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Copyright Dipl. Ing. (FH) J. Schubert Fahrdynamik Von Dipl. Ing. (FH) J. Schubert Vorwort: Dieses Skript soll als Ergänzung zum Fahrdynamikunterricht für aaSoP dienen. Es werden hier die für unseren Bereich notwendigen Grundlagen noch einmal wiederholt. Ich weiß, dass viele Dinge die hier behandelt werden für einige ba- nal erscheinen. Aber sein wir uns doch mal ehrlich, wie lange haben wir nicht mehr gerechnet? Wann haben wir die letzten Momentengleichungen aufgestellt? Sind wir wirklich, in mathematischer Sicht, noch trainiert eine Prüfungsaufgabe in vorgegebener Zeit zu lösen??? Die Praxis zeigt, dass die meisten von uns zu lange aus der „Schule“ sind, wo man sich mit solchen Dingen befasst hat! In unserem Tätigkeitsfeld haben wir keine Entwicklungsaufgaben, ergo müssen wir uns auch nicht mit Integralen und Differentialen herumschlagen. Als aaSoP müssen wir in den Grundlagen der Fahrphysik beherrschen, und ein Gefühl da- für entwickeln wie sich etwas tendenziell ändert und verhält. Wir müssen zu al- len aktuellen Themen der Fahrzeugtechnik etwas sagen können, denn schließlich sind wir das Aushängeschild unseres Arbeitgebers bzw. auch unserer Staatsre- gierung für die wir hoheitliche Aufgaben erfüllen! Die Prüfungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass von uns immer mehr All- gemeinverständnis abverlangt wird. Die Fahrdynamik gehört zu einem der The- menbereiche die bei der HU vielleicht keine Bedeutung hat, aber sobald jemand seinen Kopf ein bisschen über den Tellerrand heraushebt wird er sehr bald mit fahrdynamischen Problemstellungen konfrontiert, die er dann ohne Hilfe lösen muss. Man denke nur an Abnahmen nach 19(2) StVZO oder Unfallrekonstrukti- onen bei Gerichtsgutachten. Es schadet also nicht sein Grundwissen wieder aufzufrischen, denn als aaSoP braucht diese öfters als man denkt (nicht nur für die Prüfung).

Fahrdynamik - siva.bgk.uni-obuda.husiva.bgk.uni-obuda.hu/~szakacs/segedanyagok/Modellbildung/02/... · Man denke nur an Abnahmen nach 19(2) StVZO oder Unfallrekonstrukti- onen bei

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Copyright Dipl. Ing. (FH) J. Schubert

FahrdynamikVon Dipl. Ing. (FH) J. Schubert

Vorwort:Dieses Skript soll als Ergänzung zum Fahrdynamikunterricht für aaSoP dienen. Es werden hier die für unseren Bereich notwendigen Grundlagen noch einmal wiederholt. Ich weiß, dass viele Dinge die hier behandelt werden für einige ba-nal erscheinen. Aber sein wir uns doch mal ehrlich, wie lange haben wir nicht mehr gerechnet? Wann haben wir die letzten Momentengleichungen aufgestellt? Sind wir wirklich, in mathematischer Sicht, noch trainiert eine Prüfungsaufgabein vorgegebener Zeit zu lösen???Die Praxis zeigt, dass die meisten von uns zu lange aus der „Schule“ sind, wo man sich mit solchen Dingen befasst hat!In unserem Tätigkeitsfeld haben wir keine Entwicklungsaufgaben, ergo müssen wir uns auch nicht mit Integralen und Differentialen herumschlagen. Als aaSoP müssen wir in den Grundlagen der Fahrphysik beherrschen, und ein Gefühl da-für entwickeln wie sich etwas tendenziell ändert und verhält. Wir müssen zu al-len aktuellen Themen der Fahrzeugtechnik etwas sagen können, denn schließlich sind wir das Aushängeschild unseres Arbeitgebers bzw. auch unserer Staatsre-gierung für die wir hoheitliche Aufgaben erfüllen!Die Prüfungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass von uns immer mehr All-gemeinverständnis abverlangt wird. Die Fahrdynamik gehört zu einem der The-menbereiche die bei der HU vielleicht keine Bedeutung hat, aber sobald jemand seinen Kopf ein bisschen über den Tellerrand heraushebt wird er sehr bald mit fahrdynamischen Problemstellungen konfrontiert, die er dann ohne Hilfe lösen muss. Man denke nur an Abnahmen nach 19(2) StVZO oder Unfallrekonstrukti-onen bei Gerichtsgutachten. Es schadet also nicht sein Grundwissen wieder aufzufrischen, denn als aaSoP braucht diese öfters als man denkt (nicht nur für die Prüfung).

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Inhaltsverzeichnis1. Grundlagen

1.1. Kräfte am Körper

1.1.1. Gewichtskraft

1.1.2. Reibung

1.1.3. Fliehkraft

1.2. Geschwindigkeit und Weg

1.2.1. Weg in Abhängigkeit der Zeit

1.2.2. Geschw. in Abhängigkeit vom Weg oder Beschleunigung

1.2.3. Zusammenhang von Reibung und Beschleunigung

1.3. Energie

1.3.1. Bewegungsenergie

1.3.2. Lageenergie

1.3.3. Wärmeenergie

1.3.4. Übergang der Energieformen

1.4. Leistung

1.5. Momente

1.6. Drehmoment

1.7. Übersetzung

1.7.1. Mechanische Übersetzung

1.7.2. Hydraulische Übersetzung

1.8. Wirkungsgrad

1.9. Kräfte am Reifen

1.9.1. Kraftschlussbeiwert in Abhängigkeit vom Schlupf

1.9.2. Schlupf

1.9.3. Schräglaufwinkel

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1.9.4. Kamm´scher Kreis

2. Berechnungen am Fahrzeug

2.1. Gleitgrenzgeschwindigkeit

2.2. Kippgrenzgeschwindigkeit

2.3. Kurvenfahrt in überhöhter Kurve

2.4. Statische Achslastverteilung (Steigung)

2.5. Dynamische Achslastverteilung (Beschleunigen, Bremsen)

3. Fahrwiderstände

3.1. Luftwiderstand

3.2. Reibung

3.3. Steigungswiderstand

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1.Grundlagen:1.1.Kräfte am Körper

1.1.1.Gewichtskraft:

gmFG * Einheit: [ 2

*s

mkgN ]

mit: Masse m in kg Normalbeschleunigung gn = 9,80665 m/s2 am 45. Breitengrad in 0 m Meereshöhe bzw. g = 10 m/s2 (für die Technik ausreichend genau)

Tipp: Rechnen Sie immer mit g = 10 m/s2. Man spart sich viel Tipperei auf dem Taschenrechner!

1.1.2.Reibung:

Einheit: [ N ]mit: FN = Die Normalkraft in Newton [N], mit der ein Körper auf

den Untergrund drückt. der Reibbeiwert [-]

Die Normalkraft FN setzt sich aus allen Kräften zusammen, die senkrecht auf den Boden wirken. Diese sind z.B.:

der Gewichtskraftanteil FG. Zurrkräfte bei der Ladungssicherung Statische Achslastverlagerungen am Berg Dynamische Achslastverlagerungen beim Beschleunigen oder Bremsen

Bei statischen Betrachtungen in der Ebene kann man aber FN=FG setzen.

*GR FF Einheit [N]

*NR FF

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r

V

m

rmFoder

rvmF

Z

Z

**

*

2

2

1.1.3.Fliehkraft:

Einheiten: [²*

²** 2

smkg

smmkgN ]

Einheiten: [²*1*

smkgN ]

mit: Masse m [kg]Geschwindigkeit v [m/s]Radius des Kreises [m]Winkelgeschwindigkeit in Umdrehungen/Sekunde oder [1/s] mit der sich der Massepunkt um den Mittelpunkt dreht.

1.2.Geschwindigkeit und Weg

Es gibt immer Aufgaben zu lösen, bei denen es darauf ankommt den Weg zu berechnen den ein Körper nach einer gewissen Zeit zurückgelegt hat. Hier spie-len Kräfte keine Rolle. Man betrachtet den Körper nur dahingehend, wo er sich nach einer bestimmten Zeit befindet.

1.2.1. Weg in Abhängigkeit der ZeitEs lässt sich aus dem Integral der Geschwindigkeit über der Zeit

2

1

*)(t

t

dttv die

allgemeine Bewegungsgleichung herleiten. Diese lautet:

00)( *²**21 stvtas t

Einheiten: mssms

smm *²*²

mit: Beschleunigung a [m/s²]Geschwindigkeit v [m/s]Der Anfangsweg s0 [m] bis zum Beginn meiner BetrachtungDer Zeit t [s] als Laufvariable

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Mit dieser allgemeinen Bewegungsgleichung lässt sich jede Bewegung mathe-matisch beschreiben! Alle Varianten dieses Integrals findet man in der techni-schen Formelsammlung unter den Suchbegriffen Beschleunigung und Verzöge-rung sowie Überholen. Falls der Tag kommen sollte, an dem wir keine Formel-sammlungen zur Prüfung verwenden dürfen, wird die obige Gleichung für uns zur Hauptformel, wenn es um Bewegungen geht.

Beispiel:Ein Mofafahrer fährt mit 25,2 km/h (7 m/s) an einem parkenden PKW vorbei. Nach 10 Sekunden startet der PKW aus seiner Parklücke und beschleunigt kon-stant mit 0,5 m/s².Nach welchem Weg wird der PKW den Mofafahrer überholen?

Grafische Lösung:

s [m]

t [s]0 10 35,8

250,6

Mofa

70

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0707²25,0²*25,070*7

tttt

Bewegungsgleichung für Mofafahrer:Als Startpunkt meiner Berechnung nehme ich die Parklücke. Damit wird s0=0 und da das Mofa mit konstanter Geschwindigkeit fährt, ist a=0. Zusätzlich hat es 10 s Vorsprung (t+10)

70*70)10(*7²*0*21*²**

21

00)( tttstvtasMofat

Bewegungsgleichung für den PKW:Als Startpunkt meiner Berechnung nehme ich die Parklücke. Damit wird s0=0und da er aus dem Stillstand anfährt, ist v0=0 m/s.

²*25,00*0²*5,0*21*²**

21

00)( tttstvtasPKWt

Da wir nach dem Begegnungspunkt suchen, ist der Weg den das Mofa zurück-gelegt hat gleich dem Weg des PKW´s.

S(t)Mofa=S(t)PKW

mit a

acbbx2

4²2,1

(Lösungsformel einer

quadratischen Gleichung)

Durch lösen der quadratischen Gleichung erhält man:t1= -7,8 s t2= 35,8 s

zum Verständnis:Es handelt sich hier um eine quadratische Gleichung, diese hat bekanntlich 2 Nullstellen. Die erste währe vor unserer Betrachtung (t1=-7,8 s) Sie zählt nicht!Also muss die zweite die gesuchte sein.t2= 35,8 s

Daraus folgt, sie begegnen sich nach 35,8 s

mts Mofat 6,2508,35*77)(

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Man kann die Aufgabe auch anders angehen. Man nimmt z.B. den Punkt des Mofafahrers zum Zeitpunkt an dem der PKW losfährt.Der Mofafahrer hat 10 s Vorsprung. Das ergibt bei einer Geschwindigkeit des Mofafahrers von 7 m/s einen Vorsprung von 70 m (7 m/s * 10 s = 70 m).

70*770*7²*0*21*²**

21

00)( tttstvtasMofat

Der PKW fährt wieder ganz normal mit einer Beschleunigung von a= 0,5 m/s²los. Er fährt am Nullpunkt unserer Betrachtung los (s0= 0).

²*25,00*0²*5,0*21*²**

21

00)( tttstvtasPKWt

0707²25,0707²25,0

)()(

tttt

ss PKWtMofat

mit a

acbbx2

4²2,1

(Lösungsformel einer quadratischen Gleichung)

t1=35,8 s t2=-7,8 s

Daraus folgt, sie begegnen sich nach 35,8 s

mts Mofat 6,2508,35*77)(

Wie man sieht, kann man den Ansatz wählen, wie man will. Man erhält immer das gleiche Ergebnis!!!

Merke: Hat die Lösung der allgemeinen Bewegungsgleichung Nullstellen, findet ei-ne Begegnung der zwei Objekte (Fahrzeuge) statt. Hat die Gleichung keine Nullstelle, dann werden sie sich nicht begegnen (z.B. Kollision, Überholen)!

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Beispiel:Ein Opelfahrer will auf der Autobahn einen 200m vor ihm fahrenden Porsche überholen. Der Opelfahrer hat einen Geschwindigkeitsüberschuss von 50 km/h. Als ein Porschefahrer der mit 100 km/h auf der Autobahn vor sich hin träumt bemerkt, dass ihn ein Opel überholen will, beschleunigt er voll (a=3m/s²). Der Opelfahrer beschleunigt auch mit Vollgas (a=1,5m/s²).

Bewegungsgleichung für Opel:v0 Opel= 150 km/h = 41,7 m/s s0= -200m aOpel= 2 m/s²

2007,47²)200(*7,41²*2*21²

21

00 ttttstvatsOpel

Bewegungsgleichung für Porsche:v0 Porsche= 100 km/h = 27,8 m/s s0= 0 m aPorsche= 3 m/s²

ttttstvatsPorsche 8,27²5,10*8,27²*3*21²

21

00

Da wir den Begegnungszeitpunkt errechnen wollen

sPorsche = sOpel

02009,19²5,02007,47²8,27²5,1

tttttt

Nullstellen berechnen:

49,191

4003969,195,0*2

200*5,0*4²9,19)9,19(2

4²2,1

aacbbs

Da die Lösung der Wurzel aus -4 keine reale Lösung ergibt, wird der Opel das Rennen verlieren. Der Porsche war schneller!

Zusatzfrage für Ingenieure:Um wie viel Meter hat es dem Opel nicht gereicht?

Wenn die Steigung = 0 ist der Abstand der FZ am kleinsten t=19,9 sIn die Bewegungsgleichungen eingesetzt:S(19,9s)Porsche= 1147mS(19,9s)Opel=1145m

Der Opel kommt bis auf 2m (1147-1145) an den Porsche heran

09,19

02009,19²5,0

tf

ttfI

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1.2.2. Geschwindigkeit in Abhängigkeit des Weges oder der Be-schleunigung

Oft ist es zu aufwendig über die Zeit zu rechnen (Brems- und Beschleunigungs-weg, freier Fall usw.). Man kann für diese Fälle die Zeit aus der allgemeinen Bewegungsgleichung eliminieren. Da wir für diesen Zeitpunkt bei dem wir die Beschleunigung einleiten auch den Anfangspunkt unserer Betrachtung setzen, können wir den Anfangsweg und die Anfangsgeschwindigkeit gleich Null set-zen (s0=0 und v0=0). Daraus folgt:

mit avt

av

ava

avas

²2²**

2

2

Nach v aufgelöst:

asv 2² oder asv 2

Man erhält nun eine Gleichung der Geschwindigkeit in Abhängigkeit von Be-schleunigung und Weg.

Merke:Obige Gleichungen gelten aber nur für ein Fahrzeug, und wenn bis Still-stand oder vom Stillstand aus beschleunigt/gebremst wird!!!

Hierzu ein Beispiel:Ein PKW fährt mit 108 km/h (30 m/s). In 50 m Entfernung erkennt er ein Hin-dernis. Kann er sein Fahrzeug noch rechtzeitig zum stehen bringen, wenn er ma-ximal mit 8 m/s² bremsen kann? Wenn nein, mit welcher Geschwindigkeit prallt er auf das Hindernis?

²21

²2100²

21

ats

attats

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ma

vs

asv

25,568*2²30

Er kann nicht rechtzeitig bremsen, da er erst nach 56,25 m zum stehen kommt.

Mit welcher Geschwindigkeit prallt er auf das Hindernis?

Da ich bei der Herleitung der Formel s0=0 und v0=0 gesetzt habe, darf manjetzt nicht einfach 50*8*2v rechnen. (!!! Bitte niemals !!!)

Man tut so als ob kein Hindernis vorhanden gewesen wäre. Also Bremsweg= 56,25 m. Bis zum Hindernis waren es aber nur 50 m

Mein Bremsweg war also um 6,25 m zu lang.

Mit:

smasv /1025,6*8*22

Dies entspricht 36 km/h Aufprallgeschwindigkeit.

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Beispiel:Ein Autofahrer fährt auf einer Landstraße auf einen stehendes Baustellenfahr-zeug auf. Bei der polizeilichen Vernehmung behauptet er, er sei vorher mit max. 80 km/h gefahren. Als die Polizei die Unfallstelle vermisst, stellt sich heraus, dass die Bremsspur des PKW´s 100 m lang ist. Da sich der Fahrer des PKW´s auf ein unabwendbares Ereignis beruft (die Baustelle wäre nicht rechtzeitig an-gekündigt gewesen), und von der Versicherung der Straßenbaufirma seinen Schaden ersetzt haben will, werden Sie als Sachverständiger angerufen.Es stellen sich folgende Fragen:1. Wie schnell fuhr der PKW vorher mindestens2. War der Unfall aus Sicht des PKW-Fahrers unvermeidbar

Lösung:

Der Bremsweg war 100 m lang -> s=100 mAls durchschnittliche Bremsverzögerung kann man in der Regel bei PKW von rund 8 m/s² ausgehen. -> a=8 m/s²

Mit smasv /40100*8*22 dies entspricht 40m/s*3,6=144 km/h

Das bedeutet also der PKW ist mit mindestens 144 km/h gefahren, also viel zu schnell!

Es stellt sich nun die Frage, ob der Unfall vermeidbar gewesen wäre wenn der PKW mit der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gefahren wäre?

Der Bremsweg des PKW setzt sich doch aus seinem reinem Bremsweg (100m) und seiner Reaktionszeit (in der Regel ca. 1 s) zusammen. Daraus lässt sich sein Reaktionsweg errechnen:

v0=40 m/s -> sReaktion= v*t=40*1=40 m

Der PKW-Fahrer hat das Hindernis also ca. 140 m vor dem Aufprall erkannt

Wie lange wäre sein Anhalteweg also mit der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h (27,78 m/s) gewesen?

sReaktion=v*t=27,78*1=27,78 m

ma

vsBrems 23,488*2

²78,272

²

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Anhalteweg = Reaktionsweg + Bremsweg = 27,78m + 48,23m = 76m

Der PKW-Fahrer hätte den Unfall mit Sicherheit vermeiden können, wenn er sich an die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit gehalten hätte!

1.2.3. Zusammenhang von Reibung und Beschleunigung

In allen dynamischen Aufgaben stellt sich immer die Frage, wie viel Kraft lässt sich Übertragen. Sei es bei der Ladungssicherung („rutscht die Ladung“), oder bei Fragen der maximalen Beschleunigung/Verzögerung. Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen dem Reibbeiwert und der maximalen Beschleunigung. Dieser lässt sich aus der Beschleunigungskraft( amFa * ) und der Reibkraft ( *NR FF ) herleiten.Aus:

Mit ** gmFR

Mit g=10 m/s²

Mit dieser einfachen Formel lassen sich viele Probleme sehr schnell abschätzen!Beispiel:Der Reibbeiwert Reifen-Straße beträgt 0,6. Wie berechnen Sie die maximale Ver-zögerung.

²/66,0*10*10max sma

oder Ein LKW hat Paletten geladen. Er muss mit 5 m/s² abbremsen. Wird die Ladung rutschen (mLadefläche-Palette=0,3)

²/33,0*10*10max sma

Verzögerung des LKW ist größer als die maximal übertragbare Beschleuni-gungskraft der Ladung Die Ladung rutscht, und wird mit 2 m/s² beschleunigt!

*10

***

*

max

a

gmgma

mFa

amF

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Dieser Zusammenhang zwischen und a lässt sich sogar soweit ausbauen, dass man im Bereich der Ladungssicherheit die erforderlichen Niederspannkräfte gemäß den „Übersetzungsverhältnissen (ist/soll)“ ermitteln kann!

Beispiel:Eine Gitterbox (300 kg) steht auf der Ladefläche eines LKWs. Der Reibbeiwert beträgt 0,4. Welche zusätzliche Niederspannkraft muss über Spanngurte auf-gebracht werden, damit die Gitterbox bei einer Verzögerung von 8 m/s² nicht ins rutschen kommt?

ist=0,4 soll=0,8

Übersetzungsverhältnis: i=0,8/0,4=2

FG=m*g=3000N

FNerf.= i*FGMit FZurr= FNerf.-FG (Die Gewichtskraft drückt ja schon auf

die Ladefläche!)FZurr=i*FG-FG

FZurr=2*3000-3000=3000N

Jetzt stellt sich nur noch die Frage, wie viele Spanngurte sollen verwendet wer-den, oder in welchem Abspannwinkel sollen die Gurte laufen.

1.3. Energie

Wenn man Bewegungen aus energetischer Sicht betrachtet, hat man den Vorteil, dass man sich über die Zusammensetzung der Energiekomponenten keine Ge-danken machen muss. Man kann das fahrende Fahrzeug als einen Eimer betrach-ten, der mit Energie gefüllt ist (kinetische Energie). Während dieses Fahrzeug fährt muss dafür Energie aus dem Eimer genommen werden (Fahrwiderstände). Fährt es den Berg hinunter, wird der Eimer wegen der gewonnenen potentiellen Energie zum Teil wieder nachgefüllt. Bremst das FZ, wird die Energie zu den Bremsen geleitet, wo sie in Wärmeenergie umgewandelt wird.Wenn man nun weiß, dass ein FZ von 100 km/h auf 50 km/h verzögert wurde,weiß man dass dieser Energieanteil vernichtet wurde. Man muss sich nicht fra-gen wie der zeitliche Verlauf der Abbremsung aussah. Man weis, dass der ent-sprechende Energieanteil vernichtet wurde!

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Wenn man eine Masse über eine Strecke bewegt, muss aufgrund der Widerstän-de (z.B. Reibung) eine Arbeit (=Energie) erbracht werden. Um diese Arbeit zu verrichten, musste man die entsprechende Kraft aufbringen. Umso größer die benötigte Kraft oder der Weg ist, umso größer wird die zu verrichtende Arbeit(benötigte Energie).

Die aufgebrachte Arbeit errechnet sich aus:

sFW * in [Nm]

Wie oben schon erwähnt, können alle Energiearten (wärme-, mechanische-, oder elektrische Energie) rechnerisch gleichgesetzt werden.

Definitionen:Elektrische Energie: Es wird eine Ws verbraucht, wenn 1 Ampere 1 Se-kunde lang bei einer Spannung von einem Volt fließt. (Abrechnung der Stromwerke kWh)

Wärmeenergie: Wenn 1 Liter Wasser von 20°C auf 21°C erwärmt wird, wurde 1 Joule Energie verbraucht.

Mechanische Energie: Wenn ich über 1 Meter die Kraft von 1 Newton aufbringe (um z.B. einen Körper zu bewegen), habe ich 1 Nm Energie verbraucht.

Die verschiedenen Energiearten sind zueinander kongruent! Das bedeutet, dasssie von der Einheit her gleichwertig sind.

1 Nm = 1 Joule = 1 Ws

Beispiel:Ein Fahrzeug wurde mit 5 kW 10 Sekunden lang beschleunigt, ergibt die eine Energie von

WssWW 000.5010*5000

Es spielt also keine Rolle, ob der Motor elektrisch oder mechanisch betrieben wird!Man könnte ebenfalls sagen es wurden 50.000 Joule verbraucht, oder es wurden 50.000 Nm verbraucht.

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Diese 50.000 J wurden dem mechanischen System aufgepackt. Es spielt auch keine Rolle wie schwer das Fahrzeug ist, da sich für verschiedene Fahrzeugmas-sen zwar verschiedene Geschwindigkeiten einstellen, aber die Energiemenge in Summe 50.000J beträgt.

Dieser Zusammenhang hilft uns z.B. bei der Berechnung von Bremsscheiben -Temperaturen, oder bei Verbrauchsberechnungen. Denn es gilt immer:

Die Energie in einem geschlossenen System ist immer konstant.

Das heißt: Es kann keine Energie verloren gehen. Wenn man zum Beispiel Be-wegungsenergie durch Abbremsen „vernichtet“, ist diese Energie nicht verloren, sondern wurde in Wärme (Bremsscheibe) umgewandelt!Oder wenn man einen Berg hinauffährt, muss dem Fahrzeug die hierfür benötig-te Energie zugeführt werden. Fährt man anschließend den Berg wieder hinunter, wird die gespeicherte potentielle Energie wieder freigesetzt.

1.3.1. Bewegungsenergie

Wenn ein Körper mit einer bestimmten Geschwindigkeit bewegt wird, ist in die-sem Körper eine bestimmte Energie gespeichert. Diese lässt sich folgenderma-ßen herleiten:

Wenn man eine Kraft über eine gewisse Zeit auf einen Körper wirken lässt, hat man auf diesen einen Kraftstoß ausgesetzt. Dieser Kraftstoß hat nun einen Im-puls auf den Körper übertragen (aktio = reaktio). Der Impuls eines Körpers ist definiert als vmp * .

Umso länger ich die Kraft wirken lasse, umso größer ist der Impuls auf den Körper

)*(* vmptF da die Masse konstant ist, kann man auch schreiben

vmptF **

Integriert man nun die Impuls über die Geschwindigkeitsänderung (Fläche unter dem Graphen des Impulses) ergibt sich die im Körper gespeicherte Bewegungs-energie Energie.

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²21*** mvdvvmdvpW

Kinetische Energie: ²21 mvW

Beispiel: Ein PKW (m=1000kg) wird von 10 m/s auf 20 m/s beschleunigt. Wie viel Energie wird dafür benötigt?

smv /101020

Joules

kgmsmkgmvW 000.50

²²000.50

²²²10*1000

21²

21

1.3.2. Lageenergie oder potentielle Energie

Wenn ein Körper angehoben wird, muss Arbeit verrichtet werden. Für die Ar-beit gilt allgemein:

dsFW s *)(

da man hier aber F(s)=FG=m*g und s = h setzen kann gilt:

hgmdhgmW ****

Potentielle Energie: hgmW **

Beispiel: Ein PKW (m=1000kg) steht auf einem Berg (h=100m). Wie viel po-tentielle Energie steckt im Fahrzeug?

MJouleJoulemsmkghgmW 1000.000.1100*²

10*1000**

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1.3.3. Wärmeenergie

Da sich schließlich alle uns zur Verfügung stehenden mechanischen Energie-formen in Wärmeenergie umwandeln, müssen wir diese ebenfalls behandeln.Jeder Körper, der Wärmer ist als der absolute Nullpunkt (0°Kelvin oder -273,15°Celsius) hat Wärmeenergie gespeichert. Für uns ist aber nur der Teil von Interesse, der oberhalb unserer Umgebungstemperatur liegt. Die Temperatur-änderung bezüglich der Ausgangs- oder Umgebungstemperatur! Hierfür gilt:

cmWT*

mit c= Wärmekapazität in [Joule/K kg]

Beispiel: Ich bremse ein Fahrzeug mit der kinetischen Energie von 50.000 Ws nun wieder bis zum Stillstand ab. Dabei wird die Wärmeenergie von 50.000 Joule erzeugt (umgewandelt). Wenn ich nun davon ausgehe, dass diese Energie in meiner Bremsscheibe umgewandelt wurden, ist diese Wärmeenergie auch dort geblieben (ohne Abkühlung) Die Bremsscheibe wurde mit 50.000 Joule erwärmt.Sollte man nun die Temperatur der Bremsscheibe berechnen müssen, kann man mit der spezifischen Wärmekapazität [

kgKJoule

*] derselben die Erwärmung der

Bremsscheibe berechnen.

Mit mBremse = 20 kg und cBremsscheibe= 500 Joule/K kg

CKJoulekg

kgKJouleT 55500*20

**50000 Die Bremsscheibe wurde um

5 °C erwärmt.

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1.3.4. Übergang der Energieformen

Die einzelnen Energieformen lassen sich theoretisch in alle anderen Energie-formen umwandeln. In der Praxis wird aber letztendlich alles in Wärme umge-wandelt! Das heißt, auch wenn in einem Liter Dieselkraftstoff z.B. rund 43 MJ/kg Heizwert hat, und der Motor einen mechanischen Wirkungsgrad von 40 % aufweist, der mechanische Anteil letztendlich trotzdem wieder in Wärme um-gewandelt (Reibung, Luftwiderstand oder Verformung bei Crash usw.)Da genaue Betrachtungen der einzelnen Energieübergänge äußerst kompliziert sind, und einen sehr hohen Rechenaufwand erfordern, kann man davon ausge-hen, dass keine Betrachtungen bezüglich Wärmeübergänge, Wärmeleitung, oder Wärmekonfektion zu berechnen sind. Wenn man hierzu Fragen stellt, werden diese in der Regel allgemeiner Natur sein (Abschätzungen). Oder man gibt die einzelnen Umwandlungskomponenten in Prozent an (aus Versuchen ermittelt).Beispiel: 20% der zugeführten Energie werden abgestrahlt; 30% der zug. Ener-gie werden abgeleitet; Wann erreicht der Körper eine Temperatur von 350°C?

Beispiel 1:Ein PKW (1000 kg) fährt ein 5 km langes und 13 % steiles Bergstück hin-auf. -Wie viel Energie wird benötigt (Reibung und Luftwiderstand sind zu ver-nachlässigen)?

13% Steigung bedeutet: auf 100m Strecke ein Höhenunterschied von 13mDa die Strecke 5 km lang ist muss ein Höhenunterschied von:

h=50*13=650m überwunden werden.

MJoulehgmW 5,6650*10*1000**

- Wie viel Leistung braucht der Motor damit das Fahrzeug mit 30 km/h den Berg hinauf fahren kann (optimale Getriebeübersetzung, keine zusätzlichen Verluste)?

30km/h=8,3 m/sFür 5km benötigt das Fahrzeug dann: 5000/8,3=600 sDer Motor muss also in 600s eine Arbeit von 6,5MJ (o. MWs) verrichten.

KWWs

MWst

WP 8,10108336005,6

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- Der Pkw fährt nun den Berg wieder hinunter, wobei er die freiwerdende potentielle Energie an den Bremsen abbaut. Die Masse der Bremsen beträgt 50kg, die Bremse ist so konstruiert, dass sie rund 10 kJ/s an Wärmeenergie an die Umgebung abgeben kann. Die Wärmekapazität der Bremse beträgtc=500 J/kgK. Der PKW fährt mit 126 km/h den Berg hinunter. Wann er-reicht die Bremse eine Temperatur von 800°C (Außentemperatur = 0°C)?

13% Gefälle entspricht einem Winkel =sin-1 (13/100) = 2,27°Wenn das Fahrzeug mit 35 m/s fährt, „sinkt“ oder „fällt“ es mit einer Geschwin-digkeit von 35 m/s*sin 2,27=1,4 m/s

Damit wird pro Sekunde eine Energie von kJhgmE 144,1*10*1000** frei-gesetzt. Die Bremse kann aber nur die Wärme von 10 kJ/s an die Umgebung ab-geben. Die Bremse wird mit 4 kJ/s aufgeheizt.

sK

JkgsKkgkJ

cmWT t 160

500*50***4

*)(

Dies bedeutet, dass die Bremse pro Sekunde um 160 K (°C) heißer wird! die Bremse wird nach 5 s (800/160) die kritische Temperatur von 800°C er-reicht haben.

- Mit welcher Geschwindigkeit darf der Fahrer maximal fahren, damit sei-ne Bremsen nicht überhitzen?

Die Bremse kann 10 kJ/s an Hitze an die Umgebung ableiten. kJhgmE 10**

smkJgm

kJh /110*1000

10*

10

D.h. das Fahrzeug darf mit max. 1 m/s sinken.Dies entspricht einer Geschwindigkeit von:

hkmsmv /91/24,2527,2sin

1

Er darf mit max. 91 km/h den Berg hinunterfahren.

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1.4. Leistung

Wie im vorigen Kapitel schon angesprochen, lässt sich Energie oder Arbeit in mehreren Erscheinungsformen darstellen. Wenn man nun eine Arbeit in einer gewissen Zeit verrichtet, hat man eine Leistung erbracht. Es spielt hierbei keine Rolle, um welche Energieform es sich hierbei handelt!

Leistung ist immer Arbeit pro Zeiteinheit:

tWP

1.5. Momente

Wenn eine Kraft auf einen Hebelarm wirkt, ergibt sich ein Moment.

FM

l

Hierbei gilt Grundsätzlich: Die Summe aller Momente ist 0 M=l*F Nach dem Freischneiden meines Körpers gelten alle Momente nur bezüg-

lich meines Freischneidungspunktes!

Definition: Alle Momente in Uhrzeigersinn sind positiv, und alle gegen den Uhrzeigersinn sind negativ (andere Definition möglich, aber bitte dann konsequent einhalten)!

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Beispiel 1:

3000

1000

Das Fahrzeug wiegt 1400 kg. Berechnen sie die Achslasten.

1400 kg

1000

3000?

Das Momentengleichgewicht lautet:

4673000

1400*10000*30001400*1000

X

XM

Das Gewicht auf der vorderen Achse beträgt 467 kg.Der Rest des Gesamtgewichts liegt auf der hinteren Achse1400 kg-467 kg = 933 kg.

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Beispiel 2:Nutzlastberechnung von einem Kieslaster (Prüfstellenrechnen)

Tank

Das Fahrzeug wurde gewogen (mit Fahrer):Achse 1: 7000 kgGesamt: 12000 kg Achse 2+3= 12000 kg – 7000 kg = 5000 kgMaße: Achsabstand: Achse 1-2: 7 m Achse 2-3: 2 mKipperlänge: 8 m (Mitte 1 m vor Achse 2)Tank: 500 kg; 2 m nach Achse 1Zulässige Achslasten und Gewichte:Achse 1: 10t Achse 2+3: 18t zGG: 26t

Nutzlastberechnung:

Da man nicht weis, welche Achse die kritische ist muss die Betrachtung bezüg-lich beider Achsen erfolgen! (welche Achse wird bei Ausladung der Kiesmulde als erstes Überladen)

Betrachtung bezüglich HA:

128758

500*213000*8

013000*8*6500*2

X

XM

Der Kieslaster darf bezüglich der HA 12875 kg laden (techn. möglich).

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Betrachtung bezüglich der VA:

210002

3000*8500*6

03000*8500*6*2

X

XM

Der Kieslaster darf bezüglich der VA 21000 kg laden (techn. möglich).

Betrachtung bezüglich des ZGG von 26000 kg:

26000 kg - 12000 kg = 14000 kg

Der Kieslaster darf bezüglich seines zulässigen Gesamtgewichts (StVZO) 14000 kg laden.

Beurteilung der Ergebnisse:

Wenn man die Ladefläche bis zur Traggrenze der Vorderachse ausladen würde, wäre die Trägfähigkeit der HA und das ZGG überschritt. das Ergebnis zählt nicht!

Wenn man die Ladefläche bis zur Traggrenze der HA ausladen würde, wäre das ZGG noch nicht erreicht (1125 kg unter ZGG). Wenn die Kippermulde aber gleichmäßig beladen wird darf nicht mehr geladen werden! die Nutzlast be-trägt gem. Fahrzeugschein (Definition) 12875 kg.

Wenn man die Ladefläche unsymmetrisch belädt (Ladung mehr in Richtung VA), kann das ZGG von 26000 kg voll ausgenutzt werden. unter Ziff.33 wird die erhöhte Nutzlast bei ungleicher Lastverteilung in Richtung VA = 14000 kg eingetragen.

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1.6. Drehmoment

Wenn über Wellen Kräfte übertragen werden spricht man ebenfalls von einem Drehmoment. Es handelt sich hier aber um ein dynamisches Moment um einen Punkt (Wellenmittelpunkt). In der Statik gibt es den Hebelarm, der um den Drehpunkt (Freischneidepunkt) eine Kraft aufbringt. Es findet aber keine Bewe-gung statt. Man vergleicht verschiedene Kräfte die an einem statischen System angreifen, und berechnet die gesuchte Kraft (siehe 1.5. Momente).

FDrehpunkt

Hebelarm l

Bei einer Welle dreht sich der Hebelarm um den Wellenmittelpunkt. Der Hebel-arm ist hier der Radius der Welle. Die Kraft entspricht z.B. der abgegebenen Motorkraft.

FDrehpunkt

Hebelarm r

Durch die Drehbewegung der Welle wird ein Weg zurückgelegt. Der Weg be-trägt: **2 rs Über diesen Weg wird die Kraft F aufgebracht.Mit der Gleichung für die Arbeit (s. Pkt. 1.3.):

sFW *Wird die Arbeit pro Umdrehung der Welle:

**2* rFW

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Wenn nun Leistungen übertragen werden gilt:Leistung = Arbeit pro Zeit

tWP

Da sich die Welle mit einer bestimmten Drehzahl s dreht wird die über die Welle abgegebene Leistung:

***2* rFPWelle

mit M=F*2*r*p (Kraft *Hebelarm)und r=1 (Einheitswelle) wird:

**2*MPWelle

und Umdrehungen pro Minute

60*2** nMPWelle

Der Faktor 2*p/60 lässt sich schöner schreiben als 1/9,55.Da die Leistung meistens in KW angegeben wird, gilt für die Leistung:

9550* nMPWelle

M in [Nm] n in [1/min] P in [KW]

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1.7. Übersetzung

Oft ist es in der Technik notwendig Kräfte zu übersetzen. Sei es weil der Mensch z.B. zu schwach ist, um eine benötigte Kraft aufzubringen, oder weil man aufgrund von techn. Gegebenheiten gezwungen ist zu Übersetzen.

Grundsätzlich gilt:Weg * Kraft ist immer const.

Dies Bedeutet:Um eine Arbeit zu verrichten, muss über einen bestimmten Weg eine bestimmte Kraft aufgebracht werden. Es Spielt hierbei keine Rolle wie sich Weg und Kraft aufteilen.

Beispiel:Man will die Arbeit von 10 Nm verrichten. Es spielt nun keine Rolle ob manüber den Weg von 10 m eine Kraft von 1 N wirken lässt, oder 5 N über 2 m. Das Resultat bleibt immer das Gleiche!

Oder:Eine Welle soll bei 60 U/min eine Leistung von 10 KW übertragen. Kann die Welle aufgrund von konstruktiven Vorgaben bei 60 U/min aber nur 5 KW über-tragen, braucht man nur die Drehzahl (120 U/min) verdoppeln, und schon kann sie auch die Leistung von 10 KW übertragen.

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1.7.1. Mechanische Übersetzung

Es gilt:

n1*r1=n2*r2

Übersetzung:

i=n1/n2

i=r1/r2

i=d1/d2

i=F2/F1

1.7.2. Hydraulische Übersetzung

Der Volumenstrom V ist const.

Übersetzung:

i = A2/A1

i = D22/D1

2 (Kolbendurchmesser D)

i = F2/F1

FDrehpunkt

Hebelarm r1

FDrehpunkt

Hebelarm r2

A2

A1

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Für die Gesamtübersetzung gilt:

iges = i1 * i2 * i….

Beispiel:

Angaben:r1= 210 r2=30 dGZ=20 dNZ=30 r3=450 r4=300 r5=60 r6=30 FP=500N

Gesucht: FN; Der Weg s an den Kupplungsscheiben, wenn das Pedal 300 mm durchgedrückt wird.

Lösung:iPedal=r1/r2=210/30=7iHydraulik=dNZ

2/dGZ2=30²/20²=2,25

iAusrücklageranlenkung=r3/r2=450/300=1,5iFeder=r5/r6=60/30=2

iGesamt= iPedal* iHydraulik * iAusrücklageranlenkung * iFeder=7*2,25*1,5*2=47,25

FN=500N * 47,5 = 23,6KN

S bei Pedalweg von 300mm:s=300/47,5=6,3mm

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1.8.Wirkungsgrad

Wenn eine Energieform in eine andere umgewandelt oder übertragen wird, ge-schieht das nie ohne Verluste. Bei der Übertragung von mechanischer Arbeit kann man z.B. die Reibungsverluste nicht eliminieren. Bei der Übertragung von elektrischer Energie entstehen immer Widerstandsverluste (Erwärmung des Lei-ters). Grundsätzlich begegnen uns die Verluste in ungewollter Erwärmung der Bauteile. Man denke hier nur an verbrannte Kupplungsscheiben oder an durch-gebrannte Prozessoren im Computer (Übertaktung).Grundsätzlich gilt:

Wirkungsgrad = Abgeführte Leistung Pab / zugeführte Leistung Pzu

Der Wirkungsgrad ist immer kleiner 1 (Perpetuum Mobile).

Die Wirkungsgrade von miteinander verbundenen Systemen (Motor-Getriebe-Differential-Reifen) werden miteinander multipliziert.

Beispiel:Motor=0,36 Getriebe=0,93 Differential=0,96 Rollwiderstand=0,95

Gesucht: Der Gesamtwirkungsgrad

Lösung:

Gesamt = Motor* Getriebe* Differential* Rollwiderstand = 0,36*0,93*0,96*0,95 = 0,3

Der Gesamtwirkungsgrad beträgt 30 %

1.9. Kräfte am Reifen

In der Fahrdynamik werden überwiegend Bewegungen des Fahrzeugs beschrie-ben. Da aber alle Kräfte über den Reifen übertragen werden, ist es notwendig diesen besonders zu behandeln.

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1.9.1. Kraftschlussbeiwert

Jeder hat mal in der Schule gelernt, dass ein Kraftschlussbeiwert größer 1 nicht möglich ist. Dies gilt in erster Betrachtung auch für die Gummimischung von Reifen. Doch hat jeder auch schon ein Zahnradgetriebe gesehen, bei dem mehr Kräfte übertragen werden können als es der Reibwert zulassen würde (Verzahnung).

Ähnlich funktioniert dies beim Reifen. Die raue Oberfläche der Straße in Verbindung mit der weichen Gummimischung des Reifens ergibt auch einen gewissen Verzahnungseffekt (Bei Straßenreifen bis ~ 1,5 zu verwirklichen).Blockieren die Räder vollständig, gilt wieder reine Gleitreibung. Der Reibbeiwert Straße-Reifen ist dann unabhängig vom Straßenreifen rund =0,8.

Dieser Verzahnungseffekt ist von mehreren Faktoren abhängig:

Dem Gewicht des Fahrzeugs: Des-to schwerer ein Fahrzeug ist, umsostärker drückt sich das Reifenprofil in die Straßenoberfläche. Wird diese Anpresskraft aber zu hoch, werden kleine Gummistücke aus dem Rei-fenprofil herausgerissen der Rei-fenverschleiß ist dementsprechend hoch.

Der Straßenoberfläche: Ist der Straßenbelag besonders rau (griffig) kön-nen dementsprechend mehr Kräfte übertragen werden als z.B. glatten O-berflächen (Eis). Es ist deswegen auch für den Normalfahrer notwendig den richtigen Reifen zu wählen (z.B. Winterreifen). Im Rennsport ist es sogar notwendig für jede Rennstrecke die richtige Reifenmischung zu wählen!

Dem Profil des Reifens: Eine der größten Herausforderungen an Reifen-hersteller ist es die richtige Profilkonstruktion zu wählen. Heute ist es wichtig einen Reifen zu bauen, der

o eine hohe Laufruhe besitzto eine lange Lebensdauer hato hohe Haftgrenzen bieteto und trotzdem gutmütig ist

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Da sich diese Anforderungen aber zum Teil widersprechen ist es notwen-dig einen Kompromiss zu finden, der dem gewünschten Ergebnis am nächsten kommt.

Dem Geschwindigkeitsbereich: Wie im Kapitel 1.8. Wirkungsgrad schon angesprochen, erfolgt eine Übertragung von Kräften nicht Verlust-frei. Beim Reifen entstehen diese Verluste durch Walkarbeit und dem Gleitanteil der einzelnen Profillamellen beim eingreifen bzw. abheben von der Straßenoberfläche. Diese Verluste führen zu einer Erwärmung des Reifens. Desto schneller ein Fahrzeug fährt, umso stärker wird die Wär-mebelastung. Der Reifen muss dementsprechend steifer konstruiert wer-den, um die Walkarbeit zu verringern (auch Spurtreue). Die Haftung darf darunter aber nicht leiden Desto höher der Geschwindigkeitsindex, um so höherwertig sein Aufbau (Karkasse und verwendete Gummimischun-gen).

1.9.2. Schlupf am Reifen

Da die Profilblöcke eines Reifens aus Gummi bestehen, werden sie sich logi-scherweise verschieben, wenn eine Kraft aufgebracht wird. Dieses Verbiegen der Gummiblöcke ist abhängig von der Feder-konstante der einzelnen Profilblöcke ab-hängig. Die Federkonstante der Profilblöcke ist wiederum von der Gummimi-schung, der Profilkonstruktion und der Profiltiefe ab. Handelt es sich um eine weiche Gummimischung, sinkt die Federkonstante. Hat der Reifen große Profil-blöcke, steigt die Federkonstante des Reifens (Block wird steifer). Mit zuneh-mendem Reifenverschleiß steigt die Federkonstante (kleinerer Hebelarm).Das bedeutet, dass mit zunehmender Kraft sich die Profilblöcke stärker ver-biegen werden. Da aber diejenigen Pro-filblöcke die sich gerade nicht im Ein-griff befinden, nicht verformt sind, erfolgt die Verformung im Moment der Bo-denberührung. Diesen Effekt nennt man Schlupf. Der Schlupf s ist definiert als das Verhältnis der von theoretischen zur tatsächli-chen Raddrehzahl. Umso größer die Kräfte, desto stärker die die Reifenverfor-mung, und somit auch der Radschlupf.

F

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Kraft (oder Reibung) - Schlupfdiagram

S [%]4 1 8

Winterreifen

StraßenreifenSportreifen

0,8

1

1,5

Mischung ausHaft und Gleitreibung

Reine Gleitreibung

Reine Haftreibung

Wie unter (Pkt. 1.2.3) schon ausgeführt hängt die übertragbare Kraft F unmittel-bar von der Reibung ab (F=m*g* Nachdem die Erdbeschleunigung g und die Masse des Fahrzeugs konstant ist, kann man ~ F setzen. Die Betrachtungüber die notwendige Reibkonstante ist besser geeignet um die Vorgänge zwi-schen Reifen und Straße zu beschreiben. Die Graphen beschreiben eine durch-schnittliche Reifengröße (195/65 R15 91H).

Bis ca. 4% Schlupf:

Im Bereich bis 4% Schlupf, kann man von reiner Haftreibung sprechen. Die Pro-filblöcke verformen proportional zu der aufgebrachten Kraft. Die Kurven sind in diesem Bereich auch fast linear. Der Verschleiß ist dementsprechend gering. Wird mehr Kraft aufgebracht, beginnen die ersten Profilblöcke an zu gleiten.

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4% - ca. 25% Schlupf:

Auch bei der Reibpaarung Gummi-Straße gibt es prinzipiell nur Haft- oder Gleitreibung. Beim Reifen mit seinem Profil gibt es aber einen gewissen Über-gang zwischen Haft- und Gleitreibung! In diesem Grenzbereich (ich nenne es mal Mischreibung) beginnen schon die ersten Profilblöcke an zu rutschen (mit Gleit), während andere noch volle Haftung haben (mit Haft). Wie im oberen Diagram ersichtlich kann die Kraft noch erhöht werden, obwohl schon einige Profilblöcke rutschen (Am Diagram erkennt man den Gleitreibungsanteil an der Krümmung der Kurve). Dieses Phänomen lässt sich sehr einfach erklären:Da der Reifen rund ist, haben nicht alle Profilblöcke im Bereich des Latsch die gleiche Anpresskraft auf die Strasse. Je nach Reifenkonstruktion, Breite, oder auch Reifendruck werden entweder die Profilblöcke am Rand oder in der Mitte stärker auf die Straße gedrückt. Zusätzlich sind ja aufgrund der Drehbewegung laufend Profilblöcke gerade im Eingriff (bis Gleitgrenze reine Verformung) und auch welche beim Abheben (Anpressdruck lässt nach, der Profilblock löst sich von der Straße und schnellt in seine Ruhelage zurück). Durch die Vermischung der Einzelereignisse ergibt sich in Summe eine gemischte Reibung, die es sogar zulässt noch zusätzliche Kräfte zu übertragen, obwohl Teilbereiche des Reifens schon Gleiten (- ca. 20 %).

Schlupf jenseits von 25%:

In diesem Bereich überwiegt der Gleitreibungsanteil immer mehr, bis der Reifen irgendwann blockiert. In der Unfallmechanik, wo Bremsspuren ausgewertet werden, kann man den Blockieranteil der Bremsung am schwarzen Strich auf der Straße erkennen. Wie das obere Diagramm zeigt, haben die momentan ver-wendeten Gummimischungen (Straßenreifen) einen Gleitreibungskoeffizienten Gleit von rund 0,8. Sobald ABS-Bremsungen durchgeführt werden (keine ein-deutige Zeichnung auf der Straße erkennbar) ist die Streuung der einzelnen Rei-fen markant. Während der Sportreifen (abgefahrenes Profil, passende Gummi-mischung für den spez. Straßenbelag) auf trockener Fahrbahn Bremsverzöge-rungen von bis zu 15 m/s² (theoretisch) erreichen kann, erreicht der Winterreifen (neu mit langen Profilnoppen) nur eine Bremsverzögerung von 9 m/s². Eine eindeutige Bewertung der Bremsung wird also nahezu unmöglich.

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1.9.3. Schräglaufwinkel

Auch beim Lenkeinschlag erfolgt eine Verschiebung der einzelnen Profilblöcke. Auch hier gilt, umso mehr Kraft für die Kurvenfahrt aufgebracht werden muss, desto stärker verwinden sich die Profilblöcke am Reifen. Zusätzlich verwindet sich die Karkasse zu einem nicht vernachlässigbaren Maß. Alles in allem sieht das entsprechende Diagram ähnlich aus wie unser obiges, das die Beschleuni-gung (oder Bremsung) aufzeigt. Je nach Reifenaufbau trainiert man dem Reifen gutes Brems- bzw. Beschleunigungsverhalten an (siehe Motorrad Hintereifen) oder gute Seitenführung (Motorrad Vorderreifen). Bei PKW-Reifen versucht man eine möglichst neutrale Auslegung. Das Verhalten eines theoretischen Reifens (gleiche Seitenführung wie in Fahrt-richtung) wird durch den Kamm´schen Kreis beschrieben.

1.9.4. Kamm´scher Kreis

Fx

Fy

y

x

Der Kamm´sche Kreis beschreibt die maximal übertragbaren Kräfte in die ver-schiedensten Richtungen. Es handelt sich hier aber um eine theoretische Be-trachtung, denn moderne Reifen haben unterschiedliche Eigenschaften antrai-niert bekommen (siehe 1.9.4.). Beim idealen Kreis berechnen sich die einzelnen Komponenten wie folgt.Maximale Kraft in y-Richtung (Lenken): sin*FFy

Maximale Kraft in x-Richtung (Bremsen, Beschleunigen): cos*FFx