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20 Jahre FAIRTRADE Österreich

FAIRTRADE wirkt. Seit 20 Jahren

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Festschrift zum 20 jährigen Jubiläum von FAIRTRADE Österreich.

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20 Jahre FAIRTRADE Österreich

FAIRTRADE ist ein wirkungsvolles Beispiel für Solidarität, Ver-nunft und Fairness gegenüber jenen Menschen in vielen Teilen der Welt, die unter den schwierigsten Bedingungen leben und arbeiten müssen.

Millionen kleinbäuerlicher Produzentinnen und Produzenten, die un-ser Leben mit ihren Produkten bereichern und angenehmer machen, leben im Vergleich zu uns in größter Armut und Abhängigkeit.

Jeder Schritt in die Richtung eines fairen Austausches von Gütern ist daher ein Beitrag zu mehr Gerechtigkeit in unserer Welt. Fairer Handel schafft gegenseitige Anerkennung im Sinne der Menschenwürde und trägt zu einer guten und friedlichen Entwicklung bei. Es ist wichtig, das Prinzip Fairness und Nachhaltigkeit auch im Alltag zu leben und beim Kauf von Produkten, wo immer es möglich ist, gezielt zu unterstützen.

Gerade im Zeitalter der Globalisierung und der zunehmenden ge-genseitigen Abhängigkeit wird es immer wichtiger und dringlicher, ei-nen friedlichen Ausgleich zwischen Arm und Reich zu suchen. Es be-darf allerdings noch vieler Wege und unverminderter Anstrengungen, damit Fairness und Gerechtigkeit auch bei den benachteiligten Men-schen selbst wirksam werden können.

FAIRTRADE Österreich bemüht sich seit nunmehr 20 Jahren um die Verwirklichung dieser Ziele. lch gratuliere dazu, dass die Entwicklung von einer kleinen Solidaritätsinitiative zu einer international vernetzten, gut organisierten und anerkannten Bewegung so eindrucksvoll gelin-gen konnte. Das ist ein schönes Zeichen in unserem Land, auf das wir stolz sein können.

lch habe mich schon Anfang der 1990er-Jahre als Präsident des Na-tionalrates für FAIRTRADE eingesetzt, und es freut mich zu hören, dass Österreich gemeinsam mit England, Irland, Finnland und der Schweiz zu jenen Ländern gehört, die – weltweit gesehen – den FAIRTRADE-Gedanken am erfolgreichsten umsetzen.

lch gratuliere allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr herzlich und danke Ihnen, dass Sie sich mit so viel Engagement und Kompe-tenz für lhre Überzeugungen einsetzen.

Herzliche Glückwünsche zum Jubiläum „20 Jahre FAIRTRADE Ös-terreich“ und alles Gute für die Zukunft!

Grußbotschaft des Bundespräsidenten Dr. Heinz Fischer

Inhalt2–3 Vorworte | 4–7 20 Jahre FAIRTRADE Österreich – Wie alles begann | 8–9 FAIRTRADE Österreich im internationalen

FAIRTRADE-Netzwerk | 10–11 Zahlen & Fakten | 12–21 Fair Stories aus dem globalen Süden | 22–27 Best of

FAIRTRADE (in) Österreich | 28–29 FAIRTRADE im öffentlichen Leben | 30–31 Blick in die Zukunft | 32 Impressum

Dr. Heinz FischerBundespräsident der Republik Österreich

20112003/042001 20021993

Von TransFair zu FAIRTRADE: Das internationale FAIRTRADE-Gütesiegel steht für die Menschen!

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FAIRTRADE Österreich wurde vor 20 Jahren als Organisation der Zivilgesellschaft von überparteilichen und überkonfessionellen Mitglieds-organisationen gegründet. Seither ist es gelungen, ein Bewusstsein für die Situation Tausender benachteiligter Kleinbäuerinnen und -bauern im Süden zu schaffen und das Konzept des fairen Handels der Öffent-lichkeit, aber auch wirtschaftlichen und politischen Entscheidungsträ-gerinnen und -trägern näherzubringen − und einzufordern.

Einen wesentlichen Anteil hatten Einzelpersonen oder Gruppen, die Weltläden gegründet oder den fairen Handel am Arbeitsplatz, in der Ge-meinde oder Schule verankert haben; sie sind eine wichtige Stütze des FAIRTRADE-Netzwerkes. Unternehmen, Lizenz-, Handels- und Gastro-nomiepartnerInnen, Föderinnen, Förderer und SponsorInnen haben FAIR-TRADE Österreich ideell sowie finanziell dabei geholfen, „groß“ zu werden.

Gemeinsam haben wir erreicht, dass Produkte mit dem FAIRTRADE-Gütesiegel heute landesweit verfügbar und bereits 85 Prozent der Ös-terreicherInnen ein Begriff sind. Noch erfreulicher ist der daraus resultie-rende Beitrag zu Armutsbekämpfung, Entwicklung und Reduzierung von Abhängigkeiten in den Ländern des Südens.

Diese Festschrift dokumentiert − wie ein Familienalbum und ohne Anspruch auf Vollständigkeit – die Entwicklung von FAIRTRADE Öster-reich bis heute. Sie erzählt die gemeinsame „faire Geschichte“* der ös-terreichischen FAIRTRADE-Familie und gibt Einblicke in das Leben der rund 1,2 Millionen kleinbäuerlichen ProduzentInnen und Plantagenarbei-terInnen im FAIRTRADE-Netzwerk, die mit uns über den fairen Handel partnerschaftlich verbunden sind. * Weitere faire Geschichten aus Österreich auf www.fairtrade.at.

Als 1993 mit der Gründung des Vereins „TransFair“ der Grund-stein für das FAIRTRADE-Gütesiegel in Österreich gelegt wurde, ahnte niemand, welche Dimensionen FAIRTRADE in unserem Land einmal an-nehmen würde.

In den letzten 20 Jahren gingen aus den Verkäufen von FAIRTRADE-Produkten in Österreich 140 Mio. USD Direkteinnahmen in Form von FAIRTRADE-Mindestpreis, -Prämie für Soziales, Infrastruktur und Bil-dung und -Bioaufschlag an Tausende kleinbäuerliche ProduzentInnen und PlantagenarbeiterInnen in den sogenannten Entwicklungsländern.

In Österreich können wir derzeit aus über 750 verschiedenen FAIR-TRADE-Produkten in mehr als 5000 Verkaufsstellen wählen und damit be-wusst entscheiden, welches System wir unterstützen – oder auch nicht.

Denn FAIRTRADE wirkt: weil es Armut bekämpft, weil es Gleichbe-rechtigung und Selbstbestimmung fördert und weil es die Menschen

entlang der gesamten Wertschöpfungskette in alle Entscheidungen und Verantwortungen einbezieht.

Trotzdem dürfen wir die Hände nicht in den Schoß legen. Die beste-henden Handelsstrukturen kommen in erster Linie großen Unternehmen aus reichen Ländern zugute, während die Kleinbauernfamilien in den so-genannten Entwicklungsländern vom Markt verdrängt werden. Handel muss Armut bekämpfen. Handel muss fairer werden. Wohlstand kann nur entstehen, wenn es faire Strukturen gibt.

Wir fordern faire Spielregeln für den Welthandel! Diese Forde-rung ist auch unser „Geburtstagswunsch“ an die internationale Gemein-schaft, an politische EntscheidungsträgerInnen, aber auch an lokal und global agierende Unternehmen, Verantwortung für ihr Tun zu überneh-men und ihre sozialen Pflichten endlich ernst zu nehmen!

Vorworte

Mag. Helmut SchüllerVorstandsvorsitzender von FAIRTRADE Österreich

Mag. Hartwig KirnerGeschäftsführer von FAIRTRADE Österreich

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Das FAIRTRADE-Österreich-Team (2012)

TransFair-Auftaktpressekonferenz im Oktober 1993 – mit Dr. Martin Kunz (TransFair International), Helmut Adam (TransFair), Ulrike Lunacek (Österreichischer Informationsdienst für Entwicklungs-politik), Staatssekretärin Brigitte Ederer und KaffeeproduzentInnen aus Nicaragua.

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20 Jahre FAIRTRADE Österreich

Aus welcher Idee und Motivation heraus wurde FAIRTRADE − damals TransFair − 1993 gegründet?

H. Hartmeyer: Da muss man wahrscheinlich den Entwicklungs-helferinnen und -helfern die Ehre zugestehen. Sie kamen mit der Bot-schaft zurück, dass die Hilfe vor Ort zwar wichtig sei, aber dass es entscheidend wäre, hier bei uns Bewusstsein für die Zusammenhänge zwischen Nord und Süd zu schaffen sowie konkrete Initiativen zu grün-den.

H. Adam: Kaffee war damals im Fokus des alternativen Handels. Immerhin leben etwa 125 Millionen Menschen weltweit vom Kaffee. 1989 gab es einen dramatischen Einbruch beim Kaffeepreis, und viele sind von bescheidenen Verhältnissen in tiefe Armut gefallen. Das war der Auslöser für die Gründung der ersten FAIRTRADE-Organisati-onen.

H. Hartmeyer: In Österreich hatte die Ausweitung des fairen Han-dels mit den Weltläden bereits eine gute Basis, aber mit damals rund 70 Verkaufsstellen auch eine natürliche Grenze. Unsere Grundidee war, neue Vermarktungswege zu erschließen und den Handel dazu zu bringen, die Prinzipien für einen gerechteren Handel zu übernehmen.

Wie schwierig war es, die Idee und Sinnhaftigkeit von TransFair zu vermitteln?

H. Adam: In den ersten Jahren mussten wir ständig lobbyieren und erklären, dass wir etwas Vernünftiges machen, dass wir seriös und

gut vernetzt sind, usw. Im ersten Jahr hatten wir bei TransFair ein Ge-samtbudget von 500.000 Schilling, also etwas mehr als 35.000 Euro, und wir konnten gar nicht viel mehr tun, als den Leuten zu sagen, dass fairer Handel wichtig ist und sich auch in Österreich etablieren wird. Manche haben es von Beginn an geglaubt und manche eben nicht.

A. Schlehuber: Aber es hat sich gelohnt! H. Adam: Aus den ersten öffentlichen Geldern konnten wir einen

Bus anschaffen, mit dem wir in ganz Österreich zu Verkostungen in Supermärk ten gefahren sind. Es gab auch diese Wahnsinnsaktion mit den 1500 per Hand geschriebenen Dankesbriefen aus Nicaragua, die an Kaufleute in Österreich verschickt wurden, die gerade den EZA-Kaffee NICA in ihr Sortiment aufgenommen hatten. Die Kaufleute ha-ben sich sehr darüber gefreut – das war wirklich toll!

E. Novy: Rückblickend ist das schon eine Erfolgsgeschichte …

Ist das Zertifizierungsverfahren für FAIRTRADE-Produkte, die in Supermärkten erhältlich sind, dasselbe wie für FAIRTRADE-Produkte in Weltläden?

H. Adam: Für Produkte mit dem FAIRTRADE-Gütesiegel gilt immer das gleiche Verfahren. Die ursprüngliche Politik von TransFair war übri-gens, zuerst mit Kaffee einen gewissen Marktanteil zu erreichen. Hätten wir diese Politik nicht geändert, würde es bis heute nur FAIR TRADE-Kaffee geben. Die Öffnung für weitere Produktgruppen wie Tee, Oran-gensaft und Schokolade brachte schließlich den Durchbruch.

Das, was damals unsere kühnsten Träume waren,

ist mehr als erfüllt worden!“Mag. Helmut Adam,

erster Geschäftsführer von FAIRTRADE Österreich

Mag. Helmut Adam Erster Geschäftsführer von FAIRTRADE Österreich (1993–2001); 2002−2012 Geschäftsfüh-rer von Südwind Agentur/Verein Südwind Entwicklungspolitik

Edeltraud Novy Vorstandsmitglied seit der Gründung von FAIRTRADE Österreich (Vorstandsvorsitzende 2002−2007)

Mag. Helmut Adam

Edeltraud Novy

Dkff. Andrea Schlehuber

Dr. Helmuth Hartmeyer

TransFair/FAIRTRADE Österreich – Wie alles begann

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FAIRTRADE ist ein lebbares und

präsentes Zeichen, dass eine andere Welt möglich ist, auch wenn damit nicht die Terms of Trade außer Kraft gesetzt werden.“

Rupert Helm-Wakolbinger, (Gründungs- und

Vorstandsmitglied 1993–2003)

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H. Hartmeyer: Bevor wir ein allzu rosiges Bild von der Akzeptanz von TransFair malen: Die Weltläden haben anfangs durchaus Wider-stand gegen die Einführung des Siegels und den Schritt in den Super-markt geleistet.

Aus grundsätzlichen oder aus ideologischen Überlegungen?H. Hartmeyer: Zuerst einmal galt Supermarkt als Kapitalismus pur.

Und zweitens gab es die Angst, dass uns das das Geschäft ruinieren wird.

A. Schlehuber: Man wollte ja auch einen größeren Impact für die Produzenten, und da war klar, dass man damals mit 70, heute mit 90 Läden nicht solche Volumina wie Supermarktketten bewegen kann.

Für die Kleinbauernkooperativen ist es letztlich ausschlaggebend, wie viel sie über das FAIRTRADE-Netzwerk verkaufen können. Der Kaffeeabsatz in den Weltläden ist übrigens trotz des Verkaufs in den Supermärk ten nicht zurückgegangen.

Aber es hat sehr viel Überzeugungsarbeit gebraucht?E. Novy: Man muss auch erwähnen, dass die Weltläden damals

wie heute noch immer von sehr engagierten, teils ehrenamtlich arbei-tenden Leuten geführt werden, sonst würden sie nicht funktionieren. In diesem Engagement steckt auch ihr ganzes Herz.

H. Adam: Der Alternativhandel hat sich auch als die bessere Lehre verstanden. Hier wurden gewisse Spielregeln der konventionellen Wirt-schaft einfach ausgeschaltet, und man hat befürchtet, dass Prinzipen verwässert werden, wenn es auch in den Supermärkten fair gehandel-te Produkte gibt. Das hat sich nicht bewahrheitet, die Grundprinzipien von FAIRTRADE sind bis heute unverändert.

Gibt es nur gute Erfahrungen mit den Supermärkten?A. Schlehuber: Da gibt es schon Unterschiede, und es ist auch

eine Frage der Unternehmenspolitik. Wenn der Direktor sieht, was fairer Handel bewegen kann, kann es oberste Unternehmensdirektive werden, FAIRTRADE einzuführen. Der Zivilgesellschaft kommt hier eine wichtige Vermittlerrolle zu. In den Anfangsjahren lagen zwischen alter-nativem und konventionellem Handel noch Welten. Während die einen den sozialen FAIRTRADE-Ansatz zu vermitteln versuchten, redeten die anderen von Spannen. Für uns war es hilfreich, dass es zum Beispiel im Handel MitarbeiterInnen gab, die selbst in Ländern wie Nicaragua waren und das Thema fairer Handel im Unternehmen einbrachten.

Wie alles begann

Vor 20 Jahren ging es darum, mittels FAIRTRADE den Markt für benachteiligte

Gruppen von ProduzentInnen aus dem Süden zu erweitern. 20 Jahre ungebremster Globalisie-rung später könnte das Konzept der weltweiten Fairness eine derjenigen Ideen werden, die un-ser aller Überleben sichern hilft.“

Dr. Jean-Marie Krier (fairfutures, Gründer von TransFair Österreich)

Dkff. Andrea Schlehuber Geschäftsführerin der EZA Fairer Handel GmbH (einer der ersten FAIRTRADE-LizenzpartnerInnen); seit 2011 Vorstandsmitglied von Fairtrade International

Dr. Helmuth Hartmeyer Mitbegründer und erster Vorstandsvorsitzender von FAIRTRADE Österreich; heute Leiter des Bereichs Förderungen Zivilgesellschaft/Entwicklungs-politische Kommunikation und Bildung in Österreich, Austrian Development Agency

Mag. Helmut Adam

Edeltraud Novy

Dkff. Andrea Schlehuber

Dr. Helmuth Hartmeyer

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1993 Gründung von TransFair Österreich: Auf-

taktpressekonferenz im MAK (Wien).

1994 Helmut Adam und Staatssekretärin Brigitte

Ederer feiern die erste Million ver-kaufter TransFair-Kaffeepackungen im Parlament.

1994 Start der Kaffee-verkostungstouren mit

dem TransFair-Bus durch ganz Österreich.

1994/95 TransFair bei der ersten Nachhaltig-

keitsmesse „Shopping for a better World“ in Wien.

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Von links: Helmuth Harmeyer, Helmut Adam, Andrea Schlehuber, Traude Novy, Martin Burger

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Wem nützt FAIRTRADE am meisten?A. Schlehuber: Ich bin davon überzeugt, dass es ganz positive

Auswirkungen auf die Bäuerinnen und Bauern hat. Ich kenne manche Familien seit 20 Jahren und habe gesehen, was sich verändert hat. Es ist nicht so, dass dadurch alle reich geworden sind. Doch es ist ein Selbstbewusstsein entstanden, weil die Leute ihre Vermarktung selbst in die Hand nehmen und entscheiden können, zu welchem Preis sie ihr Produkt wann an wen verkaufen, und nicht mehr von Zwischen-händlern abhängig sind. Dieses Selbstbewusstsein manifestiert sich in politischen Forderungen und trägt so zur Gesamtentwicklung bei.

E. Novy: Wichtig ist auch die Verlässlichkeit und Kalkulierbarkeit für die Bauern, damit sie nicht so sehr den massiven Schwankungen am Weltmarkt unterworfen sind.

H. Hartmeyer: Das ist viel wert. Sie haben von der Aussaat weg die Sicherheit, dass sie das Geerntete auch zu einem fairen Preis ver-kaufen können. Bei FAIRTRADE erhalten die Genossenschaften eine zusätzliche Prämie, mit der in soziale Leistungen, Bildung, Gesundheit sowie in qualitäts- und produktivitätsfördernde Maßnahmen investiert wird. Das kommt wiederum dem Einzelnen zugute.

Kennen Sie einen Bauern namentlich?A. Schlehuber: Sogar sehr viele. Es freut mich, wenn die Kinder

eine bessere Ausbildung machen können, danach in die Kooperati-ve zurückkehren und administrative Aufgaben oder die Vermarktung übernehmen. Sie sind als Kinder barfuß durch die Kaffeegärten gelau-fen und leiten heute Kooperativen.

Kann FAIRTRADE Gesetze, Arbeitsrechte, Umweltauflagen etc. ersetzen?

A. Schlehuber: Der faire Handel kann nicht das richten, was Regie-rungen versäumen. Man kann nicht nur mit der Macht der KonsumentInnen die Welt verändern. Dazu braucht es politische Rahmenbedingungen von nationalen Regierungen. Bei FAIRTRADE ist besonders wichtig, dass die Definition, was fair ist, gemeinsam festgelegt wird. Und dass nicht der Norden vorgibt, was für die ProduzentInnen im Süden fair ist.

Wie frustrierend ist es eigentlich, wenn in Asien Textilfabriken mitsamt der Belegschaft niederbrennen, um die sich nie je-mand geschert hat?

H. Adam: Es gibt sehr erfolgreiche Produktkampagnen, die sich um genau diese Themen kümmern. Firmen, die vor zehn Jahren noch gesagt haben, das interessiert uns überhaupt nicht, bekommen in-zwischen sehr viel Druck und haben ihr Verhalten zum Teil deutlich verändert.

A. Schlehuber: Wo es Ungerechtigkeiten im Arbeitssektor gibt, können und wollen es sich auch große Textilketten aus Imagegründen nicht mehr leisten, diese Ausbeutung weiter zu betreiben. Die Produk-tionskette im Textilbereich ist sehr lang und komplex. FAIRTRADE bie-tet Baumwolle aus fairer Produktion an und arbeitet jetzt daran, auch für Textilketten eine faire Alternative zu entwickeln.

H. Adam: FAIRTRADE hat den großen Unternehmen das Argument genommen, dass das System nicht veränderbar ist. FAIRTRADE hat gezeigt, dass es möglich ist, wenn man nur will. Das hat bei den Firmen bereits sichtbar eine Bewegung in die richtige Richtung ausgelöst.

Das Interview führte Mag. Martin Burger (KURIER).

20 Jahre FAIRTRADE Österreich

1996 Erste FairTrade-Woche, u. a. mit Kaffeever-

kostung vor dem Außenministerium. Von links: Botschafter Georg Lennkh, Helmut Adam, Staatssekretärin Beni-ta Ferrero-Waldner.

1997 TransFair-Pilotpro-jekt: Vertreter von Kaffee-

kooperativen aus Nicaragua und Guatemala besuchen u. a. Biobauern in Österreich.

1998 5 Jahre TransFair Österreich – Pressekonfe-

renz im Café Landtmann. Bildungs-häuser, Krankenhäuser, Jugendein-richtungen, Klimabündnisbetriebe und kirchliche Institutionen stellen auf TransFair-Produkte um.

1999 Einführung von TransFair-Orangensaft.

2000 Verabschiedung des Parla-mentarischen Entschließungsantrages zur Förderung des Fairen Handels von allen vier damals im Parlament vertre-tenen Parteien (SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grü-ne) ermöglicht die massive Ausweitung der finanziellen Unterstützung durch die ÖEZA im Außenministerium.

2001 Die Fairen Wochen werden zum ersten auf drei

Jahre ausgerichteten EU-Projekt in Kooperation mit TransFair in Deutschland, Italien und der Südwind Agentur. Start der ersten Plakat-Kampagne, finanziert durch die Österreichische Entwicklungszusam-

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Wie alles begann

Der Verein TransFair Österreich wurde am 30. März 1993 auf Ini-tiative von überparteilichen und überkonfessionellen Mitgliedsorganisa-tionen gegründet. 2013 zählen 26 Organisationen aus den Bereichen Entwicklungspolitik, Ökologie, Bildung, Soziales und Religion zu den en-gagierten Mitgliedern von FAIRTRADE Österreich.

„Hunger, Ressourcenverschwendung und sklavenartige Arbeits-bedingungen zeigen, dass unser Wirtschaftsstil noch keineswegs gerecht und nachhaltig wirksam ist. Aber: Die Erfolgsgeschichte von FAIRTRADE gibt Anlass zur Hoffnung. Was mit dem Engagement Tausender Freiwilli-ger in Pfarren und Aktionsgruppen gemeinsam mit den Produzenten aus dem Süden begann, ist heute ein erfolgreiches Geschäftsmodell. Vom Geiste der Partnerschaft, Fairness und Solidarität getragene Handelsbe-ziehungen sind eine Möglichkeit, am Aufbau einer gerechteren Welt mitzu-wirken.“ Franz Küberl, Präsident von Caritas Österreich

„Seit 60 Jahren gibt Sternsingen Kindern die Möglichkeit, konkret für eine gerechte Welt aktiv zu werden. Seit 20 Jahren steht FAIRTRADE dafür, dass jede/r mit einem Handgriff beim Einkaufen dazu beitragen kann, dass ProduzentInnen besser von ihrer Hände Arbeit leben können. Das ist das große Verdienst von FAIRTRADE. Es macht uns stolz, dass die Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar von Anfang an mit dabei war, dieser Idee zum Durchbruch zu verhelfen.“ Sigrid Kickingereder, Bundesvorsitzende der Katholischen Jungschar/Dreikönigsaktion

Aktuelle MitgliedsorganisationenA3W*, ARGE (Dritte-)Welt-Läden*, Bio Austria, Bundesjugendvertre-

tung, Caritas*, Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar Österreichs (DKA)*, Evangelischer Arbeitskreis für Weltmission*, Grüne Bildungs-werkstatt, Gewerkschaft PRO-GE, Horizont 3000, Institut für englische Wirtschaftskommunikation der Wirtschaftsuniversität Wien, Jugend Eine Welt, Katholischer Familienverband der Erzdiözese Wien*, Katholische Frauenbewegung Österreichs*, Katholische Jugend Österreichs*, Katho-lische Männerbewegung Österreichs*, Klimabündnis Österreich, LICHT FÜR DIE WELT – Christoffel Blindenmission, Oikocredit Austria, OeBV – Via Campesina Austria, Österreichische HochschülerInnenschaft, Ren-ner-Institut, Südwind-Entwicklungspolitik (ehem. Österr. Informations-dienst für Entwicklungspolitik (ÖIE)*, „die umweltberatung“ Österreich, Volkshilfe Österreich, WWF Österreich.

Weitere Gründungsorganisationen 1993, bereits ausgeschieden oder umbeannt:

CONA, Ecumenical Development Cooperative Society (EDCS), Institut für Internat. Zusammenarbeit (IIZ) und Österreichischer Entwick-lungsdienst (ÖED) – (fusionierten zu Horizont 3000), Österreichisches Ökologie-Institut, Österreichisches Nord-Süd-Institut für Entwicklungs-zusammenarbeit, Verein zur Förderung partnerschaftlicher Beziehungen zwischen Österreich und der Dritten Welt.

* Gründungsorganisationen 1993

20 Jahre FAIRTRADE ÖsterreichMitgliedsorganisationen und Gründungsmitglieder gratulieren

menarbeit im Aussenministerium im Zuge der Marketingkampagne „SO FAIR – SO GUT“ (2001-2003).

2002 Einführung der FAIRTRADE-Bananen.

TransFair übergibt eine Petition zur Förder ung des fairen Handels an Na-tionalratspräsident Dr. Heinz Fischer.

2002 Präsentation des neuen internationalen

FAIRTRADE-Gütesiegels und der Kampagane „FAIRTRADE garantiert doppelten Genuss“ in der Banana-Bim. TransFair wird FAIRTRADE Österreich.

2003 10-Jahre-Jubiläum: FAIRTRADE Österreich

verkündet bei der Pressekonferenz im Wiener Ernst-Happel-Stadion den Schritt „raus aus der Nische“.

2004 FAIRTRADE-Fußbälle sind das erste

besiegelte Non-Food-Produkt in Österreich: Unterstützung von Fuß-balllegende Toni Polster.

2005 Lancierung der ersten Rosen mit dem

FAIRTRADE-Gütesiegel. Start der TV-Kampagne „Kinderarbeit ist geschmacklos“ – wird ab 2006 mit „Ein Lächeln“ fortgesetzt.

2006 Österreich setzt im Rahmen seiner EU-Präsi-

dentschaft auf FAIRTRADE-Produkte und lässt auf mehr Fairness in der Bundesbeschaffung hoffen.

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FAIRTRADE Österreich im internationalen FAIRTRADE-Netzwerk

Als vor 20 Jahren die Gespräche über eine Ausweitung der FAIRTRADE-Produkte über den Normalhandel begannen, wurden

seitens des Vorstandes der Weltläden viele kritische Fragen in die Diskussion eingebracht. Damals wie heute ist die Kontrolle der Kriterien sehr wichtig. Heute, als Pensionistin, freue ich mich darüber, wenn schon im Morgenjournal FAIRTRADE erwähnt wird.“

Maria Szentpetery (Gründungsmitglied/Vorsitzende der ARGE Dritte-Welt-Läden 1993)

2007 „Fair Cuisine“ – Start der Außer-Haus-Offensive

im Naturhistorischen Museum. Mit dabei Haubenkoch Helmut Österrei-cher, Entertainer Alexander Goebel und Vorstandsvorsitzender Helmut Schüller.

2008 FAIRTRADE-Baum-wollprodukte er obern den

österreichischen Markt.

2009 Marktplatz der guten Geschäfte im Parlament: Der

FAIRTRADE-Code wird eingeführt und informiert über die Menschen hinter den Produkten.

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Harriet LambCEO von Fairtrade International

FAIRTRADE Österreich ist ein wichtiges MitgliedEine Grußbotschaft von Harriet Lamb

FAIRTRADE ist eine globale Bewegung mit starken lokalen Wurzeln – in Österreich wie in Australien. Im Namen der 1,2 Millionen Kleinbäue-rinnen, -bauern und ArbeiterInnen, die weltweit an FAIRTRADE beteiligt sind, gratuliere ich FAIRTRADE Österreich zu 20 Jahren Förderung von Produkten, die das FAIRTRADE-Gütesiegel tragen – das Siegel, das für Menschen steht.

FAIRTRADE Österreich war aber auch an der Gestaltung der internati-onalen Strategie- und Entscheidungsfindung beteiligt und somit auch an der Entwicklung der globalen FAIRTRADE-Bewegung. Es war eines der Gründungsmitglieder der 1997 gegründeten Dachorganisation Fairtrade Labelling Organizations International (FLO, heute Fairtrade International), die das globale FAIRTRADE-Netzwerk für seine weltweit 27 Mitglieder koordiniert. Die Aufgaben von Fairtrade International umfassen die Fest-legung der internationalen FAIRTRADE-Standards, die Organisation der Unterstützung für ProduzentInnen auf der ganzen Welt und die Förde-rung von mehr Gerechtigkeit im Handel auf internationaler Ebene.

FAIRTRADE Österreich spielt als Bindeglied zwischen seinen Stake-holdern in Österreich und der globalen FAIRTRADE-Familie eine wich-tige Rolle und bringt seine Erfahrungen mit dem österreichischen Markt in das internationale Netzwerk ein. Deshalb trifft man MitarbeiterInnen von FAIRTRADE Österreich auch auf Tagungen von FAIRTRADE-Bäu-erinnen und -Bauern in Afrika oder von Fairtrade Towns in Polen an. Dieser globale Beitrag hat Gewicht: Er ist in der erfolgreichen Arbeit von FAIRTRADE Österreich verwurzelt, die darauf abzielt, das Bewusstsein der österreichischen Bevölkerung zu schärfen und Partner im Handel

davon zu überzeugen, dass ein neuer und fairer Weg im globalen Han-delssystem möglich ist.

Wir erreichen mittlerweile mehr als eine Million Kleinbäuerinnen, -bau-ern und ArbeiterInnen. Somit hat das FAIRTRADE-Modell bewiesen, dass es funktioniert. Nun ist es an der Zeit, dieses Modell breiter aufzustellen: Wir müssen die „Macht der vielen“ freisetzen, damit wir noch viel mehr benachteiligte Bäuerinnen, Bauern und ArbeiterInnen erreichen können. Und zwar durch die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit noch viel mehr Unternehmen, angetrieben von unseren Bürgerinnen und Bürgern, die in Österreich immer und immer wieder gezeigt haben, dass sie im Kampf gegen die Armut eine Rolle spielen wollen.

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FAIRTRADE Österreich im internationalen FAIRTRADE-Netzwerk

2010 Graz wird erste FAIRTRADE-Landeshaupt-

stadt Österreichs.

2011 Die PatientInnen im Krankenhaus der

Barmherzigen Brüder kommen als erste in den Genuss wöchentlicher FAIRTRADE-Menüs.

2012 Zivilgesellschaft-liches Engagement:

14 FAIRTRADE-Gemeinden betei-ligten sich mit 28 verschiedenen Projekten am 1. FAIRTRADE-Ge-meindewettbewerb.

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Raúl del ÁguilaVorstandsmitglied von Fairtrade International, Präsident des kleinbäuer-lichen FAIRTRADE-Produ-zentInnennetzwerks CLAC in Lateinamerika

Der faire Handel ist eine organisierte Bewegung, die gerechteren Handel fördert und ProduzentInnen, Handel, Industrie und Endkonsu-mentInnen verbindet. Eine der wichtigsten Veränderungen der letzten Jahre auf Produzentenseite war die Einbeziehung der Kleinproduzen-tInnen in die Entscheidungsgremien des internationalen FAIR TRADE-Netzwerkes. Die Organisationen und Kooperativen innerhalb des FAIRTRADE-Netzwerkes wurden durch den gerechteren Preis für ihre Produkte, aber auch durch Kapazitätsentwicklung sowie neue Metho-den für Herstellung und Vermarktung von hochwertigen, sozial und öko-logisch verträglichen Produkten gestärkt.

Auf lokaler Ebene haben sich ProduzentInnennetzwerke gebildet, die gemeinsam wirkungsvoller für Grundbedürfnisse eintreten können, zum Beispiel für die Verbesserung grundlegender Sozialleistungen, von Kom-munikation und Ernährungssicherheit, für die Beseitigung von Ungleich-heiten am Markt und für Maßnahmen zur Reduktion der Auswirkungen des Klimawandels. Auch länderübergreifend entstanden Netzwerke, die nach und nach eine gleichberechtigte Beteiligung an den Eigentums- und Governance-Strukturen des FAIRTRADE-Netzwerkes und über den Erfahrungsaustausch Weiterentwicklung in ihren Gemeinschaften be-wirkt haben. In den Ländern des Südens haben sich mittlerweile zahl-reiche Initiativen für den fairen Handel entwickelt.

Gleichzeitig haben sich neue Herausforderungen aufgetan: Es be-darf verbesserter Zugänge zu langfristigen Krediten, die Investitionen zur Verbesserung von Produktivität und Produktqualität ermöglichen. In den Produktherkunftsländern muss – von der Rohstoffproduktion bis

zur Endverarbeitung – mehr Wertschöpfung generiert werden. Die FAIR-TRADE-Standards müssen klar, unkompliziert und für die Kooperativen verständlich sein; sie dürfen keine hohen Kosten verursachen. Weitere kleinbäuerliche Produzentenorganisationen müssen Zugang zum Netz-werk bekommen.

Seit der faire Handel weltweit vorangetrieben wird, hat sich der Markt völlig verändert. Es gibt verantwortungsbewusstere Endverbrau-cherInnen, die sich für Herkunft, Produktionsbedingungen und Um-weltfragen interessieren. In allen Wirtschaftsbereichen ist von sozialer Verantwortung die Rede. Diese Art des Handels führt zu einer Einstel-lungsänderung − nicht nur bei den Endverbraucherinnen und -verbrau-chern, sondern auch im Handel, in der Industrie, in den internationalen Beziehungen und bei den politischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern.

Trotz allem muss der faire Handel auch weiterhin in der Lage sein, für das Leben von Millionen von benachteiligten kleinbäuerlichen Produzen-tInnen eine positive Wirkung zu erzielen; er muss Auslöser für Entwick-lung sein, denn ohne sie ist er nichts weiter als eine Handelstätigkeit wie jede andere.

Nachhaltige Entwicklung für benachteiligte ProduzentInnen Ein Beitrag von Raúl del Águila, Vorstandsmitglied von Fairtrade International

DER FAIRE HANDEL MuSS AuSLÖSER FüR ENTWIckLuNG SEIN.

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Zahlen & Fakten20 Jahre FAIRTRADE Österreich

MILLIONENSEIT 1993$140

GINGEN DuRcH DEN VERkAuF VoN FAIRTRADE- PRoDukTEN IN ÖSTERREIcH ALS DIREkTEINNAHMEN AN DIE PRoDuZENTENoRGANISATIoNEN IM SüDEN.

85 % DER ÖSTERREIcHERINNEN UND ÖSTERREIcHER KENNEN DAS FAIRTRADE-GÜTESIEGEL UND 9 VON 10 VON DIESEN HABEN VERTRAUEN IN DAS FAIRTRADE-GÜTESIEGEL.

Quelle: GlobeScan-Studie 2011

MILLIONEN KLEINBäUERINNEN, -BAUERN UND ARBEITER/INNEN IN LäNDERN661,2

ÜBER

PRoFITIEREN DIREkT VoN DEN VoRTEILEN DES FAIREN HANDELS.Quelle: Fairtrade International 2012

PRODUZENTEN-ORGANISATIONEN WELTWEIT991ARBEITEN MIT DEN FAIRTRADE-STANDARDS.Quelle: Fairtrade International 2012

Umsatz 2011: 100 Mio. EUR.

Jahr der Einführung

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Gründung von FAIRTRADE Österreich

uMSATZENTWIckLuNG 2002–2011 NAcH PRoDukTGRuPPEN IN MIo. EuR

Im internationalen Ländervergleich sind Großbritannien, Irland, die Schweiz, Österreich

und Finnland die führenden Märkte, in denen sich die KonsumentInnen am stärksten für fairen Handel interessieren.“

Quelle: GlobeScan-Studie 2011

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Fair Stories aus dem globalen Süden

Togo

Sambia

Malawi

Ruanda

Benin

Elfenbeinküste

Senegal

Sao Tomé & Principe

Simbabwe

Mauritius

Äthiopien

Kenia

Uganda

Tansania

Mosambik

Südafrika

Madagaskar

Komoren

Swasiland

Ghana

Burkina Faso

Kamerun

Palästina

Ägypten

TunesienPakistan

Indien

Sri Lanka

Kirgisistan

Thailand

China

Demokr. VR Laos

Indonesien

Vietnam

Philippinen

Papua-Neuguinea

Fiji

Costa Rica

Nicaragua

Honduras

Belize

El Salvador

Guatemala

Mexiko

Kolumbien

Ecuador

Peru

Chile

Brasilien

Bolivien

Paraguay

Argentinien

Guyana

Uruguay

Panama

Kuba

Haiti

Dominikanische Republik

St. Lucia

St. Vincent & die Grenadinen

Marokko

Mali

Sierra Leone

Die Präsenz von FAIRTRADE-zertifizierten Kooperativen oder Plantagen in einem bestimmten Gebiet hat nicht nur

positive Auswirkungen auf die Produzentenorganisation, sondern auch auf die ländliche Entwicklung der jeweiligen Region.“

Quelle: CeVal-Wirkungsstudie zur Förderung ländlicher Entwicklung und Armutsreduktion durch FAIRTRADE, 2012

* Kleinbäuerinnen, -bauern, ArbeiterInnen auf Plantagen und deren Familien und Dorfgemeinschaften.

7,5 Millionen* Menschen profitieren

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Fair Stories aus dem globalen Süden

Dass Kaffee die Ökonomie von Nicaragua bestimmt, sieht man schon allein auf der Fahrt nach Matagalpa im Norden des Landes: Oft nur wenige Meter vom Straßenrand stehen zwei bis zweieinhalb Meter hohe, kräftig grüne Kaffeesträucher, dicht an dicht gepflanzt. Jetzt, Mit-te Oktober, am Ende der Regenzeit sind die reifen roten Beeren noch in der Minderzahl.

Die Frauenkooperative „Buenos Aires“Viele der Kaffeebauern und -bäuerinnen sind Mitglieder lokaler Ko-

operativen. Damit machen sie sich von den einheimischen Händlern unabhängig, welche die KleinproduzentInnen unter Druck setzen und Kaffee zu indiskutabel niederen Preisen ankaufen.

Die 55-jährige Bäuerin Dionicia Valdivia hat eine reine Frauenkoope-rative auf die Beine gestellt. Wie die meisten Kaffeebäuerinnen der Regi-on bewirtschaftet sie nur eine sehr kleine Anbaufläche in der Größe von etwa drei bis fünf Manzanas, das sind umgerechnet zwei bis dreieinhalb Hektar Land. Ihre auf 925 Metern Meereshöhe gelegene Finca trägt den Namen „Buenos Aires“.

Dionicia Valdivia ist geschieden und Mutter von 13 Kindern. Die Koo-perative hat sie gegründet, nachdem ihr Ehemann nicht nur gegen sie, sondern auch gegen seine Kinder handgreiflich geworden war. Leicht ist ihr dieser Schritt dennoch nicht gefallen, erzählt sie. Doch heute ist

Eine nicaraguanische Kaffeebäuerin erzähltAus dem FAIRTRADE-Reisetagebuch von Nikolaus Scholz (oRF), Nicaragua 2011

Dionicia Valdivia ist Mitglied von cEcOcAFEN, des 1997 gegründeten Dachverbands der Kaffeekooperativen des Nordens. Bereits 1993 waren klein-bäuerliche Kooperativen aus dieser Region FAIRTRADE-zertifiziert und lieferten Bohnen für den ersten zertifizierten Bio-FAIRTRADE-Kaffee in Österreich, den EZA-Kaffee Nica. Dass der faire Handel wirkt, zeigt sich an zahlreichen (Sozial-)Projekten, die bei CECOCAFEN mithilfe der FAIRTRADE-Prämie finanziert wurden: beispielsweise der Errichtung der Kaffeeverarbeitungsanlage „Beneficio Solcafe“ sowie von Bildungseinrichtungen, Stipendien für 400 bis 500 Jugendliche (Volks-, Mittel-, höhere Schulen), der Ausbildung von Ärztinnen/Ärzten, dem Ausbau der Infrastruktur (Geräte, Medikamente), der Durchführung von Programmen zur Ver-besserung der Ernährungssicherheit und der Einrichtung von Mikrokrediten für Frauen der Mitgliederkooperativen.

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sie stolz auf ihre Entscheidung, betont Dionicia Valdivia: „Ich sehe mich schon in einer Art Vorreiterrolle, denn andere Frauen sind meinem Bei-spiel gefolgt. Sie haben gesehen, dass sie auch ohne Ehemann hervor-ragend wirtschaften können. Meine Kinder haben mich sehr bei meinen Bestrebungen unterstützt und bewirtschaften heute ihre eigenen Par-zellen.“

Dass sie und ihre Kinder heute eigene Parzel-len bewirtschaften können, hat sich die re-solute Bäuerin hart erkämpfen müssen. Grund und Boden waren ursprünglich im Besitz ihres Mannes, und auch die Verkaufserlöse der Ernte flossen vor der Scheidung ausschließ-lich in seine Tasche.

Was die Arbeit auf den Kaffeefeldern betrifft, hat-ten noch vor wenigen Jahren nur die Männer das Sagen. Die Frauen wurden bloß als Ar-beitskräfte ausgenutzt. Dionicia Valdivia war eine der wenigen Frauen, die sich schon früh gegen die traditionellen Struk-turen auflehnte.

Kein Leben ohne KaffeeHeute produziert die Bäuerin mit

den anderen 24 Frauen der Kooperative

Kaffeebohnen, die unter einer Vielzahl von Schattenbäumen heranrei-fen. Und sie ist stolz auf die hervorragende Qualität ihrer Bohnen.

„Man sollte nur die roten Beeren abpflücken und die grünen am Ast lassen, bis auch diese reif sind. Natürlich gibt es eine effizientere Ern-temethode, die des Abstreifens: Dabei erwischt man jedoch auch un-

reife, grüne Beeren und beschädigt die Ästchen. Dadurch hat man bei der nächsten Ernte einen geringen Ertrag“, erklärt Dionicia

Valdivia.Ein Leben ohne Kaffee kann sich Dionicia Valdivia kaum vorstellen, auch wenn sie bereits bescheidene

Einnahmen aus dem jüngst initiierten Dorftouris-mus erwirtschaften konnte.

Eine nicaraguanische Kaffeebäuerin erzählt

SteckbriefFAIRTRADE-Kaffee

1993 Einführung von FAIR TRADE- Kaffee in Österreich. Erster FAIRTRADE-Kaffee eines österreichischen Lizenz-partners in Österreich: EZA-Kaffee Nica.

489.200 Tassen FAIRTRADE-Kaffee werden täglich in Österreich getrunken (Stand: 2011).

100 % Kaffee aus FAIRTRADE-zertifi-ziertem Anbau befinden sich in jeder Kaffeepackung mit dem FAIRTRADE-Gütesiegel.

80 % der FAIRTRADE-Kaffeesorten in Österreich stammen aus biologischem Anbau (Stand: 2012).

2011 Start der Initiative „coffee Action Plan“ von Fairtrade International. Der Maßnah-menplan umfasst u. a. einen Fonds zur Vorfinanzierung größerer Investitionen sowie den Coffee Help Desk zur Unterstützung bei Liefer-problemen, ein Fortbildungs-programm mit Trainings für Preisverhandlungen und Risi-komanagement, die Förderung des Know-how-Transfers für verbesserte und umweltscho-nende Anbaumethoden sowie die Unterstützung qualitätsför-dernder Methoden zur Weiter-verarbeitung der Kaffeeboh-nen.

SEIT 1993 WURDEN IN ÖSTERREIcH12 MILLIONEN KILO GRAMM

F A I R T R A D E - KAFFEE KONSU-MIERT.DIESE MENGE FÜLLT

300 GÜTER-WAGGONS.

12 Mio. kg

20131993

12 13

Was 1977 als Zusammenschluss einer Handvoll Kleinbäuerinnen und -bauern in der tropischen Region um Alto Beni in Bolivien begann, ist eine eindrucksvolle Erfolgsgeschichte geworden. „Am Anfang haben sich zehn Basiskooperativen zu El Ceibo zusammengetan. Heute um-fasst El Ceibo 50 Basiskooperativen mit rund 1200 Mitgliedern“, erzählt Francisco Reynaga, langjähriger Präsident von El Ceibo, einer der ältes-ten Kakaokooperativen in Bolivien. Seit vielen Jahren beziehen öster-reichische FAIRTRADE-LizenzpartnerInnen wie die EZA Fairer Handel GmbH oder die Schokoladenmanufaktur Zotter Kakaobohnen von El Ceibo für verschiedene Schokoladensorten.

„Unsere Vision war es, gemeinsam stark zu werden, um für unsere Kinder eine bessere Zukunft zu schaffen und den folgenden Generati-onen eine gesunde Umwelt zu hinterlassen. Ökolandbau und die FAIR-TRADE-Zertifizierung waren für die Kooperative eine logische Weiterent-wicklung“, erklärt Reynaga in seiner ruhigen, aber bestimmten Art.

Vom Rohkakaolieferanten zum EdelschokoladenproduzentenWie Tausende andere Familien wurde seine Familie Anfang der

1960er-Jahre vom Staat wegen Landknappheit und einer Krise der Bergbauindustrie aus dem bolivianischen Hochland ins 4000 m tiefer gelegene Amazonasgebiet umgesiedelt. Den Kakaoanbau mussten die-se Familien erst erlernen.

FAIRTRADE als LebenskonzeptEine FAIRTRADE-Erfolgsgeschichte von Francisco Reynaga (Bolivien), 2012

Fair Stories aus dem globalen Süden

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Während El Ceibo in den Anfängen vor allem Rohkakao für den Export produzierte, begann man nach und nach auch Halbfertigfabrikate wie Ka-kaobutter und Kakaomasse sowie fertiges Kakaopulver herzustellen, wo-mit deutlich mehr Wertschöpfung erzielt werden kann. „Wir wollten nicht mehr nur Rohstofflieferanten sein, sondern unsere Ernte auch selbst wei-terverarbeiten“, so Reynaga. Eine genossenschaftseigene Fabrik wurde errichtet, in der bereits in den 1980er-Jahren Schokoladen für den hei-mischen Markt hergestellt wurden. Seit 2008 werden die Edelschokola-den unter der El-Ceibo-Eigenmarke auch für den Export angeboten.

„Nur weil wir zusammenstehen, haben wir es geschafft, als Klein-bauernkooperative eine eigene Schokoladenfabrik von internationalem Format aufzubauen“, betont Francisco Reynaga nicht ohne Stolz die Be-deutung der Kooperative.

Gemeinsam stark: verbesserte Marktzugänge durch FAIRTRADEEl Ceibo bietet seinen Mitgliedern vielfache Vorteile und Zukunfts-

perspektiven: An erster Stelle steht der gesicherte Marktzugang. Da-rüber hinaus bekommen die Mitglieder Zugang zu Informationen und können verschiedene Leistungen der Kooperative nutzen, zum Beispiel technische Unterstützung, aber auch verschiedene Bildungsangebote im Bereich Landwirtschaft, Administration und Genossenschaftswe-sen. Zudem gibt es einen Gesundheitsvorsorgefonds sowie einen mit FAIRTRADE-Prämien mitfinanzierten Rentenfonds.

Mit Innovation und Nachhaltigkeit in eine selbstbestimmte Zukunft

Um die wichtigste Säule von El Ceibo, den Kakaoanbau und die Schokoladenproduktion, für die Zukunft abzusichern, hat die Koopera-tive begleitende Projekte gestartet. Im Rahmen der Fundación PIAF − El Ceibo, einer Organisation für nachhaltige Waldbewirtschaftung, wurde

eine Saatgutbank errichtet, aus der die Mitglieder Saatgut für geeignete, regionaltypische Kakaosorten beziehen können, die vorab auf einer ei-genen Parzelle getestet wurden.

Es gibt aber auch Aktivitäten abseits der Produktion. Etwa die Grün-dung einer eigenen Mikrofinanzbank für die Mitglieder oder das Ökotou-rismusprojekt „La ruta del cacao“. Aktuell ist die Gründung einer eigenen Universität geplant, in der fairer Handel, Genossenschaftswesen und ökologischer Landbau im Zentrum stehen.

Dazu Francisco Reynaga: „Wir wachsen langsam, aber dafür gehen unsere Träume früher oder später immer in Erfüllung.“

FAIRTRADE als Lebenskonzept

SteckbriefFAIRTRADE-Schokolade

1996 Einführung von FAIRTRADE- Schokolade in Österreich.

> 4 Mio. Tonnen FAIRTRADE-Schokola-de wurden seit 1996 in Öster-reich vernascht.

95 % der Schokoladen mit FAIRTRADE-Gütesiegel in Österreich enthalten Zutaten aus biologischem Anbau.

141.000 kleinbäuerliche Kakaoprodu-zentInnen in 19 Ländern sind Teil des FAIRTRADE-Netz-werkes (Fairtrade International/Stand 2012).

Kinderarbeit ist vor allem auf den Kakaoplantagen in Westafri-ka nach wie vor ein Thema. Die FAIRTRADE-Standards schließen ausbeuterische Kinderarbeit aus. Der faire Handel bietet den Bäue-rinnen und Bauern die Möglichkeit einen festen Mindestpreis für ihren Kakao zu erwirtschaften, sodass sie ihre Lebensqualität steigern können und nicht mehr darauf angewiesen sind, dass ihre Kinder zum Familien-Einkommen beitragen.

SEIT 1996 WURDEN IN ÖSTERREIcH 4100 TONNEN FAIRTRADE-

SCHOKOLADE GEGESSEN. DIESE MENGE IST FAST 10 x SO ScHWER WIE DAS RIESEN-RAD IN WIEN.4100 t

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Die Straße ist endlos. Nach Stunden auf einem Asphaltband durch ein Spalier von Bananenplantagen verlässt unser Kleinbus die Ebene und schraubt sich eine staubige Bergstraße hoch. Kurve um Kur-ve geht es die Hügel hinauf. Wir befinden uns im Bezirk Machala der Pro-vinz El Oro im Süden Ecuadors. Bananenland. In der Ebene die Groß-plantagen internationaler Konzerne, auf den Hügeln riesige tropische Bäume, Affen- und Vogelgeschrei, an den Hängen kleine Bauernhäuser. Zu einer dieser Bauernfamilien sind wir unterwegs. Um zum Anwesen der Familie Quesada zu kommen, parken wir den Bus an der letzten Kehre, schultern unsere TV-Kameras und Mikrofone und marschieren los. Auf drei rutschigen Baumstämmen überqueren wir einen reißenden Gebirgsbach. Gut, dass wir feste Schuhe anhaben und schwindelfrei sind. „Wie schaffen sie es bloß, die schweren Bananenkisten über die-sen Weg nach unten ins Dorf zu bringen?“, denke ich mir.

Ecuador ist der größte Bananenexporteur der Welt. Einen kleinen Bei-trag zu dieser Menge leistet die Biobäuerin Julieta Quesada. 50 Kisten pro Woche schleppen sie, ihr Mann José und die erwachsenen Söhne über den Wildbach vor ihrem Haus auf die Straße, wo der Tragesel und manchmal ein LKW warten. Die Quesadas sind kleine Bananenbauern. Ihre Früchte kommen nicht von einer chemiegesättigten Plantage. Sie wachsen im Regenwald, neben Kaffeesträuchern, Kakao-, Mango- und Papayabäumen. Biobananen im besten Sinn. Und „FAIRTRADE“.

Aufenthalte in Peru und Ecuador überzeugten uns, dass durch die FAIRTRADE- Prämien die Arbeits-

und Lebensbedingungen der Menschen vor Ort laufend verbessert werden.“

Bruno Melchart, Geschäftsführer der Bruno Melchart GmbH (Reiferei und Großhandel für Obst und Gemüse,

u. a. FAIRTRADE-Bananen)

Gelbe Frucht auf grünen HügelnAus dem FAIRTRADE-Reisetagebuch von Michael Fröschl (oRF Wien), Ecuador 2006

Fair Stories aus dem globalen Süden

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Julieta und José Quesada gehören wie 450 andere Kleinbauern zur zertifizierten Kooperative El Guabo in Machala, die ihnen die Früchte zu einem fixen Preis abnimmt.

Gesichertes Einkommen dank fairem HandelFür die 53-jährige Bäuerin sind die gerechten Preise und

die garantierte Abnahmemenge ein Segen. „Früher haben die Zwischenhändler einmal mehr und einmal weniger ge-kauft“, erzählt sie. Jetzt hat die Familie ein gesichertes Einkommen und kann sich mehr leisten. „Wir wis-sen, dass wir jeden Tag etwas zu essen haben, weil wir jede Woche das Geld von der Genos-senschaft bekommen“, so Julieta Quesada. Von ihren zehn Kindern geht die jüngste Toch-ter als erstes ins Gymnasium. Ohne den fairen Handel wäre das nicht möglich. Der größte Traum der 14-jährigen Inelda ist ein eigener Computer. Aber den können ihr weder die Eltern noch die FAIRTRADE-Kooperative bezahlen.

FAIRTRADE muss sich immer weiter-entwickeln

Szenenwechsel in die Kleinstadt am Fuß der Berge. In der offenen Gemeindehalle am stau-bigen Hauptplatz treffen einander rund 50 Klein-bäuerinnen und -bauern der Kooperative. Eine Voll-versammlung zu Ehren der ausländischen Gäste. Das Gespräch kommt schnell zur Sache. Die Bäuerinnen und Bau-ern sind an sich zufrieden mit dem fairen Handel − sie profitieren

von den höheren Einnahmen und der FAIRTRADE-Prämie für Soziales, Infrastruktur und Bildung, mit denen sie einen

Kindergarten und Gesundenuntersuchungen finanzieren. Aber sie stellen uns Fragen: Wieso differenziert das Sy-stem nicht nach der Art und Mühsal des Anbaus? Wieso

kann man in Europa im Supermarkt für faire Früchte, die hier im Hochland wachsen, nicht einen höheren Preis als für

FAIRTRADE-Produkte aus einer Plantage in der Ebene verlan-gen, wo der Anbau viel leichter ist und es weniger Biodiversität

gibt?Denn im Hochland wachsen die Bananenpflan-

zen in einer natürlichen Umgebung voller Ar-tenvielfalt. Dementsprechend haben die

Kleinbauernfamilien mehr Arbeit bei weni-ger Ertrag pro Hektar, bekommen aber denselben FAIRTRADE-Mindestpreis. Die Erklärung, dass der europäische Konsument mit verschiedenen Prei-sen und Qualitätsstufen überfordert

wäre und der Handel das nicht ak-zeptieren würde, stellt die Genos-senschaftsmitglieder nur teilweise

zufrieden. Sie sind stolz auf die Qualität ihrer Produkte und zeigen

auf, dass das FAIR TRADE-Netzwerk immer wieder überdacht werden muss. Darum werden die FAIR-TRADE-Produktstandards laufend

weiterentwickelt.

Gelbe Frucht auf grünen Hügeln

SteckbriefFAIRTRADE-Bananen

2002 Einführung von FAIRTRADE- Bananen in Österreich.

2003 FAIRTRADE-Bananen sind ganzjährig im Lebensmittelhan-del erhältlich.

75.000 Tonnen FAIRTRADE-Bananen wurden seit 2002 in Österrei-ch verkauft.

100 % der FAIRTRADE-Bananen in Österreich stammen aus biolo-gischem Anbau (Stand: 2012).

20 % aller im österreichischen Einzelhandel angebotenen frischen Bananen trugen 2012 das FAIRTRADE- Gütesiegel.

> 18.000 kleinbäuerliche Bananenpro-duzentInnen und Lohnarbeite-rInnen auf Bananenplantagen sind Teil des FAIRTRADE-Netz-werkes (Fairtrade International/Stand 2012).

75 % der befragten Bananenbäue-rinnen und -bauern in Ecuador bestätigten in einer Umfrage der University of Sussex (2011), dass sich durch FAIRTRADE ihr Einkommen und die Lebenssitu-ation ihrer Familie in den letzten drei Jahren verbessert haben.

2012 Stärkung der ArbeitsrechteDas FAIRTRADE-Gütesiegel ge-währleistet, dass die so gekenn-zeichneten Produkte unter Einhal-tung strenger Standards in Bezug auf Arbeitsbedingungen, soziale Rechte und Sicherheit am Arbeits-platz sowie in Übereinstimmung mit den nationalen Gesetzen und ILO-Konventionen fair produziert und gehandelt werden. Fairtrade International verabschiedete 2012 eine neue Strategie für Arbei-terInnen auf Plantagen zur wei-teren Verbesserung ihrer Situation.

ALLE FAIRTRADE-BANANEN, DIE SEIT 2002 IN ÖSTERREIcH VERZEHRT WURDEN, ER-GEBEN EINE STREcKE VON 65.000 KILOMETERN. DIESE STREcKE ENTSPRICHT DEM 1,5-FACHEN UMFANG DER ERDE!

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Drei Stunden brauchte Anna Johanna, 37, aus dem kleinen afri-kanischen Dorf Chekereni bis vor Kurzem, so erzählte sie mir, um mit einem riesigen Wasserkanister am Kopf bis zum nächsten Fluss und wieder zurück zu gelangen − und das zweimal am Tag! Jetzt gibt es im Dorf eine wesentliche Erleichterung: Man hat einen Brunnen gebaut und Wasserleitungen verlegt. Möglich wurde das durch FAIRTRADE. Kiliflo-ra, die größte Rosenfarm in Tansania, bezahlte die Baukosten in Höhe von 600.000 Dollar mit FAIRTRADE-Prämien.

Die FAIRTRADE-Prämie ist jener kleine Aufschlag, den Konsumen-tInnen in aller Welt für fair gehandelte Produkte zahlen. Bei den Rosen aus Tansania sind es ungefähr zehn Prozent des Exportpreises. Heute gibt es bei uns im Lebensmittelhandel sieben FAIRTRADE-Rosenarten aus Afrika schon um 2,99 Euro, also um wenig Geld, mit dem man trotz-dem etwas bewirken kann.

Bessere Einkommen und ArbeitsbedingungenIn Tansania hatte ich Gelegenheit, die große Rosenfarm Mount Meru

Flowers am Fuß des Kilimandscharo zu besuchen: Sie ist die zweitgrößte Rosenfarm in Tansania und hat 350 MitarbeiterInnen. Sie gehört mehr-heitlich dem Österreicher Herwig Tretter und ist FAIRTRADE-zertifiziert. Ich konnte mich vor Ort vergewissern, dass der FAIRTRADE-Aufschlag nicht irgendwo im Sand versickert.

Rosen aus TansaniaEin FAIRTRADE-Reisebericht aus Tansania von Susanne Brosch (Neue kronen Zeitung), 2011

Fair Stories aus dem globalen Süden

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Die 10-prozentige FAIRTRADE-Prämie muss zum Wohl der Arbeit-nehmerInnen verwendet werden; eine Art Betriebsrat ist in der Firma dafür verantwortlich und überwacht die Verwendung der Gelder. Laut Erzählungen der MitarbeiterInnen wurden mit den Geldern in letzter Zeit Schulen und Kindergärten errichtet, Schulgeld für Kinder der Mitarbeite-rInnen bezahlt und diverse medizinische Einrichtungen finanziert.

Generell sichern die FAIRTRADE-Prämien auch in Tansania bessere Einkommen und gerechtere Arbeitsbedingungen. Bei Mount Meru Flow-ers zum Beispiel wird in weiten Bereichen versucht, mit möglichst wenig schädlichem Kunstdünger auszukommen oder ganz auf ihn zu verzich-ten. Man setzt dafür eigene Käfer ein, die Schädlinge von den Rosen abhalten und Pestizide vermeiden helfen.

Auf Mount Meru Flowers gibt es sogar eine nette Kantine für die Mit-arbeiterInnen − in Afrika alles andere als selbstverständlich. Rosenfarm-Chef Herwig Tretter ist mit FAIRTRADE sehr glücklich: „Die Prämie ist ein kleiner Aufschlag auf den Preis, über den sich für die MitarbeiterInnen Möglichkeiten ergeben, die es hier in Afrika leider sonst nicht gibt.“

Das FAIRTRADE-Netzwerk lohnt sich aber auch wirtschaftlich. Die österreichischen KonsumentInnen verlangen nach FAIRTRADE-Rosen. Mittlerweile setzen alle großen Lebensmittelketten in Österreich voll auf FAIRTRADE-Rosen − ziemlich oft werden welche von der Rosenfarm Mount Meru Flowers dabei sein.

Rosen aus Tansania

SteckbriefFAIRTRADE-Rosen

2005 Einführung von FAIRTRADE- Rosen in Österreich.

30 % aller jährlich nach Österreich importierten Schnittrosen sind bereits FAIRTRADE-Rosen.

>110 Mio. FAIRTRADE-Rosen wurden bisher in Österreich verkauft (Stand 1. Halbjahr 2012).

Die Einhaltung von Umwelt-standards, die in den sogenannten Entwicklungsländern kaum beach-tet werden, ist bei FAIRTRADE-Pro-duktionen garantiert. Für den was-seraufwendigen Rosenanbau etwa gibt es verpflichtende Vorschriften für ein nachhaltiges Wasserma-nagement und für eine möglichst wassersparende Produktion. Für die Sicherheit und Gesundheit der Belegschaft − vor allem im Hinblick auf Pestizideinsatz und gefährlichen Abfall − sind strenge Schutzmaß-nahmen einzuhalten.

SEIT 2005 WURDEN IN ÖSTERREIcH ÜBER 110 MILLIONEN FAIRTRADE-ROSEN VERKAUFT. DAS SIND ZWEI STRÄUSSE PRO ÖSTERREIcHER BZW. ÖSTERREIcHERIN.

Die Prämie ist ein kleiner Aufschlag auf den Preis,

über den sich für die Mitarbei-terInnen Möglichkeiten erge-ben, die es hier in Afrika leider sonst nicht gibt.“

Herwig Tretter, Geschäftsführer Mount Meru Flowers

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Mithila Dalapati liebt ihr Dorf. Ihr ganzes Leben hat die zarte Inderin auf dem Feld für ihre Familie gearbeitet. Vier Kinder haben sie und ihr Mann großgezogen, erzählt sie im Schatten eines uralten Wur-zelbaums. Dem Traum von einer leichteren Arbeit in der Stadt hat sie nie nachgehangen. Tonkrüge sind in die ineinander verschlungenen Äste des Baums gestapelt, Büffel reiben sich an seinem Stamm, auf einem großen bunten Teppich hat sich der halbe Ort Kumkal eingefunden, um einen Einblick in das Leben mit und von der Baumwolle zu geben. Vom aufstrebenden Indien mit seiner boomenden IT-Branche ist hier im länd-lichen Odisha am Golf von Bengalen nichts zu sehen.

Tiefe Schlaglöcher machen die Fahrt in die nächste größere Stadt Bhawanipatna zu einem stundenlangen staubigen Hindernisparcours. Strom ist Mangelware, gute Krankenversorgung rar und für die meisten unfinanzierbar. Wegen des tiefen Grundwasserspiegels ist sauberes Wasser schon seit Generationen Luxus. 86 Familien teilen sich drei Brunnen; bis sich ein Kübel füllt, braucht es nicht selten eine halbe Stun-de. Zwei bis drei Hektar Land besitzt eine Familie im Schnitt. Fürs Über-leben reicht das nicht aus. Um die Landflucht zu bremsen, garantiert die indische Regierung den Männern Arbeit für hundert Tage im Jahr.

Mithila Dalapati hat ihren einzigen Sohn auf ein College in die Stadt geschickt. Für die jährlichen Schulkosten von 3000 Rupien könnte sie Le-bensmittel für zwei Monate kaufen. Rund 42 Rupien erhält sie für ein Kilo

Baumwolle, das weiße Gold IndiensAus dem FAIRTRADE-Reisetagebuch von Verena kainrath (Der Standard), Indien 2012

Fair Stories aus dem globalen Süden

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geerntete Baumwolle. Es wäre schön, wenn ihr Sohn Arzt oder Lehrer wer-den könnte, sinniert sie. Sie wünscht sich aber auch, dass er irgendwann ins Dorf zurückkehrt und die Familie in der Landwirtschaft unterstützt.

Zahlreiche RisikenIndien ist nach China und den USA der drittgrößte Exporteur des wei-

ßen Goldes und liefert ein Fünftel der weltweiten Produktion, doch dies weit abseits westlicher Standards. Das Geschäft obliegt in Indien überwie-gend Kleinbäuerinnen und -bauern, geerntet wird händisch. Und die stark schwankenden Weltmarktpreise sind nur eines der unzähligen Risiken.

Rund 90 Prozent der indischen Baumwollbäuerinnen/-bauern setzen gentechnisch verändertes Saatgut ein. Es verspricht zwar höhere Erträ-ge und kurzfristig Resistenzen gegen Schädlinge. Doch Jahr für Jahr muss neues gekauft werden, ein Markt, den der US-Konzern Monsanto kontrolliert. Gut ein Viertel des Ertrags geht dafür auf, um 15 Prozent mehr als bei konventioneller Saat. Zugleich steigt der Einsatz von teuren Düngemitteln, der Pestizideinsatz bleibt hoch. Missernten oder stark fal-lende Preise treiben die Landwirte immer wieder in die finanzielle Bre-douille und nicht selten in den Selbstmord: 260.000 Menschen nahmen sich in Indien in den vergangenen 16 Jahren das Leben, der Großteil von ihnen waren verschuldete Baumwollbauern.

Für mehr UnabhängigkeitPestizide kann sich die kleine Gemeinde Kumkal nicht leisten. Also

stellte sie auf biologischen Anbau um, der zwar mit mehr Einsatz, aber auch mit höheren Einnahmen verbunden ist. Und sie wurde Mitglied des Genossenschaftsverbands Chetna, der ihnen die Tür zum System des fairen Handels öffnete − unter der Voraussetzung, dass die entspre-chenden sozialen und ökologischen Standards eingehalten werden. Dafür winken statt 3500 Rupien pro Zentner Baumwolle 4150 Rupien.

Über die Verwendung der zusätzlichen Prämien wird gemeinschaftlich und demokratisch entschieden. Ziel ist es, diese unter anderem in ei-genes, nicht gentechnisch verändertes Saatgut zu investieren und da-mit ein Stück mehr Unabhängigkeit zu erreichen. Ein Nachbardorf, das schon vor Jahren auf FAIRTRADE umstellte, finanzierte sich mit der Prä-mie neben Schulungsräumen eine Reis- und Linsenmühle und gibt die Weiterverarbeitung seither nicht mehr aus der Hand. Die langfristigen Effekte: Mehr Geld für die Ausbildung der Kinder, die Chance, die eigene Existenzgrundlage auf dem Land abzusichern.

Nicht alles, was Indiens Bäuerinnen und Bauern fair und biologisch produzieren, lässt sich auch unter den entsprechenden Labels absetzen. In Österreich liegt der Anteil an FAIRTRADE-Baumwolle nach wie vor bei weniger als einem Prozent, 60 Prozent davon sind in Bioqualität. Doch in einigen Jahren sollen es zwischen drei und fünf Prozent sein. Und auch in Indien wächst ein kleiner, feiner Markt für FAIRTRADE-Produkte heran. Zielgruppe ist die urbane Oberschicht.

Baumwolle, das weiße Gold Indiens

SteckbriefFAIRTRADE-Baumwolle

2005 Mode aus FAIRTRADE-zertifi-zierter Baumwolle ist in Öster-reich erstmals erhältlich.

2008 Einführung von Heimtextilien aus FAIRTRADE-zertifizierter Baumwolle in Österreich.

100 % gentechnikfrei ist das Saatgut für Produkte aus FAIRTRADE-zertifizierter Baumwolle.

57 % der Baumwollkooperativen im FAIRTRADE-Netzwerk sind bio-zertifiziert (Fairtrade Interna-tional/Stand 2012).

FAIRTRADE-Baumwolle wird unter Einhaltung strenger Um-weltstandards kultiviert; die Klein-bauern und -bäuerinnen werden in den Bereichen Wasser- und Bodenschutz, alternative Schäd-lingsbekämpfungsmethoden und Sicherheit im Umgang mit Pestizi-den geschult. Die Baumwollproduktion ist näm-lich nicht nur sehr wasseraufwen-dig, sondern auch oft mit dem massiven Einsatz gesundheits- und umweltschädlicher Chemikalien verbunden.

20 21

Best of FAIRTRADE (in) Österreich

In den letzten 20 Jahren hat sich viel verändert. Dank Social Me-dia haben die KonsumentInnen heute sehr viel Macht. Eine nachhaltige, transparente und sozial verantwortliche Wertschöpfungskette ist ge-fragt. Das FAIRTRADE-Gütesiegel genießt großes Vertrauen und einen hohen Bekanntheitsgrad. FAIRTRADE wird für Handelsketten und große Unternehmen verstärkt zum Thema ihrer Nachhaltigkeitsagenda.

Die WegbereiterDie Alternative Trading Organizations, die den fairen Handel als ex-

klusives Geschäftsmodell bestimmt haben, waren vor 20 Jahren ihrer Zeit weit voraus. Sie waren die Ersten, die sich aus tiefster Überzeugung für diesen nicht immer einfachen Weg entschieden haben. „Wichtig ist es, die Kriterien des fairen Handels weiterhin hochzuhalten und noch mehr Menschen – KonsumentInnen wie PolitikerInnen – davon zu über-zeugen, dass Wirtschaft nur dann nachhaltig ist, wenn alle, auch die ProduzentInnen, davon leben können“, betont EZA-Geschäftsführerin Dkff. Andrea Schlehuber.

Für Josef Zotter ist der faire Handel eine logische Art, Handel zu betreiben: „Ich gehe davon aus, dass jemand, der seine Arbeit gerne macht, mir auch eine Ware mit besserer Qualität liefert, aus der wir bes-sere Schokolade machen können. Daraus ergibt sich eine bessere Wert-schöpfung für die einzelnen Bauern, für uns als Unternehmen und für die KundInnen, die ein ehrliches und gut schmeckendes Produkt bekom-men.“ Die Produktion in seiner Schokoladenmanufaktur hat Josef Zotter bereits im Jahr 2004 vollständig auf FAIRTRADE umgestellt.

Auch die Unternehmen BioArt, Frucht & Sinne und Göttin des Glücks stehen beispielhaft für ein zu 100 Prozent auf FAIRTRADE-Standards

umgestelltes Artikelsortiment. „Es tut weh zu sehen, welche katastro-phalen Umstände in herkömmlichen Produktionsbetrieben herrschen und wie sehr wir alle mit unserem täglichen Konsum dafür verantwort-lich sind“, so Lisa Muhr von Göttin des Glücks. „Wir haben mit eigenen Augen gesehen, welchen Riesenunterschied FAIRTRADE für die Men-schen in unserer Produktionskette macht.“

Mittelständische Unternehmen denken weiterOft sind es Familienunternehmen, die soziale Unternehmensverant-

wortung leben. So auch die Familie Pfanner, die 2001 mit FAIRTRADE-Orangensäften startete und seit 2012 der volumenstärkste Partner für FAIRTRADE-Säfte in Europa ist. Dazu Mag. Peter Pfanner: „Als Fa-milienunternehmen mit mehr als 150 Jahren Geschichte sind wir es gewohnt, langfristig und nachhaltig zu denken. Bei den exotischen Früchten vertrauen wir immer stärker auf FAIRTRADE […]. Das gegen-seitige Vertrauen basiert auf wirtschaftlicher, sozialer und nachhaltiger Fairness.“

Ebenfalls zu den Pionieren zählten bereits im Jahr 1995 der Gra-zer Kaffeeröster Hornig und 1996 die Familie Meinl, die schon damals einige der ersten FAIRTRADE-Kaffeesorten auf den österreichischen Markt brachten.

Die weitaus jüngere Firma Landgarten hat ihre Schokoladen-Pro-dukte seit 2009 auf FAIRTRADE umgestellt. „Wir freuen uns, ein Teil dieser großen Familie zu sein!“, meint Landgarten-Juniorchefin Kerstin Stava. Gemeinsam mit vielen anderen motivierten LizenzpartnerInnen in Öster reich steht das Unternehmen für den Erfolg der FAIRTRADE-Produkte am lokalen Markt.

Alle Macht bei den KonsumentInnen? Die ÖsterreicherInnen sind von Qualität der FAIR-TRADE-Produkte überzeugt:

Quelle: GlobeScan-Studie 2011

Gratulation! Vom Pfarrsaal in die

Super märkte – vom Nischen player zum Trendsetter. FAIRTRADE ist konkreter Ausdruck entwicklungs politischen Handelns in Österreich.“

Reinhard Heiserer, Geschäfts-führer von Jugend Eine Welt

45 %FAIRTRADE-Produkte sind gleich gut

3 % FAIRTRADE-

Produkte haben geringere Qualität

52 %FAIRTRADE-Produkte haben höhere Qualität

Der faire Handel ist eine logische Art Handel zu betreiben: Einerseits, um

einen halbwegs sozialen Ausgleich zu schaffen. Aber vor allem geht es mir um Qualität. Ein bisserl fair geht nicht. Und Schokolade kann ganz schön bitter sein, wenn sie nicht fair gehandelt ist.“

Josef Zotter, Schokoladenmanufaktur Zotter

Happy Birthday! Gut, dass es euch

gibt. Schade, dass es euch geben muss.“

DI Karin Okonkwo-Klampfer, Geschäftsleiterin der ÖBV −

Via Campesina Austria

22 23

Alle Macht bei den KonsumentInnen?

Bei FAIRTRADE-Baumwolle sind österreichische Unternehmen nicht nur innovativ, sondern setzen auch auf Transparenz: „Als Pionier im Be-reich Heimtextilien aus FAIRTRADE-zertifizierter Baumwolle haben wir 2007 als erstes Unternehmen in Österreich die Produktion von FAIR-TRADE-lizensierten Steppwaren aufgenommen. 2009 haben wir den FAIR TRADE-Code eingeführt“, so DI Peter Hildebrand, Geschäftsführer der REITER Betten & Vorhänge GmbH.

„Mithilfe des FAIRTRADE-Codes können KundInnen ganz ein-fach herausfinden, von welchen Produzentengruppen die verarbeitete Baumwolle stammt und wie sie den Bauern vor Ort durch ihren Einkauf helfen, deren Lebens- und Arbeitsbedingungen zu verbessern,“ ist auch Mag. Wilhelm Haböck, Geschäftsführer von Vossen, von der Seriosität des Labels überzeugt.

FAIRTRADE-Erfolgsgeschichten findet man auch bei österrei-chischen Importeuren. Der Wiener Rosengroßhändler Lukas Klimesch beispielsweise ist seit 2008 FAIRTRADE-Lizenzpartner und mittlerweile der wichtigste österreichische Importeur von FAIRTRADE-Rosen. Die Firma Bruno Melchart aus Oberösterreich importiert seit 2001 Millionen FAIRTRADE-Biobananen, lässt diese reifen und liefert sie an die hei-mischen Supermärkte. „Mithilfe von FAIRTRADE Österreich konnten wir den FAIRTRADE-Biobananen und -ananas einen fixen Platz im Lebens-mittelhandel sichern,“ blickt Seniorchef Bruno Melchart stolz zurück.

Scaling up 2020 – Der Weg in die MitteIn Österreich sind derzeit rund 750 verschiedene FAIRTRADE-Pro-

dukte von über 70 nationalen und internationalen Lizenzpartnerinnen und -partnern in mehr als 5000 Verkaufsstellen erhältlich.

Wichtiger Vorreiter bei FAIRTRADE-Produkteinführungen ist das Ti-roler Familienunternehmen MPREIS: „Bereits in den 1980er-Jahren be-gannen wir als erste Supermarktkette Österreichs, mit EZA-Kaffee fair gehandelte Waren anzubieten. Aus meinem persönlichen Anliegen, fair gehandelte Produkte aus Entwicklungsländern zu verkaufen, hat sich in den vergangenen Jahrzehnten eine äußerst erfolgreiche Zusammenar-beit entwickelt“, erklärt Mag. Anton Mölk, Geschäftsführer von MPREIS die Win-Win-Situation. Das Angebot an FAIRTRADE-Produkten wird laufend erweitert.

Umsatzentwicklung 2005–2011nach Produktgruppen in Mio. EUR

gesc

hätz

ter

Um

satz

(in

Mio

. EU

R)

2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011

100

90

80

70

60

50

40

30

20

10

0

Andere Produkte

Fruchtsäfte

Rosen

Schokoladeprodukte

Kaffee

Bananen

In letzter Zeit versu-chen viele Betriebe

mit Aktionen ihre soziale Verantwortung unter Be-weis zu stellen. Dabei wäre es so einfach, das FAIRTRADE-Gütesiegel zu verwenden. Das ein-zige Siegel für einen ge-rechten Preis und soziale Mindeststandards für ArbeitnehmerInnen. Ein Siegel – eine Vision, die für viele innerhalb weni-ger Jahre zur Wirklich-keit geworden ist. Uns ist gemeinsam gelungen, die Einkaufsmacht zu nutzen, um nicht nur darüber zu sprechen, sondern die Welt ge-rechter zu gestalten.“

Gerhard Riess, Gewerkschaft PRO-GE

Als Familienunternehmen sind wir es gewohnt, langfristig und nachhaltig

zu denken, dabei vertrauen wir immer stärker auf FAIRTRADE. Die direkte Nachvollziehbarkeit bis zum Bauern ist uns hierbei sehr wichtig. Wir sind stolz Teil dieser Bewegung zu sein!“

Mag. Peter Pfanner, Geschäftsführer der Herrmann Pfanner Getränke GmbH

Der FAIRTRADE-Code bietet umfas-sende Information über die Menschen in den Anbau-ländern, die hinter einem FAIRTRADE-Produkt stehen.

www.fairtrade-code.at

Hinter allen FAIRTRADE-Produkten stehen Menschen und ihre Geschichten.“

Mag. Wilhelm Haböck, Vossen GmbH.

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Best of FAIRTRADE (in) Österreich

Der Umsatz mit FAIRTRADE-Produkten erreichte in Österreich 2011 die 100-Millionen-Euro-Marke. Für die ProduzentInnen im Süden wur-den durch den fairen Handel in Österreich Direkteinnahmen in Höhe von 140 Millionen USD erzielt. Dieses exponentielle Wachstum wurde vor allem durch in ihrem Volumen und Wert bedeutsame Listungen im Le-bensmitteleinzelhandel und in Diskontmärkten, z.B. bei Hofer, möglich.

„Der Gedanke des fairen Handelns ist tief in der Nachhaltigkeitsstra-tegie der REWE Group verwurzelt. Eine Wertschöpfungskette, in der transparente Standards verankert sind und faire Partnerschaften gelebt werden, ist für uns ein wichtiger Eckpfeiler. Umso mehr freut es uns, dass FAIRTRADE Österreich diesbezüglich schon seit 20 Jahren wich-tige Aufklärungsarbeit leistet und die soziale Verträglichkeit von Pro-dukten in den Mittelpunkt rückt“, gratuliert Frank Hensel, Vorstandsvor-sitzender der REWE International AG zum FAIRTRADE-Jubiläum.

Eine Erfolgsgeschichte?Trotz aller Erfolge ist FAIRTRADE in Österreich nach wie vor eine Ni-

sche. Viele KonsumentInnen wünschen sich ein breiteres Sortiment und eine bessere Platzierung der FAIRTRADE-Produkte im Handel. Dem ge-genüber stehen zertifizierte Bauernkooperativen, die hohe Erwartungen an die FAIRTRADE-Labelorganisationen in den Konsumländern haben. Um diesen gerecht zu werden, bedarf es zusätzlicher Abnahmemen-gen, die durch große Partnerschaften ermöglicht werden können.

FAIRTRADE Österreich begrüßt die positiven Entwicklungen im Ei-genmarkenbereich der Handelsketten. Dass heute jede fünfte Banane in Österreich bereits fair gehandelt wird und durch die Umstellung von Kaffee-Eigenmarken der FAIRTRADE-Marktanteil bei Kaffee inzwischen bei ca. 4 % liegt, ist nicht zuletzt ihnen zu verdanken.

Dr. Gerhard Drexel, Vorstandsvorsitzender von SPAR Österreichische Warenhandels-AG, beschreibt soziale Verantwortung als zentralen Wert,

der fest in der Unternehmensphilosophie verankert ist: „Überzeugt von der FAIRTRADE-Idee und der hohen Qualität der FAIRTRADE-Produkte, führen wir seit 1999 äußerst erfolgreich inzwischen über 300 fair ge-handelte Waren. Wir nehmen die Verantwortung gegenüber den Men-schen ernst und setzen damit ein Zeichen für eine gerechtere Welt. […] Auch unter unseren SPAR-Eigenmarken führen wir heute bereits ca. 40 FAIRTRADE-Produkte. Die ständig wachsende Nachfrage der Kunden bestätigt uns: Mit FAIRTRADE handeln wir richtig!“

Es ist noch viel zu tunAuch wenn die KonsumentInnen ethische Kriterien für ihre Kaufent-

scheidung als relevant angeben, gibt es zwischen Wollen und Tun noch eine große Lücke.

Um den Weg aus der Nische in die Mitte zu finden und sich breiter aufzustellen, startet FAIRTRADE Österreich gemeinsam mit Fairtrade International mit einer umfassenden Strategie in das dritte Jahrzehnt seines Bestehens. KonsumentInnen erwarten nachvollziehbare Produk-tionsketten, Umweltverträglichkeit und erschwingliche Preise. Unter-nehmen fordern maßgeschneiderte Lösungen für ihre Wertschöpfungs-ketten. Die Herausforderung liegt in der Bündelung der Kräfte, ohne die Glaubwürdigkeit zu gefährden.

Alle Handels- und Lizenzpartner unter www.fairtrade.at/ unternehmen/partner-firma-werden/partner-firmen

Eine faire Zukunft ist für mich ei-ne Zukunft, in der nicht 1 % der

Weltbevölkerung 40 % Prozent des welt-weiten Vermögens gehören. Fair heißt für mich, dass alle dieselben chancen und Rechte haben, aber auch diesel-ben Pflichten wahrnehmen.“

Andreas M., Konsument

FAIRTRADE steht für ganz wichtige

Werte: soziale Gerech-tigkeit und ökologisches Bewusstsein müssen immer Hand in Hand gehen!“

Gerald Steindlegger, Geschäftsführer

WWF Österreich

Neben gerechten Preisen und Prämien

verbinden die Menschen mit FAIRTRADE vor allem den Gemeinschaftsaspekt und das Prinzip des Vertrauens.“

Heinz Hödl, Geschäftsführer Koordinierungsstelle der

Österreichischen Bischofs-konferenz

Finanzielle Partnerschaft auf gleicher Augenhöhe

ermöglicht es Millionen Men-schen, aus eigener Kraft der Ar-mut zu entfliehen. Jeder Mensch kann seinen Beitrag leisten und etwas verändern.“

Dr. Helmut Berg, OIKOCREDIT Austria

NAcHHALTIGE LÖSuNGEN FüR DIE ZukuNFT MüSSEN DEN ANFoRDE-RuNGEN VERScHIEDENER AkTEuRINNEN uND AkTEuRE GEREcHT WERDEN.

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Das FAIRTRADE-Gemeindeprojekt

2007 wurde das FAIRTRADE-Gemeindeprojekt erstmals in Österreich lanciert. Um FAIRTRADE-Gemeinde werden zu können, müs-sen die Gemeinden fünf Kriterien zur Verankerung des fairen Handels erfüllen.

2010 Graz wird die erste FAIR-TRADE-Landeshauptstadt Österreichs.

2012 In Niederösterreich, in Oberösterreich und in der Steiermark gibt es bereits 87 FAIRTRADE-Gemein-den, in Wien drei FAIR-TRADE-Gemeindebezirke.

2013 Start des FAIRTRADE-Gemeindeprojektes in Salzburg.

www.fairtrade-gemeinden.at

„Von 0 auf 100“ lautet die eindrucksvolle Bilanz: In nur knapp fünf Jahren wurden fast 100 Gemeinden zu FAIRTRADE-Gemeinden ernannt. Und es werden immer mehr Gemeinden, die sich engagieren möchten.

Hinter dem FAIRTRADE-Gemeindeprojekt steckt weit mehr als eine öf-fentlichkeitswirksame Initiative auf Kommunalebene. In einer FAIR TRADE-Gemeinde werden nicht nur Produkte mit dem FAIRTRADE-Gütesiegel in den lokalen Geschäften und Gastronomiebetrieben angeboten. Es fin-det auch aktive Bewusstseinsbildung statt. Das Projekt gewährleistet die Etablierung einer starken Graswurzelbewegung für den fairen Handel, die sich bereits in über 1100 Fairtrade Towns in 24 Ländern weltweit manife-stiert, wesentlich zur Sensibilisierung für den fairen Handel beiträgt und unterschiedlichste Alters- und Bevölkerungsgruppen verbindet.

Zivilgesellschaftliches EngagementDie Initiative zeichnet sich u. a. dadurch aus, dass sich die involvierten

Menschen freiwillig und sehr oft in ihrer Freizeit für den fairen Handel stark machen und vielfältige Aktivitäten setzen, die in Umfang und Wirkung von FAIRTRADE auf lokaler Ebene gar nicht realisierbar wären.

Die Gemeinde Mönichkirchen war 2007 die erste FAIRTRADE-Gemeinde in Niederösterreich. Unter ihren zahlreichen Projekten und Veranstaltungen auf Gemeindeebene finden sich besonders viele Schul-workshops, die für Fairness und Nachhaltigkeit sensibilisieren sollen. Im Rahmen von gesunden Jausen und Kochkursen während des Schul-jahres werden regelmäßig FAIRTRADE-Produkte angeboten. Ein Enga-gement, das von Herzen kommt, wie Karoline Reidinger aus Mönichkir-chen bestätigt: „Ich folge dem Motto: Vergiss nie, anderen zu helfen – es kommt mit Freude vielfach zurück.“

In Wien bemüht sich der Bezirk Alsergrund um die Umsetzung der fünf Ziele des Gemeindeprojektes bis April 2013. „Im Jugendtreff Zentrum 9 wird FAIRTRADE regelmäßig thematisiert sowie fair und biologisch gekocht; es gibt fair gehandelte Fruchtsäfte, die Fußbälle ziert das FAIR TRADE-Logo“, berichtet Peter Kaiser vom Zentrum 9/Verein Wiener Jugendzentren. „Im vom Zentrum 9 organisierten Jugendparlament entstand auch die Idee, dass der Alsergrund ein FAIRTRADE-Bezirk werden soll.“

Seit 2011 ist die Ökoregion Kaindorf in der Steiermark auch FAIRTRADE-Region. „Nachhaltigkeit setzt Fairness ganz einfach voraus! Deshalb begrüßen wir die Initiative der ‚Fairen Region‘ und versuchen ständig, diese Idee auch mit praktischen Inhalten zu füllen!“, erklärt Rai-ner Dunst, Obmann der Ökoregion Kaindorf. Bei Veranstaltungen wie dem jährlich stattfindenden „24-Stunden-Biken für den Klimaschutz“ werden ausschließlich Lebensmittel und Getränke aus der Region bzw. mit dem FAIRTRADE-Gütesiegel angeboten. Nicht regional erzeugbare Produkte wie Bananen, Kaffee, Tee etc. sind FAIRTRADE-zertifiziert.

Fest FAIRankertUm dieses Engagement zu würdigen, den Gemeinden eine Gelegen-

heit zu bieten, sich zu vernetzen, und um neue Gemeinden zu motivie-ren, wurde 2012 gemeinsam mit dem Land Niederösterreich der erste FAIRTRADE-Gemeindewettbewerb durchgeführt.

In Zukunft sollen ProduzentInnen von FAIRTRADE-Kooperativen zu Veranstaltungen in die FAIRTRADE-Gemeinden eingeladen werden und berichten, wie sie persönlich die Wirkung des fairen Handels erleben. So werden die Gemeinden aus erster Hand über die Bedeutung ihrer Arbeit erfahren.

Power from the people

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Best of FAIRTRADE (in) Österreich

Als einer der ‚Pioniere‘ in Österreich unter-stützen wir den fairen Handel seit 2006 aus

persönlicher Überzeugung. Deshalb schenken wir in unseren Filialen seit Jahren ausschließ-lich FAIRTRADE-Heißgetränke wie Kaffee, Ka-kao und Tee aus und arbeiten am stetigen Aus-bau des Anteils an FAIRTRADE-Produkten.“

Gabriele Ströck, Ströck-Brot GmbH

Die faire Erfolgsgeschichte setzt sich im Außer-Haus-Markt fort. Unter dem Motto „4 Hauben für die Fairness“ wurde 2001 die erste Initi-ative für FAIRTRADE in der Gastronomie gestartet. Mit „Fair C uisine“ hat sie ihren vorläufigen Zenit erreicht: Bei dem fast alle zwei Jahre stattfin-denden Gourmetevent treten die Topköchinnen und -köche des Landes gemeinsam mit FAIRTRADE auf den Menüplan, um dem kritischen Fachpublikum faire Vielfalt schmackhaft zu machen und dieses von der hohen Qualität von FAIRTRADE-Produkten sowie von deren Eignung für die gehobene und für die Systemgastronomie zu überzeugen.

Öffentliche Einrichtungen setzen auf FAIRTRADELaufende Gespräche und Workshops zum Thema FAIRTRADE in

der öffentlichen Beschaffung sowie Besuche bei politischen Entschei-dungsträgerinnen und -trägern haben über die Jahre ebenfalls Früchte getragen: Heute werden u. a. in der Bundespräsidentschaftskanzlei so-wie im Außen-, Innen-, Sozial-, Wissenschafts- und Lebensministerium FAIRTRADE-Produkte konsumiert.

Auch im Amt der Niederösterreichischen Landesregierung wird seit Jahren und mit Überzeugung fair gekocht, bestätigt Karl Grübler, Kü-chenleiter der NÖ Landhausküche in St. Pölten: „Der Konsum von FAIR-TRADE-Produkten kommt nicht nur den Herstellerinnen und Herstellern zugute, sondern nährt auch Körper, Herz und Seele.“

Eine wichtige Partnerin ist die Umweltschutzabteilung der MA 22 in Wien, die mit dem Programm „ÖkoKauf Wien“ seit 15 Jahren auf ökolo-gischen und fairen Einkauf setzt. Der Einsatz von FAIRTRADE-Produkten ist heute in vielen Einrichtungen der Stadt Wien selbstverständlich.

Ein Meilenstein konnte mit der Verankerung von FAIRTRADE-Pro-dukten in den Veranstaltungsrichtlinien für die österreichische EU-Prä-sidentschaft im Jahr 2006 gesetzt werden. „Gerade wenn Produkte aus Entwicklungsländern beschafft werden, muss sichergestellt sein, dass Menschen für ihre Arbeit so entlohnt werden, dass sie ihre Familien versorgen können, und dass Kinder nicht als Arbeitskräfte missbraucht werden. FAIRTRADE ist dafür ein verlässlicher Garant“, ist Dieter Tisch-ler vom Lebensministerium überzeugt.

Topqualität für gehobene AnsprücheErfreulicherweise wird die Verwendung von FAIRTRADE-Produkten

im Außer-Haus-Markt immer attraktiver und wichtiger. „Als Unterneh-men haben wir diesen Weg bereits im Jahr 1999 eingeschlagen, da wir schon sehr früh merkten, dass dem Konsumenten der soziale Aspekt beim Kauf von Produkten immer wichtiger wird. FAIRTRADE bietet eine ideale Plattform, bei der eine durchsichtige Rückverfolgbarkeit gewähr-leistet ist“, ist Reinhard Schweitzer, Geschäftsführer der Schweitzer Reinhard GmbH, überzeugt.

Auch wenn die Vereinbarkeit von Fairness und Qualität gerade in der „Kaffeenation“ Österreich eine große Herausforderung zu sein scheint, ist FAIRTRADE für viele PartnerInnen eine logische Fortsetzung der ei-genen Unternehmensphilosophie geworden. „Eine faire Bezahlung für gute Arbeit ist für uns ein entscheidender Grundsatz für eine Form des Wirtschaftens, mit der alle gewinnen können: vom Kaffeepflücker über den Kaffeeröster bis hin zum Konsumenten“, erklärt Oliver Götz von der Kaffeerösterei Alt Wien. „Gerade in Ländern und Regionen mit kleinbäu-

Über Geschmack lässt sich streiten – über Fairness nicht FAIRTRADE im Außer-Haus-MarktRund 25 % des FAIRTRADE- Kaffees werden in Österreich außer Haus getrunken; das entspricht 47 Mio. Tassen Kaffee (Stand 2011). Mehr als 1300 Cafés, Bäckereien, Hotels, Restaurants und Kantinen schenken fair gehandelten Kaffee aus. Fruchtsäfte sind das zweit-wichtigste FAIRTRADE-Produkt am Außer-Haus-Markt.

FAIRTRADE-Kaffeegenießt man u. a. im Hotel Bristol, Hotel Goldener Hirsch, Hotel Imperial, Hotel Intercontinental, bei OMV/VIVA, Starbucks Coffee Company, Ströck Brot GmbH, Tchibo/Eduscho, im Restaurant Steirereck, oder im Weltcafé.

Weitere Partner im Online-Gastro-finder unter www.fairtrade.at/produkte/gastrofinder/

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Der FAIRTRADE-Außer-Haus-Markt

erlichen Strukturen und Kooperativen ist FAIRTRADE ein ,Segen‘ für die Bevölkerung,“ so Mag.ª Johanna Birnstingl von der Demmer GmbH, „Fair gehandelter Blatt- und Qualitätstee ist noch etwas rar. Dennoch blicken wir optimistisch in die Zukunft und hoffen, fair gehandelter Tee bekommt die Bedeutung von Kaffee.“

Qualität und Vielfalt steigen stetigViele hochwertige Spezialitäten sind inzwischen auf die besonderen

Bedürfnisse im Außer-Haus-Markt zugeschnitten. So konnten viele Be-triebe mit besonders hohen Qualitätsansprüchen davon überzeugt wer-den, dass FAIRTRADE-Produkte nicht nur sozialen oder ökologischen Ansprüchen genügen, sondern auch in der obersten Qualitätsliga mit-spielen:

„Das unerschütterliche Vertrauen in das FAIRTRADE-Gütesiegel hat sich in den letzten Jahren sehr tief in unseren Köpfen manifestiert. Die Verwendung von FAIRTRADE-Produkten in der Top-Gastronomie ist inzwischen zur Selbstverständlichkeit geworden“, bestätigt Hauben-koch Helmut Österreicher. „Ich bin überzeugt, dass dieses faire Denken unsere Wirtschaftswelt zum Positiven verändert hat und immer weiter beeinflussen wird.“

Auch Siegfried Kröpfl, Küchenchef im Hotel Bristol, schließt sich der Meinung seines Kollegen an: „Es freut mich ganz besonders, dass hier Menschen in Ländern unterstützt werden, denen es nicht so gut geht wie uns. FAIRTRADE ist für mich ganz wichtig, und ich unterstütze das seit vielen Jahren.“

Wie wäre es mit uns beiden?Die Nachfrage nach FAIRTRADE-Produkten am österreichischen

Außer-Haus-Markt ist noch immer deutlich höher als das tatsächliche Angebot (Quelle: GlobeScan-Studie 2011). Dieser Tatsache ist sich auch

Mark Chad Lewis, Präsident des Food & Beverage Manager Club Vien-na, bewusst: „Der Tatbestand, dass man mehr Menschen einen Zugang zu einer gerechteren Welt ermöglichen könnte, wenn es in der Gastro-nomie ein größeres Angebot von FAIRTRADE-Produkten gäbe, ist für mich ein unmissverständlicher Aufruf an alle meine Kollegen, noch mehr FAIRTRADE-Produkte zu verwenden. Diese Verantwortung sollte jeder Gastronom gerne übernehmen wollen.“

Neben eines Gastrofinder für FAIRTRADE-GenießerInnen wurde ein eigener Gastroservice eingerichtet, der umfassende Informationen und Servicematerialien für Außer-Haus-Anbieter bereitstellt. Mit Veranstal-tungen wie der Genussmesse „fairERleben“ im Wiener Rathaus soll 2013 auch die breite Öffentlichkeit auf den Geschmack kommen.

Denn auch hier gilt: Je öfter FAIRTRADE-Kaffee, -Tee, -Schokolade etc. außer Haus genossen werden, umso größer ist der Impact für die ProduzentInnen im Süden!

Dieses Bewusstsein im Bereich der öffentlichen Beschaffung und in der Gastronomie weiter zu verankern sowie eine Wertschätzung für die strengen Gütesiegelkriterien zu schaffen sind die wichtigsten Aufgaben für FAIRTRADE Österreich 20+.

Wir versuchen, unser Konzept von Quali-tät, Fairness und Nachhaltigkeit möglichst

lückenlos umzusetzen. Die Kooperation von GOFAIR und FAIRTRADE Österreich erlaubt es Anbietern, sich auch im Vending-Bereich für faire Produktions- und Handelsbedingungen zu entscheiden.“

Rainer Dunst, Geschäftsführer GOFAIR GmbH

Südwind dankt FAIRTRADE für

20 Jahre beispiel- und vorbildhaft gelebte Solidarität von den ProduzentInnen im Süden bis zu den Konsu-mentInnen im Norden.“

Mag. Herwig Adam, Geschäftsführer der

Südwind Agentur

Zugang zu Schul-bildung und

Stärkung von Frauen als Unternehmerinnen sind nur zwei Beispiele für die Wirksamkeit des fairen Handels, und daran können KonsumentInnen aktiv mitwirken!“ Ernst Gassner, Vorsitzender

der ARGE Weltläden und Vorstandsmitglied von

FAIRTRADE

FAIRTRADE IST BEMüHT, EINE BRückE ZWIScHEN DER NAcHFRAGE SEITENS DER GäSTE uND DEN ANGEBoTSMÖG-LIcHkEITEN SEITENS DER GASTRoNoMIE Zu ScHLAGEN

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FAIRTRADE im öf fentlichen Leben

FAIRTRADE ermög-licht es allen, auch

im Alltag ganz leicht ei-nen persönlichen Beitrag zur Entwicklungszusam-menarbeit zu leisten.“

Dr. Josef Pühringer, Landes-hauptmann von Oberösterreich

Im engagierten Ein-satz für gerechtere

chancen in der Welt ist FAIRTRADE Österreich ein wichtiger Partner des Landes Vorarlberg.“Mag. Markus Wallner, Landes-

hauptmann von Vorarlberg

Wir unterstützen FAIRTRADE Österreich,

weil die Produktion von ge-sunden Lebensmitteln und faire Arbeitsbedingungen Hand in Hand gehen.“

Mag.ª Ulli Sima, Umweltstadträtin Stadt Wien

Ich gratuliere FAIR-TRADE Österreich

herzlich zum 20-Jahr-Ju-biläum und wünsche für die Zukunft alles Gute und viel Erfolg.“ Dr. Erwin Pröll, Landeshaupt-

mann von Niederösterreich

FAIRTRADE ist eine Erfolgsgeschichte, die zeigt, dass nachhaltiges Wirtschaften und gerechter Handel möglich sind. Trotz des harten Wett-bewerbs auf dem Weltmarkt hat sich das Konzept behaupten können und international Anerkennung gefunden. Die Produkte mit dem Güte-siegel sind heute aus unseren Supermarktregalen nicht mehr wegzu-denken.

Die Österreichische Entwicklungszusammenarbeit ist seit 1996 Part-ner von FAIRTRADE und unterstützt seither eine breite Palette von Ak-tivitäten in Österreich. Es ist uns auch gelungen, dass viele öffentliche Einrichtungen auf fair gehandelte Getränke umgestiegen sind.

FAIRTRADE ist wirkungsvolle Entwicklungszusammenarbeit. Jede Tasse Kaffee oder Tee ist ein konkreter Beitrag zu besseren Le-bensbedingungen von rund 7,5 Millionen Menschen in Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas. FAIRTRADE verknüpft die Lebenswelten der KundInnen mit jenen der ProduzentInnen: Die Bäuerinnen und Bauern erhalten höhere Preise als üblich und verfügen dank Vorfinanzierung über ein sicheres Einkommen. Die KonsumentInnen wiederum können sich auf die gute Qualität der Produkte aus vielfach ökologischem Anbau

verlassen und setzen durch ihre Kaufentscheidung entwicklungspoli-tisch ein Zeichen.

FAIRTRADE schafft Bewusstsein für weltweite Zusammenhänge und führt vor Augen, dass persönliches Engagement sinnvoll und not-wendig ist. Gerade in einem globalisierten Wirtschaftssystem, in dem die Herkunft von Waren kaum mehr nachvollziehbar ist und in dem oft menschenunwürdige Arbeitsbedingungen herrschen, bietet FAIRTRADE eine überzeugende Alternative.

Ich gratuliere FAIRTRADE Österreich herzlich zu seinem Jubiläum und wünsche für die kommenden Jahre viel Erfolg. Vielen Dank für die kon-struktive und gute Zusammenarbeit!

FAIRTRADE ist wirkungsvolle Entwicklungszusammenarbeit

Mag.ª Brigitte Öppinger-WalchshoferGeschäftsführerin der Austrian Development Agency (ADA), der Agentur der Österrei-chischen Entwicklungszusam-menarbeit (OEZA)

Fairer Handel zielt darauf ab, die Lebensbedin-gungen von Menschen in Entwicklungsländern

durch bewusstes Konsumverhalten zu verbessern und gleichzeitig den Kauf hochwertiger Produkte zu ermög-lichen. FAIRTRADE ist seit vielen Jahren Partner der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit, und ich gratuliere herzlich zu 20 Jahren FAIRTRADE Österreich!“

Dr. Michael Spindelegger, Bundesminister für europäische und internationale

Angelegenheiten

Die Österreichische Entwicklungszusammen-arbeit ist seit 1996 wichtige Partnerin bei der Umsetzung von FAIRTRADE Aktivitäten:

TV-, Plakat- und Rundfunk-Kampagnen | Medien- und Öffentlichkeitsarbeit | Informations-materialien über den fairen Handel | Bewusstseinsbildung bei Konsu-mentInnen | Produktentwicklung | Messen und Veranstaltungen | Produkteinführungen.

FAIRTRADE VERkNüPFT DIE LEBENSWELTEN DER kuNDINNEN MIT JENEN DER PRoDuZENTINNEN.

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FAIRTRADE im öf fentlichen Leben

„FAIRTRADE Österreich leistet wirkungsvolle Entwicklungszusam-menarbeit und ist schon seit Langem ein wichtiger Partner der OEZA. FAIRTRADE verbindet wie kaum eine andere entwicklungspolitische Initiative ProduzentInnen, Wirtschaftsunternehmen, KonsumentInnen, öffentliche und private Akteurinnen/Akteure der Bildungsarbeit und der EZA-Auslandsarbeit. Für die nächsten Jahre wünsche ich FAIRTRADE Österreich, dass es weiterhin zur Auseinandersetzung mit Welthandels- und Weltwirtschaftsfragen sowie zur Verstärkung auch der öffentlichen Beschaffung von fair gehandelten Produkten beitragen kann.“

MR i. R. Dr. Heinz Gabler, bis 2003 zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit der OEZA im Außenministerium

„FAIRTRADE-Produkte sind in Österreich gefragt. Das spricht für mündige Konsumenten und eine gute Arbeit von FAIR TRADE Österreich.“

Dr. Michael Sasse, Nachhaltigkeitsbeauftragter der Oesterreichischen Kontrollbank AG

„Fairer Handel, faire Arbeitsbedingungen, faire Preise und ein faires und menschenwürdiges Leben sind leider auch heutzutage kei-ne Selbstverständlichkeit. Umso wichtiger ist es, dass es Organisati-onen wie FAIRTRADE gibt. Ich gratuliere nicht nur zu erfolgreichen ver-gangenen 20 Jahren, sondern vor allem zu den nächsten 20 Jahren, die es sicherlich noch in Anspruch nehmen wird, um einen weltweit fairen Handel zu etablieren.“

DI Dr. Georg Pölzl, Generaldirektor Österreichische Post AG

„Ganz herzlich gratuliere ich unserem langjährigen Partner FAIRTRADE Österreich zum 20-jährigen Bestehen. Seit 2003 ist FAIR-TRADE ein Partner des Unternehmens; Fairness spielt intern und extern auch bei A1 eine große Rolle. FAIRTRADE-Produkte verwenden wir nicht nur intern, sondern auch bei diversen externen Veranstaltungen. So kann man u. a. FAIRTRADE-Kaffee für den Bürobedarf bestellen; auch für Pressekonferenzen und das jährliche A1-Elternzelt im Rahmen der Kinderuni Wien setzen wir FAIRTRADE-Produkte ein.“

Dr. Hannes Ametsreiter, Generaldirektor von A1 und der Telekom Austria Group

„Wir gratulieren FAIR TRADE Österreich zu 20 erfolgreichen Jahren im Dienste des nachhaltigen Wirtschaftens und des fairen Handels.“Mag. Klaus Buchleitner, Generaldirektor Raiffeisenlandesbank NÖ – Wien

„Seit vielen Jahren unterstützt Welthaus den fairen Handel als wichtigen Beitrag zur Armutsbekämpfung. Die Einbindung vieler Vereine, Betriebe und Pfarren in den Gemeinden beweist: Lokal denken und global handeln ist möglich.“

Mag. Dietmar Schreiner, Geschäftsführer von Welthaus, Diözese Graz-Seckau

„Die KJÖ hat sich die Förderung des fairen Handels als gerechte Form des Wirtschaftens zum Ziel gesetzt. FAIRTRADE Österreich hat uns dabei immer unterstützt.“

Sarah Habersack, Katholische Jugend Österreichs (KJÖ)

WegbegleiterInnen, Förderinnen und Förderer gratulieren

20 Jahre FAIRTRADE Jubiläumsbriefmarke der Österreichischen Post AG für SammlerInnen.Erstausgabetag: 21. Juni 2013

Tirol tritt mit Nach-druck für einen fairen

Welthandel als beste Aus-gangsbasis für eine effektive und nachhaltige Entwick-lungszusammenarbeit ein.“

Günther Platter, Landes-hauptmann von Tirol

FAIRTRADE garantiert die Einhal-tung von sozialen, ökologischen

und ökonomischen Standards. […] Die kleinen Landwirtschaften und Koope-rativen gehören gestärkt – durch be-wusstes, gerechtes Einkaufen.“

Mag.ª Gabi Burgstaller, Landeshauptfrau von Salzburg (Zitat 2003)

FAIRTRADE leistet einen unverzichtbaren

Beitrag im Bereich der Ent-wicklungszusammenarbeit. Wir brauchen diesen Weg der Gemeinsamkeit!“

Mag. Franz Voves, Landes-hauptmann der Steiermark

Als gemeinnützig aner-kannte Organisation sind Spenden an FAIRTRADE Österreich seit Juni 2012 steuerlich absetzbar.

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Blick in die Zukunft

FAIRTRADE – The Next 20 Years

… aus der Sicht des Zukunftsforschers Harry Gatterer: „Vor 20 Jahren hätte wohl kaum jemand daran gedacht, dass FAIRTRADE so erfolgreich werden könnte. Wer sich dafür einsetzte, galt eher als Alternativer oder gar als Spinner. Heute ist FAIRTRADE ein Milliardengeschäft und aus der Konsumwelt nicht mehr wegzudenken. Gerade die Trendzielgruppe der LOHAS (Lifestyle of Health and Sustainability) hat massiv zur Beschleu-nigung dieser Entwicklung beigetragen. Immer mehr KonsumentInnen wollen wissen, woher ein Produkt kommt und wie es erzeugt wurde. Selbst in der IT-Branche avancieren Herstellungsverfahren zum wesent-lichen Kaufargument. Das gilt erst recht für Nahrungsmittel.

Blickt man zurück, kann man sagen: Das damals eher Unerwartete ist geschehen, FAIRTRADE ist ein Erfolg geworden. Wendet man den Blick nach vorne, würde man natürlich lieber eine Fortschreibung des ‚positiven Trends‘ von FAIRTRADE absehen. Aber kann man tatsächlich von einer solch linearen Entwicklung ausgehen?

Die nächsten 20 Jahre werden stark von den Megatrends Globalisie-rung, Silver Society sowie Konnektivität geprägt sein. Letztere führt zu einer enormen Masse an digitalen Daten, die jedem von uns quasi jeder-zeit zur Verfügung stehen. In Bezug auf das Einkaufen bringt das große Veränderungen mit sich, weil Hintergrundinformationen blitzschnell und überall abrufbar werden. KundInnen werden dann imstande sein, nicht nur über das Medium des Markenimage, sondern durch Echtzeitinfor-mationen Produktwissen zu erlangen.

Vom Konsumenten zum Prosumenten Warum dies bedeutend sein wird? Weil wir einen Shift vom Konsu-

menten zum Prosumenten erleben: Kritischere und wissendere Kun-dInnen sind das Ergebnis. Und gerade in einer global alternden Gesell-schaft wird dies elementar. Auch die weltweit wachsende Mittelschicht, die sich an westlichen Konsummustern orientiert, wird am digitalen In-formationsfluss beteiligt sein.

Die kommenden Jahre werden zum globalen Wissensupgrade von Milliarden Menschen führen, und Fairness wird sich neu definieren: Die Khan Academy beispielsweise zielt mit ihren über das Internet allen Menschen kostenlos zur Verfügung gestellten Materialien auf Fairness in der Bildung jenseits tradierter Abgrenzungen. Der Begriff der Fairness wird um Openness, eine neue Offenheit, erwei-tert werden. Gelingt dies, wird FAIRTRADE tatsächlich mit einer Verlän-gerung seiner Erfolgsstory rechnen können. Happy Birthday!“

Braucht der Handel fairen Handel?

Dr. Peter Schnedlitz über Strategien und Trends in Österreich: „Eine relevante Anzahl von KundInnen will heute wissen, woher Waren stam-men und unter welchen Bedingungen diese produziert worden sind. Corporate Social Responsibility und Nachhaltigkeit sind Bestandteile vieler Kommunikationskonzepte geworden. Dass dies keine Chimäre

Handel, Konsumverhalten und globale GesellschaftDrei Experten blicken in die Zukunft von FAIRTRADE

o. Univ.-Prof. Dr. Peter SchnedlitzVorstand des Instituts für Handel & Marketing, Wirt-schaftsuniversität Wien

Harry GattererZukunftsinstitut Österreich – Internationale Gesellschaft für Zukunfts- und Trend-beratung

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Blick in die Zukunft

Franz FlossGeschäftsführer des Vereins für Konsumenteninformation

ist, sondern eine betriebswirtschaftlich entscheidende Realität, beweist das zweistellige Umsatzwachstum von Produkten, die in diesem Bereich positioniert sind. FAIRTRADE Österreich ist somit unstrittig auch eine Erfolgsstory.

Leider hat es in den letzten Jahren einen Wildwuchs an ‚Social La-bels‘ gegeben. Dies führt nicht selten zu Verwirrung und in der Folge zu Kaufverzicht. Das FAIRTRADE-Gütesiegel ist unter diesen Rahmenbe-dingungen so etwas wie der ‚Fels in der Brandung‘ unter stets aufge-regt eingeführten neuen Labels geworden. Verlässlichkeit und Transpa-renz sind die eigentlichen Erfolgsfaktoren, denn die Diskussion um das ethische Verhalten von Kaufleuten und Handelsunternehmen ist vermut-lich so alt wie das Gewerbe des Kaufmanns selbst.

Die FAIRTRADE-Bewegung insgesamt hat aus der Sicht des Marke-tings den entscheidenden Schritt damit gesetzt, dass sie sich aus der Ecke der Weltläden und der ‚vorwurfsvollen Zeigefinger‘ zu einem po-sitiven Paradigmenwechsel entschlossen hat. Genussmittel wie Kaffee passen nicht zu einem Appell an das schlechte Gewissen. ‚Fair is fun‘, so könnte man heute die Positionierung zuspitzen.

Das ist keineswegs ein Widerspruch zu Verantwortung für Gesell-schaft und Umwelt. In einem aktuellen Bildband mit dem Titel ‚Österrei-chische Handelsgeschichte‘ (Verlag Styria, Wien 2012) wird anschaulich dargelegt, dass der Handel dieses Spannungsfeld seit jeher gestaltet hat. FAIRTRADE ist jedenfalls kein kurzlebiges Strohfeuer, das haben die 20 Jahre des Bestehens unter Beweis gestellt.

Dem strategischen Dreieck der sozialen Gütesiegel – Bioqualität, Re-gionalität, fairer Handel – wird in Zukunft ein steigender Stellenwert zu-kommen. Dies bestätigen nicht nur Meinungsumfragen. Handelsketten und Markenartikelkonzerne tun gut daran, FAIRTRADE-Produkte als fixe Bestandteile und Chance für nachhaltige Sortimentspolitik zu berück-sichtigen.“

Sind Zertifizierungen und Standards noch zeitgemäß?

Diese Frage beantwortet VKI-Geschäftsführer Franz Floss: „Der größte Teil der Lebensmittel ist heute verpackt. Was drinnen ist, ist oft nicht sichtbar, geschweige denn riechbar. Die KonsumentInnen müs-sen sich auf die Verpackung und die Kennzeichnung verlassen kön-nen.

Daher sind Gütesiegel als Informations- und Qualitätskriterium wich-tig. Leider gibt es gerade im Lebensmittelbereich mehr als hundert die-ser ‚lobenden Auszeichnungen‘. Viele werden von den Produzenten der Lebensmittel bzw. von den großen Supermarktketten vergeben, einige extern kontrolliert, einige nur nach firmeninternen Kriterien. Verlässliche Gütezeichen gibt es nicht allzu viele.

Vor 20 Jahren waren fair gehandelte Waren noch Nischenprodukte, oft angefeindet oder belächelt. Heute sind sie in allen Supermärkten vor-handen. Immer mehr KonsumentInnen schätzen Produkte aus fairem Handel, Bioprodukte und regionale Rohstoffe. 20 Jahre FAIRTRADE sind eine Erfolgsgeschichte, und ich bin mir si-cher, dass FAIRTRADE auch erfolgreich in die Zukunft geht. Danke FAIRTRADE!“

FAIRTRADE IST Zu EINER LoVEBRAND GEWoRDEN.20 Jahre

FAIRTRADE Öster-reich spiegeln sich in der heranwachsenden Generation wider, für die FAIRTRADE von Anfang an selbstver-ständlich ist.“

Erik, Konsument

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gefördert durch

Impressum: Herausgeber: FAIRTRADE Österreich | Neulinggasse 29/17, A-1030 Wien | Tel.: +43/1/533 09 56-0 | Fax: +43/1/533 09 56-11 | E-Mail: [email protected] | ZVR 881545394 | Für den Inhalt verantwortlich: Kerstin Rohrer, fair PR e.U. | Redaktion: Susanne Brosch, Regina Dicken, Michael Fröschl, Verena Kainrath, Bernhard Moser, Nikolaus Scholz, Elke Schaupp | Lektorat: Wolfgang Astelbauer | Foto- und Bildmaterial: Adam, Studio Andorfer, BMeiA, Brosch, Marvin del Cid, EZA, Fischer, FAIRTRADE, FAIRTRADE/Haider, FAIRTRADE/Kato, FAIRTRADE/Ötting, FAIRTRADE/Schüller, FAIRTRADE/Tuma, FLO/Freund, Fotolia, Fröschl, Didier Gentilhomme, Jacqueline Godany, Linus Hallgren, Havgaard, Kainrath, Vipul Kulkarni, Lukiteri, Monitzer, Pertramer, Potutschnig, Salomon, Villegas Sánchez, Vossen, Wasserbauer, Wilke, Zotter | Layout und Satz: typothese/m. zinner grafik, Sanja Jelic | Druck: Thomas Resch KG, 1150 Wien, www.resch-druck.at

Gedruckt mit Ökostrom auf FSC zertifiziertem Papier (Luxoart samt).

Jänner 2013 © www.fairtrade.at

FAIRTRADE Österreich dankt für 20 Jahre gute Zusammenarbeit und unterstützung allen Mitgliedern, Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen, unternehmen sowie allen SpenderInnen, Förderinnen und Förderern, konsumentInnen und ehrenamtlich Engagierten!