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Fallvorstellung 3.7.07 Dialysestation 3Ost Dr. med. Ferruh Artunc

Fallvorstellung 3.7.07 Dialysestation 3Ost · Hautbiopsie • Unauffällige Epidermis und Korium. Verbreiterung der bindegewebigen Septen mit Ablagerung von Muzin (kolloidales Eisen

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Fallvorstellung 3.7.07 Dialysestation 3Ost

Dr. med. Ferruh Artunc

Der Fall

• 36j. Hämodialysepatientin C. W. stellte sich 10/2005 in der Hautklinik mit seit einem Jahr zunehmenden Hautindurationen vor

• Lokalisation Unterbauch, Extremitäten, Mammae

• Empfindet Veränderungen als „Hautpanzer“

Vorerkrankungen

• Term. Niereninsuffizienz

– Chron. HD seit 5/2004 bei Lupusnephritis WHO Typ IV

• SLE, ED 9/1997

– ZNS-Beteiligung mit Vaskulitis und Grand-Mal-Anfällen 4/2004

• Antiphospholipid-Syndrom

– rez. Lungenembolien

– Marcumar seit 12/1997

• Epilepsie mit fokal-komplexen Anfällen

• Art. Hypertonie

– Z.n. hypertensive Leukenzephalopathie 4/2004

Befund -1-

Befund -2-

Hautbiopsie

• Unauffällige Epidermis und Korium.

Verbreiterung der bindegewebigen Septen mit Ablagerung von

Muzin (kolloidales Eisen positiv).

Keine entzündlichen Infiltrate.

Keine Vermehrung von Fibroblasten.

Diagnose

• Beurteilung durch das Referenzzentrum Münster (Prof. Metze):

Befund vereinbar mit nephrogener fibrosierender Dermopathie

Nephrogene fibrosierendeDermopathie

• Synonym: nephrogene systemische Fibrose (NSF)

• neu identifizierte Entität, bislang ohne eindeutig geklärter Ätiologie,betrifft zum größten Teil Pat. mit Niereninsuffizienz bzw. Dialysepflichtigkeit („nephrogen“)

• Erstbeschreibung in der Literatur 2000

• bislang mehr als 215 Fälle registiert (Internationale NSF Registry an der Yale University, New Haven, CT)

Klinik der NSF• anfangs Schwellung der Extremitäten mit nachfolgender Verhärtung

und Sklerosierung über Wochen, teilweise knotig.

• gewöhnlich Mitbeteiligung des Stammes

• Aussparung des Gesichts

• Steifigkeit führt zur Funktionseinschränkung

• Systemischer Befall mit letalem Verlauf beschrieben

Assoziation zu Gadolinium-haltigenKontrastmitteln

• 2006 zeigte Grobner et al. in einer Studie an 5 Hämodialyse-Pat., dass eine NSF 2-4 Wochen nach der Verabreichung des Gadolinium-haltigen MR-Kontrastmittels Gadodiamid (Omniscan®) auftrat. (Nephrol Dial Transplant. 21:1104-8)

• Marckmann et al. 2006 (J Am Soc Nephrol 17:2359–2362)

– Serie mit 13 HD-Pat. mit NSF im Median 25 Tage nach Gadodiamid-Exposition

– es wurde eine Odds Ratio von 32,5 berechnet, eine NSF nach Gadodiamid-Exposition zu entwickeln.

• NSF wurde auch mit anderen Gd-haltigen KM in Zusammenhang gebracht:

– Magnevist® (Gadopentat-Dimeglumin)

– OptiMARK® (in der EU nicht zugelassen)

Rote Hand Briefe

• 7.02.07: GE Healthcare– Kontraindikation für die Verwendung vom

Omniscan® (Gadodiamid) bei GFR <30ml/min/1,73m²– seitens der Firma wird ein Zusammenhang in 95 Fällen gesehen

• 25.06.07 Bayer Healthcare– Kontraindikation für die Verwendung vom Magnevist®

(Gadopentetat-Dimeglumin) bei GFR <30ml/min/1,73m²– seitens der Firma wird ein Zusammenhang in 27 Fällen gesehen

Gadolinium• Gadolinium ist ein metallisches Element aus der Gruppe der

Lanthanoiden (Seltenerdmetalle) mit der Ordnungszahl 64.

• Vorkommen: oberste Erdkruste (16km) enthält rund 0,00064% Gadolinium in Form von Gd3+- Verbindungen– Gadolinium ist häufiger als z.B. Platin, Iod, Silber oder Gold.

• Gadolinium wurde 1880 von Marignac entdeckt und nach dem finnischen Chemiker Gadolin benannt

• In vivo:– Gd3+ kann ausfallen– Kommt dem Ca2+-Ion hinsichtl. chem. Eigenschaften (Größe,

Bindungsverhalten) am nächsten– Beeinflussung Ca-abh. Prozesse in vivo, u.a. Stimulation des Ca

Sensing Receptor => Toxizität

Gd-haltige KM -1-• Durch seine 7 ungepaarten Elektronen ist Gd stark

paramagnetisch und eignet sich hervorragend als KM bei MR• Löslichkeitsprobleme und Toxizität werden durch Chelatoren

entscheidend herabgesetzt und ermöglichen Einsatz als MR-KM• Lineare Chelate:

– Gd-DTPA-BMA (Omniscan®)

– Gadopentetsäure (Magnevist®)

– Gadoversetamid (OptiMARK®)

Gd-haltige KM -2-• Zyklische Chelate:

– Gd-DOTA (Dotarem®)

– Gadobutrol (Gadovist®)

– Gadoteridol (ProHance®)

• Zyklische Chelate haben höhere Stabilitätskonstante• Manche Präparate enthalten noch freie Chelatoren, um

freiwerdende Gd3+ -Ionen zu binden (z.B. Omniscan®)

Elimination Gd-KM• Elimination ausschließlich renal durch glomeruläre Filtration

• In-vivo Halbwertszeit (HWZ) beim Nierengesunden: 1,5h

• Bei Niereninsuffizienz Verlängerung der HWZ 30 - 120h

• Elimination durch HD: 78% in einer Sitzung, Entfernung von 99,5%nach 4 Sitzungen (jd. 2. Tag, entspricht 3 Log10 -Stufen)

(Okada et al., Acta Radiol 2001; 42:339-341)

• Bei Peritonealdialyse-Patienten noch 31% der ursprüngl. Gadodiamid-Dosis 22 Tage nach Applikation wiederauffindbar !

(Joffe et al., Acta Radiol 1998; 5:491-502)

– Elimination nur durch Rest-GFR

Pathogenese der NSF

• Zerfall und Dissoziation des Gd-Chelats bei zu langer Verweildauer im Organismus

• Freies Gd3+ übt toxische Wirkungen aus, in diesem Falle Fibrose

• Nur Gd-KM mit linearen Moleküle mit NSF assoziiert:– Omniscan®, Magnevist® und OptiMARK®

• Keine Fälle berichtet mit Beteiligung der zyklischen Präparate

• Dosisabhängigkeit– meiste Fälle nach Gabe hoher Konzentrationen im Rahmen von

MR-Angiographien (2-3 fach)

• High et al. konnten 2007 Gd3+ in Hautbiopsien von Pat. mit NSF nachgeweisen (J Am Acad Dermatol 56:21-6)

Der vorliegende Fall• Mehrfache Gabe vom Magnevist® im Rahmen von MR-

Untersuchungen am UKT:

Terminale NiereninsuffizienzMR des Oberschenkels + KM10/05

Terminale NiereninsuffizienzMR des Herzens + KM2/05

Terminale NiereninsuffizienzMR-Angiographie der Zerebralgefäße + KM(2 Untersuchungen innerhalb von 5 Tagen)

8/04

Dialysepflichtiges akut-auf-chronisches Nierenversagen

MR-Angiographie der Zerebralgefäße + KM11/03

Dialysepflichtiges akut-auf-chronisches Nierenversagen

MR-Angiographie der Nieren + KM9/03

NierenfunktionMR-UntersuchungZeit

• Seit 10/05 Behandlung mit UV-Bestrahlung, ohne durchschlagenden Erfolg

Zusammenfassung• NSF ist eine unklare neu identifizierte Entität

• Gadolinium als definitive Ursache der nephrogenen Sklerose ist nicht gesichert, gilt allerdings als wahrscheinlich

• Gd-haltige KM sind problematisch bei Niereninsuffizienz

• Verglichen mit dem breiten Einsatz des MR seltene Komplikation <=> drohende „Pandemie“ (hohe Dunkelziffer nicht auszuschließen)

Vorgehen am UKT• Positionspapier (Nephrologie/Radiologie) in Bearbeitung• Für ein KM-angehobenes MR muss Serum-Kreatinin und daraus

errechnete MDRD-GFR vorliegen !

Indikation streng stellen Kontraindikation für Omniscan® und Magnevist®

Gabe von zyklischen KM (z.B. Gadovist®)HD an 3 aufeinander folgenden Tagen, beginnend am Nachmittag

nach KM-UntersuchungBei KM-Gabe für PD-Patienten Shaldon-Anlage und 3-malige HD

Abstimmung mit der Dialysestation 3 Ost (Tel. 82781)

<15

Indikation streng stellen Kontraindikation für Omniscan® und Magnevist®

Gabe von zyklischen KM (z.B. Gadovist®)keine HD

15-29

Indikation überprüfen30-59

Normale Anwendung>60

Empfohlenes VorgehenGFR, ml/min/1,73m²