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Fragebeantwortung unter www.falkfoundation.de Falk Gastro-Kolleg 18 Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Nahrungsmittelallergien Zusammenfassung Nahrungsmittelunverträglichkeiten (NMU) beeinträchtigen mehr als 20% der Bevölke- rung der Industrieländer. In einem Viertel der betroffenen Kinder und einem Zehntel der betroffenen Erwachsenen basiert die Unverträglichkeit auf einer Nahrungsmittelallergie (NMA), die als immunologische Krankheit definiert ist und in ca. 50% mit gastrointesti- nalen Symptomen einhergeht. Viel häufiger sind Nahrungsmittelintoleranzen (NMI), wie Laktoseintoleranz oder Histaminintoleranz, die z. B. durch Enzymdefizienzen verursacht werden. NMA sind auf IgE-abhängige oder IgE-unabhängige immunologische Reakti- onen zurückzuführen. Die Diagnose basiert auf einer sorgfältigen Eigen- und Familien- anamnese, einer symptomorientierten Ausschlussdiagnostik, speziellen Allergietests und, bei Problemfällen, auf einer kontrollierten Provokation. Die Kombination dieser Testver- fahren bietet ein verlässliches Instrument zur Diagnosestellung. Die Basis jeder erfolg- reichen Behandlung von NMA und NMI ist die Eliminationsdiät, welche durch eine medikamentöse Therapie unterstützt werden kann. Bei Anaphylaxie(verdacht) ist eine Ausrüstung mit einem Notfallset inklusive Adrenalin-Autoinjektor zwingend. Die Rolle der Hyposensibilisierung, entweder mit Lebensmittelallergenen oder mit kreuzrea- gierenden Pollenallergenen, als alternative Behandlungsmethode für Patienten mit NMA wird derzeit untersucht. Schlüsselwörter Nahrungsmittelunverträglichkeiten | Nahrungsmittelallergie | Laktoseintoleranz | Histaminintoleranz | Mastzellen | Immunglobulin E | Eliminationsdiät | Hyposensibilisierung | Anaphylaxie Prof. Dr. S.C. Bischoff Institut für Ernährungsmedizin (180) Universität Hohenheim Fruwirthstr. 12 70599 Stuttgart Falk Gastro-Kolleg Darm Titelbild: Darmmastzellen: Effektorzellen der Nahrungsmittelallergie

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Falk Gastro-Kolleg

18

Nahrungsmittelunverträglichkeiten

und Nahrungsmittelallergien

Zusammenfassung

Nahrungsmittelunverträglichkeiten (NMU) beeinträchtigen mehr als 20% der Bevölke-rung der Industrieländer. In einem Viertel der betroffenen Kinder und einem Zehntel der betroffenen Erwachsenen basiert die Unverträglichkeit auf einer Nahrungsmittelallergie (NMA), die als immunologische Krankheit definiert ist und in ca. 50% mit gastrointesti-nalen Symptomen einhergeht. Viel häufiger sind Nahrungsmittelintoleranzen (NMI), wie Laktoseintoleranz oder Histaminintoleranz, die z.B. durch Enzymdefizienzen verursacht werden. NMA sind auf IgE-abhängige oder IgE-unabhängige immunologische Reakti-onen zurückzuführen. Die Diagnose basiert auf einer sorgfältigen Eigen- und Familien-anamnese, einer symptomorientierten Ausschlussdiagnostik, speziellen Allergietests und, bei Problemfällen, auf einer kontrollierten Provokation. Die Kombination dieser Testver-fahren bietet ein verlässliches Instrument zur Diagnosestellung. Die Basis jeder erfolg-reichen Behandlung von NMA und NMI ist die Eliminationsdiät, welche durch eine medikamentöse Therapie unterstützt werden kann. Bei Anaphylaxie(verdacht) ist eine Ausrüstung mit einem Notfallset inklusive Adrenalin-Autoinjektor zwingend. Die Rolle der Hyposensibilisierung, entweder mit Lebensmittelallergenen oder mit kreuzrea-gierenden Pollenallergenen, als alternative Behandlungsmethode für Patienten mit NMA wird derzeit untersucht.

Schlüsselwörter

Nahrungsmittelunverträglichkeiten | Nahrungsmittelallergie | Laktoseintoleranz |

Histaminintoleranz | Mastzellen | Immunglobulin E | Eliminationsdiät |

Hyposensibilisierung | Anaphylaxie

Prof. Dr. S.C. BischoffInstitut für Ernährungsmedizin (180)Universität HohenheimFruwirthstr. 1270599 Stuttgart

Falk Gastro-Kolleg Darm

Titelbild:

Darmmastzellen: Effektorzellen der Nahrungsmittelallergie

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Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Nahrungsmittelallergien

Einleitung

Die Nahrungsmittelallergie (NMA) ist als eine abnormale Reaktion auf Nahrungsmittel definiert, die individuell auftritt und immunologisch vermittelt wird. Diese Definition hebt die NMA klar von anderen Formen abnormaler Reaktionen auf Nahrungsmittel (adverse reaction to food – ARF), auch Nahrungsmittelunverträglichkeiten (NMU) ge-nannt, ab, welche nicht durch immunologische Mechanismen verursacht werden wie beispielsweise Intoleranzreaktionen aufgrund von Enzymdefizienzen oder toxischen Reaktionen aufgrund von Nahrungsmittelkontaminationen mit Mikroben oder Che-mikalien. Da NMU in der Gesamtbevölkerung sehr häufig sind – etwa 20–30% schei-nen betroffen zu sein – muss die eher kleine Subgruppe von Patienten, die an einer echten NMA leidet, mittels validierter diagnostischer Methoden identifiziert werden. Neuere epidemiologische Daten zeigen an, dass etwa ein Viertel der Kinder und ein Zehntel der Erwachsenen mit abnormalen Reaktionen auf Nahrungsmittel tatsächlich an einer NMA leiden (Tab. 1). Entsprechend beträgt die Prävalenz der echten NMA bei Kindern 3–8% und bei Teenagern und Erwachsenen 1–3% [1–3]. Die Tatsache, dass die NMA vor allem eine Erkrankung der ersten Lebensabschnitte ist, steht im Zusammen-hang mit unserem derzeitigen Verständnis von den zugrunde liegenden Mechanis-men der NMA, deren Entstehung eng mit der Integrität der gastrointestinalen Barriere verknüpft ist. Die gastrointestinale Mukosa ist der Ort der immunologischen Sensibili-sierung und der Antigenexposition, aber nicht notwendigerweise das Schockorgan. Tatsächlich kann jedes Organ als Schockorgan involviert sein, in den meisten Fällen konzentrieren sich die Symptome jedoch auf die Haut, den Gastrointestinaltrakt oder den Respirationstrakt, oder einer Kombination hieraus [3]. In der vorliegenden Über-sichtsarbeit werden unser derzeitiges Verständnis zu den Mechanismen der NMA und der Nahrungsmittelintoleranzen (NMI), ihre klinische Präsentation und schlüssige dia-gnostische Methoden, sowie aktuelle therapeutische Strategien dargestellt. Besonde-re Betonung findet die gastrointestinale Nahrungsmittelallergie bei Erwachsenen, die in der Vergangenheit oft vernachlässigt wurde, und deren Abgrenzung zu Nahrungs-mittelunverträglichkeiten, die bei Erwachsenen besonders häufig auftreten.

Die Nahrungsmittelallergie ist definiert als eine abnormale Reaktion auf Nahrungsmittel, die individuell auftritt und immunologisch vermittelt wird.

Die Nahrungsmittelallergie ist definiert als eine abnormale Reaktion auf Nahrungsmittel, die individuell auftritt und immunologisch vermittelt wird.

Tab. 1Tab. 1Epidemiologie von Nahrungsmittelunverträglichkeitsreaktionen (NMU)

und Nahrungsmittelallergien (NMA)

NMU (20–30%)

Kinder Erwachsene

1/4

NMA (3–8%)

3/4

Andere (10–20%)

1/10

NMA (1–3%)

9/10

Andere (20–25%)

IgE-vermittelt

IgE-unabhängig

Infektionen

unklar

IgE-vermittelt

IgE-unabhängig

Nahrungsmittel-intoleranz

Reizdarmsyndrom

Andere Erkrankungen

Epidemiologie von Nahrungsmittelunverträglichkeitsreaktionen (NMU)und Nahrungsmittelallergien (NMA)

NMU (20–30%)

Kinder Erwachsene

1/4

NMA (3–8%)

3/4

Andere (10–20%)

1/10

NMA (1–3%)

9/10

Andere (20–25%)

IgE-vermittelt

IgE-unabhängig

Infektionen

unklar

IgE-vermittelt

IgE-unabhängig

Nahrungsmittel-intoleranz

Reizdarmsyndrom

Andere Erkrankungen

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Mechanismen

Grundlage jeder allergischen Reaktion ist eine adäquate Exposition zu Antigenen, eine abnormale Immunreaktion, eine genetische Prädisposition, sowie eine „erwor-bene“ Prädisposition, beispielsweise eine gestörte mukosale Barriere.

Nahrungsmittelallergene

Dabei handelt es sich meist um Proteine; diese werden zu einem großen Anteil, aber bei Weitem nicht vollständig, während der Magen-Darm-Passage degradiert. Untersu-chungen zeigten, dass etwa 2% der Nahrungsmittelproteine, die täglich aufgenom-men werden (etwa 50–100 g/Tag), die intestinale Mukosa in intakter Form erreichen. Dies ist notwendig, um eine normale mukosale Immunantwort auszulösen, welche, sofern die mukosale Barriere intakt ist, zu einer immunologischen Toleranz führt. Diese normale immunologische Antwort wird bei allen gesunden Menschen beobachtet und kann durch die Anwesenheit von nahrungsmittelspezifischen T-Zellen (Memory-Zellen) und nahrungsmittelspezifischem IgA und IgG nachgewiesen werden. Die wichtigsten Nahrungsmittelallergene, die für eine Krankheit verantwortlich sind, sind abhängig vom Alter des Patienten, von den Ernährungsgewohnheiten einer Be-völkerung und damit auch von der geografischen Region, aus der der Patient kommt. Bei kleinen Kindern spielen insbesondere Eier, Kuhmilch, Soja und Weizen eine wich-tige Rolle als auslösende Nahrungsmittel. In einigen Ländern (USA, Großbritannien, Frankreich – weniger in Deutschland und in anderen Ländern) spielen auch Erdnüsse eine große Rolle als Auslöser für Nahrungsmittelallergien. Dies ist von besonderer Be-deutung, weil für das Auslösen einer Erdnussallergie nur kleinste Mengen von Erdnuss-allergen benötigt werden (die bereits lebensbedrohliche Situationen auslösen kön-nen). Neben der Erdnuss spielen andere Nahrungsmittelallergene wie echte Nüsse (Haselnüsse, Walnüsse, etc.), Fisch, Meeresfrüchte, Milch und Eier eine Rolle bei der Auslösung von fatalen, allergischen Reaktionen. Diese Reaktionen werden am häu-figsten durch Nahrungsmittel, Medikamente und Bienen- und Wespengifte ausgelöst. Dagegen spielen Pollen und andere inhalative Allergene als Auslöser von fatalen aller-gischen Reaktionen eine untergeordnete Rolle [4, 5]. Mit zunehmendem Alter verän-dert sich das Spektrum der relevanten Nahrungsmittelallergene. Ei, Milch, Soja und Getreide werden weniger wichtig, stattdessen werden Nahrungsmittelallergene, die mit Pollenallergenen kreuzreagieren, zunehmend relevant. Dieser Wechsel ist vor allem bei Erwachsenen zu beobachten, bei denen die meisten Nahrungsmittel-allergien durch pollenassoziierte Nahrungsmittelallergien zustande kommen. Die wichtigsten kreuzreagierenden Nahrungsmittelallergene sind in Tabelle 2 aufgeführt. Die Bedeutung verschiedener kreuzreagierender Nahrungsmittelallergengruppen hängt sehr stark von der geografischen Region, der lokalen Exposition gegenüber Pollen und den Essgewohnheiten ab. Auf der anderen Seite trifft die Beobachtung, dass Allergene, die mit Inhalationsallergenen kreuzreagieren gerade bei Erwachsenen besonders relevant sind, auf die ganze Welt zu [6, 7].

Grundlage jeder allergischen Reaktion ist eine adäquate Exposition zu Antigenen, eine abnormale Immun-reaktion, eine genetische Prädisposition, sowie eine „erworbene“ Prädisposition, beispielsweise eine gestörte mukosale Barriere.

Grundlage jeder allergischen Reaktion ist eine adäquate Exposition zu Antigenen, eine abnormale Immun-reaktion, eine genetische Prädisposition, sowie eine „erworbene“ Prädisposition, beispielsweise eine gestörte mukosale Barriere.

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IgE-abhängige und IgE-unabhängige abnormale Immunreaktionen

Die am besten charakterisierte Überempfindlichkeit gegenüber Nahrungsmitteln ist die IgE-vermittelte Typ-I-Reaktion entsprechend der Klassifikation von Coombs und Gell, die 4 Typen von Überempfindlichkeitsreaktionen differenzierten (8). Die 4 Typen von immunologischen Hypersensitivitätsreaktionen nach Coombs und Gell entsprechend der Antigen-erkennenden Moleküle (Typ I = IgE-vermittelt, Typ II = vermittelt durch Oberflächenmoleküle auf roten Blutkörperchen, Typ III = vermittelt durch IgG-Immunkomplexe, Typ IV = vermittelt durch allergenspezifische T-Zellen). Die Typ-I-Reaktionen, die auch für viele Formen von allergischem Asthma, saisonaler Rhinitis und atopischen Hauterkrankungen verantwortlich sind, werden in eine sofor-tige und eine verzögerte Phase unterteilt. Letztere tritt fakulativ wenige bis mehrere Stunden nach der Sofortphase auf.

Tab. 2Tab. 2Beispiele für Nahrungsmittelallergien,

die mit inhalativen Allergenen kreuzreagieren

1 Birke (häufig in Nordeuropa)

Kreuzreagierend mit• Haselnuss• Kern- und Steinobst• Karotten und Sellerie, (Gewürze)

Gemeinsame Allergenepitope• Bet v 1 (pathogenesis-related protein

10): Majorallergen• Bet v 2 (birch profiling): Minorallergen• Bet v 6 (isoflavon reductase-like

protein, cross-reactive with exotic fruits): Minorallergen

2 Beifuß (häufig in Mittel- und Südeuropa)

Kreuzreagierend mit• Karotten und Sellerie, (Gewürze)• Früchte (Mango, Weintrauben, Litschi)• Sonnenblumensamen, Pistazien und Kohl

3 Gräserpollen (nur Südeuropa)

Kreuzreagiernd mit• Tomate• Melone• (Erdnuss) und (Soja)

4 Ambrosia (häufig in den USA)

Kreuzreagierend mit• Melone• Zucchini• Gurke• Banane

5 Lipid-transfer-protein (LTP)-Allergie (in Südeuropa, schwere Reaktion!)

Kreuzreagierend mit• Pfirsich• Aprikose, Pflaume, Apfel, u. a.

6 Hausstaubmilben (ubiquitär)

Kreuzreagierend mit• Meeresfrüchten• Krustentieren

Gemeinsame Allergenepitope• Tropomyosine

7 Latex (Ficus benjamini)

Kreuzreagierend mit• Banane• Kiwi• Avocado, etc.

Für weitere Informationen siehe www.allergome.org

Beispiele für Nahrungsmittelallergien, die mit inhalativen Allergenen kreuzreagieren

1 Birke (häufig in Nordeuropa)

Kreuzreagierend mit• Haselnuss• Kern- und Steinobst• Karotten und Sellerie, (Gewürze)

Gemeinsame Allergenepitope• Bet v 1 (pathogenesis-related protein

10): Majorallergen• Bet v 2 (birch profiling): Minorallergen• Bet v 6 (isoflavon reductase-like

protein, cross-reactive with exotic fruits): Minorallergen

2 Beifuß (häufig in Mittel- und Südeuropa)

Kreuzreagierend mit• Karotten und Sellerie, (Gewürze)• Früchte (Mango, Weintrauben, Litschi)• Sonnenblumensamen, Pistazien und Kohl

3 Gräserpollen (nur Südeuropa)

Kreuzreagiernd mit• Tomate• Melone• (Erdnuss) und (Soja)

4 Ambrosia (häufig in den USA)

Kreuzreagierend mit• Melone• Zucchini• Gurke• Banane

5 Lipid-transfer-protein (LTP)-Allergie (in Südeuropa, schwere Reaktion!)

Kreuzreagierend mit• Pfirsich• Aprikose, Pflaume, Apfel, u. a.

6 Hausstaubmilben (ubiquitär)

Kreuzreagierend mit• Meeresfrüchten• Krustentieren

Gemeinsame Allergenepitope• Tropomyosine

7 Latex (Ficus benjamini)

Kreuzreagierend mit• Banane• Kiwi• Avocado, etc.

Für weitere Informationen siehe www.allergome.org

Die 4 Typen von immunologischen Hypersensitivitätsreaktionen nach Coombs und Gell entsprechend der Antigen-erkennenden Moleküle (Typ I = IgE-vermittelt, Typ II = vermittelt durch Oberflächenmoleküle auf roten Blutkörperchen, Typ III = vermittelt durch IgG-Immunkomplexe, Typ IV = vermittelt durch allergen-spezifische T-Zellen).

Die 4 Typen von immunologischen Hypersensitivitätsreaktionen nach Coombs und Gell entsprechend der Antigen-erkennenden Moleküle (Typ I = IgE-vermittelt, Typ II = vermittelt durch Oberflächenmoleküle auf roten Blutkörperchen, Typ III = vermittelt durch IgG-Immunkomplexe, Typ IV = vermittelt durch allergen-spezifische T-Zellen).

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Die Sofortphase ist durch eine IgE-abhängige Aktivierung von Mastzellen und baso-philen Granulozyten, sowie der Freisetzung von proinflammatorischen Mediatoren aus diesen Zellen (darunter Histamin, Proteasen, Leukotriene, Zytokine) gekennzeich-net. Diese Reaktion benötigt eine vorangehende Sensibilisierungsphase, in der das spezifische Immunsystem in einer Art und Weise mit dem Allergen konfrontiert wird, die zu einer Produktion von ausreichenden Mengen von spezifischem IgE führt. Dieses IgE bindet dann an die Oberfläche von Mastzellen und basophilen Granulozyten, denn beide Zellen exprimieren den hochaffinen IgE-Rezeptor. Wenn die Zelle dann mit spezifischem IgE „geladen“ ist, kann eine erneute Exposition mit Allergen zu einer Kreuzvernetzung des Oberflächen-gebundenen IgEs führen. Dies ist ein Aktivierungs-signal für die Zelle, die daraufhin zu degranulieren und Mediatoren wie Histamin und Proteasen innerhalb von wenigen Sekunden aus ihrem Granulat freizusetzen beginnt. Zur gleichen Zeit beginnt die Zelle andere Mediatoren neu zu synthetisieren, darunter Eicosanoide und Zytokine, was zu einer längeren Freisetzung von Mediatoren führt.Die Spätphase ist durch eine Infiltration des Gewebes mit Entzündungszellen wie bei-spielsweise neutrophilen und eosinophilen Granulozyten, sowie Lymphozyten cha-rakterisiert. Diese Zellen werden durch Botenstoffe wie TNF-α, IL-3, IL-4 und IL-5, die von Mastzellen und Basophilen aufgrund IgE-abhängiger Reaktionen freigesetzt wer-den, angelockt. Die Rolle der Mastzellen in dieser klinisch relevanteren Spätphasen-reaktion als auch in Typ-IV-Überempfindlichkeitsreaktionen ist in vielen Studien bestä-tigt worden [3]. Immunologische Reaktionen auf Nahrungsmittel können auch durch eine Kombination von IgE-abhängigen und IgE-unabhängigen Reaktionen ausgelöst werden [3, 9]. Entzündungsmediatoren von Mastzellen und eosinophilen Granulozyten sind in erster Linie für die klinischen Symptome von Patienten mit NMA verantwortlich. Diese Patienten weisen erhöhte Spiegel von Histamin (oder Methylhistamin), Tryptase, eosi-nophilem kationischem Protein (ECP), IL-5 und TNF-α im Serum, Urin, intestinalen La-vagen und Stuhlproben auf [3, 10]. Histologische Untersuchungen zeigen, dass Mast-zellen durch eosinophile Granulozyten in der intestinalen Mukosa degranulieren, nachdem sie lokal provoziert wurden [11]. Auf der anderen Seite werden diese beiden Zellen nicht mehr nur als Entzündungszellen, sondern auch als immunmodulatorische Zellen betrachtet, die zur Gewebehomeostase im Gastrointestinaltrakt und zur Sup-pression von bakteriellen und parasitären Infektionen beitragen.

Neben dem spezifischen Immunsystem ist auch das angeborene Immunsystem bei immunologischen Überempfindlichkeitsreaktionen beteiligt. Demnach sind die Cha-rakterisierung von Schlüsselmolekülen des angeborenen Immunsystems wie Defensi-ne, Mucin oder Synactin und ihre Veränderungen bei Patienten mit Allergie von zen-traler Bedeutung für das Verständnis der Mechanismen und zur Entwicklung neuer Therapiekonzepte gegen Nahrungsmittelallergien [12].

Klinische Studien zeigten, dass IgE auch lokal in der respiratorischen und gastrointes-tinalen Mukosa produziert wird. Dies könnte erklären, warum Serum-IgE-Spiegel und Hauttests nicht sehr gut mit mukosalen Reaktionen im Darm korrelieren. Die IgE-abhängige Reaktion kann in 3 Phasen eingeteilt werden:1. Die klinisch stumme Sensibilisierungsphase, die üblicherweise während der Kind-

heit stattfindet.2. Die symptomatische Effektorphase, die aus einer akuten und aus einer fakultativen

verzögerten Reaktion besteht. 3. Eine chronische Organ-zerstörende-Phase, die typischerweise das Resultat wieder-

kehrender verzögerter Reaktionen darstellt.

Aktivierte Mastzellen sind an allen 3 Phasen beteiligt, an der Entzündung, an der Ge-webetransformation bis hin zur Fibrose. Dies geschieht unabhängig davon, ob die Prozesse durch allergische oder nicht-allergische Reaktionen wie beispielsweise Morbus Crohn induziert sind [3, 13]. In jüngerer Zeit wurde deutlich, dass Mastzellen, die durch IgE-crosslinking stimuliert wurden, auch lokale nervale Antworten trig-gern, die zu Schmerzen und Diarrhöen führen können [14, 15]. Offensichtlich spielt das enterische Nervensystem (ENS) bei der Regulierung allergischer Entzündungs-zellen wie Lymphozyten, Mastzellen oder eosinophiler Granulozyten eine Rolle. Die morphologische und funktionelle Assoziation zwischen Immunzellen und Nerven-zellen wurde vor allem für Mastzellen und teilweise auch für eosinophile Granulo-

Neben dem spezifischen Immun-system ist auch das angeborene Immunsystem bei immunologischen Überempfindlichkeitsreaktionen beteiligt.

Neben dem spezifischen Immun-system ist auch das angeborene Immunsystem bei immunologischen Überempfindlichkeitsreaktionen beteiligt.

Die IgE-abhängige Reaktion kann in 3 Phasen eingeteilt werden:1. Die klinisch stumme Sensibilisierungs-

phase, die üblicherweise während der Kindheit stattfindet.

2. Die symptomatische Effektorphase, die aus einer akuten und aus einer fakultativen verzögerten Reaktion besteht.

3. Eine chronische Organ-zerstörende-Phase, die typischerweise das Resultat wiederkehrender verzögerter Reaktionen darstellt.

Die IgE-abhängige Reaktion kann in 3 Phasen eingeteilt werden:1. Die klinisch stumme Sensibilisierungs-

phase, die üblicherweise während der Kindheit stattfindet.

2. Die symptomatische Effektorphase, die aus einer akuten und aus einer fakultativen verzögerten Reaktion besteht.

3. Eine chronische Organ-zerstörende-Phase, die typischerweise das Resultat wiederkehrender verzögerter Reaktionen darstellt.

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zyten beschrieben. Umgekehrt wird das ENS durch Mediatoren aus solchen muko-salen Entzündungszellen reguliert. Solche Neuroimmuninteraktionen könnten die vielfachen psychologischen und funktionellen Symptome erklären, die typischerweise bei zahlreichen Patienten mit allergischen und anderen chronischen Darmerkran-kungen zu beobachten sind.

Eine verzögerte Entwicklung des protektiven IgA-Systems innerhalb des „gut-associat-ed lymphoid tissue“ (GALT) in der Postnatalphase ist mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung von allergischen Reaktionen assoziiert. Die IgA-Synthese wird vor allem durch TGF-β aus TH3-Zellen induziert [9]. Ein geschwächtes IgA-System zusam-men mit einer erhöhten Produktion von TH2-Zellen und Aktivierung von Entzün-dungszellen durch Zytokine wie IL-4 und IL-13 tragen zur Entwicklung einer aller-gischen Reaktion bei. Im Gegensatz dazu inhibieren TH1-Zytokine wie beispielsweise Interferon-α die Aktivität von TH2-Zellen, was erklären könnte, warum eine kontrol-lierte, TH1-dominierte Immunlage, beispielsweise getriggert durch bestimmte bakte-rielle Produkte, zu einer Unterdrückung von allergischen Reaktionen von TH2-Immun-antworten beitragen könnte. Solche Mechanismen unterstützen die sogenannte „Hygienetheorie“, nach der hohe Hygienestandards, insbesondere in der frühen Le-bensphase, die Entwicklung von immunologischen Erkrankungen, darunter auch Nachrungsmittelallergien, fördern könnte [16].

Verlust der immunologischen Toleranz – die Rolle der gastrointestinalen Barriere

Die gastrointestinale Barriere bildet die größte Barriere zwischen dem Körper und seiner Umwelt (ca. 400 m2, im Vergleich zu 100–200 m2 respiratorischer Mukosa und 2 m2 Haut). Die gastrointestinale Barriere besteht aus einer komplexen Interaktion von verschiedenen Bestandteilen, wie der Mukusschicht, sekretorischen Produkten, wie sIgA und Defensinen, der kommensalen Darmflora, der epithelialen Barriere, eines ausgeprägten Immunsystems und des enterischen Nervensystems, die zusammen alle wesentlichen Funktionen des Gastrointestinaltrakts (Sekretion, Absorption, Moti-lität, Immunabwehr) regulieren. Jegliche Störung dieser gastrointestinalen Barriere, entweder aufgrund von Unreife in den ersten Lebensabschnitten, oder aufgrund von erworbenen Situationen im späteren Leben, fördert die Entwicklung von NMA und wahrscheinlich auch anderen Formen von Allergien, weil die Mechanismen der oralen Toleranzinduktion gestört werden. Typische Gründe für eine erworbene Störung der gastrointestinalen Barriere sind Infektionen (bakterielle, virale Infektionen), Toxine (z. B. Clostridium-difficile-Toxin) oder Störungen der gastrointestinalen Darmflora (z. B. durch Behandlung mit Antibiotika). Interessanterweise ist bekannt, dass solche Konditionen häufig mit der Entstehung von NMA assoziiert sind, was eine kausale Verbindung vermuten lässt. Beispielsweise beobachtet man NMA bei Neugeborenen und Kleinkindern, bei denen die gastrointestinale Barriere noch nicht vollständig ent-wickelt ist, besonders häufig. Wenn diese Kinder dann älter werden, verlieren viele von ihnen spontan ihre NMA, dies ist am ehesten durch eine Reifung der gastrointesti-nalen Barriere zu erklären. Diese Situation ist bei Erwachsenen allerdings komplizierter, bei denen nichtsdestoweniger ähnliche Mechanismen eine Rolle spielen könnten. Die Hygienetheorie, die inzwischen durch zahlreiche epidemiologische und teilweise durch experimentelle Studien belegt wurde, legt nahe, dass besondere Bedingungen wie Lebensstil, reduzierte bakterielle Exposition aufgrund von hohem Hygienestatus oder häufiger Anwendung von Antibiotika eine Störung der gastrointestinalen Barrie-ren und damit eine Entwicklung von intestinaler Hypersensitivität gegen Nahrungs-proteine und andere Antigene, wie beispielsweise Bakterienantigene fördern könnten. Interessanterweise betreffen diese Mechanismen nicht nur die Allergie, sondern auch andere chronische inflammatorische Prozesse wie beispielsweise entzündliche Darm-erkrankungen und rheumatische Arthritis.

Eine verzögerte Entwicklung des protektiven IgA-Systems inner-halb des „gut-associated lymphoid tissue“ (GALT) in der Postnatalphase ist mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung von allergischen Reaktionen assoziiert.

Eine verzögerte Entwicklung des protektiven IgA-Systems inner-halb des „gut-associated lymphoid tissue“ (GALT) in der Postnatalphase ist mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung von allergischen Reaktionen assoziiert.

Besondere Bedingungen wie Lebens-stil, reduzierte bakterielle Exposition aufgrund von hohem Hygienestatus oder häufiger Anwendung von Anti-biotika können eine Störung der gastrointestinalen Barrieren und damit eine Entwicklung von intes-tinaler Hypersensitivität gegen Nahrungsproteine und andere Antigene, wie beispielsweise Bakterienantigene fördern.

Besondere Bedingungen wie Lebens-stil, reduzierte bakterielle Exposition aufgrund von hohem Hygienestatus oder häufiger Anwendung von Anti-biotika können eine Störung der gastrointestinalen Barrieren und damit eine Entwicklung von intes-tinaler Hypersensitivität gegen Nahrungsproteine und andere Antigene, wie beispielsweise Bakterienantigene fördern.

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Nicht-immunologische Mechanismen der Nahrungsmittelintoleranzen

Auf der klinischen Ebene ist eine Abgrenzung zwischen NMI und NMA weniger deutlich als auf der Mechanismusebene, manchmal sogar kaum möglich, weil sich die Symptomatik von Patienten mit NMA und NMI oft kaum unterscheidet [17]. In Tabelle 3 werden die wichtigsten Formen der NMI dargestellt.

Die häufigste NMI bei Erwachsenen ist wahrscheinlich die Laktoseintoleranz, wobei es sich eigentlich um eine Laktosemalabsorption aufgrund mangelnder Laktase im Bürs-tensaum der Dünndarmepithelien handelt. In der Relevanz möglicherweise unter-schätzt wird die Histaminintoleranz, der ebenfalls ein Enzymmangel (an Diaminoxida-se) zugrunde liegt. Bei diesen Individuen führen bereits geringe Mengen an Histamin (beispielsweise in Rotwein, Champagner, Käse, Fisch, Sauerkraut) zu gastrointestinalen und neurologischen („Seekrankheit“) Symptomen. Intoleranzen gegen andere bio-gene Amine wie Tyramin (in Schokolade, Rotwein und Käse), Serotonin (in Bananen, Walnüssen, Ananas) und Glutamat, dem Auslöser des sogenannten Chinasyndroms, wurden beschrieben. Unspezifische Mastzellaktivierung durch Nahrungsmittel, z. B. durch Erdbeeren, Zitrusfrüchte, Tomaten, Meeresfrüchte und Nahrungszusatzstoffe wie Salicylate, Benzoat etc., wird auch „Pseudoallergie“ genannt, weil sie klinisch kaum von der echten NMA abgrenzbar ist. Die physiologische NMU, häufig durch Stärke in Gemüsesorten ausgelöst, was zu vermehrter Gasbildung führt, wird insbesondere bei Patienten mit chronischen Darmerkrankungen (z. B. Colitis ulcerosa, Morbus Crohn, Reizdarmsyndrom) beschrieben.

Tab. 3Tab. 3Klinische Symptome der Nahrungsmittelallergie

Organ Krankheitsbild Betroffene

GI-Trakt Orales Allergiesyndrom (OAS)

Eosinophile Entzündungen

IgE-unabhängige Entzündungen

Zöliakie

Reizdarmsyndrom?

Alle

Alle

Kinder

Alle

Erwachsene

Atemwege Heuschnupfen, Asthma

Otitis serosa

Alle

Kinder

Haut Urtikaria

Neurodermitis

Alle

Kinder

Gelenke Arthritis, etc. Erwachsene

Nervensystem Migräne, Kopfschmerzen

Anhaltende Müdigkeit

Psychische Auffälligkeiten

Hyperkinetisches Syndrom

Erwachsene

Erwachsene

Erwachsene

Kinder

Herz-Kreislauf Gefäßentzündungen

Ödeme

Anaphylaktischer Schock

Alle

Alle

Alle

Klinische Symptome der Nahrungsmittelallergie

Organ Krankheitsbild Betroffene

GI-Trakt Orales Allergiesyndrom (OAS)

Eosinophile Entzündungen

IgE-unabhängige Entzündungen

Zöliakie

Reizdarmsyndrom?

Alle

Alle

Kinder

Alle

Erwachsene

Atemwege Heuschnupfen, Asthma

Otitis serosa

Alle

Kinder

Haut Urtikaria

Neurodermitis

Alle

Kinder

Gelenke Arthritis, etc. Erwachsene

Nervensystem Migräne, Kopfschmerzen

Anhaltende Müdigkeit

Psychische Auffälligkeiten

Hyperkinetisches Syndrom

Erwachsene

Erwachsene

Erwachsene

Kinder

Herz-Kreislauf Gefäßentzündungen

Ödeme

Anaphylaktischer Schock

Alle

Alle

Alle

Nahrungsmittelintoleranzen sind als nicht immunologisch vermittelte Nahrungsmittelunverträglichkeiten definiert und somit zumindest patho-physiologisch klar von Nahrungs-mittelallergien abgegrenzt.

Nahrungsmittelintoleranzen sind als nicht immunologisch vermittelte Nahrungsmittelunverträglichkeiten definiert und somit zumindest patho-physiologisch klar von Nahrungs-mittelallergien abgegrenzt.

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Klinik der Nahrungsmittelallergien und Nahrungsmittelintoleranzen

Nahrungsmittelallergien

Die NMA zeigt keine einheitliche und spezifische klinische Präsentation, sondern eher typische Symptome, welche von den Organen abhängen, die beteiligt sind (Tab. 3). Die atopische Dermatitis ist fakultativ durch allergische Mechanismen bedingt, oder auch andere Hautmanifestationen wie Pruritus und Urtikaria [18]. Während Hautsymp-tome leichter der allergischen Genese zugeordnet werden können, sind gastrointesti-nale Symptome entweder durch NMA oder auch durch Infektionen bedingt, was bei Kindern unterschieden werden muss.

Der kurze Zeitabstand zwischen Allergenexposition und Beginn der Symptomatik (typischerweise Kribbeln im Bereich der Wangenschleimhaut) zusammen mit dem klassischen Set von Nahrungsmitteln, die typischerweise für das orale Allergiesyn-drom (OAS) triggern, wie beispielsweise Äpfel oder Kern- und Steinobstsorten, macht die Diagnose in der Regel leicht. Komplizierter sind die Fälle mit verzögerten Reakti-onen, welche Stunden oder sogar Tage nach Nahrungsmittelaufnahme auftreten kön-nen. Diese Reaktionen sind unter anderem deshalb schwerer zu erfassen, weil die Anamnese oft unklar und inkonsistent ist, die Patienten psychologisch häufig auffällig, und die Mechanismen vielfach IgE-unabhängig sind. Deshalb können diese Formen von NMA nicht immer einfach mittels klassischer diagnostischer Methoden wie Haut-tests oder spezifischer IgE-Messungen im Serum festgestellt werden. In vielen dieser Fälle ist eine Bestätigung der Diagnose mittels doppelblinden plazebokontrollierten Provokationstests (double-blind placebo-controlled food challenge, DBPCFC) not-wendig [3].

Etwa ein Drittel der Patienten mit echter NMA leidet vorwiegend unter gastrointesti-nalen Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen, Krämpfen, Flatulenz und Diarrhö. Andere Patienten geben vorwiegend Hautprobleme (Urtikaria, Quincke-Ödem, atopische Dermatitis) bzw. respiratorische Symptome (Rhinitis, Bronchialasthma), Schocksymp-tome oder weniger definierte systemische Beteiligungen wie Migräne, Fatigue-Syn-drom (chronische Müdigkeit), Ödembildung, Hypotension und Arthritis an. Während dermatologische, respiratorische und systemische Zeichen der Allergie bekannt und etabliert sind, trifft dies nicht notwendigerweise für die gastrointestinalen Manifesta-tionen zu, die schwierig zu diagnostizieren und zu behandeln sind.

IgE-unabhängige Nahrungsmittelallergien

Die nahrungsmittelinduzierte Enteropathie ist eine Erkrankung des Kindesalters, wel-che durch eine protrahierte Diarrhö und Erbrechen gekennzeichnet ist, wodurch es dauerhaft zum klinischen Bild einer Malassimilation kommt. Das Eiweiß-Verlust-Syn-drom kann zu Ödemen, abdominaler Distention, Übelkeit, Erbrechen, Diarrhöen und Anämie führen. Infektiöse und metabolische Erkrankungen, Lymphangiektasien und Zöliakie müssen differenzialdiagnostisch erwogen werden. Die Mechanismen dieser Krankheitsentität sind nicht vollkommen klar; es wird vermutet, dass Immunkomplexe und abnormale T-Zell-Reaktionen, insbesondere nach Genuss von Milch, Soja und an-deren Nahrungsmitteln eine Rolle spielen [18].

Eosinophile Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts und Allergie

Eosinophile Ösophagitis und gastroösophageale Refluxerkrankung (GERD). Bei Kindern mit Refluxsymptomatik zeigten Provokationstests mit Milch, dass etwa ein Drittel der Refluxbeschwerden durch Kuhmilch ausgelöst werden. In solchen Fällen führt eine klassische Antirefluxtherapie zu keiner Verbesserung der klinischen Symp-tomatik, dagegen zeigt die histologische Untersuchung eine deutliche Infiltration der

Bei Kindern sind die Hauptmanifesta-tionsorgane der Nahrungsmittelallergie die Haut und die gastrointestinale Mukosa, deshalb dominieren Symptome wie Diarrhöen und atopische Dermatitis.

Bei Kindern sind die Hauptmanifesta-tionsorgane der Nahrungsmittelallergie die Haut und die gastrointestinale Mukosa, deshalb dominieren Symptome wie Diarrhöen und atopische Dermatitis.

Die häufigste Manifestation von Nahrungsmittelallergien bei Erwach-senen ist das orale Allergiesyndrom, welches praktisch ausschließlich als IgE-vermittelte Sofortreaktion auftritt.

Die häufigste Manifestation von Nahrungsmittelallergien bei Erwach-senen ist das orale Allergiesyndrom, welches praktisch ausschließlich als IgE-vermittelte Sofortreaktion auftritt.

Allergische Symptome können von minimalen Beschwerden bis hin zu lebensbedrohlichen Schockzuständen variieren.

Allergische Symptome können von minimalen Beschwerden bis hin zu lebensbedrohlichen Schockzuständen variieren.

Die nahrungsmittelinduzierte Enteropathie ist eine Erkrankung des Kindesalters.

Die nahrungsmittelinduzierte Enteropathie ist eine Erkrankung des Kindesalters.

Bei Kindern ist in etwa einem Drittel der Fälle eine Refluxsymptomatik durch Kuhmilch ausgelöst.

Bei Kindern ist in etwa einem Drittel der Fälle eine Refluxsymptomatik durch Kuhmilch ausgelöst.

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Mukosa mit eosinophilen Granulozyten, was der Krankheit ihren Namen gab. Typische Symptome der eosinophilen Gastroenteritis sind Übelkeit, Erbrechen, retrosternale Schmerzen und Schluckbeschwerden aufgrund von Strikturen, manchmal sogar Zeichen eines Asthmas. Kürzliche Untersuchungen zeigten, dass dieses Krankheitsbild nicht nur bei Kindern, sondern auch bei Erwachsenen (insbesondere jungen Erwach-senen), vorkommt [19].

Die eosinophile Gastroenteritis ist ebenfalls durch eine deutliche Infiltration der gastralen oder der intestinalen Mukosa mit eosinophilen Granulozyten gekennzeich-net. Alternativ kann auch die Muscularis bzw. die Serosa befallen sein. Typische Symp-tome sind abdominelle Schmerzen, Erbrechen und Diarrhöen, die bei über 50% der Patienten gleichzeitig auftreten. Bei Serosabefall tritt insbesondere ein eosinophiler Aszites auf. Etwa zwei Drittel der Betroffenen haben nicht nur in der Darmwand eine Eosinophilie, sondern auch im peripheren Blut. Die Differenzialdiagnose der eosino-philen Gastroenteritis bei Kindern umfasst parasitäre Erkrankungen, chronisch ent-zündliche Darmerkrankungen, Bindegewebserkrankungen, Tumoren und Medika-mentenallergien. Die eosinophile Gastroenteritis ist eng mit Nahrungsmittelallergien und anderen atopischen Erkrankungen assoziiert, in 50–70% der Fälle lässt sich ein solcher Zusammenhang eruieren [3,19].

Abschließend soll betont werden, dass die Nahrungsmittelallergie im Gegensatz zur Nahrungsmittelintoleranz auch zu lebensbedrohlichen anaphylaktischen Reaktionen führen kann. Tatsächlich ist die Nahrungsmittelallergie der häufigste Auslöser für ana-phylaktische Reaktionen in Industrieländern wie Europa und den USA [20]. Gelegent-lich tritt die Anaphylaxie nur unter simultanen körperlichen Belastungen auf, z. B. beim Müsli-Essen (Cerealien) nach sportlicher Betätigung. Auch Acetylsalicylsäure und an-dere nicht-steroidale Antiphlogistika können zu einer Verstärkung von allergischen Symptomen beitragen.

Diagnostik von Nahrungsmittelallergien

Grundlagen/Anamnese

Basis der Diagnostik sind die Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von Nahrungsmit-telallergien von der Amerikanischen Gastroenterologischen Gesellschaft (AGA) sowie von der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und Immunologie (DGAI) [21, 22]. Offene Provokationstests sind hilfreich, wenngleich sie subjektiver Natur sind und einer Bestätigung durch objektivere Testmethoden bedürfen, bevor eine dauerhafte Eliminationsdiät empfohlen werden kann. Aufgrund der Tatsache, dass kein Test die Verdachtsdiagnose NMA eindeutig bestätigen kann, ist eine sorgfältige Ausschluss-diagnostik erforderlich, die bei Erwachsenen umfangreicher sein muss als bei Kindern. Die Allergietests, die im Folgenden besprochen werden sollen, dienen entweder dem Nachweis der Unverträglichkeit bestimmter Nahrungsmittel oder dem immuno-logischen Mechanismus der Unverträglichkeit. Zur vollständigen Diagnose sollten beide Nachweise erbracht werden.Obwohl alle Allergietests aufgrund begrenzter Sensitivität und Spezifität weder die Verdachtsdiagnose bestätigen noch ausschließen können, erlangen sie gute Vor-hersagewerte, wenn sie bei einem sorgfältig vorselektierten Patientenkollektiv angewandt werden. Dies bedeutet, dass Patienten mit Verdacht auf NMA nach stan-dardisierten Schritten entsprechend einem Flusschema diagnostiziert werden sollten (Abb. 1).

Die eosinophile Gastroenteritis ist eng mit Nahrungsmittelallergien und anderen atopischen Erkrankungen assoziiert. DD: parasitäre Erkrankungen, chronisch entzündliche Darmerkran-kungen, Bindegewebserkrankungen, Tumoren, Medikamentenallergien.

Die eosinophile Gastroenteritis ist eng mit Nahrungsmittelallergien und anderen atopischen Erkrankungen assoziiert. DD: parasitäre Erkrankungen, chronisch entzündliche Darmerkran-kungen, Bindegewebserkrankungen, Tumoren, Medikamentenallergien.

Grundlage der Diagnostik ist eine sorgfältig erhobene Anamnese zu den Nahrungsmitteln, die nicht vertragen werden und die mit spezifischen Symptomen korrelieren.

Grundlage der Diagnostik ist eine sorgfältig erhobene Anamnese zu den Nahrungsmitteln, die nicht vertragen werden und die mit spezifischen Symptomen korrelieren.

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Allergiehauttests

Allergiehauttests, auch Pricktest genannt, sind einfach durchzuführende, kostengüns-tige Testmethoden zur Evaluation von Sensibilisierungen bei Kindern und Erwachse-nen. Allerdings sind Limitationen zu bedenken, die sich insbesondere auf einen be-grenzten positiven Vorhersagewert dieses Testverfahrens begründen. Eine weitere Limitation des Pricktests ist durch die ungenügende Standardisierung und Stabilität vieler Extrakte von Nahrungsmittelallergenen bedingt, welche zur Testung verwendet werden. Dieses Problem könnte durch die Verwendung rekombinanter Allergene reduziert werden, welche in zunehmender Anzahl zur Verfügung stehen, bzw. durch die Verwendung von nativen Nahrungsmitteln mittels Prick-to-Prick-Test, wobei zu-erst das Nahrungsmittel dann die Haut des Patienten mit derselben Lanzette „geprickt“ werden. Neuerdings steht auch der Epikutantest zur kutanen Testung verzögerter Re-aktionen zur Verfügung, der derzeit in klinischen Studien evaluiert wird.

In-vitro-Allergiediagnostik

Eine Alternative bzw. Ergänzung der Hauttests ist die Messung von spezifischem IgE im Serum, ein Laborverfahren, das eine höhere Spezifität und aufgrund der Unabhän-gigkeit vom Untersucher eine höhere Zuverlässigkeit aufweist. Dieser Test, der auch unter dem Begriff RAST (radio-allergosorbent test, weil spezifisches IgE früher radioak-tiv gemessen wurde) bekannt ist, kann auch bei Patienten mit Hautbeteiligung, z. B. atopischer Dermatitis, durchgeführt werden, wo Hauttests nicht empfohlen werden. Eine mögliche Ursache für die häufig berichtete Diskrepanz zwischen Ergebnissen aus Anamnese, Hauttests und Messung von spezifischem IgE begründet sich darin, dass NMA im Gastrointestinaltrakt (GI-Trakt) durch lokal produziertes IgE vermittelt wird, was sich nicht in veränderten IgE-Serumspiegeln niederschlagen muss. Schließlich wird die Messung IgE-unabhängiger Parameter empfohlen, beispielsweise Eosinophi-len-Mediatoren wie ECP und EPX im Serum und in den Faeces, weil damit auch IgE-unabhängige allergische Reaktionen erfasst werden können [3, 10]. Aufgrund der Limitationen aller genannten Labormethoden, beruht die Diagnose gastrointestinale NMA im Wesentlichen auf einer negativen Ausschlussdiagnostik, wobei insbesondere infektiöse, chronisch entzündliche und maligne Magen-Darm-Erkrankungen ausge-schlossen werden müssen.

Abb. 1Abb. 1

Flowchart zur Diagnostik von Nahrungsmittelallergien (NMA)

Eliminationsdiät und offene Provokation

Patient mit GI Symptomen unklarer Genese & Nahrungsmittelunverträglichkeit

Eindeutig positiv Unklar/negativ

NMA ausgeschlossenbzw. unwahrscheinlich

NMAbestätigt

1.

NMAwahrscheinlich

NMAmöglich

NMAunwahrscheinlich

Atopie1-Disposition

Keine Atopie-Disposition

Atopie1-Disposition

Keine Atopie-Disposition2.

Allergietests3 Allergietests3

positiv negativ positiv negativ

4.

Ausschluss anderer GI Erkrankungen2

positivnegativ

Ausschluss andererGI Erkrankungen2

positiv

Ausschluss andererGI Erkrankungen2

positivnegativ

3.

Kontrollierterpositiv negativ5.

DiagnostikAlgorithmusGI NMA

Selektion

Sensibilisierung

Symptomatik

Modifiziert nach Bischoff & Crowe,

100%

50% 25% 25%

88%

9%

1% 2%

3%

10%

90%

Provokationstest

Flowchart zur Diagnostik von Nahrungsmittelallergien (NMA)

Eliminationsdiät und offene Provokation

Patient mit GI Symptomen unklarer Genese & Nahrungsmittelunverträglichkeit

Eindeutig positiv Unklar/negativ

NMA ausgeschlossenbzw. unwahrscheinlich

NMAbestätigt

1.

NMAwahrscheinlich

NMAmöglich

NMAunwahrscheinlich

Atopie1-Disposition

Keine Atopie-Disposition

Atopie1-Disposition

Keine Atopie-Disposition2.

Allergietests3 Allergietests3

positiv negativ positiv negativ

4.

Ausschluss anderer GI Erkrankungen2

positivnegativ

Ausschluss andererGI Erkrankungen2

positiv

Ausschluss andererGI Erkrankungen2

positivnegativ

3.

Kontrollierterpositiv negativ5.

DiagnostikAlgorithmusGI NMA

Selektion

Sensibilisierung

Symptomatik

Modifiziert nach Bischoff & Crowe,

100%

50% 25% 25%

88%

9%

1% 2%

3%

10%

90%

Provokationstest

Allergiehauttests sind einfach durchzuführen, sind aber in ihrer Aussagekraft hinsichtlich Nahrungsmittelallergien beschränkt.

Allergiehauttests sind einfach durchzuführen, sind aber in ihrer Aussagekraft hinsichtlich Nahrungsmittelallergien beschränkt.

Der RAST ist der am häufigsten verwendete in-vitro-Allergietest.

Der RAST ist der am häufigsten verwendete in-vitro-Allergietest.

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Allergen-Provokationsverfahren

In unklaren Fällen ist ein kontrollierter Provokationstest (möglichst als DBPCFC) erfor-derlich, wobei Nahrungsantigene oral in Form einer Gelatinekapsel, die das Allergen enthält, oder direkt intestinal über eine Magensonde zugeführt werden. Das Verfah-ren der DBPCFC wird als „Goldstandard” für die Bestätigung der Diagnose NMA ange-sehen und sollte in allen unklaren Fällen obligater Bestandteil in der Diagnostik sein [3, 21, 22]. Andererseits weist auch dieses Verfahren Schwächen auf, insbesondere, wenn es um die Abklärung einer NMA mit gastrointestinaler Manifestation geht. Das Readout dieses Tests ist hinsichtlich gastrointestinaler Symptome kaum standardisiert und validiert, d. h. es handelt sich hier eher um einen subjektiven als einen objektiven Test. Zweitens wird keine immunologische Reaktion verifiziert, d. h. der Test prüft NMU, aber nicht NMA [3]. Einige Versuche wurden unternommen, ein gastrointestinales Äquivalent des Allergiehauttests zu entwickeln, indem Nahrungsallergene in die Magen- oder Darmmuoksa appliziert und Reaktionen wie Schleimhautrötung oder -schwellung erfasst werden. Dieser Ansatz wurde bereits in den 30er-Jahren konzi-piert und danach in Form von gastralen, duodenalen und zuletzt kolonischen Pro-vokationen weiterentwickelt. Insbesondere die koloskopische Allergenprovokation (COLAP) ist als lokales Testverfahren in klinischen Studien validiert worden und bietet eine Alternative zu oralen Provokationstests bei gastroenterologischen Patienten [11]. Trotz des offensichtlichen Vorteils einer lokalen Testung wird diese aufgrund des Auf-wands und der Notwendigkeit einer endoskopischen Expertise im klinischen Alltag nur begrenzt eingesetzt. Andererseits stellt die Endoskopie und Histologie die Grund-lage für die Diagnostik anderer immunologischer Reaktionen des GI-Trakts auf Nah-rungsmittel wie Zöliakie, durch Nahrungsprotein-induzierte Gastroenteropathien bei Kindern, oder eosinophile Gastroenteritis dar.

Diagnostik von Nahrungsmittelintoleranzen

Zur Diagnostik von Nahrungsmittelintoleranzen stehen wenige objektive, validierte Testverfahren zur Verfügung. Hervorzuheben sind die Atemtestverfahren, die nach Provokation für die Diagnose von Kohlenhydratmalabsorption (z. B. Laktose, Fruktose) verwendet werden. Einzelheiten dazu sind an anderer Stelle beschrieben [23, 24].

Therapie

Therapie von Nahrungsmittelintoleranzen

Da die Mechanismen der Nahrungsmittelintoleranzen unbekannt bzw. therapeu-tischen Interventionen nicht zugänglich sind, steht als Therapiestrategie bei Nah-rungsmittelintoleranzen lediglich die Eliminationsdiät zur Verfügung. Diese erfordert eine eingehende, individuelle Beratung und Schulung des Patienten. Er muss lernen, seine Ernährung weg von Fertignahrungsmitteln auf Primärnahrungsmittel umzustel-len und Etiketten zu lesen.

Therapie von Nahrungsmittelallergien

Eliminationsdiät. Die Grundlage für die Behandlung einer Nahrungsmittelallergie ist ebenfalls die Vermeidung der Exposition mit dem/den Symptom(en) auslösenden Allergen(en). Dies ist bei Allergien wie Erdnussallergie von besonderer Relevanz, bei denen bereits winzige Allergenspuren relevante Reaktionen auslösen können. Die Praktikabilität solcher Eliminationsdiäten ist jedoch begrenzt. Sie erfordert eine ge-schulte Beratungskraft, Zeit und hohe Motivation vonseiten des Betroffenen. Supplementäre medikamentöse Therapie. Wenn eine Eliminationsdiät nicht vollständig durchgeführt werden kann oder wenn nicht alle auslösenden Nahrungsmittel klar identifiziert werden können, ist eine ergänzende medikamentöse Therapie erforder-lich. Hierfür ist die Magen-Darm-taugliche Präparation von Cromoglycinsäure verfüg-bar [25]. In schwereren Fällen kann eine (passagere) Therapie mit Kortikosteroiden unvermeidlich sein. Inwieweit lokal wirksame Steroide wie Budesonid für die Therapie der gastrointestinalen Nahrungsmittelallergie geeignet sind, wurde in kontrollierten

Allergen-Provokationsverfahren ergeben am sichersten Informationen über eine klinische Relevanz von Nahrungsmittelallergien, sind aber aufwendig.

Allergen-Provokationsverfahren ergeben am sichersten Informationen über eine klinische Relevanz von Nahrungsmittelallergien, sind aber aufwendig.

Eliminationsdiät ist die einzige etablierte Therapie der Nahrungs-mittelintoleranz.

Eliminationsdiät ist die einzige etablierte Therapie der Nahrungs-mittelintoleranz.

Etablierte Therapie der Nahrungs-mittelallergien: Eliminationsdiät; Cromoglycinsäure; eventuell Kortiko-steroide (auch Budesonid?); orale Desensibilisierung fraglich; in schweren Fällen Notfalltherapieset bereithalten; hypoallergene Kost bei atopischen Müttern; Probiotika?

Etablierte Therapie der Nahrungs-mittelallergien: Eliminationsdiät; Cromoglycinsäure; eventuell Kortiko-steroide (auch Budesonid?); orale Desensibilisierung fraglich; in schweren Fällen Notfalltherapieset bereithalten; hypoallergene Kost bei atopischen Müttern; Probiotika?

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Studien bisher nicht getestet. Bislang gibt es keine eindeutige Datenlage für den Ein-satz von oraler oder systemischer Desensibilisierung, für prophylaktische medika-mentöse Therapie oder ähnliche Ansätze zur Behandlung von NMA.Medikamentöse Notfalltherapie. Da eine ungewollte Exposition mit Nahrungsanti-genen nicht immer vermieden werden kann, müssen Patienten mit Anaphylaxie-Anamnese mit einem sogenannten Notfallset an Medikamenten ausgerüstet werden. Zentraler Bestandteil des Sets ist Adrenalin, in dessen Anwendung in Notfallsituati-onen Betroffene sorgfältig eingewiesen werden müssen. Weiterhin sollte das Set ein Kortikosteroid (2 x 100 mg Prednisolon-Äquivalent) sowie ein Antihistaminikum (z. B. 2 x 2 mg Tavegil®), möglichst in liquider Form, enthalten. Nahrungsmittelallergiker sollten auch lernen, Etiketten auf Nahrungsmitteln zu lesen und hinsichtlich versteck-ter bzw. kreuzreagierender Allergene zu verstehen [26]. Prävention. Hypoallergene Kostformen werden während der Schwangerschaft bzw. der Stillzeit für atopische Mütter empfohlen, um die Inzidenz der Nahrungsmittelaller-gie bei ihren Kindern zu reduzieren. Nahrungsmittel mit besonders hohem Allergie-potenzial sollten verzögert in den Speiseplan der Risikobabies eingeführt werden, um die Wahrscheinlichkeit einer NMA zu minimieren. Probiotika. Kürzlich wurden Studien publiziert, nach denen Probiotika, wie z. B. Lacto-bacillus rhamnosus GG, in der Lage sind, die Allergie-Inzidenz bei Kindern aus Hochri-sikofamilien für die Entwicklung allergischer Erkrankungen zu reduzieren. Beispiels-weise wird die Prävalenz der nahrungsinduzierten atopische Dermatitis durch die Behandlung mit Lactobacillus GG während und unmittelbar nach der Schwanger-schaft um ca. 50% reduziert, wie Erhebungen 2 bzw. 4 Jahre nach Geburt der Kindern belegten [27]. Allerdings sprechen einige neuere Studien aus Deutschland und dem europäischen Ausland gegen diese Befunde, sodass die Diskrepanzen aus den vorlie-genden Studien durch weitere Untersuchungen genauer abgeklärt werden müssen.

Zukünftige therapeutische Ansätze

Stellenwert der Immuntherapie zur Behandlung von Nahrungsmittelallergien. Häufig wird gefragt, inwieweit eine Immuntherapie entweder mit Nahrungsmitteln oder mit kreuzreagierenden Inhalationsallergenen zur Behandlung von Nahrungsmittelaller-gien sinnvoll sein könnte. Die subkutane Immuntherapie wurde mit gewissem Erfolg bei pollenassoziierter Nahrungsmittelallergie eingesetzt. Beispielsweise konnte ge-zeigt werden, dass das nahrungsmittelinduzierte OAS durch subkutane Immunthera-pie um 50–100% nach Desensibilisierung mit Birkenpollenextrakt in 83% der Patienten reduziert wird. Allerdings konnten andere Autoren diese Ergebnisse nicht reproduzie-ren. Bei Patienten mit gesicherter Erdnussallergie konnte eine subkutane Immunthe-rapie mit Erdnussextrakt eine Reduktion der Symptome nach oraler Provokation von 67–100% bewirken, allerdings nur bei 3 von 11 Patienten, die das Behandlungsproto-koll vollendeten. Die Nebenwirkungsgrate lag bei 13,3%, darunter ein Todesfall [28]. Kürzlich wurden erste Daten zur sublingualen Immuntherapie bei Patienten mit Haselnussallergie publiziert. In diesen Studien, in denen mit Haselnussextrakt behan-delt wurde, konnte eine signifikante Verbesserung der Haselnusstoleranz nachge-wiesen werden [29]. Allerdings muss dieser Befund durch weitere Studien bestätigt werden. Alternativ wurde versucht, das OAS mittels oraler Applikation von Nahrungs-mittelallergenen zu bessern. Mehrere Studien lassen Effektivität vermuten, allerdings liegt bisher keine randomisierte, kontrollierte Studie zur Bestätigung solcher Resultate vor. Deshalb kann die Wertigkeit dieses Ansatzes derzeit nicht abschließend beurteilt werden, insbesondere fehlen Langzeitdaten zur endgültigen Beurteilung. Zusam-menfassend lässt sich anmerken, dass die Immuntherapie ein wichtiger und interes-santer zukünftiger Therapieansatz sein könnte, allerdings müssen die vorliegenden Befunde durch entsprechende, kontrollierte Studien bestätigt werden.Anti-IgE-Therapie. In ausgewählten Fällen (z. B. schwere Erdnussallergie) kann eine Anti-IgE-Therapie mittels humanisiertem Antikörper gegen den Fc-Part des IgE-Mole-küls erwogen werden. Leung et al. [30] konnten zeigen, dass die Schwellendosis, die Symptome induziert, durch Anti-IgE-Behandlung erhöht werden kann.

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Zu empfehlende Literatur

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7 Vieths S, Scheurer S, Ballmer-Weber B. Current understanding of cross-reactivity of food allergens and pollen. Ann N Y Acad Sci 2002; 964: 47–68.

8 Coombs RR. The Jack Pepys Lecture. The hypersensitivity reactions – some personal reflections.Clin Exp Allergy 1992; 22: 673–680.

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11 Bischoff SC, Mayer J, Wedemeyer J, Meier PN, Zeck-Kapp G, Wedi B, Kapp A, Cetin Y, Gebel M, Manns MP.Colonoscopic allergen provocation (COLAP): a new diagnostic approach for gastrointestinal food allergy. Gut 1997; 40: 745–753.

12 Wehkamp J, Fellermann K, Herrlinger KR, Bevins CL, Stange EF. Mechanisms of disease: defensins in gastrointestinal diseases. Nat Clin Pract Gastroenterol Hepatol 2005; 2: 406–415.

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15 Wood JD. Enteric neuroimmunophysiology and pathophysiology. Gastroenterology 2004; 127: 635–657.

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19 Furuta GT, Liacouras CA, Collins MH, Gupta SK, Justinich C, Putnam PE, Bonis P, Hassall E, Straumann A, Rothenberg ME; First International Gastrointestinal Eosinophil Research Symposium (FIGERS) Subcommittees. Eosinophilic esophagitis in children and adults: a systematic review and consensus recommendations for diagnosis and treatment. Gastroenterology 2007; 133: 1342–1363.

20 Bock SA, Muñoz-Furlong A, Sampson HA. Fatalities due to anaphylactic reactions to foods. J Allergy Clin Immunol 2001; 107: 191–193.

21 American Gastroenterological Association medical position statement: guidelines for the evaluation of food allergies.Gastroenterology 2001; 120: 1023–1025.

22 Lepp US, Ehlers I, Erdmann S, et al; Arbeitsgruppe „Nahrungsmittelallergie“ der DGAI. Therapiemöglichkeiten bei der IgE-vermittelten Nahrungsmittel-Allergie. Positions-papier der Arbeitsgruppe Nahrungsmittel-Allergie der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAI) und des Ärzteverbandes Deutscher Allergologen (ÄDA). Allergo J 2002; 11: 156–162.

23 Lembcke B. [Breath tests in intestinal diseases and functional gastrointestinal diagnosis]. Schweiz Rundsch Med Prax 1997; 86: 1060–1067.

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27 Kalliomäki M, Salminen S, Poussa T, Arvilommi H, Isolauri E. Probiotics and prevention of atopic disease: 4-year follow-up of a randomised placebo-controlled trial.Lancet 2003; 361: 1869–1871.

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29 Pajno GB.Sublingual immunotherapy: the optimism and the issues. J Allergy Clin Immunol 2007; 119: 796–801.

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Literatur

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Bitte beachten Sie:Bei der Beantwortung der Fragen ist immer nur 1 Antwort möglich.

Die Beantwortung der Fragen und Erlangung des Fortbildungszertifikats ist nur online möglich. Bitte gehen Sie dazu auf unsere Homepage www.falkfoundation.de.Unter dem Menüpunkt Falk Gastro-Kolleg können Sie sich anmelden und die Fragen beantworten. Bitte diesen Fragebogen nicht per Post oder Fax schicken!

Wichtig:Fragebeantwortung unter

www.falkfoundation.de

Falk Gastro-Kolleg

Fragen zu Nahrungsmittelunver-träglichkeiten und Nahrungsmittel-allergien

Frage 1:Welche Therapieoptionen sind für die Nahrungsmittelallergie (NMA) nicht geeignet?

Cromoglycinsäure Adrenalin Acetylsalicylsäure Eliminationsdiät Steroide

Frage 2:Welche Aussage trifft zu?

Hyposensibilisierung ist eine Standardtherapie für NMA Hyposensibilisierung muss bei NMA immer als sublinguale Therapie durchgefürt werden

Hyposensibilisierung bei NMA kann nur mit kreuzreagierenden Pollenextrakten durchgeführt werden

Hyposensibilisierung ist eine Therapieoption, deren Wirksamkeit nicht eindeutig belegt ist

Hyposensibilisierung ist bei NMA kontraindiziert

Frage 3:Welche Aussage trifft nicht zu?

NMA ist eine immunologisch vermittelte Erkrankung NMI ist eine nicht immunologisch vermittelte Erkrankung NMA und Nahrungsmittelintoleranzen (NMI) werden unter dem Begriff Nahrungsmittelunverträglichkeiten zusammengefasst

NMI kann eine IgE-vermittelte Erkrankung sein NMA kann eine T-Zell-vermittelte Erkrankung sein

Frage 4:Welche Aussage zur Therapie von Nahrungsmittelunverträglich-keiten ist richtig?

Anti-IgE-Therapie ist eine hochwirksame kausale Therapie bei NMA Die anti-IgE-Therapie sollte stets als Initialtherapie der NMA erwogen werden

Die anti-IgE-Therapie kann die Empfindlichkeit auf Allergenexposition senken

Anti-IgE-Therapie ersetzt die Eliminationsdiät Anti-IgE-Therapie ersetzt die Notfalltherapie

Falk Gastro-Kolleg Darm

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Frage 5:Welche Aussage trifft nicht zu?

Mastzellen sind Effektorzellen der allergischen Entzündung Eosinophile sind an der allergischen Sofortreaktion beteiligt Mastzellen setzen Proteasen frei Eosinophile setzen kationische Proteine frei Neutrophile setzen Calprotectin frei

Frage 6:Welche der aufgeführten Diagnosen ist keine wichtige und häufige Differenzialdiagnose der NMA?

Laktoseintoleranz Fruktoseintoleranz Histaminintoleranz Aspirinintoleranz Zöliakie

Frage 7:Welche der aufgeführten Diagnosen ist keine wichtige und häufige Differenzialdiagnose der NMA?

Reizdarmsyndrom Zöliakie Chronisch entzündliche Darmerkrankung Eosinophile Gastroenteritis Virale Diarrhö

Frage 8:Welche Aussage ist falsch? Die Anamnese bei NMA

ist wegweisend ist oft verwirrend ist zeitaufwendig ist oft ohne Ergebnis ist bedeutungslos

Frage 9:Auf welche Maßnahme kann man bei der NMA-Diagnostik am ehesten verzichten?

Anamnese Körperliche Untersuchung Hauttests Messung des CRP Provokationstests

Frage 10:Welche Aussage trifft zu? Provokationstests bei NMA

sind heutzutage meist überflüssig sind kostspielig sind in Zweifelsfällen obligat sind wegen der Gefahr des anaphylaktisch Schocks abzulehnen sind nur als orale Provokation durchführbar

Falk Gastro-Kolleg Darm