ-methoden kann der neue Forschungsansatz

herangezogen werden Durch einen system-biologischen Abgleich der klinischen Daten mit Omics-Daten aus beispielsweise neuar-tigen 3D-Zellkulturen oder organaumlhnlichen Mikrostrukturen wird die Charakterisierung und Verifizierung von zellbasierten Alterna-tivmethoden ermoumlglicht

Praumlmierte Forschungsleistung

Fuumlr ihre Forschung erhielten die Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR 2016 den Hamburger Forschungspreis zur Foumlrderung der Entwicklung von Ersatz- und

Ergaumlnzungsmethoden Die Auszeichnung wurde zum erstem Mal von den Hamburger Behoumlrden fuumlr Gesundheit und Verbraucher-schutz sowie fuumlr Wissenschaft Forschung und Gleichstellung mit einem Foumlrderpreis in Houmlhe von 20000 Euro ausgeschrieben Der Preis wird fuumlr Arbeiten vergeben die einen Beitrag leisten Tierversuche zu ersetzen oder zu minimieren

Mehr erfahrenWeidner et al 2016 Defining the optimal animal model for translational research using gene set enrichment analysis EMBO Molecular Medicine 8 8 831ndash838

Wofuumlr Versuchstiere in Deutschland eingesetzt werden

630255Herstellung und Qualitaumlts-kontrolle medizinischer Produkte toxikologische Sicherheitspruumlfungen

22

59

14 5

1643259Grundlagenforschung

144997sonstige Zweckez B Zucht Aus- und Weiterbildung

381450translationale und angewandte Forschung

Que

lle B

unde

smin

iste

rium

fuumlr E

rnaumlh

rung

und

Lan

dwirt

scha

ft V

ersu

chst

ierz

ahle

n 20

15

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

42 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Alternativen zu Tierversuchen Forschung regional buumlndeln

Eine individualisierte Schmerztherapie fuumlr Versuchsmaumluse und eine Verringerung von Tierexperimenten zum Test der Inhala- tionstoxizitaumlt von Nanomaterialien (siehe rechte Spalte) ndash hierzu sollen die ersten Arbeitsergebnisse des BfR im Berlin-Bran-denburgischen Verbundprojekt BB3R zukuumlnftig beitragen Das Netzwerk aus Universitaumlten und Bundesinstitutionen forscht um Tierversuche zu vermeiden (Replacement) bzw zu verringern (Reduction) sowie das Leiden von Versuchstieren zu vermindern (Refinement) Das BfR ist als einer von sechs Verbundpartnern in den Bereichen der Refinement- und Replacement-Forschung beteiligt Das Bundesforschungsministerium foumlrdert das mit BB3R abgekuumlrzte Projekt fuumlr vier Jahre bis Fruumlhjahr 2018 es ist als Plattform fuumlr den wissenschaftlichen Austausch konzipiert und integriert ein Graduiertenkolleg

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschungwwwbb3rde

Belastung von Laborfischen erkennen

Koumlrperbau

Koumlrpermerkmale

Verhaltenkreisendes Schwimmen

Belastung von Laborfischen erkennen

Ob Laborfische Schmerzen empfinden oder leiden laumlsst sich mithilfe konkreter Kriterien beurteilen Die Vorarbeiten hierzu koordinierte der bdquoNationale Ausschuss zumSchutz von fuumlr wissenschaftliche Zweckeverwendeten Tierenldquo am BfR gemeinsam mit externen Sachverstaumlndigen und Beauf-tragten von Genehmigungsbehoumlrden Die erstmals definierten Kriterien bewerten unter anderem Auffaumllligkeiten im Koumlrper-bau sowie im Verhalten der Tiere Schmer-zen und Leiden koumlnnen so gezielt behandelt und gelindert werden Da die Frage der Belastung der Tiere anhand der Kriterien eindeutig geklaumlrt werden kann dienen sie zudem als Entscheidungshilfe fuumlr Behoumlr-den welche die Zucht belasteter genetisch veraumlnderter Tiere genehmigen muumlssen Fische insbesondere Zebrafische sind nach Maumlusen und Ratten die am dritthaumlufigsten verwendete Versuchstierart Die Zahl der Versuchsfische hat in den letzten Jahren stetig zugenommen

Mehr erfahren Bert et al 2016 Considerations for aEuropean animal welfare standard toevaluate adverse phenotypes in teleost fish EMBO J 35 11 1151ndash1154Empfehlung des Nationalen Ausschusses TierSchG Nr 0012015

Test der Inhalationstoxizitaumlt von Nanomaterialien

Die Einatmung gilt als wichtigster Aufnahmeweg fuumlr Nanomaterialien Im Rahmen der BB3R-Forschung bildet das BfR diese Art der Exposition mit In-vitro- Atemwegsepithelmodellen an ihrer Grenzflaumlche zur Luft ab Dieser Ansatz zum Test der Inhalationstoxi-zitaumlt hilft Anzahl und Umfang von Tierversuchen zu verringern

Versuchsaufbau Drei Roumlhrchen leiten ein Testaerosol mit luftgetragenen Nanomaterialien auf Epithelzellen

SPEKTRUM

copy B

fR

43012017

Jubilaumlumsfeier und internationales Symposium

Am 29 November 2017 feiert das BfR sein 15-jaumlh-riges Bestehen mit einem Festakt Geplant ist eine Feier mit ausgewaumlhlten Gaumlsten in der Akademie der Kuumlnste Anschlieszligend findet vom 30 Novem-ber bis zum 01 Dezember 2017 das gemeinsame internationale Symposium des BfR und seiner Schwesterinstitutionen aus Daumlnemark (DTU Food) und Frankreich (ANSES) sowie der suumldko-reanischen Behoumlrde fuumlr Lebens- und Arzneimittel-sicherheit (NIFDS) statt Unter dem Motto bdquoPast Present and Future Challenges in Risk Assessment ndash Strengthening Consumer Health Protectionldquo werden die letzten anderthalb Jahrzehnte Risikobewer-tung betrachtet Daruumlber hinaus werden aktuelle Aktivitaumlten sowie zukuumlnftige Herausforderungen des Verbraucherschutzes wie mikrobiologische Erreger chemische Substanzen Methoden und Harmonisierung auf nationaler wie internationa-ler Ebene diskutiert

VERANSTALTUNGEN

Nachwuchs foumlrdern

Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu foumlr-dern baut das BfR wissenschaftliche Nachwuchs-gruppen zu bestimmten Schwerpunktthemen auf Die bereits 2015 eingerichtete Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Warenketteldquo wird im Herbst 2017 durch einen weiteren Dokto-randen verstaumlrkt

Verstaumlrkung im Versuchstierschutz

Seit dem 1 April 2017 staumlrkt die Berufung von Herrn Universitaumltsprofessor Dr Lars Lewejo-hann den Kompetenzbereich bdquoVerminderung der Belastung und Verbesserung der Lebenssitua-tionldquo des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) Neben der Leitung der Fachgruppe bdquoTierschutz und Versuchstierkundeldquo im BfR wird Lars Lewejohann sein Wissen und neue Erkenntnisse als Hochschullehrer fuumlr bdquoTier-schutz mit dem Schwerpunkt Refinementldquo an der veterinaumlrmedizinischen Fakultaumlt der Freien Universitaumlt Berlin an Studierende und Doktoran-den weitergeben

PERSONALIEN

Alternativmethode zum Tierversuch bdquoKnochen-auf-dem-Chipldquo

Im Mai 2017 fand bei der Gemeinsamen For-schungsstelle (GFS)Joint Research Centre (JRC) der Generaldirektion (Directorate General) der Europaumlischen Kommission eine Summer School zu alternativen Ansaumltzen zum Tierversuch fuumlr die Risikobewertung in Ispra (Italien) statt Dort wurde Herr Dr Ing Frank Schulze aus der BfR-Fachgruppe bdquoZEBET ndash Alternativmethoden zu Tierversuchenldquo fuumlr seine Praumlsentation und das dazugehoumlrige Poster zum Thema bdquoEin Knochen-auf-dem-Chip fuumlr die Grundlagenwissenschaft und die Identifizierung von knochenschaumldigen-den Substanzenldquo mit einem Posterpreis (1 Platz) ausgezeichnet

copy B

fR

copy p

rivat

INSTITUTSLEBEN

44 BfR 2 GO

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

Fragestellung

Vergleich

Auswahl

z B bdquoMit welchem Mausmodell koumlnnen die Ursachen von Alzheimer erforscht werdenldquo

Vergleich von vorhandenen Omics-Expressionsdaten von Mensch und Tier

Auswahl des geeigneten Modells

1

2

3

Geeignete Tiermodelle identifizieren

An Tiermodellen werden zahlreiche biologische Prozesse und Krankheiten wie Wund-

heilung Diabetes Tumoren oder entzuumlndliche Erkrankungen erforscht Durch den

Vergleich der Omics-Expressionsdaten von Tiermodell und Mensch koumlnnen geeignete

Modelle fuumlr die jeweilige Fragestellung identifiziert werden

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

40 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Verlaumluft ein entzuumlndlicher Prozess bei Maumlusen aumlhnlich wie beim Menschen Sind Maumluse daher geeignete Ver-

suchstiere fuumlr Tests von antientzuumlndlichen Substanzen Um Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung in den klinischen Alltag zu uumlberfuumlhren ndash Aufgabengebiet der translationalen Forschung ndash werden wissen-schaftliche Fragestellungen oft in Tierversu-chen erprobt Ob und inwieweit die Ergeb-nisse auf den Menschen uumlbertragbar sind ist dabei immer wieder Gegenstand kontrover-ser Diskussionen Geeignete Methoden mit denen die Wissenschaft Tiermodelle mit op-timaler Uumlbertragbarkeit auf den Menschen auswaumlhlen kann wuumlrden dem wissenschaft-lichen Fortschritt helfen und die Zahl der Tierversuche reduzieren Es geht dabei um die Frage welches Tiermodell am besten das menschliche System widerspiegelt

Vergleichbarkeit von Genom- daten fehleranfaumlllig

Als Grundlage fuumlr diese Uumlberlegungen die-nen Daten aus modernen bioanalytischen Hochdurchsatzverfahren Immer haumlufiger setzt die Wissenschaft auf diese sogenannten Omics-Technologien die die Gesamtheit aller Gene und ihrer Produkte analysieren ndash sowohl beim Tier als auch beim Menschen Mit ihnen lassen sich molekulare Prozesse in lebenden Systemen umfassend darstel-len indem sie beispielsweise die Interaktion hunderter bis tausender Genprodukte zei-gen Die Analyse dieser zunehmend kom-plexen Omics-Datensaumltze stellt die Wissen-schaft jedoch vor Probleme da das Vorgehen dazu nicht standardisiert ist Die Interpreta-tion der Ergebnisse ist bisher meist von der Kompetenz der Durchfuumlhrenden und von der angewandten Methode abhaumlngig Im Ergebnis war die Entscheidung zur Frage der Uumlbertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen fehleranfaumlllig und die Suche nach

geeigneten Tiermodellen erschwert Die ge-ringe Standardisierung der Interpretation von Omics-Daten fuumlhrte in Forschungs-kreisen bereits zu widerspruumlchlichen Er-gebnissen so zum Beispiel bei zwei Studien aus den Jahren 2013 und 2015 die sich mit der Vergleichbarkeit von entzuumlndlichen Er-krankungen beim Menschen und gaumlngigen Mausmodellen beschaumlftigten Waumlhrend eine Forschungsgruppe im Jahr 2013 schlussfol-gerte dass entzuumlndliche Prozesse zwischen Mensch und Maus nicht vergleichbar seien kam eine andere Gruppe zwei Jahre spaumlter anhand der gleichen Omics-Daten zum ge-genteiligen Schluss Die Maus reagiere auf der molekularen Ebene sehr aumlhnlich wie der Mensch und sei daher als Tiermodell sehr nuumltzlich fuumlr die Erforschung menschlicher Erkrankungen Zwar ist es nicht ungewoumlhn-lich dass Ergebnisse von Studien unter-schiedlich eingeschaumltzt werden ndash allerdings selten auf Basis der gleichen Daten

Motivation des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR war es diese Widerspruumlche aufzuklaumlren und einen standardisierten und zielgerichteten Analyseansatz zu entwickeln der die Suche nach geeigneten Tiermodellen vereinfacht und somit unnoumltige Tierversuche vermei-den hilft Es gehoumlrt zu den Kernaufgaben des Bf3R bundesweit alle Aktivitaumlten zu koordi-nieren mit den Zielen Tierversuche auf das unerlaumlssliche Maszlig zu beschraumlnken und fuumlr Versuchstiere den bestmoumlglichen Schutz zu gewaumlhrleisten Die Aufgaben des Bf3R wer-den vom BfR wahrgenommen

Genomdaten von Tier und Mensch gezielt vergleichen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler des Bf3R haben die Omics-Daten aus den beiden erwaumlhnten widerspruumlchlichen Studien mithilfe hochperformanter Com-

puter nochmals systematisch ausgewertet Dabei wurden zunaumlchst die zu verglei-chenden Gene gruppenweise biologischen Prozessen zugeordnet die wesentlich fuumlr ein Entzuumlndungsgeschehen sind Diese Gene Set Enrichment Analysis (GSEA) ge-nannte Methode greift auf umfangreiche in oumlffentlichen Datenbanken hinterlegte Genomdaten gaumlngiger Tiermodelle und von Erkrankten zuruumlck Mit ihrer Heran-gehensweise konnten die Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler des BfR an-schlieszligend Veraumlnderungen auf der Ebene pathologischer Signalwege erkennen und Unterschiede zwischen Tiermodell und Mensch identifizieren Da der Groszligteil der untersuchten Genprodukte haumlufig nur geringfuumlgig veraumlndert war konnten bei der Analyse auf Ebene vollstaumlndiger bio-logischer Signalwege alle Gene einbezogen und Aumlnderungen in der Gesamtheit eines biologischen Signalwegs bewertet werden Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu bisherigen Analyseansaumltzen da fuumlr die Klauml-rung translationaler Fragestellungen bisher haumlufig willkuumlrlich und subjektiv Gene von Mensch und Tiermodell fuumlr einen direkten Eins-zu-eins-Vergleich ausgewaumlhlt wurden

Die systematische Auswertung des Bf3R zeigte dass die Ergebnisse beim vorlie-genden Genomdatenvergleich bei einigen Mausmodellen gut mit den beim Menschen ermittelten Daten uumlbereinstimmten Bei an-deren Mausmodellen hingegen war es nicht so So aumlhnelt das Entzuumlndungsgeschehen bei Maumlusen die mit Staphylococcus aureus (Staphylococcus-aureus-Injektionsmodell) infiziert sind oder eine Darmperforation (Cecal-ligation-and-puncture-Modell) erfah-ren den meisten klinischen Proben Hin-gegen verlaufen Erkrankungen die durch Lipopolysaccharide (LPS) und Streptococcus pneumoniae verursacht werden bei Mensch und Maus verschieden

Omics

Der Terminus beschreibt Methoden zur

Analyse komplexer biologischer Proben

auf der Ebene des gesamten Genoms

von Transkripten Proteinen oder Meta-

boliten

41012017

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

Forschungsansatz hilft Tierversuche zu reduzieren

Die Methode der Datenanalyse mittels GSEA-Ansatz erleichtert es Forschungs-gruppen zukuumlnftig zielgerichtet und stan-dardisiert das optimale Tiermodell aus-zuwaumlhlen das am besten die menschliche Situation abbildet Voraussetzung dafuumlr ist die Existenz von Omics-Daten zur klini-schen Fragestellung sowie zu den infrage kommenden Tierversuchen Dies ist bereits fuumlr eine Vielzahl von Tiermodellen sowie von humanen Erkrankungen der Fall neben Entzuumlndungserkrankungen beispielsweise fuumlr Herz-Kreislauf-Erkrankungen Krebser-krankungen Atemwegserkrankungen Stoff-wechselerkrankungen und neurologische Erkrankungen Aufgrund der vermehrten Verwendung von Omics-Methoden kann davon ausgegangen werden dass stetig wei-tere systembiologische Daten ermittelt und veroumlffentlicht werden Die vom Bf3R ange-wandte Methode wird daher weiterhin bei der gezielten Auswahl von Tiermodellen nuumltzlich sein

Das Verfahren kann in der Grundlagen-forschung sowie in der translationalen und angewandten Forschung eingesetzt werden Diese Bereiche machten 2015 nach Anga-ben des Bundesministeriums fuumlr Ernaumlh-rung und Landwirtschaft mit insgesamt 73 Prozent den groumlszligten Teil der Tierversuche aus Ein Groszligteil davon entfaumlllt auf Maumluse Ratten und zunehmend auch auf Fische Grundsaumltzlich kann die neue Methode zur Auswahl des geeigneten Versuchstiermo-dells bzw zum Ausschluss nicht geeigneter Versuchstiermodelle bei jeglichen Tierver-suchen in diesen Bereichen genutzt werden Analog zu den Versuchstierzahlen liegen derzeit die meisten Omics-Daten fuumlr Maus und Ratte vor So sind beispielsweise allein in der oumlffentlichen NCBI GEO-Datenbank (National Center for Biotechnology Informa-tion Gene Expression Omnibus) derzeit Da-ten zu ca 340000 Maus-Proben und 75000 Ratte-Proben gelistet

Methode identifiziert geeignete Zellkulturmodelle

Dabei ist die Methode des Bf3R nicht auf humane und murine Datensaumltze beschraumlnkt sondern kann auf alle weiteren Spezies an-gewandt werden fuumlr die umfangreiche Da-tenbanken zu biologischen Signalwegen oder Gengruppen vorliegen Auch fuumlr die Beurteilung von zellbasierten Alternativ-methoden kann der neue Forschungsansatz

herangezogen werden Durch einen system-biologischen Abgleich der klinischen Daten mit Omics-Daten aus beispielsweise neuar-tigen 3D-Zellkulturen oder organaumlhnlichen Mikrostrukturen wird die Charakterisierung und Verifizierung von zellbasierten Alterna-tivmethoden ermoumlglicht

Praumlmierte Forschungsleistung

Fuumlr ihre Forschung erhielten die Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR 2016 den Hamburger Forschungspreis zur Foumlrderung der Entwicklung von Ersatz- und

Ergaumlnzungsmethoden Die Auszeichnung wurde zum erstem Mal von den Hamburger Behoumlrden fuumlr Gesundheit und Verbraucher-schutz sowie fuumlr Wissenschaft Forschung und Gleichstellung mit einem Foumlrderpreis in Houmlhe von 20000 Euro ausgeschrieben Der Preis wird fuumlr Arbeiten vergeben die einen Beitrag leisten Tierversuche zu ersetzen oder zu minimieren

Mehr erfahrenWeidner et al 2016 Defining the optimal animal model for translational research using gene set enrichment analysis EMBO Molecular Medicine 8 8 831ndash838

Wofuumlr Versuchstiere in Deutschland eingesetzt werden

630255Herstellung und Qualitaumlts-kontrolle medizinischer Produkte toxikologische Sicherheitspruumlfungen

22

59

14 5

1643259Grundlagenforschung

144997sonstige Zweckez B Zucht Aus- und Weiterbildung

381450translationale und angewandte Forschung

Que

lle B

unde

smin

iste

rium

fuumlr E

rnaumlh

rung

und

Lan

dwirt

scha

ft V

ersu

chst

ierz

ahle

n 20

15

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

42 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Alternativen zu Tierversuchen Forschung regional buumlndeln

Eine individualisierte Schmerztherapie fuumlr Versuchsmaumluse und eine Verringerung von Tierexperimenten zum Test der Inhala- tionstoxizitaumlt von Nanomaterialien (siehe rechte Spalte) ndash hierzu sollen die ersten Arbeitsergebnisse des BfR im Berlin-Bran-denburgischen Verbundprojekt BB3R zukuumlnftig beitragen Das Netzwerk aus Universitaumlten und Bundesinstitutionen forscht um Tierversuche zu vermeiden (Replacement) bzw zu verringern (Reduction) sowie das Leiden von Versuchstieren zu vermindern (Refinement) Das BfR ist als einer von sechs Verbundpartnern in den Bereichen der Refinement- und Replacement-Forschung beteiligt Das Bundesforschungsministerium foumlrdert das mit BB3R abgekuumlrzte Projekt fuumlr vier Jahre bis Fruumlhjahr 2018 es ist als Plattform fuumlr den wissenschaftlichen Austausch konzipiert und integriert ein Graduiertenkolleg

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschungwwwbb3rde

Belastung von Laborfischen erkennen

Koumlrperbau

Koumlrpermerkmale

Verhaltenkreisendes Schwimmen

Belastung von Laborfischen erkennen

Ob Laborfische Schmerzen empfinden oder leiden laumlsst sich mithilfe konkreter Kriterien beurteilen Die Vorarbeiten hierzu koordinierte der bdquoNationale Ausschuss zumSchutz von fuumlr wissenschaftliche Zweckeverwendeten Tierenldquo am BfR gemeinsam mit externen Sachverstaumlndigen und Beauf-tragten von Genehmigungsbehoumlrden Die erstmals definierten Kriterien bewerten unter anderem Auffaumllligkeiten im Koumlrper-bau sowie im Verhalten der Tiere Schmer-zen und Leiden koumlnnen so gezielt behandelt und gelindert werden Da die Frage der Belastung der Tiere anhand der Kriterien eindeutig geklaumlrt werden kann dienen sie zudem als Entscheidungshilfe fuumlr Behoumlr-den welche die Zucht belasteter genetisch veraumlnderter Tiere genehmigen muumlssen Fische insbesondere Zebrafische sind nach Maumlusen und Ratten die am dritthaumlufigsten verwendete Versuchstierart Die Zahl der Versuchsfische hat in den letzten Jahren stetig zugenommen

Mehr erfahren Bert et al 2016 Considerations for aEuropean animal welfare standard toevaluate adverse phenotypes in teleost fish EMBO J 35 11 1151ndash1154Empfehlung des Nationalen Ausschusses TierSchG Nr 0012015

Test der Inhalationstoxizitaumlt von Nanomaterialien

Die Einatmung gilt als wichtigster Aufnahmeweg fuumlr Nanomaterialien Im Rahmen der BB3R-Forschung bildet das BfR diese Art der Exposition mit In-vitro- Atemwegsepithelmodellen an ihrer Grenzflaumlche zur Luft ab Dieser Ansatz zum Test der Inhalationstoxi-zitaumlt hilft Anzahl und Umfang von Tierversuchen zu verringern

Versuchsaufbau Drei Roumlhrchen leiten ein Testaerosol mit luftgetragenen Nanomaterialien auf Epithelzellen

SPEKTRUM

copy B

fR

43012017

Jubilaumlumsfeier und internationales Symposium

Am 29 November 2017 feiert das BfR sein 15-jaumlh-riges Bestehen mit einem Festakt Geplant ist eine Feier mit ausgewaumlhlten Gaumlsten in der Akademie der Kuumlnste Anschlieszligend findet vom 30 Novem-ber bis zum 01 Dezember 2017 das gemeinsame internationale Symposium des BfR und seiner Schwesterinstitutionen aus Daumlnemark (DTU Food) und Frankreich (ANSES) sowie der suumldko-reanischen Behoumlrde fuumlr Lebens- und Arzneimittel-sicherheit (NIFDS) statt Unter dem Motto bdquoPast Present and Future Challenges in Risk Assessment ndash Strengthening Consumer Health Protectionldquo werden die letzten anderthalb Jahrzehnte Risikobewer-tung betrachtet Daruumlber hinaus werden aktuelle Aktivitaumlten sowie zukuumlnftige Herausforderungen des Verbraucherschutzes wie mikrobiologische Erreger chemische Substanzen Methoden und Harmonisierung auf nationaler wie internationa-ler Ebene diskutiert

VERANSTALTUNGEN

Nachwuchs foumlrdern

Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu foumlr-dern baut das BfR wissenschaftliche Nachwuchs-gruppen zu bestimmten Schwerpunktthemen auf Die bereits 2015 eingerichtete Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Warenketteldquo wird im Herbst 2017 durch einen weiteren Dokto-randen verstaumlrkt

Verstaumlrkung im Versuchstierschutz

Seit dem 1 April 2017 staumlrkt die Berufung von Herrn Universitaumltsprofessor Dr Lars Lewejo-hann den Kompetenzbereich bdquoVerminderung der Belastung und Verbesserung der Lebenssitua-tionldquo des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) Neben der Leitung der Fachgruppe bdquoTierschutz und Versuchstierkundeldquo im BfR wird Lars Lewejohann sein Wissen und neue Erkenntnisse als Hochschullehrer fuumlr bdquoTier-schutz mit dem Schwerpunkt Refinementldquo an der veterinaumlrmedizinischen Fakultaumlt der Freien Universitaumlt Berlin an Studierende und Doktoran-den weitergeben

PERSONALIEN

Alternativmethode zum Tierversuch bdquoKnochen-auf-dem-Chipldquo

Im Mai 2017 fand bei der Gemeinsamen For-schungsstelle (GFS)Joint Research Centre (JRC) der Generaldirektion (Directorate General) der Europaumlischen Kommission eine Summer School zu alternativen Ansaumltzen zum Tierversuch fuumlr die Risikobewertung in Ispra (Italien) statt Dort wurde Herr Dr Ing Frank Schulze aus der BfR-Fachgruppe bdquoZEBET ndash Alternativmethoden zu Tierversuchenldquo fuumlr seine Praumlsentation und das dazugehoumlrige Poster zum Thema bdquoEin Knochen-auf-dem-Chip fuumlr die Grundlagenwissenschaft und die Identifizierung von knochenschaumldigen-den Substanzenldquo mit einem Posterpreis (1 Platz) ausgezeichnet

copy B

fR

copy p

rivat

INSTITUTSLEBEN

44 BfR 2 GO

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

Verlaumluft ein entzuumlndlicher Prozess bei Maumlusen aumlhnlich wie beim Menschen Sind Maumluse daher geeignete Ver-

suchstiere fuumlr Tests von antientzuumlndlichen Substanzen Um Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung in den klinischen Alltag zu uumlberfuumlhren ndash Aufgabengebiet der translationalen Forschung ndash werden wissen-schaftliche Fragestellungen oft in Tierversu-chen erprobt Ob und inwieweit die Ergeb-nisse auf den Menschen uumlbertragbar sind ist dabei immer wieder Gegenstand kontrover-ser Diskussionen Geeignete Methoden mit denen die Wissenschaft Tiermodelle mit op-timaler Uumlbertragbarkeit auf den Menschen auswaumlhlen kann wuumlrden dem wissenschaft-lichen Fortschritt helfen und die Zahl der Tierversuche reduzieren Es geht dabei um die Frage welches Tiermodell am besten das menschliche System widerspiegelt

Vergleichbarkeit von Genom- daten fehleranfaumlllig

Als Grundlage fuumlr diese Uumlberlegungen die-nen Daten aus modernen bioanalytischen Hochdurchsatzverfahren Immer haumlufiger setzt die Wissenschaft auf diese sogenannten Omics-Technologien die die Gesamtheit aller Gene und ihrer Produkte analysieren ndash sowohl beim Tier als auch beim Menschen Mit ihnen lassen sich molekulare Prozesse in lebenden Systemen umfassend darstel-len indem sie beispielsweise die Interaktion hunderter bis tausender Genprodukte zei-gen Die Analyse dieser zunehmend kom-plexen Omics-Datensaumltze stellt die Wissen-schaft jedoch vor Probleme da das Vorgehen dazu nicht standardisiert ist Die Interpreta-tion der Ergebnisse ist bisher meist von der Kompetenz der Durchfuumlhrenden und von der angewandten Methode abhaumlngig Im Ergebnis war die Entscheidung zur Frage der Uumlbertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen fehleranfaumlllig und die Suche nach

geeigneten Tiermodellen erschwert Die ge-ringe Standardisierung der Interpretation von Omics-Daten fuumlhrte in Forschungs-kreisen bereits zu widerspruumlchlichen Er-gebnissen so zum Beispiel bei zwei Studien aus den Jahren 2013 und 2015 die sich mit der Vergleichbarkeit von entzuumlndlichen Er-krankungen beim Menschen und gaumlngigen Mausmodellen beschaumlftigten Waumlhrend eine Forschungsgruppe im Jahr 2013 schlussfol-gerte dass entzuumlndliche Prozesse zwischen Mensch und Maus nicht vergleichbar seien kam eine andere Gruppe zwei Jahre spaumlter anhand der gleichen Omics-Daten zum ge-genteiligen Schluss Die Maus reagiere auf der molekularen Ebene sehr aumlhnlich wie der Mensch und sei daher als Tiermodell sehr nuumltzlich fuumlr die Erforschung menschlicher Erkrankungen Zwar ist es nicht ungewoumlhn-lich dass Ergebnisse von Studien unter-schiedlich eingeschaumltzt werden ndash allerdings selten auf Basis der gleichen Daten

Motivation des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR war es diese Widerspruumlche aufzuklaumlren und einen standardisierten und zielgerichteten Analyseansatz zu entwickeln der die Suche nach geeigneten Tiermodellen vereinfacht und somit unnoumltige Tierversuche vermei-den hilft Es gehoumlrt zu den Kernaufgaben des Bf3R bundesweit alle Aktivitaumlten zu koordi-nieren mit den Zielen Tierversuche auf das unerlaumlssliche Maszlig zu beschraumlnken und fuumlr Versuchstiere den bestmoumlglichen Schutz zu gewaumlhrleisten Die Aufgaben des Bf3R wer-den vom BfR wahrgenommen

Genomdaten von Tier und Mensch gezielt vergleichen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler des Bf3R haben die Omics-Daten aus den beiden erwaumlhnten widerspruumlchlichen Studien mithilfe hochperformanter Com-

puter nochmals systematisch ausgewertet Dabei wurden zunaumlchst die zu verglei-chenden Gene gruppenweise biologischen Prozessen zugeordnet die wesentlich fuumlr ein Entzuumlndungsgeschehen sind Diese Gene Set Enrichment Analysis (GSEA) ge-nannte Methode greift auf umfangreiche in oumlffentlichen Datenbanken hinterlegte Genomdaten gaumlngiger Tiermodelle und von Erkrankten zuruumlck Mit ihrer Heran-gehensweise konnten die Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler des BfR an-schlieszligend Veraumlnderungen auf der Ebene pathologischer Signalwege erkennen und Unterschiede zwischen Tiermodell und Mensch identifizieren Da der Groszligteil der untersuchten Genprodukte haumlufig nur geringfuumlgig veraumlndert war konnten bei der Analyse auf Ebene vollstaumlndiger bio-logischer Signalwege alle Gene einbezogen und Aumlnderungen in der Gesamtheit eines biologischen Signalwegs bewertet werden Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu bisherigen Analyseansaumltzen da fuumlr die Klauml-rung translationaler Fragestellungen bisher haumlufig willkuumlrlich und subjektiv Gene von Mensch und Tiermodell fuumlr einen direkten Eins-zu-eins-Vergleich ausgewaumlhlt wurden

Die systematische Auswertung des Bf3R zeigte dass die Ergebnisse beim vorlie-genden Genomdatenvergleich bei einigen Mausmodellen gut mit den beim Menschen ermittelten Daten uumlbereinstimmten Bei an-deren Mausmodellen hingegen war es nicht so So aumlhnelt das Entzuumlndungsgeschehen bei Maumlusen die mit Staphylococcus aureus (Staphylococcus-aureus-Injektionsmodell) infiziert sind oder eine Darmperforation (Cecal-ligation-and-puncture-Modell) erfah-ren den meisten klinischen Proben Hin-gegen verlaufen Erkrankungen die durch Lipopolysaccharide (LPS) und Streptococcus pneumoniae verursacht werden bei Mensch und Maus verschieden

Omics

Der Terminus beschreibt Methoden zur

Analyse komplexer biologischer Proben

auf der Ebene des gesamten Genoms

von Transkripten Proteinen oder Meta-

boliten

41012017

GENOMDATENVERGLEICHE VON MENSCH UND TIER

Forschungsansatz hilft Tierversuche zu reduzieren

Die Methode der Datenanalyse mittels GSEA-Ansatz erleichtert es Forschungs-gruppen zukuumlnftig zielgerichtet und stan-dardisiert das optimale Tiermodell aus-zuwaumlhlen das am besten die menschliche Situation abbildet Voraussetzung dafuumlr ist die Existenz von Omics-Daten zur klini-schen Fragestellung sowie zu den infrage kommenden Tierversuchen Dies ist bereits fuumlr eine Vielzahl von Tiermodellen sowie von humanen Erkrankungen der Fall neben Entzuumlndungserkrankungen beispielsweise fuumlr Herz-Kreislauf-Erkrankungen Krebser-krankungen Atemwegserkrankungen Stoff-wechselerkrankungen und neurologische Erkrankungen Aufgrund der vermehrten Verwendung von Omics-Methoden kann davon ausgegangen werden dass stetig wei-tere systembiologische Daten ermittelt und veroumlffentlicht werden Die vom Bf3R ange-wandte Methode wird daher weiterhin bei der gezielten Auswahl von Tiermodellen nuumltzlich sein

Das Verfahren kann in der Grundlagen-forschung sowie in der translationalen und angewandten Forschung eingesetzt werden Diese Bereiche machten 2015 nach Anga-ben des Bundesministeriums fuumlr Ernaumlh-rung und Landwirtschaft mit insgesamt 73 Prozent den groumlszligten Teil der Tierversuche aus Ein Groszligteil davon entfaumlllt auf Maumluse Ratten und zunehmend auch auf Fische Grundsaumltzlich kann die neue Methode zur Auswahl des geeigneten Versuchstiermo-dells bzw zum Ausschluss nicht geeigneter Versuchstiermodelle bei jeglichen Tierver-suchen in diesen Bereichen genutzt werden Analog zu den Versuchstierzahlen liegen derzeit die meisten Omics-Daten fuumlr Maus und Ratte vor So sind beispielsweise allein in der oumlffentlichen NCBI GEO-Datenbank (National Center for Biotechnology Informa-tion Gene Expression Omnibus) derzeit Da-ten zu ca 340000 Maus-Proben und 75000 Ratte-Proben gelistet

Methode identifiziert geeignete Zellkulturmodelle

Dabei ist die Methode des Bf3R nicht auf humane und murine Datensaumltze beschraumlnkt sondern kann auf alle weiteren Spezies an-gewandt werden fuumlr die umfangreiche Da-tenbanken zu biologischen Signalwegen oder Gengruppen vorliegen Auch fuumlr die Beurteilung von zellbasierten Alternativ-methoden kann der neue Forschungsansatz

herangezogen werden Durch einen system-biologischen Abgleich der klinischen Daten mit Omics-Daten aus beispielsweise neuar-tigen 3D-Zellkulturen oder organaumlhnlichen Mikrostrukturen wird die Charakterisierung und Verifizierung von zellbasierten Alterna-tivmethoden ermoumlglicht

Praumlmierte Forschungsleistung

Fuumlr ihre Forschung erhielten die Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR 2016 den Hamburger Forschungspreis zur Foumlrderung der Entwicklung von Ersatz- und

Ergaumlnzungsmethoden Die Auszeichnung wurde zum erstem Mal von den Hamburger Behoumlrden fuumlr Gesundheit und Verbraucher-schutz sowie fuumlr Wissenschaft Forschung und Gleichstellung mit einem Foumlrderpreis in Houmlhe von 20000 Euro ausgeschrieben Der Preis wird fuumlr Arbeiten vergeben die einen Beitrag leisten Tierversuche zu ersetzen oder zu minimieren

Mehr erfahrenWeidner et al 2016 Defining the optimal animal model for translational research using gene set enrichment analysis EMBO Molecular Medicine 8 8 831ndash838

Wofuumlr Versuchstiere in Deutschland eingesetzt werden

630255Herstellung und Qualitaumlts-kontrolle medizinischer Produkte toxikologische Sicherheitspruumlfungen

22

59

14 5

1643259Grundlagenforschung

144997sonstige Zweckez B Zucht Aus- und Weiterbildung

381450translationale und angewandte Forschung

Que

lle B

unde

smin

iste

rium

fuumlr E

rnaumlh

rung

und

Lan

dwirt

scha

ft V

ersu

chst

ierz

ahle

n 20

15

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

42 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Alternativen zu Tierversuchen Forschung regional buumlndeln

Eine individualisierte Schmerztherapie fuumlr Versuchsmaumluse und eine Verringerung von Tierexperimenten zum Test der Inhala- tionstoxizitaumlt von Nanomaterialien (siehe rechte Spalte) ndash hierzu sollen die ersten Arbeitsergebnisse des BfR im Berlin-Bran-denburgischen Verbundprojekt BB3R zukuumlnftig beitragen Das Netzwerk aus Universitaumlten und Bundesinstitutionen forscht um Tierversuche zu vermeiden (Replacement) bzw zu verringern (Reduction) sowie das Leiden von Versuchstieren zu vermindern (Refinement) Das BfR ist als einer von sechs Verbundpartnern in den Bereichen der Refinement- und Replacement-Forschung beteiligt Das Bundesforschungsministerium foumlrdert das mit BB3R abgekuumlrzte Projekt fuumlr vier Jahre bis Fruumlhjahr 2018 es ist als Plattform fuumlr den wissenschaftlichen Austausch konzipiert und integriert ein Graduiertenkolleg

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschungwwwbb3rde

Belastung von Laborfischen erkennen

Koumlrperbau

Koumlrpermerkmale

Verhaltenkreisendes Schwimmen

Belastung von Laborfischen erkennen

Ob Laborfische Schmerzen empfinden oder leiden laumlsst sich mithilfe konkreter Kriterien beurteilen Die Vorarbeiten hierzu koordinierte der bdquoNationale Ausschuss zumSchutz von fuumlr wissenschaftliche Zweckeverwendeten Tierenldquo am BfR gemeinsam mit externen Sachverstaumlndigen und Beauf-tragten von Genehmigungsbehoumlrden Die erstmals definierten Kriterien bewerten unter anderem Auffaumllligkeiten im Koumlrper-bau sowie im Verhalten der Tiere Schmer-zen und Leiden koumlnnen so gezielt behandelt und gelindert werden Da die Frage der Belastung der Tiere anhand der Kriterien eindeutig geklaumlrt werden kann dienen sie zudem als Entscheidungshilfe fuumlr Behoumlr-den welche die Zucht belasteter genetisch veraumlnderter Tiere genehmigen muumlssen Fische insbesondere Zebrafische sind nach Maumlusen und Ratten die am dritthaumlufigsten verwendete Versuchstierart Die Zahl der Versuchsfische hat in den letzten Jahren stetig zugenommen

Mehr erfahren Bert et al 2016 Considerations for aEuropean animal welfare standard toevaluate adverse phenotypes in teleost fish EMBO J 35 11 1151ndash1154Empfehlung des Nationalen Ausschusses TierSchG Nr 0012015

Test der Inhalationstoxizitaumlt von Nanomaterialien

Die Einatmung gilt als wichtigster Aufnahmeweg fuumlr Nanomaterialien Im Rahmen der BB3R-Forschung bildet das BfR diese Art der Exposition mit In-vitro- Atemwegsepithelmodellen an ihrer Grenzflaumlche zur Luft ab Dieser Ansatz zum Test der Inhalationstoxi-zitaumlt hilft Anzahl und Umfang von Tierversuchen zu verringern

Versuchsaufbau Drei Roumlhrchen leiten ein Testaerosol mit luftgetragenen Nanomaterialien auf Epithelzellen

SPEKTRUM

copy B

fR

43012017

Jubilaumlumsfeier und internationales Symposium

Am 29 November 2017 feiert das BfR sein 15-jaumlh-riges Bestehen mit einem Festakt Geplant ist eine Feier mit ausgewaumlhlten Gaumlsten in der Akademie der Kuumlnste Anschlieszligend findet vom 30 Novem-ber bis zum 01 Dezember 2017 das gemeinsame internationale Symposium des BfR und seiner Schwesterinstitutionen aus Daumlnemark (DTU Food) und Frankreich (ANSES) sowie der suumldko-reanischen Behoumlrde fuumlr Lebens- und Arzneimittel-sicherheit (NIFDS) statt Unter dem Motto bdquoPast Present and Future Challenges in Risk Assessment ndash Strengthening Consumer Health Protectionldquo werden die letzten anderthalb Jahrzehnte Risikobewer-tung betrachtet Daruumlber hinaus werden aktuelle Aktivitaumlten sowie zukuumlnftige Herausforderungen des Verbraucherschutzes wie mikrobiologische Erreger chemische Substanzen Methoden und Harmonisierung auf nationaler wie internationa-ler Ebene diskutiert

VERANSTALTUNGEN

Nachwuchs foumlrdern

Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu foumlr-dern baut das BfR wissenschaftliche Nachwuchs-gruppen zu bestimmten Schwerpunktthemen auf Die bereits 2015 eingerichtete Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Warenketteldquo wird im Herbst 2017 durch einen weiteren Dokto-randen verstaumlrkt

Verstaumlrkung im Versuchstierschutz

Seit dem 1 April 2017 staumlrkt die Berufung von Herrn Universitaumltsprofessor Dr Lars Lewejo-hann den Kompetenzbereich bdquoVerminderung der Belastung und Verbesserung der Lebenssitua-tionldquo des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) Neben der Leitung der Fachgruppe bdquoTierschutz und Versuchstierkundeldquo im BfR wird Lars Lewejohann sein Wissen und neue Erkenntnisse als Hochschullehrer fuumlr bdquoTier-schutz mit dem Schwerpunkt Refinementldquo an der veterinaumlrmedizinischen Fakultaumlt der Freien Universitaumlt Berlin an Studierende und Doktoran-den weitergeben

PERSONALIEN

Alternativmethode zum Tierversuch bdquoKnochen-auf-dem-Chipldquo

Im Mai 2017 fand bei der Gemeinsamen For-schungsstelle (GFS)Joint Research Centre (JRC) der Generaldirektion (Directorate General) der Europaumlischen Kommission eine Summer School zu alternativen Ansaumltzen zum Tierversuch fuumlr die Risikobewertung in Ispra (Italien) statt Dort wurde Herr Dr Ing Frank Schulze aus der BfR-Fachgruppe bdquoZEBET ndash Alternativmethoden zu Tierversuchenldquo fuumlr seine Praumlsentation und das dazugehoumlrige Poster zum Thema bdquoEin Knochen-auf-dem-Chip fuumlr die Grundlagenwissenschaft und die Identifizierung von knochenschaumldigen-den Substanzenldquo mit einem Posterpreis (1 Platz) ausgezeichnet

copy B

fR

copy p

rivat

INSTITUTSLEBEN

44 BfR 2 GO

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

Forschungsansatz hilft Tierversuche zu reduzieren

Die Methode der Datenanalyse mittels GSEA-Ansatz erleichtert es Forschungs-gruppen zukuumlnftig zielgerichtet und stan-dardisiert das optimale Tiermodell aus-zuwaumlhlen das am besten die menschliche Situation abbildet Voraussetzung dafuumlr ist die Existenz von Omics-Daten zur klini-schen Fragestellung sowie zu den infrage kommenden Tierversuchen Dies ist bereits fuumlr eine Vielzahl von Tiermodellen sowie von humanen Erkrankungen der Fall neben Entzuumlndungserkrankungen beispielsweise fuumlr Herz-Kreislauf-Erkrankungen Krebser-krankungen Atemwegserkrankungen Stoff-wechselerkrankungen und neurologische Erkrankungen Aufgrund der vermehrten Verwendung von Omics-Methoden kann davon ausgegangen werden dass stetig wei-tere systembiologische Daten ermittelt und veroumlffentlicht werden Die vom Bf3R ange-wandte Methode wird daher weiterhin bei der gezielten Auswahl von Tiermodellen nuumltzlich sein

Das Verfahren kann in der Grundlagen-forschung sowie in der translationalen und angewandten Forschung eingesetzt werden Diese Bereiche machten 2015 nach Anga-ben des Bundesministeriums fuumlr Ernaumlh-rung und Landwirtschaft mit insgesamt 73 Prozent den groumlszligten Teil der Tierversuche aus Ein Groszligteil davon entfaumlllt auf Maumluse Ratten und zunehmend auch auf Fische Grundsaumltzlich kann die neue Methode zur Auswahl des geeigneten Versuchstiermo-dells bzw zum Ausschluss nicht geeigneter Versuchstiermodelle bei jeglichen Tierver-suchen in diesen Bereichen genutzt werden Analog zu den Versuchstierzahlen liegen derzeit die meisten Omics-Daten fuumlr Maus und Ratte vor So sind beispielsweise allein in der oumlffentlichen NCBI GEO-Datenbank (National Center for Biotechnology Informa-tion Gene Expression Omnibus) derzeit Da-ten zu ca 340000 Maus-Proben und 75000 Ratte-Proben gelistet

Methode identifiziert geeignete Zellkulturmodelle

Dabei ist die Methode des Bf3R nicht auf humane und murine Datensaumltze beschraumlnkt sondern kann auf alle weiteren Spezies an-gewandt werden fuumlr die umfangreiche Da-tenbanken zu biologischen Signalwegen oder Gengruppen vorliegen Auch fuumlr die Beurteilung von zellbasierten Alternativ-methoden kann der neue Forschungsansatz

herangezogen werden Durch einen system-biologischen Abgleich der klinischen Daten mit Omics-Daten aus beispielsweise neuar-tigen 3D-Zellkulturen oder organaumlhnlichen Mikrostrukturen wird die Charakterisierung und Verifizierung von zellbasierten Alterna-tivmethoden ermoumlglicht

Praumlmierte Forschungsleistung

Fuumlr ihre Forschung erhielten die Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR 2016 den Hamburger Forschungspreis zur Foumlrderung der Entwicklung von Ersatz- und

Ergaumlnzungsmethoden Die Auszeichnung wurde zum erstem Mal von den Hamburger Behoumlrden fuumlr Gesundheit und Verbraucher-schutz sowie fuumlr Wissenschaft Forschung und Gleichstellung mit einem Foumlrderpreis in Houmlhe von 20000 Euro ausgeschrieben Der Preis wird fuumlr Arbeiten vergeben die einen Beitrag leisten Tierversuche zu ersetzen oder zu minimieren

Mehr erfahrenWeidner et al 2016 Defining the optimal animal model for translational research using gene set enrichment analysis EMBO Molecular Medicine 8 8 831ndash838

Wofuumlr Versuchstiere in Deutschland eingesetzt werden

630255Herstellung und Qualitaumlts-kontrolle medizinischer Produkte toxikologische Sicherheitspruumlfungen

22

59

14 5

1643259Grundlagenforschung

144997sonstige Zweckez B Zucht Aus- und Weiterbildung

381450translationale und angewandte Forschung

Que

lle B

unde

smin

iste

rium

fuumlr E

rnaumlh

rung

und

Lan

dwirt

scha

ft V

ersu

chst

ierz

ahle

n 20

15

copy J

anin

e C

zich

y H

ambu

rg

42 BfR 2 GO

SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

Alternativen zu Tierversuchen Forschung regional buumlndeln

Eine individualisierte Schmerztherapie fuumlr Versuchsmaumluse und eine Verringerung von Tierexperimenten zum Test der Inhala- tionstoxizitaumlt von Nanomaterialien (siehe rechte Spalte) ndash hierzu sollen die ersten Arbeitsergebnisse des BfR im Berlin-Bran-denburgischen Verbundprojekt BB3R zukuumlnftig beitragen Das Netzwerk aus Universitaumlten und Bundesinstitutionen forscht um Tierversuche zu vermeiden (Replacement) bzw zu verringern (Reduction) sowie das Leiden von Versuchstieren zu vermindern (Refinement) Das BfR ist als einer von sechs Verbundpartnern in den Bereichen der Refinement- und Replacement-Forschung beteiligt Das Bundesforschungsministerium foumlrdert das mit BB3R abgekuumlrzte Projekt fuumlr vier Jahre bis Fruumlhjahr 2018 es ist als Plattform fuumlr den wissenschaftlichen Austausch konzipiert und integriert ein Graduiertenkolleg

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschungwwwbb3rde

Belastung von Laborfischen erkennen

Koumlrperbau

Koumlrpermerkmale

Verhaltenkreisendes Schwimmen

Belastung von Laborfischen erkennen

Ob Laborfische Schmerzen empfinden oder leiden laumlsst sich mithilfe konkreter Kriterien beurteilen Die Vorarbeiten hierzu koordinierte der bdquoNationale Ausschuss zumSchutz von fuumlr wissenschaftliche Zweckeverwendeten Tierenldquo am BfR gemeinsam mit externen Sachverstaumlndigen und Beauf-tragten von Genehmigungsbehoumlrden Die erstmals definierten Kriterien bewerten unter anderem Auffaumllligkeiten im Koumlrper-bau sowie im Verhalten der Tiere Schmer-zen und Leiden koumlnnen so gezielt behandelt und gelindert werden Da die Frage der Belastung der Tiere anhand der Kriterien eindeutig geklaumlrt werden kann dienen sie zudem als Entscheidungshilfe fuumlr Behoumlr-den welche die Zucht belasteter genetisch veraumlnderter Tiere genehmigen muumlssen Fische insbesondere Zebrafische sind nach Maumlusen und Ratten die am dritthaumlufigsten verwendete Versuchstierart Die Zahl der Versuchsfische hat in den letzten Jahren stetig zugenommen

Mehr erfahren Bert et al 2016 Considerations for aEuropean animal welfare standard toevaluate adverse phenotypes in teleost fish EMBO J 35 11 1151ndash1154Empfehlung des Nationalen Ausschusses TierSchG Nr 0012015

Test der Inhalationstoxizitaumlt von Nanomaterialien

Die Einatmung gilt als wichtigster Aufnahmeweg fuumlr Nanomaterialien Im Rahmen der BB3R-Forschung bildet das BfR diese Art der Exposition mit In-vitro- Atemwegsepithelmodellen an ihrer Grenzflaumlche zur Luft ab Dieser Ansatz zum Test der Inhalationstoxi-zitaumlt hilft Anzahl und Umfang von Tierversuchen zu verringern

Versuchsaufbau Drei Roumlhrchen leiten ein Testaerosol mit luftgetragenen Nanomaterialien auf Epithelzellen

SPEKTRUM

copy B

fR

43012017

Jubilaumlumsfeier und internationales Symposium

Am 29 November 2017 feiert das BfR sein 15-jaumlh-riges Bestehen mit einem Festakt Geplant ist eine Feier mit ausgewaumlhlten Gaumlsten in der Akademie der Kuumlnste Anschlieszligend findet vom 30 Novem-ber bis zum 01 Dezember 2017 das gemeinsame internationale Symposium des BfR und seiner Schwesterinstitutionen aus Daumlnemark (DTU Food) und Frankreich (ANSES) sowie der suumldko-reanischen Behoumlrde fuumlr Lebens- und Arzneimittel-sicherheit (NIFDS) statt Unter dem Motto bdquoPast Present and Future Challenges in Risk Assessment ndash Strengthening Consumer Health Protectionldquo werden die letzten anderthalb Jahrzehnte Risikobewer-tung betrachtet Daruumlber hinaus werden aktuelle Aktivitaumlten sowie zukuumlnftige Herausforderungen des Verbraucherschutzes wie mikrobiologische Erreger chemische Substanzen Methoden und Harmonisierung auf nationaler wie internationa-ler Ebene diskutiert

VERANSTALTUNGEN

Nachwuchs foumlrdern

Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu foumlr-dern baut das BfR wissenschaftliche Nachwuchs-gruppen zu bestimmten Schwerpunktthemen auf Die bereits 2015 eingerichtete Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Warenketteldquo wird im Herbst 2017 durch einen weiteren Dokto-randen verstaumlrkt

Verstaumlrkung im Versuchstierschutz

Seit dem 1 April 2017 staumlrkt die Berufung von Herrn Universitaumltsprofessor Dr Lars Lewejo-hann den Kompetenzbereich bdquoVerminderung der Belastung und Verbesserung der Lebenssitua-tionldquo des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) Neben der Leitung der Fachgruppe bdquoTierschutz und Versuchstierkundeldquo im BfR wird Lars Lewejohann sein Wissen und neue Erkenntnisse als Hochschullehrer fuumlr bdquoTier-schutz mit dem Schwerpunkt Refinementldquo an der veterinaumlrmedizinischen Fakultaumlt der Freien Universitaumlt Berlin an Studierende und Doktoran-den weitergeben

PERSONALIEN

Alternativmethode zum Tierversuch bdquoKnochen-auf-dem-Chipldquo

Im Mai 2017 fand bei der Gemeinsamen For-schungsstelle (GFS)Joint Research Centre (JRC) der Generaldirektion (Directorate General) der Europaumlischen Kommission eine Summer School zu alternativen Ansaumltzen zum Tierversuch fuumlr die Risikobewertung in Ispra (Italien) statt Dort wurde Herr Dr Ing Frank Schulze aus der BfR-Fachgruppe bdquoZEBET ndash Alternativmethoden zu Tierversuchenldquo fuumlr seine Praumlsentation und das dazugehoumlrige Poster zum Thema bdquoEin Knochen-auf-dem-Chip fuumlr die Grundlagenwissenschaft und die Identifizierung von knochenschaumldigen-den Substanzenldquo mit einem Posterpreis (1 Platz) ausgezeichnet

copy B

fR

copy p

rivat

INSTITUTSLEBEN

44 BfR 2 GO

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

Alternativen zu Tierversuchen Forschung regional buumlndeln

Eine individualisierte Schmerztherapie fuumlr Versuchsmaumluse und eine Verringerung von Tierexperimenten zum Test der Inhala- tionstoxizitaumlt von Nanomaterialien (siehe rechte Spalte) ndash hierzu sollen die ersten Arbeitsergebnisse des BfR im Berlin-Bran-denburgischen Verbundprojekt BB3R zukuumlnftig beitragen Das Netzwerk aus Universitaumlten und Bundesinstitutionen forscht um Tierversuche zu vermeiden (Replacement) bzw zu verringern (Reduction) sowie das Leiden von Versuchstieren zu vermindern (Refinement) Das BfR ist als einer von sechs Verbundpartnern in den Bereichen der Refinement- und Replacement-Forschung beteiligt Das Bundesforschungsministerium foumlrdert das mit BB3R abgekuumlrzte Projekt fuumlr vier Jahre bis Fruumlhjahr 2018 es ist als Plattform fuumlr den wissenschaftlichen Austausch konzipiert und integriert ein Graduiertenkolleg

Mehr erfahren wwwbfrbundde gt Forschungwwwbb3rde

Belastung von Laborfischen erkennen

Koumlrperbau

Koumlrpermerkmale

Verhaltenkreisendes Schwimmen

Belastung von Laborfischen erkennen

Ob Laborfische Schmerzen empfinden oder leiden laumlsst sich mithilfe konkreter Kriterien beurteilen Die Vorarbeiten hierzu koordinierte der bdquoNationale Ausschuss zumSchutz von fuumlr wissenschaftliche Zweckeverwendeten Tierenldquo am BfR gemeinsam mit externen Sachverstaumlndigen und Beauf-tragten von Genehmigungsbehoumlrden Die erstmals definierten Kriterien bewerten unter anderem Auffaumllligkeiten im Koumlrper-bau sowie im Verhalten der Tiere Schmer-zen und Leiden koumlnnen so gezielt behandelt und gelindert werden Da die Frage der Belastung der Tiere anhand der Kriterien eindeutig geklaumlrt werden kann dienen sie zudem als Entscheidungshilfe fuumlr Behoumlr-den welche die Zucht belasteter genetisch veraumlnderter Tiere genehmigen muumlssen Fische insbesondere Zebrafische sind nach Maumlusen und Ratten die am dritthaumlufigsten verwendete Versuchstierart Die Zahl der Versuchsfische hat in den letzten Jahren stetig zugenommen

Mehr erfahren Bert et al 2016 Considerations for aEuropean animal welfare standard toevaluate adverse phenotypes in teleost fish EMBO J 35 11 1151ndash1154Empfehlung des Nationalen Ausschusses TierSchG Nr 0012015

Test der Inhalationstoxizitaumlt von Nanomaterialien

Die Einatmung gilt als wichtigster Aufnahmeweg fuumlr Nanomaterialien Im Rahmen der BB3R-Forschung bildet das BfR diese Art der Exposition mit In-vitro- Atemwegsepithelmodellen an ihrer Grenzflaumlche zur Luft ab Dieser Ansatz zum Test der Inhalationstoxi-zitaumlt hilft Anzahl und Umfang von Tierversuchen zu verringern

Versuchsaufbau Drei Roumlhrchen leiten ein Testaerosol mit luftgetragenen Nanomaterialien auf Epithelzellen

SPEKTRUM

copy B

fR

43012017

Jubilaumlumsfeier und internationales Symposium

Am 29 November 2017 feiert das BfR sein 15-jaumlh-riges Bestehen mit einem Festakt Geplant ist eine Feier mit ausgewaumlhlten Gaumlsten in der Akademie der Kuumlnste Anschlieszligend findet vom 30 Novem-ber bis zum 01 Dezember 2017 das gemeinsame internationale Symposium des BfR und seiner Schwesterinstitutionen aus Daumlnemark (DTU Food) und Frankreich (ANSES) sowie der suumldko-reanischen Behoumlrde fuumlr Lebens- und Arzneimittel-sicherheit (NIFDS) statt Unter dem Motto bdquoPast Present and Future Challenges in Risk Assessment ndash Strengthening Consumer Health Protectionldquo werden die letzten anderthalb Jahrzehnte Risikobewer-tung betrachtet Daruumlber hinaus werden aktuelle Aktivitaumlten sowie zukuumlnftige Herausforderungen des Verbraucherschutzes wie mikrobiologische Erreger chemische Substanzen Methoden und Harmonisierung auf nationaler wie internationa-ler Ebene diskutiert

VERANSTALTUNGEN

Nachwuchs foumlrdern

Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu foumlr-dern baut das BfR wissenschaftliche Nachwuchs-gruppen zu bestimmten Schwerpunktthemen auf Die bereits 2015 eingerichtete Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Warenketteldquo wird im Herbst 2017 durch einen weiteren Dokto-randen verstaumlrkt

Verstaumlrkung im Versuchstierschutz

Seit dem 1 April 2017 staumlrkt die Berufung von Herrn Universitaumltsprofessor Dr Lars Lewejo-hann den Kompetenzbereich bdquoVerminderung der Belastung und Verbesserung der Lebenssitua-tionldquo des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) Neben der Leitung der Fachgruppe bdquoTierschutz und Versuchstierkundeldquo im BfR wird Lars Lewejohann sein Wissen und neue Erkenntnisse als Hochschullehrer fuumlr bdquoTier-schutz mit dem Schwerpunkt Refinementldquo an der veterinaumlrmedizinischen Fakultaumlt der Freien Universitaumlt Berlin an Studierende und Doktoran-den weitergeben

PERSONALIEN

Alternativmethode zum Tierversuch bdquoKnochen-auf-dem-Chipldquo

Im Mai 2017 fand bei der Gemeinsamen For-schungsstelle (GFS)Joint Research Centre (JRC) der Generaldirektion (Directorate General) der Europaumlischen Kommission eine Summer School zu alternativen Ansaumltzen zum Tierversuch fuumlr die Risikobewertung in Ispra (Italien) statt Dort wurde Herr Dr Ing Frank Schulze aus der BfR-Fachgruppe bdquoZEBET ndash Alternativmethoden zu Tierversuchenldquo fuumlr seine Praumlsentation und das dazugehoumlrige Poster zum Thema bdquoEin Knochen-auf-dem-Chip fuumlr die Grundlagenwissenschaft und die Identifizierung von knochenschaumldigen-den Substanzenldquo mit einem Posterpreis (1 Platz) ausgezeichnet

copy B

fR

copy p

rivat

INSTITUTSLEBEN

44 BfR 2 GO

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

Jubilaumlumsfeier und internationales Symposium

Am 29 November 2017 feiert das BfR sein 15-jaumlh-riges Bestehen mit einem Festakt Geplant ist eine Feier mit ausgewaumlhlten Gaumlsten in der Akademie der Kuumlnste Anschlieszligend findet vom 30 Novem-ber bis zum 01 Dezember 2017 das gemeinsame internationale Symposium des BfR und seiner Schwesterinstitutionen aus Daumlnemark (DTU Food) und Frankreich (ANSES) sowie der suumldko-reanischen Behoumlrde fuumlr Lebens- und Arzneimittel-sicherheit (NIFDS) statt Unter dem Motto bdquoPast Present and Future Challenges in Risk Assessment ndash Strengthening Consumer Health Protectionldquo werden die letzten anderthalb Jahrzehnte Risikobewer-tung betrachtet Daruumlber hinaus werden aktuelle Aktivitaumlten sowie zukuumlnftige Herausforderungen des Verbraucherschutzes wie mikrobiologische Erreger chemische Substanzen Methoden und Harmonisierung auf nationaler wie internationa-ler Ebene diskutiert

VERANSTALTUNGEN

Nachwuchs foumlrdern

Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu foumlr-dern baut das BfR wissenschaftliche Nachwuchs-gruppen zu bestimmten Schwerpunktthemen auf Die bereits 2015 eingerichtete Nachwuchs-gruppe bdquoAuthentizitaumlt entlang der Warenketteldquo wird im Herbst 2017 durch einen weiteren Dokto-randen verstaumlrkt

Verstaumlrkung im Versuchstierschutz

Seit dem 1 April 2017 staumlrkt die Berufung von Herrn Universitaumltsprofessor Dr Lars Lewejo-hann den Kompetenzbereich bdquoVerminderung der Belastung und Verbesserung der Lebenssitua-tionldquo des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) Neben der Leitung der Fachgruppe bdquoTierschutz und Versuchstierkundeldquo im BfR wird Lars Lewejohann sein Wissen und neue Erkenntnisse als Hochschullehrer fuumlr bdquoTier-schutz mit dem Schwerpunkt Refinementldquo an der veterinaumlrmedizinischen Fakultaumlt der Freien Universitaumlt Berlin an Studierende und Doktoran-den weitergeben

PERSONALIEN

Alternativmethode zum Tierversuch bdquoKnochen-auf-dem-Chipldquo

Im Mai 2017 fand bei der Gemeinsamen For-schungsstelle (GFS)Joint Research Centre (JRC) der Generaldirektion (Directorate General) der Europaumlischen Kommission eine Summer School zu alternativen Ansaumltzen zum Tierversuch fuumlr die Risikobewertung in Ispra (Italien) statt Dort wurde Herr Dr Ing Frank Schulze aus der BfR-Fachgruppe bdquoZEBET ndash Alternativmethoden zu Tierversuchenldquo fuumlr seine Praumlsentation und das dazugehoumlrige Poster zum Thema bdquoEin Knochen-auf-dem-Chip fuumlr die Grundlagenwissenschaft und die Identifizierung von knochenschaumldigen-den Substanzenldquo mit einem Posterpreis (1 Platz) ausgezeichnet

copy B

fR

copy p

rivat

INSTITUTSLEBEN

44 BfR 2 GO

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

Ausbau internationaler Kapazitaumlten

Die Zusammenarbeit mit den Partnerinsti-tutionen erfolgt durch gegenseitige Besuche gemeinsame Symposien den Austausch von Informationen sowie durch Schulungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BfR Daruumlber hinaus hat der Beirat der EFSA auf Bestreben Deutschlands die Arbeitsgruppe zum Ausbau internationaler Kapazitaumlten (Advisory Forum Discussion Group on International Capa-city Building) ins Leben gerufen die sich dieses Jahr bereits zweimal in Berlin getroffen hat Ziel ist es durch Politikberatung wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch gemeinsame wissenschaftliche Treffen und Trai-ningsaktivitaumlten die internationalen Kapazitaumlten von EFSA und Lebensmittelsicherheitsinstitutio-nen in Europa auszubauen

Besuchergruppen am BfR

Momentan unterhaumllt das BfR Kooperationsver-traumlge mit 47 Partnern in 28 Laumlndern So wurde

dieses Jahr zum Beispiel ein Kooperationsvertrag mit Portugal und Russland abgeschlossen Zudem erhaumllt das BfR viele Besuche von Delegierten aus aller Welt die an einer Zusammenarbeit mit dem BfR interessiert sind Im Jahr 2017 besuchten das BfR unter anderem der nepalesische Botschafter eine Delegation des Ministeriums fuumlr Industrie aus Argentinien und ein Vertreter der Nanyang Universitaumlt in Singapur

Vizepraumlsident in Japan

Im April reiste der Vizepraumlsident des BfR Professor Dr Reiner Wittkowski im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von EFSA BFR und ANSES zum Thema Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach Japan Dort hielt er unter anderem einen Vortrag zu bdquoGlobal Aspects of Risk Assessment in Food Safetyldquo

EU-FORA

Die Stipendieninitiative EU-FORA (The European Food Risk Assessment Fellowship Programme) der EFSA traumlgt dazu bei die wissenschaftliche Beur-teilungskapazitaumlt und die Wissensgemeinschaft der EU aufzubauen Das BfR unterstuumltzt diese Initiative indem es in den Ausschuss involviert ist der das Programm der chemischen und mikro-biologischen Risikobewertung erarbeitet hat Das Programm startete 2017 und das BfR wird sich mit der Aufnahme von vier Fellows beteiligen

INTERNATIONALES

Ausbau der Zusammenarbeit mit Afrika

Anfang Mai 2017 besuchte der stellvertretende Generaldirektor des in Nairobi Kenia ansaumlssigen International Livestock Research Institute (ILRI) Herr Dr Dr h c Dieter Schillinger (hinten zweiter von links)das BfR Beide Institutionen hatten bereits im November des vergan-genen Jahres eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen Das ILRI untersucht seit uumlber 20 Jahren Krankheiten von Nutztieren in Entwick-lungslaumlndern und entwickelt Diagnostika sowie Impfstoffe um die Pro-duktivitaumlt von Nutztierrassen zu steigern und ihre genetische Vielfalt zu erhalten Auch die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und Fragen der Antibiotikaresistenzen stehen im Fokus der Arbeiten des ILRI

copy B

fR

VERANSTALTUNGEN PERSONALIEN INTERNATIONALES

45012017

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD

Bundesinstitut fuumlr RisikobewertungMax-Dohrn-Straszlige 8 ndash10

10589 Berlin

Tel 030 18412-0

Fax 030 18412-4741

bfrbfrbundde

wwwbfrbundde

Folgen Sie uns

Tite

l Mon

tage

Stu

dio

GO

OD